Dossier Ukraine Nach der Flucht zur Normalität zurückfinden - Wenn der Alltag kopfsteht In der Ukraine bleiben, um zu helfen - Terre des hommes
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Nr. 77 | Juni 2022 Dossier Ukraine Wenn der Alltag kopfsteht Nothilfe – eine Wegleitung Nach der Flucht zur In der Ukraine bleiben, Drei wichtige Etappen Normalität zurückfinden um zu helfen der humanitären Hilfe
Inhalt ©Tdh/A. Mulla ©Tdh/R. Mazur 04 Im Überblick ➜ Terre des hommes setzt sich gegen den Klimawandel ein ➜ Kinder verschaffen sich Gehör ➜ Wie wird Händewaschen zur Gewohnheit gemacht? 06 Dossier: Nach der Flucht zur Normalität zurückfinden Seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine kommen viele Vertriebene in Moldawien und Rumänien an, in der Mehrheit Frauen und Kinder. Terre des hommes hat an Schlüsselorten Räume für Kinder und Bereiche für Mütter und ihre Babys eingerichtet, um denjenigen zu helfen, die von einem Tag auf den anderen alles aufgeben mussten. ©Tdh/A. Dereko ©Tdh/R. Mazur ©Tdh/M. Hidalgo Malaga 12 14 15 Das Wort an Im Fokus Agenda Während die Aktivitäten von Terre Wie wird eine angemessene Nothilfe Nehmen Sie an von unseren des hommes wegen des Krieges un- entwickelt, wenn die Zeit drängt und Freiwilligen organisierten terbrochen waren, hat eine Mitarbeite- die Bedürfnisse beträchtlich sind? Ein Veranstaltungen teil und besuchen rin entschieden, in Kiew zu bleiben, um Blick hinter die Kulissen von NGO, um Sie unseren Stand am Paléo Festival! die Wiederaufnahme der Aktivitäten zu drei wichtige Etappen zu entdecken. planen. Olga berichtet, wie der Alltag der ukrainischen Bevölkerung auf den Kopf gestellt wurde. Jedes Kind auf der Welt hat das Recht, Kind zu sein. Ganz einfach. Wir streben nach einer Welt, in der Kinderrechte – wie sie in der Kinderrechtskonvention festgelegt sind – immer respektiert werden. Einer Welt, in der Kinder in einem sicheren Umfeld aufwachsen und Akteure des Wandels werden, den sie sich für ihr Leben wünschen. Redaktion und Herstellung Vertrieb Adressänderungen Zertifiziert durch: Unterstützt von: Verantwortl. der Ausgabe: Joakim Löb Erscheinung: 4-mal pro Jahr T +41 58 611 06 11 Koordination: Tatjana Aebli Auflage: 120’000 Exemplare donorcare@tdh.ch Redaktion: Angélique Mounier-Kuhn, auf Deutsch, Französisch und Leserbriefe Fabio Carvalho Italienisch redaktion@tdh.ch Übersetzung: Barbara Staub Druck: Stämpfli AG Korrektorat: Franziska Landolt Grafische Gestaltung und Layout: Maude Bernardoni Die Reportage in Moldawien und Rumänien ist unter Mitwirkung von Dumitrita Butnaru, Arina Cretu, Yana Smelianska und Iulia Siège | Hauptsitz | Sede | Headquarters Stancu entstanden. Av. Montchoisi 15, CH-1006 Lausanne Drucksache T +41 58 611 06 66, E-Mail: info@tdh.ch Titelbild myclimate.org/01-22-606831 www.tdh.ch, CCP: 10-11504-8 ©Tdh/Ramin Mazur
Editorial Eine Krise wie keine andere h / P. C alines cu Der Entschluss war schnell gefasst: Als am 24. Februar die ersten Raketen den Himmel über der Ukraine durchbohrten, begannen wir sogleich mit der Erarbeitung einer Nothilfestrategie, um auf ©Td die Folgen des Konflikts zu reagieren. Der Auftrag von Terre des hommes (Tdh) ist es, Kinder und Jugendliche zu schützen. Wir gingen davon aus, dass viele von ihnen die Grenzen nach Rumänien, Tudor Rosu Moldawien und Ungarn überqueren würden, wo wir seit langem präsent sind. Dank unserer Projekte Delegationsleiter für in diesen Ländern sind wir eine legitime Gesprächspartnerin der Behörden. Unsere Kenntnis der Osteuropa (Rumänien, lokalen Kontexte ermöglichte den schnellen Einsatz unserer Teams an wichtigen Orten wie Bukarest Moldawien, Ukraine) oder Chisinau. Bis im Sommer wird die Präsenz von Tdh vor Ort weiter ausgebaut. Wir wussten hingegen nicht, wie sehr sich diese Krise von all den Erfahrungen unterscheiden würde, mit denen wir als Spezialisten der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit bisher konfrontiert wurden. h / P. C alines cu Diese Flüchtlingskrise ist aufgrund ihrer Plötzlich- keit und ihres Ausmasses aussergewöhnlich. Unicef «Diese Kinder haben alles ©Td schätzt, dass in den ersten sechs Kriegswochen zwei zurückgelassen, ihr Zuhause, Drittel der 7,5 Millionen ukrainischen Kinder vertrieben wurden, 2,8 Millionen von ihnen im Land selbst. Wei- ihre Schule und oft auch Carmen Nechita Familienangehörige.» tere 2 Millionen flüchteten mit ihren Müttern ins Aus- Nothilfe-Koordinatorin land, manchmal auch allein. Diese Kinder haben alles (Rumänien, Moldawien, zurückgelassen, ihr Zuhause, ihre Schule und oft auch Familienangehörige. Sie sind durch den Lärm Ungarn) der Bomben und die Angst auf der Flucht traumatisiert. Neben Wasser und Nahrungsmitteln brau- chen sie psychologische Unterstützung und Aktivitäten, um zu ein wenig Normalität zurückzufinden. Besondere Sorge bereitet uns auch das Profil der Vertriebenen: Es sind zu 90 Prozent Frauen und Kinder, die im aktuellen Chaos gefährdet sind, in die Fänge krimineller Netzwerke zu geraten. Diese Gefahr erfordert spezielle Wachsamkeit. In Rumänien und Moldawien kommen weiterhin Vertrie- bene an. Einige machen sich bereits wieder auf den Rückweg in die Ukraine. Für andere wird das Exil allmählich zum Alltag und kreiert neue Bedürfnisse hinsichtlich Einschulung, Unterkunft und Erwerbstätigkeit. Die Überschneidung dieser Phasen stellt NGO wie Tdh vor die Herausforderung, ihre Hilfe ständig anzupassen, und zwar in einem aufgrund des Krieges unvorsehbaren Kontext. Die Menschlichkeit, mit der die Aufnahmeländer der ukrainischen Bevölkerung die Hand reichen, ruft bei diesen tiefe Dankbarkeit hervor. Dies ist nicht zuletzt auch eine der Besonderheiten dieser Krise. Auf den folgenden Seiten können Sie entdecken, wie einige Kinder und ihre Eltern sich der Herausforderung stellen – mit der Hilfe, die Tdh ihnen dank Ihrer Unterstützung zukommen lässt. Besten Dank dafür. Wir werden weitermachen! Tudor Rosu Carmen Nechita Auch so können Sie Kindern helfen … Mit unseren Online-Communities Mit einer Spende Mit Freiwilligenarbeit www.tdh.ch/newsletter www.tdh.ch/spenden Unterstützen Sie uns durch die Mitwirkung www.facebook.com/tdh.ch PCK 10-11504-8 an einer unserer Freiwilligengruppen www.twitter.com/tdh_ch 058 611 06 11 freiwillig@tdh.ch, 058 611 07 83 www.instagram.com/tdh_ch Courage | Juni 2022 | www.tdh.ch 3
Im Überblick tdh.ch/de/nachrichten Terre des hommes setzt sich gegen den Klimawandel ein Die Umweltzerstörung und die Auswirkungen des Klimawandels gefährden zunehmend die Kin- derrechte. NGO haben bei der Bekämpfung die- ser globalen Katastrophe eine wichtige Rolle zu spielen und Terre des hommes (Tdh) möchte eine nachhaltige Wirkung erzielen. So sind wir unter anderem Partnerin der Vereinigung Climate Ac- tion Accelerator mit dem Ziel, die eigenen Treib- hausgasemissionen bis im Jahr 2030 zu halbie- ren. Es ist sehr wichtig, dass eine Organisation ©Tdh/S. Garcia wie die unsere Massnahmen ergreift, um ihren ökologischen Fussabdruck zu verringern. Projekte wie Gravit’eau – mit einer Fusspumpe betriebene Lavabos, die Wasser recyceln – oder die Blue Schools in Nepal, die wir in unserem letzten Magazin vorgestellt haben, besitzen eine starke Umweltkomponente und erlauben es, Bevölkerungen und Kinder für die Notwendigkeit zu sensibilisieren, überall auf der Welt gegen den Klimawandel vorzugehen. Tdh hat zudem in Indien und Bangladesch in der Region der Sundarbans Untersuchungen durchgeführt, um vom Klimawandel und von Naturkatastrophen betroffenen Bevölkerungen langfristige Lösungen zu bieten. Am 5. und 6. Mai fand in Genf eine internationale Konferenz zu den Rechten der Kinder auf eine gesunde, sichere und nachhaltige Umwelt in Zeiten der Klimakrise statt. Tdh war an ihrer Erarbeitung beteiligt, um künftigen Generationen eine Stimme zu geben und deren Einfluss auf Umweltentscheidungen weltweit zu fördern. Kinder verschaffen sich Gehör Der 12. März 2022 war ein historischer Moment für die Kinderpartizipation! Dr. Najat Maalla M’jid, Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen für Gewalt gegen Kinder, konnte Kindern und Jugendlichen direkt ihre Arbeit vom Jahr 2021 zur Bekämpfung der Gewalt an Kindern vorstellen. Einige Kinder wirkten während der Sitzung als ModeratorInnen mit und alle Teilnehmenden konnten Fragen stellen und ihre Meinungen äussern. Um Kindern zu ermöglichen, alle Aspekte dieser Arbeit zu verstehen, wurde in Zusammenarbeit mit den Kindern ein Bericht verfasst, der sich speziell an Jugendliche richtet. Die gemeinsam von den Vereinten Nationen, Terre des hommes, Child Rights Connect, #CovidUnder19 und World Organization of the Scout Movement organisierte Veranstaltung wurde auf Französisch, Spanisch und Arabisch übersetzt und ermöglichte so einen ©Tdh/A. Mulla mehrsprachigen Dialog für über 400 Kinder weltweit. 4 Courage | Juni 2022 | www.tdh.ch
Mediathek tdh.ch/mediathek Wie wird Händewaschen zur Die Zukunft liegt in den Händen der Kinder Gewohnheit gemacht? ©Tdh/Messieurs.ch Terre des hommes hat ein innovatives Modell zur Verhaltensänderung geleitet, um in Nepal im Distrikt Bardiya das Händewaschen mit Seife zu fördern. Denn mit dieser einfachen Geste kann die Ausbreitung von für Kinder gefährlichen Krankheiten wie Durchfall, Lungenentzündung oder COVID-19 wirksam bekämpft werden. Kinder sind die Erwachsenen von morgen und mit ihnen wächst die Hoff- Unser Personal vor Ort sensibilisiert die Bevölkerung für nung auf eine Besserung für unseren die Notwendigkeit, sich die Hände richtig zu waschen, um Planeten. Entdecken Sie unseren neuen Videoclip, besuchen Sie unsere Webseite zum Testa- die Übertragung von Krankheiten einzudämmen. Wir haben ment und werden Sie bei der Planung Ihres Nachlas- auch die Anzahl der mit Wasser und Seife ausgestatteten ses Teil der Geschichte von Terre des hommes. Handwaschstationen erhöht. Kennen Sie TikTok? Bestimmt haben Sie schon von diesem sozialen Netzwerk gehört, das zu 100 Prozent aus Videos besteht. Tdh hat sich vor kurzem auf dieses Aben- teuer eingelassen! Lernvideos, ein Blick hinter die Kulissen oder die Aktionen unserer Freiwilligen: Betrachten Sie unsere Organisation von einer neuen Seite. ©Tdh/S. Shrestha Sich anmelden: Der Ansatz basiert auf der Verhaltenswissenschaft mit dem Ziel, die Gesundheit der Kinder zu verbessern. Die von Unser digitaler Jahresbericht diesem Projekt unterstützten Familien sind Akteure des Wandels und der Lösung des Problems – sie wirkten bei der ©Tdh/A. Mulla Schaffung des Projekts und bei der Auswahl der Methoden mit und geben Feedbacks, um es zu verbessern. Diese innovative Art, ein alltägliches Problem zu behandeln, ermöglicht es, die Gewohnheiten und das Verhalten einer Bevölkerung positiv zu beeinflussen. Dieses Projekt zeigt deutlich, dass die Erarbeitung von 2021 war ein an Projekten reiches Lösungen, bei der wir die EndnutzerInnen im Auge behalten Jahr für Tdh und die Kinder und und innovative Methoden und Ansätze verwenden, Familien, mit denen wir gearbeitet eine bedeutende und nachhaltige Wirkung haben kann. haben. Entdecken Sie Erfolge und Personen, die die Aktivitäten besucht haben, waschen sich Wirkungen in unserem digitalen Jahresbericht. nun häufiger die Hände, insbesondere nachdem sie einem Baby den Po gereinigt haben und bevor sie es füttern. Courage | Juni 2022 | www.tdh.ch 5
©Tdh/R. Mazur Dossier Ukraine Nach Bomben und Flucht zur Normalität zurückfinden Fotos: ©Tdh/Ramin Mazur - Moldawien, ©Tdh/Petrut Calinescu - Rumänien Seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine sind Moldawien und Rumänien mit einem beispiellosen Flüchtlingsstrom konfrontiert, der in der Mehrheit aus Frauen und Kindern besteht. Terre des hommes ist seit langem in diesen Ländern aktiv und hat zusammen mit Partnerorganisationen an wichtigen Orten Räume für Kinder und Bereiche für Mütter und ihre Babys eingerichtet, um denjenigen zu helfen, die von einem Tag auf den anderen alles aufgeben mussten.
Kinderfreundliche Räume und Mutter- Baby-Bereiche Ukraine Moldawien Rumänien Bahnhof von Aufnahmezentrum Bukarest MoldExpo in Chisinau ©Tdh / R . M a z ur Während mehrerer Wochen haben sich Tatiana und ihr Mann Artur an der Hoff- nung festgeklammert, dass der am 24. ©Tdh / P. Februar 2022 von Russland losgetretene C a li n e s c u Krieg nicht lange dauern und am Ende alles wieder in Ordnung kommen würde. Doch am 13. März nehmen die Luftan- Der Kinderbereich «Blue Dot» im Empfangszentrum MoldExpo in Chisinau. griffe auf Mykolajiw zu, die Hafenstadt in der Südukraine, wo das Paar mit sei- Ein Raum für Kinder im Bahnhof nen fünf Kindern Milana, Versavia, Luiza, von Bukarest. führt Terre des hommes (Tdh) einen Yasmin und Rustam im Alter von einem sogenannten «Blue Dot», der dank der bis zehn Jahren lebt. «Wir hatten keinen len dünne Trennwände die «Zimmer» Partnerschaft mit Unicef Moldawien Keller, keinen Ort, um uns vor den Bom- der Familien. Der Vinylvorhang, der als eröffnet wurde. Dieser Raum dient dazu, ben zu schützen. Nur unser grosses Tür dient, reicht nicht aus, um sie vor kleinere und grössere Kinder dank gepolstertes Sofa, das wir mit Decken dem ständigen Stimmengewirr abzu- Spielen und körperlichen, kreativen und und Kissen in eine Ecke geschoben schirmen. Duschen und Toiletten werden erzieherischen Aktivitäten in einer haben, um die Kinder zu verstecken», geteilt. Die Familien haben aber wenigs- neuen Routine zu verankern. Das Ziel erinnert sich Tatiana. An diesem Tag tens einen Ort zum Schlafen, zum Essen ist, dass sie möglichst schnell zur beschliesst die Familie, die Stadt zu und Ansprechpersonen, die sie rund um Normalität zurückkehren können, um verlassen. Sie wird vom Roten Kreuz die Uhr über ihre Rechte, Reiserouten den durch den Krieg verursachten Stress betreut und kommt vollkommen mittel- und die Sicherheitslage informieren. abzubauen. Jeden Tag besuchen zwanzig los nach Chisinau, Moldawien, etwas bis dreissig Kinder das Zentrum. Die mehr als 300 km von Mykolajiw entfernt. An diesem neuralgischen Ort mit einer ungeduldigsten von ihnen haben es sich Aufnahmekapazität von 600 Personen sogar zur Gewohnheit gemacht, jeden «Wir hatten keinen Keller, keinen Ort, um Artur und Tatiana mit ihren fünf Kindern in ihrem Zimmer im Zentrum MoldExpo. uns vor den Bomben zu schützen.» Informationen rund um die Uhr Tatiana, Artur und ihre Kinder sind in MoldExpo untergekommen, dem grossen Ausstellungszentrum der moldawischen Hauptstadt, das die Behörden in aller Eile in ein Aufnahmezentrum umfunkti- oniert haben, nachdem hier während der COVID-19-Epidemie PatientInnen unter- ©Tdh/R. Mazur gebracht waren. In dieser hohen, in blaues Licht getauchten Halle untertei- < Tatianas Tochter Versavia ist drei Jahre alt und sagt: Courage | Juni 2022 | www.tdh.ch 7 «Ich bin froh, dass meine Mama, mein Papa, mein Bruder und meine Schwestern bei mir sind.»
Morgen um 9 Uhr nach den ankommenden Teammitgliedern Ausschau zu halten. «Ich bin sehr gerne hier», berichtet Versavia, drei Jahre alt, die zweitjüngste Tochter von Tatiana und Artur. «Ich spiele jeden Tag mit neuen Freunden im Kinderzimmer. Die Animateure spielen die ganze Zeit mit uns.» «Im Spielzimmer fehlt ein Boxsack», meint ihr ältester Bruder Rustam mit athletischer Statur, der eine Trainings- jacke trägt. Dazu ist zu sagen, dass der Zehnjährige in der Ukraine Wettkampf- boxen betrieben hat. Er ist in seiner Kategorie sogar Meister geworden. Von einem Tag auf den anderen hat der Krieg sein Training unterbrochen. Trotz der überstürzten Abreise hat die Fami- lie nicht vergessen, seine Ausrüstung einzupacken: Zahnschutz, Bandagen, Handschuhe und Dress. Nachdem die VertreterInnen von Tdh in MoldExpo mit Rustam diskutiert hatten, halfen sie seinen Eltern, in Chisinau eine Sportschule zu finden, die den jungen Sportler eingeladen hat, kostenlos Kurse zu besuchen. Rustam konnte zu seiner grossen Erleichterung den Sport wiederaufnehmen. Von Kriegsbeginn an im Einsatz Anderen helfen, um die eigene Angst zu überlisten Moldawien zögerte nicht, seine Gren- Yana Smelianska denkt nicht daran, sich über ihre langen Arbeitszeiten zen für Geflüchtete weit zu öffnen, und zu beklagen, seit sie bei Tdh in MoldExpo, einem der grössten führte vereinfachte Verfahren ein. Flüchtlingszentren von Chisinau, als Spezialistin für Kinderschutz zu arbeiten begonnen hat. Ganz im Gegenteil: «Die Kinder spornen mich «Dies hat kulturelle Gründe. Die meisten ständig an. Die Tatsache, dass ich ihnen eine gewisse Normalität Moldawier haben Familie oder Freunde vermitteln kann, macht mir Freude», erklärt sie. in der Ukraine; sie sind dort gereist. Wir Yana ist nicht neu bei Tdh. Sie lebte mit ihrem Mann und ihrer Tochter in haben eine gemeinsame Regionalge- Charkiw, im Nordosten der Ukraine, und arbeitete für unsere Organisation schichte», erklärt Elena Madan, die im Donbass mit Familien, die Opfer von Minen geworden sind. Vom Krieg Landesverantwortliche von Tdh in Mol- zur Flucht gezwungen, ist sie im März in Chisinau angekommen, nach einer dawien. Für dieses kleine Land mit anstrengenden Reise mit ihrer Tochter, ihren Schwiegereltern, ihrem Hund weniger als drei Millionen Einwoh- und ihrer Katze, aber ohne irgendein Projekt. Sie war mit Tdh in Kontakt nerInnen ist das eine grosse Heraus- und erhielt neben Hilfe bei der Unterkunftssuche auch ein Jobangebot. «Ich bin den Leuten bei Tdh unendlich dankbar für ihre Menschlichkeit», forderung. Traditionell ist Moldawien sagt Yana heute. «In MoldExpo arbeite ich mit Kindern und ihren Familien, kein Aufnahmeland, doch vom 24. Feb- die Ähnliches wie ich erlebt haben oder erleben. Mit ihnen hier in ruar bis 17. April sind hier 424’000 Moldawien zu arbeiten, kommt mir sehr entgegen. Denn es hindert mich, UkrainerInnen angekommen. Die meis- daran zu denken, was zu Hause gerade passiert», meint sie und erläutert: ten sind nur durchgereist, fast 100’000 «Ich habe keine Zeit, zu leiden.» sind aber in Moldawien geblieben. ©Tdh/R. Mazur
©Tdh/R. Mazur ©Tdh/R. Mazur Die Aktivitäten im «Blue Dot» werden von unseren KinderschutzexpertInnen Katya, 19 Jahre alt, mit ihrer sechs Monate alten gemeinsam mit unserer lokalen Partnerorganisation Amici dei Bambini und Tochter im Zentrum MoldExpo. mit der Unterstützung von Freiwilligen angeboten. Das Team von Tdh war sofort an Ort und «Es sind hauptsächlich Kinder und ihre psychologische Beratungen, der von Stelle, als die ersten ukrainischen Fami- Mütter auf der Flucht», betont die Lan- Tdh koordiniert wird, und ein Bereich lien in Moldawien eintrafen. «Am ersten desverantwortliche von Tdh. «Kinder für Mütter und ihre Babys. «Ich komme Kriegstag standen wir bei Tdh alle unter bilden die verletzlichste Gruppe der fast jeden Tag mit meiner sechs dem Eindruck unserer persönlichen Reak- Flüchtlingsgemeinschaft, weil sie am Monate alten Tochter hierher, um tionen. Bereits am zweiten Tag haben stärksten Risiken wie Menschenhandel Porridge, Spiele, Schnuller, Feucht- wir aber begonnen, in professioneller und Ausbeutung ausgesetzt sind. Sie tüchlein und Windeln zu holen. Oder Hinsicht Überlegungen anzustellen», fährt brauchen einen besonderen Schutz.» einfach nur zum Reden. Das ist Elena fort. Schon bald nimmt Unicef mit unentbehrlich. Es ist auch wichtig, zu Tdh Kontakt auf. Die beiden Organisati- Einfach nur reden können wissen, dass immer jemand da ist, der onen pflegen seit langem partnerschaft- Neben dem Kinderzimmer gehören zum sich um mein Baby kümmern kann. Das liche und vertrauensvolle Beziehungen. «Blue Dot» auch ein Raum für lässt mir sogar Zeit, in aller Ruhe zu duschen», erzählt Katya, eine 19-jährige Mutter, die ebenfalls aus Mykolajiw Freiwilligenarbeit erlaubt, Gutes zu erleben kommt. Ihre Zukunftsprojekte? «Warten wir erst mal ab, bis der Krieg zu Ende Andrei, ein freiwilliger Helfer in Moldawien, ist. Alles andere ist zweitrangig», kommt aus Odessa. Er ertrug es nicht mehr, in erwidert die junge Frau. Angst vor einem russischen Angriff zu leben. ©Tdh / R . Ma zur Der 17-Jährige hat die Grenze nach Moldawien «Warten wir erst mal ab, allein überquert und seinen wehrpflichtigen Vater zurückgelassen. Andrei wohnt bei einer bis der Krieg zu Ende Tante und hat sich gleich als Freiwilliger im ist. Alles andere ist MoldExpo gemeldet. «Meine Landsleute stehen ohne Unterkunft da und zweitrangig.» haben buchstäblich nichts mehr. Nach den Bombenangriffen brauchen sie jetzt ein Dach über dem Kopf, Geld und psychologische Unterstützung. Sie Etwas mehr als 400 km von Chisinau sind verängstigt, weil sie nicht wissen, was morgen geschieht», erzählt er. jenseits der rumänischen Grenze hat Sich nützlich zu machen, ermöglicht Andrei, sich besser zu fühlen. Er fügt an: «Ich möchte allen Ländern und Organisationen danken, die mit unseren Sasha, 17 Jahre alt, in Bukarest bereits Geflüchteten arbeiten. Zum Beispiel Tdh. Ich sehe, was sie für unsere Kinder begonnen, Pläne zu schmieden. «Wir tun. Ihre Arbeit hilft ihnen, nicht an die Schrecken zu denken, die viele von müssen Arbeit finden, um Geld zu ver- ihnen erlitten haben, und nach schlimmen Erfahrungen Gutes zu erleben.» dienen», stellt die Jugendliche fest. Sie ist zwei Wochen nach Kriegsbeginn
Bedürfnissen von Kindern und «Der Bereich ist jetzt besser strukturiert Eltern gerecht werden als am Anfang», stellt Cristina Panov fest, In den ersten Tagen kam es an diesem die Teamleiterin in Bukarest. Die Kinder Bahnhof zum Chaos, als die überfüllten betreten ihn zunächst verschüchtert. Züge aus der Ukraine eintrafen. Der Dann eignen sie sich den Spielbereich Ansturm hat inzwischen abgenommen, an und wollen gar nicht mehr weggehen. Rumänien verzeichnet aber immer noch «Ich habe beobachtet, dass die Kinder mehrere tausend Grenzübertritte pro Tag. das Bedürfnis haben, mit jemandem zu Eine beträchtliche Zahl für ein Land, das sprechen», fährt Cristina fort. «Ein Zwei- im Vorjahr nur 10’000 Asylgesuche jähriger hat mich bei der Hand genommen behandelt hat. und mich zum Sitzen aufgefordert. Er versuchte, mir etwas zu erklären, indem Der von Tdh betreute Raum liegt in einem er mich in den Arm nahm. Er schien glück- abgegrenzten Bereich des grossen War- lich, dass ihm jemand zuhörte. Andere tesaals im Bahnhof. Im Teil für Erwach- Kinder wollten mir von ihren Erfahrungen ©Tdh/P. Calinescu sene wurden ein paar Betten und Stühle erzählen. Ein neunjähriges Mädchen aufgestellt, damit diejenigen, die dies erklärte mir, dass ganz in seiner Nähe möchten, sich ausruhen oder fernsehen eine Bombe explodiert war und es im Ukrainische Kinder spielen in einem von Tdh können. Der Ort ist in düstere Stille Gesicht und an den Augen von Splittern am Bahnhof von Bukarest eröffneten Raum. getaucht, im Kontrast zu den Schreien getroffen wurde. Viele wollen Geschich- mit ihrem Freund Nikita, 16 Jahre alt, und dem Lachen, die aus dem Spielbe- ten erzählen, haben aber niemanden, der aus Odessa geflohen. «Odessa ist jetzt reich dringen, wo Kinder zeichnen, Ball ihnen zuhört.» eine ausgestorbene Stadt mit men- spielen und bei Aktivitäten mitmachen, schenleeren Strassen. Wir durften nicht die von Animateuren und Animateurin- «Ein neunjähriges Mädchen mehr raus. Deshalb wollte ich weg. Ich nen angeboten werden. Nach stunden- erklärte mir, dass ganz in bin in einem Alter, in dem das Leben langen Zug- oder Autofahrten, oft unter- seiner Nähe eine Bombe beginnt, in dem man nicht zu Hause brochen von endlosen Wartezeiten, bleiben will, ohne studieren, arbeiten haben die Kinder Energie und Stress explodiert war und es im oder spazieren gehen zu können», hält angehäuft, die sie loswerden müssen. Gesicht und an den Augen Sasha fest. Nach ihrer Ankunft haben Im Gegensatz dazu müssen sich ihre von Splittern getroffen sich die beiden Jugendlichen im Kin- Eltern entspannen und auf alles Weitere wurde. Viele wollen derbereich, den Tdh am Hauptbahnhof konzentrieren. Der Kinderbereich wurde Geschichten erzählen, von Bukarest eröffnet hat, als Freiwil- dazu konzipiert, diese beiden Erforder- haben aber niemanden, der lige gemeldet. nisse in Einklang zu bringen. ihnen zuhört.» Die Animateure von Tdh spielen mit den Kindern und schenken ihnen Gehör – eines ihrer wichtigsten Bedürfnisse. ©Tdh/R. Mazur
«Was braucht ihr?» Die UkrainerInnen, die am Hauptbahn- hof von Bukarest ankommen, verbrin- gen hier im Durchschnitt nur acht Stun- den und die meisten kommen auch nicht wieder hierher zurück. Unweit ©Tdh/P. Calinescu des Bahnhofs hat Tdh ein weiteres Zentrum eröffnet, das sich an Familien richtet, die länger in der rumänischen Hauptstadt bleiben möchten. «Wir ver- Cristina Panov, Teamleiterin in Bukarest, unterhält sich mit ukrainischen Kindern, suchen, diese Familien kennenzulernen die im Bereich von Tdh am Bahnhof von Bukarest im Transit sind. und ein Vertrauensverhältnis zu ihnen aufzubauen», erklärt Cristina. «Wir der zurücklassen mussten. Sie haben beitende, ÜbersetzerInnen und Anima- möchten uns ihnen nicht aufdrängen, den Mut, zu sagen, dass sie psycholo- teurInnen. Bis Juli werden in diesen drei indem wir ihnen sagen, was sie brau- gische Unterstützung brauchen, die Tdh Ländern weitere Räume für Kinder und chen. Wir bitten sie im Gegenteil, uns bereitstellen kann. Bereiche für Mütter und ihre Babys ein- zu sagen, was ihnen fehlt. Die Gesich- gerichtet. Bis der Traum von Artur, Tatiana ter hellen sich oft auf, wenn sie dies Im Rahmen der Nothilfestrategie und um und ihren fünf Kindern in Erfüllung geht: hören, denn es ist eine Frage, die nie- ukrainischen Familien die am besten «Dass alle bald heimkehren können.» mand stellt. Alle neigen dazu, zu geben, geeignete Betreuung zu bieten, ist Tdh ohne zu fragen.» Viele Ukrainerinnen dabei, in Moldawien, Rumänien und sind von den Bombenangriffen sehr Ungarn mobile Teams zu bilden. Neben Angélique Mounier-Kuhn mitgenommen und leiden darunter, einem Leiter oder einer Leiterin umfassen dass sie ihre Männer, Söhne oder Brü- diese Teams PsychologInnen, Sozialar- Mit Ihrer Spende können wir zum Beispiel CHF 50.- CHF 80.- CHF 150.- zwei Wochen lang einen kinderfreundlichen Lernspiele für Hygieneartikel für eine Raum mit einem Trampolin Gruppenaktivitäten Mutter und ihr Baby oder einem Spielhaus mit fünf Kindern bereitstellen ausstatten bereitstellen Für eine Spende verwenden Sie bitte den Einzahlungsschein oder den QR-Code des beiliegenden Briefs oder nutzen Sie eine der auf ©Tdh/R. Mazur Seite 3 beschriebenen Möglichkeiten.
Das Wort an «Wenn alle weggehen, wer kümmert sich dann um die in der Ukraine verbliebenen Menschen?» Aus Sicherheitsgründen kann Olga weder ihren Familiennamen noch ihr Gesicht preisgeben. Während die Aktivitäten von Terre des hommes (Tdh) wegen des Krieges unterbrochen waren, hat diese Mitarbeiterin entschieden, in Kiew zu bleiben, um weiterhin ihren Landsleuten zu helfen und die Wiederaufnahme der Aktivitäten zu planen. Mit fester, manchmal seufzender Stimme erzählt die braunhaarige junge Frau, wie der Alltag der ukrainischen Bevölkerung auf den Kopf gestellt wurde. «Ich bin im September 2021 zu Terre des hommes gestossen, Familien an und schulten Mitglieder der Lehrerschaft, um arbeite aber schon seit 2014 im humanitären Bereich. Für den Kinderschutz zu verbessern. Wir hatten auch mehrere mich brach der Krieg nicht erst am 24. Februar 2022 aus, FabLabs eingerichtet, um Jugendlichen zu ermöglichen, ihre sondern schon im Frühling 2014, als der Konflikt im Osten Kompetenzen zu entwickeln, und ihnen den Einstieg ins der Ukraine anfing. Ich lebte damals in Donezk, einer von Berufsleben zu erleichtern. Wir hatten zwei Büros, eines in Russland besetzten Stadt. Da ich mich für die Arbeit als der Region Luhansk in Sjewjerodonezk, das andere in der humanitäre Helferin entschieden habe, bleibe ich heute Region Donezk in Mariupol. Diese beiden Städte wurden von lieber in Kiew einsatzbereit, um Aktivitäten von Tdh für Beginn des Krieges an schwer angegriffen und wir mussten gefährdete Menschen zu lancieren, solange meine Sicherheit unsere Büros schliessen. Nur unser Repräsentationsbüro in nicht ernsthaft bedroht ist. Wenn alle humanitären Helfer Kiew bleibt offen. die Ukraine verlassen, wer wird dann noch da sein, um denjenigen zu helfen, die nicht die Mittel haben, wegzugehen, «Als humanitäre Helferin habe ich oder denjenigen, die gebrechliche Personen wie betagte zahlreiche Sicherheitsschulungen Angehörige nicht zurückzulassen können? durchlaufen. Ich weiss, wie ich informiert bleibe und mich psychisch Vor dem 24. Februar hatte Tdh 23 Angestellte in der Ukraine. Die Aktivitäten konzentrierten sich in der Nähe der Frontlinie, schütze. Ich habe aber gesehen, wie die im Osten. Sie waren für die am stärksten gefährdeten Kinder meisten Leute in einen schrecklichen und Familien bestimmt. Wir boten insbesondere psychosoziale Zustand der Panik und Angst verfallen.» Aktivitäten für vom Konflikt betroffene Kinder und ihre Kiew ist eine Grossstadt, wo es häufig zu Verkehrsstaus kam. Seit Kriegsbeginn ist sie wie ausgestorben und das Zentrum wird von verschiedenen Checkpoints kontrolliert. Im April haben die Bombenangriffe nachgelassen, Lebensmittelverteilungen wurden organisiert und die Apotheken waren wieder geöffnet. Es herrschte aber immer noch Ausgangssperre. Ich bin nicht sehr repräsentativ für das, was die Bewohner Kiews durchleben, denn ich habe schon die Erfahrung gemacht, in Konfliktzeiten zu leben. Als humanitäre Helferin ©Tdh/A. Dereko habe ich zahlreiche Sicherheitsschulungen durchlaufen. Ich weiss, wie ich informiert bleibe und mich psychisch schütze. 12 Courage | Juni 2022 | www.tdh.ch
Ich habe aber gesehen, wie die meisten Leute, unter ihnen uns auf diejenigen Kinder und Familien, die keinerlei Hilfe auch meine Wohnungsnachbarn, in einen schrecklichen erhalten. In der Region gibt es mehrere Millionen Vertriebene. Zustand der Panik und Angst verfallen, insbesondere Mütter, Wir haben eine erste Abklärung der dringendsten Bedürfnisse die sich grosse Sorgen um ihre Kinder machen. Die Leute sind durchgeführt, auf die wir eingehen möchten. Dabei haben verloren. Sie sind frustriert und weinen viel. Sie sind auch von wir festgestellt, dass sehr viele Kinder, die dem intensiven den ständigen Informationen erschöpft. Immer und überall Stress der Bombenangriffe und der Flucht ausgesetzt sind, wird nur vom Krieg gesprochen. von Bettnässen betroffen sind. Es besteht ein beträchtlicher Bedarf an Windeln, Hygiene-Sets und Babynahrung und die In den ersten Wochen konzentrierte sich Tdh auf die Evaku- Lieferketten sind durcheinandergeraten. Wenn die Menschen ierung der ukrainischen Angestellten, um sie in Sicherheit zu hier überleben, dann unter anderem dank der humanitären bringen. Die meisten von ihnen haben im Westen des Landes Hilfe. Diese Hilfe rettet Leben. Zuflucht gefunden und nehmen sich Zeit, sich psychisch zu erholen. Alle konnten, ebenso wie ihre Familienangehörigen, Wir haben einen Plan für humanitäre Hilfe für vertriebene Kinder von der sehr professionellen psychologischen Unterstützung und ihre Familien entwickelt, um sie mit lebensnotwendigen profitieren, die vom Hauptsitz von Tdh organisiert wurde. Das Gütern, psychosozialer Unterstützung und Informationen zu Team in der Ukraine umfasst selbst mehrere Psychologen und versorgen, die ihre Widerstandsfähigkeit erhöhen. Tdh wird Psychologinnen, doch niemand von ihnen war gerade in der auch die lokalen Helfenden an der Front unterstützen, die sich Lage, zu helfen. Sie brauchten selbst Unterstützung. um die Kinder kümmern, indem sie ihre Fähigkeiten stärken.» Mit dem Personal, das bereits im Westen des Landes war, Interview geführt von Angélique Mounier-Kuhn nehmen wir nun die Aktivitäten wieder auf und konzentrieren Im Osten der Ukraine führte Tdh bereits vor dem Krieg psychosoziale Aktivitäten für Kinder durch, die vom seit 2014 andauernden Konflikt betroffen sind. Wir möchten auch diese so bald wie möglich wiederaufnehmen. Courage | Juni 2022 | www.tdh.ch 13 ©Tdh
Im Fokus Nothilfe – eine Wegleitung Am 24. Februar 2022 vernimmt die ganze Welt mit Erstaunen, dass die russische Armee zum Angriff auf die Ukraine übergegangen ist. Terre des hommes (Tdh) geht davon aus, dass viele Menschen aus der Ukraine in Nachbarländer fliehen werden, und beschliesst, zu handeln. Doch die Zeit drängt und die Bedürfnisse sind beträchtlich. Wie kann eine angemessene Hilfe entwickelt werden? Naturkatastrophen, Konflikte, massive Bevölkerungsbewe- Sich mit anderen Organisationen koordinieren gungen … Die Nothilfeabteilung von Tdh unter der Leitung In jeder humanitären Krise ist die Koordination mit den von Laurence Gaubert-Henry steht an vorderster Front, wenn Behörden der betroffenen Länder, mit den UNO-Agenturen die Organisation beschliesst, in einer grossen Krise Nothilfe und den anderen NGO von grösster Bedeutung. «In den ersten zu leisten. Diese Abteilung geht voran, handelt aber nicht Wochen herrscht im Allgemeinen ein ziemliches Chaos», erklärt allein. Für die Umsetzung einer geeigneten Nothilfestrategie Laurence. «Danach aber plant das Amt der Vereinten Nationen braucht es eine breite Palette an Kompetenzen: der Teams für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) in vor Ort, die den Kontext kennen, der Programmteams am Absprache mit den Behörden des jeweiligen Landes Hauptsitz, die über Expertise verfügen, aber auch der un- Koordinationssitzungen der humanitären Akteure. Dies erlaubt, verzichtbaren Supportabteilungen wie Human Resources, zu erkennen, wer was macht, und begünstigt Partnerschaften. Logistik, Fundraising und Kommunikation. Dank der Koordina- Für die Teams von Tdh bedeutet dies, das richtige Gleichgewicht tion all dieser Teams und ihrer Kompetenzen kann wirksame zu finden zwischen der Teilnahme an diesen manchmal zu Nothilfe geleistet werden. zahlreichen Sitzungen und der Arbeit vor Ort, wobei die Linderung des Leids der Bevölkerung Priorität hat.» Bedürfnisse und Risiken erkennen «Die ersten beiden Wochen sind kritisch, denn in dieser Zeit «Dank der Koordination all dieser Teams werden die Entscheidungen in Bezug auf die Einsatzstrategie, und ihrer Kompetenzen kann wirksame die Planung und die Mittel getroffen. Diese Massnahmen werden auch bei der Entwicklung einer längerfristigen Hilfe Nothilfe geleistet werden.» als Anhaltspunkte dienen», betont Laurence. Diese erste Phase beginnt mit einer Risikoanalyse die Sicherheit und den Zugang Eine langfristige Betreuung sicherstellen der Teams betreffend und mit einer kurzen Erkundungsreise, Nothilfe hat nicht die Aufgabe, dauerhaft zu sein. Sind die um die Bedürfnisse der Bevölkerung abzuklären. Weshalb? Es Sicherheitsbedingungen gegeben, die Aktivitäten lanciert gilt, die Bedürfnisse zu identifizieren, die von anderen Akteuren und die unmittelbaren Bedürfnisse erfüllt, übernehmen die nicht abgedeckt werden, um Doppelspurigkeiten zu vermeiden «regulären» Teams die Arbeit der Nothilfeteams. Dazu und unmittelbare Bedürfnisse zu erfüllen. Tdh kann dann die braucht es Übergabemodalitäten wie eine Aufstockung des eigene Strategie präzisieren, die geplanten Aktivitäten und Personals und der finanziellen Mittel, damit die Familien die dafür erforderlichen finanziellen Mittel auflisten und mit wieder zur Normalität zurückfinden können, egal, wohin sie der Verpflichtung des notwendigen Personals beginnen. Die vertrieben wurden. Beschaffung von Material und Ausrüstungen wird parallel Angélique Mounier-Kuhn dazu organisiert. Im konkreten Fall der Ukraine wurde noch am 24. Februar eine multidisziplinäre Taskforce eingesetzt, um die wichtigsten Aufgaben in zwei Kategorien zu unterteilen: In-Sicherheit- Bringen und Betreuung unserer vom Krieg betroffenen ukrainischen KollegInnen; Aufbau des Nothilfeeinsatzes in den Ländern, die ukrainische Flüchtlinge aufnehmen. ©Tdh/R. Mazur 14 Courage | Juni 2022 | www.tdh.ch
Agenda Weitere Veranstaltungen finden Sie unter tdh.ch/anlaesse Fête de la Musique Paléo Festival Kinderfest ©www.fmzh.ch ©www.parkimgruenen.ch ©Tdh Salenstein (TG), 18. Juni Nyon, 19. bis 24. Juli Münchenstein, 11. September Terre des hommes wird mit einem Ein festlicher Sommer im Zeichen Am Terre-des-hommes-Kinderfest Kinderanimationsstand zum Thema der Solidarität! Wir sind Charity- werden diverse Attraktionen für Kinderrechte präsent sein. Partnerin des Paléo Festivals 2022 Kinder vorhanden sein. 15–18 Uhr im Schloss Arenenberg. und erwarten Sie an unserem Rendez-vous im Park im Grünen von Informationsstand im «Village du 11 bis 17 Uhr. Mehr Informationen: www.fmzh.ch Monde». In einem Escape Game können FestivalbesucherInnen Projekte in Westafrika entdecken. Mehr Informationen: www.tdh.ch/paleo 60 Jahre Orangenverkauf Sie sind mit Herz gelaufen! Am 10. April sind viele SportlerInnen beim Zürich-Marathon für die Gesundheit von Kindern gelaufen. Wir danken Ihnen herzlich dafür! Unsere P r ojek t e f ür K inder w ur den mi t 9 4 Spendenkampagnen unterstützt, welche über CHF 24’000 eingebracht haben. ©Tdh Möchten auch Sie Gutes für Ihre Gesund- heit und für Kinder tun? 6 0 Jahre Orangenverkauf, das muss Starten Sie Ihre eigene MyTdh-Sportkam- gefeiert werden! Auch dieses Jahr hat pagne, um K inder zu un t er s t ü t zen: die Schweizer Bevölkerung wieder zahl- mytdh.ch reich bei der grossen Solidaritätsaktion mitgemacht. Fast 10 0 0 Unternehmen haben V itamine getank t und 70 ’0 0 0 Orangen wurden auf der Strasse ver- kauft. Unser Online-Spiel wurde mehr als 7500-mal gespielt, ein sehr schöner Erfolg! Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung und allen Freiwilligen für ihr fantastisches Engagement. Des oranges qui ont du coeur Courage | Juni 2022 | www.tdh.ch 15
«Wenn ich gross bin, werde ich Künstlerin.» Die Zukunft liegt in den Händen der Kinder. ©Tdh/Atdhe Mulla Setzen Sie ein Zeichen und unterstützen Sie die kommende Generation. Berücksichtigen Sie Terre des hommes in Ihrem Testament. Unser Testament-Ratgeber ist hier abrufbar: www.tdh.ch/testament Siège | Hauptsitz | Sede | Headquarters www.tdh.ch/spenden Av. Montchoisi 15, CH-1006 Lausanne www.facebook.com/tdh.ch T +41 58 611 06 66, E-Mail: info@tdh.ch www.twitter.com/tdh_ch www.tdh.ch, PCK: 10-11504-8 www.instagram.com/tdh_ch
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