Rundbrief 2020 BUND Region Hannover - Bund für Umwelt
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Editorial 03-04 Höversche Kippen 30 Graue Energie 05-08 Weißstörche 31-32 Begrüntes Hannover 09-10 Naturdetektive 33 Universum Kleingarten 10-12 BUNDjugend / JANUN 34-35 Gewerbeflächenentwicklung 13 Landwirtschaft 36-37 Permakultur 14-15 Moorbläuling 38 Contra Industriehuhn Wedemark 16-17 Einladung zur 39 Mitgliederversammlung 2020 Hannoversche Moorgeest 18-20 Veranstaltungskalender 40-51 Zauneidechse 21-23 BUND aktiv 51-53 Volksbegehren Artenvielfalt 24-25 AG Fledermäuse 26-27 AG Naturfotografie 28 AG Amphibien 29 Impressum Herausgeber: BUND Region Hannover, Goebenstraße 3a, 30161 Hannover Redaktion: Sabine Littkemann Titelbild: Visualisierung des alten Postscheckamtes in Hannover von Pia Kampkötter „Vier Linden Architekten & Ingenieure“ Rückseite: Plakat V.i.S.d.P. Philip Foth, Volksbegehren Artenvielfalt Niedersachsen Satz und Layout: Baensch Plus GmbH, Eike-Christian Bänsch Druck: dieUmweltDruckerei GmbH | Auflage: 5.500 Exemplare Stand: 18. März 2020 | Erscheinungsweise: Einmal pro Jahr Redaktionsschluss für den Rundbrief 60 ist der 22.01.2021. Ein Nachdruck der Artikel ist mit Quellenangabe und Information der Redaktion ausdrücklich erwünscht. Die Beiträge einschließlich der Fotos liegen in der Verantwortlichkeit der Verfasser. Der BUND Region Hannover dankt dem Fachbereich Umwelt und Stadtgrün der Landeshauptstadt Hannover für die jährliche institutionelle Förderung.
03 3 Editorial Liebe Freundinnen und Freunde des BUND Region Hannover, was sind die Aufgaben eines Natur- und Um- Biodiversität, sondern – wie wir heute wissen weltschutzverbandes? Eines unserer wichtigs- – auch ein Rückschlag für den Klimaschutz! ten Anliegen ist es, sich für gute Bedingungen Einen ernüchternden Sachstandsbericht zum für Tiere und Pflanzen in unserer Region ein- Life+ Projekt Hannoversche Moorgeest gibt der zusetzen und ihre Lebensräume und Lebens- BUND-Moorexperte Dr. Reinhard Löhmer auf grundlagen vor weiterer Zerstörung zu bewah- den Seiten 18-20. ren. Eine andere Lobby hat die Natur nicht! In diesem Rundbrief berichten wir deshalb wieder Keine guten Nachrichten auch beim Thema In- über eine Vielzahl von Aktivitäten in unserer sektensterben – der dramatische Schwund von Kreisgruppe, die vorbildlich sind, weil sie Na- Falter, Biene und Co. ist ungebremst, BUND- tur vor unserer Haustür bewahren und sich für Forderungen nach einem Pestizidverbot in gefährdete Tiere und Pflanzen stark machen. So Schutzgebieten und nach insektenfreundlichen portraitiert die BUND-Expertin Ina Blanke für Grünflächen und Gärten sind noch nicht überall uns das Reptil des Jahres 2020, die Zauneidech- angekommen. Obwohl die Biene zum Sympa- se, und berichtet über den Stand der Schutz- thieträger aufgestiegen ist, erhöht sich die Zahl bemühungen in der Region. Der Weißstorch- der Schottergärten sogar noch (s. dazu Vortrag beauftragte der Region, Dr. Reinhard Löhmer, von Dr. Olaf von Drachenfels am 14. Mai, s. Sei- stellt die erfreuliche Entwicklung beim Nach- te 44)! Um eine echte Trendwende einzuleiten wuchs von Meister Adebar vor, die BUND-AG und die Politik zum Handeln zu zwingen, un- Fledermäuse schildert den Alltag der Fulltime- terstützt der BUND Region Hannover das nun Fledermausschützer*innen! gestartete Volksbegehren Artenvielfalt.Jetzt! unter dem Motto „Vielfalt schützen, Zukunft Wenig erfreulich läuft es dagegen beim Moor- retten!“, zu dem sich rund 70 Organisationen schutz-Großprojekt „Hannoversche Moorgeest“ aus ganz Niedersachsen zusammengeschlossen – hier geht es nicht voran. Die Bemühungen, haben. Alle Informationen dazu auf Seite 24- die letzten Hochmoore in der Region mit ihrer 25. einzigartigen Fauna und Flora großflächig zu sichern und zu renaturieren, scheitern noch Einen aktiven Beitrag für mehr Insektenvielfalt immer am erbitterten Widerstand einzelner Flä- in Kleingärten leistet unser Projekt Universum cheneigentümer gegen die Wiedervernässung Kleingarten. Immerhin bedecken Kleingärten ihrer Moorflächen. Noch also können Verwal- fünf Prozent der Stadtfläche Hannovers: Statt lungen nicht gebaut, Gräben nicht verschlos- monotonem Rasen und Kirschlorbeer sind hei- sen werden, um das Wasser im Moor zurück- mische Gehölze, Blühwiesen und Blütenvielfalt zuhalten. Ein großer Verlust nicht nur für die vom Frühjahr bis zum Herbst angesagt.
04 Unser Titel ist dem großen Thema „Bauen, Woh- Umwelt- und Naturschützer sind gute nen und Umwelt“ gewidmet. Wir hinterfragen Beobachter*innen und Entdecker*innen. Diese Editorial den unkritischen Ruf nach immer mehr Neu- detektivische Arbeit muss früh gelernt werden, bau zur Befriedigung der großen Nachfrage um auch unter der Oberfläche Zusammenhänge nach bezahlbarem Wohnraum und schlagen in zu erkennen. Unsere jungen Naturdetektive ha- diesem Heft exemplarisch einen anderen Weg ben damit letztes Jahr begonnen und sind mit vor: nicht – wie geplant – der Abriss, sondern zehn spannenden Aufgaben auch dieses Jahr die Umnutzung des alten Posatscheckamtes dabei. Machen Sie es ihnen nach: Entdecken Sie in Hannover zu einem vollwertigen Wohn- interessante Informationen in diesem Heft und haus. Um dies auch bildlich zu vermitteln, hat gehen Sie raus in die Natur! Anregungen für uns das mit Revitalisierungen erfahrene Büro Ausflüge und Exkursionen finden Sie in unse- „Vier Linden Architekten & Ingenieure“ eine rem umfangreichen und abwechlslungsreichem tolle Visualisierung geliefert, zu sehen auf Veranstaltungskalender ab Seite 40. Viel Spaß dem Titelbild. Warum eine solche Umnutzung beim Stöbern in diesem Rundbrief und beim Be- schneller, klimafreundlicher und ressourcen- obachten in der Natur wünscht schonender zu günstigem Wohnraum führen kann, erfahren Sie auf den Seiten 05 bis 08. Ihr Gerd Wach Vorsitzender BUND Region Hannover Das begrünte Gebäude MA 48 der Wiener Müllabfuhr zeigt, wie aus einem unscheinbaren Gebäude eine Attrak- tion werden kann. Näheres dazu auf den folgenden Seiten. | Foto: Oberbichler, Dachgrün GmbH Wien
Vision: 05 Begrüntes Postscheckamt in Hannover Graue Energie Ist-Zustand: Altes Postscheckamt in Hannover Foto und Visualisierung von Pia Kampkötter „Vier Linden Architekten & Ingenieure“
06 Graue Energie und grüne Fassaden oder warum Graue Energie das alte Postscheckamt vielleicht nicht abgerissen werden sollte Fürs Bauen ist ein gewaltiger Material- und Ener- steht, kontinuierlich zu senken. So ist vorgesehen, gieeinsatz nötig: Nach Angaben der Deutscher Bun- dass 2021 Neubauten nur nach dem Niedrigenergie- desstiftung Umwelt (DBU) werden jährlich rund 560 standard gebaut werden dürfen. Durch Fördermaß- Millionen Tonnen und damit rund 90 Prozent aller in nahmen der KfW-Bank wird aktuell beim Neubau Deutschland verwendeten mineralischen Rohstoffe schon ein sehr niedriger Heizenergieverbrauch er- (Kalk, Kies, Mergel, Gips, Ton, Sand) zum Herstellen reicht. Ist es aber damit gelungen, dass Neubauten von Baustoffen eingesetzt. Das Recycling von Beton einen wichtigen Beitrag liefern zur Reduzierung der ist dagegen überwiegend bisher ein Downcycling Treibhausgasemissionen und damit zum Erreichen für den Straßenbau und zum Verfüllen von Lei- des 2-Grad-Zieles des Pariser Klimaabkommens? tungsgräben. Die Forderung kann also nur heißen: ressourcenschonender oder weniger neu bauen! Das ist eher unwahrscheinlich, da ein wichtiger Be- standteil der Energiebilanz eines Gebäudes gar nicht Zudem führt jeder Neubau zu mehr Emission von berücksichtigt wird: die Primärenergie, die notwen- Treibhausgasen wie Kohlendioxid, die die allge- dig war, um all die Baumaterialien wie Beton, Stahl, mein akzeptierte Ursache des Klimawandels sind. Dämmmaterial etc. herzustellen. Das läuft unter Mit der EnEV 2014 (Energieeinsparverordnung) hat „Grauer Energie“, die sich aus Baustoff-Herstellung die Bundesregierung ein Instrument geschaffen, um und Transporten, Bauarbeiten, Gebäude-Instand- den Energieverbrauch von Gebäuden, der vor allem haltung sowie dem Abriss des Hauses und die Ent- durch die Beheizung seiner genutzten Flächen ent- sorgung der Bauelemente ergibt. Man rechnet damit, dass in den nach der EnEV 2014 erstellten Gebäuden 40 Prozent graue Energie enthalten ist, berechnet auf die angenommene Standzeit eines Gebäudes von 50 Jahren. Hinsichtlich der Wirkung auf den Klima- wandel reicht aber auch die graue Energie (in Kilo- wattstunden) als Maß nicht aus, hier sind die CO2- Emissionen der grauen Energiepositionen relevant. Es sinken zum Beispiel die CO2-Emissionen, wenn statt Beton Holzkonstruktionen verbaut werden, da Holz als nachwachsendem Rohstoff letztlich keine Treibhausgase zugerechnet werden können. Die Fixierung auf den Energieverbrauch eines Hau- ses führt also weder in der Energiediskussion noch in der Klimaschutzdiskussion weiter, wenn ein wich- tiger Parameter nicht berücksichtigt wird. Neben dem vorgeschriebenen Energieausweis, der für jedes Haus erstellt werden muss und den Energieverbrauch nachweist, muss in Zukunft eine gesamte Gebäude- Kühlendes Grün am Lise-Meitner-Haus (Institut für bewertung erfolgen, die Energieverbrauch, Graue Physik der Humboldt-Universität) Energie und CO2-Emissionen abbildet. Erst dann Foto: Marco Schmidt kann fachlich darüber gestritten werden, ob eine
07 Graue Energie Die Begrünung an der Glasfassade vom Institut für Physik, ist Gebäudekühlung und aktiver Sonnenschutz in heißen Sommern. | Foto: Marco Schmidt Sanierung oder eine Umnutzung energetisch und Sicherlich ist eine Umnutzung eines Bürogebäudes klimawirksam vorteilhafter ist. Die Standardantwort zu einem Wohnhaus eine besondere Herausforde- von Bauträgern, dass ein Totalabriss mit abschlie- rung – für Architekten aber keine Aufgabe, die nicht ßendem Neubau doch günstiger sei, würde dann oft zu lösen wäre. Gerade in so einem Fall kann die Kre- anders aussehen. In Hannover gibt es genügend Bei- ativität, die diesem Berufszweig zugeschrieben und spiele für einen zweifelhaften Abriss, etwa, wenn an von ihm selbst eingefordert wird, voll zum Tragen gleicher Stelle ein ähnliches Gebäude mit gleicher kommen. Eine Internetrecherche liefert dazu schnell Nutzung wieder aufgebaut wurde, wie das Deloitte- überzeugende Ergebnisse. Ziel muss es natürlich Gebäude am Aegi. dabei sein, die Gesamtenergiebilanz des Projektes soweit zu senken, dass ein fast klimaneutrales Ge- Deshalb, so die Forderung des BUND, muss bei allen bäude geplant wird. Bauvorhaben die Gesamtenergiebilanz geprüft werden, also der Aufwand an grauer Energie und Ein ausschlaggebender und für die Akzep- der Betriebsenergie über den gesamten Gebäude- tanz wichtiger Punkt bei einer Gebäudeum- lebenszyklus. Das muss auch für den geplanten nutzung kann eine gezielte Begrünung des sa- Abriss des Postscheckamtes gelten. Ein im Auftrag nierten Baukörpers sein. Viel Aufmerksamkeit des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumfor- haben die 110 und 80 Meter hohen Häuser des schung (BBSR) durchgeführtes und vor einem Jahr italienischen Architektenbüros von Stefano Boeri veröffentlichtes Forschungsvorhaben kommt zu erlangt, die er mit 900 Bäumen und anderen folgendem Resümee: „Der Bestandserhalt mit einer Fassadenbegrünungen hat bepflanzen lassen. energetischen Sanierung von Mehrfamiliengebäu- Als „Bosco verticale“ (Senkrechter Wald) ist es eine den nimmt eine zentrale Rolle im ressourcenscho- Attraktion in Mailand. Ähnliches ist auch bei der nenden und kosteneffizienten Bauen ein. Aufgrund Umnutzung von Bürogebäuden vorstellbar: Eine des guten Kosten-/Nutzen-Verhältnisses hat eine hässliche 70er-Jahre-Architektur kann durch Be- Sanierung von großen Mehrfamiliengebäuden Prio- grünungselemente plötzlich ganz anders wahrge- rität vor einem Neubau.“ In der Quintessenz wird ein nommen werden! CO2-Label für alle Gebäude gefordert.
08 Besonders ansprechend wirkt es, wenn sich durch Das vertikale Grün ist nicht nur in der Lage, die sonst Graue Energie eine ausgesuchte Kombination der Pflanzen anhand tote Fassade optisch und ökologisch zu beleben. Die von Blüten und Blattfarben das Gebäude monatlich Begrünung begünstigt auch ein ausgeglichenes anders präsentiert. Dieser mailändische Ansatz stand Mikroklima und spart dadurch Energie und Geld. Pate bei der Studie, das für den Abriss vorgesehene Beispiel Institutsgebäude für Physik der Humboldt- Postscheckamt an der Goseriede als Wohnquartier Universität in Berlin-Adlershof (Lise-Meitner-Haus): neu in das Stadtbild zu integrieren. Der BUND hat Die Glasfassade des Unigebäudes ist großflächig dazu eine Visualisierung bei den für Revitalisierun- begrünt – im Winter sind die Kletterpflanzen kahl, gen erfahrenen „Vier Linden Architekten & Ingeni- so dass Sonnenlicht die Glasflächen ungehindert eure“ in Auftrag gegeben. Der gelungene Entwurf passieren und die Heizung unterstützen kann. Im der jungen Vier Linden-Mitarbeiterin Pia Kamp- Sommer dagegen schützt die begrünte Fassade vor kötter vom sanierten und begrünten Postscheckamt Sonneneinstrahlung. Die Kühlungsleistung der wird auf der Titelseite diese Heftes präsentiert. Wir Pflanzen beträgt demnach im Sommer pro Fassade meinen, dass dies eine echte Alternative zu Abriss täglich 280 Kilowattstunden, was dem Energiever- und Neubau eines Gebäudes sein kann! brauch einer großen Klimaanlage entspricht. Selbst mit zusätzlichem Pflegeaufwand für die Fassaden- Neben diesem ästhetischen Aspekt einer Fassaden- pflanzen rechnet sich die Begrünung! begrünung sind natürlich weitere positive Wirkun- gen zu nennen, wie Filterwirkungen für Feinstaub Leider hat auch dieses vor fast 20 Jahren erbaute und Schmutz, Verbesserung des Kleinklimas durch Haus wenig Nachahmer gefunden. Vielen Architek- hohe Verdunstungsleistungen und damit für die Ge- ten sind Pflanzen offensichtlich nicht geheuer, weil bäudekühlung, Schutz vor UV-Strahlung und damit nicht planbar. Aber in Hamburgs Hafencity entsteht Erhöhung der Lebensdauer der Gebäudehülle. Mit gerade ein weiteres begrüntes, bewaldetes Hoch- dem Gebäudegrün wird überdies neuer Lebens- und haus, das zwölfstöckige „Moringahaus“. Hannover Nahrungsraum für Vögel und Insekten in der Stadt könnte mit einem zum Wohnhaus umgenutzten, kli- geschaffen. maneutralen und begrünten Postscheckamt eigene Maßstäbe setzen. Gerd Wach Eine attraktive Fassadenpflanze ist der Blauregen (Wisteria sinensis) | Foto: Marco Schmidt
09 Begrüntes Hannover BEGRÜNTES HANNOVER Geförderte Dachbegrünung. | Foto: Michael N. Förderprogramm für Gebäudebegrünung und Entsiegelung Förderung der 100. Dachbegrünung Die Landeshauptstadt Hannover und der BUND Re- Förderprogramm in Zahlen gion Hannover haben im Rahmen des gemeinsamen Förderprogramms „Begrüntes Hannover“ die 100. In Hannover werden bereits seit Mitte 2012 erfolg- Dachbegrünung gefördert. Am 4. Juli 2019 wurde reich Gebäudebegrünungen und seit 2017 auch bei Familie Winkelmann/Gratz aus Bothfeld eine 25 Flächenentsiegelungen bezuschusst. Bis Anfang Quadratmeter große Dachterrasse begrünt und die 2020 wurden insgesamt über 200 Förderanträge Förderung in Höhe von rund 900 Euro ausgezahlt! eingereicht. Dadurch wurden bislang etwa 18.000 Quadratmeter Dachfläche, 1.000 Quadratmeter ent- Der BUND freut sich, dass immer mehr Bürger*innen siegelte Hoffläche und diverse Fassaden begrünt. ihr Wohnumfeld natürlich gestalten möchten. Be- Dafür wurden bisher über 300.000 Euro Förder- grünte Dächer sind nicht nur eine Augenweide, son- mittel bereitgestellt. An der aktuellen Finanzierung dern bieten auch vielen Pflanzen und Tieren – wie sind neben der Landeshautstadt Hannover auch die Wildbienen – einen Lebensraum. Außerdem senken Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) und die die Pflanzen an heißen Sommertagen die Tempera- Sparkasse Hannover (Sparkassenbrief N+) beteiligt. turen – auf und unter dem Dach. Dabei ist die Begrü- nung der unterschiedlichsten Dächer möglich: von Dachterrassen über Garagen und Ein- und Mehrfa- milienhäuser bis hin zu Tiefgaragen und Gewerbe- hallen mit über 1.000 Quadratmetern Fläche kann alles begrünt werden! Die 100. Dachbegrünung bei Familie Winkelmann in Hannover-Bothfeld: Große Freude bei allen Beteiligten. Foto: Jana Lübbert
10 Die Nachfrage für einen finanziellen Zuschuss, be- Um der großen Nachfrage weiterhin gerecht zu Begrüntes Hannover sonders für Gebäudebegrünungen, aber auch für werden, stellt die Landeshauptstadt Hannover Flächenentsiegelungen war noch nie so groß wie weitere Fördermittel zur Verfügung. Wer bis zu jetzt. Im letzten Jahr wurden mehr Anträge einge- 10.000 Euro für seine Begrünungsmaßnahme reicht, mehr Fördermittel ausgezahlt und mehr Flä- erhalten möchte, kann bis Ende 2020 beim BUND chen begrünt als im Zeitraum vorher! Ein Umdenken Region Hannover einen Antrag stellen. zu mehr Grün in der Stadt ist überall spürbar, und so wollen auch viele Hauseigentümer*innen jetzt nicht Jana Lübbert nur ihr Wohnumfeld aufwerten, sondern auch einen Beitrag zum Arten- und Klimaschutz leisten. Informationen zum Förderprogramm gibt es unter www.begruenteshannover.de Schaffen Sie sich eine „Blumenwiese“ auf dem eigenen Dach. | Foto: Michael N. Universum Kleingarten Gartenübergabe ist ein Riesenerfolg Zachäus-Kitas haben Patenschaft für Kleingarten übernommen Viele Kinder wissen nicht, wie Obst und Gemüse „Unser Ziel ist, dass es in Zukunft viele weitere wächst und waren noch nie dem Boden und seinen Kleingärten für Kinder geben wird!“, wünschte sich Lebewesen auf der Spur. Vor diesem Hintergrund Anke Bischoff vom BUND-Projekt Universum Klein- ist ein für Hannover einzigartiges Modellprojekt garten . angelaufen: eine Gartenpatenschaft, die im Stadt- teil Herrenhausen-Burg mehr als 100 Kita-Kindern Bereits im Juli 2018 legten Pädagog*innen und Kin- elementare Naturerlebnisse und spielerisches Gärt- der der beiden Zachäus-Kitas zum ersten Mal Hand nern ermöglicht. Am 28. November 2019 wurde der an im Modellgarten des BUND-Projektes Universum BUND-Modellgarten im Kleingartenverein Herren- Kleingarten. Unterstützt von Anke Bischoff und hausen-Burg offiziell an die Kindertagesstätten der Jan Heeren vom BUND-Projektteam wurden Kin- Zachäus-Gemeinde übergeben. Die Leiter*innen der derhochbeete gebaut und bemalt und mit leckerem Zachäus-Kitas und Vertreter*innen des Vorstandes Gemüse bepflanzt. Auf einer großen Fläche entstand vom KGV Herrenhausen-Burg unterzeichneten fei- ein essbarer Dschungel aus Mais, Stangenbohnen erlich die Patenschaftsvereinbarung – auch unge- und essbaren Blühpflanzen und – mit Hilfe von mütliches Wetter tat der guten Stimmung im „neu- Kindern aus den umliegenden Kleingartenverei- en“ Garten keinen Abbruch. nen – eine Nisthilfe für Wildbienen. Dabei war al- len Beteiligten klar, dass das vom BUND getragene Pachtverhältnis des Modellgartens zum Jahresende
11 Universum Kleingarten Hier gärtnern Kinder: bemalte Beetschilder im „Essbaren Dschungel“ Fotos: Anke Bischoff der Kleingärtner einen Container für den Abtrans- port großer Mengen Giersch und Hartriegel. Der We- gewart strich die Laube und half in Trockenphasen beim Wässern der Rasenaussaat. Der Vereinsvor- stand nahm sich der Laube an, professionalisierte die gesamte Stromversorgung und richtete einen eigenen Raum für die zukünftige Kompost-Trocken- trenntoilette ein. Ende gut, alles gut: „Wir haben es dank der großarti- gen Unterstützung aller Beteiligten geschafft“, freu- te sich Anke Bischoff. Als Gartenpaten können die Kita-Kids nun auch in Zukunft als „Gartenkosmo- Gemeinsame Unterzeichnung des Pachtvertrages (von nauten“ durch ihr „Universum Kleingarten“ sausen. links): Joachim Heyrath (Leiter der Kita Zachäus Kids), Anke Bischoff (BUND), Yvonne Hillringhaus (stv. Lei- Sabine Littkemann tung der Kita Zachäus II) und Michael und Sabine Wefing (Vorstand KGV Herrenhausen-Burg) bringen das Modellprojekt auf den Weg. 2019 auslaufen würde. Daher wurde schon früh nach einer gemeinsamen Lösung gesucht, um die gelun- gene Kooperation fortzusetzen. Obwohl der Kleingarten-Vereinsvorstand großes Interesse signalisierte, waren noch etliche Hürden zu überwinden. Vor allem die Monokulturen von Giersch und Hartriegel in weiten Teilen des Gartens stellten ein Riesenproblem dar. Mit tatkräftiger Un- terstützung vieler Kita-Familien und Gärtner*innen aus den Vereinen Herrenhausen-Burg und Burgland konnte der Wildwuchs jedoch im Laufe des Jahres beseitigt werden. Unterstützung gab es auch von anderen Seiten: So finanzierte der Bezirksverband
12 Hand in Hand: Ökologisches Obst- und Gemüsegärtnern Universum Kleingarten und die Vernetzung der Kleingärtner*innen den KGV Feierabend und Krügersruh, bei der neun Hochstammapfelbäume gepflanzt wurden mit Sor- ten, die auch für Allergiker geeignet sind. Für das „UNIVERSUM KLEINGARTEN-Paket“, das wir, gefördert durch die Niedersächsische BIN- GO Umweltstiftung und mit Unterstützung durch den Fachbereich Umwelt und Stadtgrün der Lan- deshauptstadt, erarbeitet und mit wachsendem Erfolg umgesetzt haben, erhielten wir viel Lob und auch Anregungen. Zum Beispiel für das Gar- tenpfortenschild „UNIVERSUM KLEINGARTEN – Mein Garten für Vielfalt. Wir sind dabei“, mit dem Multiplikator*innen beispielhaft zeigen können, wie unsere Ziele umgesetzt werden und dass sie bei Ehepaar Loth mit Pfortenschild | Foto: Andrea Preißler Bedarf auch Ansprechpartner*innen sind. Sowohl bei der Entwicklung, bei der wir uns mehrfach mit Vorstandsmitgliedern und Gärtner*innen der koope- Waren es anfangs 34 Kleingärtner*innen, die uns rierenden Vereine getroffen haben, als auch bei der voller Enthusiasmus bei der Entwicklung des Pilot- Vergabe der ersten Pfortenschilder im Rahmen der projekts 2017 unterstützten, so sind es einige hun- 100-Jahr-Jubiläumsfeier im KGV Feierabend und im dert, die sich mittlerweile beteiligten: bei unseren KGV Vereinigte Steintormasch haben sich erstmals Vorträgen, Praxisworkshops, Samen- und Pflan- alle Akteure vereinsübergreifend vernetzt. Damit zenbörsen oder gemeinschaftsstiftenden Events wie haben wir neben der Ökologisierung des Obst- und Schnippelparties. Mit unserem Angebot sprechen wir Gemüsegärtnerns weitere wichtige Ziele unseres nicht nur Mitmachende aus den mit uns „offiziell“ Projektes erreicht: die Vernetzung mit Community- kooperierenden Kleingartenvereinen an wie Verei- Building und die Verstetigung der Vision UNIVER- nigte Steintormasch, Burgland, Herrenhausen-Burg, SUM KLEINGARTEN durch Multiplikatoren. Die Langefeld – und seit 2019 auch Feierabend und Krü- hannoversche Lokalpresse hat das mit ganzseitiger gersruh –, sondern ebenso viele Kleingärtner*innen Berichterstattung gewürdigt. und am Projekt Interessierte aus allen Stadtteilen. Unseren Bekanntheitsgrad steigerten wir auch durch Andrea Preißler-Abou El Fadil Auftritte bei den Pflanzentagen im Stadtpark, beim Umweltforum und sehr gut besuchten Workshops bei der Urban-Gardening-Aktion vor dem Haupt- Universum Kleingarten: Neue Broschüren bahnhof, wo Sibylle Maurer-Wohlatz erstmals mit Carola Hahne von der Obstplantage Hahne in Glei- • Igel in Kleingärten – mit einer kindgerechten dingen zu den Themen Apfelvielfalt als Chance für Sprache als Leitfaden für Kinder und Eltern Apfelallergiker zusammenarbeiteten. Hierzu ent- • Praktische Tipps für Hecken als Einfriedung, stand eine kleine Broschüre, die unter www.univer- Obstgehölze, Vogel- und Insektenschutz- sum-kleingarten.de heruntergeladen werden kann. Gehölze im Kleingarten • Hochbeetbau: Bau, Befüllung und Bepflanzung Anschaulich wird dies mit der Anlage eines „Apfel- Alte Apfelsorten im Garten – sorten-Lehrpfades“ am Verbindungsweg zwischen Chance für Apfelallergiker
13 Gewerbeflächenentwicklung bedroht Natur- Gewerbeflächenentwicklung und Erholungsräume in der Stadt Um den zukünftigen Bedarf an Gewerbeflächen Ein reduzierter Flächenverbrauch ist jedoch nur abzudecken, sieht die Stadt Hannover in dem durch nachhaltigere Alternativen zum weiteren Antrag „Leitlinien zur Gewerbeflächenentwick- Flächenfraß zu erzielen. Dafür setzt sich der lung 2030“ sieben Gebiete mit neuen Gewer- BUND ein. Um die Gewerbeflächenentwicklung beflächen vor (insgesamt über 141 ha Fläche). zu steuern, müssen Gewerbeflächen in städti- Besonders die Standorte Schwarze Heide (14 scher Hand bleiben. Eine andere Möglichkeit ha) und das Deurag Nerag-Gelände (78 ha) sieht ist es, durch vertragliche Vereinbarungen si- der BUND als sehr problematisch an. Es handelt cherzustellen, dass vorhandene Gewerbeflä- sich um naturschutzfachlich wertvolle Flächen. chen auch bebaut werden und nicht als Spe- Gerade in der Schwarzen Heide haben faunisti- kulationsobjekte unbebaut leer stehen. Aktuell sche und landschaftsökologische Untersuchun- hat die Stadt auf derartige Flächen nur schwer gen belegt, dass hier eine Bebauung ohne nach- Zugriff, so dass großflächige Teilbereiche von haltigen Schaden für Natur und Umwelt nicht Gewerbegebieten bislang ungenutzt sind. Aus möglich ist. diesem Grund muss dafür gesorgt werden, dass mit dem Kauf einer städtischen Gewerbefläche der Eigentümer verpflichtet ist, innerhalb einer Zeitspanne von maximal fünf Jahren die Fläche einer entsprechenden Nutzung zuzuführen. Außerdem fordert der BUND, dass nach dem Vorbild Hamburgs oder Ulms stadteigene Flä- chen nur noch in Erbpacht vergeben werden sollen. Der Hamburger Senat hat 2020 in etli- chen Bereichen der Boden- und Liegenschafts- politik die Weichen neu gestellt, um die Stadt- entwicklung nachhaltig zu gestalten und die knappe Ressource Grund und Boden zu sichern. Weiterhin ist zu prüfen, ob die meist einstöcki- Schwarze Heide: Bauland oder kleinbäuerliche Kultur- gen Gewerbehallen durch mehrstöckige Bauten landschaft? Dieses Kleinod für Mensch und Natur ist flächenschonender genutzt werden können. durch Baupläne in Gefahr! | Foto: Sabine Littkemann Denkbar sind auch Kooperationsvereinbarun- gen mit umliegenden Städten und Gemeinden. Der BUND sieht es als nicht hinnehmbar an, Stehen freie Gewerbeflächen im Umland zur dass in diesem Ausmaß neue Flächen in Gewer- Verfügung, sollten diese auch genutzt werden. begebiete umgewandelt werden sollen. Setzt Durch diese Maßnahmen kann die Gewerbeflä- man diese Entwicklung fort, hat das weitrei- chenentwicklung in eine effektivere und auch chende und negative Folgen für die Biodiver- nachhaltigere Zukunft gesteuert werden. sität und für das Stadtklima. Um derartigen Fehlentwicklungen gegenzusteuern, sieht da- René Hertwig her auch die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung und die niedersächsische Nachhaltigkeitsstrategie eine deutliche Redu- zierung des Flächenverbrauchs vor.
14 Permakultur Fotos: Dr. Bernd Alt Wasser, Sonne, Schatten, Gemüse, Obst, Düngepflanzen und Kräuter… Permakulturfarm – Regionaler Gemüse- und Obstanbau in Bio-Spitzenqualität Der BUND Region Hannover plant die Grün- Ein Permakulturbetrieb besteht daher nicht dung einer Permakulturfarm als Beitrag zur nur aus Anbaufläche für Gemüse und Obst, Verbesserung der Agrar-Ökologie und der sondern er enthält auch Flächen, auf denen ganzjährigen Lebensmittelversorgung aus die Natur weitgehend sich selbst überlassen regionalem Anbau – in der Stadt oder am wird, und das in unterschiedlich gestalteter Stadtrand, zum Beispiel am Kronsberg. Bio- Umgebung: Grünland, Hecken, Waldgarten, Landwirtschaft kennen inzwischen fast alle, Trockenmauern, Hügel, Teiche, halbschattige aber „Was ist denn Permakultur?“ fragen Feuchtgebiete usw. viele, wenn das Gespräch darauf kommt. Die Methode ist noch nicht sehr bekannt, ver- Durch diese Kombination stellen sich Tier-, dient aber weit mehr Beachtung und vor al- Pflanzen- und Insektengesellschaften ein, die lem Nachahmung: in ihrer Vielfalt und ihren Wechselwirkungen dafür sorgen, dass nicht einzelne Spezies wie Bei der Permakultur geht es um bewusstes zum Beispiel Schädlinge an Kulturpflanzen Gestalten und Erhalten landwirtschaftlich überhandnehmen können. Darüber hinaus produktiver Ökosysteme mit den Zielen werden die wild wachsenden Pflanzen, die Areale zur Verfügung gestellt bekommen, • Vielfalt, wie Malven, Beinwell oder Brennnesseln zyklisch zusammen mit Grünabfällen aus • Dauerhaftigkeit (Nachhaltigkeit) durch der Gemüseproduktion und mit Pferdemist Kreislaufwirtschaft, kompostiert, womit der Kulturboden auf na- türliche Weise mit Nährstoffen versorgt wird • Fähigkeit zu Selbstregulierung und und viel Humus aufbauen kann, was auch Selbsterhalt, dadurch zeitlich unbe- zu einer zusätzlichen Speicherung von CO2 grenztes Funktionieren ohne Zufuhr und Wasser führt. Wo die Bodenverhältnisse von künstlichen Dünger, Giften und etwa durch Vernässung ungünstig sind, kann ohne Maschinen. man Hügel- und Hochbeete aufbauen, die
15 Permakultur …Permakultur bedeutet größtmögliche Vielfalt auf kleinstem Raum als Erfolgsgrundlage. das Problem beseitigen, indem das Kultur- Nachwuchs Nahrung bieten. Daher werden niveau oberhalb der Problemzone zu liegen Wildkräuter auch weithin toleriert. kommt. Außerdem erwärmt sich im Frühjahr in Hügelbeeten die Erde schneller, was sich Mit dem Projekt möchten wir einerseits ertragssteigernd auswirkt. Permakultur bekannter machen und zur Nachahmung ermuntern. Andererseits Durch geschickte Ausnutzung von Gelän- möchten wir durch Verzahnung mit den deform und Bodengegebenheiten, durch angrenzenden Stadtteilen über eine Reihe Windschutz-Anpflanzungen, durch Aus- sozialer Gemeinschaftsaktivitäten neues, formung von Mulden und Erdhügeln und in die Zukunft gerichtetes Leben in die durch Anlage von Teichen werden Zonen mit Wohnquartiere bringen. Noch hoffen wir auf unterschiedlichem Mikroklima geschaffen, Unterstützung durch die Stadt Hannover, was jeweils für optimale Verhältnisse für be- indem sie uns die benötigte Fläche zur stimmte Kulturen sorgt. Das ist am Anfang Verfügung stellt. viel Arbeit, aber wenn das Gelände einmal entsprechend eingerichtet ist, bleibt alles Dr. Bernd Alt Weitere relativ einfach. Zusätzlich lässt man die Natur für sich arbeiten: Pflanzen wie Maulbeerbäume und diverse Sträucher sorgen für Anfall von Früchten und Samen, von denen sich Hühner ernähren: Hühnerhaltung ohne zugekauftes Futter. Hühner liefern Dung mit ihren Exkrementen, sie sorgen für zuverlässige Entfernung vieler Schadinsekten und unerwünschten Wildkräutern, wobei andererseits aber viele Wildkräuter wertvolle und geschmacksintensive Zutaten für sehr leckere Salate liefern und vielen im Ökosystem nützlichen Insekten und ihrem
16 Baustopp für Hühnermäster in der Wedemark – Contra Industriehuhn Wedemark Erster Erfolg für Maststallgegner*innen Das Verwaltungsgericht Hannover hat am 18. De- Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts unter zember 2019 dem Eilantrag des NABU Niedersach- Vorsitz des Richters Andreas Kleine-Tebbe be- sen stattgegeben. Damit ist der sofortige Vollzug gründete ihr Urteil mit der Futtergrundlage. Zum der von der Region Hannover erteilten Baugeneh- Hintergrund: Ein Landwirt darf nach geltendem migung für zwei beantragte Hähnchenmastställe Recht eine Tierhaltungsanlage im Außenbereich im Trinkwasserschutzgebiert Fuhrberger Feld in nur dann bauen (die so genannte Privilegierung), der Wedemark wieder aufgehoben worden. Für wenn sein Betrieb das Futter für den beantragten den Landwirt aus Elze bedeutet das vorerst einen Tierstall überwiegend selbst produzieren kann – Baustopp: Er darf seine bereits bestehende Hähn- zumindest aber genügend Flächen aufweist, um chenmast nicht wie geplant von derzeit 79.000 das Futter für die Tiere anbauen zu können. Das Tieren auf 164.000 Tiere um mehr als das Doppelte sah das Gericht in diesem Fall als nicht zweifels- vergrößern. Das ist ein wichtiger erster Etappen- frei gegeben an. „Eine hinreichende und dauer- sieg für die Bürgerinitiative Contra Industriehuhn hafte Sicherung einer überwiegend eigenen Fut- Wedemark (CIW) und freut die Vertreter*innen. terproduktion“ sei im Fall des Elzer Landwirtes „Der NABU und die Bürgerinitiative sehen sich in nicht gegeben, heißt es in einer Pressemitteilung ihrer Auffassung bestätigt, dass die Genehmigung des Gerichtes. Nach Auffassung der Richter reiche zum sofortigen Vollzug des Stallbaus rechtswidrig auch die Laufzeit der Pachtverträge des Landwirts war,“ sagt CIW-Vorsitzende Claudia Preuß-Ue- nicht aus, die zu einem erheblichen Teil maximal berschär. Der Eilantrag sei gestellt worden, damit zehn Jahre laufen würden. Dass der Elzer Land- keine vollendeten Tatsachen geschaffen würden. wirt einen großen Teil seiner Flächen als Pachtflä- Mitglieder der Bürgerinititative und Vertreter*innen anderer Organisationen versammelten sich am 27. November 2019 zu einer Kundgebung vor dem Verwaltungsgericht Hannover, das an diesem Tag über den Eilantrag des NABU verhandelte. | Foto: Sven Warnecke/HAZ (Artikel unter www.haz.de/Umland/Wedemark/Wedemark-Protest-gegen-Haehnchenmast-in-Elze)
17 Contra Industriehuhn Wedemark Foto: © Adobe Stock // Countrypixel chen hat, wird als kritisch angesehen. Das Verwal- für die Erweiterung des Mastbetriebs fertigge- tungsgericht Hannover bezieht sich auf ein Urteil stellt. Für CIW ist das nicht nachvollziehbar: „Es des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts war klar, dass das Gericht bei der Frage der Fut- in Lüneburg vom 16.11.2019, bei dem es um ei- terflächen nachfassen würde“, sagt CIW-Grün- nen ähnlich gelagerten Fall geht. Darin haben die dungsmitglied Christiane Hussels. „Wenn NABU Richter konkrete Aussagen getroffen, ab wann und CIW gewinnen, werden sich Landwirte sehr die Voraussetzungen für eine überwiegend eige- genau überlegen, ob sie Stallerweiterungen in die- ne Futterproduktion gegeben sind. Eine Laufzeit ser industriellen Dimension beantragen wollen.“ von zehn Jahren wird hier nicht als hinreichend angesehen. Wie geht es weiter in dem Verfahren? Die letzte Meldung bei Redaktionsschluss: Der Landwirt hat Fakten sind trotz der Niederlage in der ersten In- am 5. Februar 2019 beim Oberverwaltungsgericht stanz vom Landwirt bereits geschaffen worden: Lüneburg Beschwerde gegen den Beschluss des Nachdem im Sommer 2019 Vorarbeiten auf der Verwaltungsgerichts Hannover eingelegt. Das Eil- Baustelle in der Gemarkung bei Elze stattfanden, verfahren geht also in die zweite Instanz. wurden im November und Dezember beide Hallen Sabine Littkemann Für das Eilverfahren in der zweiten Instanz werden dringend Spenden benötigt! NABU Niedersachsen IBAN: DE47 2512 0510 0008 4448 00 BIC: BFSWDE33HAN (Bank für Sozialwirtschaft) Verwendungszweck: HMA Wedemark (nicht vergessen!) Informationen unter: www.contraindustriehuhnwedemark.jimdofree.com Hühnerschar | Otto Scheuerer (1862-1934)
18 Hannoversche Moorgeest Fruchtstände des Scheiden-Wollgrases (Eriophorum vaginatum) | Foto: Dr. Reinhard Löhmer Moorschutzprojekt segelt in schwerer See Der „Aktionskreis Hannoversche Moorgeest“, nun erst frühestens in Spätsommer 2020 die ein Zusammenschluss von ehrenamtlichen ersten Baumaßnahmen beginnen können. Naturschützern, zieht nach acht Jahren Projektlaufzeit eine ernüchternde Bilanz: • Ob die Vernässung der übrigen Moore nach Plan ausgeführt werden kann, bleibt unge- • Die Flurbereinigung mit der komplexen wiss. Neben den bisherigen Planungen muss Wertermittlung und den Verhandlungen mit später noch sehr viel (Zeit-)Aufwand in die mehr als 800 Flächeneigentümern ist stark in Ausführungsplanungen und in die Baube- Verzug geraten, die Verhandlungen sind äu- gleitung investiert werden. Offen ist, ob bei ßerst schwierg. Mehr als 500 Hektar, das sind dem Bauvolumen dann auch genügend Bau- etwa 23 Prozent der Gebietsfläche, müssen firmen zur Verfügung stehen werden, um die immer noch per Kauf, Tausch oder Gestat- nicht ganz einfache Arbeit auf Torf sachge- tung bearbeitet werden. recht ausführen zu können. • Einzelne Eigentümer lehnen das Projekt ab Das Projekt ist in der Abwicklung schon jetzt oder sind mit der Wertermittlung nicht ein- drei Jahre im Verzug. Eine Verlängerung muss verstanden. Gerichtsverfahren durch alle in absehbarer Zeit bei der EU beantragt und dort Instanzen sind die Folge und haben zu er- dann auch genehmigt werden. Schon jetzt ist klar, heblichen Verzögerungen geführt. Bisher dass die eingeplanten Mittel nicht ausreichen haben alle Gerichtsinstanzen das Projekt mit werden. Zusätzliche Kosten müssen das Land geringfügigen Korrekturen durchgewunken. Niedersachsen und die Region aus Steuergeldern tragen, denn die EU erhöht in solchen Verfahren • Erste Dammbaumaßnahmen waren für das ihren Anteil nicht. Nicht nur deshalb muss es Jahresende 2019 im Schwarzen Moor ge- jetzt rasch Fortschritte bei der Projektumsetzung plant. Sie konnten nicht begonnen werden, geben. Für den Lebensraum Hochmoor mit weil von einigen wenigen (!) Eigentümern seiner einzigartigen Fauna und Flora wird die nochmals ein Eilverfahren auf Unterlassung Vernässung der Torfkörper in den vier Mooren der beantragt worden war mit der Folge, dass Hannoverschen Mooorgeest höchste Zeit!
19 Hannoversche Moorgeest Rötliches Torfmoos (Sphagnum rubellum) | Foto: Heiko Köster Nasse Moore sind Kohlenstoffspeicher und brand gestochen haben, nach Aufgabe der Nutzung praktizierter Klimaschutz die Entwässerungsgräben nicht verschlossen. Die Moore sind daher jahrzehntelang „ausgeblutet“ mit Bei dem Projekt Hannoversche Moorgeest geht es schwerwiegenden Folgen für die Fauna und Flora nicht nur um Natur- und Artenschutz, sondern im- und das Klima – wie wir heute wissen. Aus entwäs- mer mehr auch um Klimaschutz: Nasse Torfkörper serten Handtorfstich-Mooren entweichen 20 Ton- speichern enorme Mengen an Kohlenstoff – deutlich nen CO2 pro Jahr und Hektar in die Luft, verbunden mehr als alle anderen Landflächen wie etwa Wald. mit einem Torfschwund von bis zu zwei Zentimetern Solange die Torfkörper Oberkante-Unterlippe unter pro Jahr. Das muss absolut nicht sein! Wasser liegen, fungieren sie als Kohlenstoffsen- ken im globalen Naturhaushalt. Kommt aber durch Der BUND wird sich deshalb gemeinsam mit ande- Entwässerung und Nutzung Sauerstoff an den Torf, ren Naturschutzverbänden weiterhin für den Schutz beginnen Zersetzung und Oxidation mit der Folge, und die Wiedervernässung der alten Handtorfstich- dass Kohlendioxid freigesetzt wird und in die Atmo- Moore vor den Toren Hannovers und für eine er- sphäre entweicht. folgreiche Umsetzung des Projektes Hannoversche Moorgeest einsetzen! In Niedersachsen gehen immerhin pro Jahr zwölf Prozent aller Treibhausgase auf die Zersetzung von Dr. Reinhard Löhmer Hoch- und Niedermoortorfen zurück. Leider haben Sprecher der Faunistischen die „Altvorderen“ in den Handtorfstich-Mooren, in Arbeitsgemeinschaft Moore denen sie bis in die 1950er Jahre Torf zum Haus- Ehrenamtliche Entkusselung Die Arbeitssaison in den Mooren der Hannover- schen Moorgeest ist beendet. An insgesamt elf Ter- minen fanden im Bissendorfer und Helstorfer Moor Pflegeeinsätze statt. Dabei wurde viel für den Schutz unserer wertvollen Moore getan. Einen herzlichen Dank an alle fleißigen Helfer! Die Termine für die Saison 2020/2021 werden ab September auf der Internetseite des BUND Region Hannover oder beim MoorIZ in Resse zu finden sein. Als Ansprech- partner steht Heiko Köster von der Ökologischen Schutzstation Steinhuder Meer gerne zur Verfügung. Helstorfer Moor nach Gehölzentfernung im E-Mail: koester@oessm.org Februar 2019 | Foto: Heiko Köster
20 Hannoversche Moorgeest Muswillensee im Bissendorfer Moor | Foto: Heiko Köster Steckbrief: EU-LIFE+ Projekt „Hannoversche Moorgeest“ Die so genannten „Handtorfstich“-Moore im Nor- schließlich über einen Antrag des Landes beim den von Hannover sind von besonderem ökologi- EU-LIFE+ Natur-Programm im September 2012: schen Wert. Das hatte bereits eine in den 1970er Die Europäische Komission bewilligte das Projekt Jahren durchgeführte naturschutzfachliche Be- mit einer Laufzeit von elf Jahren und einem Fi- wertung von 88 Hochmooren in Niedersachsen nanzvolumen von 11,6 Millionen Euro unter der ergeben, die als Grundlage für das 1. Moorschutz- Federführung des Niedersächsischen Landesbe- programm dienen sollte. Platz 1 belegte damals triebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Natur- das Bissendorfer Moor, Otternhagen folgte auf schutz, kurz NLWKN. Bis zum Jahr 2023 muss das Platz 3 und Helstorf auf Platz 10. Um diese Wer- Projekt umgesetzt sein. Das Kerngebiet umfasst tigkeit zu erhalten und zu verbessern, wurden ab 2.919 Hektar in den drei Teilbereichen Schwarzes Mitte der 70er Jahre Pflegemaßnahmen durch die Moor (168 ha), Otternhagener / Helstorfer Moor Faunistische Arbeitsgemeinschaft Moore (FAM) (1.765 ha) und Bissendorfer Moor (986 ha). in Kooperation mit dem amtlichen Naturschutz durchgeführt. In Handarbeit werden dabei – bis Mit 8,5 Millionen Euro trägt die EU rund 75 Pro- heute! – Gräben gestaut und aufkommende Birken zent der Gesamtkosten, das Land Niedersachsen und Kiefern entkusselt, um die offenen Bereiche, trägt 20 Prozent und die Region Hannover fünf in den drei Mooren zu sichern. Prozent der Kosten. Das LIFE+ Projekt setzt vo- raus, dass die Moorflächen im Eigentum des Seit den 1990er Jahren ist dennoch klar, dass die Landes Niedersachsen sind, um sie überhaupt Verbuschung der verbliebenen Hochmoorflächen wiedervernässen zu können. Über ein Flurberei- ohne eine Wiedervernässung nicht aufzuhalten nigungsverfahren muss das Land die Moorflächen ist. Die guten Wuchsbedingungen der Bäume durch Kauf, Tausch oder Gestattungsverträge er- können nur durch umfassende Staumaßnahmen werben, bei Letzterem erklären sich die Eigentü- mit dem Einsatz von Maschinen eingeschränkt mer mit den Maßnahmen einverstanden. Neben werden. Für solche Maßnahmen mussten Mittel privaten Grundstückseigentümern haben auch aus größeren Schutzprogrammen rekrutiert wer- Verbände, Kirchen und Kommunen Grundeigen- den. Langjährige Bemühungen führten schließlich tum in der Hannoverschen Moorgeest. Auch dem dazu, dass die genannten Moore ab 2007 in einem BUND Niedersachsen gehören rund 12 Hektar Großschutzprojekt des Bundesamtes für Natur- Moor – der Landesverband muss wie andere öf- schutz gefördert werden konnten. 2011 scheiterte fentliche Organisationen die Maßnahmen ohne das Projekt am Widerstand der Landwirtschaft im Ausgleich gestatten. Umfeld der Moore und nicht zuletzt am damali- gen Umweltminister Hans-Heinrich Sander. Ein Dr. Reinhard Löhmer Neuanfang der Hochmoorrenaturierung gelang
21 Zauneidechse Kuscheln am Zaun | Foto: Real6String auf https://commons.wikimedia.org Die Zauneidechse – Reptil des Jahres 2020 Zauneidechsen sind taffe kleine Tiere, die mit vie- Offenbiotopen bewohnt. Die Weibchen legen ihre Eier len Widrigkeiten klarkommen und eigentlich gar zwischen Ende Mai und Anfang August in spärlich be- keine hohen Ansprüche an ihre Lebensräume stel- wachsenem und magerem Boden ab. Die weitere Ent- len. Doch die einstige Kulturfolgerin verschwindet wicklung der Eier wird maßgeblich vom Witterungsver- aus der Landschaft. In Teilen der Region fehlt sie lauf bestimmt, nachteilig sind sowohl zu kalte als auch aufgrund der dortigen Böden aus natürlichen Grün- sehr trockene und heiße Sommer. In günstigen Jahren den, in anderen ist sie noch halbwegs gut vertre- können ab Mitte/Ende Juli die ersten Jungtiere beobach- ten, wird aber rapide seltener. Im Stadtgebiet Han- tet werden, der Hauptschlupf erfolgt meist im August. nover wird die Situation zunehmend dramatisch. Für mehr Infos über die Zauneidechse siehe Links auf Die Zauneidechse (Lacerta agilis) ist die kleinste Vertre- S. 23. terin der Smaragdeidechsen – die Flanken erwachsener Männchen sind zur Paarungszeit oft leuchtend smaragd- Zauneidechsen: Winterschläfer – auch schon im grün. Zauneidechsen besiedeln ein riesiges Areal, das Sommer von Mittelschweden im Norden bis Zentralgriechenland im Süden, von Südengland im Westen bis zum Baikalsee Gesunde Zauneidechsen sind bei normalen Wit- im Osten reicht. In Deutschland ist die Art noch weit ver- terungsverläufen etwa die Hälfte des Jahres aktiv. breitet, im Nordwesten (also bei uns) ist sie auf besonders Männchen verlassen die Winterquartiere oft im günstige Standorte angewiesen. Die Zahl und Größe der März/April und beenden ihre Aktivität meist im Populationen nimmt bundesweit rapide ab. August. Weibchen werden meist im April aktiv, am längsten sind die Schlüpflinge zu beobachten, sie Zauneidechsen sind typische Bewohner von Saum- und ziehen sich typischerweise im September zurück. Ein Übergangsbereichen und in sich strukturreichen Flächen. früher Rückzug bei „schönstem“ Wetter ist dabei ein Unter anderem werden Waldränder und Saumbiotope gutes Zeichen. „Spätlinge“ sind dagegen oft auffal- entlang von Verkehrswegen, Sandgruben, Gärten und lend dünn oder verletzt (und haben z. B. mit ihrem natürlich auch Naturschutzgebiete mit strukturreichen Schwanz auch Fettvorräte verloren).
22 Zum Aufwärmen suchen Zauneidechsen gut be- In ihren natürlichen Lebensräumen sind diese Tiere Zauneidechse sonnte und daher eher offene Bereiche auf. Bei ho- streng geschützt. Aber nur dort! Die EU-Kommissi- hen Temperaturen bewegen sie sich im Schutze der on weist ausdrücklich darauf hin, dass der strenge Vegetation oder in feuchten Bereichen, sofern sie Schutz der FFH-Richtlinie nur im natürlichen Ver- nicht in ihren Bauen bleiben. breitungsgebiet gilt. Auch das Bundesnaturschutz- gesetz erlaubt die Betrachtung von Unterarten. Es wundert also nicht, dass man bei Hitze-Som- Fachleute fordern daher schon lange, zum Schutz merwetter kaum „Zaunis“ sieht. Es ist ihnen dann der heimischen Tierwelt diese unerwünschten Neo- schlichtweg zu warm. Hinzu kommt ihre perfekte zoen bei Eingriffen nicht zu schützen, sondern statt- Tarnung. dessen Kompensationsmaßnahmen für heimische Eidechsen zu nutzen. Die fremdländischen Mauereidechsen verdrän- gen heimische Eidechsen (in der Region Hannover sind dies Zaun- und Waldeidechse) oftmals binnen kürzester Zeit. Es scheint daher dringend nötig, absichtliche (bei Eingriffen) und unabsichtliche Förderungen (z. B. durch Steinkörbe, Steingärten oder Abrissmaterial) zu unterlassen. Möglichst gute Kenntnisse von Verbreitung und Ausbreitung sind dabei hilfreich. Wir bitten, die Augen offen zu halten und uns Fundpunkte mitzuteilen. Strenger Schutz - Besonderheiten in der Region Hannover Wir vom BUND pflegen Lebensräume und setzen Bahndamm in Hannover: Ein typischer Lebensraum der uns im Rahmen der Verbandsbeteiligung für den Zauneidechse – noch (?) nicht gefährdet durch Schutz der Zauneidechsen und anderer schutzwür- gebietsfremde Mauereidechsen. diger Arten ein. Mit Hilfe der Presse konnten wir so schon manches Getier schützen. Regelmäßig halten Mauereidechsen: Sonnenanbeter in Hannover wir gemeinsam mit Förstern die Reptilienhabitate offen. Das Jahr der Zauneidechse 2020 gibt hierfür Im Stadtgebiet Hannover leben an verschieden Stel- nochmal neuen Schwung. So weit so gut. Und wirk- len nicht-heimische Mauereidechsen unterschiedli- lich gut! cher Herkünfte (Südalpen-, Venetien- und ostfran- zösische Linie). Hitzesommer tun ihnen gut, sie sind Die Region Hannover lässt Lebensräume der Zaun- sehr konkurrenzstark und innerartlich aggressiv und eidechse regelmäßig pflegen und aufwerten. Ange- können sich daher schnell ausbreiten. strebt wird teilweise auch ein Kauf von hochwertigen Lebensräumen. Die Abarbeitung des Artenschutzes In Hannover leben die Exoten vor allem an Bahn- bei Eingriffsvorhaben ist teilweise vorbildlich. anlagen, aber auch in Klein- und „Steingärten“. Sie wurden wohl auch innerstädtisch bei Bauarbeiten Leider kommt es bei Bauprojekten häufig zu unwirk- mit Abrissmaterial verschleppt. Es scheint daher samen „Alibi-Schutzmaßnahmen“ – diese gelten nur eine Frage der Zeit, bis sie an weiteren Stellen mittlerweile als wesentlich für die bundesweit star- im Stadtgebiet und auch im Umland auftauchen (in ken Rückgänge. Geltendes Recht und die Biologie Springe gab es zumindest zeitweise ein Vorkom- der Zauneidechse sind eigentlich gut bekannt. Bei- men). des lässt sich nicht mit jedem Vorhaben in Einklang
23 Zauneidechse Ein junges Zauneidechsen-Männchen | Fotos: Ina Blanke bringen. Aber die EU möchte eben nicht, dass streng • „Konflikte mit dem Artenschutz sind auszu- geschützte Arten in ihrem natürlichen Areal für “Al- schließen“ scheint ohnehin eine fahrlässige lerweltsprojekte“ getötet werden! Aussage. Diese wurde aber für einen der Ver- waltung bekannten Lebensraum der Zaun- Bei frühzeitiger Berücksichtigung von Artenschutz- eidechsen gemacht! Auf die schutzwürdigen belangen lassen sich die Planungen oft tierfreund- Reptilien mussten stattdessen Landesforst und lich ändern – auch dafür gibt es aus der Region gute BUND hinweisen. Beispiele. Schlechte Beispiele gibt es aus der Region aber leider auch: • Schutzmaßnahmen, die nur auf dem Papier be- stehen. Obwohl sie vor oder gleich nach dem • „Absammeln“ einzelner Tiere statt Umsiedeln Bauvorhaben umgesetzt werden sollten (und eines großen Teils der Population (bei Kartie- das die Grundlage für die Genehmigung von rungen werden i. d. R. nur einzelne Tiere gese- Baumaßnahmen etc. war). hen – bei seriösen Umsiedlungen anschließend regelmäßig deutlich mehr als 100 gefangen) Zauneidechsen versuchen manchmal, Ponys und an- dere Tiere durch Fauchen zu vertreiben. Gegen Bull- • „Absammeln“ im September, also wenn die dozer und Co. haben sie aber keine Chance. Dafür Mehrzahl ohnehin im Winterquartier ist statt brauchen sie die Unterstützung von Menschen! Man- Fang über mindestens eine Saison ches läuft schon gut, anderes muss dringend besser werden. Es geschieht nichts Gutes, außer man tut es. • Zusetzen der Tiere in andere Populationen, das führt nicht nur zum Netto-Verlust von Lebens- Das Jahr der Zauneidechse 2020 scheint perfekt räumen, sondern gefährdet zusätzlich den Be- dafür! stand am Zielort Ina Blanke Mehr Infos von unserer Biologin und Eidechsen-Expertin unter: www.reptilien-brauchen-freunde.de/zauneidechse2020 www.reptilien-brauchen-freunde.de/lacagi.html
IM ! 24 BLICK Volksbegehren Artenvielfalt BEHALTEN Foto: Naturgucker, Hubert Gerweck VIELFALT SCHÜTZEN, ZUKUNFT RETTEN Feuersalamander retten! An seinem leuchtend-gelb gefleckten Muster ist der Feuersalamander gut zu er- kennen. Er lebt vor allem in feuchten Laubmischwäldern der Mittelgebirge und fühlt sich an sauberen und kühlen Quellbächen wohl. Volksbegehren Artenvielfalt.Jetzt! Nach dem mit rund 1,8 Millionen Unterschriften rungsgesetzes zum Bundesnaturschutzgesetz, bisher einzigartig erfolgreichen Volksbegehren des Niedersächsischen Wasser- und des Nieder- „Rettet die Biene“ in Bayern ist auch in Nieder- sächsischen Waldgesetzes. Um erfolgreich zu sachsen ein Volksbegehren zur Rettung der Ar- sein, müssen zehn Prozent der Wahlberechtigten tenvielfalt in Vorbereitung. Ein breites gesell- – rund 610.000 Menschen – das Volksbegehren schaftliches Bündnis will sich damit für strengere unterschreiben. Der Landtag hat dann die Mög- gesetzliche Vorgaben für den Artenschutz einset- lichkeit, das Gesetz anzunehmen, oder es kommt zen – allein in Niedersachsen sind rund 11.000 zum Volksentscheid, bei dem alle Wahlberechtig- Tier- und Pflanzenarten gefährdet oder bedroht, ten – wie bei einer Landtagswahl – aufgerufen Insekten genauso wie Wirbeltiere und heimi- sind, über das Gesetz abzustimmen. sche Wildpflanzen. Der BUND ist einer von rund Bereits im August 2019 hatten BUND und NABU 70 Unterstützern des Volksbegehrens, das durch einen umfassenden Forderungskatalog für In- einen Trägerkreis aus Bündnis 90/ Die Grünen, sektenschutz und Artenvielfalt an die Landesre- NABU und dem Deutschen Berufs- und Erwerb- gierung übergeben. Heiner Baumgarten, Vorsit- simkerbund (DBIB) initiiert wurde. zender des BUND Niedersachsen, fordert darin Gegenstand eines Volksbegehrens auf Landes- die Landesregierung auf, endlich konkrete Maß- ebene ist ein Landesgesetz – konkret ein Gesetz nahmen zu ergreifen, um den massiven Arten- zur Änderung des Niedersächsischen Ausfüh- schwund in Niedersachsen zu stoppen: „Immer
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