Digitale genetische Informationen und die Idee des Access and Benefit Sharing
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Digitale genetische Informationen und die Idee des Access and Benefit Sharing Schweizerische Eidgenossenschaft Confédération suisse Confederazione Svizzera Confederaziun svizra Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich EKAH 1
Inhalt 1 Ethische Fragestellung und ihre Rahmenbedingungen 2 Ausgangslage 3 Was sind digitale genetische Informationen? 4 Digitale genetische Informa- tionen und die Idee des Access und Benefit Sharing 5 Empfehlungen
1 Ethische Fragestellung und ihre Rahmenbedingungen Mit einem systematischen Screening Im vorliegenden Bericht geht es der 1 Siehe zu Anwendungsfeldern z.B.: netzwerkforum und der Digitalisierung der in biologi- EKAH generell um die Frage: Wie soll zur biodiversitätsforschung deutschland (NeFo), schen Ressourcen vorliegenden DNA, mit digitalen genetischen Informatio- Digitale Sequenzinformation (DSI), NeFo-Fak- RNA und Nukleotiden lassen sich gro- nen umgegangen werden?3 Spezifisch tenblatt zur Vorbereitung auf SBSTTA[*]-22, 28. sse Datensammlungen über geneti- wird diskutiert, ob sich die im Nagoya- Juni 2018. [*SBSTTA steht für Subsidiary Body on sche Informationen anlegen. Solche Protokoll festgehaltene Idee des Access Scientific, Technical and Technological Advice Datensammlungen sind sowohl für und Benefit Sharing (ABS) auch auf der CBD.] die Forschung bedeutend als auch für digitale genetische Informationen be- 2 Das Nagoya Protocol on Access to Genetic Resour- breite Anwendungen interessant. Sie zieht. Über die Diskussion des Nagoya- ces and the Fair and Equitable Sharing of Benefits können zum Verständnis molekularer Protokolls hinaus wird der Blick auch Arising from Their Utilization, wurde im Oktober Grundlagen und Evolutionsprozesse auf andere völkerrechtliche Vereinba- 2010 an der 10. Vertragsstaatenkonferenz der UN- beitragen und die Entwicklung neuer rungen gerichtet, in deren Rahmen der Biodiversitätskonvention in Nagoya beschlossen. Therapien und Medikamente voran- Umgang mit digitalen genetischen In- Es trat im Oktober 2014 in Kraft. treiben. Da sich mit diesen Informati- formationen ebenso thematisiert wird. 3 Der Bericht beschränkt sich auf Informationen onen Lebewesen sowie tierische und Denn genetische Informationen liegen über genetische Ressourcen des ausserhuma- pflanzliche Produkte genetisch genauer zunehmend in digitaler Form vor. Der nen Bereichs, weil dies dem Mandatsbereich der bestimmen lassen, können solche Da- Zugang zu digitalen genetischen Res- EKAH entspricht. Der Umgang mit humangene- tensammlungen auch dazu beitragen, sourcen und ihr Austausch sind dann tischen Ressourcen wirft zudem andere ethische illegalen Handel zu bekämpfen, womit ethisch relevant, wenn dies für das Fragen auf. beispielsweise bedrohte Arten besser Erreichen von moralisch signifikan- geschützt werden können. Auch die ten Schutzzielen ein entscheidender geografische Herkunft von Produkten Faktor ist. Zu diesen Schutzzielen könnte besser hergeleitet werden, was gehören Beiträge zum Schutz der Ge- die Kontrolle der Produktionskette er- sundheit von Menschen, Tieren und leichterte.1 Pflanzen, die Ernährungssicherheit und der Schutz der Umwelt und Biodiver- In der Debatte um den Umgang mit sität. Die Regelung des Zugangs zu diesen digital gespeicherten Informa- den genetischen Informationen wur- tionen wird zum einen die Position ver- de in verschiedenen Vereinbarungen treten, dass es zum Vorteil aller sei, mit der Idee eines Vorteilsausgleichs wenn sie frei zugängig sind. Zum an- verknüpft. Diese Verknüpfung soll dem deren wird pragmatisch argumentiert, Schutz der Biodiversität und damit dem solche Daten seien jedenfalls nicht den Schutz der genetischen Ressourcen Regelungen des Nagoya-Protokolls 2 dienen. Solange nicht alle Vertrags- unterworfen. Dieses beziehe sich nur parteien davon ausgehen, dass der auf materielle genetische Ressourcen, Umgang mit digitalen genetischen In- nicht aber auf «immaterielle» digita- formationen dem Geltungsbereich des le Informationen. Kritische Stimmen Nagoya-Protokolls unterliegt, bleibt befürchten, dass dadurch bereits be- der Zugang zu diesen Informationen stehende Regulierungen wie das ge- ungeregelt und es entsteht auch kein nannte Nagoya-Protokoll nicht nur für Anspruch auf Vorteilsausgleich. digitale, sondern für alle Informationen auf der Grundlage genetischer Res- Im vorliegenden Kontext lautet die sourcen ausgehebelt und wirkungslos ethisch entscheidende Frage, ob der würden. Denn Digitalisierung und Da- Träger der genetischen Information tenbanken machten den Rückgriff auf mit Blick auf einen angemessenen die Ressourcen der Bereitstellerländer Umgang mit dieser Information re- überflüssig. Durch das Unterlaufen der levant ist. Diese Diskussion erfolgt Regulierungen des Protokolls blieben grundsätzlich losgelöst vom bestehen- auch die damit verbundenen Ziele des den Recht. Aus ethischer Sicht muss Biodiversitätsschutzes aussen vor. aber auch der bestehende rechtliche 3
und politische Kontext berücksichtigt 4 Für eine vertiefte ethische Diskussion über Ver- werden. Empfehlungen zur Umsetzung fügungs- und Ausschlussrechte an digitalisierten von Grundsätzen für einen ethisch ge- Gensequenzen und genetischen Ressourcen sie- rechtfertigten Umgang mit digitalen he: Otto Schäfer, Digitale Sequenzinformationen. genetischen Informationen müssen Ethische Fragen der Patentierung genetischer deshalb die Möglichkeiten innerhalb Ressourcen und des Eigentums an digitalisier- dieser Realitäten ausloten.4 ten Sequenzinformationen, Bd. 13 der Buchreihe «Beiträge zur Ethik und Biotechnologie», 2020. 4
2 Ausgangslage 2.1 Gegenstand internationaler die Bedeutung digitaler Datenbanken 5 SR 0.451.43 Regulierungsdiskussion über genetische Ressourcen waren 6 Art. 1 des Nagoya-Protokolls: «Ziel dieses Proto- zum Zeitpunkt, als diese Vereinba- kolls ist die ausgewogene und gerechte Aufteilung Digitale genetische Informationen rungen entstanden, noch nicht oder der sich aus der Nutzung der genetischen Res- sind derzeit auf der Ebene mehrerer zumindest nicht in dem Grade abseh- sourcen ergebenden Vorteile, insbesondere durch völkerrechtlicher Vereinbarungen und bar. Diskutiert wird deshalb derzeit, angemessenen Zugang zu genetischen Ressour- ihrer Umsetzungen Gegenstand der ob digitale Sequenzinformationen im cen und angemessene Weitergabe der einschlä- Diskussion. Der vorliegende Bericht Nagoya-Protokoll eingeschlossen sind gigen Technologien unter Berücksichtigung aller konzentriert sich zur Klärung der Fra- oder nicht.8 Rechte an diesen Ressourcen und Technologien ge, wie mit genetischen Informationen sowie durch angemessene Finanzierung, um so umgegangen werden soll, insbeson- Auch im Rahmen des Saatgutvertrags, zur Erhaltung der biologischen Vielfalt und zur dere auf das Übereinkommen über einem internationalen Übereinkommen nachhaltigen Nutzung ihrer Bestandteile beizu- die biologische Vielfalt (Convention zur Erhaltung und nachhaltigen Nut- tragen.» (SR 0.451.4329). on Biological Diversity, CBD)5 und das zung pflanzengenetischer Ressourcen 7 Diese umfasst nach CBD die Artenvielfalt, die ge- darauf basierende Nagoya-Protokoll. für Ernährung und Landwirtschaft9 der netische Diversität von Arten und die Vielfalt von In diesem Rahmen wird diese Dis- Ernährungs- und Landwirtschaftsorga- Ökosystemen. kussion unter dem Begriff «digitale nisation der Vereinten Nationen (FAO), 8 Für deren Einschluss argumentieren Kaspar Soll- Sequenzinformationen» geführt. Mit werden digitale Informationen und die berger, Digitale Sequenzinformationen und das dem Protokoll wird eines der Ziele des Regelung des Zugangs und Austau- Nagoya-Protokoll, rechtliches Kurzgutachten im Übereinkommens umgesetzt. Es regelt sches stets wichtiger. Für die Züchtung Auftrag des Bundesamts für Umwelt (BAFU), 7. den Zugang zu genetischen Ressour- werden vermehrt auch digitale Infor- April 2018, sowie Elizabeth Karger, Study on the cen über ein bilaterales System.6 Im mationen herangezogen und damit use of digital sequence information on genetic Gegenzug dafür, dass die Herkunfts- Gewinne erzielt. Der Vertrag regelt in resources in Germany in the project Scientific and staaten Zugang (Access) zu ihren ge- einem multilateralen Ansatz mit einem technical support on implementing the Nagoya netischen Ressourcen gewähren, teilen standardisierten Materialtransferver- Protocol – Part 1 «Digital sequence information die Nutzenden einen Anteil aus den da- trag den Zugang zu den weltweiten and ABS». UFOPLAN 2017 F&E-Vorhaben (FKZ raus gewonnenen Vorteilen mit dem Saatgutbanken.10 Er umfasst bis jetzt 3517810100) on behalf of the German Competent Bereitstellerland (Benefit Sharing). Den nur eine beschränkte Zahl von Nutz- National Authority for the Nagoya Protocol in col- Vorteilsausgleich handeln die Nutzen- pflanzenarten, wobei einige wichtige laboration with the Institut für Biodiversität – Netz- den mit den Bereitstellerländern bila- wie Soja, Tomaten und Erdnüsse nicht werk e.V.: 1 – 80, 2018. Eine gegenteilige rechtliche teral aus. Indigene und lokale Gemein- darunterfallen. Alle Nutzpflanzen, die Argumentationslinie folgt dem Wortlaut von Art. schaften und deren Leistungen sind nicht mit dem Materialtransfervertrag 2 der CBD und Art. 2 des Nagoya-Protokolls. Da- in die Gewährung des Zugangs und des FAO-Saatgutvertrags ausgetauscht nach sei eine genetische Ressource genetisches den Vorteilsausgleich einzubeziehen. werden, unterliegen den Regeln des Material (von tatsächlichem und potenziellem Denn es handelt sich dabei auch um Nagoya-Protokolls. In diesen Fällen Wert). Genetisches Material wird als Material empirisches Wissen über Funktionen müssen Züchterinnen und Züchter biologischen Ursprungs definiert, das funktionelle und Wirkungen genetisch vererbbarer den Zugang bilateral aushandeln. Wie Vererbungseinheiten, in der Regel Gene, enthält. Eigenschaften, das in diesen Gemein- das Nagoya-Protokoll sieht auch der Genetische Ressourcen sind demnach Materialien schaften erarbeitet und (oft mündlich) Saatgutvertrag vor, dass ein (kleiner) wie Organismen oder Teile davon, in denen Gene bewahrt und weitergegeben wird (sog. Teil des Nutzens in die Erhaltung und vorhanden sind. Nach diesem Verständnis kann traditional knowledge). Das Instrument nachhaltige Nutzung der Sortenvielfalt sich der Begriff deshalb nur auf genetisches Mate- des ABS soll dem Schutz der biologi- zurückfliesst.11, 12 rial beziehen, das physisch Gene enthalten muss. schen Vielfalt als dem zentralen Ziel der Daraus folgt, dass digitale Sequenzinformationen CBD dienen.7 Die Bereitsteller müssen Vergleichbar setzt auch die Weltge- keine genetische Ressource im Sinne der CBD und deshalb den Vorteilsausgleich als «Hü- sundheitsorganisation (WHO) mit des Nagoya-Protokolls sind und deshalb nicht der ter der Biodiversität» zur nachhaltigen Blick auf die Bekämpfung von Pan- Pflicht zum Vorteilsausgleich unterstehen. So auch Nutzung und zur Erhaltung der biolo- demien auf eine Access and Benefit z.B. in der Submission der Schweiz an die CBD gischen Vielfalt (im weitesten Sinne) Sharing-Regelung für (digitale) ge- vom 8. September 2017: «Government of Swit- einsetzen. Umfang und Tempo, wie ge- netische Informationen über Influen- zerland Submission in response to CBD Notifi- netische Informationen heute erfasst zaviren.13 Damit soll ein rascher und cation 2017-037 – Digital Sequence Information und digitalisiert werden können, und einfacher Zugang zu den genetischen on Genetic Resources». Darin wird die Position 5
Informationen gewährleistet werden. vertreten, dass ein Vorteilsausgleich zwischen in Sharm El Sheik, Ägypten von November 2018 Im Gegenzug sollen jene Länder, die die Nutzern und Anbietern aufgrund von Vereinba- zu «Digital sequence information on genetic Informationen zur Verfügung stellen, rungen (sog. Mutally Agreed Terms MAT) bei der resources». einen raschen und fairen Zugang zu Verwendung von digitalen Sequenzinformatio- 16 Siehe hierzu etwa: netzwerkforum zur biodiver- den auf der Basis dieser Informationen nen nur dann zu leisten ist, wenn die Vorteile der sitätsforschung deutschland (NeFo), Digitale entwickelten Impfstoffen, Diagnostik- DSI auf der Basis einer (physischen) genetischen Sequenzinformation (DSI), Faktenblatt zur Vor- werkzeugen und Therapien erhalten. Ressource erzielt werden. Eine andere rechtliche bereitung auf SBSTTA-22, 28. Juni 2018. Darin Um diese Ziele erreichen, wird ein Auslegung argumentiert, dass auch wenn CBD und wird aufgelistet, wie im aktuellen SBSTTA-22-Do- multilateraler Ansatz verfolgt. Darun- Nagoya-Protokoll materielle genetische Ressour- kument DSI mit ganz unterschiedlichen Themen ter versteht man Vereinbarungen, die cen im Fokus hatten, es bei der Nutzung dieser und Datentypen in Verbindung gebracht wird. nicht einzeln zwischen Staaten und Ressourcen immer nur um die Information geht, Nutzenden bilateral ausgehandelt die daraus auf der Grundlage des genetischen werden, sondern zwischen mehreren Codes gewonnen wird. Staaten oder Völkerrechtssubjekten 9 International Treaty on Plant Genetic Resources gemeinschaftlich und prinzipiell gleich- for Food and Agriculture. berechtigt geschlossen werden und für 10 Patentierungen an pflanzengenetischen Ressour- alle gleichermassen Geltung entfalten. cen aus dem multilateralen System schliesst Art. 12.3 d) des FAO Plant Treaty zwar nicht grundsätz- 2.2 Fehlende rechtliche lich aus, aber er knüpft sie an Bedingungen. Der Definition Zugang wird nur gewährt, wenn die Empfänger keine Rechte beanspruchen, die den erleichterten Die Diskussion innerhalb der CBD und Zugang zu den pflanzengenetischen Ressourcen dem Nagoya-Protokoll wird unter dem für Ernährung und Landwirtschaft, die aus dem Begriff «digitale Sequenzinformationen multilateralen System stammen, einschränken. über genetische Ressourcen»14 (DSI) (Für weitere Informationen zur Auslegung der Be- geführt. Die Parteien konnten sich auf stimmung siehe S. 92 IUCN Explanatory Guides eine verbindliche rechtliche Definition zum Treaty.) bisher jedoch nicht verständigen. Einig 11 Das System der standardisierten Bedingungen ist man sich nur darin, dass der Begriff des Saatgutvertrags für Nutzung und Vorteilsaus- für die Umsetzung der CBD-Ziele der gleich weist noch zahlreiche Schwächen auf: Viele Klärung bedarf.15 Sammlungen genetischer Ressourcen wurden noch nicht in das System integriert, über wider- Auch die an der Diskussion beteilig- rechtlich erteilte Patente besteht keine Kontrolle ten Akteure verwenden den Begriff und Pflichtzahlungen in den Fonds erfolgtem bis- nicht einheitlich. Er wird darüber hi- her nur sehr wenige. Im September 2013 beschloss naus in unterschiedlichen Kontexten das Lenkungsorgan deshalb, mit Verhandlungen für verschiedene Datentypen heran- zur Reform des multilateralen Systems zu begin- gezogen. Teilweise geht es allein um nen. Diese Verhandlungen dauern bis heute an. die DNA-Sequenz, mitunter werden 12 Zur Diskussion um eine Weiterentwicklung mul- zusätzlich Funktionen und Verhal- tilateraler Ansätze im Rahmen des FAO-Saat- tensdaten genannt, bisweilen aber gutvertrags siehe Sylvain Aubry: The Future of auch Informationen über ökologische Digital Sequence Information for Plant Genetic Zusammenhänge oder Modalitäten Resources for Food and Agriculture, Frontiers in der Nutzung.16 Dieses Nutzungswissen Plant Science, Vol 10, Article 1046, August 2019. wird im Nagoya-Protokoll, wenn es sich 13 WHO Pandemic Influenza Preparedness Frame- um gemeinschaftliches Wissen indi- work (PIP), einstimmig verabschiedet an der Welt- gener Bevölkerungsgruppen handelt, gesundheitsversammlung im Mai 2011. als traditionelles Wissen und kultureller 14 Engl. digital sequence information on genetic Wissensschatz über die Nutzung von resources. genetischen Ressourcen erfasst. 15 Siehe Entscheid 14/20 der CBD-Parteienkonferenz 6
3 Was sind digitale genetische Informationen? Angesichts des Umstands, dass der Informationsgehalt. Ohne dieses Wis- 17 Paradigmatisch sei auf eine Formulierung von Begriff der digitalen DNA-Sequenz- sen ist nicht einmal zu ermitteln, welche Francis Crick verwiesen: «In its simplest form information derzeit nicht präzise defi- Abschnitte der DNA eine spezifische [the sequence hypothesis] assumes that the spe- niert ist, ist es hilfreich, bei dem weiter Information tragen. Um handlungsre- cificity of a piece of nucleic acid is expressed verbreiteten Begriff der «genetischen levante Informationen zu generieren, solely by the sequence of its bases, and that Informationen» anzusetzen. ist es notwendig, funktionelle Elemente this sequence is a (simple) code for the amino des Genoms bzw. des Transkriptoms acid sequence of a particular protein. [The cen- Seit den 50er Jahren werden in Bezug zu identifizieren und deren Funktion zu tral dogma] states that once ‹information› has auf das Wirken der Gene Begriffe wie charakterisieren. Der im biologischen passed into protein it cannot get out again. In «Information», «Code», «Transkribie- Prozess wirkende biologische «Code» more detail, the transfer of information from ren» oder «Sprache» benutzt. Der Be- muss in einer menschlichen Sprache nucleic acid to nucleic acid, or from nucleic acid griff der genetischen Information be- wiedergegeben werden. Auf die Wei- to protein may be possible, but transfer from zieht sich auf jene «Information», die in tergabe von Wissen über die Aktivität protein to protein, or from protein to nucleic acid Form von DNA-Molekülen (oder selte- von Genen bezieht sich das zweite Ver- is impossible. Information means here the pre- ner RNA-Molekülen) gespeichert ist.17 ständnis der genetischen Information. cise determination of sequence, either of bases Aber auch epigenetische Veränderun- Medium der Information ist hier nicht in the nucleic acid or of amino acid residues in gen der DNA, die bei neuen Methoden mehr die DNA oder RNA, sondern eine the protein.» (Crick, Francis, On Protein Synthe- des Sequenzierens mit erfasst werden, menschliche Sprache, mit der über ei- sis, Symposium of the Society of Experimental sind solche genetische «Informatio- nen biologischen Prozess gesprochen Biology, 12, 1958: 152 – 153. nen». Diese «Informationen» sind ein wird. Wie in der üblichen Verwendung 18 Vgl Christina Brandt, Metapher und Experiment. unabhängig von Menschen bestehen- des Begriffs in der Humangenetik und Von der Virusforschung zum genetischen Code. des natürliches Phänomen. Inwieweit Medizinethik bezieht sich «genetische Göttingen: Wallstein Verlag 2004 und allgemein es angebracht ist, hierfür den Begriff Information» auf alle Arten von Infor- zur Bedeutung genetischer Information: Elisa- der Information zu verwenden, oder mationen, die Auskunft über die gene- beth Hildt & Lasslo Kovasc, Was bedeutet ge- ob eine irreführende Metapher18 einge- tische Disposition von Menschen und netische Information?, Berlin: De Gruyter 2009. führt wurde, kann hier nicht diskutiert anderen Organismen geben. werden. Nimmt man diese übliche Re- deweise, werden genetische Informa- Man könnte einwenden, dass es stets tionen jedenfalls in einem spezifischen um dieselbe Information geht und die «Code», einer spezifischen Anordnung biologische genetische Information von je drei Nukleotiden, vermittelt. Die bei der Übertragung in Zeichen (z.B. Nukleotide der DNA und RNA sind die CTG) schlicht in menschliche Spra- Träger der Information, die Medien der che übersetzt wird. Aber dies setzte Informationsübertragung. Da andere voraus, dass hier nicht rein im meta- DNA-Abschnitte und ihre epigeneti- phorischen Sinne von Information ge- schen Modifikationen für die Regulati- sprochen wird. Zudem müsste diese on des Kopiervorgangs verantwortlich Bedeutung in menschliche Sprache sind, geht es – auch wenn die Rede von übersetzt werden können. Beides sind «Code» dies nahelegt – nicht allein um anspruchsvolle Thesen, die hier nicht Syntax (d.h. die Anordnung der Zei- vertreten werden sollen. Es ist sinnvol- chen), sondern auch um Semantik (d.h. ler, davon auszugehen, dass der Begriff die Bedeutung dieser Zeichen). Für das der genetischen Information auf zwei Genom als Ganzes wird die Metapher unterschiedliche Weisen verwendet des «Buchs des Lebens» verwendet. wird. Ein Verständnis bezieht sich auf einen in biologischen Prozessen wir- Für die menschliche Praxis ist der im kenden, unabhängig von Menschen biologischen Prozess wirkende «Code» in der Welt bestehenden «Code», das nur dann relevant, wenn Wissen über zweite auf menschliches Wissen über das Wirken der Gene vorliegt. Ohne die Aktivitäten der Gene, das sprach- diese Kenntnis ist die Sequenz der lich gefasst und anderen Menschen DNA oder RNA für Menschen ohne vermittelt werden kann. 7
Wenn man genetische Information als natürliches Phänomen, wird durch als natürliches Phänomen von jener die Digitalisierung ein noch nicht ent- als menschliches Wissen unterschei- schlüsselter «Code» in ein neues Medi- det, kann auch der Begriff der digita- um übertragen. Dies ist das erste mög- len genetischen Information (und der liche Verständnis digitaler genetischer digitalen Sequenzinformation) weiter Informationen. geklärt werden. Wenn man genetische Informationen Nimmt man genetische Information als im praktischen Sinn im Blick hat, be- natürliches Phänomen, ist naheliegend, darf es neben der Sequenz notwendig dass sich der Begriff der digitalen ge- Wissen über das Wirken der Gene. Die- netischen Informationen auf die digi- ses reicht letztlich von Kenntnissen zu tal wiedergegebene Nukleotidsequenz Genexpression und Funktionen, über bezieht. Es reichte aus, die DNA eines Daten zum Phänotyp bis hin zu – für Organismus zu sequenzieren, die sich das Verständnis des Wirkens der Gene ergebende Folge der Nukleotide als – relevantem Wissen über ökologische Zeichenfolge in digitale Formate um- Zusammenhänge und Modalitäten der zuwandeln und in einem digitaltech- Nutzung. Der Begriff der digitalen gene- nischen System zu verarbeiten. Dies tischen Informationen umfasst sowohl heisst aber nichts anderes, als dass eine Digitalisierung des biologischen man die Nukleotidsequenz in ein an- «Codes» als auch die Digitalisierung deres Medium kopiert und damit den des in sprachlicher Form vorliegenden «Code», die Information, mit kopiert. Wissens über die Funktion des Gens. Dies ist so, als ob man vor der Ent- Hier werden Daten digitalisiert und ge- schlüsselung der ägyptischen Hiero- speichert, die für Menschen direkt eine glyphen die Inschrift des Rosettasteins praktische Bedeutung haben können. abgezeichnet hätte. Es wäre zu dieser Zeit bekannt, dass in der Bilderfolge Wechselt man von «digitalen Genin- Informationen verborgen liegen. Aber formationen» zum Wort «digitale Se- niemand weiss, ob jedes Bild eine In- quenzinformation», ändert sich nichts. formation trägt oder ob (und wenn ja, Entweder geht es um die in der (DNA- welche) spezifische Zeichenfolgen eine oder RNA)-Sequenz gespeicherte und Bedeutung haben. Geschweige, dass durch diese vermittelte Information, bekannt ist, welche Information kopiert also um genetische Information als wurde. Man hat schlicht einen noch natürliches Phänomen. Oder aber es verschlüsselten Text in einem neuen geht um das Wissen bezüglich des Wir- Medium repräsentiert. Buchabbil- kens der Gene oder der DNA-Sequenz, dungen der kohau rongorongo-Tafeln also um genetische Informationen im kommt derzeit genau dieser Status zu. praktischen Sinne. Denn man hat die Schrift der Osterin- seln noch nicht entschlüsselt. Solange Welche Bedeutung hat dies für ethische Gene weder identifiziert noch charak- Überlegungen im Allgemeinen und für terisiert sind, werden durch die Digi- den im Nagoya-Protokoll festgehalte- talisierung der DNA-Sequenz für Men- nen Gedanken des ABS im Besonde- schen gegenwärtig unverständliche ren? Die Kommission beginnt zunächst Informationen mitübertragen. Selbst bei der spezifischen Frage, um in der die Identifikation der Gene allein wür- Diskussion diese allgemeinen Punkte de noch keinen Unterschied machen, zu klären. sofern man noch nicht versteht, welche Funktion die betreffenden Gene haben. Geht es um genetische Informationen 8
4 Digitale genetische Informa- tionen und die Idee des Access und Benefit Sharing 4.1 Das Nagoya-Protokoll und Gerechtigkeitsideen verstehen kann. 19 Vgl. Otto Schäfer (2020). die Diskussion um digitale Se- Die Kommission argumentiert im Fol- 20 Neben der ABS-Regelung sieht die CBD wei- quenzinformationen genden im Wissen, dass trotz seiner tere Instrumente vor, um ihre Schutzziele, den Unzulänglichkeiten das Protokoll auch Erhalt der Biodiversität und ihre nachhaltige Ziel der bilateralen ABS-Regelung des aus ethischer Sicht mangels derzeit Nutzung, zu erreichen: die Identifizierung und Nagoya-Protokolls ist, die vielfältigen realistischer Alternativen als politi- Überwachung der Biodiversität, ihren Schutz und unterschiedlichen Interessen an sche Wirklichkeit anzuerkennen ist. «in situ», d.h. vor Ort im Ökosystem wie auch der Nutzung von genetischen Ressour- In der gegenwärtigen Diskussion zu «ex situ» beispielsweise durch Genbanken und cen mit den Schutzzielen der CBD in den digitalen Sequenzinformationen andere Möglichkeiten zur Speicherung und zum Einklang zu bringen. Biodiversitätsrei- wird auch nicht das Nagoya-Protokoll Erhalt von genetischen Informationen. Weitere che Länder entscheiden selber darüber, selbst in Frage gestellt, sondern es wichtige Elemente sind die Unterstützung des ob und wie sie Zugang zu den gene- wird diskutiert, ob «digitale Sequenz- Technologietransfers, der wissenschaftlichen tischen Ressourcen gewähren. Dies informationen» Gegenstand der ABS- Zusammenarbeit und des Informationsaustau- setzt die Verfügungsrechte souveräner Regelung sind. Ähnliche Diskussionen sches. Staaten über die genetischen Ressour- zu ABS-Regimes für digitale genetische cen auf ihrem Territorium voraus.19 Als Informationen finden, wie einleitend Gegenleistung für den Zugang handeln erwähnt, auch im Rahmen des FAO- die Staaten mit den Nutzenden einen Saatgutvertrages statt. Vorteilsausgleich aus. Darin wird fest- gelegt, wie die Nutzenden die Bereit- Für den Ausschluss digitaler Sequen- stellerländer an einem kommerziellen zinformation spreche, so die eine Po- Vorteil beteiligen, der ihnen aus der sition, dass im Nagoya-Protokoll allein Verwertung der genetischen Ressour- von genetischen Ressourcen die Rede cen erwächst.20 ist und damit materielle Güter gemeint seien, aber keine «immateriellen» (wie Eine gerechtere Verteilung im Sinne etwa digitale Sequenzinformationen). einer Entwicklungshilfe für Länder Ferner wird betont, dass es zum Nutzen des «Südens» war kein vordergründi- aller sei, DSI nicht dem ABS zu unter- ges Ziel der Regelung. Im Fokus steht werfen. Fielen diese nämlich auch unter wie gesagt der Biodiversitätsschutz. das ABS-Regime, werde die Forschung, Die Herkunftsländer werden denn in die wissenschaftliche Zusammenarbeit ihren souveränen Rechten auch in- und die wissenschaftliche Publikati- sofern eingeschränkt, als sie einen onstätigkeit beeinträchtigt. Der freie im Rahmen des ABS erhaltenen Vor- Austausch von DSI sei darüber hinaus teilsausgleich für den Schutz und die unerlässlich für die Forschung zur bio- nachhaltige Nutzung ihrer Biodiversität logischen Vielfalt, die wissenschaftliche einsetzen müssen. Allerdings dürfen und technische Ausbildung sowie den die Ausgleichsleistungen auch für an- Technologietransfer und um die Zusam- dere Zwecke als für die Erhaltung der menarbeit und den Wissensaufbau zu Biodiversität im engeren Sinne einge- fördern. Nicht nur vonseiten der priva- setzt werden, zum Beispiel für Projekte ten, sondern auch der öffentlichen For- der Armutsbekämpfung. schung wird befürchtet, dass eine ABS- Regelung für DSI mit hohen finanziellen Internationale Regimes wie das Na- und administrativen Hürden verbunden goya-Protokoll sind Ergebnis von und die Überwachung und Kontrolle der Aushandlungsprozessen, in denen Einhaltung der Regelungen äusserst vielfältige politische und ökonomische aufwendig oder gar unmöglich sei. Dies Interessen austariert werden. Neben mache einen Vorteilsausgleich für DSI diesen Partikularinteressen spielen in nicht praktikabel und unterwandere im der Regel auch Aspekte eine Rolle, die Ergebnis auch die übergeordneten Ziele man als Ausdruck von Fairness- und der CBD. 9
Die entgegengesetzte These lautet, Nagoya-Protokoll nur um materielle 21 Dem Einwand, dass damit der möglichst unge- dass gerade die übergeordneten Zie- Güter geht. hinderte Zugang zu den digitalen genetischen le des Nagoya-Protokolls es erfordern, Informationen erschwert werde, könnte im Na- dass auch DSI dem ABS-Regime unter- Erstens bezieht sich der Begriff der ge- goya-Protokoll mit entsprechenden Ausnahme- liegen. Würde es zugelassen, dieses netischen Ressource auf biologisches bestimmungen für Forschung begegnet werden, Regime durch Screening und Digita- Material, das Erbeinheiten enthält. Ge- die dem Gemeinwohl verpflichtet ist. lisierung genetischer Ressourcen zu netische Ressourcen haben damit, so umgehen, würde es schlicht bedeu- auch die Redeweise des Nagoya-Pro- tungslos. Weder würde die bisherige tokolls, zwei Bestandteile: biochemi- Leistung der Menschen aus den Her- sche und genetische. Es ist nun ebenso kunftsländern anerkannt, noch, wie im wenig strittig, dass die DNA als Ganzes Protokoll zugesagt, deren heutige und eine materielle Entität ist, wie bezwei- künftige Funktion als Bewahrer der Bio- felt wird, dass dies bei den einzelnen diversität honoriert. Entscheidend sei, Nukletoiden der Fall ist. Zu prüfen ist dass die digitalen Informationen aus die Einordnung von Genen oder Erb- genetischen Ressourcen gewonnen einheiten. Denn man kann nicht von wurden und dass diese aus biodiver- Genen oder Erbeinheiten sprechen, sitätsreichen Ländern stammen. DSI ohne damit als natürliches Phänomen fielen nach dieser These klar in den Gel- verstandene genetische Informationen tungsbereich des Nagoya-Protokolls.21 mit zu meinen. Informationen sind aber allgemein keine materiellen Entitäten. 4.2 Zum Zusammenhang zwischen Beim Morsecode und anderen Formen genetischen Ressourcen und menschlicher Information ist klar, dass genetischen Informationen die übertragene Information (etwa «SOS») nichts Materielles ist. Genauso Einigkeit besteht zwischen DSI-Ein- gilt dies für die Inschrift des Rosetta- schluss- und Ausschlussbefürworten, steins (Gekürzt: «Ptolemaios V. ist ein dass sich die Rede von genetischen Res- Gott und wohlwollender Herrscher.») sourcen auf biologisches Material be- Auch die detaillierten Warnrufe etwa zieht, welches funktionelle Erbeinheiten der Schwarzstirn-Springaffen tragen enthält. Befürworter eines Ausschlus- eine Bedeutung in sich und sind als ses digitaler genetischer Informationen Informationen («Über uns ist ein Greif- argumentieren wie beschrieben weiter, vogel») «immateriell». Aber wie sieht es dass sich das Nagoya-Protokoll damit bei als natürliches Phänomen verstan- ausschliesslich auf materielle Entitäten denen genetischen Informationen aus? bezieht und nichts «Immaterielles» wie DSI gemeint sein kann. Erbeinheiten oder Gene sind DNA-Ab- schnitte, die auf Grund einer spezifi- Aber ist dies korrekt? Um dies zu prü- schen Sequenz von Nukleotiden Träger fen, muss näher angeschaut werden, einer konkreten «Information» sind und auf was sich die Rede von genetischen dadurch eine funktionelle Bedeutung Ressourcen bezieht, ob auf rein mate- haben. Genauso wie im Morsecode die rielle Entitäten oder auch auf «Immate- Zeichenfolge «drei kurz, drei lang, drei rielles». Was eine materielle oder eine kurz» über eine Notlage informiert, hat «immaterielle» Entität ist, ist auch eine im biologischen Prozess die spezifische philosophische Frage. Deshalb wählt Sequenz von Nukleotiden – sagen wir die Kommission bewusst einen philo- «AAC TGA ACT» – eine «Bedeutung». sophischen Zugang. Bei der Transkription vom Quell- zu ei- nem komplementären RNA-Strang än- Zwei Argumente sprechen ge- dert sich zwar die materielle Beschaf- gen eine Auslegung, dass es im fenheit der Sequenz, aber zugleich 10
wird eine spezifische Sequenz, eine geht um den potentiellen Wert, den die «Information», von einem Medium Information haben können, oder um auf ein anderes übertragen. Ist die Me- deren real hohen Wert, den wir bereits taphorik von «Information», «Code», kennen. «Transkribieren», «Matrix» usw. sinn- voll, geht es bei dieser «Information» Spricht das Protokoll von der Bedeu- um etwas «Immaterielles». Morsezei- tung genetischer Ressourcen, bezieht chen wie Erbeinheiten eint dann, dass es sich nicht auf die Materie, sondern es einmal um materielle Entitäten geht auf die Informationen. Auch hier glei- (einer spezifischen Sequenz etwa von chen genetische Ressourcen anderen elektromagnetischen Wellen bzw. von Informationsträgern. Nehmen wir er- Nukleotiden), zugleich aber etwas «Im- neut den Rosettastein zur Illustration. materielles» (die Bedeutung der spezi- Materiell betrachtet handelt es sich fischen Sequenz) übertragen wird. Die um ein 762 kg schweres Stück Gran- Metaphorik könnte irreführend oder odiorit. Ein solches Gesteinsstück hat falsch sein. Aber wenn sie dies wäre, einen Preis und könnte unterschied- müsste die Genetik von Grund auf neu lich genutzt werden. Allerdings kommt gedacht werden. Die Molekulargenetik dem Rosettastein dadurch besondere hätte sich dann durch ihre Metaphorik Bedeutung und besonderer Nutzen zu, auf einen Irrweg begeben. weil er zugleich Träger von Informati- on ist. Er vermittelt in drei Inschriften Zweitens kommt genetischen Res- Informationen für Priester, Beamte sourcen laut dem Nagoya-Protokoll und Herrscher. Sein Nutzen als Infor- ein enormer Nutzen zu. In der Präam- mationsträger ist grösser als jener der bel wird nicht weniger betont als die Materie selbst. Wenn wir heute vom Bedeutung genetischer Ressourcen Rosettastein sprechen, beziehen wir «für die Ernährungssicherheit, die uns stets auf den Informationsträger. öffentliche Gesundheit, die Erhaltung Allein dieser hat eine grosse Bedeu- der biologischen Vielfalt und die Min- tung und hat Nutzen mit sich gebracht. derung des Klimawandels sowie die Im selben Sinne sind bei genetischen Anpassung an ihn». Worin liegt aber Ressourcen der Nutzen und die Be- dieser in der Diskussion unbestrittene deutung des biologischen Materials hohe instrumentelle Wert genetischer höchst beschränkt. Die Information Ressourcen begründet, in der mate- ist entscheidend. riellen Entität oder der Information? Unabhängig von den genetischen Wenn von Nutzen gesprochen wird, Informationen hätte das biologische kann es aber nicht allein um genetische Material allein kaum einen solch gro- Informationen als natürliches Phäno- ssen instrumentellen Wert. Es hat ei- men gehen. Es muss um genetische nen instrumentellen Wert, aber egal, an Informationen im praktischen Sinne welche Verwendung man denkt, hat die gehen. Denn nur durch das Verständ- Materie nur in Ausnahmefällen einen nis des Wirkens von Genen und durch hohen Wert, etwa als seltener materi- Wissen entsteht ein Nutzen. eller Bestandteil von Medikamenten. In der Allgemeinheit lässt sich dies je- Genauso wie bei digitalen genetischen doch nicht sagen, schon gar nicht, dass Informationen könnte man einwenden, diese biochemischen Substanzen für dass das Protokoll an keiner Stelle von die oben genannten Schutzziele zentral genetischen Informationen spricht. sein könnten. Wenn genetischen Res- Dies ist zwar richtig, aber die Rede von sourcen ein solcher Wert zugesprochen Erbeinheiten umfasst notwendig ge- wird, dann als Informationsträger. Es netische Informationen als natürliches 11
Phänomen. Durch die Bedeutung des Eventuell gibt es spezifische morali- 22 Wird eine Information zum Beispiel auf dem eige- Nutzens der genetischen Informatio- sche Regeln, die das Medium betref- nen Körper tätowiert, gelten andere moralische nen wird zudem notwendig auf gene- fen, 22 aber die auf die Informationen Regeln für den Zugang zum Informationsträger, tische Informationen im praktischen bezogenen moralischen Vorgaben als wenn dieselbe Information an die Wand einer Sinne verwiesen. Beide sind etwas bleiben bei Übersetzung oder Wech- Telefonzelle geschrieben wurde. «Immaterielles». Aber auch wenn die sel des Mediums dieselben. Ist zum 23 Es gibt historische Fälle, wo genau dies nicht Rede von einer genetischen Ressource Beispiel eine Nachricht geheim, dann berücksichtigt wurde und die im Nachhinein genetische Information impliziert und ändert sich der Status der Geheimhal- absurd wirken. Informatiker werden an Phil Zim- selbst wenn die Bedeutung und der tungspflicht nicht etwa dadurch, dass mermann und die E-Mail-Verschlüsselungssoft- Nutzen der genetischen Ressourcen die Nachricht aus dem Deutschen ins ware PGP («Pretty Good Privacy») denken. Die in den genetischen Informationen be- Altgriechische übersetzt wird. Ebenso US-Zollbehörden waren der Ansicht, dass der gründet sind, mag man weiterhin ein- ändert das benutzte Medium nichts an Export der Software verboten war. Um die Ex- wenden, dass es im Protokoll allein um der Geheimhaltungspflicht. Ist die In- portbeschränkung zu umgehen, veröffentlichte genetische Information geht, nicht um formation geheim, ist sie geheim, egal, Phil Zimmermann den vollständigen Quellcode digitale. Digitale genetische Informati- ob sie mündlich, über Rauchzeichen, in einem Buch «PGP Source Code und Internals», onen hätten einen anderen Status und über Telefon oder über Email kommuni- welches frei exportiert werden konnte. Aus dem seien davon zu unterscheiden. ziert wird. Dies deshalb, weil sich diese abgetippten Code entstand dann eine internati- Pflicht auf die Information bezieht und onal verfügbare Software. 4.3 Welchen Unterschied macht nicht auf die Sprache oder das Medium. es, dass es sich um digitale In- Bezüglich ein und derselben Informa- formationen handelt? tion bestehen dieselben moralischen Verpflichtungen, egal durch welche Ist die Digitalisierung von auf Grundla- Sprache oder durch welches Medium ge materieller genetischer Ressourcen sie vermittelt wird. Ist diese These gewonnenen Informationen insofern korrekt, dann folgt daraus aus ethi- moralisch relevant, als sich durch die scher Sicht, dass in unterschiedlichen Digitalisierung der Status der geneti- Sprachen oder durch unterschiedliche schen Information ändert? Diese Frage Medien wiedergegebene genetische In- ist zu verneinen. Digitalisierung bedeu- formationen gleich zu behandeln sind. tet, dass eine Information in eine ande- Die Digitalisierung der Information ist re Sprache, einen binären Code, über- moralisch irrelevant. tragen und durch ein anderes Medium vermittelt wird. Wird eine Information Eindeutig ist dies für genetische Infor- durch ein anderes Medium übertragen, mationen als menschliches Wissen. bleibt sie doch dieselbe Nachricht. Die Diese werden durch die Digitalisierung Information, dass die Bundesräte wie- nur von einer menschlichen Sprache dergewählt wurden, ändert sich nicht in eine andere übersetzt, und zudem dadurch, dass jemand sie per Telefon, wird ein anderes Medium verwendet. Email oder Website über das Internet Die Information bleibt jedoch dieselbe, kommuniziert. Stets wird mitgeteilt, was auch bedeutet, dass die Digitali- dass die Bundesräte wiedergewählt sierung deren ethischen Status nicht wurden. Genauso ändert sich diese ändert. Rechtlich betrachtet folgt da- Information nicht dadurch, dass sie raus, dass sie demselben rechtlichen ins Spanische oder Englische über- Regime unterstehen.23 setzt wird. Oder genauer gesagt: eine Übersetzung zielt immer darauf, dass Bezieht man sich dagegen auf gene- die Information dieselbe bleibt. Wird in tische Informationen als natürliches der spanischen oder englischen Über- Phänomen, wird ein noch nicht ver- setzung nicht vermittelt, dass die Bun- standener biologischer «Code» digital desräte wiedergewählt wurden, liegt wiedergegeben. Aber auch dadurch ein Übersetzungsfehler vor. ändert sich nichts am moralischen 12
Status des genetischen «Codes». Denn nicht in der Natur bestehen. Es mag wiederum sind Medium und Format gute Gründe geben, dass designte und der Wiedergabe irrelevant. Es bleibt natürliche genetische Information mo- derselbe «Code». Nehmen wir zur Il- ralisch unterschiedlich bewertet wer- lustration erneut den Rosettastein und den. Aber dies ändert nichts an dem gehen wir davon aus, dass bekannt ist, hier relevanten allgemeinen Punkt, dass die Hieroglyphen Zeichen sind, dass irrelevant ist, dass die Informati- und dass auch identifiziert wurde, wel- on digital vorliegt. Wird eine designte che Abbildung(en) ein Zeichen sind. genetische Information benutzt, um Auch dann gilt: Durch eine Fotografie materiell Nukleotide zu erzeugen, so des Rosettasteins ändert sich zwar das ändert sich dadurch nichts am morali- Format, in der die Zeichen wiederge- schen Status der Information. Erwächst geben werden. Aber ihr moralischer durch das Designen einer genetischen und rechtlicher Status hat sich nicht Information ein geistiges Eigentum an geändert. Gehört der materielle Roset- dieser Information, so bleibt das geis- tastein dem Land A und hat dieses Land tige Eigentum an der Information auch A einen legitimen Anspruch darauf, dann bestehen, wenn diese materiell dass die Information nicht entschlüs- in biologischem Material gespeichert selt wird, so verbietet dieses Geheim- ist. Es ist stets dieselbe Information. haltungsgebot auch, die Fotographie Genauso wenig wie sich durch die Digi- zur Entschlüsselung der Information talisierung der moralische Status einer zu nutzen. Information ändert, so wenig ändert er sich durch die «Materialisierung». Dies heisst in Bezug auf das ABS: Ist das Land A Eigner einer genetischen Es wäre ein Fehlschluss, aus dem (mög- Ressource, so hat es ein Anrecht auf licherweise) spezifischen moralischen einen Vorteilsausgleich, wenn andere Status von im Rahmen der Syntheti- im Land B auf Grundlage dieser als schen Biologie erzeugten digitalen ge- natürliches Phänomen verstandenen netischen Informationen zu schliessen, genetischen Informationen einen kom- dass alle digitalen genetischen Infor- merziellen Gewinn erzielen. Dabei ist mationen denselben Status haben. irrelevant, ob die Sequenz in natürli- Relevant ist nicht die Digitalisierung, cher Form vorliegt oder digitalisiert. sondern (allenfalls) der Umstand, dass Denn nicht der Informationsträger ist hier Sequenzen erzeugt werden, die so entscheidend, sondern die Information. in der Natur nicht vorkommen bzw. de- Wird Wissen benutzt, das auf Grund- ren natürliches Vorkommen zumindest lage und in Bezug auf genetische Res- nicht bekannt ist. Spezifisch heisst dies sourcen gewonnen wurde, ist ebenfalls aber, dass die Erzeugung und Nutzung irrelevant, dass dieses Wissen in digi- solcher – nicht auf natürlichen Vorbil- taler Form vorliegt. dern aufbauenden – Sequenzen nicht dem Nagoya-Protokoll unterliegen. Man mag einwenden, ein moralisch Denn dieses bezieht sich auf natürlich relevanter Unterschied bestehe dann, vorkommende Ressourcen. wenn es um jene digitalen genetischen Informationen geht, die in der Synthe- 4.4 Sollten digitale genetische tischen Biologie eine Rolle spielen. Informationen nicht dennoch Denn hier würde ja nicht eine gene- ausgeklammert werden? tische Information digitalisiert, die in natürlicher DNA oder RNA vorliegt bzw. Ausser auf Partikularinteressen beru- sich auf diese bezieht. Vielmehr werden hende Argumente werden auch ethi- Nukleotidfolgen digital designt, die so sche Argumente vorgebracht, die dafür 13
sprächen, digitale genetische (oder Partikularinteressen, sondern es stellt Sequenz-)Informationen vom ABS- auch den Versuch dar, zwei ethische Regime auszunehmen. Ein solcher Forderungen in Einklang zu bringen. Es Ausschluss verbesserte, so das bereits soll der bestmögliche Nutzen mit Blick in der Einleitung vorgebrachte konse- auf das Erreichen von Schutzzielen er- quentialistische Argument, die Situati- reicht werden und zugleich sollen Soli- on aller, einschliesslich der Menschen darität und Gerechtigkeit verwirklicht biodiversitätsreicher Länder. werden. Wie andere internationale Ver- träge verkörpert das Nagoya-Protokoll Es könnte sein, dass mit dem Nago- einen ethischen Kompromiss zwischen ya-Protokoll nicht die bestmögliche (teils) entgegengesetzten ethischen Lösung gefunden wurde, um die In- Forderungen. teressen an der Nutzung genetischer Ressourcen mit den Zielen des Biodi- Durch die Digitalisierung der gene- versitätsschutzes auszubalancieren. tischen Informationen mag der im Geht man aber von der Geltung des Nagoya-Protokoll betonte Nutzen Nagoya-Protokolls aus, und dies tun noch grösser geworden sein und noch auch die Befürworter eines DSI-Aus- schneller erreicht werden können. Dass schlusses, dann kann man kein rein der Nutzen der genetischen Ressour- konsequentialistisches Argument cen durch die Digitalisierung gestiegen vorbringen. Denn der grosse Nutzen ist, verstärkt das vorgebrachte konse- der genetischen Ressourcen ist im quentialistische Argument, das für den Protokoll anerkannt und wird darin freien Zugang spricht. Aber dies ist kein hervorgehoben. Wenn man die ethi- Grund, die durch das Nagoya-Protokoll schen Argumente nimmt, die von den eingegangenen Verpflichtungen bezüg- Vertragsparteien anerkannt werden, lich Solidaritäts- und Gerechtigkeit zu sind dies zwar immer auch konsequen- ignorieren. Im Nagoya-Protokoll wurde tialistische. Aber daneben erkennen die ein Kompromiss zwischen konsequen- Vertragsparteien auch Solidaritäts- tialistischen Überlegungen und Solida- und Gerechtigkeitsargumente an. Die ritäts- und Gerechtigkeitsüberlegungen in den biodiversitätsreichen Ländern formuliert. Die Unterzeichner können erbrachten Leistungen für die Biodiver- diesen Kompromiss nun nicht einfach sität werden explizit anerkannt, und es aufgeben, weil der Nutzen höher sein sollen jene, die die Biodiversität erhal- könnte als gedacht. Es bedürfte einer ten und pflegen, für ihren Beitrag ent- vollkommen neuen Aushandlung der schädigt werden. Dazu gehören auch Partikularinteressen und der relevan- kulturelle Leistungen wie die Pflege des ten ethischen Forderungen. Eine solche gemeinschaftlichen Wissensschatzes steht derzeit aber weder zur Debatte, über ökologische Zusammenhänge noch wäre es klug, eine solche zu füh- und Wirkungen von genetischen Infor- ren. Lösungen und Verbesserungen mationen sowie die gemeinschaftliche müssen deshalb in jenem Rahmen Arbeit zum Erhalt von Biodiversität. Für gefunden werden, den das Nagoya- dieses Kontext- und Nutzungswissen, Protokoll steckt; und in dessen Reg- das Gemeinschaften erarbeiten und lement sind kohärenterweise digitale pflegen, sollen jene, die davon kom- genetische Informationen oder digitale merziell profitieren und damit den Sequenzinformationen ebenso einge- Gewinn privat einbehalten, eine Ent- schlossen wie genetische Informatio- schädigung leisten. nen oder Sequenzinformationen. Das Protokoll ist nicht nur das Er- gebnis einer Aushandlung von 14
4.5 Zum Vorteil multilateraler eröffnen diese als Weiterentwicklung 24 siehe Sylvain Aubry (2019). Ansätze des bilateralen Regimes. Art. 10 sieht die Möglichkeit der Einrichtung eines Die Kommission betont, dass es ge- multilateralen globalen Mechanismus genwärtig keine realistische Alternative vor, um einen Vorteil, der aus der Nut- zum Nagoya-Protokoll gibt. Sie sieht zung grenzüberschreitend vorkommen- aber seine Unzulänglichkeiten. In Bezug der genetischer Ressourcen entsteht auf den Gerechtigkeitsgrundsatz, einen oder für deren Nutzung eine vorherige Vorteil aus der Nutzung genetischer Zustimmung nicht erteilt oder erlangt Informationen auszugleichen, gibt es werden kann, für den weltweiten Bio- schon bei Informationen über natürli- diversitätsschutz einzusetzen.24 che genetische Ressourcen Möglichkei- ten, sich Zugang zu verschaffen, ohne im Gegenzug verpflichtet zu werden, einen Vorteilsausgleich zu entrichten. Nicht alle Länder haben zudem das Nagoya-Protokoll ratifiziert. Wenn sie über Ressourcen verfügen, die auch in anderen Ländern vorkommen, sei es in situ oder in Sammlungen, dann kann der Zugang zu den Ressourcen auch dort erfolgen. Eine Vereinbarung für einen Vorteilsausgleich gilt zudem nur gegenüber jenem Land, aus dem die genetischen Ressourcen bezogen wurden. Dies auch dann, wenn diesel- ben Ressourcen in mehreren Ländern vorkommen oder möglicherweise auch nur dank Anstrengungen mehrerer Länder erhalten bleiben. Der bilatera- le Ansatz, den das Nagoya-Protokoll derzeit verfolgt, enthält darüber hinaus auch immer die Möglichkeit, den Zu- gang zu den Informationen zu verweh- ren oder an Bedingungen zu knüpfen, die von der Vertragspartei nicht erfüllt werden können. Als Alternative zu prüfen wäre des- halb, inwiefern das Nagoya-Protokoll in Richtung eines multilateralen Sys- tems erweitert werden könnte, um den Zugang zu jenen genetischen In- formationen zu gewährleisten, die mit moralisch relevanten Schutzzielen wie Gesundheit von Menschen, Tier und Pflanzen, Ernährungssicherheit und Schutz von Umwelt und Biodiversität verknüpft sind. Solche Möglichkeiten eines multilateralen Ansatzes sind im Protokoll bereits angelegt. Art. 4 und 10 15
5 Empfehlungen 1. Analyse des Begriffs «digitale 2. Rechtliche Gleichbehandlung 25 Anders ist dies bei digitalen Informationen von genetische Information». Die EKAH von natürlichen und digitalen ge- genetischem Material, das mithilfe von synthe- empfiehlt, eine Begriffsanalyse durch- netischen Informationen. Der Akt tischer Biologie erzeugt wurde. Relevant ist hier zuführen, da sie unabdingbar ist, um der Digitalisierung von genetischen nicht der Umstand der Digitalisierung, sondern den Status von digitalen genetischen Informationen ändert ihren moralischen dass das genetische Material nicht auf natürli- Informationen zu klären. Jene, die ar- Status nicht. Lediglich der Träger der che Vorbilder aufbaut und das Nagoya-Protokoll gumentieren, digitale genetische Infor- Information wird verändert, nicht aber nur den Zugang und Nutzung von natürlichen mationen seien vom Nagoya-Protokoll die Information selbst. Kohärenterwei- genetischen Ressourcen regelt. nicht erfasst, beziehen sich auf Art. 2 se sind deshalb natürliche genetische CBD. Danach sind «genetische Ressour- Informationen auch rechtlich gleich zu cen» Material von tatsächlichem oder behandeln wie digitale genetische In- potentiellem Wert und «genetisches formationen.25 Material» jedes Material pflanzlichen, tierischen, mikrobiellen oder sonstigen 3. Nagoya-Protokoll nicht aushöh- Ursprungs, das funktionale Erbeinhei- len. Zwar mag durch die Digitalisierung ten enthält. Aus dem Begriff «Material» der im Nagoya-Protokoll betonte Nutzen abzuleiten, dass deshalb «immateriel- der genetischen Informationen noch le» digitale genetische Informationen grösser geworden sein und der mög- nicht darunter fallen, verkennt, dass lichst freie Zugang zu ihnen noch bedeu- stets auch von genetischem und nicht tender. Dies darf aber nicht dazu führen, allein von biochemischem Material die die Verpflichtungen in Bezug auf die Rede ist. Das Protokoll unterscheidet Solidarität und Gerechtigkeit zu igno- bewusst und explizit zwischen bioche- rieren. Das Nagoya-Protokoll stellt nicht mischen und genetischen Bestandtei- nur das Ergebnis einer Aushandlung len genetischer Ressourcen. Die Gene von Partikularinteressen dar, sondern durch eine Verengung auf biochemische ist der Versuch, sowohl die Schutzziele Materie auszuschliessen, ist keine zu- der Biodiversitätskonvention CBD als lässige Lesart des Nagoya-Protokolls. auch Solidaritäts- und Gerechtigkeits- Genetische Ressourcen sind mehr als gedanken zu verwirklichen. Die Entwick- nur biochemisches Material. Sie sind lungen der Digitalisierung verstärken auch Information im praktischen Sin- jedoch die bereits heute bestehenden ne. Die vorgelegte Begriffsanalyse zeigt Umgehungsmöglichkeiten des Vorteils- auf, dass mit dem Begriff «genetisches ausgleichs bei natürlichen genetischen Material» die Information nicht nur not- Ressourcen. Die EKAH ist sich der Un- wendigerweise mitgemeint, sondern zulänglichkeiten des Nagoya-Protokolls vielmehr in erster Linie die Information bewusst, hält aber zugleich fest, dass es gemeint ist. Dies entspricht auch dem zurzeit keine realistischen Alternativen Zweck des Nagoya-Protokolls. zum Protokoll gibt. Digitale genetische Informationen vom Geltungsbereich des Nagoya-Protokolls auszuschliessen, würde das Nagoya-Protokoll aushöhlen. Dies soll aus Sicht der EKAH verhindert werden. 16
4. Multilaterale Mechanismen för- dern. Im Wissen um die Schwierig- keiten des bilateralen Regimes des Nagoya-Protokolls, die sich durch die Digitalisierung weiter verschärfen, emp- fiehlt die EKAH, die im Protokoll ange- legten multilateralen Mechanismen zu fördern und weiterzuentwickeln. Diese multilateralen Mechanismen müssten traditionelles Wissen über die Eigen- schaften und die Verwendung der genetischen Informationen ebenfalls berücksichtigen. 5. Auf internationaler Ebene in die Verhandlungen einbringen. Die EKAH erachtet es als ethisch ge- boten, dass sich die Schweiz auf inter- nationaler Ebene auf der Grundlage der Begriffsanalyse und Kohärenz für den Einschluss von digitalen genetischen Informationen unter dem Nagoya-Pro- tokoll und für die Weiterentwicklung der multilateralen Mechanismen einsetzt. März 2020 Herausgeberin: Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich E KAH c /o Bundesamt für Umwelt BAFU CH-3003 Bern Tel. +41 (0)58 463 83 83 Fax +41 (0)58 464 79 78 ekah@bafu.admin.ch www.ekah.admin.ch Gestaltungskonzept: Atelier Bundi AG Satz: zwei.null, Simone Zeiter Der Bericht steht auch auf Französisch und Englisch auf www.ekah.admin.ch zur Verfügung. 17
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