Das System Scientology - Bayerisches Staatsministerium des Innern

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Das System Scientology - Bayerisches Staatsministerium des Innern
Bayerisches Staatsministerium
                         des Innern

Das System
Scientology
Fragen und Antworten
Das System Scientology - Bayerisches Staatsministerium des Innern
Das System Scientology - Bayerisches Staatsministerium des Innern
Vorwort
Was ist die Scientology-Organisation (SO)? Warum befassen sich staatliche ­Stellen
überhaupt mit ihr? Was macht sie so gefährlich – für den Einzelnen, aber auch für
die Gesellschaft?

Diese und andere Fragen will die Broschüre beantworten. Denn Aufklärung über die
Organisation ist das wirksamste Mittel, um ihre Ziele und Mechanismen offen zu legen
und ihr den Nimbus einer vermeintlich um uneigennützige Lebenshilfe bemühten, selbst­
losen Gemeinschaft zu nehmen. Erkennt man erst einmal das System Scientology mit sei­
nen menschenverachtenden Zügen, wird die Organisation auf das reduziert, was sie tat­
sächlich ist: ein internationaler Wirtschaftskonzern, der nach Gewinnmaximierung strebt,
der aber auch ein weltweites totalitäres Herrschaftssystem nach eigenen Vorstellungen
errichten will. Das System Scientology lebt von der lückenlosen Kontrolle des Einzelnen,
der im System funktionieren muss. Menschenrechte sind diesem Denken fremd.

Sicher ist: Bei der Auseinandersetzung des Staates mit der SO geht es nicht um religiöse
oder weltanschauliche Fragen. Was der Einzelne glaubt, geht staatliche Stellen grund­
sätzlich nichts an. Verfolgt aber eine Organisation verfassungsfeindliche Ziele, gilt es
­hierüber aufzuklären und dem entgegen zu wirken. Der Staat darf nicht zusehen, wenn
 eine Organisation Menschen wirtschaftlich ruiniert, geistig abhängig macht, Familien
 zerstört und versucht, Wirtschaftsunternehmen, Behörden und die Gesellschaft zu will­
 fährigen Instrumenten ihrer Welteroberungspläne zu machen.

Seit Mitte der 1990er Jahre steht die Organisation verstärkt im Blickfeld der Behörden.
Bayern hat früh einen ressortübergreifenden Maßnahmenkatalog erarbeitet, um den
Aktivitäten der SO zu begegnen. Die Maßnahmen richten sich dabei gegen das System
­Scientology, aber nicht gegen den einzelnen Scientologen, der oft nicht Täter, sondern
 selbst Opfer der totalitären Organisation ist. Für sie wurden spezielle Beratungseinrich­
 tungen geschaffen.
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2

Die SO hat die selbst gesetzten Ziele bislang nicht erreicht, was sich auch am Rückgang
der Mitgliederzahlen bemerkbar macht. Insbesondere durch staatliche Aufklärung und
eine breite Darstellung in den Medien wurde die Organisation im Laufe der Jahre immer
transparenter. Hierzu hat vor allem das Internet beigetragen. Es gibt nichts „geheimnis­
volles“ mehr hinter der Organisation, was sich teuer verkaufen ließe. Die SO ist „ent­
zaubert“. Allerdings hat sich ihre Ideologie nicht geändert, so dass sie nach wie vor
insbesondere für den Einzelnen, der in ihre Fänge gerät, höchst gefährlich ist.

Mit Fragen und Antworten will diese Broschüre die Funktionsweise des Systems Sciento­
logy in Grundzügen erklären. Von Los Angeles/USA aus gesteuert arbeitet die SO überall
in der Welt übereinstimmend nach den Methoden ihres Gründers L. Ron Hubbard. Bei
der Auseinandersetzung mit der SO darf man sich nicht von Science­Fiction­Geschichten
täuschen lassen und ihre Anhänger als „Sektierer“ verharmlosen. Wer das System ver­
standen hat, kann die Gefahren richtig einschätzen und wird nicht mehr leichtgläubiges
Opfer.

Diese Broschüre berücksichtigt auch die Ergebnisse der im Auftrag der Bayerischen
Staatsregierung von Prof. Dr. Heinrich Küfner vom Institut für Therapieforschung (IFT),
Prof. Dr. Norbert Nedopil von der Psychiatrischen Klinik der Ludwig­Maximilians­Uni­
versität München (LMU) und Prof. Dr. Heinz Schöch vom Institut für die gesamten Straf­
rechtswissenschaften der LMU München erstellten wissenschaftlichen Expertise „Aus­
wirkungen und Risiken unkonventioneller Psycho­ und Sozialtechniken“ (Expertise), die
Ende 2002 im Pabst­Verlag unter dem Titel „Gesundheitliche und rechtliche Risiken bei
Scientology“ (Scientology–Gutachten), ISBN 3–936142–40–8, herausgegeben und ver­
öffentlicht worden ist.

Die Neubearbeitung dieser Broschüre beruht auf der 6. Auflage der Vorausgabe aus dem
Jahr 2004. Sie ist konzeptionell und inhaltlich fortentwickelt und berücksichtigt auch
neuere Erkenntnisse und Entwicklungen.
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Das System Scientology                                                  3

Inhalt
I.     Das System Scientology – Fragen und Antworten                    5
1.     Was bedeutet das Wort Scientology?                               5
2.     Wer war L. Ron Hubbard?                                          5
3.     Dianetik – wie fing alles an?                                    6
4.     Wer führt die SO heute?                                          7
5.     Wie ist die SO organisiert?                                      8
5.1    Was ist die Church of Scientology International (CSI)?           8
5.2    Was ist das ABLE-Netzwerk?                                       9
5.3    Was ist WISE?		                                                 10
5.4    Was gehört noch zur SO?                                         10
6.     Wie viele Scientologen gibt es?                                 11
7.     Ist Scientology eine Religion?                                  12
8.     Welches Menschenbild hat die SO?                                15
9.     Was ist das Ziel der SO?                                        17
10.    Was ist die SO-Technologie?                                     19
11.    Was ist die Brücke zur völligen Freiheit?                       20
12.    Was ist Auditing?		                                             23
13.    Beruht Scientology auf einer Science-Fiction-Geschichte?        25
14.    Warum haben Scientologen eine eigene Sprache?                   26
15.    Wie zieht die SO Menschen in ihr System?                        27
16.    Wie beeinflusst die SO Kinder und Jugendliche?                  30
17.    Wie verkauft sich die SO?                                       31
18.    Ist scientologische Ethik ethisch?                              32
19.    Wie setzt die SO Gehorsam durch?                                34
20.    Wie hält es die SO mit der Wahrheit?                            35
21.    Wie reagiert die SO auf Kritik?                                 36
22.    Unterhält die SO einen Geheimdienst?                            38
23.    Was hat die Gehirnwäsche-Organisation gegen die Psychiatrie?    39
24.    Unterwandert die SO die Wirtschaft?                             40
25.    Warum ist die SO eine verfassungsfeindliche Organisation?       41
26.    Wie gefährlich ist die SO?                                      43

II.    Das System Scientology – Was der Staat dagegen unternimmt       47

III.   Das System Scientology – Wie Sie sich dagegen schützen können   49

Sachwortregister		                                                     55
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I. Das System Scientology –
Fragen und Antworten

1.
Was bedeutet das Wort Scientology?

Scientology ist ein Kunstwort, gebildet aus „scire“ (lateinisch für
„wissen“) und „logie“ (auf das griechische „logos“ zurückge­
hend: „Lehre von“). Gemeint ist eine „Lehre vom Wissen“. Die­
ses Kunstwort hat der US-amerikanische Science-Fiction-Autor
L. Ron ­Hubbard als Bezeichnung für seine von ihm entwickelte
technische Lehre zur Veränderung des Menschen verwendet.

2.
Wer war L. Ron Hubbard?

Um Lafayette Ronald Hubbard (1911–1986) haben seine Anhän­
ger ein Netz von Legenden gesponnen. Hubbard war in den
1940er Jahren als Autor von Science-Fiction-Romanen tätig. Im
Zweiten Weltkrieg diente er der Familientradition folgend in der
US-Marine. In Zusammenhang mit seinem Kriegseinsatz kam er
in psycho­therapeutische Behandlung. Dort lernte er die Psycho­
analyse ­Sigmund Freuds und dessen Therapie-Verfahren kennen.
Aus Teilen dieser Lehre und anderen psychologischen Konzepten
entwickelte Hubbard seine Lehre und sein Verfahren zur Manipu­
lation der menschlichen Psyche, die er in seinem 1950 veröffent­
lichten Buch „Dianetik – Die moderne Wissenschaft der ­geistigen
Gesundheit“ vorstellte. Die SO selbst leitet den Begriff D
                                                         ­ ianetik von
„dia“ (griechisch für „durch“) und „nous“ (griechisch für „Seele“)
ab. 1983 wurde Hubbard zum letzten Mal in der Öffentlichkeit
gesehen, 1986 starb er.
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6   Das System Scientology | Fragen und Antworten

    3.
    Dianetik – wie fing alles an?

    Nachdem Hubbard 1950 sein Dianetik-Buch veröffentlicht hatte, in
    dem er seine Technologie zur „Heilung psychosomatischer Krank­
    heiten und geistiger Störungen“ darstellte, wurden in den folgen­
    den Jahren in den USA Dianetik-Zentren eingerichtet. ­Hubbards
    „Heilverfahren“ liegt seine Anschauung zugrunde, dass das
    menschliche Gehirn ein Computer sei. Die menschliche Psyche
    ist für ihn durch „elektronische Schaltkreise“ im Gehirn bestimmt.
    Sein dianetisches Verfahren versteht er als technische Prozedur
    zur „Reparatur“ fehlerhafter Gehirnschaltungen, es unter­scheidet
    sich daher laut Hubbard gänzlich von herkömmlichen psycho­
    therapeutischen Verfahren. Hubbard nannte seine neue vermeint­
    lich „wissenschaftliche“ Disziplin eine Ingenieur-Wissenschaft.
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Mitte der 1950er Jahre erfand Hubbard ein „Ich“, das sich mit Hilfe
von ihm entwickelter scientologischer Übungen vom Körper tren­
nen könne. Hubbard behauptete von nun an, der Mensch sei ein
„Geistwesen“, ein Thetan. Sein bisheriges Kursprogramm Dianetik
behielt er bei. Er nannte die dianetischen und die sich anschließen­
den scientologischen Übungen Brücke zur völligen Freiheit und gab
seiner Bewegung den Namen Scientology. Die 1952 gegründete
Hubbard Association of Scientologists International (HASI) erhob
allerdings bezeichnenderweise noch nicht den Anspruch, eine Reli­
gionsgemeinschaft zu sein. Als Hubbard jedoch wirtschaftliche und
steuerliche Vorteile einer Umwandlung seiner Organisation in eine
Kirche erkannte, gründete er 1954 die erste Scientology Kirche in
Los Angeles/USA.                                                       Scientology-Symbol

Hubbard standardisierte seine Prozesse und Trainings im Lauf der
Zeit immer weiter und entwickelte hierfür eine Vielzahl präziser
Verhaltensvorschriften, deren Einhaltung er unter immer schärfe­
re Kontrollen stellte. Daneben entwickelte er für den Geschäfts­
betrieb von Scientology eine bis ins Letzte ausgefeilte Organisa­
tions­ und Management­Technologie. Die Kunden seiner Dienst­
leistungen beschrieb er darin als von der Produktionsmaschine
Scientology herzustellende Produkte.

4.
Wer führt die SO heute?

Nach dem Tod Hubbards übernahm David Miscavige die Führung
der Organisation. Er steht dem Religious Technology Center (RTC),
der Befehlszentrale der SO in Los Angeles/USA, vor. Das RTC ist
Inhaber der Markenzeichen, die von der SO weltweit verkauft wer­
den. Die oberste Autorität dieses als Kirche getarnten Wirtschafts­
konzerns ist somit ein Wirtschaftsmanager.

Nach Hubbards Tod war es in der neuen Führungsspitze zu einem
heftigen Machtkampf gekommen, aus dem Miscavige letztendlich
siegreich hervorging. Von Hubbard selbst noch in einer Art Testa­
ment an seine Organisation benannte Nachfolger verschwanden
aus der Öffentlichkeit.
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8              Das System Scientology | Fragen und Antworten

               5.
               Wie ist die SO organisiert?

               Die SO ist wie ein internationaler Wirtschaftskonzern organisiert.
               Alle Einrichtungen unterliegen trotz scheinbarer Selbstständigkeit
               der strikten Befehls- und Disziplinargewalt des obersten Manage­
                ments in Los Angeles/USA, dem Religious Technology Center (RTC)
               unter der Leitung von Hubbard-Nachfolger David ­Miscavige.
               Das RTC bezeichnet sich selbst als „Inhaber der ­Dianetik und
               ­Scientology Marken“.

    RTC-Logo   Dem RTC sind drei Sektoren nachgeordnet: die Church of Scien­
               tology International (CSI), das ABLE-Netzwerk (Association for
               Better Living and Education) und das World Institute of Scien­
               tology Enterprises (WISE). Daneben gibt es noch weitere kleinere
               Organisationen.

               Hubbards Erfahrungen aus seiner Zeit bei der Marine spiegeln
               sich in Führungsstil und Aufbau der SO wider. Die einzelnen Mit­
               arbeiter, die Staff Members, sind einem strikten Kontroll- und
               Disziplinar­system unterworfen, das nach den Grundsätzen von
               Befehl und unbedingtem Gehorsam funktioniert. Das Manage­
               ment ist verpflichtet, die SO nach strategischen Grundsätzen zu
               führen, die Lehrbüchern über Kriegsführung entnommen sind.
               Es gibt eine militärisch organisierte vermeintliche Eliteeinheit, die
               Sea Org, deren Mitglieder militärische Dienstgrade haben. Das
               Personal dieser Einheit unterstützt das Management, wenn dieses
               bei der Führung der SO in Schwierigkeiten geraten ist. Hubbard
               selbst nannte sich zuletzt „Admiral“.

               5.1	Was ist die Church of Scientology
                    International (CSI)?

               Kern der SO ist der Church-Bereich, der in vielen Ländern „­Kirchen“,
               Missionen und für prominente Anhänger, die wegen ihrer Werbe­
               wirksamkeit besonders zuvorkommend behandelt werden, Celebrity­
               Centers unterhält. Die „Kirchen“ werden intern Orgs (Abkürzung
Das System Scientology | Fragen und Antworten                         9

für „Organisationen“) genannt. Die Church of Scientology Inter-
national organisiert, verbreitet und vermarktet die Techniken und
Produkte der SO.

Dachverband der SO ist in Deutschland die Scientology Kirche
Deutschland e.V. (SKD), in Bayern tritt auch die Scientology Kirche
Bayern e.V. (SKB) auf. Beide haben ihren Sitz in München.

5.2 Was ist das ABLE-Netzwerk?

Mit der Association for Better Living and Education (ABLE) will
die SO im sozialen Bereich „wirken“. Zu ABLE gehören die ver­
meintliche Hilfsorganisation für Drogenabhängige NARCONON,
die vermeintliche Hilfsorganisation für Straftäter CRIMINON, das
SO-Lernprogramm Applied Scholastics sowie die Stiftung Der
Weg zum Glücklichsein (The Way to Happiness). Aus Sicht der SO
sind Betroffene hier leichter zu beeinflussen und für ihre Lehren
empfänglicher.
10               Das System Scientology | Fragen und Antworten

                 5.3 Was ist WISE?

                 Das World Institute of Scientology Enterprises (WISE) ist ein fran­
                 chise-ähnlicher Zusammenschluss von Unternehmen, die teils
                 durch Lizenzverträge an die SO gebunden sind und nach deren
                 Methoden arbeiten. WISE soll die Wirtschaft unterwandern und
                 Geld beschaffen. WISE-Unternehmen sind vor allem in der Immo­
     WISE-Logo   bilienbranche sowie in der Unternehmens- und Personalberatung
                 aktiv. Darüber hinaus versucht die SO, Einfluss auf die IT-Branche
                 zu gewinnen, die Zugang zu sensibelsten Unternehmensbereichen
                 eröffnen kann. Durch die Organisation der SO als Wirtschafts­
                 konzern werden die Unterorganisationen und Einzelunternehmer
                 streng kontrolliert.

                 5.4 Was gehört noch zur SO?

                 Während die SO früher offen für sich geworben hat, versteckt
                 sie sich heute auch hinter Tarnorganisationen. Diese Organisatio­
                 nen verwenden Bezeichnungen, die zum Teil positiv belegte Ziele
                 nahe legen und auf den ersten Blick nicht immer erkennen lassen,
                 dass dahinter die SO steht. Grund ist wohl, dass viele Menschen
                 mittlerweile über die wahren Ziele der SO aufgeklärt sind. Gerade
                 beim ersten Kontakt soll daher nicht gleich ein SO-Bezug deutlich
                 werden.

                 Der SO sind beispielsweise auch folgende Organisationen, Initia­
                 tiven und Kampagnen zuzurechnen:

                 –		 die International Association of Scientologists (IAS),
                 –		 die Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen
                     Menschenrechte (KVPM, Citizens Commission on
                     Human Rights – CCHR),
                 –		 der Verlag New Era Publications International,
                 –		 die Initiative Jugend für Menschenrechte (Youth for
                     Human Rights),
                 –		 und Kampagnen wie Sag NEIN zu Drogen – sag JA
                     zum Leben
Das System Scientology | Fragen und Antworten                          11

6.
Wie viele Scientologen gibt es?

Es gibt keine verlässliche Zahl, wie viele Scientologen weltweit
aktiv sind. Das liegt insbesondere daran, dass bereits die Definiti­
on, wer Scientologe ist, schwerfällt. Anhaltspunkte können sein:

–		 Eine Person ist Mitglied bzw. Mitarbeiter einer Organisations­
    einheit der SO.

–		 Eine Person ist ein „abtrünniger“ Scientologe, d.h. sie hat sich
    rechtlich und tatsächlich von der SO gelöst, hält aber an den
    Lehren Hubbards fest und praktiziert diese weiter.
		Neben der 1954 von Hubbard gegründeten SO gab es in den
    1950er Jahren verschiedene Gruppen und Organisationen, die
    versuchten, die Lehren Hubbards umzusetzen. In den 1970er
    Jahren entfernte sich die von Hubbard 1967 gegründete Sea
    Org – die damalige faktische Machtzentrale der SO – immer
    stärker von der Basis der anderen Scientology-Organisationen.
    Zudem wurde Hubbards Führungsstil immer autokratischer.
    Nachdem einige führende Mitglieder der Church of Sciento-
    logy Hubbards Organisation und Führungsstil als zu autori­
    tär ansahen, gründeten sie ab 1982 eigenständige Gruppen,
    insbesondere die „Freie Zone“. Diese lehnen meist die harte
    Organisations- und Managementlehre der SO ab und praktizie­
    ren in der Regel lediglich die „Heil- und Erziehungsmethoden“
    Hubbards.

–		 Eine Person ist Anhänger der Lehre Hubbards und praktiziert
    diese, ohne jedoch in einer Beziehung zur SO oder zu einem
    abtrünnigen Scientologen gestanden zu haben.
		Soweit Managementtrainer, ohne Angestellte des Konzerns
    oder Mitglieder der Internationalen Vereinigung der Scientolo-
    gen (IAS) zu sein, Trainingstechniken der SO benutzen, das von
    Hubbard vertretene Menschenbild und seine Ideologie guthei­
    ßen oder seine Techniken verbreiten, nennt man diese „Hub­
    bardisten“ und spricht von „Hubbardismus“. Solche Personen
    haben sich aus dem veröffentlichten Schrifttum Hubbards im
    Selbststudium die Lehre und Methoden Hubbards angeeignet.
12   Das System Scientology | Fragen und Antworten

     Nicht jeder, der ein Kursangebot bei der SO in Anspruch genom­
     men hat, ist somit ein Scientologe. Die Angaben der SO über
     Mitgliederzahlen schwanken erheblich. Aus den verkauften Mit­
     gliederzeitschriften und aus der Zahl von belegten Kursen sind
     aber grobe Schätzungen möglich. Weltweit dürfte es somit etwa
     130.000 Scientologen geben; die SO selbst spricht dagegen von
     bis zu zehn Millionen.

     Für Deutschland hatten die Verfassungsschutzbehörden über
     Jahre hinweg rund 5.000 bis 6.000 Anhängern angenommen, in
     Bayern etwa 2.600. Da die SO trotz andauernder Webungsbemü­
     hungen aber zunehmend an Bedeutung verloren hat und die Mit­
     gliederzahlen zurückgegangen sind, hat der Verfassungsschutzbe­
     richt Bayern 2009 die Mitgliederzahlen für Deutschland auf etwa
     5.000 und für Bayern auf etwa 1.700 Personen nach unten korri­
     giert, wobei die Tendenz fallend ist.

     7.
     Ist Scientology eine Religion?

     Hubbard nannte seine Lehre und Technik zur Manipulation
     menschlichen Verhaltens selbst eine Ingenieur-Wissenschaft. Zur
     Dianetik heißt es:

      „Dianetics is a science; as such, it has no opinion about religion, for
      sciences are based on natural laws, not opinions.“
      (Dianetik ist eine Wissenschaft; sie enthält daher keine Meinung über
      Religion, denn Wissenschaften basieren auf Naturgesetzen und nicht
      auf Meinungen.)

     THE DIANETIC AUDITOR’S BULLETIN, Volume 1, No. 4, Oktober 1950,
     Official Publication of The Hubbard Dianetic Research Foundation, Inc., Elizabeth,
     New Jersey

     Nach ihren Grundlagen(werken) sah sich die SO ursprünglich nicht
     als Religionsgemeinschaft. Die 1952 gegründete Hubbard Asso-
     ciation of Scientologists International (HASI) hatte noch nicht den
     Anspruch erhoben, eine Kirche zu sein. Nachdem Hubbard jedoch
     wirtschaftliche und steuerliche Vorteile erkannt hatte, betrieb er
Das System Scientology | Fragen und Antworten                                 13

ab 1954 die Umwandlung seiner Organisation in eine „Kirche“.
Seitdem tritt die SO der Öffentlichkeit gegenüber als „Kirche“ und
„Religionsgemeinschaft“ auf und nennt ihre Trainer, die Auditoren,
„Geistliche“.

Ein hochrangiger SO­Aussteiger aus den USA berichtete, dass er
in den 1970er Jahren in San Francisco die Aufgabe hatte, bei den
dortigen SO­Einrichtungen zur Täuschung der Öffentlichkeit eine
pseudoreligiöse Fassade zu organisieren. Dazu gehörten beispiels­
weise das Tragen von Kragen wie bei katholischen Priestern oder
der Bau einer Kapelle. Auch die Wahl der religiösen Bezeichnung
Church of Scientology habe bezweckt, die staatlichen Behörden
zu täuschen. Diese Angaben werden durch Äußerungen der SO
bestätigt:

 „Der einzige Grund, aus dem es Orgs gibt, ist die Aufgabe, ­MATERIALIEN
 UND DIENSTLEISTUNGEN AN DIE ÖFFENTLICHKEIT ZU VERKAUFEN UND
 ZU LIEFERN UND LEUTE AUS DER ÖFFENTLICHKEIT HEREINZU­HOLEN;
 AN DIE MAN VERKAUFEN UND LIEFERN KANN. DIE ZIEL­SETZUNG SIND
 TOTAL BEFREITE KUNDEN! … Es war offensichtlich unmöglich, dass ein
 einziges Wesen 2,5 Milliarden Menschen individuell ausbilden und auditie-
 ren würde. Die Zeit allein hätte dies verhindert.“

HCO-Policybrief vom 31.01.1983, korrigiert und wieder herausgegeben am
06.02.1983, um einen Tippfehler zu korrigieren, Hubbard-Kommunikationsbüro,
Saint Hill Manor, East Grinstead, Sussex

In Deutschland sind religiöse Bezeichnungen wie „Kirche“ und
„Geistliche“ rechtlich nicht geschützt. Mit Ausnahme der Zuer­
kennung des Status einer „Körperschaft des öffentlichen Rechts“
gibt es auch kein Anerkennungsverfahren, in dem der Status als
Religionsgemeinschaft förmlich zuerkannt wird. Deshalb kann
sich zunächst jede Gruppe – unabhängig von ihrer tatsächlichen
Zielsetzung – Religionsgemeinschaft nennen. Eine andere Frage
ist es aber, ob sich eine Organisation auch auf das Grundrecht
der Religionsfreiheit nach Artikel 4 und 140 des Grundgesetzes
berufen kann. Die Bundesregierung und die Bayerische Staats­
regierung sprechen dies der SO ab. Nach deutschem Religions­
verfassungsrecht muss sich eine Organisation, um sich auf Arti­
kel 4 und 140 des Grundgesetzes berufen zu können, im Schwer­
punkt mit religiösen oder weltanschaulichen Fragen befassen.
­Überwiegen dagegen wirtschaft­liche Interessen oder wendet eine
14   Das System Scientology | Fragen und Antworten

     ­ rganisation bloße ­geistige oder psychologische Techniken an,
     O
     kann sich die Organisation nicht auf das Grundrecht der Religions­
     freiheit berufen. Dabei ist, wie das Bundesverfassungsgericht fest­
     gestellt hat (Beschluss vom 5. Februar 1991, Az. 2 BvR 263/86),
     nicht die Selbsteinschätzung der Organisation entscheidend. Viel­
     mehr muss es sich auch tatsächlich, nach ­geistigem Gehalt und
     äußerem Erscheinungsbild, um eine Religion und Religionsge­
     meinschaft handeln.

     Deutsche Gerichte haben die Frage, ob sich die SO auf das Grund­
     recht der Religionsfreiheit nach Artikel 4 und 140 des Grundge­
     setzes berufen kann, bisher regelmäßig offen gelassen, weil es
     für ihre Entscheidungen schlicht nicht darauf ankam. Anders aller­

     SO-Kirche in Los Angeles/USA
Das System Scientology | Fragen und Antworten                                15

dings das Bundesarbeitsgericht: Es stellte mit Beschluss vom
22. März 1995 (Az. 5 AZB 21/94) fest, dass die Selbsteinschät­
zung der SO und ihr Auftreten als „Kirche“ lediglich als Vorwand
zur Verfolgung ihrer wirtschaftlichen Interessen dient und dass
sich die SO nicht auf die Religionsfreiheit nach Artikel 4 und 140
des Grundgesetzes berufen kann. Das Bundesverwaltungsge­
richt ­entschied zwar in einem Einzelfall, dass sich ein einzelner
Scientologe unter Umständen auf die individuelle Religions- oder
Weltanschauungsfreiheit berufen kann, falls die SO-Lehren für
ihn die Bedeutung einer Religion oder Weltanschauung erreichen
(Urteil vom 15. Dezember 2005, Az. 7 C 20.04); wie die Organisa­
tion als Ganzes zu bewerten sei, ließ das Bundesverwaltungs­
gericht aber ausdrücklich offen.

Die von SO hochstilisierte Frage der Religionseigenschaft ist
letztlich für die Auseinandersetzung mit ihr nicht entschei­
dend. Denn auch Religionsgemeinschaften haben sich im freien­
demokratischen Staat an Recht und Gesetz zu halten und die
demokratische Ordnung zu respektieren.

8.
Welches Menschenbild hat die SO?

Nach Hubbard bestehe der Mensch aus Körper, Verstand und
einem Geistwesen.

Das Geistwesen, das „Selbst“ bzw. das unsterbliche Wesen des
Menschen, nannte er nach dem griechischen Buchstaben Theta
Thetan. Der Verstand, der nach scientologischer Lehre zwischen
Thetan und sterblichem Körper vermittle, sei in einen reaktiven
und einen analytischen Teil aufgespalten. Im reaktiven Teil seien
alle negativen schmerzhaften Erfahrungen als Engramme in Form
von elektrischen Ladungen gespeichert. Der somit negative reak­      Theta
tive Verstand halte den analytischen Verstand, der für Problem­
lösungen zuständig sei, davon ab, positiv zu handeln.

So werde aberriertes Verhalten erzeugt, das Hubbard als unver­
nünftiges Handeln definierte. Da alle Menschen einen reaktiven
16   Das System Scientology | Fragen und Antworten

     Verstand besäßen, solange sie nicht durch scientologische Ver­
     fahren von ihm befreit, d.h. clear (geklärt) seien, sind alle Nicht-
     Scientologen nach Hubbards Theorie Aberrierte. Diese seien eine
     potenzielle Gefahr für die Gesellschaft, weil sie nicht zurechnungs­
     fähig seien.

      „Wir können also aufgrund echter Beweise schließen, dass die erste wahre
      Demokratie auftreten wird, wenn wir jedes Individuum von seinen bös­
      artigen reaktiven Impulsen befreit haben.“

     HCO Policy Letter vom 13.02.1965, korrigiert und wieder herausgegeben am
     07.10.1985, Hubbard Communications Office, Saint Hill Manor, East Grinstead,
     Sussex; aus dem Englischen übersetzt

      „Der einzelne Mensch läßt sich in drei Teile unterteilen. Der erste Teil ist das
      geistige Wesen, das in Scientology ein Thetan genannt wird. Der zweite Teil
      ist der Verstand. Der dritte Teil ist der Körper.“

     L. Ron Hubbard, Die Wiederentdeckung der menschlichen Seele, S. 45, Die Ron-
     Serie, hrsgg. von L. Ron Hubbard Personal Public Relations Office International, Los
     Angeles/USA
Das System Scientology | Fragen und Antworten                                            17

9.
Was ist das Ziel der SO?

Ziel der SO ist der durch dianetische und scientologische Prozesse
und Trainings erzeugte, entsprechend den scientologischen Inter­
essen perfekt funktionierende Mensch, der Clear.

Dem Thetan soll wieder die volle Handlungsfähigkeit zurückge­
geben werden. In einem ersten Schritt gilt es, den reaktiven Ver-
stand zu löschen. Ist dies geschehen, ist der Mensch clear, also
von „negativen Blockaden“ geklärt bzw. befreit. Danach folgen in
weiteren Schritten die OT-Stufen (OT steht für Operierender The-
tan). Hier soll das Geistwesen seine unbegrenzten Fähigkeiten
zurückerhalten, auch die Fähigkeit, sich in Raum und Zeit frei zu
bewegen. Den Weg dorthin bezeichnete Hubbard als die Brücke
zur völligen Freiheit.

 „Eine Zivilisation ohne Geisteskrankheit, ohne Verbrecher und ohne Krieg, in
 der fähige Wesen erfolgreich sein und ehrliche Leute Rechte haben können,
 und in der der Mensch die Freiheit hat, zu größeren Höhen auf zusteigen
 – das sind die Ziele der Scientology.“

Was ist Scientology?, S. XIII, Church of Scientology International, hrsgg. von NEW ERA
Publications International ApS, Kopenhagen, Dänemark, 1993, ISBN 87­7336­969­1

„Geisteskrank“ sind dabei laut Hubbard alle, die sich nicht den
scientologischen Verfahren unterzogen haben. „Verbrecher“ sind
für die SO alle, die sich gegen die SO stellen.

 „Eine ideale Gesellschaft wäre eine Gesellschaft nichtaberrierter Menschen,
 Clears, die ihr Leben in einer nichtaberrierten Kultur führen. … Es genügt
 nicht, als Einzelner nicht aberriert zu sein, wenn man sich innerhalb der
 Schranken einer Gesellschaft wiederfindet, die ihre Kultur mit vielen unver-
 nünftigen Vorurteilen und Angewohnheiten vermischt hat.“

L. Ron Hubbard, Dianetik, Der Leitfaden für den menschlichen Verstand, Buch Drei,
Kapitel Zehn, S. 482; 1974, 1999, 2007, ISBN 978-87-7687-131-4

Diese Planung Hubbards lässt den Schluss zu, dass die ange­
strebte scientologische Gesellschaft (Scientocracy) keine freie
Gesellschaft wäre, sondern eine Diktatur. Hinter dem angeblichen
18   Das System Scientology | Fragen und Antworten

     Reformprogramm, die Welt zu „klären“ (Clear Planet), steht daher
     als Endziel die Machtergreifung über die Welt.

     Ziel der SO ist eine ausschließlich nach scientologischen Richt­
     linien funktionierende Welt. Eine neue „wahre Demokratie“ soll
     an die Stelle der bisherigen Demokratien treten, die Scientologen
     als Produkt einer aberrierten Gesellschaft ansehen. Dabei sollen
     zunächst 10 % bis 15 % der politischen Meinungsführer, dann
     80 % bis 98 % der Bevölkerung geklärt werden und die Gesell­
     schaft schließlich nur noch aus den Nichtaberrierten, den Clears,
     bestehen. Damit erhebt die SO den für totalitäre Organisationen
     typischen Absolutheitsanspruch.

     Die SO verknüpft politische und wirtschaftliche Ziele. Durch die
     Vermarktung von Kursen und Publikationen sowie mit den Gewin­
     nen aus Unternehmen, die nach den Vorgaben Hubbards geführt
     werden, schafft sich die SO die wirtschaftliche Grundlage für ihre
     weltweite organisatorische Expansion sowie für die Verbreitung
     ihrer totalitären Ideologie und Praxis.

     Der ideologische Überbau der SO beruht auf drei Säulen:

     Dianetik                     Lehre Scientology             Scientologische Ethik

     SO-Methodik zur              Sie richtet sich zusätzlich   Disziplinierungs-
     Auffindung und               an einen Thetan,              technologie für
     Beseitigung angeblicher      ein angenommenes              Mitglieder, Mitarbeiter
     traumatischer Erlebnisse     Geistwesen des                und die gesamte
                                  Menschen                      Gesellschaft

     Die Ideologie der SO stützt sich ausschließlich auf die Schriften
     von Hubbard, die unveränderte Gültigkeit besitzen. Vor allem sei-
     ne programmatischen Äußerungen werden in Richtlinien­briefen
     (policy letters; Hubbard Communication Office Policy Letter =
     HCO PL) den
               ��������������������������������������������������������
                   Mitgliedern und Mitarbeitern als verbindliche Orien­
     tierung vorgegeben.

      „Das gesamte Wissen, das Scientology ausmacht, ist auf Hunderttausenden
      von Seiten und in Millionen von gesprochenen Worten festgehalten – alle
      von L. Ron Hubbard, dem Urheber und Gründer der Scientology.“

     Was ist Scientology?, Einleitung, Church of Scientology International, hrsgg. von
     NEW ERA Publications International ApS, Kopenhagen, Dänemark, 1993,
     ISBN 87-7336-969-1
Das System Scientology | Fragen und Antworten                       19

10.
Was ist die SO-Technologie?

Die SO-Lehre der Technologie ergänzt die Thetan-Lehre. Demnach
ist Scientology eine technische Ideologie zur Herrschaft über den
einzelnen Menschen und die ganze Gesellschaft. Seine Lehre und
Technik zur Manipulation menschlichen Verhaltens nannte Hub­
bard selbst eine Ingenieur-Wissenschaft.

Sie geht davon aus, dass der Mensch wie eine Maschine zu bedie­
nen ist (Mensch-Maschine-Modell). Der durch die scientologi­
schen Verfahren zu erzeugende neue Mensch, der Scientologe,
ist nach Hubbard ein ­Produkt, das durch die Trainings vom noch
unvollkommenen bis zum perfekten Produkt gebracht werden
muss.

In seinen Schriften betont Hubbard zwar seine Nähe zu Sigmund
Freud; Ausgangspunkt für seine Dianetik ist aber vielmehr eine
amerikanische Verhaltens- und Lerntheorie (Behaviorismus) sowie
eine Lehre über gleiche Steuerungs- und Kommunikationsab­läufe
in Lebewesen und Maschinen (Kybernetik). Hubbard überträgt
das maschinentechnische Modell der Kontrolle, der Kommunika­
tion und des Lernens aus der kybernetischen Lehre auf den Men­
schen. Demzufolge behandelt er den Menschen wie einen fehler­
haft programmierten Computer, der erst neu programmiert wer­
den müsse.

Die Trainings der SO zur Persönlichkeitsentwicklung ­erinnern da­
her häufig an maschinelle Prozeduren, wie sie bei der Programmie­
rung eines Roboters durchgeführt werden. Die endlosen Wieder­
holungen bestimmter Übungen haben Ähnlichkeit mit einer Dres­
sur. Die „Befehlsgeber“ steuern die „Befehlsempfänger“ dabei
wie Marionetten. Zwischenmenschliche Beziehungen werden wie
technische Abläufe behandelt.

Um den Kunden zur Mensch-Maschine umzuformen wird ihm eine
natürliche Grundlage für humanes Handeln, das Mitleid, aberzo­
gen. Nach Hubbard mindert Mitleid das „Überlebenspotenzial“.
20   Das System Scientology | Fragen und Antworten

      „Auditor und PC [= Preclear, d.h. der zu Klärende] gehen herum, der Audi-
      tor hat, wenn nötig, körperlichen Kontakt mit dem PC. Der Auditor auditiert
      die folgenden Anweisungen:
      1. DU SCHAUST AUF DIESE WAND. DANKE.
      2. DU GEHST HINÜBER ZU DIESER WAND. DANKE.
      3. DU BERÜHRST DIESE WAND. DANKE.
      4. DREH DICH UM. DANKE. …“

     HCOB 14.11.87 III, CCH 2 (Ton 40 8-C.)

     Die Auditoren „löschen“ zum besseren „Funktionieren“ der
     „Mensch-Maschine“ ohne Rücksicht auf Intimsphäre, Selbstbe­
      stimmung und Würde der Person im scientologischen Technik­
      labor durch ihre Verhöre dessen Engramme, d.h. dessen fehler­
     hafte Daten, und machen so den „Mensch-Computer“ clear.
     Den Clear verglich Hubbard mit einer perfekt funktionierenden
     ­Maschine, die sich selbst warten könne.

     Die Organisations- und Erziehungstechnologie der SO missachtet
     somit die Würde und Selbstbestimmung des Menschen. Perso­
     nen, die sich dem aussetzen, merken am Anfang ihres Trainings
     davon in der Regel nichts. Sie werden mit angelernter Freundlich­
     keit behandelt und meist schmerzlos in die Erziehungs­maschine
     Scientology eingeschleust. In den scientologischen Lernlabors
     werden sie dann nach Hubbards Technologie einer Umformung
     unterworfen. Mittels Erziehungsdrill werden sie zu blindem Gehor­
     sam gegenüber dem System erzogen. Ihnen wird auch anerzogen,
     Systemabweichler, Gegner und Kritiker, zu handhaben, d.h. sie mit
     rücksichtslosen Methoden gefügig zu machen. Die Technologie
     dient der SO zur Gehirnwäsche.

     11.
     Was ist die Brücke zur völligen Freiheit?

     Wer sich der SO anschließt, muss einen genau vorgezeichneten
     Trainingsweg mit dianetischen und scientologischen Übungen
     beschreiten, um das Endziel Operierender Thetan (OT) der höchs­
     ten Stufe zu erreichen. Er beginnt in aller Regel mit einem Kommu­
Das System Scientology | Fragen und Antworten                                          21

nikationskurs, in dem bestimmte Fähigkeiten trainiert werden, die
für den weiteren scientologischen Trainingsweg notwendig sind.
Begleitet wird dieser von einem Reinigungsrundown, der den Kör­
per von allen Umwelteinflüssen und Drogen (auch „Atomstrah­
lung“) befreien soll. Dieser Reinigungsrundown besteht aus stra­
paziösen stundenlangen Saunagängen und aus der Einnahme von
extrem hohen Vitamindosen. Es folgen lange Auditing­Sitzungen;
Auditing ist eine Psychotechnik, mit der der Zustand clear erreicht
werden soll. Hieran schließen sich die Kurse für die OT-Stufen von
OT I bis zur höchsten derzeit angebotenen Stufe OT VIII an. Die
Stufe OT VIII ist jedoch nicht die Endstufe, die dem Thetan die
ihm zugesprochenen Fähigkeiten zurückgeben soll; oberhalb von
OT VIII sind auf dem Trainingsplan Die Brücke zur völligen Freiheit
(Scientology-Klassifizierungs-, Gradierungs- und Bewusstseinskarte
der Stufen und Zertifikate) noch weitere Stufen konzipiert.

Nach der SO­Karte „Die Brücke zur völligen Freiheit“ ist der Ope­
rierende Thetan

 „Ein Seinszustand oberhalb von Clear, in dem sich der Clear mit seinen
 ursprünglichen Fähigkeiten erneut vertraut gemacht hat. Ein Operierender
 Thetan ist wissentlich und willentlich Ursache über Leben, Denken, ­Materie,
 Energie, Raum und Zeit.“

Was ist Scientology?, beiliegende Karte, Church of Scientology International, hrsgg.
von NEW ERA Publications International ApS, Kopenhagen, Dänemark, 1993, ISBN
87-7336-969-1

Wesentliches Ziel beim OT-Training ist es, in verändertem Wach­
bewusstseinszustand außergewöhnliche Erfahrungen beim Pro­
banden zu erzeugen, wie etwa das Erleben der „Außerkörper­
lichkeit“. Entsprechende Erfahrungen sind allerdings bei vielen
Menschen ohne weiteres mit bestimmten Psychotechniken wie
Hypnose und Meditation, aber auch durch Drogen aus­lösbar;
dazu bedarf es keiner SO-Techniken. Bei unsachgemäßem
Umgang kann es allerdings zu ernsthaften Gesundheitsschäden
kommen, insbesondere wenn diese Methoden exzessiv oder zur
Bestrafung eingesetzt werden (Black Dianetics).

Wer vom ersten bis zum letzten Kurs alle Dienstleistungen in
Anspruch nimmt, muss unter Umständen Beträge von mehre­
ren hunderttausend Euro entrichten, auch wenn Preisnachlässe
22   Das System Scientology | Fragen und Antworten

     aufgrund einer Mitgliedschaft in der Internationalen Vereinigung
     der Scientologen (IAS) oder einer Mitarbeit in der Organisation in
     Anspruch genommen werden.

     Bei manchen Kunden kann sich aufgrund des Trainings ein sucht­
     ähnliches Verlangen nach weiteren Kursen entwickeln. Man wird
     durch den raffinierten Einsatz von Psycho­ und Sozialtechnolo­
     gie in der Regel zum Weitermachen verführt, d.h. vom Werber
     durch unseriöse Verkaufstechniken zum Kauf weiterer Trainings
     gedrängt.

     Die höchsten Trainingsstufen werden in Advanced Organizations,
     u.a. in Los Angeles/USA und in Kopenhagen/Dänemark, angebo­
     ten. Kurse für höhere Stufen werden auch in Clearwater in Flo­
     rida, die höchsten auf einem SO­eigenen Schiff, der Freewinds,
     abgehalten.
Das System Scientology | Fragen und Antworten                                  23

12.
Was ist Auditing?

Auditing (abgeleitet vom lateinischen „audire“ = hören) ist die
maßgebliche Psychotechnik, die von der SO zur Veränderung des
Menschen eingesetzt wird. Das Auditing dient dazu, eine Person
in das System hineinzuziehen und für das System zum „Funktio­
nieren“ zu bringen. Laut SO sind schmerzhafte Erfahrungen – von
Hubbard Engramme genannt – die Hauptursache für psycho­
somatische Leiden. Aber auch „unmoralisches“ Verhalten, sexu­
elle Perversionen oder soziales Fehlverhalten gegenüber Mitmen­
schen haben nach Hubbard ihren Grund in derartigen Engrammen.
Durch das Auditing – auch dianetisches Processing genannt – sol­
len alle Engramme – wie die Falschprogrammierung eines Compu­
ters – beseitigt werden können.

Beim Auditing-Verfahren sitzen sich der „zu Klärende“ (Preclear)
und der Auditor, der scientologische Psycho-Technologe, in der
Regel gegenüber. Der Preclear muss dem Auditor in einer verhör­
ähnlichen Prozedur alle negativen Erlebnisse, die sich im Verlauf
seines Lebens auf der so genannten Zeitspur aufgezeichnet haben,
alle Probleme, aber vor allem auch seine eigenen Verfehlungen
und Vorlieben bis hin zu intimsten Details mitteilen. Der Preclear
muss sich der Befehls- und Kontrollgewalt des Auditoren bedin­
gungslos unterwerfen.

Als Kontrollinstrument dient das E-Meter, das aber nur den elek­
trischen Widerstand der menschlichen Haut misst, was zwar
objektiv keinerlei belastbare Aussagekraft hat, von der SO aber
nichtsdestotrotz eingesetzt wird. Der Proband nimmt hierzu zwei
Dosen aus Metall in die Hände, über die ein schwacher elektri­
scher Strom durch den Körper geschickt wird. An einem Messge­
rät kann der Hautwiderstand an einer Skala abgelesen werden. Die
Haut ändert ihren elektrischen Widerstand ständig, was neben vie­
len anderen Ursachen u.a. auch durch die gedankliche Vorstellung     E-Meter
eines erschreckenden oder freudigen Ereignisses bewirkt werden
kann. Durch die E-Meter-Messung könne dagegen laut SO entlang
der Zeitspur jedes erdenkliche Engramm aufgefunden, gelöscht
und der Preclear hierdurch von seiner Aberration geheilt werden.
24   Das System Scientology | Fragen und Antworten

     Dementsprechend verbessere sich die „Tonhöhe“, d.h. die Stärke
     der Spannkraft auf der Tonskala, der Emotionsskala; psychosoma­
     tische Beschwerden würden gelindert. Trotz des laienhaften Ein­
     satz eines von vorne herein untauglichen Messverfahrens gelingt
     es dem Auditor durch ständiges Insistieren und Nachbohren regel­
     mäßig, dem Preclear Persönliches zu entlocken, was dann wiede­
     rum Ansatz für weitere ausforschende Fragen ist.

     Der Preclear wird vom Auditor zu Beginn der Sitzung in einen
     Zustand gebracht, der ihm das „Beichten“ von Geheimnissen,
     auch intimster Geschehnisse und schwerer Verfehlungen, erleich­
     tern soll. Hubbard äußerte in einem Vortrag im Jahr 1961, Geheim­
     nisse seien die Ursache aller Aberrationen und der Gegner von
     Kommunikation. Der große aberrierende Faktor der Gegenwart sei
     die Notwendigkeit, Geheimnisse zu haben. Solange der Preclear
     Geheimnisse habe, die er nicht mitteilen wolle, werde er sich nicht
     verbessern.

     Auditing-Sitzung
Das System Scientology | Fragen und Antworten                        25

Alle „Geständnisse“ des Preclear während des Auditings wer­
den in einem Sitzungsprotokoll festgehalten und die Details akri­
bisch aufgeschrieben. Anschließend werden die Daten an einen
Fallüberwacher zur Begutachtung weitergeleitet. Dadurch wird
der Preclear für die SO zu einem „gläsernen“ Menschen. Die SO
behauptet zwar gegenüber der Öffentlichkeit, die Auditingproto­
kolle vertraulich zu behandeln. Gegenteiliges ergibt sich jedoch
aus internen Anweisungen der SO und aus Aussagen von Aus­
steigern. Da die SO eine Sammlung von im Auditing gewonne­
nen Intimdaten ihrer Mitglieder besitzt, müssen diese befürchten,
von der Organisation erpresst zu werden, wenn sie gegen diese
vorgehen.

Die beim Auditing gefundenen Schwachpunkte dienen dazu, die
Person zum Kauf eines weiteren Kurses zur angeblichen Lösung
des vermeintlich aufgefundenen Problems zu drängen.

13.
Beruht Scientology auf einer
Science-Fiction-Geschichte?

Für die Stufe OT III hat Hubbard – als Science-Fiction-Autor – die
Geschichte des bösen Herrschers Xenu erfunden, der vor 75 Milli­
onen Jahren eine galaktische Konföderation aus 21 Sonnen und 76
Planeten regiert habe. Er habe laut Hubbard das Problem der Über­
bevölkerung dadurch gelöst, dass er Milliarden von Menschen mit
Drogen behandelt, getötet und anschließend als T  ­ hetane auf die
Erde gebracht habe. Hier hätten sie dann durch die Entwicklung
der modernen technischen Zivilisation und durch den Einsatz von
Atombomben planetarischen Selbstmord begehen sollen. Die SO
wolle dieses Weltuntergangsszenario im intergalaktischen Krieg,
der jetzt noch andauere, verhindern.
26   Das System Scientology | Fragen und Antworten

     14.
     Warum haben Scientologen eine eigene Sprache?

     Die SO verwendet – je nach Zielgruppe – zwei verschiedene Spra­
     chen: eine um Allgemeinverständlichkeit bemühte pseudoreligiöse
     in der für die Öffentlichkeit bestimmten Propaganda und eine orga­
     nisationsinterne technische Sondersprache. Die orga­nisations­
     interne Sprache trägt zur Abschottung gegenüber der Außenwelt
     und zur engeren Bindung der Anhänger an die ­Organisation bei.

     Hubbard „redefinierte“ Wörter und gab ihnen damit einen neuen
     Inhalt. Begriffe aus der Alltagswelt können somit bei der SO einen
     ganz anderen Sinn haben, wie z.B. der Begriff „Ethik“. Scientolo­
     gen besitzen deshalb eigene Wörterbücher, die in ingenieurtech­
     nischer Art „redefinierte“ oder neugeschaffene Wörter und deren
     Definition enthalten. Mit der Bezeichnung downstat wird beispiels­
     weise der Zustand eines Scientologen definiert, der krank oder
     verwirrt ist. Ausgangspunkt für diese Definition ist die niedrige
     Produktions-Statistik eines Mitarbeiters, der in seiner Kraft, für
     die SO tätig zu sein, eingeschränkt ist. Die neue Sprache wird in
     Kursen nachdrücklich unterrichtet. Diese Praxis der sprachlichen
     Umerziehung ist ein Mittel totalitärer Systeme, das Denken und
     Handeln der Systemangehörigen zu steuern und zu kontrollieren.

      „Es gibt viele Beispiele dafür. Es sind keine ‚natürlichen’ Veränderungen der
      Sprache. Sie sind Veränderungen von Propaganda, sorgfältig geplant und
      durchgeführt, um einen Vorteil in der öffentlichen Meinung für die Grup-
      pe zu erhalten, die die Propaganda betreibt. Wenn man die neue Definiti-
      on oft genug wiederholt, kann man die öffentliche Meinung durch Verän-
      derung einer Wortbedeutung ändern. ... ‚Psychiatrie’ und ‚Psychiater’ sind
      leicht umdefiniert, um ‚ein antisozialer Feind der Menschen’ zu bedeuten. ...
      Das ist ein positiver Gebrauch der Technik, da der Psychiater in einem Jahr-
      hundert für alle Zeiten den Rekord an Unmenschlichkeit unter der Mensch-
      heit aufgestellt hat. ... Der Weg, ein Wort umzudefinieren, besteht darin, die
      neue Definition so oft wie nur möglich wiederholen zu lassen. Deshalb ist es
      notwendig, Medizin, Psychiatrie und Psychologie ‚nach unten’ umzudefinie-
      ren und Dianetik und Scientology ‚nach oben’ zu definieren.“

     HCO-Policybrief vom 05.10.1971, PR-Serie Nr. 12 „Propaganda durch
     Umdefinierung von Wörtern“
Das System Scientology | Fragen und Antworten                             27

15.
Wie zieht die SO Menschen in ihr System?

Die Anwerbung für SO funktioniert ähnlich wie eine Reuse, eine
Falle zum Fischfang: Man gerät in das System, bewegt sich vor­
wärts und glaubt sich dabei frei – möchte man allerdings umkeh­
ren, ist der Rückzug versperrt. Gewöhnlich ergibt sich ein erster
Kontakt mit der SO

–		   durch die Zusendung von Werbematerial,
–		   durch Ansprechen bei Informationsständen in Fußgängerzonen,
–		   durch Veranstaltungen in Fußgängerzonen,
–		   durch Angebote auf dem Nachhilfemarkt,
–		   und durch Ansprechen auf der Straße mit dem Angebot, einen
      „Persönlichkeitstest“ zu machen.

Die SO bedient sich auch Neben- bzw. Tarnorganisationen, die
auf den ersten Blick keinen Zusammenhang mit der SO erkennen
­lassen, um Botschaften zu unterschiedlichen gesellschaftlichen
 und politischen Themen zu transportieren. Bei der Kontaktanbah­
 nung versucht die SO, sich dabei als humanitäre und sozial verant­
 wortliche Organisation darzustellen.

Mit ihrem 200 Fragen umfassenden „Persönlichkeitstest“ (Oxford
Capacity Analysis – OCA) sucht die SO nach subjektiv empfun­
denen Schwachstellen bei ihren potenziellen Kunden: Hemmung,
vor Publikum zu sprechen, Unzufriedenheit mit dem beruflichen
Weiterkommen oder der Wunsch, seine Fähigkeiten zu erweitern
und zu verbessern. Die SO bietet neuen Interessenten scheinbar
ein individuell abgestimmtes Lebenshilfeangebot; dazu gehören
Dianetik- und Scientology-Einführungsdienste wie

–		   grundlegende Bücher und Heimkurse
–		   Filme für die Öffentlichkeit
–		   aufgezeichnete Vorträge von L. Ron Hubbard für die Öffentlichkeit
–		   Kurse zur Verbesserung des Lebens
–		   Hubbard-Dianetik-Seminar
–		   Erfolg durch Kommunikation
–		   Einführendes Scientology-Auditing.
28   Das System Scientology | Fragen und Antworten

     In diesen Kursen wird man nach und nach in das scientologische
     Denkgebäude und ihre Techniken eingeführt. Dabei nutzen die Sci­
     entologen die Grundbedürfnisse des Menschen nach Zuwendung,
     Kontakten, Angstfreiheit, Sicherheit, Erklärungsmustern und Erfolg.
     Die SO erweckt in der Einstiegsphase den Eindruck, kompetente
     Hilfe durch ein schlüssig wirkendes Konzept anbieten zu können,
     das die Beseitigung aller subjektiv als störend, unangenehm oder
     unerträglich wahrgenommenen Gefühle wie Ängste, Unsicherhei­
     ten, schwach entwickeltes Selbstwertgefühl und daraus resultie­
     render Verhaltensweisen in Beruf, Partnerschaft oder Freundeskreis
     verspricht. Der neue Kunde glaubt, bei Selbsterfahrungsübungen
     und Rollenspielen „Herr des Geschehens“ zu sein. Er wird jedoch
     schnell – ohne es zu merken – zum Spielball des Systems.

     Im Rahmen des Reinigungsrundowns werden strapaziöse Sauna­
     besuche zur „Entgiftung“ des Körpers durchgeführt. Ausstei­
     ger haben berichtet, dass die überlangen Saunabesuche auf sie
     euphorisierend gewirkt haben.

     In das System Scientology können aber auch Arbeitnehmer von
     ihrem Arbeitgeber gezogen werden. Oft geschieht dies über „Fort­
     bildungskurse“, in denen die Arbeitnehmer in die scientologische
     Technik eingeführt werden, teils ohne dass dies zu erkennen ist.

     Folgende Anhaltspunkte können dafür sprechen, dass ein Betrieb
     nach scientologischen Managementgrundsätzen geführt wird:

     –		   zum Teil die Menschenwürde verletzende Kontrolltechniken,
     –		   unmenschlicher Leistungsdruck,
     –		   Führung von Ethik-Akten neben normalen Personalakten,
     –		   Verpflichtung der Mitarbeiter, über Kollegen Wissensberichte
           an die Firmenspitze zu schreiben, die geeignet sind, die Kolle­
           gen bloßzustellen oder zu denunzieren.

     Wachsamkeit ist auch beim Abschluss von Verträgen geboten, die
     Dienstleistungen der Personalentwicklung, der Betriebsorganisa­
     tion und der betrieblichen Kommunikation (Errichtung von Kom­
     munikationsnetzen, Erstellung von Software usw.) betreffen. Denn
     dadurch haben scientologische Firmen die Möglichkeit, Einfluss
     auf das auftraggebende Unternehmen und dessen Mitarbeiter zu
     nehmen.
Das System Scientology | Fragen und Antworten                        29

Die International Association of Scientologists (IAS) sieht ihre
Hauptaufgabe darin, mit Hilfe von Mitgliedsbeiträgen und -spen­
den die Aktivitäten einzelner SO-Einheiten zu finanzieren. Ihre
Schwerpunkte sind daher die Öffentlichkeitsarbeit und die damit
verbundene Anwerbung neuer Mitglieder. Die IAS unterstützt u.a.
die Kampagne Sag NEIN zu Drogen – sag JA zum Leben, die mit
Informationsangeboten und Flugblättern regelmäßig aktiv ist.
Über das gesellschaftlich grundsätzlich akzeptierte Anliegen sol­
len verbrämt neue Mitglieder gewonnen werden.

Im Rahmen von ABLE betreibt die SO in Deutschland als Stiftung
Der Weg zum Glücklichsein (The Way to Happiness) immer wie­
der aktiv Öffentlichkeitsarbeit. Beispielsweise werden gleichna­
mige Broschüren vom Stammsitz in Kalifornien aus an Behörden,
Unternehmen und Banken wie auch an Bürgermeister und andere
Mandatsträger versandt. Die Titelseite der Broschüre erscheint mit
den persönlichen Daten des Adressaten, so dass der Eindruck ent­
steht, der Adressat selbst würde hinter der Aktion stehen.

Der SO-Verlag New Era Publications International, Kopenhagen/
Dänemark, schickt regelmäßig Werbebroschüren und DVDs wie
„Eine Einführung in die Scientology“ an Bibliotheken und an Schu­
len. Es wird angeboten, kostenlos weitere Publikationen über die
SO erhalten zu können, wenn ein Fragebogen ausgefüllt zurückge­
sandt wird. Das Werbematerial wurde auch schon an Politiker und
Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes verschickt, zum Teil auch an
deren Privatadresse.
30   Das System Scientology | Fragen und Antworten

     16.
     Wie beeinflusst die SO Kinder und Jugendliche?

     SO-Einrichtungen sind im Bereich der Betreuung und Förderung
     von Kindern und Jugendlichen tätig, sie sind aber oft schwer zu
     erkennen. Der Organisation geht es hier nicht nur darum, Kin­
     der und Jugend­liche möglichst früh zu beeinflussen, etwa indem
     Bücher wie die Lernfibel Kinder in scientologische Denkweisen ein­
     führen; sie sieht hier auch die Möglichkeit, einen scheinbar unver­
     fänglichen Kontakt zu den Eltern anzubahnen und ihre Produkte
     gewinnbringend zu vermarkten. Die Organisationseinheit Applied
     Scholastics schafft dazu Einrichtungen, um Kinder und Jugendliche
     in jeder Lebensphase indoktrinieren zu können, von Kindertages­
     stätten bis zum Nachhilfemarkt.

      „Es können nicht mehr nur unsere Lernzentren sein, unsere Schulen. Die
      Studiertechnologie muss überall sein. … So schaffen wir die Mittel, um die
      Tech in jeder Schule einzuführen und das Problem auf globaler Ebene zu
      lösen.“

     Impact, Das Magazin der International Association of Scientologists, Ausgabe 106,
     Feier zum 19. Jahrestag der IAS

     In Supermärkten oder Fußgängerzonen werden oft Handzettel ver­
     teilt. Von Scientologen geführte Nachhilfeeinrichtungen führen mit­
     unter neutrale Namen wie Lernstudio, Lerncenter oder Tutoring.

     In der Regel kommen Kinder und Jugendliche über ihre Eltern, die
     selbst Scientologen sind, zur SO. Für diese unterhält die SO im Aus­
     land auch eigene Schulen, z.B. in Großbritannien und Dänemark.

     Kinder werden in der Ideologie der SO als Erwachsene in kleinen
     Körpern angesehen:

      „Ein Kind ist ein Mann oder eine Frau, der oder die noch nicht zur vollen
      Größe herangewachsen ist.
      Jedes Gesetz, das für das Verhalten von Männern und Frauen gilt, gilt auch
      für Kinder.“

     Kinder-Dianetik – Dianetik-Prozessing für Kinder, S. 2, hrsgg. von New Era
     Publications ApS, Kopenhagen, 1951, 1983, ISBN 87-7336-242-5
Das System Scientology | Fragen und Antworten                                      31

Die SO überfordert Kinder und Jugendliche und verlangt ihnen ein
nicht kindgerechtes Verhalten ab. Die scientologischen Verfahren
gefährden das Kindeswohl erheblich.

Neben dem „Bildungsbereich“ wirbt die SO außerdem mit Kam­
pagnen wie Jugend für Menschenrechte (Youth for Human Rights)
um junge Anhänger. Sie organisiert vorgeblich zum Thema Men­
schenrechte Veranstaltungen speziell für Jugendliche und verbrei­
tet über DVDs und das Internet Videobeiträge. Diese können auf
Jugendliche durchaus ansprechend wirken, zumal ein Bezug zur
SO nicht unmittelbar deutlich wird.

17.
Wie verkauft sich die SO?

Ob man ein guter oder schlechter Scientologe ist, ergibt sich aus
dem mittels Statistik gemessenen Ergebnis aus Bücher- und Trai­
ningsverkauf (Produktion). Es wird daher rücksichtslos geworben
und verkauft. Die SO-Funktionäre werden von der SO mit Zucker­
brot (finanzielle Belohnung) und Peitsche (Ethik-Maßnahmen)
dazu gezwungen, zu produzieren. Mitglieder und Kunden müs­
sen daher damit rechnen, mit unseriösen Methoden dazu veran­
lasst zu werden, Dienstleistungen und Artikel zu kaufen. Der Weg
auf der Brücke beruht somit kaum auf freier Entscheidung. Man
wird durch den raffinierten Einsatz von Psycho- und Sozialtech­
nologien in der Regel zum Weitermachen verführt, d.h. vom Wer­
ber durch unseriöse Verkaufstechniken zum Kauf weiterer Trai­
nings gedrängt. Die SO bezeichnet ihre Verkaufs­methoden auch
als Hard-Sell:

 „Hard-Sell bedeutet, darauf zu bestehen, dass die Leute kaufen. Es bedeu-
 tet, ein Interesse an der Person zu haben und nicht nachsichtig zu sein,
 wenn es Stopps oder Barrieren gibt, sondern sich genug zu kümmern, um
 die Person durch die Stopps oder Barrieren durchzubringen, so dass sie die
 Dienstleistung bekommt, durch die sie rehabilitiert werden wird.“

HCO Policy Letter vom 26.09.1979 Issue III, Marketing Series 12, PR Series 42,
Hubbard Communications Office, Saint Hill Manor, East Grinstead, Sussex; aus dem
Englischen übersetzt
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