LITERATURSERVICE PÄDIATRIE - HIPP FACHKREISE

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April 2019

             Literaturservice PÄDIATRIE
             Neue Erkenntnisse für Sie gelesen und kommentiert von J. Spranger, Universitäts-Kinderklinik Mainz (JS)
             und E. Harms, Universitäts-Kinderklinik Münster (EH)

             M     olekulare Korrektur des mutierten
                   Phenylketonurie-Gens                                      U    nklares Fieber beim
                                                                                  jungen Säugling

             Die Behandlung der durch Mutationen des Gens                    Im Verlauf von 15 Jahren wurden in einer Notfallam-
             PAH bedingten Phenylketonurie erfordert eine auf-               bulanz 2479 junge Säuglinge (38,0°C) vorgestellt und nach vorgegebe-
             Wie schön wäre es, an Adenoviren gekoppelte                     nem Protokoll mit Blutbild, Urin, CRP, Procalcitonin,
             Gen-Scheren – CRISPR/Cas9 – zu injizieren, die                  Blut- und Urinkulturen untersucht [1]. Bei 13 Säug-
             beim Patienten mutierte DNA-Sequenz zu korrigie-                lingen fanden sich klinische Hinweise auf eine Sep-
             ren und damit ausreichende Mengen von Phenylhy-                 sis, die sich bakteriell bestätigte. Alle anderen Säug-
             droxylase zu produzieren – mit anderen Worten den               linge waren in gutem Allgemeinzustand und ein
             Patienten zu heilen. Jetzt ist es Schweizer Forschern           Viertel von ihnen hatte zum Zeitpunkt der Unter-
             gelungen, ein zentrales Problem auf dem Weg dahin               suchung eine normale Körpertemperatur. In dieser
             zu überwinden [1]. Sie reduzierten die CRISPR/Cas9              Gruppe von afebrilen, asymptomatischen Säuglin-
             Schere auf eine Größe, die an das kleine, apathoge-             gen wurde 16-mal eine Bakteriämie nachgewiesen.
             ne Adenovirus noch angekoppelt werden kann. Das                 Weitere 43 Säuglinge hatten zum Zeitpunkt der
             Virus wurde Phenylketonurie-kranken Mäusen in-                  Klinikaufnahme noch Fieber, aber keinerlei klinische
             jiziert. Die an die Viren gekoppelte Schere, ein Cy-            Sepsiszeichen. Das relative Risiko einer bakteriellen
             tidin-Deaminase Basen Editor, verwandelte in der                Infektion war 4,9% beim noch fiebernden Säugling
             DNA der Mäusezellen Cytosin-Guanin zu Thymi-                    ohne klinische Verdachtsmomente und 2,12% beim
             din-Adenin Paaren. Im Serum der Mäuse stieg die                 gesund erscheinenden, afebrilen Säugling, der aus-
             Phenylhydroxylase-Aktivität auf Werte bis zu 68%                schließlich zu Hause Fieber gehabt hatte.
             des Normalwerts an, Phenylalanin fiel auf physiolo-
             gische Werte ab, das depigmentierte Fell nahm die               Kommentar: Die Schlussfolgerung für die Praxis ist,
             dunkle Färbung gesunder Tiere an.                               dass Fieber unklarer Genese beim jungen Säugling
                                                                             immer Zeichen einer bakteriellen Sepsis sein kann,
             Kommentar: Das Ergebnis wurde bei Mäusen mit                    egal ob das Kind bei der Erstuntersuchung klinische
             einer speziellen Mutation des PAH Gens (T835G)                  Symptome oder Fieber hat. Die Suche nach der Infek-
             erzielt. Gen-Scheren kann man jedoch auch für an-               tionsquelle wird sich entsprechend dem gegebenen
             dere Mutationen konstruieren, letztendlich in der               Untersuchungsprotokoll in erster Linie auf die Harn-
             Hoffnung, den Ansatz prä- und postnatal auf den                 wege konzentrieren und eine Lumbalpunktion nur
             Menschen zu übertragen [2]. Erwähnt sei an die-                 bei Vorliegen meningealer Reizsymptome vorsehen.
             ser Stelle eine weitere, aktuelle Bereicherung der
                                                                             Referenz: [1] Mintegi S, Gomez B, Carro A et al. (2018) Invasi-
             PKU-Behandlung: Pegvaliase, eine Phenylalanin                   ve bacterial infections in young afebrile infants with a history of
             spaltende Ammoniumlyase zur Senkung des Phe-                    fever. Arch Dis Child 103:665-669.
             nylaninspiegels, die soeben in den USA zur Behand-
             lung Erwachsener zugelassen wurde [3,4].
             Referenzen: [1] Villiger L, Grisch-Chan H, Lindsy H, Ringnal-
             da F (2018) Treatment of a metabolic liver disease by in vivo
             genome base editing in adult mice. Nature Medicine 24:1519-
                                                                             L   actobacillus reuteri fördert Schädelwachs-
                                                                                 tum sehr kleiner Frühgeborener
             1525. [2] Nelson R (2019) Gene editing successfully corrects    Nach früheren Berichten fördern Milchsäurebakte-
             2 amino acid disorders. Am J Med Genet 179A:5-6. [3] Longo
                                                                             rien der Gattung Lactobazillus reuteri die Magen-
             N, Zori R, Wasserstein MP (2018) Long-term safety and effi-
             cacy of pegvaliase for the treatment of phentylketonuria in     entleerung und Nahrungstoleranz frühgeborener
             adults: combined phase 2 outcomes through PAL-003 exten-        Säuglinge. In einer randomisierten Blindstudien er-
             sion study. Orphanet J Rare Dis 13:108 doi:10.1186/s13023-      hielten nun 141 sehr kleine Frühgeborene (23.–27.
             018-0858-7 [4] Longo N, Dimmock D, Levy H et al. (2018)
             Evidence- and-consensus-based recommendations for the use
                                                                             SSW; Geburtsgewicht
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       ter Muttermilch [1]. Probiotika und Placebo wurden                 einer validierten Depressionsskala ein. Der erste
       über 9 bis 13 Wochen (jeweils zur Entsprechung der                 Test erfolgte im letzten Schwangerschaftsdrittel,
       36. Schwangerschaftswoche) verabreicht. Unter                      die folgenden im Alter von 6, 12 und 36 Monate
       dieser Behandlung erhöhte sich der mittlere Schä-                  ihres Kindes [1]. Zu den letztgenannten Terminen
       delumfang in der Gruppe der probiotisch ernährten                  wurde der Entwicklungsstand der Kinder nach Bai-
       Frühgeborenen bis zum 28. Lebenstag um 2,3 cm,                     ley geprüft und in Beziehung zu Schlafprotokollen
       in der Placebo-behandelten Gruppe um 1,8 cm –                      gesetzt. Im Alter von 6 Monaten schliefen nur 62%
       ein signifikanter Unterschied. Aus der bekannten                   der Säuglinge mehr als 6 Stunden an einem Stück.
       Korrelation zwischen Schädelumfang und neurolo-                    Im Alter von 12 Monaten waren es 72%. Statistisch
       gischer Entwicklung frühgeborener Kinder [2,3] er-                 fand sich kein Zusammenhang zwischen Schlafver-
       hoffen sich die Autoren eine bessere neurologische                 halten, psychomotorischer Entwicklung der Kinder
       Entwicklung der probiotisch behandelten Frühge-                    und Gemütszustand der Mütter. Gestillte Säuglinge
       borenen. Keinen Einfluss hatte die Behandlung auf                  wachten allerdings signifikant (p150 ml/kg/                   was häufiger als Mädchen.
       die) und anderen Kriterien sowie aus Hinweisen auf
       gastrointestinale Motilität. Längen- und Gewichts-                 Kommentar: Anders als bei älteren Kindern und Ju-
       entwicklung waren ebenfalls identisch.                             gendlichen [2] scheint Schlafinsuffizienz die physische
                                                                          und mentale Entwicklung von Säuglingen und Klein-
       Kommentar: Das verbesserte Wachstum des                            kindern nicht zu beeinträchtigen. Da auch die Mütter
       Schädels, nicht aber des gesamten Organismus                       dieser Untersuchungsgruppe offenbar nicht sonder-
       lässt in der Tat daran denken, dass ihm eine speziel-              lich gestresst waren, sollte man sich um den Schlaf
       le Ursache zugrunde liegt, nämlich ein in den ersten               von Säugling und Kleinkind keine Sorgen machen.
       Lebenstagen sich besser entwickelndes Gehirn. Ob
                                                                          Referenzen: [1] Pennesri MH, Laganiere C, Bouvette-Turcot
       hierfür das Probiotikum oder ein anderer, in den Stu-              AA et al. (2018) Uninterrupted infant sleep, development, and
       dien nicht berücksichtigter Mechanismus verant-                    maternal mood. Pediatrics 142/6/e20174330. [2] Chaput JP,
       wortlich ist, steht dahin. Beispielsweise scheint al-              Gray CE,Poitras VJ et al. (2016) Systematic review of the re-
       lein die Rückenlagerung sehr kleiner Frühgeborener                 lationships between sleep duration and health indicators in
                                                                          school-aged children and youth, Appl Physiol Nutr Metab 41(6
       die zerebrale Durchblutung zu verbessern [3]. Und                  suppl: 266-282).
       das eigentliche Ziel der Behandlung, eine bessere
       neurokognitive Entwicklung sehr kleiner Frühgebo-
       rener durch Probiotika, wurde in anderen Untersu-
       chungen nicht erreicht [4].
       Referenzen: [1] Wejry D, Marchini G, Frimmel V et al. (2019)
                                                                          R   etrospektive Analyse postvakzinaler Symp-
                                                                              tome betätigt Sicherheit der DTaP Impfung

       Probiotics promoted head growth in extremely low birthweight       In den 25 Jahren zwischen 1991 und 2016 wurden
       infants in a double-blind placebo-controlled trial. Acta Paedi-    der zentralen Meldestelle VAERS der USA 50157
       at 108 62-69. [2] Franz AR. Pohlandt F, Bode H et al. (2009)
                                                                          unerwünschte Nebenwirkungen nach DTaP-Imp-
       Intrauterine, early neonatal and postdischarge growth and
       neurodevelopmental outcome at 5.4 years in extremely pre-          fung gemeldet [1]. Etwa 10% von ihnen wurden
       term infants after intensive neonatal nutritional support. Pedi-   als ernsthaft klassifiziert: Fieber, Erbrechen, Un-
       atrics 123:e101109. [3] Shepherd KL, Yiallourou SR, Odoi A et      ruhezustand, Krampfanfall, Invagination u.a. Der
       al. (2019) Effects of prone sleeping on cerebral oxygenation in
                                                                          Rest, wie erhöhte Temperatur, Rötung, Schwellung,
       preterm infants. J Pediat 204:103-110. [4] Slykerman RF, Kan J,
       van Zyl N et al. (2018) Effect of early probiotic supplementa-     Überwärmung der Infektionsstelle, wurde als leicht
       tion on childhood cognition, behavior and mood; a randomized,      eingestuft. In den digitalisierten Daten wurden mit
       placebo-controlled trial. Acta Paediat 2172-2178.                  einer Data-mining Software nach überzufällig auf-
                                                                          tretenden Mustern gesucht. Es ergab sich kein Hin-
                                                                          weis auf bislang unbekannte Impfkomplikationen.

       S   chlaftraining im Säuglingsalter
           überflüssig
                                                                          Anaphylaktoide Reaktionen waren 163-mal gemel-
                                                                          det worden (0,003%). Die Krankenakten von 725
                                                                          im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung auf-
       Schläft ein 6 oder 12 Monate alter gesunder Säug-                  getretenen Todesfällen wurden einzeln überprüft.
       ling nachts weniger als etwa 6 Stunden ohne Unter-                 Bei 86,5% der Todesfälle wurde eine spezifische
       brechung, wird dies gelegentlich als Zeichen einer                 Todesursache gefunden, zu denen neben Pneu-
       verzögerten Entwicklung gewertet und ein Schlaf-                   monien, Asphyxien, Fehlbildungen auch SIDS, das
       training empfohlen, etwa durch längeres Wach-                      plötzliche Kindstod-Syndrom, gehörte, das bei fast
       halten oder eine späte Mahlzeit. Erhofft werden                    der Hälfte der Todesfälle vorlag.
       Entwicklungsförderung des Kindes und Entlastung
       der gestressten Mutter. Zur Objektivierung dieser                  Kommentar: Die Nachricht ist zunächst gut. Ver-
       emotionalen Belastung willigten über 350 Schwan-                   blüffend ist freilich, dass der ‚plötzliche Kindstod’
       gere in eine Messung ihres Gemütszustands mittels                  in 350 Fällen als spezifische Todesursache genannt

2   April 2019
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wird. Der Tod ist keine Ursache, sondern ein Ereig-               d.h. verschiedene Schweregrade der Akne vulgaris.
nis. Und zwar ein Ereignis, dessen Ursache nicht                  Unter vielen Faktoren sollen fettreiche Nahrungs-
gefunden wurde und einen Zusammenhang mit der                     mittel ihre Ausprägung begünstigen. Im Rahmen
Impfung zunächst nicht ausschließt. Die Autoren                   einer allgemeinen Gesundheitsuntersuchung zu
zitieren jedoch mehrere Untersuchungen, die keine                 Studienbeginn wurde bei mehr als 8000 Jugend-
Häufung von plötzlichem Kindestod nach Impfun-                    lichen die Ausprägung der akneartigen Hautver-
gen fanden [2,3 u.a.].                                            änderungen durch Dermatologen ermittelt, regis-
Referenzen: [1] Moro PL, Perez-Vilar S, Lewis P (2018) Safe-
                                                                  triert und in Beziehung gesetzt zum persönlichen
ty surveillance of diphtheria and tetanus toxoids and acellular   Konsum von karbonisierten Süßgetränken (Cola
pertussis (DTaP) vaccines Pediatrics 142 (1)e20174171. [2]        u.a.), Fruchtsaftgetränken und gesüßtem Tee [1].
Huang WT; Chen RT YC, Glasser JW, Rhodes PH (2017) Vac-           Konsum und mehr als 80 Einflussvariable – ein-
cination and unexplained sudden death risk in Taiwanese in-
fants. Pharmacoepidemiol Drug Saf 26: 17-25; [3] Venneman
                                                                  schließlich Alter, Gewicht, soziale Umstände, Al-
MM, Butterfass-Bahloul T, Jorch G et al. Sudden infant death      koholkonsum, Kosmetika, Duschgewohnheiten –
syndrome: No increased risk after immunization. Vaccine 25:       wurden mittels Fragebogen erfasst. Mittelschwere
336-340.                                                          bis schwere Akne-Formen waren hochsignifikant
                                                                  mit dem Konsum von Fruchtsaftgetränken (Rel. Ri-
                                                                  siko 1,9; p
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       Reaktion mit respiratorischer und gastrointesti-                     bekanntes Trauma auftreten? Diese Frage suchten
       naler Symptomatik. Anamnestische Hinweise auf                        amerikanische Kinderradiologen durch retrospek-
       eine erhöhte Gefährdung waren bei diesen Kindern                     tive Analyse von Thoraxaufnahmen zu beantwor-
       ein Asthma bronchiale und die bis dato komplette                     ten, die aus verschiedensten Gründen, nicht aber
       Vermeidung von Kuhmilch in der Ernährungsanam-                       aufgrund eines vorausgegangenen Traumas, ange-
       nese. Verlässlichste Gefährdungsparameter waren                      fertigt worden waren [1]. In über 9720 Aufnahmen
       jedoch erhöhte Kuhmilch-spezifische IgE-Werte bei                    von 7350 Säuglingen und Kleinkindern fanden sich
       Kindern mit anaphylaktoiden Reaktionen vergli-                       5 Rippenfrakturen bei jeweils einem Säugling. Dies
       chen mit Kindern ohne Reaktion (Median 28,3 UA/                      entspricht einer Häufigkeit von ca. 0,05%. Vier der
       ml bei Anaphylaxie vs. 7,7 UA/ml ohne Anaphyla-                      fünf betroffenen Säuglinge waren ehemalige Früh-
       xie; p15
       Gebilde. Fistel und Teratom wurden komplikations-                    min, Diarrhoe, Epilepsie und anderen Vorerkrankun-
       los entfernt. Sie erinnern, dass sich ein inkompletter               gen waren sorgfältig von der Studie ausgeschlossen.
       Verschluss des Neuralrohrs nicht nur als Myelo-                      Im Verlauf der Fieberepisode erlitten 20 (9,1%) Pro-
       meningocele manifestieren muss.                                      banden mit Paracetamol einen weiteren Krampfan-
                                                                            fall, gegenüber 40 (23,5%) Probanden ohne Parace-
       Kommentar: Bezeichnenderweise erscheint diese                        tamol. Mit anderen Worten verhinderte Paracetamol
       Mitteilung in der Zeitungsrubrik “Recovering the me-                 mehr als die Hälfte nachfolgender Anfälle.
       dical exam“ – zurück zur klinischen Untersuchung.
                                                                            Kommentar: Nach der letzten neuropädiatrischen
       Referenz: [1] Yamageo SP, Ghedira K (2019) Occipital dermal
       sinus: the tip of the iceberg. J Pediat 204:314.                     Leitlinie (AWMF 022/005) ist eine Anfalls-pro-
                                                                            phylaktische Wirkung von Antipyretica nicht nach-
                                                                            gewiesen. Die japanische Studie gibt zumindest ei-
                                                                            nen Hinweis, dass dem doch so ist. Jedenfalls spricht
       S   pontane Rippenfrakturen im
           frühen Kindesalter sehr selten                                   in der Praxis nichts gegen das gute alte Treupelzäpf-
                                                                            chen (aut simile) nach einem Fieberkrampf.
       Eine Rippenfraktur bei einem sonst gesunden Säug-                    Referenz: Murata S, Okasora K, Tanabe T et al.(2018) Aceta-
       ling oder Kleinkind weckt Verdacht auf Misshand-                     minophen and febrile seizure recurrence during the same fever
       lung. Können Rippenfrakturen auch spontan, ohne                      episode. Pediatrics 142:e20081009.

4   April 2019
Literaturservice pädiatrie

B   ei schweren Gastroenteritiden
    an Hypoglykämie denken
                                                                     vorwiegend obstruierende Darmwand-Verdickun-
                                                                     gen, die nicht selten operative Eingriffe erforderten.

Im Verlauf von drei Jahren wurden 659 Kleinkinder                    Kommentar: Die Ursache der Kawasaki Vaskulitis
mit Gastroenteritiden in vier Kinderkrankenhäu-                      ist unbekannt, die Diagnose rein klinisch zu stellen
ser eingewiesen [1]. Die Krankheitsschwere wurde                     aus dem syndromalen Auftreten von 4-5 charakte-
mit Vesikari-Punkten in leicht (1-6 Punkte), mittel-                 ristischen Symptomen, jetzt ergänzt durch obstru-
schwer (7-10 Punkte) und schwer (>10 Punkte) ein-                    ierende Darmveränderungen. Wie im Berichtsfall
geteilt. Die Vesikari-Skala berücksichtigt Dauer der                 können hohes Fieber und Ileus-verdächtige Darm-
Erkrankung, Zahl der Stühle und Erbrechen, Kör-                      veränderungen zunächst allein auftreten.
pertemperatur, Notwendigkeit der stationären Be-                     Referenz: [1] Colomba, C, La Placa S, Saporito L (2018) Intesti-
handlung und Dehydratationsgrad [2]. Von 392 Pa-                     nal involvement in Kawasaki Disease J Pediat 202:186-193.
tienten mit schwerer Erkrankung lagen komplette
Laborergebnisse vor. Wie erwartet hatten fast alle

                                                                     F
ein Basendefizit, 70% erniedrigte Bikarbonatspie-                        ehlender Infliximab-Erfolg bei chronisch-
gel, 56% erhöhte oder niedere Harnstoffspiegel.                          entzündlichen Darmerkrankungen
Eine Hyper- oder Hyponatriämie hatten 19% der
Patienten, Kalium war fast immer normal. Hypogly-                    Nicht alle Patienten mit Mb.Crohn und Colitis ul-
kämisch (
Literaturservice pädiatrie

       che und geistige Leistungsfähigkeit verbessern. In ei-              Mutter und Kind in Art, Häufigkeit, Lokalisation der
       ner prospektiven 3-Jahresstudie hielten sich 116/269                Beschwerde überein, sind entsprechende diagnos-
       (43%) spanische Jugendliche weitgehend an diese                     tische und ggf. therapeutische Maßnahmen selbst-
       Diät, 139 weniger gut, 14 nicht. [1]. Ihr Schlafverhal-             verständlich. Wird das Symptom vom Kind vage oder
       ten wurde mit validierten Fragebögen und Bewe-                      nicht bestätigt, könnte dagegen eine von den Autoren
       gungsmeldern dokumentiert, ihre intellektuellen Fä-                 als ‚komplex’ beschriebene Situation vorliegen, in der
       higkeiten anhand von Zeugnisnoten und mit einem                     das Symptom von Mutter oder Vater angenommen,
       standardisierten Eignungstest (Scholar Aptitudes                    vom Kind selbst jedoch nicht wahrgenommen wird.
       Test) geprüft. Statistisch schnitten Jugendliche, die               Weitere Hinweise auf ein Schein-Symptom sind • feh-
       sich eng an die mediterranen Diätvorschriften hiel-                 lender Bezug auf die tatsächliche Krankheit, • keiner-
       ten, in sprachlichen Fähigkeiten und den schulischen                lei objektive klinische oder Laborbefunde, • Wunsch
       Kernfächern signifikant besser ab als Jugendliche,                  der Eltern nach immer neuen Untersuchungen, • feh-
       die der mediterranen Ernährung weniger zugeneigt                    lendes Ansprechen auf therapeutische Maßnahmen,
       waren. Diese statistische Korrelation verschwand                    • Auftreten neuer unklarer Beschwerden, • fehlende
       jedoch nach Berücksichtigung des Schlafverhal-                      Umsetzung von Behandlungsvorschlägen, • Rund-
       tens. Daraus war zu schließen, dass nicht die Diät,                 um-Konsultation anderer Ärzte, • aus dem Symptom
       sondern der Beziehungsfaktor ‚Schlaf’ zu besseren                   nicht begründbare Einschränkung des kindlichen Ta-
       intellektuellen Leistungen führte.                                  gesablaufs. Die Schein-Symptome können sich bei
                                                                           Sorgeberechtigten zur Überzeugung einer Krankheit
       Kommentar: A priori ist es wahrscheinlicher, dass                   verdichten, die de facto beim Kind nicht vorliegt, d.h.
       ausreichender Schlaf für die zerebrale Leistungsfä-                 zu einer Pseudo-Krankheit. Die englischen Autoren
       higkeit wichtiger ist als irgendein Ernährungsfaktor.               detaillieren das schrittweise Vorgehen in diesen Si-
       Und offensichtlich schläft man mit der mediterranen                 tuationen beginnend mit beruhigenden Hinweisen
       Diät besser als mit anderen Kostformen. Davon ab-                   („ja, das Symptom mag da sein, ist aber harmlos’),
       gesehen ist die mediterrane Diät das Wundermittel                   über den Einbezug anderer Familienmitglieder in den
       schlechthin mit derzeit mehr als 6000 in pubmed ein-                Überzeugungsprozess, bis zur stationären Beobach-
       getragenen Veröffentlichungen zur segensreichen                     tung des Kindes, eingehenden Analysen der häusli-
       Wirkung, z.B. [2]. Erwähnt sei eine spanische pros-                 chen Situation und Familientherapie.
       pektive Untersuchung von mehr als 1500 Schwan-
       geren. Je strikter sie eine mediterrane Diät einhielten,            Kommentar: Wer solch eine Situation in der Praxis
       desto besser verlief die Schwangerschaft mit erwar-                 hat, sollte diese vierseitige Arbeit im Original lesen.
       tungsgemäß weniger Diabetes, doch auch weniger                      Ein gesundes Kind krank zu reden ist eine seelische
       Harnwegsinfektionen, Präeklampsie, Frühgeburt-                      Misshandlung, die im Gegensatz zu körperlichen
       lichkeit oder verzögerter intrauteriner Entwicklung                 sehr viel schwieriger zu objektivieren ist. Mögliche
       des Föten [3].                                                      Ursachen des elterlichen Fehlverhaltens sind in Teil 1
                                                                           des Überblicks ausführlich besprochen [2].
       Referenzen: [1] Adelantado-Renau M, Beltran-Valls MR, Este-
       ban-Cornejo I et al. (2019) The influence of adherence to the       Referenzen: [1] Glaser D, Davis P (2019) For debate: Forty
       Mediterranean diet on academic performance is mediated by           years of fabricated or induced illness (FII): where next for pe-
       sleep quality in adolescents. Acta Paediat. 108:339-346. [2]        diatricians? Paper 2: Management of perplexing presentations
       Ahmad S, Moorthy MV, Demler OV; et al (2018) Assessment             including FII. Arch Dis Child 104:7-11. [2] Davis P, Murtagh U,
       of risk factors and biomarkers associated with risk of cardiovas-   Glaser D (2019) 40 years of fabricated or induced illness (FII):
       cular disease among women consuming a Mediterranean diet.           where next for pediatricians. Paper 1: Epidemiology and Defini-
       J Am Med Aassoc Netw Open 1(2):e186708. [3] Assaf-Balut C,          tion. Arch Dis Child 104:110-114.
       Barcia de la Torre N, Fuentes M, et al. (2018) A high adherence
       to six food targents of the Mediterranean diet in the late first

                                                                           I
       trimester is associated with a reduction in the risk of mater-
       no-foetal outcomes, Nutrients 11. doi: 10.3390/nu11010066.
                                                                               nformationen in einem Satz

                                                                           Eine große neuseeländische Studie ergab keine Häu-

       S   chein-Symptom, Pseudo-Krankheit
           ‚Münchhausen by Proxy’
                                                                           fung von IgA Vasculitiden (Mb Schönlein-Henoch)
                                                                           nach Impfungen. [Pyram M (2018) Pediatrics 142:
                                                                           e20180841].
       In einer Erörterung aus dem Great Ormond Hos-
       pital wird das seit 40 Jahren unter der Bezeichnung                 Folsäure in der Schwangerschaft nicht nur zur
       ‚Münchhausen by Proxy’ bekannte Phänomen be-                        Verhütung von Neuralrohrdefekten, sondern
       sprochen: das Kind mit einem von Mutter oder Va-                    möglicherweise auch zur Prophylaxe geistiger
       ter beschriebenen, beim Kind auch nach gründlicher                  Behinderung infolge von Anomalien des Folsäure-
       Anamnese und Untersuchung nicht verifizierbaren                     stoffwechsels bei der Mutter. Lintas C (2019) Clin
       Symptom – Beispiel Bauchschmerzen [1]. Stimmen                      Genet 95:241.

6   April 2019
Literaturservice Ernährung
Neue Erkenntnisse für Sie gelesen und kommentiert von Dr. J. Hower, Pädiater aus Mülheim an der Ruhr

R  isiko fürs Kind:
   mütterliches Übergewicht
                                                       Fazit: Diese Studie lässt erstmals einen Zusammen-
                                                       hang zwischen Geburtsmodus und der Besiedlung
                                                       mit Firmicutes-Arten, insbesondere mit Lachnos-
Mütterliches Übergewicht, das oft zu einer Kai-        piraceae, bei der generationsübergreifenden Über-
serschnittgeburt führt, ist ein starker Risikofaktor   tragung von Übergewicht und Adipositas erkennen.
für Übergewicht bei Kindern. Über eine mögliche
Verbindung zwischen Geburtsmodus und Säug-             Referenzen: Tun, H.M. et al. Roles of Birth Mode and Infant
lings-Mikrobiota und zwischen mütterlichem             Gut Microbiota in Intergenerational Transmission of Over-
                                                       weight and Obesity from Mother to Offspring. Jama Pediatr
Übergewicht vor der Schwangerschaft und kind-          2018 Apr 1; 172(4): 368-377
lichem Übergewicht ist nur wenig bekannt. Dieser
Frage sind die Studienautoren jetzt nachgegangen.      Kommentar: Aus übergewichtigen Kindern werden
                                                       übergewichtige Erwachsene. Adipositas im Kindes-
Studiendesign: Mit 935 Reifgeborenen (Geburts-
                                                       alter erhöht das spätere Blutdruck-, Schlaganfall-,
kohorte der Canadian Healthy Infant Longitudinal
                                                       Krebs- und Typ-2-Diabetes-Risiko und verkürzt die
Development – CHILD – Studie) wurde eine obser-
                                                       Lebenserwartung.
vationale Studie durchgeführt. Der Body-Mass-In-
dex (BMI) vor der Schwangerschaft wurde aus der        Zu den vielen Faktoren, die das kindliche Überge-
Krankenakte festgehalten. Die Säuglingsdarm-Mi-        wichts- und Adipositas-Risiko beeinflussen, schei-
krobiota wurde mit 16S ribosomaler RNA-Sequen-         nen generationsübergreifende obesogene, here-
zierung in Stuhlproben ermittelt. Im Alter von 1 und   ditäre, mikrobielle mütterliche Faktoren und der
3 Jahren wurden die an Alter und Geschlecht ange-      Geburtsmodus zu gehören, wie die aktuelle Studie
passten BMI-z-Werte nach den Kriterien der Welt-       von Tun et al. zeigt. Lachnospiraceae-Bakterien
gesundheitsorganisation bestimmt.                      (Stamm der Firmicutes) waren bei den Kindern von
Ergebnis: Von den 935 in die Studie aufgenom-          übergewichtigen und adipösen Müttern im Alter
menen Mutter-Kind-Paaren (mittleres mütterli-          von 4 Monaten im kindlichen Stuhl erhöht. Mehre-
ches Alter 32,5 [± 4,5 SD] Jahre) trat Übergewicht     re andere Studien wie die Singapore Study (GUSTI)
bei 40,9 % der Mütter, 7,5 % der Säuglinge mit         und die Boston Birth Cohort Study haben diesen
1 Jahr und 10,4 % der Säuglinge mit 3 Jahren auf.      Zusammenhang bereits vermuten lassen.
Im Vergleich zur vaginalen Geburt einer normalge-
                                                       Die Studie von Tun et al. stützt die Vermutung,
wichtigen Mutter waren Säuglinge, die vaginal von
                                                       dass nicht nur der mütterliche BMI (Body-Mass-In-
übergewichtigen oder adipösen Müttern geboren
                                                       dex) und der Kaiserschnitt, sondern auch die müt-
worden waren, im Alter von 1 Jahr dreimal häufiger
                                                       terliche Mikrobiota als eine von vielen Faktoren
übergewichtig. Durch Kaiserschnitt entbundene
Säuglinge von übergewichtigen Müttern im Alter         einen modulierenden Einfluss auf die Entwicklung
von 1 Jahr wiesen ein fünffach erhöhtes Überge-        der kindlichen Adipositas besitzt.
wichtsrisiko auf, was auch dem Übergewichtsrisiko      Referenzen: 1. James, P.T., Obesity: the worldwide epidemic.
im Alter von 3 Jahren entsprach. Die Modellierung      Clin Dermatol, 2004. 22(4): p. 276-80
mehrerer Mediatoren zeigte, dass der Geburtsmo-        2. Azais-Braesco, V., et al., A review of total & added sugar in-
                                                       takes and dietary sources in Europe. Nutr J, 2017. 16(1): p. 6
dus und die kindliche Darmmikrobiota (Firmicu-         3. Louie, J.C.Y. and A.M. Rangan, Patterns of added sugars
tes-Artenreichtum, insbesondere der Familie der        intake by eating occasion among a nationally representative
Lachnospiraceae) den Zusammenhang zwischen             sample of Australians. Eur J Nutr, 2018. 57(1): p. 137-154
mütterlichem Übergewicht vor der Schwanger-            4. Geserick, M., et al., Acceleration of BMI in Early Childhood
schaft und dem kindlichen Übergewicht im Alter         and Risk of Sustained Obesity. N Engl J Med, 2018. 379(14):
                                                       p. 1303-1312
von 1 bis 3 Jahren vermittelte. Bakteriengattungen     5. Tun, H.M. et al. Roles of Birth Mode and Infant Gut Microbiota in
der Familie der Lachnospiraceae waren bei Säuglin-     Intergenerational Transmission of Overweight and Obesity from
gen übergewichtiger Mütter häufiger anzutreffen.       Mother to Offspring. JAMA Pediatr 2018 Apr 1; 172(4): 368-377

                                                                                                               April 2019     7
Literaturservice ERNÄHRUNG

      K    aries bei Kindern:
           Kann Vitamin D schützen?
                                                                          chronischen Infektionskrankheiten im Kindesalter,
                                                                          ist schwierig zu kontrollieren und kann mit der kind-
                                                                          lichen Dentition beginnen.
       Vitamin D-Mangel ist ein globales Gesundheits-
       problem, von dem weltweit mehr als eine Milliarde                  Mehrere Faktoren spielen in der Karies-Genese
       Kinder und Erwachsene betroffen sind. Die Folgen                   eine Rolle: Mikroorganismen, Ernährung, Mundhy-
       eines Vitamin D-Mangels sollten nicht verkannt                     giene, die medizinische Versorgung und Mangel
       werden. Als Health Claims wurden der Einfluss auf                  an wichtigen Nährstoffen. Vitamin D und Kalzium
       die Knochenmineralisation und die Immunregulati-                   spielen eine entscheidende Rolle bei der Knochen-
       on von der EFSA (European Food Safety Authority)                   mineralisation.
       bestätigt. Mit ihrer aktuellen Studie haben die Au-
                                                                          Vitamin D fördert aber nicht nur die Knochenmi-
       toren den Vitamin D-Serumspiegel von Kindern mit
                                                                          neralisation, sondern beeinflusst auch die Immun-
       einer schweren frühkindlichen Karies mit dem von
                                                                          regulation der Mundschleimhaut, indem es die Bil-
       Kindern ohne Karies verglichen.
                                                                          dung antimikrobieller Peptide wie Cathelicidin und
       Studiendesign: Insgesamt wurden 30 Kinder jeweils                  Defensine induziert. Vitamin D-Serumspiegel von
       aus der Fallgruppe (mit Karies) und der Kontroll-                  16 ng/ml (40 nmol/l) decken den Vitamin D-Be-
       gruppe (ohne Karies) im Alter zwischen 3 und 6 Jah-                darf etwa der Hälfte der Bevölkerung, 20 ng/ml
       ren (Universität Gurugram, Indien) ausgewählt. Der                 (50 nmol/l) etwa von 97,5 % der Bevölkerung ab.
       Karieszustand der Kinder wurde mit Hilfe des Inde-
                                                                          Höhere Vitamin D-Serumspiegel (≥ 20 ng/ml) sind
       xes für kariöse, extrahierte und gefüllte Zähne (deft)
                                                                          mit einer besseren allgemeinen oralen Gesundheit
       erfasst. Jedem Kind wurden Blutproben zur Bestim-
                                                                          und vielleicht auch besseren allgemeinen Gesund-
       mung des Serum-25(OH)D-Status entnommen.
                                                                          heit verbunden, wie Studien vermuten lassen. Der
       Ergebnisse: Die Fallgruppe wies einen mittleren                    optimale Vitamin D-Serumspiegel wird aber immer
       Serum-25(OH)-Vitamin D-Spiegel von 12,19 ng/                       noch kontrovers diskutiert.
       ml ± 4,37 Standardabweichung (SD) (95 % Konfi-                     Referenzen: Chhonkar A, Gupta A, Arya V. Comparison of
       denzintervall [KI] 10,513,8) und die Kontrollgruppe                Vitamin D Level of Children with Severe Early Childhood Ca-
       von 20,11 ng/ml ±4,12 SD (95% [KI] 18,56–21,65)                    ries and Children with No Caries. Int J Clin Pediatr Dent 2018;
                                                                          11(3):199-204
       auf. Der Vergleich der mittleren Konzentrationen
                                                                          Frencken JE et al. Global epidemiology of dental caries and se-
       von Serum-25(OH)-Vitamin D zwischen Fall- und                      vere periodontitis – a comprehensive review. J Clin Periodontol
       Kontrollgruppen zeigte einen statistisch signifikan-               2017 Mar; 44 Suppl 18: S94-S105
       ten Unterschied (p-Wert
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