Zur Besinnung Sterntaler-Kirche - Gunda Mayer - Heliand Bund
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Zur Besinnung Sterntaler- Kirche Gunda Mayer E in neues Jahr hat begonnen, ein Zeitpunkt der Wünsche, auch der guten - oft genug wenig wirksamen - Vorsätze für ein irgendwie „besseres“ Leben. Merkwürdigerweise kommt mir dazu ein Märchen in den Sinn. dich niemand, du kannst wohl dein Hemd weggeben“, und zog das Hemd ab und gab es auch noch hin. Und wie es so stand und gar nichts mehr hatte, fielen auf einmal die Sterne vom Himmel, und waren lauter blanke Taler; Märchen sind ja bekanntlich keine Geschichten und ob es gleich sein Hemdlein weggegeben, so für kleine Kinder sondern setzen Erfahrungen ins hatte es ein neues an, und das war vom Bild, die Menschen aller Zeiten machen können: allerfeinsten Linnen. Da sammelte es sich die Sie erzählen eine allgemein verständliche, Taler hinein und war reich für sein Lebtag. anschauliche Geschichte und können damit Ein Satz reicht, um das ganze Elend, die absolute Wesentliches über Lebenswege, Beziehungen, Armut, Verlassenheit und Ausweglosigkeit des Reifungsprozesse und innerseelische Vorgänge jungen Menschleins zu umschreiben – als des Menschen sagen, wenn Auge und Ohr des Mädchen hat es nicht nur im Märchen ohnehin Lesers dafür offen sind. Darum lade ich nun dazu oft die Rolle der Schwachen. Ohne Eltern, ohne ein, mit mir „Die Sterntaler“ mit derart offenen, Besitz, ohne Haus, ohne Erbschaft ist es ohne anderen Augen zu lesen: Schutz, ein Bild totaler Hilflosigkeit, so möchte Es war einmal ein kleines Mädchen, dem war man sagen, Spiegel einer Menschheitserfahrung Vater und Mutter gestorben, und es war so arm, bis und gerade auch heute, im Leben einzelner dass es kein Kämmerchen mehr hatte, darin zu wie ganzer Völker. Stellen wir uns vor: Familie, wohnen, und kein Bettchen mehr hatte, darin zu Freunde, Heim, alles, was Halt gab, ist verloren - schlafen, und endlich gar nichts mehr als die gestorben, zerstört; muss sich der Mensch da Kleider auf dem Leib und ein Stückchen Brot in nicht „ganz allein auf der Welt“ fühlen, vor der Hand, das ihm ein mitleidiges Herz Angst vergehen oder / und verzweifeln? Wer geschenkt hatte. Es war aber gut und fromm. Angst hat, dem kann jeder andere Mensch zum Und weil es so von aller Welt verlassen war, Feind werden, den er vernichten muss, um zu ging es im Vertrauen auf den lieben Gott hinaus überleben. Die Geschichte lehrt, dass nicht nur ins Feld. Da begegnete ihm ein armer Mann, der einzelne Menschen, sondern ganze Völker so in sprach: „Ach, gib mir etwas zu essen, ich bin so einen Vernichtungswahn verfallen; Verzweiflung hungrig.“ Es reichte ihm das ganze Stückchen und Wut, weil “ja doch alles zugrunde geht“, Brot und sagte: „Gott segne dir's“, und ging führen Amokläufern die Hand… Andere gängige weiter. Da kam ein Kind, das jammerte und Reaktionen der Angst: Man schließt sich ein, sprach: „Es friert mich so an meinem Kopfe, zieht sich zurück. Scheu vor allen Kontakten, vor schenk mir etwas, womit ich ihn bedecken kann.“ allem vor Veränderungen, bestimmt den Alltag – Da tat es seine Mütze ab und gab sie ihm. Und es geht nur noch darum, das, was noch geblieben als es noch eine Weile gegangen war, kam ist, um jeden Preis zu bewahren, festzuhalten; wieder ein Kind und hatte kein Leibchen an und Besitz, Dinge bekommen da überragende fror: da gab es ihm seins; und noch weiter, da Bedeutung, aber auch Riten, Traditionen, können bat eins um ein Röcklein, das gab es auch von so zum Halt, ja zum Fetisch werden, auch für sich hin. Endlich gelangte es in einen Wald, und ganze Gruppen ; wir erleben das in Europa in es war schon dunkel geworden, da kam noch eins aktuellen Protestbewegungen gegen Fremde(s). und bat um ein Hemdlein, und das fromme Angst lähmt, das Leben ist nicht mehr auf Mädchen dachte: „Es ist dunkle Nacht, da sieht Zukunft ausgerichtet, nur Vergangenheit zählt, Zur Besinnung HeliandKorrespondenz 1/19 1
der Mensch verharrt resigniert in einem endlosen durchbricht: Sterne fallen vom Himmel, Zeichen Wartestand – kein Advent ist in Sicht. (Mir fällt für das, was das Mädchen es getan hat. Es hat da auch manch widersinniges Verhalten von den Himmel sozusagen auf die Erde geholt, hat Politkern und Staaten angesichts der drohenden den Gott mit uns – Immanuel - erfahren und Klimakatastrophe ein…) erfahrbar gemacht durch sein Vertrauen, würde die Theologie sagen. Und so ist es, so bleibt es Ganz anders unser Sterntalerkind: Es geht reich für sein Lebtag… hinaus, in die Welt, begegnet Menschen, hört deren Hilferufe, und , einfach unfassbar: es Wenn alle so lebten, zumindest alle erhört deren Hilferufe, leistet Hilfe – Christen? selbstzerstörerisch, lebensbedrohlich, möchte man meinen, denn es gibt ab, teilt, was es zum Eine Utopie, gewiss - aber eine, auf die man hin Leben braucht: mit der Mütze den Schutz – nicht leben kann, jetzt schon: im Vertrauen auf Gott nur vor Kälte –, mit der Kleidung: neben Schutz losgehen, loslassen, teilen: Besitz, auch von vor Blicken auch die Ansehnlichkeit in der Lebensnotwendigem wie Wasser, Lebensraum, Öffentlichkeit. Die, denen es gibt, scheinen in Lebensrecht - da sind politische Entscheidungen, ähnlicher Situation: arm, allein, als Kind ebenso da ist Einflussnahme von uns Christen gefragt. auf Hilfe angewiesen wie als einsamer Alter. Und weiter noch: Hinausgehen in die Unser Märchenkind kann sich offensichtlich Gesellschaft, in unsere Welt, unsere Umgebung: einfühlen, solidarisiert sich – ist also, genau Mit-Teilen von dem Reichtum unseres Glaubens, genommen, nicht mehr allein, sondern findet unserer Hoffnung auf den „Ich bin da“ und dafür Verbündete, die es segnen. Das geht so weit, den Kopf hinhalten. Himmlische Güter, Sterne dass es buchstäblich sein letztes Hemd weggibt; würden wir so sammeln, jetzt schon den ganz und gar nackt, hüllenlos, ist es ausgeliefert Himmel, das Reich Gottes, leben. – das schützende Dunkel wird nicht ewig Nicht auszudenken, was eine Sterntaler-Kirche andauern, der Tag wird kommen und mit ihm die ausrichten könnte… Wie mutig, wie freimütig Blicke bzw. Zugriffe anderer Menschen. würde sie die Botschaft von der Liebe Gottes Wahnwitzig scheint dieses Verhalten – hier rührt teilen, hinaustragen in die „Welt“ und dafür das Märchen an Züge des Gleichnisses, sprengt Besitz und finanzielle Sicherheiten „opfern“, auf den Rahmen der natürlichen Logik. Absolut eingefahrene Denk- und Verhaltensmuster, auf scheint die Schutzlosigkeit des Mädchens – aber Machtpositionen und Bequemlichkeiten absolut ist sein Vertrauen auf Gott, von dem das verzichten; wie frei wäre sie da, wie glaubhaft Märchen spricht; dieses Vertrauen ermutigt zum auch, weil solidarisch mit den Armen aller Art! Hinausgehen – woraus und wohin auch immer; Schutzlos wäre sie da? Feiern wir Christen nicht diesen „Schatz“ hat das Mädchen behalten, es Weihnachten den „Gott mit uns“, Immanuel? gibt und verschenkt im Bewusstsein von Gottes Wenn ER für uns ist, wer ist dann noch gegen Segen, setzt alles auf diese Karte, und der uns? Hat Kirche nicht so angefangen? Schluss gibt ihm Recht. Er zeigt, dass dieses Handeln nicht wahnsinnig war, sondern auf die einzig wahre Macht setzte, die Dunkel, Kälte und Einsamkeit 2 HeliandKorrespondenz 1/19 Zur Besinnung
Das Thema Gott „unterwegs“ im Alltag finden Wie ist es möglich, im Trubel des Alltags tatsächlich mit Gott in Kontakt zu kommen und zu bleiben? Diese Überlegungen beschäftigten uns beim Jahrestreffen im September 2018 in Bad Driburg. In diesem Heft greifen wir traditionell das Thema des Jahrestreffens auf, um diejenigen zu informieren, die nicht teilnehmen konnten. Die Referentin des ersten Tages, Frau Professorin Agnes Wuckelt, Katholische Hochschule Paderborn, stellte uns Gottesbegegnungen von Frauen vor, wie sie in der Bibel, vor allem im AT, überliefert sind. Am zweiten Tag referierte Frau Dr. Annette Schleinzer, theologische Referentin des Bischofs von Magdeburg, über Madeleine Delbrêl, „Prophetin und Mystikerin der Straße“. Delbrêl fand Antworten auf die oben gestellte Frage: eine zeitgemäße, bodenständige Alltagsspiritualität, die auch uns ansprechen kann. Beide Referentinnen haben uns Material zur Verfügung gestellt, wofür wir ihnen herzlich danken. Die Zusammenfassung der Ausführungen von Frau Wuckelt erstellte Mathilde Pirzer-Hartmann, die von Frau Schleinzer wurde von Christa Herrmann verfasst. Mathilde Pirzer-Hartmann Frauen – Gotteserfahrungen auf dem Weg Zusammenfassung des Vortrags von erfahren wir auch wenig über die Religiosität Frau Prof. Dr. Agnes Wuckelt von Frauen, über ihre Gottesvorstellungen und Gottesbegegnungen. Diesem Nichtwissen Spurensuche: abzuhelfen ist ein Anliegen dieses Tages. Gott und die Frauen in der Bibel Gottesvorstellungen im 2. und 1. Welche biblischen Frauen kennen wir? Aus dem Jahrtausend v.Chr. Alten Testament wurden spontan genannt Eva, Sara, Hagar, Rebekka, Lea, Mirjam, Judit, Ester, Der Glaube an den einen Gott Jahwe war nicht Rut und noch einige; aus dem Neuen Testament von Anfang an da. Das AT berichtet von Maria (die Mutter Jesu), Elisabeth, Marta, Maria verschiedenen Gottheiten und religiösen (ihre Schwester), Maria Magdalena. Weniger Praktiken und auch davon, dass Israeliten bekannt sind Frauen, die in der gleichzeitig mehrere Gottheiten verehrten. Es Apostelgeschichte vorkommen wie Priska, brauchte seine Zeit, bis sich der Monotheismus, Lydia, Junia, Phöbe. der Glaube an Jahwe durchgesetzt hatte! Im 2. und 1. Jahrtausend war folgendes üblich: Man Die Referentin überraschte uns mit der Tatsache, verehrte eine persönliche Gottheit, dazu die dass im AT 49 Frauen namentlich genannt Clan-bzw. Stadtgottheit und die Nationalgottheit. werden, im NT 45. Wobei „namentlich genannt“ Eine Jerusalemerin zum Beispiel verehrte als nicht heißt, dass sie alle mit ihrem Namen persönliche Gottheit die Göttin Aschera, auf der genannt werden, es kann auch heißen Frau von Ebene der Stadtgottheit den traditionellen …, Mutter von …, Tochter von …, Schwester Stadtgott Schalim und als Nationalgott den Gott des …. Viele dieser Frauen sind „vergessen“, sie YHWH (Jahwe). Sie konnte ihre private kommen in den gottesdienstlichen Lesungen Frömmigkeit in Haus und Familie frei ausüben, nicht vor, werden im Text ausgelassen. So an Aschera wandte sie sich zum Beispiel bei Das Thema HeliandKorrespondenz 1/19 3
Kummer, Krankheit, Trauer, Kinderlosigkeit u.a. Gott als Weisheit (Spr 1,20-33), Gott als In der Öffentlichkeit war es ihr erlaubt im Geistkraft (Gen 1 u. ö.), Gott als grünender Heiligtum bzw. Tempel zu beten, zu tanzen und Zweig (Sir 24). die Handtrommel zu schlagen, sie nahm an Wallfahrtsfesten und Opfermahlzeiten teil und Gottesbegegnungen von Frauen auf am einfachen kultischen Dienst an einem dem Weg in der Bibel Heiligtum (sog. Qedeschen). Gottesbegegnungen einzelner Frauen Göttinnen wurden vor allem von Frauen, aber erarbeiteten wir anhand kurzer Texte in kleinen auch von Männern verehrt. Gesprächsgruppen. Beispiele: Sara, die Frau Abrahams. Beim Besuch des Herrn (Gott mit zwei Begleitern) bei Abraham Anat und Astarte, Fruchtbarkeitsgöttinnen, wurde ihr trotz ihres hohen Alters ein Sohn die aber auch kriegerisch sind; verheißen. (Gen 18,9-15 und 21,1f) Aschera, die Gattin Els, Mutter aller Götter, Hagar, Dienerin Saras. Sie floh vor ihrer Herrin auch Partnerin YHWHs, in die Wüste. Ein Bote Gottes (oder Gott) Fruchtbarkeitsgöttin; verhieß ihr den Sohn Ismael. Sie gab dem Boten, Isis (im nachexilischen Palästina), der mit ihr redete einen Namen: „Du bist El Roi, dargestellt mit dem Horusknaben auf dem Gottheit des Hinschauens“. (Gen 16,6b-14) Schoß (Gottesmutter Maria!); Rebekka, die Lieblingsfrau Jakobs. Sie nahm Hathor, die Göttin der Freude, Liebe, Musik beim Wegzug in die Heimat Jakobs die und Tanz; Götterstatuen ihrer Familie (Terafim) mit und wurde von ihrem Vater des Diebstahls bezichtigt. Ischtar im Strahlenkranz; (Gen 31,30f) „Himmelskönigin“, wohl Ehrentitel jeder Mirjam, die Schwester von Mose und Aaron. Göttin, (Maria Himmelskönigin!) Sie sang und tanzte nach der Rettung am Schilfmeer: „Singt dem Herrn, denn er überragt Der Tempel in Jerusalem und der hierarchisch alle. Rosse und Wagen warf er ins Meer“. geregelte Tempeldienst halfen, den Glauben an Jahwe als den einen und einzigen Gott Michal, die erste Frau Davids. Sie verkleidete durchzusetzen. Ebenso die Verkündigung der ihr Götterbild, legte es in Davids Bett, täuschte Propheten. damit die Verfolger, David konnte fliehen. (1Sam 19,13 und 2Sam 6,20-23) Gott wird vor allem als männlicher Gott dargestellt, aber es gibt auch Judit, von ihr handelt ein ganzes Buch. Sie rettete (mit Gottes Hilfe) ihr Volk vor den weibliche Gottesbilder in der Bibel: Assyrern, indem sie dem Feldherrn Holofernes Gott als gebärende Frau (Dtn 32,18 …), als den Kopf abschlug. stillende Mutter (Ps 131 …), als Geburtshelferin (Ps 22,10 …). Marta aus dem NT, die Schwester des Lazarus. Sie erkannte in Jesus den Messias: „Rabbi, ich Gott kleidet (Gen 3,21 …), Gott erzieht (Jes glaube, dass du der Messias bist, der Erwählte 46,3-4 …), Gott tröstet (Offb 21,4). Gottes, der in die Welt kommt.“ (Joh 11,21-27) Gott als Bärenmutter (Hos 13,7f), als Priska, Leiterin/Mitarbeiterin der urchristlichen Haushälterin/Hausfrau (Ps 123,2; Lk 15,8-10), Gemeinden in Ephesus, Korinth, Rom. (Apg als Bäckerin (Mt 13,33, Lk 13,20), als 18,24-27) Adlermutter (Ex 19,4 in Zusammenhang mit Offb 12), als Henne (Ps 17,8; auf Christus Alle Beispiele handeln von Gottesbegegnungen bezogen: Mt 23,37; Lk 13,34). „auf dem Weg“ (am Weg). 4 HeliandKorrespondenz 1/19 Das Thema
Gott wird im Alltag erfahren, in Begebenheiten Gott hilft denen, die etwas tun. des Lebens. Die Erfahrungen der Frauen können auch für uns Gott hört die Klagen. Gott handelt: Er schaut / in unserer Zeit relevant sein. nach den Menschen, er sucht und findet sie. Mathilde Pirzer-Hartmann (Erfahrung der Hagar). Begegnung mit Madeleine Delbrêl Zusammenfassung des Vortrags von kennen, der Priester werden wollte. Eine große Frau Dr. Schleinzer Liebe erwachte in ihr, die gleichzeitig ihre atheistischen Ansichten ins Wanken brachte. Es Frau Dr. Annette Schleinzer, die Referentin des kam schließlich zur Verlobung mit diesem zweiten Tages, beschäftigt sich seit vielen Jahren jungen Mann, der allerdings kurz darauf zum mit Madeleine Delbrêl. Von ihrem Doktorvater, Militär eingezogen wurde, dort wieder zu seiner dem späteren Kardinal Karl Lehmann, wurde sie alten Berufung zurückfand und die Verbindung angeregt, über Leben und Werk dieser Frau zu zu Madeleine abrupt und radikal abbrach. promovieren. Folgenden Rat gab er ihr dabei mit Madeleine, inzwischen 20 Jahre alt, stürzte auf den Weg: „Versuchen Sie niemals sie dadurch in tiefe Einsamkeit und wurde schwer einzuordnen. Sie war ein Impuls des Heiligen krank. Erstaunlicherweise führte diese Geistes für unsere Zeit.“ Trennungserfahrung sie aber nicht zurück in den Diesem Impuls hat Frau Schleinzer in ihrem Atheismus, sondern bewirkte in ihr eine stärkere Vortrag nachgespürt und das Leben von M. Auseinandersetzung mit dem christlichen Delbrêl in drei markante Stationen eingeteilt. Glauben. Als sie auf Teresa von Avila stößt und bei ihr liest, man solle Gott jeden Tag 15 1. Station Minuten Zeit schenken beschließt sie, von nun an täglich zu beten. Am 29.03.1924 schreibt sie in Kindheit und Jugend von Madeleine waren von ihren Aufzeichnungen: „Gott hat mich unterschiedlichsten Erfahrungen, gefunden“. Von da an hat sie nie mehr an Gott Lebenswirklichkeiten und Lebensanschauungen gezweifelt. geprägt. Als Kind einer gut bürgerlichen katholischen Mutter und eines eher exzentrischen 2. Station und freidenkerischen Vaters, spielte der Glaube in ihrer Kindheit eine große Rolle. „Wenn ich Nach dieser Gotteserfahrung vollzog sie eine einmal groß bin, möchte ich Menschen zu Gott Lebenswende. Gott war ab da der Mittelpunkt führen“, so lautete einer ihrer kindlichen ihres Lebens und sie dachte über einen Eintritt in Wünsche. Doch als die Familie durch berufliche den Karmel nach. Ein Priester riet ihr aber, Veränderungen des Vaters nach Paris umziehen zunächst für 1 Jahr in einer Pfarrgemeinde aktiv musste, lernte Madeleine dort durch Teilnahme tätig zu sein. So wurde sie Pfadfinderin, nahm und Integration in intellektuell aufgeklärte wöchentlich an Bibellesungen teil und erhielt Salons atheistische Strömungen kennen. So sah daraus den Impuls, sich in sozialen sie mit 15 Jahren im Glauben an Gott nur noch Brennpunkten einzusetzen. Schließlich erwuchs eine Projektion des menschlichen Gehirns, deren bei ihr daraus die Erkenntnis, nicht in ein Kloster sie nicht mehr bedurfte. Stattdessen neigte sie zu gehen, sondern wie die ersten Christen mitten sich der Philosophie zu und begann später in der Welt zu wirken, Jesus in der Welt heute Philosophie zu studieren. Nebenher liebte sie ein erfahrbar zu machen. „Wir wollen nicht etwas sehr ausgelassenes, tanzwütiges Leben, machen“, war ihre Devise, sondern „wir wollen durchsetzt mit immer wieder tiefen Phasen von Menschen sein, durch die hindurch Christus Depression. Doch mit 18 Jahren lernte sie im wirkt“. Um in den sozialen Brennpunkten Freundeskreis ihres Vaters einen jungen Mann professionell wirken zu können, studierte sie Das Thema HeliandKorrespondenz 1/19 5
Sozialarbeit. 1933 gründet Madeleine mit zwei So sollte allmählich das ganze Leben in das weiteren Frauen in der Fabrikstadt Ivry, der Angesicht Gottes rücken: ersten kommunistisch regierten französischen „O Gott, wenn du doch überall bist, wie kommt Stadt, eine Wohngemeinschaft inmitten eines es dann, dass ich sooft woanders bin?“ Armenviertels. Es wird ‚ein Haus der offenen Madeleine wollte in einer Welt, die zu 90% nicht Tür‘ für die armen, ausgebeuteten Menschen mehr an Gott glaubte, missionarisch Kirche sein. ihrer Umgebung. Madeleine findet durch ihr Sie wollte nicht verkündigen, sondern Gott Wirken auch die Anerkennung der politischen aussäen. Dafür aber war es für sie ganz wichtig, Öffentlichkeit und so wird sie 1946 zur dass sie selber zu einer Insel göttlicher kommunalpolitischen Mitarbeit ins Anwesenheit wurde. Alles Weitere wollte sie kommunistisch regierte Rathaus berufen. Sie ist Gott überlassen, denn: der Überzeugung, dass Christen sich sozial und politisch engagieren und Stellung beziehen „Missionar sein kann man nur, wenn man dem müssen, denn auch „wer schweigt, bezieht Wort Gottes, dem Evangelium, in sich selbst Stellung“. einen offenen, weiten, herzlichen Empfang bereitet hat. Der lebendige Drang dieses Wortes Ihre berufliche Tätigkeit gibt Madeleine 1946 geht dahin, Fleisch zu werden, Fleisch zu werden auf, denn ihre Gemeinschaft ist inzwischen auf in uns. Und wenn wir so von ihm bewohnt sind, 18 Frauen angewachsen. So wird sie zur dann sind wir geeignet, Missionare zu werden.“ Hausmutter und Oberin dieser Gemeinschaft. Christa Herrmann 3. Station Je mehr Madeleine von ihrer Gemeinschaft, von den caritativen Aufgaben und vom öffentlichen Gedankensplitter Leben gefordert wurde, umso mehr beschäftigte sie in ihrer 3. Lebensphase die Frage, wie man von Madeleine Delbrêl im Alltag mit all seinen Anforderungen „Der Gläubige kann sich nicht vorstellen - und er außerhalb von Klostermauern geistlich leben denkt nicht mal daran, es sich vorzustellen von kann. Sie war sich sicher, dass es neben welchen Ängsten der heutige Mensch in herausgerufenen Menschen auch Menschen der wahnsinnigen Steigerungen befallen wird, wenn Straße gab, zu denen sie sich zählte, die ebenfalls er sie nicht mit einer allmächtigen Weisheit in von Gott gerufen waren. Zusammenhang bringen kann. Die Angst drückt sich selten in Worten aus. Wenn man sich jedoch Doch wo blieb bei den Menschen der Straße bewusst macht, dass sie auch so manche gläubige Raum und Zeit für Gott und das Gebet? Für Christen aus dem Gleichgewicht bringen kann, Madeleine war das eine Frage der Sehnsucht, dann vermag ein wenig Nachdenken und viel denn wer voller Sehnsucht ist, für den gibt es von Liebe erahnen lassen, was in dem Schweigen morgens bis abends Zeitteilchen, dieser mitschwingt, das ein Mensch, der nicht an Gott Sehnsucht – nach Gott – Raum zu geben: keine glaubt, sogar sich selbst gegenüber verborgen langen Meditationen oder Stundengebete, hält... sondern Zeitteilchen, kurze Augenblicke des Denkens an Gott, Stoßgebete – Benedikt von Der Gläubige, ist, auch wenn sein Glaube Nursia nannte das den „Wandel in Gottes schwach ist, nie ganz allein, nie ganz ohne Gegenwart“. Diese Form der Spiritualität wurde Zuflucht. Der Ungläubige kennt die Einsamkeit für Madeleine immer wichtiger. im Reinzustand, eine geradezu unmenschliche Einsamkeit. Er ist der Beziehung beraubt, die am Dennoch sorgte sie in ihrer Gemeinschaft auch allerwesentlichsten zu ihm gehört ... Alles, was für ein Minimum an spiritueller Struktur. Dazu Gott entrissen ist, ist dann dem Tod geweiht. gehörte die tägliche Teilnahme an der Was immer man liebt, man liebt etwas, das Eucharistiefeier, die tägliche gemeinsame sterben muss. Das Leben wird zur Vollendung Schriftlesung und monatlich ein freier Sonntag. 6 HeliandKorrespondenz 1/19 Das Thema
des Todes. Alles ist vom Nichts und von der Aus: Annette Schleinzer: Madeleine Debrêl, Absurdität überflutet. Prophetin einer Kirche im Aufbruch Wenn wir diesen Unheilszustand bei einem Menschen, der nicht an Gott glaubt, realisieren: wagen wir es dann noch, aus dem, was er sagt, „Wir Leute von der Straße“ was er tut, was er sucht, zu schließen, dass die frohe Botschaft des Evangeliums für ihn Es gibt Leute, die Gott in eine besondere überflüssig sei?... Oder müsste der lebendige Lebensform beruft. Gott des Evangeliums uns nicht unerträglich sengen, solange wir seinen Namen nicht laut Andere gibt es, die lässt er in der Masse, die unter denen ausrufen, die verzweifelt sind, ohne zieht er nicht „aus der Welt zurück“. es zu wissen? Wenn sie sich umdrehen, weil sie Es sind Leute, die eine gewöhnliche Arbeit uns Gott rufen hören, dann wäre das für sie der verrichten, die gewöhnliche Verheiratete oder Anfang der einzigen guten Nachricht“. gewöhnliche Unverheiratete sind. Leute, die gewöhnliche Krankheiten und gewöhnliche Traueranlässe haben. „Was noch schwerer wiegt, ist, dass die meisten Leute, die ein gewöhnliches Haus und Christen, die zu dieser Gemeinde gehören, gewöhnliche Kleider haben. Es sind Leute des innerlich vom Milieu der Nichtchristen getrennt gewöhnlichen Lebens. Leute, die man auf einer sind, obwohl sie doch im selben Viertel wohnen beliebigen Straße antrifft. oder miteinander arbeiten. Und noch schlimmer ist es, dass sich viele von ihnen den Sie lieben ihre Tür, die sich zur Straße hin öffnet, Nichtchristen gegenüber oft gleichgültig oder wie ihre der Welt unsichtbaren Schwestern und feindselig verhalten. Viele Christen, die nur unter Brüder die Tür lieben, die sich endgültig hinter sich leben, haben keine Ahnung, wie das ihnen geschlossen hat. Christentum auf Menschen wirkt, die nicht Wir andern, wir Leute von der Straße, glauben glauben; das lässt sie einander fremd werden ... aus aller Kraft, dass diese Straße, diese Welt, auf Einige Leute, die von den ungläubigen Massen die Gott uns gesetzt hat, für uns der Ort unserer bis ins Herz getroffen worden sind, mussten Heiligkeit ist. erleben, dass sie früher oder später von der Pfarrei abgewiesen wurden, in der sie einen Wir glauben, dass uns hier nichts Nötiges fehlt, Fremdkörper bildeten. Ihr Rückzug hat die denn wenn das Nötige fehlte, hätte Gott es uns Pfarrei um ihre wertvolle Präsenz gebracht, und schon gegeben…. sie selbst sind dadurch auch ärmer geworden ... Die Offenbarung des Evangeliums ist Geist und Die Konvertiten hingegen haben in der Pfarrei Leben. Es verlangt von dem, der sie empfangen nicht immer eine Gemeinschaft gefunden, die will, die Aufmerksamkeit seines Geistes und voll und ganz auf ihre persönlichen Bedürfnisse seines Lebens. Wir denken oft, wir müssten ihm und auf die Bedürfnisse ihrer nichtchristlichen den „Buchstaben“ unseres Daseins geben: Zeit, Umgebung, in der sie ja durch ihre Familie und äußere Einsamkeit, Rückzug. Und wenn unsere ihre Arbeit weiterhin blieben, eingegangen wäre. Lebensweise uns daran hindert, dann sind wir Und wenn es Suchende gab, die gerne mit schnell dabei zu glauben, das Evangelium sei Christen gesprochen hätten, so konnten sie in der nichts für uns – oder höchstens in einer Pfarrei nicht immer Menschen finden, die ‚ihre verkürzten oder verfälschten Form. Gern würden Sprache‘ gesprochen hätten, und so sind sie wir denen, die die Wüste gewählt haben, die leeren Herzens wieder gegangen. Solche Fülle einer Botschaft überlassen, die doch in dem Vorkommnisse, die überall schon schwer dichten Gedränge der Welt gelebt und gepredigt wiegen, werden in einer Bevölkerung, in der es worden ist. nur eine verschwindende Minderheit von Christen gibt, besonders dramatisch.“ Nun aber sollen alle unsere Lebensweisen das Evangelium aufnehmen; alle sind dazu berufen, Das Thema HeliandKorrespondenz 1/19 7
das Wort Jesu ungeteilt und unverfälscht zu sehen wir es aufleuchten, während wir eine empfangen. Aber sie können das nur, wenn sie Straße entlanggehen, unsere Arbeit verrichten, sich als das, was sie sind, hingeben – als ein Gemüse schälen, auf eine telefonische ungeteiltes Leben, als unser eigenes ganzes Verbindung warten, unsere Böden kehren; sehen Leben. Sie können es nur, wenn sie ihre es aufblitzen zwischen zwei Bemerkungen eines sämtlichen inneren Kräfte zur Verfügung stellen, Mitmenschen, zwischen zwei Briefen, die zu mit allem, was sie bewegt, was ihren Geist schreiben sind, beim Aufwachen und beim beflügelt. Einschlafen. Nirgendwo als in unserem Leben, das von Denn das Wort hat seinen Platz gefunden: ein morgens bis abends zwischen den Ufern unserer armes und warmes Menschenherz, das ihm Häuser, Straßen, Begegnungen dahin strömt, will Herberge bietet. Gottes Wort wohnen. (Madeleine Delbrêl, Deine Augen in unseren Nirgendwo als in unserem Geist, der uns durch Augen. Die Mystik der Leute von der Straße, unsere Arbeit, Mühsal, Freude, Liebe hindurch München 2014,81.90£). zu uns selbst kommen lässt, will Gottes Wort bleiben. Der Satz des Herrn, den wir dem Evangelium Freuden vom Berg herab während der Frühmesse entrissen haben oder während der Fahrt in der Metro, oder zwischen Weil deine Worte, o Gott, nicht dazu da sind, zwei Haushaltsarbeiten, oder abends im Bett: er um tatenlos in unseren Büchern zu bleiben, darf uns genauso wenig verlassen wie uns unser sondern um uns zu beherrschen und in uns Leben oder unser Geist verlässt. die Welt zu durcheilen, Dieser Satz will befruchten, verwandeln, so gib, dass von diesem Feuer der Freude, erneuern: den Händedruck, den wir zu geben das du einst haben, unser Bemühen, gute Arbeit zu leisten; auf einem Berg entzündet hast, die Art, wie wir die Menschen anblicken, die uns von dieser Belehrung, glücklich zu sein, begegnen, wie wir gegen unsere Müdigkeit Funken uns erreichen und in Brand setzen, ankämpfen, mit einem Schmerzanfall umgehen, uns ermächtigen und überwältigen, in einer Freude erblühen. Dieser Satz will überall dort zuhause sein, wo wir zuhause sind. Er will damit wir, von ihnen angesteckt wie Zunder überall dort wir selbst sein, wo wir wir selbst im Stoppelfeld, sind. die Straßen der Stadt durchlaufen, den Wogen der Menge entlang, Das Wort des Herrn fordert unsere Achtung; wenn es in unserem Alltag Pausen gibt, so will es sie anstecken mit Seligkeit, ein wenig oder auch viel davon in Beschlag sie anstecken mit Freude. nehmen. Es verlangt von uns, dass sich unser Denn wir haben wirklich genug Geist ausschließlich mit ihm beschäftigt und will, dass er ihm alles opfert, was weniger wert von all den Ausrufern schlimmer ist. Es will, dass man über ihm betet und dabei Neuigkeiten, vergisst, was im Vergleich zu ihm so wenig trauriger Nachrichten. zählt. Sie machen so viel Lärm, Wenn unser Tag so voll gestopft ist, dass Pausen dass sogar dein Wort übertönt wird. unmöglich sind, wenn unsere Kinder, der Mann, Lass in ihrem Gedröhn das Haus, die Arbeit fast alles beanspruchen, unser Schweigen erklingen, dann fordert es so viel Glaube von uns und so bebend von deiner Botschaft. viel Achtung, dass wir wissen: seine göttliche Kraft kann ihm stets Raum verschaffen. Dann Im antlitzlosen Gedränge lass unsere Freude 8 HeliandKorrespondenz 1/19 Das Thema
aufleuchten, die lauter tönt als das Schreien der Zeitungsverkäufer, überwältigender ist als die reglose Trauer der Masse. Madeleine Debrêl Das Thema HeliandKorrespondenz 1/19 9
Literatur Sibylle Lewitscharoff und Najem Wali „Abraham trifft Ibrahim“ Streifzüge durch Bibel und Koran Beatrix Albrecht Zeitung, die Neue Zürcher Zeitung, den Spiegel und die Zeit. Heute lebt Najem Wali als Autor Najem Wali trug, wie er in einem Interview und Journalist in Berlin. Er veröffentlichte sagte, jahrelang die Idee mit sich herum, ein zahlreiche Romane und Erzählungen. Zuletzt Buch zu schreiben, in welchem er die erschien sein Roman „Saras Stunde“ (2018) Geschichten wichtiger Figuren der Bibel und des Beide Autoren bedauern, dass viele Gläubige Korans erzählen wollte, denn seit langem war nicht wissen, was in der Bibel bzw. im Koran ihm aufgefallen, dass Judentum, Christentum wirklich steht. Vom Erzählen kennen sie jedoch und Islam über Legenden mit demselben Kern seit ihrer Kindheit viele Geschichten, die sie verfügen. Alleine wollte er das Buch nicht irrtümlich den Heiligen Schriften zuschreiben schreiben, damit es nicht zu einseitig würde. und die die Traditionen teilweise eher Zufällig saß er bei einer Einladung während der beeinflussen als die eigentlichen Texte. Z.B.: Nibelungen-Festspiele von 2015 an einem Tisch „Die Frau sei Stellvertreterin des Schaitâns und neben Frau Lewitscharoff. „Ich saß bei vielem ähnliche Sätze spricht manchmal der Wein, Frau Lewitscharoff bei vielem Wasser. Volksmund. Aber im Koran finden wir den Und dann habe ich ihr gesagt, Frau Sibylle Vorwurf nicht. Im Gegenteil, im Koran musste Lewitscharoff, jetzt weiß ich, mit wem ich dieses Âdams arme Frau Hawwâ, weil er der Buch schreibe. Sie sagte, wovon reden Sie? Da Verführung des Schaitâns erlegen war, das habe ich es ihr erzählt, und sie hatte Verständnis Paradiesverlassen...“ (S.45) Das Anliegen der für die Idee. Und am nächsten Tag kam sie zu Autoren ist, die Menschen von der mir und sagte, wir fangen an.“ (DLF-Kultur Notwendigkeit, die Texte zu lesen zu überzeugen 09.05.2018) und damit Wissen zu vermitteln und Sibylle Lewitscharoff ist in Stuttgart geboren und Aufklärungsarbeit zu leisten. wuchs als Tochter eines bulgarischen Arztes und In korrespondierenden Essays, wenn auch mit einer Deutschen auf. Sie interessierte sich früh verschiedenen Zugängen zum Text und mit für Literatur. 1973 ging sie nach Berlin, wo sie verschiedenen Vermittlungsweisen, betrachten seitdem lebt. Sie studierte Religionswissenschaft die beiden Schriftsteller neun Hauptfiguren der an der Freien Universität. Seit Anfang der 2000er beiden heiligen Schriften, auf die sie sich Jahre ist sie als freie Autorin tätig und erhielt für verständigt haben, Es sind: Eva/Hawwâ, ihr schriftstellerisches Werk zahlreiche Abraham/Ibrahim, Moses/Mûsa, Lot/Lût, Literaturpreise. 2013 wurde sie mit dem Georg- Hiob/Ayyûb, Jona/Yûnus, König Büchner- Preis ausgezeichnet. Salomo/Sulaimân, Maria/Maryam, der Najem Wali ist in Basra zur Welt gekommen. Teufel/Schaitân. 1980 floh er nach Ausbruch des Irak-Kriegs nach Die Leser können die einzelnen Essaypaare in Deutschland. 1988 schloss er sein Germanistik beliebiger Reihenfolge lesen. Sie werden jeweils Studium in Hamburg ab und begann in Madrid mit der nötigen Information aus den Schriften ein Studium der spanischen Literatur. Er war und aus der Exegese zur Figur und deren lange Zeit Kulturkorrespondent der sozialem Kontext versorgt. bedeutendsten arabischen Tageszeitung Al-Hayat und schreibt regelmäßig u.a. für die Süddeutsche 10 HeliandKorrespondenz 1/19 Literatur
Sibylle Lewitscharoff fügt mit viel Kreativität Die Einleitung zum Buch durch Najem Wali ist gestaltete, auch breit angelegte, für den Laien eine wichtige Hilfe: Sämtliche Parallelgeschichten aus Gegenwart und Prophetengeschichten im Koran haben einen Vergangenheit hinzu (z.B. eine Kierkegaard Vorläufer im Alten Testament. Die knappe, nicht Episode, die nur sie kennt zu Abraham und kontinuierliche Erzählweise des Korans setzte Brentanos Vita zu Jona). Sie lässt sich von voraus, dass Muhammads Publikum die Assoziationen zu Philosophen, Dichtern und entsprechenden Geschichten bereits kannte und Schriftstellern, Malern und Musikern, Theologen seine Anhänger aus dem Judentum und dem und Psychologen treiben. Die Sprache erscheint Christentum ihr Wissen sowie die teils ernsthaft, teils kurzweilig ironisch gefärbt. Überlieferungen mitbrachten. Für sein Ziel, die Ein Beispiel: “...In ihr sprechen nur Männer. Arabische Halbinsel mit ihren jüdischen und Abraham spricht mit Gott, Lot spricht mit seinen arabischen Stämmen und christlichen Gästen, aufgebrachte Männer krakeelen vor Bevölkerungsteilen zu einen und sie dem seinem Haus, die Engel sprechen zu Lot. Die Überbringer der Botschaft zu unterwerfen, Frauen bleiben ohne Stimme und laden in musste er diese Überlieferungen dem Leben in bemerkenswerter Stummheit Schuld auf ihr der arabischen Wüsten anpassen. Haupt. Insofern sind sie zwar waschechte Die Schwerpunkte seiner der Schilderung der Evastöchter...“ (S.130) Hauptfiguren aus muslimischer Sicht liegen bei den Koranstellen, die er ausführlich zitiert. Mit den Stellen, ihrem Umfeld und den Quellen setzt er sich differenziert auseinander. Über das Erzählen sagt er: “Und diese Geschichten machen den Menschen klar, dass sie Schicksalsgefährten sind und dass das Erzählen der einzige wirklich Heilige Krieg ist – ein Krieg gegen das Vergessen, dass wir Menschen alle gleich sind. So wird die Literatur nicht nur ein Mittel, um die Welt zu retten, sondern auch ein Ort der Verbrüderung und des Friedens.“ (NZZ 25.11.2015) Literatur Sibylle Lewitscharoff und Najem Wali: „Abraham trifft Ibrahim“ Streifzüge durch Bibel und Koran Geb. Ausgabe 2018, € 24,00, TB € 14,00 Suhrkamp Verlag, Berlin Literatur HeliandKorrespondenz 1/19 11
Weitere Leseempfehlung Amir Beitar / Henning Sußebach: „Unter einem Dach“ Jutta Busse „Unter einem Dach“ ist ein hochaktuelles Buch, Einmal schreibt Henning über die Ereignisse der das sicher in einigen Jahrzehnten Zeugnis geben letzten Tage aus seiner Sicht, dann schreibt kann für vorbildliches Engagement in einer Amir, wie er die Familie und Freunde und drangvollen Epoche unseres Landes. Als 2015 Bekannten seiner Gastgeber erlebt. Neben vielen zehntausende Flüchtlinge aus Syrien und vielen anderen Verhaltensweisen und Gepflogenheiten anderen Ländern nach Deutschland kamen, der Deutschen kann er nicht begreifen, dass er in entschließt sich Henning Sußebach nach diesem angeblich christlichen Land nicht sieht, reiflicher Überlegung und nach Absprache mit wann und wo die Menschen beten und dass in seiner Frau und seinen beiden Kindern einen seinem Umfeld sonntags niemand in die Kirche flüchtigen Studenten aus Syrien bei sich geht, wie er es aus seiner Heimat kennt. aufzunehmen. Henning ist Journalist bei der Das Buch ist anschaulich geschrieben, spannend Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“ und und sehr interessant zu lesen. Man kann bewohnt mit seiner Familie ein Einfamilienhaus nachvollziehen, was Henning S. in einem der in einem Vorort von Hamburg .Er hat sich durch letzten Kapitel nach sechs Monaten des Lesen einschlägiger Literatur und anderweitige Zusammenlebens schreibt: Nicht nur Amir hat Informationen auf den erwarteten Gast sich in diesem halben Jahr zwangsläufig vorbereitet, der seit sechs Monaten in einem verändert, auch er selbst und die ganze Familie Auffanglager in Sachsen lebt und gern vorerst in ist in einen ständigen Prozess des Hinterfragens einer deutschen Familie das deutsche Leben , geraten. Alle mussten sich mit vielen Fragen neu Sitten und Gebräuche kennenlernen möchte. Die auseinandersetzen und den eigenen Standpunkt Familie macht in ihrem Haus ein Zimmer frei, überdenken. Auch ich habe es beim Lesen oft so das sie mit dem Notwendigen ausstattet, das aber empfunden. Wir hören ja seit der großen zunächst nicht von dem Neuankömmling gefüllt „Flüchtlingswelle“ von 2015 durch Presse und wird, da Amir nur eine Tasche mit Sachen hat. Fernsehen meistens, wenn durch die Zugereisten Alles andere, was er aus der Heimat Straftaten begangen werden, so dass man den mitgenommen hat, ist ihm auf der Flucht Eindruck gewinnen könnte, dass mindestens ein gestohlen worden. großer Teil dieser Menschen Kriminelle oder In den ersten Wochen spricht der syrische Gast Asoziale sind. In diesem Buch kann man von nur wenige Sätze deutsch, besucht aber schnell einem Schicksal erfahren, das einen berührt und einen Sprachkurs und nimmt andere Sympathie weckt. Ein menschliches Schicksal, Gelegenheiten wahr, um Deutsch zu lernen. Er wie es sicher in vielfältiger Ausprägung kommt aus einem Dorf am Euphrat nahe der tausendfach in unseren Tagen vorkommt. Wir Stadt Deir ez Zor, wo er an der Universität alle können nur wünschen, und wo es möglich Mathematik und Informatik studiert hat. Er hat ist, unseren Teil dazu beitragen, dass diese dreizehn Geschwister und kann sich eine Familie schwierige Integration gelingt. mit nur zwei Kindern kaum vorstellen. Er ist gläubiger Moslem, an viele den Alltag beeinflussende Vorschriften gebunden, so dass es Literatur in der Familie Sußebach , die sich sehr bemüht Amir Beitar / Henning Sußebach: und geduldig auf ihn einstellt, täglich zu neuen Überraschungen und Schwierigkeiten kommt. „Unter einem Dach“ Das Buch schildert in wechselnden Kapiteln die Geb. Ausgabe 2016, € 19,95 sich allmählich entwickelnde Verständigung. Rowohlt Verlag 12 HeliandKorrespondenz 1/19 Literatur
Aktuelles 100 Jahre ND Jubiläumskongress 22. - 27. 4. 2019 in Köln Der ND, befreundeter oder „Geschwister“-Verband des HELIAND, feiert sein einhundertjähriges Bestehen und wir als HELIAND sind herzlich eingeladen mitzufeiern! Höhepunkt ist die eigentliche Geburtstagsfeier am Freitag, 26. April 2019, beginnend mit einem Festgottesdienst im Kölner Dom. Der anschließende Festakt im Kölner „Gürzenich“ mündet in einen festlichen Abend mit „After- Show-Party“ und Tanz. Begegnung und Austausch prägen die Kongresswoche, die Themen widmen sich Glaube, Kirche, Gesellschaft und Politik. Das Programm ist vielfältig mit Kunst und (Live)-Musik, Referaten und Diskussionen, kreativen Angeboten und Exkursionen, Gottesdiensten und Liturgischer Nacht, Erzählcafé und Poetry-Slam, Kölschem Humor und Bierprobe. Interessierte wenden sich bitte an die ND-Geschäftsstelle Gabelsbergerstraße 19 50674 Köln Tel. 0221 177 363 40 info@nd-netz.de Homepage: www.nd-netz.de Ein fiktiver Brief Die Kirche befindet sich nach wie vor in einer schwierigen Situation. Die notwendige Strukturreform beschränkt sich allein auf die Anpassung der Anzahl der Gemeinden an die Anzahl der vorhandenen Priester. Doch das führt nicht zu einem neuen Aufbruch. Es zeigt sich vielmehr immer deutlicher, dass Aufbruch und Erneuerung nicht von der Kirchenleitung allein zu erwarten sind, sondern, dass wir Laien mutiger den Finger in die Wunden legen und um Lösungen mit ringen müssen. Der fiktive Brief will Anstoß und Anregung dazu sein. Das Redaktionsteam Sehr geehrter Herr Erzbischof, Wir sehen Sie, unseren Hirten, nur bei im Sinne und im Auftrag Jesu Christi sind Sie besonderen, herausragenden Ereignissen wie der gute Hirte für uns, die Gemeinschaft der Firmungen, besonderen Patrozinien, Jubiläen und Glaubenden in Ihrer Diözese. Diesem, unserem dergleichen. Sie erleben dann volle Kirchen und Hirten, gilt dieses Schreiben. frohe Festtagsstimmung – also satte Weiden. Doch das ist nicht die Realität. Wir möchten mit einer Frage beginnen. Kennen Sie uns, Ihre Herde, unseren Alltag wirklich? Aktuelles HeliandKorrespondenz 1/19 13
Im kirchlichen Alltag haben wir den Eindruck, Leiter und dem oder der Verwaltungsleitung. Der dass unsere „Weiden“ – der Glaubensgrund – Priester, als geistlicher Leiter, kann zwar immer trockener und kahler werden. Ihre weiterhin die oberste Dienstaufsicht haben, die Stellvertreter, die Priester, können in den fachlichen Entscheidungen im flächenmäßig immer größeren Gemeinden nicht Verwaltungsbereich obliegen aber dem oder der mehr so Priester sein, wie sie es von ihrer Verwaltungsleitung. Bei einer solchen Regelung Berufung her gerne sein wollten. Heute sind sie kann der Priester wieder Seelsorger sein, kann in erster Linie Gemeindeleiter, d. h. Verwalter die Glaubensnöte und die Zweifel an so manchen und Sakramentenspender. Die Seelsorge, der liturgischen Texten und Dogmen in Gesprächen persönliche Kontakt zu den erfahren und darauf reagieren. Und er kann Gemeindemitgliedern, Gespräche über Zweifel, verlässlicher als das unter den jetzigen den eigenen Glauben, Krankenbesuche, bleiben Bedingungen möglich ist, das Evangelium in die mehr oder weniger auf der Strecke. Darunter heutige Zeit mit ihren wissenschaftlichen, leiden nicht nur wir, die Gemeinde, sondern auch kulturellen Entwicklungen und Erkenntnissen und vielleicht noch mehr, die Priester, für die Sie übertragen. auch Verantwortung haben. Mit zwei Aussagen Eine solche Änderung und Neuregelung ist aus jüngster Zeit wollen wir das belegen. möglich und liegt in Ihrer Kompetenz. In einem Gespräch mit einer Frau, die seit Jahren Aus unserer Sicht, von der Basis her, können Sie in einem großen Pfarrbüro tätig ist, erzählte sie nicht nur, sondern Sie müssen handeln. von einer sie sehr belastenden Situation, wo sie nicht richtig helfen konnte, und dann wiederholte Sehr geehrter Herr Erzbischof, prüfen Sie bitte, sie immer wieder sehr traurig: „wir machen ob Ihr Bild vom guten Hirten noch kompatibel ist keine Seelsorge mehr, wir machen nur noch mit dem guten Hirten, den Jesus Christus nicht Verwaltung.“ nur verkündet, sondern gelebt hat. Kurz darauf fand zufällig ein Gespräch mit In diesem Sinne grüßen Sie einem priesterlichen Gemeindeleiter statt. Anlass war eine falsche, bzw. unterlassene besorgte Christen Ihrer Diözese Bekanntmachung. Da gestand der junge Priester, dass er vor einigen Wochen in einer tiefen Dieser Brief erhebt keinen Anspruch auf Sinnkrise war. Eine Verwaltungsvorschrift nach Urheberrecht. Er kann von jedem unterzeichnet der anderen hätten ihn vom Ordinariat erreicht. und ganz oder teilweise übernommen werden. Er hätte sich gefragt, ob er das auf Dauer will und ob sein Berufsbild nicht ein anderes gewesen wäre. Ein älterer Priester hätte ihm mit dem Rat Inkonsequent geholfen, solche Briefe vom Ordinariat häufiger mal dem Papierkorb zu überlassen. Aber ist das Frag hundert Katholiken eine Lösung? was das wichtigste ist in der Kirche. Wir fragen Sie: sehen Sie diese Situation der Sie werden antworten: hungrigen, verstreuten Herden und sehen Sie die die Messe. Not der Priester, die nicht so Hirte sein können, wie es ihren Vorstellungen und ihrer Berufung Frag hundert Katholiken entspricht? Wenn Sie es sehen, warum handeln was das wichtigste ist Sie nicht? Fehlen Ihnen Lösungsmöglichkeiten? in der Messe. Wir können Ihnen helfen. Sie werden antworten: Wir schlagen vor und erwarten, dass unsere die Wandlung. großen Gemeinden, Seelsorgeeinheiten oder wie immer sie genannt werden, von einer Sag hundert Katholiken Doppelspitze geleitet werden, dem geistlichen dass das wichtigste in 14 HeliandKorrespondenz 1/19 Aktuelles
der Kirche die Wandlung ist. Sie werden empört sein. Nein, alles soll bleiben wie es ist! Lothar Zenetti Aktuelles HeliandKorrespondenz 1/19 15
Aus unserer Geschichte 16 HeliandKorrespondenz 1/19 Aus unserer Geschichte
Vor 15 Jahren, 2003, hatte unser Jahrestreffen in Imperialismus und Kolonialismus waren damit Freising das Thema: „Gott einen Ort sichern- verbunden…. Heliand heute“ (ähnlich dem diesjährigen Mission, besser Sendung, geht von Gott aus, der Jahrestreffen in Bad Driburg). „Assurer un lieu Jesu Christi Antlitz trug, er der Gesandte a`Dieu“ – Madeleine Delbrêl hat es vorgelebt. schlechthin…ruft andere in die Sendung, er gibt Auch wir wollten herausfinden, wie wir in einer Anteil an seiner Mission. Der biblische Ursprung Zeit, in der „Gott lautlos überflüssig wird“, ist eindeutig, aber wie kann man den Begriff unsere Alltagsspiritualität neu beleben können. heute verwenden? Bischof Wanke sagte: Fast 100 Heliandfrauen und einige mutige „Mission heißt für mich schlicht: Das Männer fanden den Weg nach Freising, angereist weitersagen, was für mich selbst geistlicher vom Norden, Osten, Westen, Süden und sogar Lebensreichtum geworden ist. Und aus Holland. Auf dem Domberg in Freising, Evangelisieren meint: Dies auf die Quelle bezogen wir Quartier, auf geschichtsträchtigem zurückführen, die diesen Reichtum immer neu Boden mit einer christlichen Tradition, die bis speist, auf das Evangelium, letztlich auf Jesus ins 8.Jahrhundert zurückreicht. Christus selbst und meine Lebensgemeinschaft mit ihm.“ Eine unserer Referentinnen damals war Dr. Gabriela Grunden. Ihr Thema war: Und Spiritualität meint „Leben aus dem Geist „Missionarische Spiritualität“. Sie begann so: Jesu“ (Rahner) oder „Verwirklichung des „Von Franziskus erzählt man sich folgende Glaubens unter den konkreten Geschichte: Eines Tages schlug er einem jungen Lebensbedingungen“ (Zulehner). Wir benötigen Mönch vor: Wir wollen in die Stadt gehen und eine „bilinguale Sprache“ in der christlichen dort den Leuten predigen. So machten sie sich Spiritualität. Bilingual, weil sie sowohl die auf den Weg nach Assisi, und sie gingen dort Sprache der Bibel und ihrer Symbolik als auch durch die Straßen und über den Marktplatz und die Sprache der Zeit zu sprechen vermag. Von unterhielten sich über geistliche Dinge. Erst als missionarischer Spiritualität zu reden bedeutet sie wieder auf dem Weg nachhause waren, rief folglich, sich zweisprachig auszurichten und zu der junge Mönch erschrocken aus: Vater lernen. Franziskus, jetzt haben wir glatt vergessen, den Missionarische Spiritualität hat nichts zu tun mit Leuten zu predigen! Nein, antwortete Franziskus äußerlich bleibenden Riten. Gottes Gegenwart ist lächelnd, wir haben die ganze Zeit nichts anderes nicht gebunden an unsere Kraftanstrengungen. getan. Wir wurden beobachtet, einige Leute Sie ereignet sich im Aufstand der Herzen für hörten Brocken unseres Gesprächs, unser Gott mitten in der Welt. Genau das hatte Gestikulieren und all unser Tun wurden gesehen. Franziskus begriffen. Darum kann er behaupten, So haben wir gepredigt. Denn, fügte er hinzu: dass es überhaupt nichts nützt, wenn einer Merk dir, mein Sohn, es hat keinen Sinn hingeht, um zu predigen, wenn er nicht schon hinzugehen, um zu predigen, wenn man nicht durch sein Gehen selber, also durch sein ganz schon durch das Gehen predigt.“ Missionarische banales Alltagsleben predigt. Spiritualität auf den Punkt gebracht? Oder Genau das hat Jahrhunderte später Madeleine heilige Naivität, wie sie einem Franziskus zu Delbrêl erfahren, wenn sie schreibt: „Das Wort eigen war?... Gottes trägt man nicht in einem Köfferchen bis Frau Grunden: „Vor wenigen Jahren war der zum Ende der Welt. Man trägt es in sich, man Begriff „Mission“ besetzt mit „jemanden nimmt es in sich mit auf den Weg. Man lässt es bevormunden“, …war der Inbegriff von bis auf den Grund sinken, bis zu dem Dreh- und Intoleranz. Heute hat sich die Situation Angelpunkt, in dem sich unser ganzes Selbst verändert. dreht. Missionar sein kann man nur, wenn man Der Missbrauch des Begriffs „Mission“ im Laufe dem Wort Gottes, dem Evangelium, in sich der Geschichte ist offenkundig, missionarische selbst einen offenen, weiten, herzlichen Empfang Tätigkeit zeigte sich als schöpfungsverachtende bereitet hat.“ Zerstörungskraft, Kulturen wurden vernichtet. Aus unserer Geschichte HeliandKorrespondenz 1/19 17
Wichtige Gedanken aus dem Referat von und bestehen aus Bleiplatten, die insgesamt fast Gabriela Grunden wurden von mir 600 Tonnen wiegen. Es gab also eine Menge zu zusammengefasst. sehen. Unser Führer, ein Steinmetz der Dombauhütte, ließ die spannende Baugeschichte Gertrud Singer des Doms lebendig werden und vermittelte völlig neue Ansichten über ein Bauwerk, das schon Wir über uns einige Jahrhunderte die Silhouette der Stadt prägt. Noch älter waren die romanischen Kirchen, die wir am Freitag erkundeten: St. Termine Maria in Lyskirchen, St. Maria im Kapitol, St. Cäcilien (also das Schnütgen-Museum), St. Zentrale Veranstaltungen Aposteln und abends St. Andreas bei einem 17.- 19. Mai 2019 Frühjahrsfrauen in Dresden Gottesdienst. Was für ein Gegensatz zwischen (Anreise ab 15. Mai möglich) dem grandiosen Dom mit seinen überwältigenden Besuchermassen und den 26. – 29. September 2019 Jahrestreffen im St. großartigen, aber deutlich stilleren romanischen Bonifatiuskloster in Hünfeld (nahe Fulda) Basiliken. Hier konnte man in aller Ruhe auf 29. September – 4. Oktober 2019 Ferien in Spurensuche gehen, Stimmungen nachspüren Gemeinschaft im Bonifatiuskloster in Hünfeld und intensive Gespräche führen. 25. – 27. Oktober 2019 Generationen im Gespräch in der Jugendherberge Wiesbaden Regionale Veranstaltungen 23. März 2019 Diözese Rottenburg/Stuttgart, Diözesantag in Stuttgart, Thema: „Wir können’s auch mit Stock“. Gruppenarbeit mit erfahrenen Leiterinnen 3. – 11. Juli 2019 Diözese Rottenburg/Stuttgart, Ferien in Gemeinschaft in Schloss Hersberg bei Immenstadt am Bodensee. Gäste aus anderen Diözesen sind herzlich willkommen. Berichte Rheintöchter in der Karibik? 37° im Schatten, am Ufer murmelten die Wogen, und als Dreingabe erschien eine spektakuläre Mondfinsternis am nachtklaren Himmel. Dabei mussten die Rheintöchter für so viel karibisches Foto: Roswitha Löser Feeling nur nach Köln reisen. Denn vom 25. bis 29. Juli 2018 präsentierte sich die Stadt von ihrer Die Reise galt jedoch nicht nur den vielen Kölner hochsommerlichen Seite. Das absolute Highlight Gotteshäusern, sondern auch der Gemeinschaft. (157,38 Meter) war der Dom, dem wir uns am Dazu haben wir ein Format entwickelt, das in Samstag widmeten. Am Vormittag gab es eine Köln seinen Probelauf hatte. Die „Kernreise“ Führung auf seinem Dach, dessen Gebälk nicht ging von Freitag bis Sonntag, besonders aus Holz besteht, sondern eine beeindruckende reiselustige Rheintöchter trafen aber schon am Eisenkonstruktion aus dem 19. Jahrhundert ist. frühen Mittwochabend ein, um mehr Die Dachflächen umfassen mehr als 12.000 m² gemeinsame Zeit miteinander zu verbringen. 18 HeliandKorrespondenz 1/19 Wir über uns
Außerdem hatten wir Frauen aus der Gegend in Freiburg“ in einem entzückenden Lokal zum und um Köln informiert und sie zum Dombesuch Mittagessen ein. Anschließend erinnerte eine am Samstag eingeladen. Auf diese Weise kam Diashow an die vergangenen gemeinsam eine bunte Truppe aus Rheintöchtern, Heliand- verbrachten Tage, besonders an das große Frauen und Frauen, die am Heliand Interesse Treffen auf dem Mont Ste. Odile im Elsass. gezeigt hatten, zusammen. Es wurden neue Barbara trug noch zusätzliche Eindrücke von Verbindungen geknüpft, alte Beziehungen ihrem diesjährigen Besuch in Reims bei, wo zwei aufpoliert, Meinungen, Erkenntnisse und Steinplatten in französischer und deutscher Adressen ausgetauscht und viele Eindrücke Sprache vor der Kathedrale an den gesammelt. Zufrieden und ein bisschen Versöhnungsgottesdienst mit Erzbischof Marty, verschwitzt traten wir am Sonntag unsere Charles de Gaulle und Konrad Adenauer Heimreise an, im Gepäck ein neues Reiseziel. erinnern, der hier am 8. Juli 1962 stattgefunden Nein, nicht die Karibik. Die Rheintöchter tun hatte. - Odile in Vertretung ihrer Gruppe verband sich mit den Frühjahrsfrauen zusammen und mit ihrem Dank den Wunsch, dass wir Frauen fahren im Mai 2019 nach Dresden. uns unseres Einsatzes in Gesellschaft und Kirche Dr. Cornelia Schneider immer mehr bewusst werden und dafür eine angemessene Wertschätzung einfordern. - Das Deutsch-französisches Treffen Wetter trug das Seinige zum Gelingen des Tages in Freiburg am 22. September 2018 bei. Einer der französischen Teilnehmer hat ein kleines Video gezaubert, das unter Die Heliandgruppe Freiburg organisiert, wie https://youtu.be/ngIgQTP56OE aufgerufen schon mehrfach berichtet, seit 2002 jährlich ein werden kann. Am Schluss versammelten wir uns Treffen mit Mitgliedern der ACF (Action im Chor der Konviktskirche zu einer kurzen Catholique des Femmes) aus dem Elsass, Andacht, bei der wir gemeinsam und abwechselnd diesseits und jenseits des Rheins. abwechselnd in deutscher und französischer Vertreterinnen der Kfd und Mitglieder des ND, Sprache beteten. – Bei der Frage, wie es mit den nehmen inzwischen ebenfalls daran teil, so dass Treffen weitergehen soll, da wir alle älter und sich immer zwischen 25 und 40 weniger mobil werden, wurde entschieden, dass Teilnehmer/Innen, jeweils fokussiert auf ein wir uns jährlich ohne großes Programm zu einem Thema, einfinden. Diese Treffen haben sich als Freundschaftsmittagessen abwechselnd in wichtig und auch heilsam erwiesen. Gerade Strasbourg bzw. Freiburg treffen wollen. Die 2013, im Jahr des 50jährigen Jubiläums des persönlichen Freundschaften können auf diese Deutsch-Französischen Freundschaftsvertrages, Weise weitergepflegt und auch durch wurde beim Treffen auf dem Mont St. Odile Neuzugänge erweitert werden. Hoffen wir, dass offenbar, wie tief gerade bei der älteren wir sie noch eine Weile pflegen können! Generation der Elsässer Verletzungen durch die deutsche Besatzung immer noch nachwirken. Johanna Pölzl Nach Aussagen der französischen Teilnehmerinnen waren und sind diese Ferien in Gemeinschaft vom 23. – 30. Begegnungen sehr wichtig und haben zu einer September 2018 in Bad Driburg echten Versöhnung mit ihren deutschen Nachbarn geführt, zu der die gemeinsame In diesem Jahr waren wir nach sehr langer Zeit christliche Spiritualität nicht unwesentlich einmal wieder im Hotel Erika Stratmann, das beigetragen hat. Wir von diesseits des Rheins direkt am Gräflichen Kurpark und unweit vom erleben diese Treffen dankbar als Bereicherung Zentrum gelegen ist, untergebracht. Bad Driburg und Zeichen einer aufrichtigen Freundschaft auf befindet sich im Eggegebirge und ist das einzige beiden Seiten. - Am 22. September feierten wir Privatheilbad Deutschlands. Am Sonntagabend nun in Freiburg mit dem 15. Treffen ein kleines stellten uns Gerda Lohölter und Helga Holtrup Jubiläum. Nach Museumsbesuch mit kleinem das von ihnen für uns ausgewählte Orgelkonzert fanden wir uns mit 26 Ferienprogramm vor. Gleich am nächsten Teilnehmer/Innen „über den Dächern von Morgen machten wir uns auf den Weg zum Wir über uns HeliandKorrespondenz 1/19 19
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