DIE STECHIMMENFAUNA DER LANDESHAUPSTADT HANNOVER - LANDESHAUPTSTADT HANNOVER - Hannover.de
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Rolf Witt & Dieter Nußbaum DIE STECHIMMENFAUNA DER LANDESHAUPSTADT HANNOVER Berichte aus dem Tierartenhilfsprogramm LANDESHAUPTSTADT HANNOVER
1 Vorwort Die Förderung der Artenvielfalt besitzt in der Landeshauptstadt Hannover einen besonderen Stellenwert. Eine wesentliche Grundlage dafür ist das Programm „Mehr Natur in der Stadt – Verbesserung der biologischen Vielfalt in Hannover“. In den letzten Jahren wurden im Rahmen dieses Programms zahlreiche Projekte und Maß- nahmen zum Schutz von Tier- und Pflanzenarten umgesetzt. Die Landeshauptstadt Hannover setzt damit die nationale Biodiversitätsstrategie auf kommunaler Ebene um und erfüllt im eigenen Hoheitsgebiet die Ziele des Naturschutzes. Einen wichtigen Baustein bildet das Tierartenhilfsprogramm, durch welches dem Artenrückgang entgegengewirkt werden soll. Aufbauend auf den Ergebnissen von Kartierungen werden Biotoppflegemaßnahmen festgelegt, die die Vorkommen von wertgebenden Tierarten im Stadtgebiet sichern und fördern sollen. Neben Amphibien Sabine Tegtmeyer-Dette oder Libellen wird auch die Stechimmenfauna bereits seit vielen Jahren im Rahmen Wirtschafts- und des Tierartenhilfsprogramms betrachtet. Damit stehen die Wildbienen, die wie ver- Umweltdezernentin schiedene Wespenfamilien zu den Stechimmen zählen, schon lange Zeit im Fokus Landeshauptstadt Hannover des Tierartenschutzes in Hannover. Mit dieser Broschüre werden die Ergebnisse der vom Fachbereich Umwelt und Stadtgrün veranlassten Felduntersuchungen zur Stechimmenfauna aus den Jahren 2013 – 2018 vorgestellt. Ergänzend dazu sind Daten weiterer externer Studien der Autoren in die Auswertung eingeflossen. Im Ergebnis wird somit eine umfassende Bearbeitung der Stechimmenfauna für die Landeshauptstadt Hannover vorgelegt, die in Art und Umfang bundesweit eine Besonderheit darstellt. Mit dem Beitritt zum „Insektenbündnis Hannover“ hat die Landeshauptstadt Han- nover Ende 2020 eine wichtige Grundlage für einen umfassenden Insektenschutz in Hannover geschaffen. Mit einem selbstverpflichtenden Maßnahmenbündel soll versucht werden, die Artenzahl von Insekten und die Individuenstärke der Insekten- Populationen zu erhöhen. Die vorliegende Bearbeitung der Wildbienen- und Wes- penfauna stellte sich als ein wichtiger Wegbereiter heraus. In diesem Sinne ist die Broschüre auch als ein fachlicher Baustein eines zukunftsweisenden Insektenschutzes in Hannover zu verstehen. Durch die Umsetzung der beschriebenen Maßnahmen kann ein wertvoller Beitrag gegen das Insektensterben im Rahmen des „Insektenbündnis Hannover“ geleistet werden. Dass Hannover in der Naturschutzarbeit so erfolgreich ist, verdankt die Stadt nicht zuletzt ihren vielen Partner*innen außerhalb der Verwaltung. Ohne das vielfältige Engagement wären Naturschutzziele und -projekte oft nicht umsetzbar. Wir hoffen daher auch in Zukunft auf viele Mitstreiter*innen für den Schutz und die Förderung von Wildbiene & Co. in Hannover. Sabine Tegtmeyer-Dette Wirtschafts- und Umweltdezernentin Landeshauptstadt Hannover
3 Inhalt Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2 Ökologische Bedeutung der Stechimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 3 Gefährdungssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 4 Historie der Stechimmenerfassung in Hannover . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 0 5 Stechimmenerfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2 5.1 Methodik und Untersuchungsschwerpunkte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2 5.2 Ergebnisüberblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 3 5.3 Hauptuntersuchungsgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 5 5.3.1 Mittlere Leineaue (Stöcken) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 5 5.3.2 Kinderwald (Nordhafen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 9 5.3.3 Berggarten / Universität (Herrenhausen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1 5.3.4 Segelfluggelände (Sahlkamp) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 4 5.3.5 Fuhrbleek (Isernhagen-Süd) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 7 5.3.6 Alte Bult (Südstadt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1 5.3.7 Höversche Kippen (Wülferode) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 4 5.3.8 Kronsberg (Wülferode, Bemerode) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 7 5.4 Gründächer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 0 5.5 Sonstige Flächen in Hannover . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 3 6 Bewertung der Ergebnisse im Vergleich mit anderen Städten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 0 7 Konkurrenzsituation Wildbienen – Honigbiene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1 8 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 5 Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 5 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 6 Anhang Karte „Hauptuntersuchungsgebiete, Gründächer und sonstige untersuchte Flächen in der Landeshauptstadt Hannover“
5 darunter 26 bzw. 91 Arten, die vorher für die Stadt Zusammenfassung nicht bekannt waren. Damit kommen fast 47 % aller aus Niedersachsen bekannten Wildbienenarten aktuell in Hannover vor. Fünf Arten (Bienen: Heriades crenulatus; Mit dieser Broschüre wird erstmals eine umfassende Be- Grabwespen: Spilomena mocsaryi; Goldwespen: Holopyga arbeitung der Stechimmenfauna (Hymenoptera Aculeata, ignicollis; Plattwespen: Bethylus boops und Goniozus ohne Ameisen) für die Landeshauptstadt Hannover vor- distigmus) konnten erstmals in Niedersachsen nachge- gelegt. (Stand: Ende 2018) wiesen werden. Mit der Blutbiene Sphecodes scabricollis wurde eine in Niedersachsen als verschollen geltende Schwerpunkt sind intensive Felduntersuchungen in den Art wiederentdeckt. Jahren 2013–2018, die sich auf 8 Hauptuntersuchungs- gebiete und 11 Stichprobenflächen beziehen. Ergänzend Neben einer detaillierten Charakterisierung der ein- dazu fließen Daten weiterer externer Studien aus diesem zelnen Untersuchungsflächen werden in diesem Heft Zeitraum vom Stadtfriedhof Stöcken und von 10 Grün- Vorschläge für den Erhalt, die Optimierung und nach- dachstandorten in die Auswertung ein. haltige Fördermöglichkeiten der wertgebenden Stech- immenarten gemacht. Zur aktuellen Diskussion um den Berücksichtigt wird zudem eine im Vorfeld durchgeführte massiven Rückgang der Insekten wird eine grundsätz- Recherche aller von ca. 1884 bis 2012 vorliegenden Er- liche Betrachtung der Gefährdungsursachsen gegeben. fassungsdaten. Eingang in die Ergebnisse finden dabei Ergänzend werden Artenschutzmaßnahmen im urbanen auch alle sonstigen Kartierungen, die etwa im Zusam- Raum diskutiert und kritisch betrachtet. menhang mit Untersuchungen im Rahmen von Bauvor- haben erfolgt sind. Kapitel 7 widmet sich dem Themenkomplex „Konkurrenz Honigbiene – Wildbienen“, der in einer Kurzstudie exem- Insgesamt konnten 448 Stechimmenarten in der Lan- plarisch untersucht wurde. Bei einer oligolektischen Art, deshauptstadt Hannover dokumentiert werden. Bis 2012 der Wildbiene Melitta haemorrhoidalis, konnten dabei In- lagen, einschließlich der historischen Funde, Nachweise dizien für eine Beeinträchtigung selbst bei geringen Ho- von 371 Arten, davon 236 Wildbienen, vor. Bemerkens- nigbienendichten gefunden werden. Grundsätzlich sind wert ist, dass bei 53 Arten, darunter viele heutzutage angedachte Restriktionen bei der Honigbienenhaltung, bundesweit extrem gefährdete Arten, der letzte Nach- die vor allem in Großstädten teilweise überhandnimmt, weis über 70 Jahre zurückliegt. immer im Einzelfall zu analysieren und evidenzbasiert Die aktuellen Felduntersuchungen zeigen mit einer Zahl zu begründen. von 319 Stechimmenarten die besondere Bedeutung der Stadt Hannover, die sicherlich auch darauf zurück zu Unter dem Aspekt, dass einzelne potentiell für Stechim- führen ist, dass die Stadt Hannover, aufgrund ihrer geo- men wertvolle Standorte bisher nicht bzw. nicht ausrei- graphischen Lage an der Übergangszone zwischen dem chend untersucht wurden, ist mit weiteren Vorkommen Norddeutschen Flachland und den südniedersächsischen einiger bisher nicht für das Stadtgebiet nachgewiesenen Mittelgebirgen, über eine besonders hohe Standort- und Stechimmenarten zur rechnen. Gleiches ist anzuneh- Biotopvielfalt verfügt. Im Vergleich mit anderen Groß- men, wenn auf bereits untersuchten Standorten eine städten weist Hannover mit 263 Wildbienenarten eine Optimierung der Flächenpflege erfolgt. ausgesprochen hohe Gesamtartenzahl auf. Diese Ergeb- nisse untermauern die besondere Bedeutung Hannovers Mit den noch vorhandenen Habitaten ist in Hannover für die gesamte norddeutsche Stechimmenfauna. ein langfristiges, fachlich fundiertes Schutzkonzept für Stechimmen möglich, das Vorbildcharakter haben kann Bei Betrachtung einzelner Insektentaxa konnten bei und von der Bevölkerung mitgetragen wird. Dazu werden den Wildbienen seit 2013 insgesamt 168 Arten und im Ausblick Anregungen und Ziele formuliert. bei den Grabwespen 108 Arten nachgewiesen werden,
6 7 2009 schließlich wurde das Programm „Mehr Natur in zen beruht. Darüber hinaus ist diese Artengruppe eine Landschaftsräumen umfassende Bestandskartierungen, 1 Einleitung der Stadt – Verbesserung der biologischen Vielfalt in große Sympathieträgerin, deren Lebensweise zudem die laufend (Stand 2021) fortgeführt werden. Hannover“ mit verschiedenen Handlungsfeldern vor- „vor der eigenen Haustür“ beobachtet werden kann. Die gelegt. Zu diesen Handlungsfeldern gehört neben dem Wespenfamilien spielen vor allem als effektive Räuber In dem Projekt sollte es, entgegen der üblichen Anlässe, Seit einigen Jahrzehnten ist, sowohl weltweit als auch Pflanzenartenhilfsprogramm auch das Tierartenhilfspro- auch von Schadinsekten eine wichtige Rolle. nicht um eine Kartierung bei Planungsvorhaben oder Ein- auf lokaler Ebene, ein steter Rückgang von naturnahen gramm, durch welches dem Artenrückgang entgegen- griffen in die Natur gehen. Ziel ist die wissenschaftliche Freiflächen und damit einhergehend auch von vielen gewirkt werden soll. Dieses Programm wird seitdem Aus diesen Gründen lag es nahe, auch die Artengrup- Erfassung der lokalen Stechimmenfauna auf Flächen, Tier- und Pflanzenarten zu verzeichnen. Zur Erhaltung kontinuierlich fortgeschrieben. pen der Stechimmen in das Tierartenhilfsprogramm zu die für das Habitatspektrum der Landeshauptstadt Han- einer möglichst großen Artenvielfalt ist es daher un- integrieren. Den Start bildeten Auswertungen und Nach- nover repräsentativ sind. Damit soll eine Grundlage für erlässlich, Tieren und Pflanzen möglichst vielfältige Tierartenhilfsprogramm bestimmungen historischer Funde des Landesmuseums weitergehende Artenschutzmaßnahmen und Planungen Lebensräume bereitzustellen und diese, wenn möglich, Das Tierartenhilfsprogramm umfasst mehrere Bausteine: Hannover. Ab 2013 erfolgten dann in ausgewählten geschaffen werden. zu verbessern. Hierzu ist im ersten Schritt die Erfassung vorhandener Arten erforderlich. Ziel im zweiten Schritt Erfassung eines möglichst repräsentativen ist es dann, die vorgefundenen Arten durch die Pflege- Artenbestandes und Entwicklung ihrer Lebensräume zu sichern und zu Da die Erfassung aller Arten angesichts des hohen Fi- fördern. Im Idealfall werden die Lebensräume auch von nanz- und Personaleinsatzes nicht leistbar ist, muss eine 2 Ökologische Bedeutung der Stechimmen bisher nicht vorhandenen Arten besiedelt. fachlich sinnvolle Beschränkung erfolgen. So orientiert sich die Auswahl an vorhandenen Daten und an Arten, Tierartenerfassung in Hannover deren Bestände aussagekräftige Hinweise auf das Vor- Die Stechimmen (Aculeata) kommen mit über 1.300 Ar- vernetzt sein müssen. Die artspezifischen Ansprüche Der Schutz von Arten und ihren Lebensräumen hat in handensein von wertvollen Lebensräumen für Tiere und ten in Deutschland vor und gehören zu der in Deutsch- sind stark differenziert und es gibt charakteristische Hannover seit langem einen hohen Stellenwert. Bereits Pflanzen im Stadtgebiet geben. Zu ihnen zählen z. B. land artenreichsten Insektenordnung, den Hautflüglern Arten für verschiedenste Biotoptypen bzw. Habitat- 1984 lag für das gesamte Stadtgebiet eine erste Stadt- Amphibien wie der Kammmolch oder der Laubfrosch (Hymenoptera) mit ca. 10.000 Arten. komplexe. biotopkartierung vor. In den 1990er Jahren vervollstän- und Reptilien wie die Zauneidechse und die Kreuzotter. digten Kartierungen einzelner gefährdeter Arten den Aber auch andere Artengruppen wie Libellen oder Fle- Zu den Stechimmen zählen die Wildbienen (ca. 585 Ar- Neben ausgesprochen pionierbesiedelnden Arten oder Überblick über Hannovers Pflanzeninventar. Sporadisch dermäuse werden regelmäßig im Rahmen des Tierarten- ten), die Grabwespen s. l. (ca. 270 Arten), Faltenwespen, schnell auf Umweltänderungen reagierende, expansive wurden in diesem Zusammenhang auch die Bestände hilfsprogramms untersucht. Wegwespen, Goldwespen und weitere kleinere Wespen- Arten, gibt es gerade unter den wertgebenden, seltenen einzelner Tierarten, wie z. B. Libellen, Heuschrecken familien. Dazu kommt noch die Stechimmenfamilie der Arten „konservative“ Vertreter mit sehr geringen Aus- und Schmetterlinge, erfasst. Aktualisierungen bzw. Er- Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen für die Ameisen, die nicht Bestandteil der vorliegenden Unter- breitungstendenzen. gänzungen dieser Ergebnisse fanden vorerst nur auf erfassten Populationen suchung ist. Viele Arten sind ausgesprochen wärme- kleinen Teilflächen des Stadtgebietes statt, so beispiels- Aufbauend auf den Ergebnissen der Kartierungen werden und trockenheitsliebend. Deshalb ist die Artenvielfalt Damit können zum Beispiel auch Erkenntnisse auf lang- weise im Zusammenhang mit geplanten Umnutzungen Biotoppflegemaßnahmen festgelegt, die die bisherigen im eher kühleren Niedersachsen niedriger. Hier sind fristige Veränderungen gewonnen werden, die über an- von Flächen. Vorkommen im Bestand erhalten und möglichst dauer- rund 360 Wildbienenarten und ähnlich viele aculeate dere Parameter schwerer zu erkennen sind. So sind erste haft weiterentwickeln. Wespenarten bekannt. Unter dem Begriff „Wildbienen“ Hinweise auf Klimaveränderungen aufgrund sich ver- Die Erfassung und der Schutz von Tierarten erfuhren versteht man alle Bienenarten mit Ausnahme der Honig- ändernder Artenzusammensetzungen einigen Stechim- 2002 eine europaweite Unterstützung, als der euro- Digitale Erfassung aller Bestandsaufnahmen biene, die offiziell als semidomestiziertes Haustier gilt. menforscher*innen bereits vor Jahrzehnten aufgefallen. päische Gerichtshof in dem wegweisenden Urteil zum Die digitale Erfassung der Bestandsdaten erfolgt fort- Während die Wildbienen in den letzten Jahren immer Umgang mit der Karettschildkröte bei Bauvorhaben in laufend entsprechend der jeweils neuen Erkenntnisse. stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt sind, ist Gesicherte Nachweise über indigene Vorkommen be- Griechenland allgemein auf die besondere Beachtung Sie sollen behördenintern einem möglichst großen Nut- die Bedeutung der Wespenfamilien noch wenig bekannt stimmter Stechimmenarten, sogenannter Indikator- geschützter Tierarten in Planungsprozessen aufmerk- zer*innenkreis zugänglich sein und in alle flächenrele- bzw. wertgeschätzt. sam machte. Ab diesem Zeitpunkt waren Kartierungen vanten Planungen einfließen. sogenannter planungsrelevanter Arten, zumeist be- Die Stechimmen weisen besonders faszinierende und sonders bzw. streng geschützte Tierarten, für alle flä- Eine besondere Anerkennung für die Tätigkeiten im vielfältige Lebensweisen auf. So sind sie beispielsweise chenwirksamen Vorhaben im Stadtgebiet von Hannover Arten- und Naturschutz war die Ernennung der Landes- die einzige Insektengruppe, bei der alle Lebensformty- obligatorischer Bestandteil aller Plan- und Genehmi- hauptstadt Hannover zur Bundeshauptstadt der Bio- pen von solitär (einzeln lebenden) Arten mit fließenden gungsunterlagen. diversität im Jahr 2011. Diese Auszeichnung war und Übergängen bis hin zu den hochsozialen Hummeln, Fal- ist Bestätigung und Ansporn zugleich. So war sie auch tenwespen, einigen Wildbienen und der Honigbiene oder Neben den zunächst rein gesetzlich begründeten Anfor- Grundlage für die intensive Begutachtung der Stechim- Ameisen vorkommen. Dazu kommen noch die vielen derungen rückte zusehends auch der Aspekt der Arten- menfauna in Hannover ab 2012. parasitischen Arten, die als sogenannte Kuckucksbienen vielfalt in den Blick. 2006 begannen in Hannover erste oder -wespen ihre Eier in fremde Wildbienen- oder Wes- grundlegende und planungsunabhängige Untersuchun- Stechimmen im Fokus pennester schmuggeln. Auch zur obligaten parasitischen gen von Tierpopulationen im Rahmen des Stillgewässer- In den vergangenen Jahren wurde ein massiver Rück- Lebensweise gibt es Übergangsformen, die häufig sogar programms. Erfasst wurden insbesondere an Gewässer gang von Stechimmen, vor allem Wildbienen, dokumen- Anzeichen auf aktuell stattfindende Artbildungsprozesse gebundene Tierarten, wie Amphibien und Libellen. Auch tiert. Der Rückgang beruht auf unterschiedlichen Ursa- sein können. andere Tierarten fanden zunehmend Berücksichtigung. chen, auf die in Kapitel 3 im Detail eingegangen wird. Von großer ökologischer Bedeutung sind die unter- schiedlichsten Anpassungen und Spezialisierungen, Es folgte das Maßnahmenprogramm zur Entwicklung Das besondere Augenmerk der Öffentlichkeit auf die vor allem in Bezug auf die Wahl der Nisthabitate und von Landschaftsräumen, das umfangreiche Maßnahmen Wildbienen ist sicherlich auch darauf zurückzuführen, bevorzugten Nahrungsressourcen, Baumaterialien oder zur Anlage und Entwicklung wertvoller Biotopstrukturen dass die Bedeutung dieser Tiere, neben dem Natur- und Beutetiere, die sich evolutiv innerhalb der Stechimmen beinhaltete (z. B. Gehölzpflanzungen, Anlage von Still- Artenschutzaspekt, auch auf ihrem maßgeblichen Wirt- entwickelt haben. Daraus resultiert oft eine zwingende gewässern). schaftsfaktor als kostenloser Bestäuber von Kulturpflan- Nutzung verschiedener Teilhabitate, die räumlich eng Abb. 1: Schneckenhaus-Mauerbiene (Osmia bicolor) © Rolf Witt
8 9 arten, lassen fundierte ökologische Aussagen zu. Das Bienen ausfällt. Ausnahmen sind die wenigen in der Blü- eine steigende Artenzahl nicht grundsätzlich positiv an- können Beurteilungen des ökologischen Zustandes von tenökologie als „Wespenblumen“ bezeichneten Pflanzen, zusehen ist, insbesondere dann nicht, wenn seltene und Flächen oder wichtige Hinweise für eine optimierte Na- wie z. B. der Braunwurz. Anpassungen an Pflanzen sind wertgebende Stechimmenarten zu Gunsten von häufigen turschutz- oder Stadtplanung sein. Vor allem Wildbienen aber noch differenzierter. So werden von Blattschneider- und weit verbreiteten Arten verschwinden. und den aktuell in der Öffentlichkeit noch zu wenig be- bienen Blattstücke zum Bau der Brutzellen genutzt. Blüten achteten Grabwespen kommt eine hohe und erweiterte können als Übernachtungsplatz oder als Schutzraum bei Unabhängig von eigentlich entbehrlichen ökonomischen Aussagekraft zu, die über andere standardmäßig in der schlechtem Wetter dienen. Andere Arten nutzen Blüten Argumenten sprechen sehr viele ökologische sowie Umweltplanung berücksichtigte Tiergruppen kaum zu als Rendezvous-Platz, oder einige Männchen richten auf auch ethische Gründe für die Förderung und den Er- erlangen ist. Blütenständen sogar ihre Reviere ein. halt der Stechimmenfauna. Diese Argumente sollten, neben einer aktuell oft pauschal formulierten „Erhöhung Wildbienen übernehmen mit ihrer herausragenden Be- Wespen versorgen ihren Nachwuchs mit tierischer der Biodiversität“, eine höherwertige Berücksichtigung stäubungsleistung eine zentrale Rolle im Naturhaushalt. Nahrung. Die meisten solitären Arten, vor allem die finden. Aufgrund der Beliebtheit von Wildbienen in der Eine enge Bindung von Wildbienen an Nahrungspflanzen Grabwespen (s. l.), zeichnen sich durch eine enge Spe- Bevölkerung lassen sich ökologische Argumente und da- besteht primär für das Pollensammeln. Gut 30 % der Ar- zialisierung auf bestimmte Beutetiergruppen aus. Als rauf aufbauend weiterführende Zusammenhänge sowie ten gelten als oligolektisch. Das bedeutet, sie sammeln Jäger stehen sie damit in der Nahrungspyramide eine vernetztes Denken relativ gut vermitteln. Lebensräume Pollen nur von bestimmten Pflanzenfamilien, -gattungen Trophieebene höher als die Wildbienen. Daraus ergibt mit einer reichen Wildbienen- bzw. Stechimmenfauna oder in seltenen Fällen sogar Pflanzenarten. Diese Wild- sich eine etwas anders gelagerte ökologische Bedeu- können Indikator für eine nachhaltige qualitative Ent- bienen und deren Futterpflanzen weisen gegenseitige tung. Als Beute dienen fast sämtliche Insektentaxa und wicklung auch von großstädtischen Räumen sein, bei morphologische Anpassungen auf, die sich coevolutiv Spinnen. Die sich daraus ergebenden Abhängigkeiten der vermehrt auf ökologische Zusammenhänge geachtet Abb. 2: Heide-Filzbiene (Epeolus cruciger) © Rolf Witt entwickelt haben. Diese Pflanzen sind auf eine Bestäu- von Beutetierpopulationen sind noch ungenügend unter- wird. bung durch Wildbienen angewiesen. Einige Nutzpflan- sucht. Neben den jagenden Arten gibt es unter den zu zen, wie die Erdbeeren, haben bei Bestäubung durch den Stechimmen zählenden Wespen auch diverse para- Wildbienen einen deutlich besseren Fruchtansatz als bei sitische Arten, deren größte Familie die farbenprächtigen alleiniger Bestäubung durch die Honigbiene. Durch den Goldwespen sind. massiven Rückgang von Wildbienenarten werden durch 3 Gefährdungssituation Im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern oder den Ausfall von Bestäubungsleistungen negative öko- Jede Gartenbesitzer*in sollte sich also freuen: Wildbie- Deutschland liegen für Niedersachsen keine Roten Lis- nomische und ökologische Auswirkungen prognostiziert. nen und Wespen gehören zu den besonders nützlichen ten für die teils artenreichen und aussagekräftigen Tieren unserer Gärten, sorgen diese Insekten doch für Die Diskussion zum „Bienensterben“ bezog sich zu Familien der aculeaten Wespen vor. In Deutschland eine gute Bestäubung diverser Wild- und Nutzpflanzen Beginn ausschließlich auf die Honigbiene Apis mellifera. sind von 559 Arten 46,2 % mehr oder weniger bestands- oder Kräuter. Wespen tragen außerdem zu einer ef- Eine bestandsbedrohende Gefährdungssituation für die bedroht oder verschollen (Schmid-Egger et al. 2011). fektiven Eindämmung von Schädlingen – übrigens ein Tierart „Honigbiene“ hat dabei nie vorgelegen. Es geht Terminus, der in ökologischen Betrachtungen eigentlich in erster Linie um eine teils massiv erhöhte Sterblichkeit Leider bedeutet ein hoher Rote-Liste-Status nicht, dass nicht verwendet wird – bei. (vor allem durch Pestizide) bei dieser offiziell als land- diese Arten einen besonderen gesetzlichen Schutz er- wirtschaftliches Nutztier eingestuften Art. Inzwischen halten. Alle Wildbienenarten gelten zwar nach der Bun- Viele unserer Stechimmen sind in Bezug auf ihre Nist- wird der Begriff immer häufiger auf Wildbienen ausge- desartenschutzverordnung (BArtSchV) als „besonders plätze sehr wählerisch. Die Mehrzahl der Arten, darunter weitet. Trotz der verschärften Gefährdungssituation für geschützt“, dieser rechtliche Schutzstatus ist leider viele gefährdete, nistet im Boden mit spezifischen An- viele Wildbienenarten ist ein pauschalisierender Begriff völlig unzureichend. Ein wirkungsvoller Schutz ist erst sprüchen an Exposition, Beschaffenheit, Bodenmaterial, wie das „Bienensterben“ fachlich leicht angreifbar und für „streng geschützte“ Arten nach der BArtSchV und Flächengröße oder Feuchtigkeit. Diese sogenannten wird deshalb hier so allgemein nicht verwendet. vor allem für nach EU-Recht geschützte FFH-Arten ge- endogäisch nistenden Arten können durch gezielte Maß- Die gültige Rote Liste der Wildbienen Niedersachsen währleistet. Deshalb wird seit Jahren von Fachleuten nahmen selbst kleinflächig gefördert werden. Leider und Bremen (Theunert 2002) stammt aus dem Jahr immer wieder eine Höherstufung ausgewählter Arten werden Angebote vegetationsloser Offenbodenbereiche 2002. Von den damals 341 als indigen/heimisch ein- in die Kategorie „streng geschützt“ in der BArtSchV ge- bisher stark vernachlässigt. Die inzwischen weit verbrei- gestuften Arten sind 167 einer Gefährdungskategorie fordert, da eine Überarbeitung der FFH-Arten-Liste kaum teten und leider vielfach immer noch unsachgemäß ge- zugeordnet. Davon gelten 46 Arten als ausgestorben. realistisch erscheint. Abb. 3: Sandwespe (Ammophila sabulosa) © Rolf Witt bauten Nisthilfen aus angebohrtem Totholz oder hohlen Bei weiteren 45 Arten ist eine Gefährdung anzunehmen bzw. markhaltigen Stängeln nützen hingegen nur relativ oder sie gelten als sehr seltene Arten mit geographischer Gerade in den letzten Jahren hat sich der Rückgang wenigen Arten. Restriktion. Mit 62,2 % ist damit ein sehr hoher Anteil der nicht nur der Artenvielfalt, sondern auch der Individuen- Wildbienen ernähren sich übrigens grundsätzlich vegan. Wildbienen mehr oder weniger bestandsbedroht oder zahlen nochmal drastisch verschärft. Dies können zwar Der Nachwuchs wird ausschließlich mit Blütenprodukten Der Klimawandel wirkt sich auch in Niedersachen bei den inzwischen verschollen. In der Roten Liste Deutsch- nur sehr wenige Langzeituntersuchungen exemplarisch versorgt. Sie sind damit von großer Bedeutung für den Stechimmen in einem deutlichen Zuwachs der Artenzahl lands (Westrich et al. 2011) liegt der Anteil dieser Arten belegen, allerdings sprechen diverse Erfahrungsberich- Erhalt unserer heimischen Lebensgemeinschaften. aus. In den letzten Jahren ist eine Expansion einiger bei 52,6 %. te von über mehrere Jahrzehnte und überregional im Arten nach Norden festzustellen. Dies betrifft vor allem Freiland tätigen Expert*innen eine eindeutige Sprache. Bei der Nektarsuche sind Wildbienen und andere Stech- sogenannte xerothermophile Arten, die trockene und Da die vorliegende niedersächsische Rote Liste der Wild- Immer wieder wird davon berichtet, dass, trotz guter immen meist wenig wählerisch. Die kurzrüsseligen Arten, warme Lebensräume bevorzugen. Somit gelten Stech- bienen inzwischen als veraltet angesehen werden muss Ressourcenangebote, die Populationsstärken früherer darunter die meisten Wespen und viele Kuckucksbienen- immen, in Bezug auf die Biodiversität, als Profiteure und einer Überarbeitung bedarf, wird in dieser Arbeit Jahre nicht mehr erreicht werden. arten, sind allerdings auf Pflanzen mit offenliegenden wärmerer Klimaverhältnisse. Das darf nicht als positives bei ausgewählten Arten in den Gebietsbeschreibungen Nektarien angewiesen. Wespen benötigen den zucker- Argument für die aktuellen Klimaänderungen miss- auf die potentielle aktuelle Gefährdungssituation ein- Zwar sind viele Details noch ungenügend erforscht, aber haltigen Nektar als „Flugbenzin“ zur Eigenversorgung. verstanden werden. Es gibt auch heimische Arten, die gegangen. die entscheidenden Gefährdungsursachen werden von Beim Blütenbesuch sorgen so auch Wespen für eine kühlere, boreale Klimate bevorzugen und im Rückgang Fachleuten ähnlich eingeschätzt und sind im Folgenden Bestäubung, die im Umfang aber kleiner als bei den begriffen sind. Wichtig ist es daher zu verstehen, dass aufgelistet.
10 11 Hauptgefährdungsursachen für Stechimmen steigenden Begehrlichkeiten wächst der Druck auf für In der Region aktive Entomolog*innen und Hobby- Ergebnisse in Niedersachsen die Natur wertvolle, unbebaute Flächen. sammler*innen wurden bezüglich der Aufsammlung Bis einschließlich 2012 wurden für die Stadt Hannover massiver Rückgang an Lebensräumen und Habitat- von Stechimmen angefragt. Im Einzelfall wurden unbe- 371 Stechimmenarten erfasst (Tab. 1). vielfalt Dabei bieten Lebensräume in Städten heutzutage gegen- stimmte Tiere determiniert bzw. kontrolliert (Sammlung intensive Land- und Flächennutzung bzw. Freiflächen- über einem weitgehend intensiv genutzten Umland K. Jürgens und L. Schmidt). Alle Fundortangaben wurden Davon gelten aktuell nach den Roten Listen Deutsch- verbrauch Standortvorteile, die für Artenschutzprojekte auch für auf ihre Zuordnung zum heutigen Stadtgebiet überprüft. lands bzw. Niedersachsens 1 bzw. 17 Arten als „aus- zu geringe Flächengröße von Nist- oder Nahrungsha- die Stechimmenfauna genutzt werden könnten. Auf viele gestorben/verschollen“, 3 bzw. 22 Arten als „vom Aus- bitaten dieser Areale ist oft noch ein relativ kostengünstiger und In die Auswertung wurden auch die veröffentlichten sterben bedroht“, 17 bzw. 22 Arten als „stark gefährdet“ fehlendes, vernetztes Blüten- und Nistplatzangebot auch leichter durchsetzbarer Zugriff möglich. Arten nach den Punktverbreitungskarten aus Theu- sowie 25 bzw. 16 Arten als „gefährdet“. Vegetationsveränderungen durch massiven Nährstoff- nert (2003, 2008) einbezogen. Berücksichtigt wurden Bemerkenswert ist, dass 53 Arten ausschließlich vor eintrag im Boden Hervorzuheben sind Nachweise aus den Messtischblattquadranten 3523/4, 1940 nachgewiesen werden konnten. Darunter ist ein Pestizidbelastung große, teils natürliche Strukturvielfalt auf engem Raum 3524/3, 3524/4, 3624 / alle Quadranten und 3625/1. erheblicher Anteil an Arten, die aktuell in Deutschland Verhinderung von dynamischen Flächenentwicklungen nährstoffarme, warme und trockene Biotope (den Hier sind wohl auch Einzelfunde verschiedener Pri- und/oder in Niedersachsen als „ausgestorbenen/ver- (z. B. Bodenaufrisse durch Sturm oder Flutschäden) höchsten naturschutzfachlichen Wert haben aufge- vatsammler*innen berücksichtigt. Genauere Angaben schollenen“ oder „stark gefährdet“ gelten (Tab. 2). Nahrungskonkurrenz mit Honigbienen oder auch Be- gebene Flächen wie Industrie- und Ruderalbrachen) zu den Fundorten oder Funddaten sind in den beiden stäubungshummeln sichere, vor Zugriff geschützte Flächen Arbeiten nicht enthalten und konnten auch nicht er- Ergänzend ist zu erwähnen, dass die alten Erfassun- (neue) Krankheiten und Parasiten partiell relativ gutes Pollen- und Nektarangebot mittelt werden. gen sich auf Wildbienen beschränkt haben und somit nur im Einzelfall: klimatische Änderungen relativ geringer Einsatz von Pestiziden und Dünger keine historischen Daten aus anderen Stechimmen- vergleichbar warmes Mikroklima und damit poten- Ab ca. 1940 bis zum Beginn der vorliegenden Untersu- familien, wie z. B. die artenreichen Echten Grabwespen tieller Lebensraum für besonders wärmeliebende Arten chungen im Jahr 2013 liegen fast keine Aufsammlungen (Crabronidae), vorliegen. Ergänzende, mittelbare Gefährdungsursachen oder gar systematische Erfassungen hannoverscher fehlender rechtlicher Schutz Grenzen gibt es innerhalb von Städten vor allem bei der Sammler*innen mehr vor. Von 1992 bis zum Beginn der Die seit 1992 bis zum Beginn der vorliegenden Untersu- Wissenslücken im speziellen Artenschutz Förderung von Arten, die auf großflächige Primärlebens- vorliegenden Untersuchungen wurden nur 127 Bienen- chungen nachgewiesene Zahl von 127 Bienenarten zeigt fehlende ausgewiesene Fachleute und Forschungs- räume angewiesen sind und die im Siedlungsraum in der arten vor allem aus den wenigen Gutachten auswärti- gegenüber den 204 bis 1991 bekannten Arten einen sehr programme Regel fehlen. Zu nennen sind z. B. Hochmoore, totholz- ger Spezialisten (Theunert 2001, 2004, 2006, von der stark rückläufigen Bestandstrend auf. Dieser ist nicht nur fehlende landesweite staatliche Artenschutzpro- reiche Naturwälder mit Windwurfflächen, Binnendünen Heide 1995, Witt 1999) bekannt. auf eine geringe Erfassungstätigkeit zurückzuführen, gramme in Niedersachsen mit Sandheiden, Felsen, große Schilfröhrichte oder Pio- sondern in den vielfach dokumentierten Umweltver- kontraproduktiven Maßnahmen durch andere Arten-/ nierflächen mit Möglichkeit zur ungelenkten Sukzession. In Hannover sind seit dem Wirken von C. Gehrs bis zum änderungen begründet. Die historischen Daten belegen, Naturschutzprojekte Entsprechende Lebensräume finden sich in Hannover heutigen Tage keine Wildbienen- oder Stechimmen- dass in der Stadt Hannover eine ehemals sehr arten- aber in den angrenzenden Landschaftsräumen. Der spezialisten*innen ansässig. So wurde an der Leibniz reiche Wildbienenfauna vorhanden war. Die Vorkommen Für Ballungsräume und Großstädte wie auch Hannover Erhalt und die naturnahe Entwicklung der Landschafts- Universität oder anderen Hochschulen über Stechimmen einzelner Arten weisen eine sicherlich überregionale ergeben sich aktuell verschärfende Interessenskonflikte räume stellen daher wichtige Ziele für den Schutz der keine eigene Forschung betrieben. Aktuell finden auch Bedeutung auf. zwischen Artenschutzbelangen und dem begründeten Stechimmen dar. aufgrund des allgemein stark gestiegenen Interesses Bedarf an bezahlbaren Wohnraum und Baugebieten. Mit an Wildbienen wenige kleine, fundierte Projekte unter Beteiligung auswärtiger Fachleute statt. 4 Historie der Stechimmenerfassung in Hannover Im Vorfeld der 2013 begonnenen Untersuchungen der (Oldenburg) konnte dankenswerterweise berücksichtigt Stechimmen der Stadt Hannover wurde 2012 eine Re- werden (von der Heide 1995). Ergänzend wurden nicht cherche zu allen bis dahin vorliegenden Erfassungsdaten bearbeitete Tiere, die potentiell aus der Stadt Hannover durchgeführt (Witt 2012). Ziel war es, eine möglichst stammen, gesichtet, überprüft und ggf. nachbestimmt. vollständige und verifizierte Gesamtartenliste zusam- Eine vollständige Revision der Sammlung steht aber menzustellen. Auf einer solchen Datenbasis lassen sich immer noch aus. Im Einzelfall war eine Abgrenzung der deutlich erweiterte und aussagekräftigere Analysen der alten Fundortbezeichnungen zum heutigen Verwaltungs- aktuellen Ergebnisse erarbeiten. gebiet der Stadt Hannover und der Region schwierig. Daten wurden nur berücksichtigt, wenn sie der Stadt Die bedeutendste Grundlage der hannoverschen Regio- Hannover eindeutig zuzuordnen waren. nalfauna stellt die Sammlung von Clemens Gehrs dar, die sich im Landesmuseum Hannover befindet. Die Tiere, die Im Landesmuseum befinden sich auch Teile der Samm- seit 1884 bis Anfang des 20. Jahrhunderts gesammelt lungen W. Nowotschyn und Fichtner. Da Stechimmen wurden, stammen nur zum kleinen Teil aus der Stadt nicht deren Interessensschwerpunkt waren, liegen nur Hannover. Viele Arten sind in Gehrs (1910) veröffent- relativ wenige und markante Tiere aus den 1950er und licht. Aufgrund möglicher Fehlbestimmungen, vieler 60er Jahren vor, die alle erstmals bestimmt wurden. An Änderungen in der Nomenklatur oder des Artstatus, anderen naturwissenschaftlichen Museen konnten keine war eine kritische Überprüfung notwendig. Eine unver- Tiere aus Hannover ermittelt werden. öffentlichte Teilrevision durch Andreas von der Heide Abb. 4: Insektenkasten (Sammlung C. Gehrs) aus der Sammlung des Landesmuseums Hannover © Rolf Witt
12 13 Tab. 1: Anzahl der bis einschließlich 2012 in Hannover festgestellten Stechimmenarten innerhalb verschiedener Gruppen Einsatz von Fallensystemen (z. B. Malaisefalle, Farb- fanden auf vielen weiteren potentiell relevanten Flächen schalen) verzichtet. Denn durch die unselektive, auto- vorerst stichprobenartige Untersuchungen statt. In den vor 1991 1992–2012 Gesamt matische, aber auch aus Personal- und Kostengründen 6 Jahren von 2013 bis 2018 wurden durch den Autor Er- Apiformes vermehrt eingesetzte Methode besteht ein hohes Risi- fassungen an 65 Geländetagen durchgeführt. 204 127 236 Bienen ko, individuenarme lokale Populationen seltener Arten Zusätzlich zu den von der Stadt beauftragten Bestands- Sphecidae komplett auszurotten. Zudem wird nur ein begrenztes erhebungen wurden bei den Ergebnisdarstellungen auch 1 4 4 Langstiel-Grabwespen Artenspektrum gefangen und es findet keine fachliche alle weiteren vorliegenden Untersuchungen oder Privat- Crabronidae Kontrolle von indigenen Vorkommen im Gelände statt. aufsammlungen aus dem Zeitraum 2013–2018 berück- 5 75 76 Echte Grabwespen Die Untersuchungsschwerpunkte wurden durch den sichtigt. Dazu zählt auch die durch die Stadt Hannover Pompilidae Fachbereich Umwelt und Stadtgrün in enger Zusammen- unterstützte Kartierung von Gründächern durch den 0 16 16 Wegwespen arbeit mit dem Auftragnehmer ausgewählt. Ziel war es, Autor im Auftrag des BUND Hannover. Vespidae einen möglichst repräsentativen Querschnitt der in der 7 22 22 Faltenwespen Stadt Hannover für wertgebende Stechimmen relevan- Die Veröffentlichung der Gesamtartenliste würde den Chrysididae ten Lebensräume zu bearbeiten. In den Hauptunter- Rahmen dieser Broschüre sprengen. Eine unkommen- 1 11 12 Goldwespen suchungsgebieten fanden intensive, teils zweijährige tierte Auflistung der Artnamen, abgesehen vom Platz- Sonstige 0 5 5 repräsentative Erhebungen statt. Bei diesen Flächen bedarf, würde dem Anspruch einer fachlichen und nach- Wespenfamilien handelte es sich überwiegend um laufende Biotop- vollziehbaren Auswertung nicht gerecht werden. Des- Summen 217 260 371 schutzprojekte, auf denen somit gleichzeitig eine erste wegen ist geplant, eine detaillierte Artenliste inklusiv Monitoringuntersuchung stattfand. Da nicht alle bedeut- einer ökologischen Analyse in einer Fachzeitschrift zu samen Flächen intensiv untersucht werden konnten, veröffentlichen. Tab. 2: Auswahl von aktuell in Deutschland und Niedersachsen als „ausgestorben/verschollen“, „vom Aussterben bedroht“, „stark gefährdet“ bzw. „Daten unzureichend“ oder „Gefährdung unbekannten Ausmaßes“ geltenden Wildbienenarten, die seit Beginn des 20. Jahrhunderts in Hannover nicht mehr festgestellt wurden. Artname Gefährdungsgrad 5.2 Ergebnisüberblick drei obersten Rote Liste-Gefährdungskategorien 0, 1 und Andrena chrysopyga Schenck, 1853 RL-D: 2, RL-N: 0 2 (ausgestorbenen/verschollenen, vom Aussterben be- Andrena floricola Eversmann, 1852 RL-D: 2, RL-N: 0 droht, stark gefährdet). Von den bundesweit bedrohten Inklusive aller aktualisierten historischen Daten konnten Arten dieser Gefährdungsstufen konnte aktuell keine ein- Andrena marginata Fabricius, 1776 RL-D: 2, RL-N: 1 448 Stechimmenarten (ohne Ameisen) in der Landes- zige Art mehr nachgewiesen werden (Tab. 4). Trotzdem Andrena simillima Smith, 1851 RL-D: 1, RL-N: 0 hauptstadt Hannover nachgewiesen werden. Seit dem kommen noch einige in Niedersachsen hochgefährdete Andrena tarsata Nylander, 1848 RL-D: 2, RL-N: 0 Beginn des Erfassungsprojektes im Jahr 2013 wurden Arten vor oder sind sogar nach langer Zeit erstmals Andrena thoracica (Fabricius, 1775) RL-D: 2, RL-N: 0 noch 320 Stechimmenarten nachgewiesen. wiedergefunden worden. Damit ist der massive Rück- gang gerade vieler wertgebender und anspruchsvoller Anthophora borealis Morawitz, 1864 RL-D: 0, RL-N: 0 Mit diesen Ergebnissen wird die spezielle und überre- Wildbienenarten gut dokumentiert. Bombus confusus Schenck, 1861 RL-D: 1, RL-N: 0 gionale Bedeutung der Landeshauptstadt Hannover für Bombus pomorum (Panzer, 1805) RL-D: 2, RL-N: 0 die Stechimmenfauna schon deutlich. Hannover bietet Von den beiden Familien der artenreichen Grabwespen Bombus quadricolor (Lepeletier, 1832) RL-D: 2, RL-N: 0 aufgrund seiner geographischen Lage an der Übergangs- wurden insgesamt 108 Arten nachgewiesen. Das ent- Bombus ruderatus (Fabricius, 1775) RL-D: D, RL-N: 1 zone zwischen dem Norddeutschen Flachland und den spricht einem Anteil von 57,2 % aller niedersächsischen südniedersächsischen Mittelgebirgen eine vergleichbar Arten. Dabei muss berücksichtigt werden, dass nennens- Megachile analis Nylander, 1852 RL-D: 2, RL-N: 1 große Vielfalt an Landschaftselementen und Biotop- werte historische Aufsammlungen von Grabwespen Megachile lagopoda (Linnaeus, 1761) RL-D: 2, RL-N: 1 typen. Diese oft eng verzahnten Lebensräume können sowie den anderen aculeaten Wespenfamilien nicht vor- Nomada argentata Herrich-Schäffer, 1839 RL-D: 2, RL-N: 0 potentiell sehr artenreiche Vorkommen von Stechimmen liegen. Seit 2013 wurden noch 89 Arten festgestellt. Dies Nomada obtusifrons Nylander, 1848 RL-D: 2, RL-N: 1 beherbergen. entspricht einem Anteil von ca. 50 % der niedersächsi- schen Arten. Bei den Grabwespen ist der geringe Anteil Osmia papaveris Latreille, 1799 RL-D: 1, RL-N: 0 Aufgrund der historischen Erfassungsergebnisse ist die besonders xerothermophiler Arten auffällig. Neben der Osmia pilicornis Smith, 1846 RL-D: G, RL-N: 0 Datenlage bei den Wildbienen besonders gut und gut Biotopstruktur kann dies auch mit nicht ausreichenden vergleichbar. Mit 263 nachgewiesenen Bienenarten er- Beutetierpopulationen zusammenhängen. reicht Hannover eine beachtliche Gesamtartenzahl, die In der folgenden Tabelle 3 sind neben den Gesamtarten- einem Anteil von rund 73,2 % aller in Niedersachsen vor- zahlen auch die Ergebnisse der Hauptuntersuchungs- kommenden Arten entspricht. Seit 2013 konnten noch gebiete aufgeführt. Die Gebiete mit der höchsten Arten- 5 Stechimmenerfassung 168 Wildbienenarten nachgewiesen werden, darunter vielfalt sind die Höverschen Kippen, der Berggarten mit 26 Arten, die vorher für die Stadt nicht bekannt waren. angrenzenden Uniflächen, der Kronsberg, die ehemalige Der Anteil an der niedersächsischen Wildbienenfauna Segelflugplatz und die Alte Bult. Die reine Artenzahl ist 5.1 Methodik und Untersuchungsschwerpunkte sinkt damit auf rund 46,8 %. nur eines von vielen Qualitätsmerkmalen. Wichtigster Parameter sind die Populationen an wertgebenden Ar- Hervorzuheben sind die vielen alten Nachweise von in ten, die in den jeweiligen Beschreibungen in Kapitel 5.3 Die Erfassungen erfolgten bestandsschonend mittels wurden präpariert und mit einem Stereomikroskop be- Deutschland oder Niedersachsen bedrohten Arten der genannt werden. Sichtbeobachtungen sowie durch Streif- und Sichtfänge stimmt. Die Erfassung wurde ausschließlich durch einen mit dem Insektennetz. Im Gelände bestimmbare Arten erfahrenen Experten durchgeführt. Bewusst wurde auf wurden direkt notiert und freigelassen. Die übrigen Tiere den heute immer häufiger angewandten kontinuierlichen
14 15 Tab. 3: Stechimmen in Hannover – Gesamtartenzahlen [Hges = Nachweise ab 2013 Gesamt, Hab2013 =Hannover ab 2013, Bu = Alte Bult, Tab. 4: Übersicht über den Gefährdungsgrad nach den vorliegenden Roten Listen Deutschlands und Niedersachsens (Westrich et al. 2011, Schmid- Bg = Berggarten/Universität, Fu = Fuhrbleek, Ga = Garten Döhren; Gd = Gründächer, Hö = Höversche Kippen, Kw = Kinderwald, Kro = Egger et al. 2011, Theunert 2002, 2009) aller in Hannover nachgewiesenen Stechimmen (Gefährdungskategorien: 0 = ausgestorben/verschollen, Kronsberg, Lei = Mittlere Leineauen, Se = Segelflugplatz, St = Stöckener Friedhof; n. b. = nicht bearbeitet] 1 = vom Aussterben bedroht, 2 = stark gefährdet, 3 = gefährdet, G = Gefährdung anzunehmen, V = Art der Vorwarnliste, R = extrem selten, D = Daten unzureichend, # = neu für das Gebiet, *= ungefährdet; n.v.: keine Rote Liste vorhanden) H H Bu Bg Fu Ga Gd Hö Kw Kro Lei Se St ges ab 2013 Deutschland Niedersachsen Apiformes 0 1 2 3 G V R D * ∑ 0 1 2 3 G V R D # * ∑ 263 168 71 75 55 51 28 81 47 80 63 70 67 Bienen Apiformes Sphecidae 1 3 17 35 11 30 1 2 163 263 18 26 30 38 23 16 – 4 4 104 263 4 2 – – 2 – – 1 1 1 – 1 n. b. Bienen Langstiel-Grabwespen Daten ab 2013 – – – 12 1 17 – 1 137 168 1 5 16 26 9 10 – 3 4 94 168 Crabronidae 104 89 26 34 17 21 9 27 25 16 19 25 n. b. Sphecidae Echte Grabwespen – – – – – – – – 4 4 n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. Langstiel-Grabwespen Vespidae 26 20 7 11 8 11 4 11 8 12 8 7 n. b. Daten ab 2013 – – – – – – – – 2 2 Faltenwespen Pompilidae Crabronidae 25 18 – 4 6 2 n. b. 5 4 3 5 3 n. b. – – – 7 1 4 – 1 91 104 n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. Wegwespen Echte Grabwespen Sapygidae Daten ab 2013 – – – 6 – 3 – 1 79 89 2 2 – 1 1 1 n. b. – 0 1 – 1 n. b. Keulenwespen Vespidae – – – 2 – – – – 24 26 – 1 – 1 4 – – 2 – 18 26 Mutillidae Faltenwespen 2 2 2 – 1 – n. b. – 1 – – – n. b. Spinnenameisen Daten ab 2013 – – – – – – 20 20 – – – 1 2 – – – – 17 20 Tiphiidae Pompilidae 1 1 1 – 1 – n. b. 1 1 1 – 1 n. b. – – – 2 1 1 – – 21 25 n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. Rollwespen Faltenwespen Bethylidae Daten ab 2013 – – – 1 1 – – – 16 18 3 3 – 1 1 – n. b. – 0 – – – n. b. Plattwespen Chrysididae – – – 3 1 – – – 13 17 n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. Chrysididae Goldwespen 17 15 4 3 6 3 n. b. 4 5 2 3 4 n. b. Goldwespen Daten ab 2013 – – – – – – – – 11 15 Dryinidae Sapygidae 1 – – – – – n. b. – – – – – n. b. – – – – – – – – 2 2 n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. Zikadenwespen Keulenwespen Summe 448 320 111 129 97 89 41 130 93 116 98 112 67 Daten ab 2013 – – – – – – – – 2 2 Anmerkungen: Die Honigbiene Apis mellifera wird aufgrund ihres offiziellen Status als semidomestifiziertes Nutztier in der Artenliste nicht be- Mutillidae – – – – – – – – 2 2 n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. rücksichtigt. Ebenso findet eine Meldung der sehr schwer zu bestimmenden Bombus cryptarum aus dem Gutachten zur Mäuseburg (1999 keinen Spinnenameisen Eingang in die Liste. Eine Nachkontrolle des Tieres war nicht möglich. Die Art ist grundsätzlich in Hannover zu erwarten, aber wohl nur mittels Daten ab 2013 – – – – – – – – 2 2 aufwendiger Bestimmungsarbeit (Barcoding, Vermessung) sicher zu identifizieren. Tiphiidae – – – – – – – – 1 1 n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. n. v. Rollwespen Daten ab 2013 – – – – – – – – 1 1 Nachfolgend werden einige Arten hervorgehoben, die Echte Grabwespen: Astata minor, Cerceris interrupta, Summen 1 3 17 49 14 35 1 3 321 444 ab 2013 festgestellt werden konnten. Neben einigen Dryudella pinguis, Ectemnius confinis, Lestica alata, Summen ab 2013 – – – 22 3 20 – 2 268 317 überregionalen Besonderheiten werden auch Arten auf- Mimesa bruxellensis, Tachysphex psammobius gelistet, die für das norddeutsche Flachland bzw. Nie- Faltenwespen: Polistes nimpha Anmerkungen: Für die Stechimmenfamilien Bethylidae (Plattwespen) und Dryinidae (Zikadenwespen) existieren keine Roten Listen. Für Nieder- dersachsen bemerkenswert sind, selbst wenn sie in Wegwespen: Anoplius alpinobalticus, sachsen/Bremen existiert neben der offiziellen Roten Liste der Wildbienen nur eine vorläufige Rote Liste der Faltenwespen. anderen Regionen Deutschlands weniger Beachtung Arachnospila minutula, A. wesmaeli finden dürften. Goldwespen: Chrysis bicolor, C. fulgida, C. splendidula Plattwespen: Laelius femoralis Erstnachweise für Niedersachsen: Bienen: Heriades crenulatus Mit den erst seit kurzem in Niedersachsen vorkommen- 5.3 Hauptuntersuchungsgebiete Echte Grabwespen: Spilomena mocsaryi den Arten Halictus scabiosae (Gelbbindige Furchenbiene) Goldwespen: Holopyga ignicollis und Xylocopa violacea (Blauschwarze Holzbiene) traten 5.3.1 Mittlere Leineaue (Stöcken) sandigen Uferbereiche eröffnen immer wieder neue Be- Plattwespen: Bethylus boops, Goniozus distigmus auch charakteristische Arten auf, die im Zuge der Kli- siedlungsmöglichkeiten für Tiere und Pflanzen. maerwärmung ein expansives Ausbreitungsverhalten Das Landschaftsschutzgebiet Mittlere Leine erstreckt Bemerkenswerte Arten für Hannover: aufweisen und aufgrund ihres markanten Erscheinungs- sich von den Herrenhäuser Gärten bis zur Stadtgrenze Die Stechimmenfauna wurde 2013 und 2014 an 5 bzw. Bienen: Andrena florea, A. mitis, A. nigrospina, bildes häufig auch von Naturliebhabern entdeckt werden westlich von Seelze. Die vielfältige und kleinräumig 7 Untersuchungstagen jeweils über mehrere Stun- A. pandellei, Anthidium punctatum, Anthophora furcata, können. wechselnde Auenlandschaft ist gekennzeichnet von den erfasst. Aufgrund eines extremen Sommer- Bombus ruderarius, Coelioxys conoidea, häufigen Hochwassern im Frühjahr und angrenzenden – hochwassers konnten 2013 von Mai bis Mitte Juli Halictus subauratus, Hylaeus sinuatus, inzwischen bewachsenen – Sanddünen, z. B. im Bereich keine Kartierungen durchgeführt werden, so dass Lasioglossum lativentre, L. minutulum, L. quadrinotatum, des Hinüberschen Gartens. Auch der Biber hat diesen 2014 Nachuntersuchungen angesetzt wurden. L. sexnotatum, Nomada obscura, N. zonata, Bereich inzwischen erfolgreich besiedelt und sorgt Osmia spinulosa, O. tridenata, Sphecodes rubicundus, dauerhafte für landschaftliche Veränderungen. Auch In den mittleren Leineauen kamen 99 Arten vor, darunter S. scabricollis, Stelis odontopyga gelegentliche Erosionen der z. T. tief eingeschnittenen 64 Bienen- und 19 Grabwespenarten (s. l.).
16 17 selber in relativ morsches, aber trockenes, besonn- tes Totholz. Die enge Verzahnung mit entsprechenden Nisthabitaten in den angrenzenden totholzreichen Au- waldresten, bieten der Art sehr gute Bedingungen. Solche Totholzelemente fallen leider viel zu schnell „Aufräumaktionen“ zum Opfer. In den Auewaldberei- chen konnten weitere holznistende Arten nachgewiesen werden, darunter z. B. die charakteristische Grabwespe Ectemnius rubicola. Insgesamt konnten diese Strukturen nur eingeschränkt untersucht werden, so dass hier noch mehr typische Arten zu erwarten sind. Auffällig ist der mit 6 Arten geringe Anteil oligolektisch sammelnder Bienenarten sowie weiteren drei polylekti- Abb. 6: Ufer-Steilwand, Frühjahrsaspekt 2014 © Rolf Witt sche Arten mit Pflanzenpräferenzen. Darunter befinden sich nur 3 gefährdete Arten. Die höchsten Dominanzen weisen die Weidenspezialisten auf, die im Frühjahr das Jahrzehnten einen massiven Bestandseinbruch in Nie- reiche Pollenangebot der vielen blühenden Weiden dersachsen hinnehmen. Die Nester werden bevorzugt entlang der Leine nutzen. Neben 12 Sandbienen-Ar- dicht über dem Boden in der verfilzten Krautschicht ten konnten auch 11 Schmalbienen-Arten angetroffen angelegt und sind durch eine verfrühte Mahd sehr stark werden. Beide Gattungen nisten endogäisch. Diese öko- bedroht. Im Sommer und Spätsommer bevorzugt die logische Gruppe kommt insgesamt auf einen Anteil von Grashummel größere Rotkleebestände zur Pollen- und 60 %. Damit wird auch die Bedeutung von kleinen Offen- Nektarsuche. Um mögliche Nist- und Nahrungsbiotope bodenbereichen deutlich. dieser auf extensives Grünland angewiesen Offenlandart zu finden, wurde eine leider erfolglose Suchexkursion in den nördlichen Leineauen um Marienwerder durch- geführt. Es handelt sich um den einzigen aktuellen Nachweis einer seltenen Hummelart in Hannover. Damit gehört die Gattung mit ihren vielen anspruchsvollen Abb. 5: Untersuchungsflächen Mittlere Leineaue (gestrichelte Linie = Stichprobenfläche) © Karte: Landeshauptstadt Hannover, FB Planen und Offenlandarten zu den am stärksten vom Rückgang be- Stadtentwicklung, Bereich Geoinformation, Grafik: Rolf Witt troffenen Wildbienen. Eine weitere Besonderheit ist die bevorzugt an Kreuz- Als Hotspots wertgebender und charakteristischer Ar- waren nur eingeschränkt vorzufinden. Trotzdem konnten blütlern sammelnde Sandbiene Andrena nigrospina. Sie ten kristallisierten sich vor allem kleine Teile extensiv mehrere wertgebende Arten nachgewiesen werden, die ist eine der wenigen Wildbienenarten, die eine zweite bewirtschafteter Grünlandflächen, Auwaldreste sowie für das große Potential für den Artenschutz bei einer Generation ausbilden kann. Diese Art ist auch ein Bei- die sandigen Uferzonen und Steilhänge direkt an der Optimierung der Grünlandhabitate stehen. spiel für die teils immer noch unklare Systematik inner- Leine heraus. Hier trat ein vielfältiges Artenspektrum halb der Wildbienen. Der Artstatus wird unterschiedlich auf. An den offensandigen Abbruchkanten konnten, Ein grundlegendes Problem ist die Beweidung im Som- diskutiert. Manche Kolleg*innen synonymisieren die Art Abb. 7: Grünland mit Sumpf-Ziest (Stachys palustris) und im Hinter- neben häufigeren Arten mit der gefährdeten Schmal- mer. So wurde 2014 durch eine kurze, aber intensive noch mit Andrena pilipes. grund Blutweiderich (Lythrum salicaria) (August 2014) © Rolf Witt biene Lasioglossum nitidusculum, der stark gefährdeten Beweidung des Grünlandes unmittelbar oberhalb der Grabwespe Tachysphex psammobius, der Weißen Zungen- Steilwandbereiche Ende Juli das gesamte Blütenangebot Eng vernetzte Lebensräume benötigt die Wald-Pelzbiene zwergwespe Passaloecus pictus und mehreren typischen vernichtet. Selbst eine schon stark ruderalisierte Wiese (Anthophora furcata), von der aus dem niedersächsischen Wegwespen-Arten (z. B. Anoplius concinnus), eine be- wurde im Sommer trotz sehr kurzer Standzeit schon Flachland nur wenige Nachweise vorliegen. Die oligo- sonders schützenswerte Stechimmenfauna festgestellt durch wenige Rinder massiv degeneriert. Für die Zukunft lektische Pelzbiene sammelt Pollen auf Lippenblütlern werden. Die bis vor kurzen aus Niedersachsen nicht wäre es notwendig, wichtige Nist- und Blütenstandor- und besonders gerne an Ziest-Arten (Stachys spec.). So bekannte Maskenbiene Hylaeus styriacus wurde erstmals te unbedingt auszuzäunen. Ähnliche Artenschutzmaß- konnten einige Weibchen auf einer Wiese an Sumpf- in Hannover nachgewiesen. nahmen werden bei Wiesenvogelnestern schon lange Ziest (Stachys palustris) beim Blütenbesuch beobach- umgesetzt. Für die Wiesenflächen gilt es, die Mahdzeit- tet werden. Zum Erhalt der Population ist eine Mahd Die hier vorkommenden Arten müssen in der Lage sein, punkte zu optimieren. Eine einschürige Mahd, möglichst während der Blütezeit unbedingt zu vermeiden. Eine auch temporäre Überflutungen zu tolerieren. Damit ver- im Spätsommer/Herbst, wäre optimal. Zweischürige Lösung bieten kleinflächige, temporäre Auszäunungen bunden sind immer wieder stark schwankende Popula- Flächen sollten z. B. sukzessive in Abschnitten gemäht in Absprache mit dem Landwirt. Ein Problem bereitet das tionsdichten möglich. Für den Erhalt dieser für Hannover werden. Ideal wären mit Fachleuten abgestimmte Ma- invasive Aufwachsen des Drüsigen Springkrautes in der einmaligen Lebensgemeinschaft ist es unabdingbar, die nagementpläne, die die jeweiligen Wildbienenarten Leineaue, da diese zwar pollen- und nektarreiche Pflanze offenen Uferbereiche zu erhalten und vor allem deren berücksichtigen. z. B. den Sumpf-Ziest verdrängen kann. Pelzbienen ver- Neuentstehung zuzulassen. schmähen im Gegensatz zu Honigbienen und häufigen Hervorzuheben ist der Nachweis einer Grashummel-Kö- Hummelarten den Pollen des Springkrautes leider. Wildbienenfreundliche Grünlandbereiche mit einem nigin (Bombus ruderarius) bei der Nestsuche im Frühjahr. Ein weiterer limitierender Faktor für die Art sind ihre bis zum Spätsommer kontinuierlichem Blütenangebot Die früher weit verbreitete Art musste in den letzten Nistplatzansprüche. Die Weibchen nagen ihre Nestgänge Abb. 8: Anthophora furcata-Weibchen (August 2014) © Rolf Witt
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