Digital auf der Fläche - das neue Einkaufserlebnis - eine gemeinsame Studie von Kurt Salmon und dem HDE

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Digital auf der Fläche - das neue Einkaufserlebnis - eine gemeinsame Studie von Kurt Salmon und dem HDE
Digital auf der Fläche –
das neue Einkaufserlebnis
eine gemeinsame Studie
von Kurt Salmon und dem HDE
Digital auf der Fläche – das neue Einkaufserlebnis

A.		       Zusammenfassung

1.		 AUFBAU DER UNTERSUCHUNG                                     4

2.		 ZENTRALE ERGEBNISSE                                         5

B.		 Detaillierte Ergebnisse

3.		 DIE ZUKÜNFTIGE ROLLE DES E-COMMERCE AUS SICHT DES HANDELS   7

4.		 DIE ZUKÜNFTIGE ROLLE DER FLÄCHE AUS SICHT DES HANDELS       10

5.		 KONSEQUENZEN FÜR DEN HANDEL                                 13

6.		 DIGITAL AUF DER FLÄCHE: DIE FILIALE DER ZUKUNFT             17

7.		 FAZIT UND ABSCHLIESSENDE BEWERTUNG                          18

2      |    Digital auf der Fläche – das neue Einkaufserlebnis
VORWORT

Die fortschreitende Digitalisierung verändert das Geschäft des Handels tief-
greifend. Die Geschwindigkeit und Komplexität der Veränderungsprozesse
sind enorm. Die Auswirkungen treffen die Unternehmen, aber auch andere
Lebensbereiche wie Familie, Freizeit, Bildung und Mobilität.

Das Wachstum des E-Commerce hat sich in den vergangenen Jahren unge-
brochen fortgesetzt und seit 2011 sogar noch einmal gegenüber den Vorjahren
auf durchschnittliche 14 % pro Jahr beschleunigt.1 Die Gesamthandelsumsätze
in Deutschland stagnierten jedoch mit gut 1 % jährlichem Wachstum im gleichen
Zeitraum. Welche Folgen hat dies für das stationäre Handelsgeschäft?

Es wird schnell klar, dass das Wachstum des Online-Handels mit einem Struktur-
wandel verbunden ist. Die Fläche gerät unter Druck, denn Umsätze und Frequenz
wandern ins Internet ab, Flächenproduktivitäten sinken, und bereits 27 % der heute
16- bis 25-jährigen können sich vorstellen, dass Online-Shops Geschäfte zukünftig
ersetzen können.2 Gleichzeitig zeigt sich, dass die Flächen nicht ausgedient haben.
Der stationäre Handel bleibt, nur eben anders.

Die mit dem Internet verbundene Transparenz von Angeboten und Preisen hat
Folgen für das Verhältnis zwischen Kunden und Handel. Mobile Kommunikation
beschleunigt diesen Prozess. Der Kunde gibt mehr denn je das Tempo vor.

In einem wettbewerbsintensiven Umfeld gilt es für den stationären Handel, seine
Kernkompetenzen konsequent weiter zu entwickeln. Kaum etwas wirkt stärker
auf die Kundenbindung, als ein kundenspezisches attraktives Sortiment und eine
kompetente Beratung. Dabei können digitale Services auf der Fläche zu wichtigen
Erfolgsfaktoren werden. Und auch im Zusammenspiel mit dem Online-Kanal bieten
sich neue attraktive Chancen für den stationären Handel.

Um diese Potenziale zu nutzen, muss der Handel seine Strategien überdenken
und seine Geschäftsmodelle anpassen.

In der vorliegenden Studie haben Kurt Salmon und der HDE auf Basis von Interviews
mit nationalen und internationalen Top-Handelsmanagern die zukünftige Rolle der
Filiale im Kontext von E-Commerce beleuchtet und wesentliche zentrale Potenziale
aber auch Herausforderungen herausgearbeitet – denn die Filiale ist und bleibt ein
wesentlicher Ort, an dem Kommunikation mit dem Kunden, Erlebnis und Emotion –
oder in anderen Worten „Handel“ – stattfindet.

Dorothea Ern-Stockum                      Stefan Genth
Geschäftsführerin Kurt Salmon             Hauptgeschäftsführer HDE

1 Mintel, 2014		            2 IFH, 2014

                                                                 Digital auf der Fläche – das neue Einkaufserlebnis   |   3
A.		       Zusammenfassung

1.		 AUFBAU DER UNTERSUCHUNG

Ausgehend von der bisherigen Entwicklung der                                        beeinflusst. Es wird nicht die „eine“ erfolgver-
Online-Umsätze stellt sich die Frage: Wird das                                      sprechende Filialstrategie geben, sondern
Wachstum des Online-Kanals immer weitergehen?                                       differenzierte Geschäftsmodelle in den Branchen
Welche Rolle werden Stationärhandel und E-Com-                                      oder für einzelne Segmente wie Handelsmarken.
merce in Zukunft haben? Und was bedeutet das                                        Die Fläche wird insbesondere für das Schaffen
für die strategische und operative Ausrichtung                                      emotionaler Kauferlebnisse, die Kundenbindung
der Händler, egal ob ursprünglich mit Stationär-,                                   und die Unterstützung von Omnichannel-
E-Commerce- oder Versandhandelsherkunft?                                            Prozessen unerlässlich sein.
(s. Abb. 1)
                                                                               » Omnichannel und die Bedeutung des
Vier zentrale Thesen zur Zukunft der Fläche bilden                               E-Commerce müssen als neue Dimension in
den Rahmen der vorliegenden Untersuchung:                                        die Definition des Store-Konzepts vom Stand-
                                                                                 ort über die Größe und Gestaltung bis zum
» Die Verschiebung des Einkaufens in den On-                                     Serviceangebot einbezogen werden. Die Zahl
  line-Bereich ist endlich – der Anteil des E-Com-                               und Komplexität der In-Store-Prozesse und
  merce wird ein Sättigungslevel erreichen. Dieses                               damit auch die Anforderungen an die Mit-
  Sättigungslevel wird zwischen den Handels-                                     arbeiter werden steigen.
  branchen variieren, denn Kaufprozesse sind für
  verschiedene Produkte unterschiedlich gut online                             » Produktivitätsmessungen und die erfolgsorien-
  abbildbar.                                                                     tierte Steuerung des stationären Handels müssen
                                                                                 dieser veränderten Rolle angepasst werden. Neue
» Die Rolle der Filiale in einer Omnichannel-Welt                                Leistungskennziffern und Kennzahlensysteme
  wird durch die Bedeutung des E-Commerce in                                     sind notwendig, um die Produktivität der zukünf-
  der jeweiligen Branche oder Produktkategorie                                   tigen Filiale zu messen und das neue Einkaufs­
                                                                                 erlebnis zu steuern.
Abb. 1: Kanalverschiebung im Handel

                                                                                                                   ?
                                            +1%
                                                                                                       Zukünftige Rolle
                                                                                                     des Stationärhandels?

                                                                      + 14 %

                              + 10 %

                                                                                                        Zukünftige Rolle
                                                                                                        des E-Commerce
                                                                                                       und M-Commerce?
           15       16       18      20      22      24       26     30        33      39

       2005       2006     2007    2008    2009     2010     2011    2012   2013       2014   2015   2016   2017       2018   2019   2020

    Quelle: HDE, GfK, Kurt Salmon                                     Umsatz E-Commerce [Mrd. Euro]                Umsatz Handel gesamt

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Abb. 2: Methodischer Ansatz der Studie von Kurt Salmon und dem HDE

    Methode            » Telefonische Tiefeninterviews
                       » Gekürzter Online-Survey

    Zeitraum           » Juni - August 2014

    Teilnehmer         » Umsatz: 50 Mio. bis 6,5 Mrd. Euro
                       » Unternehmen mit existierendem Online-Geschäft und ohne, ges. 37 Unternehmen
                       » Geschäftsführer, CEO, CIO oder Bereichsleiter Strategie/ Multichannel/ Vertrieb

    Branchen-          » Fashion, Sports & Accessoires                                   55 %
    anteile            » Sonstiger Fachhandel                                            40 %

                       » Online-/ Distanzhandel                                            5%

Der Online-Handel verschärft den Wettbewerb                        In der vorliegenden Gemeinschaftsstudie von
weiter. Zwar profitieren auch zahlreiche stationäre                Kurt Salmon und dem HDE wurde das Top-
Händler im Rahmen ihrer Multichannel-Aktivitä-                     Management3 führender deutscher und internati-
ten von wachsenden Online-Umsätzen, rund zwei                      onaler Händler aus den Branchenbereichen Mono-
Drittel der Geschäfte sind jedoch noch nicht im                    und Multibrand Fashion, Sports & Accessories
Internet aktiv und könnten damit wichtige Chan-                    sowie dem sonstigen Einzelhandel dazu befragt,
cen verpassen. Betrachtet man die Zahlen aus                       was die wesentlichen Entwicklungen sein werden,
dem historischen Verständnis heraus ein Statio-                    die das Handelsumfeld der Zukunft prägen und die
närhändler zu sein, so erscheinen sie als Bedro-                   Erfolgreichen von den Verlierern trennen werden.
hung.
                                                                   Ziel der Befragung war ein qualitatives Meinungs-
Aus der Perspektive eines Online-Händlers könn-                    bild einzufangen, um sich der Frage „Welche Rolle
ten sie möglicherweise als anstrengungsloses                       wird die Filiale in einer Omnichannel-Welt 2020
Versprechen verstanden werden. Der Konsument                       spielen?“ anzunähern. Befragt wurden reine Online-
wünscht sich eine kanalübergreifende Möglichkeit                   und Offline-Händler genauso wie Händler mit einem
zum Einkauf. Die klare Kategorisierung zwischen                    Multichannel-Angebot (s. Abb. 2). Durchschnittlich
Stationär- und Online-Händler verliert in den                      bringen es die befragten Unternehmen bereits auf
Augen der Kunden an Bedeutung. Stattdessen                         10 % E-Commerce-Umsatzanteil (Own & 3rd Party
geht es ihm darum, eine durchgehend überzeu-                       E-Commerce). Dabei liegen die befragten Fashi-
gende Leistung zu erhalten: beim Sortiment,                        on-Händler – untypisch für ihre Branche – etwas
beim Verkaufsgespräch, bei der Online-Produkt-                     zurück mit im Schnitt nur 6 % E-Commerce-Anteil.
suche, in der Kommunikation und beim Einkaufs-                     Grund hierfür ist die spezifische Auswahl der
erlebnis vor Ort.                                                  Unternehmen (s. Abb. 3).

2.		 ZENTRALE ERGEBNISSE

Aus der Befragung der Handelsmanager sowie                            der online realisierten Umsätze auszugehen ist
der Analyse von Sekundärquellen konnten zentrale                      (Internet & Mobile), erwartet der Großteil
Tendenzen für die Zukunft der Fläche und damit                        der Handelsmanager eine Stabilisierung des
des Handels abgeleitet werden:                                        Online-Anteils auf einem langfristigen Sätti-
                                                                      gungsniveau von 20 - 30 %.
» Obwohl vorerst von einem weiteren Anstieg

3 Ebene Geschäftsführung oder Leitung Vertrieb, E-Commerce, Marketing, Unternehmensentwicklung

                                                                           Digital auf der Fläche – das neue Einkaufserlebnis   |   5
Abb. 3: Multichannel-Umsatzsplit der befragten Unternehmen heute

    Durchschnittlich realisieren die befragten Unternehmen noch rund 83 %
    ihrer Umsätze stationär; Fashion, Sports & Accessories liegen gegenüber
    dem Gesamtbranchenschnitt zurück.

            Branchen                      Fashion, Sports                        Sonstiger
            Gesamt 1                       & Accessories                        Fachhandel 2
                1%                               1%                                 1%
                4%                               4%                                 4%

                11 %                             9%                                13 %

               84 %                              86 %                              82 %

             Stationär           Internet & Mobile             Print/ Katalog         Sonstige

    1 Basis: Alle befragten Unternehmen exkl. Online-/ Distanzhandel
    2 LEH, DIY, Elektronik, Möbel, Parfümerie, Uhren/ Schmuck, sonstige

» In diesem „stabilen“ Umfeld gibt es für Online-                         » Um diesen Veränderungen gerecht zu werden,
  und Offline-Handel spezifische Rollen, die die                            müssen Händler die Filiale stärker, aber strate-
  Anforderungen an die Kanäle definieren.                                   gisch sinnvoll, technologisieren bzw. digitalisie-
                                                                            ren, Kennzahlensysteme für Multichannel-
» Die Rolle des Online-Kanals sieht der Handel                              Effekte entwickeln und Mitarbeiterschulungen
  vornehmlich in klassischen E-Commerce-                                    und Bonussysteme auf Multichannel ausrichten.
  Aspekten: Angebot eines maximalen Sortiments
  (Long Tail), Vorbereitung des Stationärkaufs                            » Hinsichtlich der digitalen Gestaltung des zukünf-
  und Convenience dominieren nach wie vor                                   tigen Einkaufserlebnisses auf der Fläche zeichnen
  die Erwartung der befragten Manager.                                      sich aktuell drei Tendenzen ab. Erstens die Über-
                                                                            tragung von Online-Services auf das Einkaufen in
» Die Rolle der Filiale wird in der Inszenierung von                        der Filiale; zweitens die Entwicklung von Lösun-
  Marken und Produkten gesehen sowie im Ange-                               gen zur Steuerung der Kundenlaufwege in der
  bot individueller Beratung und Services; obgleich                         Filiale mit dem Ziel, Kaufkonversion zu optimie-
  das Angebot von Multichannel-Services wichtig                             ren; drittens der zunehmende Einsatz digitaler
  für ein nahtloses Kundenerlebnis sein wird, sehen                         Angebote zur Steigerung der Aufenthaltsqualität
  die Befragten keine Tendenz, dass Filialen zu rei-                        in der Filiale.
  nen Minilagern, Service Points oder Showrooms
  werden. Es gilt das Wertversprechen der Filiale,
  die soziale Begegnung und das reale Erlebnis zu
  betonen.

» In dieser zukünftigen Handelswelt werden Filialen
  kleiner mit engeren, lokal differenzierten Sorti-
  menten; zugleich steigen die Anforderungen an
  die Filialmitarbeiter und das Marketing.

6     |   Digital auf der Fläche – das neue Einkaufserlebnis
B.		 Detaillierte Ergebnisse

3.		 DIE ZUKÜNFTIGE ROLLE DES E-COMMERCE AUS SICHT DES HANDELS

Aus heutiger Sicht erwarten die befragen Händ-                                 bedeutend“ ist dabei aus Sicht der Top-Manager
ler zunächst weiterhin ein starkes bis sehr starkes                            nicht zwingend mit einer 50:50-Umsatzverteilung
Wachstum für Internet inkl. M-Commerce, wäh-                                   gleichzusetzen – bis 2020 sieht kaum ein Befragter
rend vor allem beim Kataloggeschäft von einem                                  einen E-Commerce-Umsatzanteil von über 30 -
weiteren Rückgang ausgegangen wird (s. Abb. 4).                                40 %. Im Durchschnitt tendieren die Erwartungen
Dabei stellen sich die befragten Fashion-, Sports-                             zu rund 20 - 25 % in 2020 (s. Abb. 6). Dabei ist
& Acces­sories-Händler auf eine noch deutlichere                               nach Einschätzung der meisten Befragten davon
Entwicklung in diese Richtung ein als der sonstige                             auszugehen, dass der E-Commerce-Anteil für ein-
Fachhandel. Grund hierfür könnte der relative hohe                             zelne Kategorien, z. B. mit hohem Replenishment
„Nachholbedarf“ in Sachen E-Commerce der befrag-                               und Standardisierungsgrad der Produkte, durch-
ten Fashion-Händler sein. Gegebenenfalls ist es aber                           aus höher ausfallen kann. Ein Ende der Filiale sei
auch der Tatsache geschuldet, dass Fashion als einer                           jedoch nicht in Sicht solange Kunden unterschied-
der am weitest entwickelten E-Commerce-Märkte                                  liche Einkaufssituationen suchen und Filialen diese
einem stärkeren Druck ausgesetzt ist. Im Jahr 2013                             adressieren können.
war Bekleidung mit 7,1 Milliarden Euro die umsatz-
stärkste Warengruppe im Online-Handel.4 Einig sind                                 „Physical stores are not going to disappear.
sich die Händler jedoch hinsichtlich der langfristig                               Customers will always have different motiva-
(bis 2020) zu erwartenden Entwicklung: 64 % aller                                  tions to shop and hence will be looking for
Befragten gehen davon aus, dass das heutige star-                                  different purchase environments. Retailers need
ke E-Commerce-Wachstum abschwächen und dass                                        to understand how to address these shopping
der Internet- und Mobile-Kanal ein Sättigungslevel                                 motivations online & offline.”
erreichen wird (s. Abb. 5).                                                        T. Cole, Ex-Vice Chairman & -CAO, Macy’s

Immerhin noch 42 % der Befragten erwarten
zukünftig ein gleichbedeutendes Nebeneinander
von stationärem und Online-Handel. „Gleich-

Abb. 4: Erwartete Umsatzentwicklung nach Kanälen

   Die Befragten erwarten weiterhin eine Verschiebung von klassischen Kanälen zu Internet/ Mobile –
   im Bereich Fashion, Sports & Acc. in stärkerem Maße als im sonstigen Fachhandel

                                                                           Fashion, Sports
       stark             Branchen Gesamt                                                                            Sonstiger Fachhandel
       wachsend
                                                                            & Accessories
         +2                                                                          1,7
                              1,3     1,4                                    1,4
                                                                                                                           1,1   1,0
         +1

                                                                     0,2                                                                       0,3
                                                    0,1                                             0,0
         0

                      – 0,1

                                                                                                                   – 0,6
         –1                                                                                                                            – 0,8
                                            – 1,0
                                                                                            – 1,2

          –2
       stark                        Stationär             Internet                 Mobile                 Print/ Katalog         Sonstige
       rückläufig

   Basis: Alle befragten Unternehmen exkl. Online-/ Distanzhandel

4 Mintel, 2014

                                                                                           Digital auf der Fläche – das neue Einkaufserlebnis        |   7
Abb. 5: Erwartete Entwicklung des E-Commerce-Anteils bis 2020, % Zustimmung

    64 % der Befragten gehen davon aus, dass der Online-Anteil ein Sättigungsniveau erreichen wird –
    nach Ansicht von 42 % der Befragten „von gleicher Bedeutung“ wie Stationär…

                            64 %                                                                42 %
                                         93 %                                                               21 %

                                   50 %                                                              50 %

              „Der Anteil des Online-Handels                                  „Stationäre Fläche und Online-Handel
          wird ab einem gewissen Sättigungsgrad                                werden zukünftig gleichbedeutend
                   nicht weiter wachsen“                                            nebeneinander existieren“

                                      Branchen Gesamt                Fashion, Sports & Accessories           Sonstiger Fachhandel

    Basis: Alle befragten Unternehmen inkl. Online-/ Distanzhandel, Mehrfachantworten möglich

Abb. 6: Erwarteter Online-Anteil als % des Umsatzes bis 2020

    ... dabei bedeutet „gleichwertig“ vor allem gleichwertig in der Wahrnehmung des Kunden –
    der defacto-Anteil wird mittelfristig in allen Branchen noch auf < 50 % geschätzt.
                              Branchenvergleich                                            Fashion, Sports & Accessories

              21 %                    24 %                       18 %                           26 %                 23 %

            Branchen             Fashion, Sports                Sonstiger                   Monobrand              Multibrand
             Gesamt               & Accessories                Fachhandel

    Basis: Alle befragten Unternehmen exkl. Online-/ Distanzhandel

Deutlich höher liegt die Prognose zum
                                                                            „Man darf nicht über ‚Online‘ und ‚Offline‘
Online-Umsatzanteil der Monobrand Fashion-
                                                                            nachdenken, sondern über den Vertrieb und die
Händler mit durchschnittlich 26 %. Hier scheint
                                                                            Präsentation der Marke auf unterschiedlichen
sich widerzuspiegeln, dass E-Commerce für die
                                                                            ‚Devices‘ – vom Device iPad bis zum Device
Markenhersteller nicht nur einen weiteren Ver-
                                                                            Filiale. Insbesondere für Markenhersteller ist es
triebsweg darstellt, sondern die Chance einen
                                                                            wichtig hier Vorreiter zu sein, um ein ganzheit-
direkten Kanal zum Kunden zu eröffnen, über
                                                                            liches Markenbild aufzubauen und den Kunden
den die Marke ganzheitlich vermittelt und so
                                                                            überall mit einer Stimme zu erreichen.“
Umsatz gebunden werden kann.
                                                                            COO, Globale Modemarke

Hinsichtlich der zukünftigen Rolle des E-Com-
merce sind sich die befragten Stationärhändler                           Auch scheint es, dass aus Sicht der Händler die
einig: das Angebot einer maximalen Auswahl, die                          Zeiten der Online-Schnäppchenjagd der Kunden
informative Vorbereitung des Stationärkaufs und                          vorbei sind, da das Angebot besonders preis-
Convenience hinsichtlich zeitlicher und räumlicher                       werter Produkte nach Erwartung der Top-Mana-
Erreichbarkeit bilden die Top 3 der zukünftigen                          ger zukünftig keine Hauptaufgabe des Internets
Aufgaben (s. Abb. 7).                                                    mehr sein wird. Auffällig ist die Zurückhaltung der

8     |   Digital auf der Fläche – das neue Einkaufserlebnis
Stationärhändler in Bezug auf ‚fortgeschrittenere‘
                                                               „In the future, E-Commerce and brick-and-mort-
E-Commerce-Funktionen; so wird die zunehmen-
                                                               ar will have to work together: E-Commerce is for
de Bedeutung von Nutzer-Communities und die
                                                               commodity purchases that are standards, brick-
Individualisierung von Angeboten zwar anerkannt,
                                                               and-mortar is for experience and individualized
jedoch noch zurückhaltend bewertet. Im Vergleich
                                                               advice.”
zu den befragten Distanz- und Online-Händlern
                                                               N. Crespin, COO, Michael Kors
zeigen sich hier mit die größten Abweichungen.
Schätzen Stationär- und Online-Händler die Bedeu-
tung von Anregungen aus Nutzer-Communities als                Um dieser zukünftigen Rolle gerecht zu werden,
Rolle des Online-Kanals noch weitgehend gleich                muss sich der Online-Kanal auf Funktionen fokus-
ein, sehen Onliner weitaus mehr Potenzial für das             sieren. Händler aus dem Bereich sonstiger Fach-
Thema ‚Angebot individueller Empfehlungen‘. Als               handel und Multibrand Fashion, Sports & Acces-
Grundvoraussetzung hierfür wird auf gut entwickel-            sories verweisen auf technische Aspekte eines
te Algorithmen hingewiesen, für deren Entwick-                exzellenten Online-Angebots wie z. B. reibungslose
lung Online Pure Player mit einer entsprechenden              Zahlungsabwicklung, Transparenz der Bestellab-
technisch orientierten Firmenkultur a priori besser           wicklung, verlässliche, schnelle Logistikprozesse
aufgestellt sind als traditionelle Stationärhändler.          oder User-freundlich aufgebaute Websites.
Selbst Top-Stationärhändler scheinen den E-Com-
merce-Aspekt des Multichannel-Modells noch nicht              Insbesondere für Multibrand-Händler ist auch der
ganzheitlich in ihre Vision integriert zu haben.              Aspekt der thematischen Angebotsgliederung
                                                              aus unterschiedlichsten Blickwinkeln wichtig, um
 „Bequemlichkeit und Komfort sind sicherlich                  unterschiedlichen Kunden- und Kaufmotivationen
 zwei der großen Vorteile des Online-Kanals.                  gerecht zu werden.
 Ebenso bietet die Online-Umgebung gute
 Möglichkeiten, die Kunden über personalisierte                „Insbesondere für [Multibrand-]Premiumhänd-
 Angebote und individualisierte Empfehlungen                   ler ist es wichtig, online viele unterschiedliche
 anzusprechen – vorausgesetzt die Algorithmen                  Einstiege in Themen zu geben, damit der Kunde
 stimmen und die Empfehlungen sind relevant                    zu Käufen inspiriert wird.”
 für den Kunden.”                                              J. Diekmann, Head of Cross-Channel & Business
 Dr. S. Zoll, Vice President, eBay Germany                     Development, Parfümerie Douglas

Abb. 7: Erwartete zukünftige Rolle des E-Commerce, Grad der Zustimmung

  Für die Befragten ist die Präsentation maximaler Sortimente die Aufgabe des Online-Kanals; individu-
  alisierte oder nutzergetriebene Angebote sind nachrangig.

   Angebot max. Auswahl (Endless-Aisles)
                                                               Online-Händler sehen
   Umgehung von Öffnungszeiten & Erreichbarkeit               den stationären Handel
                                                                 in der Rolle des
   Vorbereitung des Stationäreinkaufs                           Kauf-Vorbereiters.

   Angebot von Nischenprodukten (Long Tail)

   Abwicklung wiederkehrender Alltagseinkäufe

   Angebot besonders preiswerter Produkte

   Einkaufsanregungen von Nutzer-Communities
                                                                                  Online-Händler sehen
   Angebot sperriger Produkte
                                                                                   hier das Internet in
                                                                                   der Vorreiter-Rolle.
   Angebot individuell optimierter Empfehlungen

  0 = Stimme gar nicht zu; 10 = Stimme voll und ganz zu   0     6            7             8              9              10

  Basis: Alle befragten Unternehmen                                                            Durchschnittliche Einschätzung

                                                                    Digital auf der Fläche – das neue Einkaufserlebnis        |   9
Im Zuge der Entwicklung von Multichannel-
     „Im Handel geht es um maximale Convenien-
                                                                Modellen und -Strategien stehen insbesondere klei-
     ce und Effizienz für den Kunden, egal ob im
                                                                ne und mittelständische Unternehmen vor großen
     Online- oder Offline-Handel. Dafür müssen die
                                                                Herausforderungen. Ein weniger dichtes Filialnetz
     Prozesse für eine unmittelbare Produktverfüg-
                                                                zum Beispiel limitiert die Möglichkeiten eines ganz-
     barkeit, schnelle Auftragsabwicklung, zuverläs-
                                                                heitlichen Angebots von Multichannel-Services.
     sige Zahlung und Transparenz über den Bestell-
                                                                In der Konsequenz müssen diese Händler bei der
     status in beiden Welten ausgebaut werden. Mit
                                                                Erarbeitung von eigenen Online- und Multi­channel-
     der Zeit wird man dann kaum noch Unterschie-
                                                                Modellen wesentlich kreativer sein.
     de zwischen den Kanälen feststellen können.“
     R. Sperrle, CIO, Tengelmann Gruppe
                                                                Es muss ein eigener Ansatz für das Online-Geschäft
                                                                gefunden werden, der es möglich macht, sich von
Monobrand Fashion-Händler sehen die funktiona-                  großen Händlern zu differenzieren, die Multichan-
len Herausforderungen vor allem in der Realisie-                nel-Bedürfnisse des eigenen eventuell lokalen
rung eines nahtlosen Kunden- und Einkaufserleb-                 Kunden zu adressieren und Größennach­teile, z. B.
nisses auf Basis vollständig integrierter Kanäle.               im Investmentvolumen intelligent auszugleichen. In
Diese Vision bestimmt dann die funktionalen                     diesem Kontext können auch Drittplattformen eine
Anforderungen an den Online-Auftritt, von kanal-                wichtige Rolle spielen. Sie bieten kleinen und mittel-
übergreifend abgestimmten Sortimenten und Loyal-                ständischen Unternehmen einen Online-Vertriebs-
ty-Programmen bis hin zur Cross-Channel-Logistik.               kanal, ohne dass auf Seiten der Händler die notwen-
                                                                dige Infrastruktur aufgebaut werden muss.
     „Hauptthema ist die vollständige Integration der
     Kanäle – wo auch immer der Kunde ist, er muss
     das Gefühl eines ‚single views‘ haben. Dies treibt
     die Online- und Offline-Funktionalitäten.”
     COO, Globale Modemarke

4.		 DIE ZUKÜNFTIGE ROLLE DER FLÄCHE AUS SICHT DES HANDELS

Marken- und Produktinszenierung, Eventisierung,                 Kontakte in einer digitalisierten Welt zu bieten, z. B.
Service und Beratung – damit lässt sich zusam-                  durch Events oder ‚Aufenthaltsservices‘, in die der
menfassen, worin die befragten Händler zukünftig                Kauf eingebettet ist (s. Abb. 8). Dabei ist wichtig,
die Aufgabe der Fläche sehen, unabhängig davon,                 dass sich Technologien auf der Fläche nahtlos in
ob der Befragte aus dem Bereich Stationär- oder                 den menschlichen Kontakt einfügen, da ansons-
Distanz-/ Online-Handel kommt und auch nahezu                   ten die soziale Komponente des Einkauferlebnis-
unabhängig davon, welcher Handelsbranche er                     ses verloren geht. Insofern gelte es, Strategien zu
angehört.                                                       entwickeln, die erlebnisorientierte Elemente in den
                                                                Vordergrund stellen und Einkaufen zur Freizeitbe-
Eine Rückbesinnung auf ‚klassische Handelstugen-                schäftigung erheben sowie eine Profilierung gegen-
den‘ als einzige Antwort auf den E-Commerce?                    über dem stark informations- und transaktionsge-
Teilweise und doch nicht nur. Alle Befragten stellen            triebenen Online-Handel ermöglichen.
heraus, dass es sicherlich darum geht, klassische
Handelswerte weiterzuführen, jedoch radikaler und                 „Shopping, esp. for apparel, has a social and
durchdachter als zuvor, denn ein Revival der tradi-               fun factor. People do not only go shopping to
tionellen Filiale sehen mehr als 80 % der Befragten               acquire necessities. They go shopping to spend
nicht. Um Marken erlebbar zu machen und zum                       time with friends and family and to meet
Stöbern sowie zu Spontankäufen zu inspirieren,                    people. THIS is an element that no eShop
müssen Filialen aus Sicht der befragten Manager                   will ever provide.”
dem Kunden ‚Aufenthaltsqualität‘ bieten und ihre                  T. Cole, Ex-Vice Chairman & -CAO, Macy’s
Chance nutzen, reale Erfahrungen und menschliche

10     |   Digital auf der Fläche – das neue Einkaufserlebnis
Abb. 8: Erwartete zukünftige Rollen der Filiale, Grad der Zustimmung

  Marke und Händler erlebbar zu machen, zum Kauf zu inspirieren und kuratierte Sortimente zu präsen-
  tieren seien zukünftig die Hauptaufgaben der Filiale.

   Marken erlebbar machen

   Zu Spontankäufen inspirieren

   Das Stöbern in kuratierten Sortimenten ermöglichen

   Verkauf beratungsintensiver Produkte

   Ort für Aktivitäten rund um den Händler/ die Marke sein

   Abholstation für Online-Bestellungen

   Präsentation lokaler Sortimente

   Service-Station

   Minilager

   Showroom ohne Verkauf

  0 = Stimme gar nicht zu; 10 = Stimme voll und ganz zu   0     4         5        6        7        8        9          10

  Basis: Alle befragten Unternehmen                                                          Durchschnittliche Einschätzung

 „Eventisierung wird heute zum großen Teil noch               „Filialen müssen in jeder Hinsicht aus dem heute
 vernachlässigt. Dabei sollte nicht unterschätzt              oft vorherrschenden reaktiven Modus heraus
 werden, wie wichtig Events für die Bindung                   und hin zum aktiven Beratungsmodus hinsicht-
 von Stammkunden sind – gerade im Premium-                    lich der Filial- als auch der Online-Services.
 bereich, bei dem es auch darum geht, dem                     Multichannel-Services müssen klar kommuni-
 Kunden seine Zugehörigkeit zu einem                          ziert und ihr Mehrwert dargestellt werden.”
 exklusiven Kreis zu zeigen.”                                 J. Diekmann, Head of Cross-Channel & Business
 Dr. S. Potyka, Geschäftsführer, Van Laack                    Development, Parfümerie Douglas

Beratung und Service stellen die zweite große Ach-
                                                              „Die Daten- und Kundenanalyse ist im Internet
se dar. Noch bessere Beratung sei gefragt in einer
                                                              natürlich wesentlich weiter entwickelt. Nicht zu
Zeit, in der Kunden teilweise besser informiert sind
                                                              unterschätzen ist aber die Bindung und Bezie-
als Filialmitarbeiter. Außerdem sei es wichtig auf
                                                              hung zwischen Stammkunden und Mitarbeitern.
die individuellen Wünsche des Kunden einzugehen,
                                                              Der stationäre Handel muss Wege finden, das
z. B. indem das Verkaufspersonal durch die entspre-
                                                              Wissen seiner Mitarbeiter besser zu nutzen –
chende technische Ausstattung Zugang zur Kauf-
                                                              sozusagen ein Data Mining der Mitarbeiter.”
historie eines Kunden bekommt.
                                                              M. Ramelow, Geschäftsführer, Modehaus
                                                              Gustav Ramelow
Obwohl Stationärhändler die Bedeutung indivi-
dualisierter Angebote im Internet noch zurück-
haltend bewerten, ist der Kunde schon längst
                                                              „Ein gutes Sortiment, exzellente Beratung,
gewöhnt, dass ein Online-Händler seine Präferen-
                                                              kanalübergreifendes Wissen des Verkaufsper-
zen kennt. Das führt dazu, dass er einen gleichen
                                                              sonals und Anpassung an Sonderwünsche des
Service auch im stationären Handel erwartet.
                                                              (Online-)Kunden werden Erfolgsfaktoren in der
Beratung und Services hätten sich dabei nicht
                                                              Filiale sein.”
auf Filialservices und Produkte zu begrenzen,
                                                              Director E-Commerce, Globale Modemarke
sondern müssten auch Multichannel (Service-)
Beratung aktiv mit einbeziehen.

                                                                    Digital auf der Fläche – das neue Einkaufserlebnis        |   11
Die Filiale vor allem zum Minilager, zur Service-               aussichtsreich solange der Kunde erwartet, seine
station oder zum reinen Showroom zu machen,                     Einkäufe schnell, effizient und unkompliziert zu
erscheint den befragten Managern keine Option                   erledigen. Die Emotionalisierung des Einkaufs ist
– letztlich mache das die Fläche an sich obsolet.               hier also nicht nur eine größere Herausforderung,
Insbesondere das Thema Showrooming wird dabei                   es stellt sich grundlegend die Frage, in wie weit sie
kritisch gesehen - zu wichtig sei der Wunsch des                sich als Hauptstrategie eignet, um E-Commerce zu
Kunden die Ware direkt mitzunehmen, vor allem in                begegnen.
Kategorien, in denen der Kunde bereits während
des Kaufs eine emotionale Beziehung zum Pro-                    Ausnahmen gibt es natürlich, z. B. den Lebensmit-
dukt herstellt. Trotzdem sehen einige der Befrag-               telhandel mit Premiumsortimenten. Die Emotio-
ten, dass Vielfalt zukünftig ein Thema des Inter-               nalisierung der Fläche kann auch hier die Position
nets wird. Die Filiale wird ein kundenorien­tiertes             der Filiale gegenüber dem Online-Kanal stärken,
Sortiment bieten; wenn es um große Auswahl                      vor allem aber auch gegenüber dem stationären
geht, begibt der Kunde sich aber ins Netz, was                  Wettbewerb.
natürlich auch die virtuelle Regalverlängerung
in der Filiale bedeuten kann, die es dem Kunden                 Vergleicht man hinsichtlich dieser zukünftigen
ermöglicht, zusätzliche Produkte plastisch anzu-                Rollen der Filiale den aktuellen und angestrebten
schauen und gegebenenfalls sogar virtuell anzu-                 Zustand der angebotenen Multichannel-Services,
probieren.                                                      fällt auf, dass die Manager vor allem Services mit
                                                                RoPo-Effekt (Research Online, Purchase Offline,
     „Kunden wollen in der Filiale reale Produkte               beziehungsweise umgekehrt) ins Visier nehmen
     erleben. Im Fashion-Bereich baut der Kunde                 (s. Abb. 9). So stehen In-Store Retoure & Pick-up
     bereits während des Kaufs eine emotionale                  sowie der online Verfügbarkeits-Check von Filialbe-
     Beziehung zum Produkt auf, er identifiziert                ständen ganz oben auf der Liste – sowohl bei bereits
     sich damit und möchte es dann stolz nach                   installierten als auch zukünftig geplanten Services.
     Hause tragen. Da passt reines Showrooming
     nur schwer ins Konzept.”                                   Gleichzeitig geben die Befragten an, dass eben diese
     J. Huber, Geschäftsführer, Garhammer                       Services nicht die Kernbedürfnisse der Konsumenten
                                                                befriedigen. Ein Kunde der online bestellt, tut dies
                                                                unter anderem aufgrund der Convenience. Dazu
Es bleibt die Frage, welche Optionen sich für                   passt aber nicht, das Produkt in der Filiale abzuholen
Händler stärker transaktionell ausgerichteter                   oder zurückzubringen, wenn es auch einfach zuge-
Branchen ergeben wie z. B. dem DIY-Handel. Hier                 schickt und abgeholt werden kann. Hier muss ein
ist der Druck aus dem Online-Handel heute noch                  Händler klar für sich identifizieren, welche Services
wesentlich geringer als beispielsweise im Bereich               sein Kunde nachfragt und welche strategisch ange-
Fashion. Grund hierfür ist eine deutlich komplexe-              boten werden müssen, um die Filiale zu stärken.
re und dadurch kostenintensive Logistik. Es muss
allerdings klar sein, dass es sich hierbei lediglich            Beim Thema Digitalisierung der Fläche dominieren
um eine Verzögerung, nicht um einen dauerhaf-                   Mobile Payment, QR-Code-Information und perso-
ten Zustand handelt. Betroffene Branchen müssen                 nalisierte Angebote aktuell die Agenda der Mana-
die Chance nutzen, ihren stationären Handel zu                  ger. Auffällig ist, dass dem Bereich Cross-Chan-
stärken und gleichzeitig sinnvolle Verknüpfungen                nel-Kommunikation und -Marketing (Kampagnen,
zum Online-Handel aufzubauen, ohne dabei in eine                Loyalty-Programme), die heute noch weit weniger
reaktive Position wie teilweise der Bekleidungsein-             verbreitet als z. B. In-store Retouren, keine Ent-
zelhandel zu geraten.                                           wicklungspriorität gegeben wird. Die Frage ist zu
                                                                stellen, wie die Händler das Ziel des nahtlosen Kun-
Deutlich dabei ist allerdings auch, dass die zukünf-            denerlebnisses realisieren wollen, wenn das Thema
tige Rolle der Filiale in transaktionelleren Branchen           kanalübergreifende Kommunikation und Promotion
nicht die Gleiche wie im Bereich Fashion sein kann.             hinten angestellt wird.
Mehr Aufenthaltsqualität für eine längere Ver-
weildauer oder gar den Einkauf zur gemeinsamen
Freizeitbeschäftigung zu erheben, scheint wenig

12     |   Digital auf der Fläche – das neue Einkaufserlebnis
Abb. 9: Aktuell angebotene versus zukünftig geplante Multichannel-Services, % der befragten Unternehmen

      Filial-Services            In-Store Pick-up                                          53 %                                94 %

                                 In-Store Retoure                                              58 %                           92 %

                        Personalisierte Angebote                                    47 %                           83 %

                                 Mobile Payment       14 %                                                  75 %

                    Virtuelle Displays und Tools                      31 %                        64 %

                         QR-Code-Informationen                               39 %                 64 %

                                    Online-Kiosks                            39 %              58 %

                             Kundenrezensionen               22 %                          53 %

      Online-Services       Verfügbarkeitscheck                       31 %                                             86 %

                   Reservierung von Produkten                22 %                                               78 %

                    Reservierung von Beratung           17 %                            50 %

               Beratung durch Filialmitarbeiter       14 %                      42 %

           Filiallieferung von Online-Produkten                     28 % 36 %

      Cross-Channel           Loyalty-Programm                 25 %                 47 %

                                         Gutscheine                   31 %       44 %

                                         Kampagnen                  28 %     39 %

                        Cross-Channel Warenkorb       3%       25 %

     Basis: Alle befragten Unternehmen                                                                Aktuell                  Zukünftig

5.      KONSEQUENZEN FÜR DEN HANDEL

Welche Auswirkungen auf den Handel und dessen                          Option ‚online Long Tail‘ Sortimentierung als
zentrale Angebotselemente ergeben sich aus den                         Komplexitätsreduktion für den Kunden ein
zukünftigen Rollen von Online-Handel und Filiale in                    zentraler Service der Filiale sein kann und muss.
einer Omnichannel-Welt? Was bedeuten die Verän-
derungen für Sortimente, Mitarbeiter und Marketing                  2. Die Anforderungen an die Beratungskompetenz
sowie letztendlich für die Filiale und den Standort?                   aber auch an die Cross-Channel-Kompetenz
(s. Abb. 10)                                                           der Mitarbeiter werden steigen. Beratungs-
                                                                       kompetenz ist dabei zum einen gefragt, um den
1. Sortimente werden enger und spezifischer                            Beratungsvorsprung der Filiale gegenüber dem
   auf lokale Kundenwünsche zugeschnitten.                             Online-Kanal zu sichern. Zum andere stellen die
   Doch auch hier muss differenziert werden –                          Befragten aber heraus, dass es auch um eine
   z. B. sehen die befragten (internationalen)                         erhöhte Kompetenz hinsichtlich der Online-/
   Monobrand-Händler strategiebedingt weniger                          Offline-Kundenführung geht.
   Spielraum für lokal differenzierte Sortimente,
   Multibrand-Händler aber sehen deutlich eine                      3. Marketing in der Filiale muss individualisiert,
   Chance, zusätzliche Umsatzpotenziale durch                          digitalisiert, lokalisiert und stärker über alle
   regional angepasste Sortimente zu heben. Einig                      Kanäle integriert werden. Interessanterweise
   sind sich die Händler jedoch, dass durch die                        bestätigten dabei die Befragten die große

                                                                             Digital auf der Fläche – das neue Einkaufserlebnis       |    13
Abb. 10: Erwartete Entwicklung zentraler Handelshebel

     Filialen werden …

      ... vielfältiger                                                                                                                    7,7

      ... kleinflächiger                                                                                                           7,2

      ... großflächiger                                                                                                       4,0

     Sortimente werden …

      ... spezifischer für lokale Kunden                                                                            6,7

      ... enger                                                                                                   6,3

      ... virtueller                                                                                        5,9

      ... breiter                                                                     3,5

     Mitarbeiter werden …

      … hohe Verkaufs-/ Beratungskompetenz benötigen                                                                                     8,3

      ... individueller auf die Kunden eingehen                                                                                   7,9

      ... auch für den Online-Kanal aktiv werden                                                                              7,5

      ... eine wichtige Rolle in Communities haben                                                                6,4

      ... eher Service-Provider als Verkäufer sein                                              4,8

     Das Marketing wird …

      ... individueller                                                                                                                  8,3

      ... integrierter                                                                                                                  8,1

      ... digitaler                                                                                                               7,8

      ... lokaler                                                                                                       7,0

     0 = Stimme gar nicht zu; 10 = Stimme voll und ganz zu      0   1       2    3    4     5           6          7          8           9     10

     Basis: Alle befragten Unternehmen                                                                Durchschnittliche Einschätzung

     Bedeutung dieses Themas, während zuvor die                           nenstadtlagen erschließen und auch die Filialnet-
     Ausweitung von Cross-Channel-Kommunika-                              ze auszuweiten kann wieder Sinn machen, wenn
     tionsservices weit unten auf der Agenda der                          kein Zwang zum Vollsortiment besteht.
     Händler rangierte. Und es waren nicht nur die
     vertikalen Markenhändler, die die Notwendigkeit                    5. Das Filial-Management verändert sich in drei
     von Cross-Channel harmonisierter Aktivitäten zur                      zentralen Dimensionen:
     Markenbildung hervorhoben.
                                                                          Dimension 1: Die Abbildung von Omnichan-
                                                                          nel-Effekten in der Erfolgsmessung
4. Filialformate innerhalb eines Netzwerks werden
   vielfältiger – und vor allem kleiner. Die Idee „On-                    Mit der Erwartung, dass Filialen kleiner und in ein
   line = Long Tail“ dominiert deutlich die Erwar-                        Gesamtnetz von Multichannel-Kauf- und Service-
   tungen. Durch Multichannel-Konzepte würden                             prozessen eingebettet werden, steigt – hier sind
   Filialsortimente flexibler. In der Folge können                        sich die Befragen einig – die Notwendigkeit, Multi-
   sich Händler neue Formate und damit Präsenz                            channel-Effekte in der Produktivitätsmessung
   erschließen. ‚Großformat‘-Branchen wie DIY,                            abzubilden. Hier geht es nicht nur um Online-/
   Möbel oder auch Sport können sich Premium-In-                          Offline-Effekte sondern auch um Offline-/ Off-

14     |   Digital auf der Fläche – das neue Einkaufserlebnis
line-Effekte. Ein befragter US-Manager verdeutlich       Dimension 3: Das Multichannel-Bestands­
  dies am Beispiel einer kleinen Filiale mit B-Lage:       management und die Schlüsselrolle der
  „Früher bediente diese Filiale ihr Einzugsgebiet.        Supply Chain
  Heute sind ihre eigenen Umsätze zurückgegan-
                                                           Multichannel-Services wie Click-and-Collect oder
  gen, denn Kunden kaufen ‚Standards‘ im Internet
                                                           In-store-Retouren werden nicht nur die Komple-
  und ‚Besonderes‘ in der Innenstadt. Die Filiale
                                                           xität der Prozesse in der Filiale, sondern auch die
  nimmt aber häufig Retouren sowohl aus dem
                                                           des filialnetzwerkweiten Bestandsmanagements
  Internet als auch aus Innenstadtfilialen an, das ge-
                                                           treiben. Dies umfasst die Planung von Nachver-
  samte Prozessvolumen kann also sogar gestiegen
                                                           sorgungszyklen und Parametern für Zentral-
  sein – die Produktivität dieser Filiale nur anhand
                                                           lager, regionale Lager sowie Filialen, um trotz
  von Umsatz pro m2 zu bewerten wäre fatal.“
                                                           komplexerer Bedarfsstrukturen der Bestellwege
                                                           sowie vielfältiger Fulfillment-Optionen hohe
    „Der Erfolg des Verkäufers muss messbar
                                                           Verfügbarkeit, Service-Levels und Bestandsef-
    bleiben – auch wenn der Kunde nach der
                                                           fizienz sicherzustellen. Dies erfordert eine volle
    Beratung Richtung E-Commerce gescho-
                                                           Transparenz über Bestände, Verfügbarkeiten
    ben wird. Mitarbeiter- und Filialproduk-
                                                           und Service-Levels – zu jedem Zeitpunkt und an
    tivitätsbewertung muss entsprechend
                                                           jedem Kundenkontaktpunkt. Gleichzeitig müssen
    verändert werden.”
                                                           Netzwerkstrukturen und Distributionszentren
    COO, Globale Modemarke
                                                           so angepasst werden, dass wettbewerbsfähige
                                                           Lieferzeiten und Verlässlichkeit minimalen Kosten
  Dimension 2: Die Schulung und Incentivierung             gegenüberstehen.
  der Mitarbeiter für Cross-Channel-Prozesse

  Wo es um den Aufbau eines nahtlosen Kundener-          Wenn es gelingt, diese zentralen Auswirkungen der
  lebnisses geht, müssen auch die Filialmitarbeiter      Multichannel-Entwicklung auf Sortimente, Mitarbei-
  geschult sein, um die angebotenen Multichannel-        ter, Marketing und das Filialmanagement in einem
  Services zu unterstützen und aktiv anzubieten.         auf die eigene Positionierung bezogenen Konzept
  Zudem sehen die meisten Befragten ein Risiko           zu adressieren, wird dem stationären Händler aus
  darin, dass Mitarbeiter in der Filiale und in der      dem fortgesetzten Wachstum des E-Commerce kei-
  Zentrale weiter in Silos denken und agieren. Hier      ne existenzielle Bedrohung erwachsen, so der Tenor
  deutlich zu machen, dass es nicht um Filiale vs.       unserer Befragung. Die Chance für den stationären
  Online Store sondern um ‚kauf bei mir vs. beim         Handel liege in seiner Grundeigenschaft ‚physisch‘
  Wettbewerb‘ gehe, stellt für viele der Befragten       zu sein und durch seine Mitarbeiter ein mensch-
  auch heute noch die zentrale Herausforderung dar.      liches Gesicht zu haben. Neue Technik kann hier
  Entsprechend ausgerichtete Anreizsysteme wären         helfen, das was mit dem Schritt aus dem familien-
  notwendig, um eine Umorientierung der Mitarbei-        geführten, einzelnen Fachgeschäft verloren ging,
  ter zu bewirken, genauso wie ein von der obersten      wiederzubeleben: die individuelle Betreuung eines
  Führungsebene vorgelebter kultureller Wandel.          Kunden mit Kauf- und Kontakthistorie – nicht eines
                                                         anonymen Transaktionsteilnehmers. Richtig ver-
		„Den Multichannel-Servicegedanken bei                  standenes und umgesetztes CRM wird hierbei von
   den Filialmitarbeitern zu verankern ist               entscheidender Bedeutung sein.
   auch eine Frage des Anreizes. Idealerwei-
   se sollte der Multichannel-Verkaufserfolg               „Die zukünftige Rolle des stationären
   des Einzelnen in seiner Vergütung abge-                 Handels wird die eines Treffpunktes und
   bildet sein.                                            Marktplatzes sein.”
		 L. Mandac, Vorsitzender des Aufsichts-                  M. Rauschen, Geschäftsführer, Lengermann
		 rates, Galeria Kaufhof                                  & Trieschmann

                                                               Digital auf der Fläche – das neue Einkaufserlebnis   |   15
Räumliche Auswirkungen des Online-Handels im urbanen Kontext

     Der durch den wachsenden E-Commerce getrie-                                Die Handelsunternehmen dürfen in Zeiten des
     bene Strukturwandel erzeugt einen hohen Hand-                              Umbruchs nicht zusätzlich belastet werden.
     lungsdruck für den Handel, der sich unmittelbar                            Vielmehr sind jetzt finanzielle und bürokratische
     auch auf die Standorte, insbesondere die Innen-                            Entlastungen sowie ein gesetzlicher Rahmen
     städte, auswirkt. Vielerorts sind sinkende Kunden-                         gefordert, der einen fairen Wettbewerb zwischen
     frequenzen zu beobachten, die das Geschäftsmo-                             den Vertriebskanälen des Handels ermöglicht.
     dell „Stadt und Handel“ in Frage stellen. Über
     60 % der Händler berichten laut HDE-Umfrage                                Um gemeinsam richtige Entscheidungen treffen
     von zurückgehenden Besucherzahlen in den                                   zu können, sind die entsprechenden Voraus-
     vergangenen zwei Jahren. Frequenzverluste                                  setzungen zu schaffen. Dazu dient eine Studie
     treffen vor allem den Fachhandel und die zen-                              in Kooperation mit dem Bundesministerium
     tralen Innenstadtlagen aller Stadtgrößen.                                  für Umwelt, Natur, Bau und Reaktorsicherheit
                                                                                (BMUB) sowie in enger Abstimmung mit den
     Städte und Gemeinden sind daher gefordert,                                 kommunalen Spitzenverbänden, die sich mit
     die Attraktivität der Standorte zu erhalten und                            den möglichen räumlichen Auswirkungen von
     zu erhöhen (s. Abb. 11). Funktionsvielfalt, hohe                           „Online-Shopping“ auf Innenstädte, Stadtteil- und
     Aufenthaltsqualität und gute Erreichbarkeit sind                           Ortszentren beschäftigt. Ziel ist es, insbesondere
     zentrale Ziele der Standortpolitik.                                        die städtebaulichen, räumlichen und strukturellen
                                                                                Auswirkungen zu untersuchen. Im Ergebnis sol-
     So ist der Handel auf einen leistungsfähigen                               len Handlungsempfehlungen abgeleitet werden,
     öffentlichen Nahverkehr angewiesen, auf eine                               wie und mit welchen Instrumenten die Entwick-
     moderne Infrastruktur und auf ein attraktives                              lung in den Innenstädten und Ortszentren vor
     Umfeld. Das kulturelle Angebot, Grünflächen und                            dem Hintergrund der Veränderungen durch
     die historische Bausubstanz können dazu beitra-                            Online-Shopping positiv gesteuert und gestaltet
     gen, das Einkaufen in der Stadt zum Erlebnis zu                            werden kann. Die Ergebnisse der Studie werden
     machen.                                                                    Ende 2015 vorliegen.

     Abb. 11: Mehr Attraktivität am Handelsstandort

     Über die Hälfte der Befragten Händler fordern eine Verbesserung der Erreichbarkeit der Handels-
     standorte und dies vor allem für den motorisierten Individualverkehr.

                                Was sollten Städte und Gemeinden tun, um die Attraktivität
          Frage
                                der Handelsstandorte zu erhalten und zu erhöhen?

       Verbesserung                                                              im motorisierten
       der Erreichbarkeit                                                57,8    Individualverkehr                              81,7

       Investitionen in                                                          im öffentlichen
       öffentlichen Raum                                          48,8           Personennahverkehr                 49,4

       verträgliche
       Ansiedlungspolitik                                    42,7                im Fahrradverkehr           23,9

       deutlich höhere
       Kundenfrequenzen                               34,6                       für Fußgänger              20,6

       Sonstiges                              21,8                               Sonstiges            5,0

                                48,8 % der Befragten erachten Investitionen in den öffentlichen Raum
          Lesebeispiel
                                zur Erhöhung der Attraktivität der Handelsstandort als notwendig.

          Quelle: IFH Institut für Handelsforschung                                                                    Basis: n = 344

     Quelle: HDE

16    |      Digital auf der Fläche – das neue Einkaufserlebnis
6.		 DIGITAL AUF DER FLÄCHE: DIE FILIALE DER ZUKUNFT

Wie wird also die Filiale der Zukunft aussehen, die      gestalten oder die Kauf- und Browsing-Historie des
in der Lage ist, Kunden integrierter, individueller,     Nutzers zu analysieren, um Angebote zu machen,
inspirierender und intelligenter zu bedienen? Wie        die mit höherer Wahrscheinlichkeit gekauft werden.
können neue digitale Technologien hierfür einge-         Durch den Einsatz neuer Technologien können nun
setzt werden? Drei Tendenzen zeichnen sich aktuell       ähnliche Logiken in der Filiale angewandt werden.
ab:
                                                         Das Luxuskaufhaus Neiman Marcus stattet z. B.
Tendenz 1: Die Übertragung von Services, die             seine Verkaufsberater mit einer Service-App aus,
Kunden in der Online-Welt kennen und schätzen            über die diese die Kaufhistorie der registrierten
gelernt haben, auf das Einkaufen in der Filiale.         Kunden abrufen und so ihre Beratung gezielt auf
                                                         die Bedürfnisse des jeweiligen Kunden ausrichten
Online-Käufer schätzen, dass Ihnen beim Online-          können.
Kauf detaillierte Produktinformationen und Ver-
gleichsmöglichkeiten direkt zur Verfügung stehen           „Wichtig ist, digitale Lösungen in den Verkaufs-
und dass sie – wenn vorhanden – auf eine breite            und Beratungsprozess zu integrieren. Nicht die
Basis von Rezensionen anderer Kunden während               Maschine verkauft, sondern der Mensch. Technik
des Kaufvorgangs zugreifen können. Digitale Lösun-         unterstützt dabei.”
gen, die diese ‚Services‘ auf die Fläche bringen, sind     L. Mandac, Vorsitzender des Aufsichts-
bereits heute bei einigen innovativen Händlern zu          rates, Galeria Kaufhof
beobachten. Häufig sind dabei vor allem Lösungen,
die zusätzliche Produktinformationen auf die Fläche
bringen – wie die Schuh-App von Breuninger, die          Wenn kaufgestaltende Lösungen nicht in die
dem Verkaufspersonal im Breuninger Haus in Düs-          persönliche Beratung durch den Filialmitarbeiter
seldorf zur Verfügung steht, um die Konsumenten          eingebunden sind, ist eine zentrale Herausforderung
am POS mit aktuellen Informationen zu den Pro-           – zumindest heute noch – das Wiedererkennen des
dukten ihrer Wahl zu versorgen.                          Kunden in der Filiale. Da der Einsatz automatischer
                                                         Gesichtserkennungssoftware oft nicht nur recht-
Ein anderes Beispiel sind Videos und Modetipps,          lich, sondern auch moralisch kontrovers ist, müssen
die Macy’s den Käufern von Kosmetikprodukten via         mehrwerthaltige Mechanismen gefunden werden,
QR-Codes auf den Produkten in der Filiale zugäng-        die den Kunden zum freiwilligen Check-In bewegen,
lich macht. Aber auch das Thema der Integration          etwa mit Exklusivangeboten oder Rabatten.
von Social Feedback auf der Fläche findet erste
Anwendungsbeispiele: C&A Brasilien hat im Rah-           Zu beobachten sind in diesem Zusammenhang auch
men seiner ‚Fashion Like‘-Kampagne Facebook              händlerübergreifende Angebote, wie die Shopping
Likes seiner Kunden für ausgewählte Produkte via         App shopkick, mit der Kunden Check-In-Punkte
digitaler Displays an Kleiderbügeln auf die Fläche       bei verschiedenen Händlern sammeln können. Ob
gebracht. Vielleicht noch ein erstes, wenig skalier-     und welches dieser Angebote sich in Deutschland
bares Experiment in Sachen In-Store Social Feed-         durchsetzen wird, ist jedoch noch nicht abzusehen.
back – jedoch aufbauend auf einem, insbesondere
von jüngeren Konsumenten gelernten, Online Shop-         Tendenz 3: Der zunehmende Einsatz digitaler
ping-Aspekt.                                             Angebote zur Steigerung der Aufenthaltsqualität
                                                         in der Filiale – intelligentes, digitales ‚Entertain-
Tendenz 2: Die Entwicklung von Lösungen, die es          ment‘.
erlauben, die „Reise des Kunden durch die Filiale“
besser zu analysieren und dann hinsichtlich einer        Sicherlich ist der Einsatz von z. B. Video-Screens
erhöhten Kauf-Conversion zu optimieren.                  keine Revolution – schon lange experimentieren
                                                         Fashion-Händler mit Bildschirmen, auf denen zur
Im Online Shop ist es gang und gäbe, die Bewe-           Unterhaltung der Kunden z. B. Image oder Runway
gungen des Käufers auf der Website zu analysieren        Shows abgespielt werden. Innovative Händler kre-
und die Website dann kaufabschlusswirksam zu             ieren jedoch heute mit audiovisuellen Installationen

                                                               Digital auf der Fläche – das neue Einkaufserlebnis   |   17
ganzheitliche Markenerlebnisse, die den Kunden                abzusehen – der Handel testet Displays, Tablets,
interaktiv einbeziehen. Ein besonders innovatives             Apps etc. US-Manager, in deren Heimatmarkt die
high-end Beispiel hierfür ist Burberrys Flagship              Digitalisierung der Fläche gegenüber Deutsch-
Store in London, in dem die Marke regelrecht digital          land früher aufgegriffen wurde, weisen darauf hin,
zelebriert wird, wenn sich – ausgelöst durch RFID-            dass bei der Digitalisierung der Fläche vermieden
Chips in ausgewählten Kleidungsstücken – Spiegel              werden sollte, Spielereien aufzubauen. Ziel müsse
in Bildschirme verwandeln, die exklusives Videoma-            es sein, auf dem Gerät des Kunden, z. B. seinem
terial zu den Kleidungsstücken zeigen. Sicherlich             Smartphone, in seiner gewohnten Medienumge-
eine finanziell aufwendige Lösung – das Umsatz-               bung eingebunden zu sein – durch ein App-An-
wachstum von 12 % im stationären Geschäft 2013                gebot, das sämtliche Kommunikation und Dienst-
scheint Burberry jedoch Recht zu geben. Ein ande-             leistungen des Händlers bündelt. Vorteile dieser
res Beispiel sind Uniqlos digitale Spiegel, die es den        Strategie: Sie setzt dort an, wo insbesondere jünge-
Kunden ermöglichen, auf Knopfdruck die Farbe von              re Kunden sich aufhalten, sie setzt Medienbarrieren
Kleidungsstücken zu ändern, wenn sie diese vor                in zeitlich versetzten Interaktionen mit dem Händler
dem Spiegel anprobieren. Dies sind unterschied-               herab und birgt nicht zuletzt handfeste Kostenein-
lichste Lösungen, denen jedoch ein überraschender,            sparungen für digitales Equipment in der Filiale.
spielerischer Umgang mit Technik gemein ist, der
den Kunden fasziniert und ihm Mehrwert bietet –                „The focus, at least in the US, is the APP or the
zunächst ist die Kreativität des Händlers und erst             system that enables a retailer to give in-store
dann seine Investitionsstärke gefragt.                         digital services to customers - on their own
                                                               device.”
Welche technischen Lösungen sich für die Digitali-             T. Cole, Ex-Vice Chairman & -CAO, Macy’s
sierung durchsetzen werden, ist aktuell noch nicht

7.		 FAZIT UND ABSCHLIESSENDE BEWERTUNG

Ausgangspunkt dieser Untersuchung stellten vier               Möglichkeit bietet, Handelskonzepte (Standorte,
zentrale Thesen zur Zukunft der Fläche dar, die               Filialformate, Service-Angebote) zu variieren, neu
wir in unseren Gesprächen mit den Top-Handels­                zu denken, und dass Multichannel nicht zwingend
managern in weiten Teilen bestätigt gefunden                  eine Gefahr für die Fläche, sondern vor allem
haben. Einigkeit herrscht insbesondere hinsicht-              auch Chancen für Neugestaltung bietet.
lich der Erwartung, dass das Wachstum des
E-Commerce endlich ist und das mittelfristig ein              Um diese Chance zu nutzen, muss der Handel
stabiles Level der Verteilung Online- vs. Offline-            jedoch weitgehende Änderungen vornehmen –
Handels­umsätze gefunden wird.                                auch in seinem Stationärgeschäft. Neue Prozesse,
                                                              Steuerungssysteme, IT-Infrastrukturen und sogar
Ebenso bestätigt sehen wir die Thesen, dass in                Mitarbeiter(-anforderungen) stehen im Fokus.
diesem „stabilen“ Umfeld Online- und Stationär­               Sicherlich sind große Händler finanziell besser
handel spezifische Rollen zukommen werden, wobei              ausgestattet, sich dieser Herausforderung zu stel-
die Filialen mehrheitlich als der Ort für Marken- und         len. Unsere Studie zeigt jedoch auch, dass kleine
Produktinszenierung, Emotionalisierung, Beratung              und mittelständische Händler durch kreativen und
und Service gesehen wird. Überraschend ist jedoch,            geschickten Einsatz von händlerübergreifenden
wie monothematisch die Befragten die zukünftigen              Lösungen solche Größennachteile ausgleichen
Rolle der Filiale sehen – insbesondere die Befragten          können.
mit Stationärhandels-DNA denken noch wenig pro-
gressiv und beziehen die Möglichkeiten der Indivi-
dualisierung und Personalisierung digitaler Angebo-
te weniger in ihre Überlegungen mit ein.

Andererseits hat der Handel jedoch erkannt, dass
sich durch E-Commerce und Multichannel die

18   |   Digital auf der Fläche – das neue Einkaufserlebnis
Kurt Salmon ist ein global agierendes Management Consulting-
Unternehmen mit einzigartiger Branchenexpertise und
Spezialisierung auf Konsumgüter und Handel.

Kurt Salmon erarbeitet und implementiert Strategien und
Lösungen mit bedeutsamem und messbarem Nutzen für die
Branchenführer von heute und morgen. Die Kombination aus
langjähriger Erfahrung, ganzheitlichem Ansatz, Methoden und
Tools sowie kultureller Anpassungsfähigkeit ermöglicht es uns,
unsere Kunden zu unterstützen, jetzt und zukünftig erfolgreich
zu sein – egal wie die Zukunft aussehen wird.

UNSERE SERVICES:                                                 DIE AUTOREN:
Strategie und Transformation                                     Dorothea Ern-Stockum
» Consumer Insights und Markenstrategie                          Geschäftsführerin
» Vertriebs- und Formatstrategie                                 dorothea.ern@kurtsalmon.com
» Omnichannel-Strategie
                                                                 Dr. Peter Rinnebach
» Internationalisierungs- und Markteintrittsstrategie
                                                                 Senior Manager
» Business Transformation
                                                                 peter.rinnebach@kurtsalmon.com
» Due Diligence und Post-Akquisition-Integration
                                                                 Inga Flicker
Operations
                                                                 Manager
» Merchandising und Planung
                                                                 inga.flicker@kurtsalmon.com
» Produktentwicklung und Sourcing
                                                                 Hellen Fuchs
» Vertriebs- und Filialprozessmanagement
                                                                 Marketing
» Supply Chain Management
                                                                 hellen.fuchs@kurtsalmon.com
» Logistik und Distributionsmanagement
» IT-Strategie, Business Alignment
   und Implementierungsunterstützung

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