Whitepaper Oktober 2018 Der dritte Ort Der stationäre Handel in der digitalen Welt - ZUKUNFT DES EINKAUFENS
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Whitepaper | Oktober 2018 | Der dritte Ort – Der stationäre Handel in der digitalen Welt INHALTSVERZEICHNIS Einführung 2 Retail 4.0: Der stationäre Handel muss 3 sich in der digitalen Welt verändern Der vernetzte Kunde 4.0 4 Der dritte Ort: Wohlfühlen und Erlebnis 6 im stationären Handel Der dritte Ort in Osnabrück: Einkaufs- 8 erlebnis bei Lengermann & Trieschmann Einkaufsattraktivität im stationären 11 Handel Erlebniseinkauf: Das Geschäft wird zum 14 „Medium“ Der dritte Ort: Erlebnis im Starbucks 16 Flagship-Store in Shanghai Ein Blick in die Zukunft 21 Der dritte Ort: Beratung, Ambiente und 23 innovative Technik im Massimo Dutti Flagship-Store in München Ausblick 26 Über den Autor 27 Herausgeber & Team 28 Kontakt & Impressum 29 1
Einführung Mit der zunehmenden Digitalisierung und – Wie können stationäre Händler Kunden Vernetzung in allen Bereichen der Gesell- wieder in das Geschäft locken und bewe- schaft, wie auch im Handel hat sich auch gen bei ihnen einzukaufen? der Kunde geändert. Nahezu unbegrenzt sind seine Auswahlmöglichkeiten beim – Was unternehmen Einzelhändler, um Einkaufen, er profitiert von individuellen ihre Geschäfte so zu gestalten, dass die und empfängerorientierten Angeboten, Kunden den Einkauf als positive Erfah- ob beim Online-Preisvergleichsportal rung verbuchen? oder beim virtuellen Beratungsservice. – Und wie kann der lokale Ladenbesitzer Um in Zukunft erfolgreich mit dieser neu- moderne Technologien zu seinem Vorteil en Form des Wettbewerbs mithalten zu nutzen? können, muss der stationäre Einzelhan- del auf die neuen Konsumgewohnheiten – Was können stationäre Händler von der Kunden eingehen und ihnen durch Online-Händlern lernen? flexible Konzepte ein neues Einkaufser- lebnis bieten. Die Technisierung stellt für – Wie sieht der „Store der Zukunft“ aus? den Einzelhandel in diesem Zusammen- Wie muss sich der stationäre Handel wie- hang eine große Chance dar. dererfinden, um zu überleben? – Wer wird also gewinnen: Online-Han- Auf diese spannenden Fragen versuchen del oder stationärer Handel? wir in diesem Whitepaper Antworten zu finden: Wie sieht der stationäre Handel – Wie sieht der stationäre Handel in der in der zukünftigen digitalen Welt aus? Zukunft aus? – Was braucht ein Einzelhändler, um die Kunden attraktiver zu werden? 2
Whitepaper | Oktober 2018 | Der dritte Ort – Der stationäre Handel in der digitalen Welt RETAIL 4.0: DER STATIONÄRE HANDEL MUSS SICH IN DER DIGITALEN WELT VERÄNDERN Es sind spannende und ebenfalls schwie- Aber es gibt eine andere Bedrohung für rige Zeiten für den Handel. Spannend den stationären Handel: die neue Kon- wegen der großen Chance für den statio- summentalität und die neuen Kunden- nären Handel, die Stores und Geschäfte gruppen. zu verändern. Und besonders schwierig aufgrund der dringenden Notwendigkeit, dies zu tun - oder zu „sterben“. Neues Kundenverhalten und Kundengruppen Die Millennials (geboren zwischen 1984 Wandel im Handel war noch nie so aktuell wie und 1993) und die Generation Z (geboren jetzt nach 1993) stellen heute und in abseh- barer Zukunft die größten Verbraucher- Die Handelsbranche ist zurzeit von einem gruppen. strukturellen Konsolidierungsprozess ge- prägt. Die Anzahl der kleinen Händler wie Aufgewachsen sind sie mit mobilen Ge- auch ihre Marktanteile nehmen stetig ab. räten und mit ganz anderen Werten Dafür werden die Ursachen häufig und Lifestyle-Wünschen als ihre Eltern. im wachsenden ECommerce und On- Sie stellen das traditionelle Einkaufsver- line-Handel gesucht. Sicherlich hat der halten auf den Kopf. Daher erwarten sie Anteil des ECommerce in den letzten 15 personalisierte Produkte und Dienstleis- Jahren um mehr als 50 Prozent zugenom- tungen, Authentizität und Nachhaltig- men, und steigt auch noch weiter an. keit. Und sie können mehr Produkte und Heute werden bereits 44 Milliarden Euro Dienstleistungen in zehn Minuten auf ih- online erlöst. Der Online-Handel macht ren mobilen Geräten suchen und kaufen, gegenüber den klassischen Ladenge- als stundenlang in einem Ladengeschäft schäften weiter Boden gut. Bis 2022 soll zu verbringen und einzukaufen. der Handelsumsatz im Netz in 17 westeu- ropäischen Ländern um 11,9 Prozent pro Jahr zulegen. Damit legt er um den Faktor Das Shopperverhalten verändert sich 10 schneller zu als der stationäre Handel. Demgegenüber schlossen im Jahr 2017 Das Nutzerverhalten und die Kunden- viele Einzelhandelsgeschäfte; der Trend erwartungen haben sich in den vergan- setzt sich auch im Jahr 2018 fort. genen Jahren massiv geändert. Doch wie lässt sich der moderne Kunde beschrei- ben? 3
DER VERNETZTE KUNDE 4.0 Was macht den neuen Kunden aus? – Individualität: Der Kunde wird von In- – Sofortkultur: Der heutige Kunde kann formationen und Angeboten überflutet unabhängig von Zeit und Ort kommu- und ist zeitknapp, deshalb erwartet er nizieren, suchen, browsen, kaufen. Da- Personalisierung und maßgeschneider- durch entsteht eine Sofortkultur, vor al- te Angebote: Eine große Auswahl, hohe lem mobil, die er aus dem E-Commerce Qualität, niedrige Preise und guten Ser- kennt und auch vom stationären Handel vice. erwartet. – Datenpreisgabe: Der Kunde ist bereit, – Crossmedia: Der Kunde ist meistens Daten preiszugeben, sofern sie dazu ge- vernetzt und online und erwartet ein An- nutzt werden, ihm einen passenden Ser- gebot, das unabhängig von Raum, Zeit vice oder Mehrwert zu bieten. und bestimmten Technologien, Kanälen oder Geräten verfügbar ist. 4
Whitepaper | Oktober 2018 | Der dritte Ort – Der stationäre Handel in der digitalen Welt Online-Einkauf wird immer bevorzugter eröffnen auch noch stationäre Geschäf- te, während traditionelle Geschäfte ums Laut einer Umfrage des Bitkom bevor- Überleben kämpfen und große Filialis- zugt mittlerweile jeder dritte Käufer den ten Geschäftsstandorte schließen. Das Einkauf im Netz. Gut jeder Fünfte geht beklagen viele Händler und begründen lieber ins Ladengeschäft. Die wichtigs- damit auch den Attraktivitätsverlust der ten Warengruppen für den Online-Kauf Innenstädte. sind Bekleidung, Unterhaltungselektro- nik und Bücher. Unter dem gefürchteten Wegen der hohen Kosten für die Mieten Showrooming, also dem Ansehen und in den Innenstadtlagen, das notwendige Ausprobieren von Produkten im statio- Personal und die Lagerkosten sind viele nären Handel und anschließendes On- Filialen bereits heute nicht mehr profi- line-Bestellen, haben vor allem Elektro- tabel. Vor allem diejenigen, die Kunden nikfachmärkte zu leiden. primär über den Preis anlocken. In Ame- rika spricht man bereits von einer „Retail Immer mehr Verbraucher wollen auch Apokalypse“. ihre Lebensmittel künftig online einkau- fen. In den Niederlanden lag das Volumen der im Netz gehandelten Lebensmittel Also, warum noch im stationären Handel ein- 2017 schon bei rund einer Milliarde Euro. kaufen? Fünf Prozent der Supermarktverkäufe würden dort bereits online abgewickelt, Der Schlüssel liegt darin, ein Umfeld zu hat Forrester herausgefunden. Die Ana- schaffen und die Geschäfte so zu ändern, lysten gehen insgesamt davon aus, dass dass sie zu sozialen Treffpunkten werden. bis 2022 rund 4,5 Prozent aller Lebens- Orte, wo man personalisierte Erlebnis- mittel in Westeuropa via Internet geor- se erfahren kann, Unterhaltung, inter- dert werden. Damit weist diese Sparte aktiven Dienste, Restaurants und Kaf- mit einem Plus von etwa 15 Prozent jähr- fee-Ecken, um die Kundenbindung und lich eine der höchsten Wachstumsraten häufigere Besuche zu erzwingen. im Online-Handel auf. Denn gerade der Einkaufsbummel sucht nach einem lässigen Flanieren mit schö- Online goes Offline nen, einzigartigen Ausblicken und über- raschenden Angeboten. Denn den Rest Kleine Preise und eine große Auswahl - gibt es ja im Netz. damit ist Online-Handel groß geworden. Nun suchen die Kunden Einkaufserleb- nisse auf allen Kanälen, die Einkaufswel- ten verschmelzen und Online-Händler 5
DER DRITTE ORT: WOHLFÜHLEN UND ERLEBNIS IM STATIONÄREN HANDEL Es werden also die sogenannten „dritten seines Hauses, wo sich Menschen aus der Orte“ gesucht und entstehen müssen Nachbarschaft zwanglos treffen konnten. jene Plätze, die man gerne besucht, die In den sechziger Jahren kristallisierte sich Ambiente und Flair haben und bei denen in Amerika der „zweite Ort“ heraus: der man gerne verweilt. Was ist nun der Arbeitsplatz. Den Arbeitnehmern war „dritte Ort“? es zum ersten Mal erlaubt sich ihren Arbeitsraum bis zu einem gewissen Maß Den Begriff des dritten Ortes (third place) selbst einzurichten und etwas eigene prägte bereits 1989 der Soziologieprofes- Persönlichkeit einzubringen. sor Ray Oldenburg. In seinem Buch „The Great Good Place“ zum ersten Mal be- schrieben, ist er heute für den stationä- ren Handel aktueller denn je. Der Sozio- loge schaffte sich damals seinen eigenen Third Place als Bar in der Doppelgarage 6
Whitepaper | Oktober 2018 | Der dritte Ort – Der stationäre Handel in der digitalen Welt Der stationäre Handel als der „dritte Ort“ In den 80er Jahren entwickelte sich zu- nehmend das erlebnisorientierte Marke- ting, das sich auf den öffentlichen Raum bezog. Mit der Schaffung einer Wohlfüh- latmosphäre in Geschäften, Hotels und allgemein öffentlichen Räumen war der Begriff des „dritten Ortes“ geboren. Die Konsumenten hielten sich zuneh- mend nicht mehr nur in ihren „klassi- schen“ Räumen wie der Stammkneipe um die Ecke, dem Fußballplatz, dem Kino etc. auf. Hinzu kamen Shopping Malls, Events und neue, moderne Coffee-Shops. „Dritte Orte“ sind halb-öffentlich insze- nierte Lebensräume, an denen sich die Konsumenten vorübergehend zu Hause fühlen. Für den stationären Handel besteht jetzt die dringende Notwendigkeit, die Ge- schäfte, Filialen und Läden zu „dritten Orten“ zu machen, um junge Kunden zu animieren, dort wieder einzukau- fen. Beispiele, wo dies gut gelungen ist sind die Starbucks-Cafés, das Modehaus Lengermann und Trieschmann in Osna- brück oder der neue Massimo Dutti Flag- ship-Store in München. 7
DER DRITTE ORT IN OSNABRÜCK: EINKAUFSERLEBNIS BEI LENGERMANN & TRIESCHMANN Ein Beispiel für einen sehr gut gestalte- Hoch effizientes Höhentraining genießen ten dritten Ort ist das Modehaus Lenger- mann und Trieschmann (L&T) in Osna- Im City Gym bei L&T erwarten den Kun- brück. den modernste Trainingsmethoden. Mit- ten in Osnabrück kann er alle Vorzüge des hoch effizienten Höhentrainings ge- Highlight: Neuer Surfspot liegt im Zentrum nießen, ohne in die Alpen zu reisen. Mit Osnabrücks Hilfe innovativer Technologie trainiert der Kunde im Cardio- und Kursbereich Das Highlight im innovativsten Sport- unter Bedingungen von circa 2.500 Me- haus Europas ist die Hasewelle (Hase ist tern Höhe und höher. Weiterhin stehen ein Fluss, der durch Osnabrück fließt), innovative Trainingsgeräte und Services eine stehende Welle, auf der man im Ge- zur Verfügung. Darüber hinaus sorgen schäft Surfen lernen kann. Einfach über qualifizierte Trainer und Mitarbeiter da- die Webseite buchen, Ausrüstung wird für, dass es beim Training an nichts fehlt. von L&T gestellt und loslegen und Spaß haben. Surflehrer mit Tipps und Hilfestel- lungen stehen zur Seite. 8
Whitepaper | Oktober 2018 | Der dritte Ort – Der stationäre Handel in der digitalen Welt Das Einkaufserlebnis für alle Sinne oder Paketen, ein Bestell- und Lieferser- vice, ein Sportservice, wie Besaitungs- Da Einkaufen und Genießen zusammen- service, Testschlägerverleih, Skiservice, gehören - ob als Verschnaufpause zwi- vielfältige Kinderangebote und auch das schen dem Einkaufen bei Kaffee, Cappuc- kundeneigene Parkhaus. cino und süßen Snacks, oder als beliebter Treffpunkt mit Freunden oder als Fami- lienfrühstück am Samstag - gibt es bei Im Internet und sozialen Medien ist L&T prä- L&T ein reichhaltiges Angebot. Auf allen sent Ebenen werden unterschiedliche Café-, Bar- und Restaurant-Möglichkeiten ange- Über eine freundliche und moderne boten, die auch außerhalb eines Einkaufs Webseite kann sich der Kunde über L&T zum Genießen und Verweilen einladen. informieren und bereits Services wie die Stylecoaches oder auch einen Tisch im Restaurant buchen. Auch in den sozialen Service wird großgeschrieben Medien ist L&T präsent: Auf Instagram mit Geschichten und schönen Bildern wie L&T bietet darüber hinaus auch noch in- auch bei Facebook. Hier kann der Kunde novative Services für das emotionale Ein- auch schon über den Messenger Fragen kaufserlebnis: Unter dem Motto „erst Ihr an L&T stellen, die er prompt beantwor- Stil macht Mode einzigartig“ werden die tet bekommt. Style-Coaches vorgestellt, die passende Kleidungsteile für das komplettes Outfit Natürlich fehlt auch die L&T App nicht. suchen und alles für den Kunden bereit- Und, last but not least, gibt es auch einen legen. L&T Club, der verschiedene nützliche Vorteile für seine Mitglieder bereithält. Daneben steht auch ein Personal Shop- ping-Service zur Verfügung. Eine Per- sonal-Shopping-Expertin führt eine ex- Links klusive und persönliche Modeberatung durch und geht mit der Kundin durch das https://www.l-t.de/ Geschäft. So wird jeder Einkauf zu einem individuellen Erlebnis. Daneben gibt es auch noch viele kleine Services, die das Einkaufen angenehmer machen: Einen Club-Counter zum Able- gen der Garderobe und Tüten, Taschen 9
Wie schafft man einen dritten Ort? Sechs wichtige Punkte sind zu beachten: 4. Der dritte Ort besitzt eine Hauptat- traktion, die noch einmal die Neugier des 1. Der dritte Ort weckt schon von außen Kunden weckt. die Aufmerksamkeit des Kunden. Er ani- miert den Kunden, einzutreten. 5. Der dritte Ort bietet für den Kunden Erholung von der Alltagshektik und stei- 2. Der dritte Ort inspiriert zu einem in- gert durch Erlebnisse und Aufenthaltsan- szenierten Spaziergang innerhalb des gebote die Verweildauer. Er bietet eine Ortes. Auf diesem Spaziergang werden Wohlfühlatmosphäre und wirkt damit dem Kunden gleichzeitig Produkte vor verkaufsfördernd. Augen geführt, die er sonst nicht wahrge- nommen und nicht gekauft hätte. Durch 6. Der dritte Ort erzählt eine Geschich- das Flanieren durch dem Raum wird ein te (Storytelling), um seine Attraktivität heimisches Wohlgefühl im Menschen er- zu erhöhen. Was zählt, ist sich exakt mit zeugt. dem Kunden zu beschäftigen, genau zu überlegen, was für ihn spannend und 3. Der dritte Ort befolgt einen roten Fa- attraktiv sein kann und daraus dann Ge- den (Concept Line). Diese verbindet ver- schichten und Aktionen abzuleiten. Preis schiedenen Themen und Abteilungen und Sortiment sind wichtige Faktoren, eines Raumes und schafft die Wahrneh- sie reichen aber nicht aus. mung einer Ganzheit. 10
Whitepaper | Oktober 2018 | Der dritte Ort – Der stationäre Handel in der digitalen Welt EINKAUFSATTRAKTIVITÄT IM STATIONÄREN HANDEL Wir sehen signifikante Veränderungen Angebotsseite erzielt, allerdings lassen bei den Größen Standort, Sortiment und die Erfolge auf der Nachfrageseite noch Sortimentsgestaltung, Liefermöglichkei- auf sich warten. ten und Personal. Ebenso ändern sich die Erfolgsmetriken für Geschäfte. Studie zur Retail Shoppability gibt Antworten Die Ziele des Handels reflektieren Stationäre Händler kämpfen mit den Schwierigkeiten Verkaufs- oder besser Das Grundziel des Handels ist das Zu- Einkaufsumgebungen zu schaffen, die sammenbringen von Angebot und Nach- die Kunden anlocken und zu Käufen be- frage, um die Bedürfnisse und Wünsche wegen. Raymond Burke und Neil Morgan der Kunden und die angebotenen und von der Kelley School of Business der verfügbaren Produkte und Services in Indiana University geben unter der Be- Einklang zu bringen. Große Erfolge wur- zeichnung „Benchmarking Retail Shop- den in den vergangenen Jahren bei der pability“ Antworten und Hilfestellung 11
auf die folgende Frage: Wie kann die Lässt sich die „Retail Shoppability“ messen? bestehende Käufernachfrage in Käufe und Umsätze im stationären Handel um- Burke und Morgan zeigen fünf übergrei- gesetzt werden, wie kann die Einkaufs- fende Dimensionen, die das Kunden-En- attraktivität (Retail Shoppability) gestei- gagement und die Conversion in Käufe gert werden? beeinflussen: Die Hinweise basieren auf mehreren Jah- 1. Relevanz: Das Geschäft hat Produkte ren Studium und einer Analyse von fast und Dienstleistungen vorrätig, die der 5.000 Käufern mit über 16.000 Einkaufs- Kunde sucht. Und zwar direkt verfügbar. touren in verschiedenen Handelsforma- Der Preis spielt dabei nicht unbedingt ten. eine Rolle, es geht um das Produkt und die Verfügbarkeit. Was macht die „Retail Shoppability“ aus? 2. Visuelle Transparenz: Wenn Käufer das Geschäft betreten, können sie sehen, Retail Shoppability verbindet die physi- was es zu kaufen gibt? Der erste Eindruck schen Charakteristiken der Geschäfte, zählt. Die Verhaltensforscher bezeichnen Abteilungen und Produktkategorien mit das als kognitiven Stress. Gibt es eine dem Käufer-Engagement und der Ein- klare Abteilungsstruktur und Katego- kaufswahrscheinlichkeit. Das Modell be- rien-Identifikation, Produktorganisation steht aus zwei wesentlichen Elementen: und eine klare und einfache Informati- Kunden-Engagement und Conversion. onssichtbarkeit. Dabei misst das Engagement inwieweit 3. Bequemlichkeit: Das Geschäft oder ein Käufer „aktiviert“ wird und eine Ver- der Laden ist intuitiv und minimiert den bindung zu Bedürfnissen und Wünschen Aufwand, um Produkte zu suchen, zu geschaffen und aufrechterhalten wird. finden und zu entscheiden. Die wesent- lichen Faktoren, die die Bequemlichkeit Bei der Kaufabwicklung geht es natür- beeinflussen sind Parkmöglichkeiten und lich darum, Interessenten zu Käufern zu Zugang zum Geschäft, breite Gänge, ein- machen; es geht um das Reduzieren von faches Store-Layout, schneller und hilf- Barrieren und Aufwänden beim Einkau- reicher Service, schneller Check-out. fen. 4. Sicherheit: Gibt das Geschäft durch Beschilderung und seine Mitarbeiter die Informationen, die den Kunden das Vertrauen geben, dass sie die richtige Entscheidung getroffen haben? Gibt es 12
Whitepaper | Oktober 2018 | Der dritte Ort – Der stationäre Handel in der digitalen Welt ausgewiesene Experten vor Ort oder te- Fazit für stationäre Händler lefonisch oder per Bot? Sind web-basier- te Bewertungen und Erfahrungsberichte Stationäre Händler müssen sich mit dem verfügbar? Kunden beschäftigen und diesen an- schließend in Käufer „konvertieren“ und 5. Unterhaltung und Vergnügen: Ver- zwar über Relevanz, Transparenz, Kom- gnügen führt zum Kauf. Es besteht aus fort, Sicherheit und Unterhaltung. Überraschungen, bei denen die Käufer unerwartete und auch neue Produkte Die Studie belegt, dass sich die Ein- finden, die sie gar nicht gesucht haben. kaufs-Attraktivität oder die „Retail Shop- Komfortables Einkaufen beinhaltet Plät- pability“ messen lässt. Das Model bietet ze zum Sitzen und Entspannen, angebo- eine gute Grundlage für die Veränderung tene Snacks und Erfrischungen, freien von stationären Geschäften, es liefert Internet-Zugriff und vieles mehr. Hinweise wie neue Technologien das Store-Layout verändern und dem Kun- Die einzelnen Einflussfaktoren wurden den ein transparentes, angenehmes und im Detail im Rahmen der empirischen erlebnisreiches Grunderlebnis bieten Untersuchungen gemessen und ausge- können. wertet und bestätigt. 13
ERLEBNISEINKAUF: DAS GESCHÄFT WIRD ZUM „MEDIUM“ Unsere Gesellschaft wandelt sich immer hier nicht um ein Medium im spirituellen mehr in eine Erlebnisgesellschaft. Produk- Sinn, sondern einen Ort, der einen Erleb- te zu kaufen ist nicht mehr ausreichend. niseinkauf, Emotionen, Empfindungen, Viele Menschen erwarten Erlebnisse Wahrnehmungen und Eindrücke bietet. beim Einkaufen und mit dem Produkt. Erlebnisse, an die sie sich erinnern. Die- se Gier nach dem Erlebniseinkauf wird Warum wird das Geschäft zum „Medium“? befriedigt in neuen Themenrestaurants, Boutique-Hotels, Pop-up-Stores, Show- Drei wesentliche Gründe führen dazu, rooms und vielen anderen Orten. Was dass das Geschäft zum „Medium“ wird: bedeutet diese Entwicklung für das sta- tionäre Geschäft? – Der physische Raum eines Geschäftes ermöglicht es dem Kunden handels- und markenspezifische Erlebnisse zu haben, Vom Produktvertrieb zum Medienkanal die in der Online-Welt so nicht abgebil- det und erlebt werden können. Der stationäre Handel, Einzelhandels- geschäfte und innerstädtische Läden – In unserer heutigen Welt der fragmen- werden trotz gegenteiliger Meinungen tierten Aufmerksamkeit werden die Ge- nicht verschwinden, aber sie werden schäfte Möglichkeiten bieten, gesamt- sich ändern. Sie werden sich ändern in haft kognitive, emotionale und auch ein den Kunden anziehendes „Medium“. physische Erlebnisse zu bieten. Das kann Sie werden sich von einem Kanal für den kein anderes Format. Produktvertrieb zu einem Medienkanal für Markenerlebnisse und Geschichten, – Die Ergebnisse der physischen Ein- einem Erlebniseinkauf, entwickeln. Ein kauferlebnisse können direkt und kon- Wandel, der vieles ändern wird, auch die sequent gemessen werden, wenn der Art und Weise, wie Einzelhändler ihre Kunde am Ende des Besuchs im Geschäft Umsätze generieren. Das Geschäft wird auch einkauft. zum Medium oder besser und prägnan- ter ausgedrückt: The store is media. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass das physische Einkaufserlebnis stärker und besser messbar ist und beim Käufer Das Geschäft wird zum „Medium“ in bleibender Erinnerung bleibt als On- line-Erlebnisse. Was ist darunter zu verstehen? Es geht 14
Whitepaper | Oktober 2018 | Der dritte Ort – Der stationäre Handel in der digitalen Welt Warum sollten wir noch in physische Geschäf- nen als Eingang zum Marken-Ökosystem te gehen? von Produkten, Dienstleistungen und Einkaufsalternativen. Von einigen wenigen Produkten abge- sehen, werden wir nicht mehr die Not- Das Geschäft muss ein Ort für die erste wendigkeit haben, in physische Läden und zweite Unterhaltung und zu unse- zu gehen, um uns Produkte anzusehen, rem dritten Ort werden. Ohne eine star- auszuprobieren, zu vergleichen und zu ke Betonung der Unterhaltung haben kaufen. Der physische Einkaufsraum, das die Kunden wenig Grund, überhaupt Geschäft, wird zunehmend zum Medium, ins Geschäft zu gehen. Als Konsequenz um emotional anregende Erlebnisse zu heißt das, dass die Einzelhändler, um in vermitteln. Zukunft überlebensfähig zu sein, diesen Ansatz darauf anwenden müssen, wie sie Diese Erlebnisse zielen auf die Vermitt- ihre physischen Räume planen, entwer- lung von Markengeschichten durch En- fen, bauen und betreiben. In erster Linie gagement und mehrfache sensorische sollten die Erfahrungen und Erlebnisse in Inputs, Möglichkeiten für immersive und den Mittelpunkt gestellt werden und in kinetische Produkterlebnisse ab. Sie die- zweiter Linie Produkte. 15
DER DRITTE ORT: ERLEBNIS IM STARBUCKS FLAGSHIP-STORE IN SHANGHAI Die chinesische Metropole Shanghai ship-Store liegt an einer Kreuzung in einer der belebtesten und beliebtesten Shanghai ist eine aufsteigende, geschäf- Einkaufsstraßen Shanghais, an der Nan- tige Millionenstadt, die viel zu bieten jing Road. Damit setzt Starbucks deutli- hat, gerade im Handel birgt die Stadt che Akzente. immer wieder Überraschungen. Der chi- nesische Käufer nutzt beim Einkaufen Durch die Lage im Erdgeschoss und ers- überwiegend sein Mobiltelefon mit den ten Stock eines kleinen Einkaufszentrums Diensten von WeChat, wie WeChat Pay, gewinnt man den Eindruck, als würde um einzukaufen, zu essen, zu bezahlen, der Starbucks Flagship-Store das ge- zum Arbeiten und auch zum Socializing. samte Gebäude umfassen. Da es keine Viele Einzelhändler müssen sich an diese Hochhäuser direkt dahinter gibt, wird Anforderungen auf dem lokalen chinesi- der Blick zwangsläufig auf den Store ge- schen Markt anpassen. lenkt. Die geschwungene Form und das Lichtkonzept des Gebäudes runden das Vor kurzem hat Starbucks seinen welt- Ganze perfekt ab, indem es die Größe weit größten Starbucks Flagship-Store des Stores unterstreicht. in Shanghai eröffnet. Was macht nun diesen Flagship-Store aus, warum ge- hen die Menschen in diesen Starbucks? Modernes und offenes Store Layout Weil Starbucks es dort geschafft hat, den Store zu einem dritten Ort zu machen. Der Starbucks Flagship-Store in Shanghai Und zwar über seine gesamte Positionie- wurde offen gestaltet, sodass man beim rung, das Kundenerlebnis, das geboten Eintreten einen vollen Überblick über die wird, das außerordentliche Ladendesign gesamte Verkaufsfläche hat. Hier kann und sein einzigartiges Angebot. der Kunde die Einzigartigkeit des Cof- fee-Shops erkennen, aber auch einen ersten Blick auf die Angebote werfen. Lage und Positionierung des Stores Auf der linken Seite, neben der Fassade, Die Positionierung als „Luxusmarke“ befindet sich ein erster Sitzbereich, ge- ermöglicht es Starbucks, einen einzig- folgt von Produktpräsentationsmöbeln, artigen Flagship-Store auf dem gleichen die alle Arten von Markenartikeln (ein- Niveau wie große Namen wie Apple schließlich Kleidung und Accessoires) oder sogar Prada zu schaffen. Der Flag- hervorheben. 16
Whitepaper | Oktober 2018 | Der dritte Ort – Der stationäre Handel in der digitalen Welt Direkt vor dem Eingang befindet sich on aus der Positionierung als „Luxusmar- eine riesige Bäckerei-Theke mit vielen ke“ und der Fähigkeit, den Geschmack Mitarbeitern, die dafür sorgen, dass sich der Einheimischen zu treffen. Denn west- die Kunden beim Betreten willkommen liche Marken und Produkte werden in fühlen. Weit über diesen Tresen hinaus China als luxuriös und etwas Besonderes können Sie bereits weitere Theken und wahrgenommen. Sitzgelegenheiten erkennen, die Ihnen das Gefühl eines endlosen Ladens ver- mitteln. Chinesische Positionierung des Flagship- Stores Starbucks ist ja schon in einigen Stand- orten und Städten in Asien vertreten. Und das sehr erfolgreich, obwohl ein Kaf- feeunternehmen grundsätzlich nicht im asiatischen Markt, der traditionell eine so starke Teekultur hat, erfolgreich sein kann. Aber die Attraktivität der Marke vor Ort ist nicht so sehr das Kaffeepro- dukt, sondern vielmehr eine Kombinati- 17
Wie bringt Starbucks Menschen in ihren Kaffeeprodukte und andere in vollen Zü- Store? gen genießen können. Zu diesem Zweck wurden sogar hohe Tische und Hocker Aber wie schafft es Starbucks darüber entlang der Balustrade aufgestellt, die hinaus, so populär zu werden, dass Men- den Vorbereitungsbereich von der Ver- schen dort Zeit verbringen? Starbucks kaufsfläche trennt. macht den Kunden verschiedene An- gebote, um sie zu gewinnen und zu er- Die Produktdisplays tragen ebenfalls zum halten, die weit über den Anreiz eine Gesamtgefühl von Luxus bei, indem sie Neuheit aus dem Westen zu sein, hinaus- jedes einzelne Produkt als Kunstwerk gehen: hervorheben. Im gesamten Geschäft wird der Prozess der Produktvorberei- tung hervorgehoben und der Qualitäts- Produktpräsentation anspruch betont. Ein Beispiel dafür ist ein separater Backwarenbereich hinter Glas, Bereits beim Eintreten in den Store wird in dem mehrere Bäcker in einer luxuriö- der Raum über die beiden Etagen offen- sen Küche mit Marmorarbeitsplatten und gehalten und der Blick auf die Kaffee- einer Wand voller Gussöfen arbeiten. rösterei gerichtet, in der die Kunden die 18
Whitepaper | Oktober 2018 | Der dritte Ort – Der stationäre Handel in der digitalen Welt Produktangebot Erlebnisse im Store Starbucks hat immer Kaffeeprodukte im Starbucks bietet Erlebnisse im Store für Kernangebot, aber sie bieten auch an- ein Publikum, das vor allem Komfort und dere, lokale Produkte wie Tapioka- und Kommunikationsmöglichkeiten sucht. Bubble-Teas und saisonale Angebote an. Umgesetzt wird das in der Infrastruktur Pearl Milk Tea oder Boba zum Beispiel, ist und dem Design des Stores, einschließ- ein taiwanisches Getränk auf der Basis lich der verschiedenen Sitzkonfigura- von gesüßtem grünem oder schwarzem tionen, die die Möglichkeit bieten zu Tee, das häufig mit Milch und Fruchtsirup chatten oder zu arbeiten. Und der kos- versetzt und wie ein Milchshake zuberei- tenlose WLAN-Zugang passt perfekt zu tet wird. den chinesischen Vorlieben. Ein weite- rer Differenzierungsfaktor dieses Flags- Was Starbucks aber auch so attraktiv hip-Standortes ist die Verwendung von macht, ist das Gefühl der Exklusivität, das aufwendigen Materialien. Es wird dunk- die vielen neuen Produkte hier bieten. les Holz mit Messing- und Lederdetails Auch im Bereich der Backwaren handelt kombiniert, die die Optik und Haptik es sich nicht um die standardisierten vor- deutlich verbessern. Ein abgeschwächtes verpackten Sandwiches und Muffins aus Lichtkonzept trägt dazu bei, dem gesam- anderen Geschäften, sondern um frische ten Raum trotz seiner Größe ein Gefühl und hausgemachte Delikatessen. von Gemütlichkeit und Intimität zu ver- leihen. Der Starbucks Flagship-Store in Shang- hai ist der erste seiner Art in China, der eine nahtlose Integration von Echtzeit-, In-Store- und Online-Kundenerleb- nis ermöglicht. Die Kunden können die Starbucks Augmented Reality (AR)-An- wendung nutzen und die wichtigsten Funktionen rund um die Rösterei anzei- gen lassen. 19
Verkauf von Non-Food Produkten – wahrlich ein „dritter Ort“. Um das aus Kundensicht einmal zu dokumentieren, Starbucks bietet auch neben seinen Mar- hier eine TripAdvisor-Beurteilung eines kenbechern und Tassen zusätzliche Arti- Besuchers: kel zum Kauf an. Das Sortiment orientiert sich am Branding der Lifestyle-Marke „If you really want to have a fresh coffee, Starbucks. Marken-T-Shirts, Schmuck, Ta- I mean the coffee made from the green schen und Geldbörsen ergänzen die typi- raw beans all the way to the well roasted schen Standardasccessoires und machen and ground to your taste, try this flagship Starbucks zu einem Namen, den Kunden coffee factory/Store in downtown Shang- mit Stolz besitzen und präsentieren kön- hai! This store of 27000 square feet was nen. Das Preisschild für diese Produkte officially opened today in Shanghai, ... I spiegelt die neue begehrte Positionie- was lucky to line up nearly 2 hours to get rung der Marke wider: eine kleine Geld- in and tried out the freshness of coffee börse für über zweihundert Euro. boosted by Starbucks as the „bean-to- cup experience. As usual, I had my Ame- ricano and truly enjoyed the fragrance Einkaufs- und Genusserlebnis im Starbucks and freshness of the coffee! This is more than a store, call it an Apple Store in Cof- Der Starbucks Flagship-Store in Shanghai fee industry or an experience center, all ist ohne Zweifel ein Ort, der Erlebnis und about coffee! Don‘t miss this if you are in vieles anderes für seine Besucher bietet Shanghai.“ 20
Whitepaper | Oktober 2018 | Der dritte Ort – Der stationäre Handel in der digitalen Welt EIN BLICK IN DIE ZUKUNFT Wird es in der Zukunft physische, sta- Szenario Zwei - Physische Einzelhandelsge- tionäre Geschäfte geben oder nicht. Hier schäfte überleben sind zwei Szenarien: Aber auch trotz der neuen innovativen Technologien, die das Einkaufen erleich- Szenario Eins - Physische Einzelhandelsge- tern, ist es durchaus möglich, dass Ein- schäfte sterben aus zelhandelsgeschäfte überleben. Denn es gibt immer noch die Notwendigkeit, Ar- Technologie spielt eine große Rolle beim tikel und Produkte physisch zu berühren Einkaufen. Mit Hilfe von künstlicher In- und anzuprobieren, bevor ein Kauf getä- telligenz und Datenanalysen wird der tigt wird. Es ist jedoch sehr wahrschein- Handel intelligenter und vorausschauen- lich, dass größere Filialgeschäfte online der. Die Marken kennen die genauen Be- migrieren und kleinere Nischen-Shops dürfnisse, Größen und Präferenzen der die physische Verkaufsfläche dominie- Menschen und liefern automatisch die ren. Produkte, die sie benötigen. Wenn wir eine Jeans benötigen, könnten Algorith- Überlebende Einzelhandelsgeschäfte men genau das finden, was wir brauchen, bewegen sich in Richtung eines erleb- und das richtige Produkt liefern oder es nisorientierten Ansatzes. Sie werden zu zumindest auf einige wenige Optionen „dritten Orten“. Anstelle von endlosen beschränken. Gängen gefüllt mit Produkten sind diese Geschäfte eher wie Showrooms, die es Es wird keine Notwendigkeit geben, in den Kunden ermöglichen, die Produkte einem physischen Geschäft einzukaufen, zu berühren und zu fühlen und sie dann da alle unsere Bedürfnisse vorhergesagt direkt aus einem Lager nach Hause lie- werden, bevor wir einkaufen. Augmen- fern zu lassen. Diese Filialen haben weni- ted Reality und Virtual Reality könnten es ger Bestände, können aber dennoch die auch ermöglichen, Gegenstände in unse- Bedürfnisse der Kunden erfüllen. Marken ren Häusern und am Körper bequem von wie Vans, Ikea und Apple errichten seit unserem Wohnzimmer aus zu sehen. Das Jahren mit großem Erfolg Erlebnisläden. bedeutet, dass wir, anstatt in den Laden Dieser Trend wird sich voraussichtlich zu gehen, um Kleidung anzuprobieren, weiter verstärken. eine Vorschau ansehen und dann von zu Hause aus einkaufen. Hinzu gilt es den sozialen Aspekt des Ein- kaufens zu berücksichtigen. Menschen sehnen sich nach menschlicher Interakti- 21
on, und da die Welt immer digitaler wird, Mischung aus beiden Szenarien ist wahr- kommt Interaktion manchmal vom Ge- scheinlich spräch mit einem Verkaufsmitarbeiter im Geschäft. Einkaufen ist ein gesellschaftli- Vielleicht ist das wahrscheinlichste Sze- ches Erlebnis, und nichts kann ersetzen, nario eine Mischung aus diesen beiden wenn man mit Freunden durch einen gegensätzlichen Szenarien - mehr Integ- Laden flanieret. Keine Technologie kann ration zwischen dem physischen Einzel- jemals menschliche physische Berührung handel und dem E-Commerce. Die Tech- von Produkten und menschliche Inter- nologie wird eine neue Rolle spielen und aktion ersetzen. Ein Algorithmus könnte es den Kunden ermöglichen, Artikel zu se- das perfekte Kleid wählen, aber er wird hen und auszuprobieren, bevor sie einen nicht in der Lage sein, einer Kundin zu- Kauf tätigen. Der Grundbedarf könnte zuhören, die ihre Begeisterung über das durch Abonnements und automatische besondere Ereignis, für das sie einkauft, Nachfüllungen gedeckt werden, und der teilt. Rest des Freizeiteinkaufs könnte in einem modernisierten Einzelhandelsgeschäft erfolgen. Das Kundenerlebnis wird sich in der unsicheren Zukunft des Einzelhandels definitiv verändern. Egal, ob wir in Show- rooms einkaufen oder Artikel virtuell von zu Hause aus auswählen, das Erlebnis wird immer einen Unterschied machen. 22
Whitepaper | Oktober 2018 | Der dritte Ort – Der stationäre Handel in der digitalen Welt DER DRITTE ORT: BERATUNG, AMBIENTE UND INNOVATIVE TECHNIK IM MASSIMO DUTTI FLAGSHIP-STORE IN MÜNCHEN Massimo Dutti hat jüngst in der Thea- nem neuen Flagship-Store ein Geschäft, tinerstraße in München seinen Flag- in das die Käufer gerne gehen, in dem sie ship-Store nach einer längeren Umbau- sich aufhalten, ihre Freizeit verbringen, phase wiedereröffnet. Umgesetzt wurde etwas genießen, erleben und einkaufen. ein neuartiges Store-Konzept, bei dem auf insgesamt 900 Quadratmetern und zwei Etagen Verkaufsfläche die Zusam- Wohlfühl-Optik lädt zum Eintreten und Ver- menarbeit mit Künstlern und besonde- bleib ein ren Marken deutlich sichtbar wird. Der ist wunderschön gestaltet, mit vielen Hinguckern, einer sehr persönlichen Be- Ein dritter Ort in München ratung und dezent integrierter innovati- ver Technologie. Fast schon fotogen wirkt Mit seinem neuen Flagship-Store in Mün- das Interieur des neuen Stores. Hübsche chen hat die Marke ein „dritten Ort“ ge- Sitzgelegenheiten und eine herbstliche schaffen - ein Umfeld und das Geschäft Naturinszenierung aus Apfelbaum- und so gestaltet, dass es als sozialer Treff- Beerenzweigen im Eingangsbereich wir- punkt dient. Massimo Dutti bietet in sei- ken als Eyecatcher. Die botanische Instal- 23
lation in Herbstfarben steuerte der belgi- Modernste Technik für den Erlebniseinkauf schen Blumenkünstler Thierry Boutemy bei. Daneben hat die in München gebo- Zu den innovativen Technologien im rene und in London lebende Künstlerin neuen Shop gehört unter anderem ein Natalie Loher für die Filiale ein mehrdi- „Magic Mirror“, ein interaktiver Spiegel, mensionales Wandkunstwerk - aus Kera- der auf RFID regiert: Kunden können mit mik und Fotos - geschaffen, das Kunst mit dem Spiegel interagieren, in dem sie Klei- Mode verbindet. dungsstücke vor ihn halten. Der Spiegel zeigt dann alle nötigen Infos zum Produkt und macht Styling-Vorschläge. Der Spie- Co-Branding - Zusammenarbeit mit anderen gel zeigt aber auch einen Barcode an, Marken den die Kunden mit einer App scannen und so den Artikel in den Warenkorb le- Der Kunstbuchverlag Taschen arbeitet gen können. in München erstmals mit Massimo Dut- ti zusammen. Beide Marken haben ge- Eine weitere Neuerung sind die Umklei- meinsam in der Filiale einen Bereich, dekabinen, die interaktiv bedient wer- eine Art Bibliothek, geschaffen, in dem den können. Alle Kabinen verfügen über ausgewählte Buchexemplare ausgestellt Touchscreens, die die anzuprobierenden sowie verkauft werden sollen. Damit Kleidungsstücke per RFID erfassen und entstehe auch die erste und einzigarti- auf dem Bildschirm anzeigen. Über die ge Taschen-Bibliothek der Stadt, heißt Touchscreens sind weitere Informatio- es seitens der Partner. Die Installation nen zu den Kleidungsstücken und Acces- „Fundstücke“ der Künstlerin Natalie Lo- soires abrufbar. her soll ebenfalls die ästhetisch empfind- samen Teile der Kundschaft ansprechen. Oder die Kunden können zum Beispiel Artikel in anderen Größen anfordern oder alternative und ergänzende Produk- Exklusivität: Limitierte Kollektion nur in Mün- te und Vorschläge abrufen. Wer keine chen Lust hat an der Kasse Schlange zu stehen, kann über die Screens auch gleich online Eine weitere Besonderheit im Massimo bestellen. Dutti Flagship-Store in der bayerischen Landeshauptstadt ist die „Munich Selec- tion“, eine limitierte Damenkollektion, die es nur hier zu kaufen gibt. Außerdem bietet der Shop erstmals eine persönli- che Stilberatung für Kunden an. 24
Whitepaper | Oktober 2018 | Der dritte Ort – Der stationäre Handel in der digitalen Welt Einzigartiges Shopping-Erlebnis in München 3. Co-Branding mit anderen Marken Der Massimo Dutti Flagship-Store in 4. Innovative Elemente zur Steigerung München ist ein neuer „dritter Ort“. Er des Einkaufserlebnisses ist so gestaltet, dass sich Menschen und Käufer dort wohlfühlen und dort gerne Kunden, die anspruchsvolle Qualität kau- einkaufen. Er bietet vier wesentliche Ei- fen möchten, wird ein einzigartiges Shop- genschaften: ping-Erlebnis auf der Fläche geboten. Die Kunden werden mit Beratung, Ambiente, 1. Interessante und wohlfühlende Ge- Kunst und Technologie gewonnen. staltung der Verkaufsräume 2. Persönliche Beratung, angenehme At- mosphäre und Exklusivität 25
AUSBLICK Das stationäre Geschäft im Handel muss physischen Räume planen, entwerfen, sich neu erfinden, sonst wird es im Rah- bauen und betreiben: in erster Linie Er- men des Darwinismus im innerstädti- fahrungen und Erlebnisse und in zweiter schen Handel nicht überleben. Wie wir Linie Produkte. Produkte zu kaufen ist wissen, wird das stationäre Geschäft in nicht mehr ausreichend. Viele Menschen den nächsten Jahren nicht mehr dassel- erwarten Erlebnisse beim Einkaufen und be sein. Was macht ein Geschäft für den mit dem Produkt. Erlebnisse, an die sie Kunden attraktiv und wie muss das Ge- sich erinnern. schäft gestaltet werden, um die „Retail Shoppability“ zu erhalten? Der Mensch bleibt auch wichtig. Denn Kunden möchten vor allem eines, wenn Das Geschäft muss ein Ort für die erste sie durch die Läden flanieren: gute Un- und zweite Unterhaltung und zu unse- terhaltung. Sie erwarten eine exzellente rem dritten Ort werden. Ohne eine star- Beratung, im besten Fall auf die indivi- ke Betonung der Unterhaltung haben duellen Bedürfnisse zugeschnitten. Der die Kunden wenig Grund, überhaupt Kunde möchte umworben und respekt- ins Geschäft zu gehen. Als Konsequenz voll behandelt werden, weniger als heißt das, dass der Einzelhändler, um in Käufer, sondern mehr als Gast. Daher: Zukunft überlebensfähig zu sein, diesen Kunden wie Gäste behandeln, nicht wie Ansatz darauf anwenden, wie sie ihre Käufer! 26
Whitepaper | Oktober 2018 | Der dritte Ort – Der stationäre Handel in der digitalen Welt ÜBER DEN AUTOR stützt Unternehmen bei der konkreten Umsetzung der Lösungen. Als Partner der Digital Connection (www.digitalcon- nection.de) unterstützt er Marken, Agen- turen, und den Handel bei der Entwick- lung neuer Geschäftsmodelle, Customer Journeys und digitalen Touchpoints. Als Impulsgeber, Redner und Moderator führt er immer wieder durch die span- nende Welt der Technologie, Innovation Dr. Gerd Wolfram zählt zu den Pionieren und des Retail. des Einsatzes neuer, innovativer Techno- logien im Handel. Die Zukunft des Ein- Gerd Wolfram ist Autor von „Digital Con- kaufens, das Internet der Dinge (IoT) und nection – die bessere Customer Journey neue Technologien trieb er als Visionär mit smarten Technologien“. Er schreibt und Executive in der Metro Group Future für den Blog „Die Zukunft des Einkau- Store Initiative voran. fens“, ist Gastdozent an unterschied- lichen Hochschulen und ein erfahrener Heute entwickelt er als CEO und Berater Keynote-Sprecher. von IoT Innovation & Consult (www.iot- icon.com) Digitalstrategien und unter- Kontakt: gerd.wolfram@gmvteam.com 27
HERAUSGEBER TEAM Zukunft des Einkaufens Heike Scholz Der stationäre Handel hat die wunderba- Nach über zehn Jahren als Strategiebe- re Aufgabe, sich komplett neu erfinden raterin für internationale Unternehmen zu dürfen. In den letzten 15 Jahren hat gründete die Diplom-Kauffrau 2006 mo- eCommerce den Point of Sale virtualisiert bile zeitgeist und machte es zum führen- und jederzeit verfügbar gemacht. Das den Online-Magazin für das Mobile Busi- geht nicht ohne Veränderung des Kon- ness im deutschsprachigen Raum. Heute sumverhaltens einher. Der Konsument ist sie eine anerkannte und geschätzte von heute ist ein absoluter Profi, der alle Speakerin und gehört zu den Köpfen der Informationen über Preise, Verfügbarkei- deutschen Internet-Szene. ten und Qualitäten in Sekundenschnelle verfügbar hat. Was aber immer bleiben wird: Der Konsument ist ein Mensch, der Karin Wunderlich emotional reagiert und unterbewusst handelt, sonst wäre er ja der berühmte Shopper Marketing Evangelist mit Lei- „Homo Oeconomicus”, den es bekannt- denschaft für Innovationen! Die Volks- lich nicht gibt. wirtin (B.S., USA) war zehn Jahre im Key Account Management und Promotion Wir sind der festen Überzeugung, dass Management bei führenden FMCG Un- die stationären Händler, die es geschafft ternehmen und 13 Jahre Geschäftsführe- haben, sich neu zu erfinden, eine gro- rin bei POPAI DACH e.V. Heute in der Un- ße Zukunft haben. Diese Zukunft zu be- ternehmensberatung und als profilierte schreiben ist Inhalt von ZUKUNFT DES Key Note Speakerin tätig. EINKAUFENS. Wir fördern die Diskussion und Weiterentwicklung von Handelskon- zepten und innovativen Ideen, begleiten Frank Rehme unsere Kunden auf ihrem Weg, schaffen ein öffentliches Bewusstsein und helfen Frank Rehme gilt als einer der wichtigs- Händlern und Konsumenten, die Chan- ten Vordenker im Bereich Innovation und cen der Digitalisierung zu ergreifen. Zukunftsgestaltung. Als Unternehmer, Strategieberater, Speaker und Manage- mentcounsel erarbeitet er praxisgerech- te Antworten auf die Fragen der Zukunft. Das Handelsblatt beschreibt ihn als „den umsetzungsorientierten Morgenmacher mit Weitblick“. 28
Whitepaper | Oktober 2018 | Der dritte Ort – Der stationäre Handel in der digitalen Welt KONTAKT & IMPRESSUM ZUKUNFT DES EINKAUFENS Rehme, Scholz, Wunderlich GbR Rather Kirchplatz 11 40472 Düsseldorf Deutschland Telefon: +49 (0) 175 24 18 886 info@zukunftdeseinkaufens.de © ZUKUNFT DES EINKAUFENS, 2018 Bildnachweis Titel: Unsplash Seite 4: Pixabay Seite 6: Pixabay Seite 8: L&T Seite 11: Pixabay Seite 13: Pixabay Seite 15: Pixabay Seite 17: Starbucks Seite 18: Starbucks Seite 23: Inditex Seite 25: Inditex 29
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