Ökosozialer Gemeindekompass - Ein Leitfaden für nachhaltige Gemeinde- und Regionalpolitik
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Wir tun was – seit über fünf Jahren. Verantwortung für die Zukunft. Inhalt Die Raiffeisen Klimaschutz-Initiative, Plattform und Impuls- geber der Raiffeisen Organisationen steht für Maßnahmen im Bereich Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Energieeffizienz, erneuerbare Ressourcen und Corporate Responsibility. Die 25 Mitglieder setzen aktiv Initiativen und stehen ihren Wir machen Zukunft 4 Kunden für Umweltfinanzierungen mit professionellen An- sprechpartnern und konkreten Lösungen zur Seite. Ökosoziale Marktwirtschaft 6 www.raiffeisen-klimaschutz.at Ökosoziales Forum 7 Der ländliche Raum 8 Aktionsfelder rki2013_210x104_abfall.indd 1 8/23/2013 7:20:49 AM 1. Arbeit und Wirtschaft 10 UNSERE STRASSEN. UNSER EINSATZ. UNSER STEYR. 2. Lebenswerte Region – lebendige Gemeinschaft 18 www.strobl-kriegner.com !* ecotech im Kommunal-Bereich 3. Standortentwicklung und Raumplanung 30 BS RT FF EI PA TO TR E S RO LU bis zu 90 % weniger Emissionen EU DB 10 O A rund 10 % weniger Dieselverbrauch 4. Tourismus, Landwirtschaft und Energie 36 ZU UR S 1E Abgas-Stufe III B BI * Ausgehend von 0,35 Euro für 1 Liter AdBlue und 1,40 Euro für 1 Liter Diesel 5. Ökosozialer Gemeindehaushalt 44 Mit effizienten Technologien für die Arbeit geboren, dank seiner Wertbeständigkeit für Gene- rationen im Einsatz. Die Kommunaltraktoren von Steyr sind bestens für ihre Spezialaufgaben gerüstet und entsprechen bereits ab 85 PS der Abgas-Stufe III B. Ob Schneeräumung im Winter oder Straßenerhaltung im Sommer – ein Kommunaltraktor von Steyr bietet immer eine optimale und maßgeschneiderte Lösung für den jeweiligen Einsatzbereich. STEYR HÄLT, WAS SIE SICH VON ZUKUNFT VERSPRECHEN. Symbolfoto WWW.STEYR-TRAKTOREN.COM
Wir machen Zukunft Machen Sie mit! Zukunft ist kein Schicksal. Zukunft liegt zu ei- Aber der ländliche Raum bietet mehr als Idylle Ökosoziale Marktwirtschaft und ihre Überset- nem großen Teil in unserer Hand. Es sind fast und schöne Landschaften. Er ist Lebensraum zung für Regionen und Gemeinden. Oder an- immer Einzelne, die den Unterschied ausma- für über zwei Drittel der österreichischen Bevöl- ders gesagt: eine Landkarte für ein attraktives chen. Vor allem im ländlichen Raum gibt es kerung – Menschen, die hier leben, zur Schule Leben in Ihrer Gemeinde. viele Gestaltungsmöglichkeiten – durch Kleines gehen, arbeiten und wohnen. entsteht oft ganz Großes. Enkeltauglich heißt, für seine Nachkommen Ich bin davon überzeugt, dass Ihr Leben, das einen gesunden Lebensraum zu hinterlassen. Der Begriff „ländlicher Raum“ ist eigentlich zu Ihrer Kinder, Enkel, Nichten und Neffen und das Enkeltauglich heißt auch zu überlegen, was die sperrig für das, was dahintersteckt. Fast jeder der Bürgerinnen und Bürger Ihrer Gemeinde Menschen in zwanzig, dreißig, vierzig Jahren liebt es: das „Land“ mit seinen kleinen Dörfern schöner sein könnte als es heute ist. Mit einer oder mehr brauchen und schon jetzt den richti- und Städten. Fast jeder lässt gerne einmal die gesünderen Wirtschaft, einer gesünderen Um- gen Weg einzuschlagen. Seele baumeln und genießt, was das „Land“ welt und gesünderen sozialen Beziehungen zu bieten hat, sei es ein Spaziergang zwischen und Netzwerken. Dass das möglich ist, zeigen Setzen wir die richtigen Schritte! dem Duft von Holunder, ein Speckbrot beim unzählige Beispiele aus ganz Österreich. Handeln wir! Bauern oder das Knatschen von gefrorenem Schnee beim Rodeln im Winter. Auch viele, Wir können Ihnen zwar keine Garantie geben, die das „Land“ verlassen haben und zu Groß- aber einen Kompass in die Hand legen, mit städtern geworden sind, suchen diese Schätze dem Sie in Ihrer Gemeinde oder Region et- Stephan Pernkopf immer wieder gerne auf. was bewegen können. Dieser Kompass ist die Präsident des Ökosozialen Forums 4 Ökosozialer Gemeindekompass Ein Leitfaden für eine nachhaltige Gemeinde- und Regionalpolitik 5
Ökosoziale Marktwirtschaft Ökosoziales Forum Mehr Lebensqualität für alle Vom Think-Tank zum Do-Tank Mehr Lebensqualität für alle. Heute und mor- Energie Schritt für Schritt durch erneuerbare Jede gute Idee braucht eine Plattform. Für die gen. Das ist das Ziel der Ökosozialen Markt- Energie zu ersetzen, Eigenverantwortung und Idee der Ökosozialen Marktwirtschaft ist das wirtschaft. Es geht darum, ein Gleichgewicht Unternehmertum zu stärken, das Steuersystem das Ökosoziale Forum – ein Think-Tank, der zwischen Umwelt, sozialen Anliegen und Wirt- leistungs- und umweltfreundlicher zu gestalten, sich über Parteigrenzen hinaus für die politische schaft herzustellen. Von dieser Balance sind wir faire Rahmenbedingungen für internationale Umsetzung dieser Idee einsetzt. Ein Think-Tank weit entfernt. Und das, obwohl Österreich zu Investments einzurichten, den öffentlichen ist eine Denkfabrik, die Konzepte auf wissen- den reichsten Ländern der Erde zählt. Wir leben Verkehr auszubauen, zukunftstaugliche For- schaftlicher Basis entwirft, Antworten auf ak- auf Kosten der nächsten Generationen oder schungsaktivitäten zu fördern und vieles mehr. tuelle gesellschafts- und wirtschaftspolitische anders gesagt: Wir zahlen mit der Kreditkarte Kriterium und Maßstab jeder Entscheidung ist Fragen liefert und diese in weiterer Folge auf unserer Kinder und Enkel. Egal, ob es um die die Enkeltauglichkeit. die Tagesordnung der EntscheidungsträgerIn- Finanzkrise mit ihren wirtschaftlichen und so nen bringt. zialen Folgen geht oder um den Klimawandel – Die Ökosoziale Marktwirtschaft baut auf drei unsere Lebensweise ist nicht enkeltauglich. Säulen auf: Das Ökosoziale Forum geht einen Schritt weiter • einer leistungsfähigen, innovativen und engagiert sich nicht nur als Denk-, sondern Die Marktwirtschaft hat uns Wohlstand ge- Marktwirtschaft, auch als Umsetzungsfabrik, also als Do-Tank. bracht. Sie kann viel, aber nicht alles. Sie kann • sozialer Gerechtigkeit und Ein Do-Tank begleitet aktiv zukunftsrelevante und soll die Wertschöpfungsfähigkeit der Wirt- • ökologischer Verantwortung. Veränderungen. schaft verbessern und innovatives Unterneh- mertum fördern. Doch der Markt braucht klare Eine florierende Wirtschaft ist die Vorausset- Regeln, damit fair gespielt wird. zung für Wohlstand, der soziale Ausgleich ist Weitere Informationen unter www.oekosozial.at notwendig für gesellschaftlichen Konsens und Ökosozial Wirtschaften heißt Wirtschaften mit die ökologische Nachhaltigkeit für das Über- Verantwortung. Konkret geht es darum, fossile leben der Zivilisation schlechthin. 6 Ökosozialer Gemeindekompass 7 © iStockphoto
Der ländliche Raum Raum für Vielfalt, Eigenständigkeit und Leistungsfähigkeit Der ländliche Raum hat in Österreich eine hohe • Aus strukturschwachen ländlichen Gebieten Umwelt und Klima und erhöhen die Abhän- Bedeutung. Mehr als 78 Prozent der Öster- wandern junge und gut ausgebildete Arbeit- gigkeit von Energieimporten. reicherinnen und Österreicher leben in Regi- nehmerInnen ab. • Der Klimawandel zwingt die ländlichen Regi- onen, die man im weitesten Sinn als ländlich • Gerichte, Polizeiinspektionen, Post ämter, onen zu Anpassungen. Das betrifft Naturge- bezeichnen kann. Verglichen mit dem europä- Bankfilialen und andere öffentliche Diens- fahren ebenso wie die Wasserversorgung, ischen Durchschnitt von 21 Prozent ist dieser te werden oft aus wirtschaftlichen Grün- die touristische Nutzung oder die land- und Wert hoch. Bezeichnend für die Vielfalt des den aufgelassen. Gemeinden werden zum forstwirtschaftliche Produktion. ländlichen Raums ist schon allein die Tatsache, Teil zusammengelegt. dass es keine einheitliche Definition gibt. Jede • Der globale Wettbewerb erhöht den wirt- Auch wenn die Herausforderungen komplex Region ist einzigartig und hat ihre Stärken und schaftlichen Druck auf regionale Betriebe und ungreifbar scheinen, kann jede Gemeinde Schwächen. Eine wesentliche Stärke ist das und Gemeinden. und Region etwas tun. Es gibt kein Universal- Engagement der in der Region lebenden Men- • Die uneingeschränkte Nutzung von natürli- rezept, um die Lebensqualität am Land zu ver- schen. Gemeinschaft und Zusammenhalt sind chen Ressourcen führt in manchen Regio- bessern. Doch es gibt genügend Instrumente, gelebte Realität am Land, aber es gibt auch nen zu einem Verlust der kulturlandschaft um etwas zu bewegen und den Stein ins Rollen Herausforderungen: lichen Vielfalt. zu bringen. Auf den folgenden Seiten finden Sie • Wohnen, Verkehr, Ver- und Entsorgung, Er- Beispiele, wie lokale Akteure, BürgermeisterIn- • Der demografische Wandel betrifft die Stadt holung und Freizeit benötigen immer mehr nen, UnternehmerInnen und BürgerInnen er- und das Land. Statistik Austria prognostiziert Platz. Das führt zu einer Verknappung von folgreiche Projekte umgesetzt haben – und das für 2075 eine Zunahme der über 65-Jähri- verfügbaren Flächen sowie zum Verlust von aufbauend auf den Prinzipien der Ökosozialen gen von derzeit 18 auf 30 Prozent der Bevöl- landwirtschaftlich wertvollen Böden. Marktwirtschaft. Es sind Menschen, die Mut kerung. Das heißt, drei Millionen Menschen • Der steigende Energieverbrauch und das machen, unsere Zukunft enkeltauglich zu ge- werden dann älter als 65 Jahre sein. wachsende Verkehrsaufkommen gefährden stalten. © iStockphoto 8 Ökosozialer Gemeindekompass Ein Leitfaden für eine nachhaltige Gemeinde- und Regionalpolitik 9
So kann‘s gehen! Wirtschaftsplattform Wechselland, Niederösterreich – Steiermark Die Wirtschaftsplattform Wechselland ist eine niederösterreichisch-steirische Initiative der Unter 1. Arbeit und Wirtschaft nehmen und Gemeinden des Wechsellandes. Der gemeinnützige Verein versteht sich als Impuls- geber, Initiator und Katalysator für wirtschaftliche, touristische und kulturelle Initiativen und setzt sich für eine verstärkte regionale Zusammenarbeit der Unternehmen, Gemeinden und Vereine Österreich ist laut EUROSTAT das zweitreichs- terschiedlichen Branchen sind Grundvoraus- ein. Fünf steirische Gemeinden – Dechantskirchen, Friedberg, Pinggau, Schäffern und St. Loren- te Land in der Europäischen Union. Wirtschaft setzung für zukunftsfähige ländliche Regionen. zen am Wechsel – und neun niederösterreichische Gemeinden – Aspang-Markt, Aspangberg, und Arbeitsmarkt stehen trotz Krise gut da. Die Feistritz am Wechsel, Kirchberg am Wechsel, Mönichkirchen, Otterthal, Raach am Hochgebirge, Menschen haben im Durchschnitt einen hohen Familienbetriebe bilden das Rückgrat des länd- St. Corona am Wechsel und Trattenbach – sind beteiligt. Projektstart war 2005. Seither hat die Lebensstandard. Diesen zu erhalten bzw. aus- lichen Raums. Sie sind in der Region verwurzelt Plattform folgende Fortschritte erzielt: zubauen ist Ziel einer ökosozialen Politik. Dabei und sich dadurch meist ihrer gesellschaftlichen • Ein intensiver innerregionaler Leistungsaustausch zwischen den Unternehmen hat die ist eine langfristige Standortentwicklung wich- Verantwortung viel mehr bewusst. regionale Wertschöpfung erhöht. tig, sowohl in der Stadt als auch am Land. • Die gegenseitige Unterstützung bei der Vermarktung gewerblicher Leistungen in den Eine ökosoziale Standortpolitik macht Jung Ballungsräumen Graz und Wien hat zu zusätzlichen Umsätzen geführt. Eine ökosoziale Standortpolitik unterstützt unternehmerInnen Mut, ihre Geschäftsideen • Gemeinsame Wirtschaftsprojekte wurden umgesetzt. dauerhafte und qualitätsvolle Arbeits- und Wirt- umzusetzen. Neben Beratung und Vernetzung • Gemeinsame Marketingaktivitäten haben mehr Gäste angelockt und die regionalen schaftsbeziehungen. Betriebsansiedlungen, die brauchen diese ein ermutigendes gesellschaft- Produkte bekannter gemacht (z. B. Wechsellandkorb). zeitlich begrenzt Arbeitsplätze schaffen, sind liches Umfeld, in dem es erlaubt ist, Fehler zu nicht als Erfolg zu verbuchen. Vorausschauen- machen. Viele erfolgreiche UnternehmerInnen Nähere Informationen unter www.wechselland.at de Standortpolitik ist kurzfristiger Gewinnma- sind zuvor gescheitert. ximierung vorzuziehen. Eine oft teuer erkaufte „Die Wirtschaftsplattform Wechselland bewirbt die Region optimal. Wir Attraktivität für internationale Konzerne ist nicht In einer lebendigen Region wirken vor allem haben dadurch neue Kunden gewonnen. Seit mehr als einem Jahr ist die beste Strategie. Jemand, der schnell da ist, regionale Wertschöpfungskreisläufe. Durch po- der Wechsellandkorb als kulinarischer Botschafter der Region erhältlich.“ ist meist auch schnell wieder weg. sitive Rückkopplungseffekte – die Menschen Ingrid Stögerer geben ihr verdientes Geld wieder regional aus – Gastwirtin der Flourl’s Schenke, Dechantskirchen, Steiermark Innovative Unternehmen – vor allem Klein- und stärkt sich die Region selbst. Mittelbetriebe (KMU) – sind Motor einer krisen- „Der Wechsellandkorb hat voll eingeschlagen. Die Kunden schätzen die festen Wirtschaft. Als Arbeitgeber tragen sie Die Zusammenarbeit von Gemeinden trägt regionalen Produkte. Wir stellen die Körbe nach Wunsch zusammen, die gesellschaftliche Entwicklung. Eine ausrei- in Österreich Früchte. Die Idee, Wirtschafts mit unseren eigenen Erzeugnissen und jenen der Partnerbetriebe.“ chend entlohnte und erfüllende Tätigkeit trägt regionen aufzubauen und sich regional oder © Tschank Johannes Gugerell wesentlich zur Lebensqualität bei. Arbeitsplät- branchenübergreifend zu vernetzen, kann für Geschäftsführer von GUGERELL Qualitätsfleischwaren, Aspang-Markt, NÖ ze für verschiedene Qualifikationen und in un- andere als Beispiel dienen. 10 Ökosozialer Gemeindekompass Ein Leitfaden für eine nachhaltige Gemeinde- und Regionalpolitik 11
© DOC RABE Media – Fotolia.com So kann‘s gehen! ARBEIT UND WIRTSCHAFT 1.1 Unternehmertum – einfach innovativ, Salzburg Entrepreneurship Innovation ist der Schlüssel zum Erfolg eines Wirtschaftsstandorts. Gerade kleine und mittlere Unternehmen benötigen dabei oft Unterstützung. Deswegen hoben ITG – Innovationsservice für Salzburg, Land und Wirtschaftskammer Salzburg 2010 das Angebot „einfach innovativ“ aus der Taufe. Ziel war es, KMU in Innovationsbelangen zu schulen und zu unterstützen. Die Schulungen UnternehmerInnen mit innovativen und nach- Praktikumsplätze vermittelt, MitarbeiterInnen fanden in allen Bezirken statt und bestanden aus den Modulen Basis, Ideenentwicklung, Konzept haltigen Geschäftsmodellen und fortschrittliche rekrutiert und Karrieremöglichkeiten aufgezeigt entwicklung, Projektmanagement und Markteinführung. Erfahrene BeraterInnen und einschlägig Betriebe geben wichtige Impulse für ganze werden. Eine frühe Unterstützung der Selbst- ausgebildete SpezialistInnen führten durch die Schulungsinhalte. Regionen. Laut einer Studie der Grazer Fach- ständigen durch Kursangebote oder das Be- hochschule Campus 02 über die „Hidden reitstellen von Räumlichkeiten kann innovative 2011 wurde als ständiger Nachfolger des Projekts die Innovationsberatung beim ITG – Innovations Champions“ sind 121 österreichische Unter- UnternehmerInnen an die Region binden. service für Salzburg eingerichtet. Statt Schulungen gibt es nun mehrere InnovationsberaterInnen, nehmen Weltmarktführer und 190 zumindest die Unternehmen bei Innovationsvorhaben begleiten. Von der Idee bis zur Umsetzung, von der Europamarktführer in ihrem Segment. Kleine Was kann ich tun? Projektentwicklung bis zur Förderstrategie. und mittlere Unternehmen haben hier die Nase • Informationen für potenzielle Unterneh- vorne. Sie zu unterstützen ist Ziel einer öko- merInnen und Selbstständige anbieten Nähere Informationen unter www.itg-salzburg.at sozialen Regionalpolitik. • Mit lokalen Bildungszentren zusammen- arbeiten und den Austausch zwischen Viele Hürden für die Weltmarktführer von mor- SchülerInnen und UnternehmerInnen gen können zwar nicht auf regionaler Ebene fördern „Innovation ist gleichzusetzen mit hoher Wettbewerbsfähigkeit. Deswegen abgebaut werden, doch können Gemeinden • Vernetzungstreffen der Wirtschaft unterstützen wir Unternehmen dabei. Damals mit dem Projekt ‚einfach flankierende Maßnahmen setzen. Initiativen, die organsieren innovativ‘, heute mit dem umfangreicheren Nachfolger, der ständigen UnternehmerInnen und potenziellen GründerIn- • Finanzierungsnetzwerke entwickeln Beratungs- und Betreuungsstelle. Die Beratung wird – wie schon ‚einfach nen helfen, sich zu vernetzen, haben schon so • Räumlichkeiten oder Infrastruktur innovativ‘ – von Wirtschaftskammer und Land Salzburg getragen und ist für manchen Stein ins Rollen gebracht. Gemein- bereitstellen, Beispiel: www.otelo.or.at Salzburger Unternehmen kostenlos.“ den oder Regionen können dabei als Platt- • Programme unterstützen, die innovativen Christian Prucher form dienen. Durch die Zusammenarbeit von Ideen zum Durchbruch verhelfen, Leiter der Innovationsberatung, ITG – Innovationsservice für Salzburg regionalen Unternehmen mit Schulen können Beispiel: www.das-innovationslabor.de 12 Ökosozialer Gemeindekompass Ein Leitfaden für eine nachhaltige Gemeinde- und Regionalpolitik 13
© Gabriel Blaj – Fotolia.com So kann‘s gehen! ARBEIT UND WIRTSCHAFT REWITEG – REgionale, WIrtschaft, TEchnik und Gesundheit, OÖ Stärkung der wirtschaftlichen Potenziale von Frauen in ländlich strukturierten Regionen 1.2 Frauen in der Wirtschaft Die Leader-Region Nationalpark Kalkalpen und die Frauenstiftung Steyr haben die unterdurch- schnittliche Erwerbsbeteiligung von Frauen, die hohen Einkommensdifferenzen zwischen Frauen und Männern sowie die Abwanderung junger Frauen zum Anlass genommen, mit dem Projekt REWITEG gegenzusteuern. Zu Beginn erfolgte eine fundierte Analyse der regionalen Situation. Es zeigte sich der Bedarf Die Rahmenbedingungen in Wirtschaft und Frauen unterstützen, klassische Geschlechter- an mobilen Beratungs- und Bildungsangeboten sowie an Facharbeitskräften in den Bereichen Gesellschaft führen noch immer dazu, dass rollen aufzubrechen und ihre Potenziale voll Gesundheit, Pflege und Technik. die Potenziale vieler Menschen – vor allem von auszuschöpfen. In Zusammenarbeit mit den Gemeinden und der Wirtschaft wurden konkrete frauenspezifische Frauen – nicht effektiv genutzt werden. Die Maßnahmen entwickelt und nachhaltig in der Region verankert: Selbstständigenquote von Frauen liegt deutlich Was kann ich tun? • Mobile Bildungsberatung für Frauen, um einen Zugang zu Aus- und Weiterbildung zu fördern unter jener der Männer, und viele junge Frau- • Wiedereinstieg von ArbeitnehmerInnen • Mobile Weiterbildungsangebote für Frauen, um Weiterbildung vor Ort zu ermöglichen en ergreifen immer noch traditionell weibliche bei der Gemeinde nach der Karenz • Regionales Frauenberufszentrum: Unterstützung bei der Berufs- und Karriereplanung Berufe und lassen sich damit Chancen in – oft fördern • Fachspezifische Ausbildung im Bereich Pflege und Gesundheit besser dotierten – Männerdomänen entgehen. • Männer, die für die Gemeinde arbeiten, • Frauen und Technik: Regionales Beratungs- und Coachingangebot für Frauen mit Interesse Damit Eltern – allen voran Mütter – entspre- motivieren, in Karenz zu gehen; an technischen Berufen sowie technische Facharbeiterinnenkurzausbildung chend ihren Fähigkeiten an der Arbeitswelt teil- www.maennerinkarenz.at Das Projekt wurde vom Netzwerk Land mit dem zweiten Platz beim „innovations.preis 2012 für nehmen können, brauchen sie für ihre Kinder • Anreize für Mädchen schaffen, technische Chancengleichheit“ in der Kategorie Frauen ausgezeichnet. Nähere Infos unter leader-kalkalpen.at eine pädagogisch wertvolle Betreuung, die den Berufe zu ergreifen und Betriebe Anforderungen der Wirtschaft gerecht wird. In motivieren, Lehrstellen anzubieten; „Durch den Einbezug der Beteiligten wurden neue Synergien geschaffen und manchen Gemeinden sind die Öffnungszeiten www.findedeinenweg.at passgenaue frauenspezifische Angebote für die Region entwickelt.“ der Betreuungseinrichtungen immer noch ein • Teilnahme der Gemeinde am „Girls’ Day“; Hindernis für Frauen, einen Job zu finden, der www.girlsday-austria.at Klaudia Burtscher ihren Fähigkeiten und Interessen entspricht. • Öffnungszeiten der Kinderbetreuungsein- Geschäftsführerin der Frauenstiftung Steyr Vor allem die Schulferien stellen Eltern vor gro- richtungen an die Bedürfnisse berufs- ße Herausforderungen. tätiger Eltern anpassen „Es braucht regionale Maßnahmen: Denn, gehen die Frauen, dann stirbt das Land, • Frauen zu Start-ups motivieren; bleiben sie oder kommen sie wieder zurück, dann lebt das Land.“ Als Betreiber von Kinderbetreuungseinrichtun- www.jungewirtschaft.at Felix Fößleitner gen und als Arbeitgeber kann die Gemeinde mit • Frauen vor den Vorhang bitten: Expertin- Geschäftsführer der Leader-Region Nationalpark Oö. Kalkalpen gutem Beispiel vorangehen und Männer und nendatenbank unter www.femtech.at 14 Ökosozialer Gemeindekompass Ein Leitfaden für eine nachhaltige Gemeinde- und Regionalpolitik 15
So kann‘s gehen! ARBEIT UND WIRTSCHAFT Breitband für Leogang, Salzburg 1.3 Informations- technologie Über das Projekt „Breitband Austria 2013“ – kurz „BBA_2013“ – werden im Bundesland Salzburg 1,7 Millionen Euro in den Ausbau von Breitbandnetzen investiert. Zukünftig verfügen damit 700 Haushalte in Leogang über eine hochwertige Breitband-Infrastruktur. Die Projektdauer beträgt zehn Monate. Moderne Informationstechnologien sind aus BBA_2013 fördert den Ausbau von Breitband-Infrastrukturen im ländlichen Raum. Das bringt unserem beruflichen und privaten Alltag nicht mehr Gleichberechtigung zwischen Ballungszentren und ländlichen Regionen. Die Initiative „Breit- mehr wegzudenken. Viele Informationen sind bandstrategie 2020“ plant eine österreichweit flächendeckende Übertragungsrate von mindes- ohne entsprechende Technologien schwierig tens 100 MBit/s. Nähere Infos unter www.bmvit.gv.at/telekommunikation/breitbandstrategie zu bekommen. Die Infrastruktur im IT-Bereich spielt daher eine wichtige Rolle für unsere Le- bensqualität. Die Verfügbarkeit von leistungs- e-kommunikation, Niederösterreich starken und sicheren Datenverbindungen zu einem vernünftigen Preis ist ein entscheidender Die BürgerInnen der Region Südliches Weinviertel sollten besser über die Aktivitäten der Region wirtschaftlicher, gesellschaftspolitischer und informiert werden. Die Öffentlichkeitsarbeit und die Internetauftritte der Gemeinden waren von sozialer Standortfaktor für alle Regionen. unterschiedlicher Qualität. Professionelle ÖffentlichkeitsmitarbeiterInnen fehlten. Mit dem Ziel, die BürgerInnen besser über kommunale Aktivitäten zu informieren, startete die Region 2008 das Was kann ich tun? Projekt „e-kommunikation“. Es ging darum, die Mitgliedsgemeinden in puncto Bürgerservice und • Breitbandausbau forcieren, auch in Ko- Öffentlichkeitsarbeit zu unterstützen und so die Kommunikation zu optimieren. operation mit benachbarten Gemeinden • Alternative Möglichkeiten für einen Folgende Aktivitäten wurden gesetzt: schnellen und sicheren Datentransfer • Die Internetplattform www.weinviertel-sued.at wurde verbessert und enthält nun umfassende unterstützen (drahtloses Internet durch Informationen für BürgerInnen der Region. z. B. Wavenet) • Gemeindebedienstete konnten an Öffentlichkeitsarbeits-Kursen teilnehmen. • Informationen und Formulare der • Der Internetauftritt der Gemeinden wurde analysiert und eine verstärkte Nutzung als Gemeinde über das Internet anbieten Bürgerserviceportal angestrebt; zum Beispiel können Formulare elektronisch abgerufen werden. • Den Webauftritt von Dienstleistern und • Eine regionsinterne Infozeitung wurde ins Leben gerufen. Unternehmen in einem Portal bündeln • Projekte im IKT-Bereich starten, Nähere Informationen unter www.weinviertel-sued.at www.iktprojekte.at © alexandre zveiger – Fotolia.com 16 Ökosozialer Gemeindekompass 17
So kann‘s gehen! familienfreundlichegemeinde, österreichweit 2. Lebenswerte Region – Jede Gemeinde kann sich von der Republik Österreich als „familienfreundlichegemeinde“ auszeichnen lassen. Dafür werden die vorhandenen familienfreundlichen Maßnahmen evaluiert und die Familien- und Kinderfreundlichkeit überprüft. Das Audit gewährleistet die bedarfsgerechte Weiterentwicklung lebendige Gemeinschaft und Nachhaltigkeit und fördert die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Gemeinde als Lebensraum aller Generationen. Alle familienfreundlichen Gemeinden können ein Zusatzschild zu ihrer Ortstafel führen. Nähere Informationen unter www.gemeindebund.at Österreichs Bevölkerung wird wachsen, altern eine Grundvoraussetzung. Für Familien mit und aufgrund der Zuwanderung heterogener Kindern sind bedarfsgerechte Kinderbetreu- werden. Im Jahr 2030 werden in Österreich ungseinrichtungen und Schulen wichtig; für „2012 haben wir uns vorgenommen, ‚familienfreundlichegemeinde‘ zu neun Millionen Menschen leben, mehr als ein betagte Menschen Services, die ihnen ein werden. Eine professionell begleitete Evaluierung, bei der alle Drittel davon wird über 60 Jahre sein; in man- selbstbestimmtes Leben ermöglichen. In vielen EinwohnerInnen befragt wurden, zeigte, wie viel hier bereits passiert war. chen Regionen mehr als die Hälfte. Die Bevölke- Gemeinden scheitert dies oft an den Kosten. Danach haben wir Verbesserungsvorschläge diskutiert und Maßnahmen rungsentwicklung wird sich regional verschieden Soziale Beziehungen und lokale Initiativen kön- ausgearbeitet. Uns ist aufgefallen, dass gute Maßnahmen nicht viel kosten entwickeln und unterschiedliche Anpassungen nen hier teilweise einspringen. müssen und leicht umsetzbar sind. Wir haben zum Beispiel ein Projekt mit erfordern. Eine ökosoziale Regionalpolitik nimmt Lehrlingen, die Blumenkistchen anfertigen. Benachteiligte Kinder aus der auf die Bedürfnisse aller Altersgruppen Rück- Eine lebendige Gemeinde ist vom ehrenamt sozialpädagogischen Schule bepflanzen diese dann. sicht. lichen Engagement ihrer BürgerInnen geprägt. Das ist Kooperation im Kleinen, die aber viel ausmacht. Die ländlichen Regionen in Österreich sind bei Neben nur scheinbar banalen Maßnahmen, die für die Sicherheit der Um den Lebensumständen aller Menschen ge- der Freiwilligenarbeit Weltspitze. Fast 44 Prozent Menschen sorgen – Zebrastreifen sichtbarer machen, Überprüfung der recht werden zu können, sollte eine Basisinfra der Österreicherinnen und Österreicher leisten Gehsteigkanten, Schülerlotsendienst – treten komplexere, struktur vorhanden sein. Je mehr Menschen Freiwilligenarbeit. Sportvereine, Betreuungs- die Engagement der Gemeinde und der Bürger benötigen. die Gemeinde bzw. Region verlassen müssen, dienste, die Freiwillige Feuerwehr oder Musik- Ein Kindercampus wird bereits gebaut. Im Herbst entwickeln wir ein um ihre täglichen Bedürfnisse zu decken, umso kapellen sind Orte der Begegnung und fördern Spielraumkonzept mit einem Generationenspielplatz für Jung und Alt. mehr verlagert sich das Lebensumfeld der den sozialen Zusammenhalt. Sie sind Treffpunkt Es soll ein Ort der Begegnung sein. Über 30 weitere Maßnahmen Menschen woanders hin. für unterschiedliche Altersgruppen und Bil- haben wir noch geplant, damit wir dann in drei Jahren, dungsniveaus. Sie ermöglichen aber nicht nur nachdem wir dieses Frühjahr das Grundzertifikat Was eine lokale Grundversorgung konkret be- die Identifikation mit der Gemeinde, sondern erhalten haben, ‚familienfreundlichegemeinde‘ werden.“ deutet, hängt von den individuellen Lebensum- bieten auch Services an, die ohne unbezahltes Gabriele Mähr ständen der Menschen ab. Ein Lebensmittel- Engagement nicht leistbar wären. Das gibt dem Bürgermeisterin von Schlins, Vorarlberg geschäft oder Greißler ist für alle Altersgruppen ländlichen Raum Stabilität und Sicherheit. 18 Ökosozialer Gemeindekompass Ein Leitfaden für eine nachhaltige Gemeinde- und Regionalpolitik 19
LEBENSWERTE REGION – So kann‘s gehen! LEBENDIGE GEMEINSCHAFT 2.1 Bildung und Familie Bildungscampus Moosburg, Kärnten Im Jahr 2009 wurde die Idee geboren, in Moosburg einen Bildungscampus zu errichten und Moos- Gründe für junge Familien, in einer Region zu Erwachsenenbildung in unterschiedlichen Be- burg als Bildungsgemeinde zu etablieren. Anstoß für die Einrichtung des Bildungscampus war die bleiben oder sich anzusiedeln, sind neben Ar- reichen ist ein wirtscahftlicher Standortvorteil. Erweiterung der Kinder- und Jugendbetreuungseinrichtungen. Mittlerweile vereint er alle Bildungsein- beitsplätzen und einem attraktiven Wohnumfeld Bildung ist auch eine persönliche Bereicherung richtungen für Kinder und Jugendliche an einem Ort, das heißt Kindergarten, Volksschule, Neue Mit- Kinderbetreuungsplätze und Schulen. Das ös- und kann das Leben erleichtern. Wenn mehr telschule, Hort, Kindertagesstätte, Ganztagsbetreuung und Musikschule. Geplant sind eine Campus terreichische Bildungssystem steht vor großen Menschen mit einem Computer bzw. mit dem mensa und eine Campusbibliothek, zusätzlich ein Neudesign der Schulräume, um offenes Lernen zu Herausforderungen: In vielen ländlichen Ge- Internet umgehen können, stehen ihnen mehr ermöglichen. Betreutes Freizeit- und Lernangebot für ein ganzheitliches Bildungskonzept ist für den meinden wird die Zahl der Kinder und Jugend Leistungen und Informationen zur Verfügung. Campus wesentlich. lichen deutlich sinken. Für manche Gemeinden wird der Schulstandort zu einer Kardinalsfrage. Durch ein umfassendes Bildungsangebot für Der Bildungscampus strebt außerdem Kooperationen mit Betrieben aus der Region an, um den unterschiedliche Altersstufen, Interessen und Kindern Know-how und einen frühen Zugang zu beruflichen Möglichkeiten zu bieten. Mit einer Die Zusammenarbeit mit Nachbargemeinden Bedürfnisse wird ein Grundstein zur Entwick- eigenen Campusphilosophie und zehn Campusprinzipien für Kinder, Eltern und Lehrpersonal soll ein oder Gemeinden aus der Region kann Schul- lung in Richtung wissensbasierter Regionen respektvolles und soziales Miteinander gewährleistet werden. standorte im Umfeld erhalten. Ein gemeinsa- gelegt. mer Schulweg der Kinder entlastet die Eltern Nähere Informationen unter www.moosburg.vorortideenwerkstatt.at und reduziert den Verkehr. Was kann ich tun? • Kinderbetreuung ausbauen, Lehr- und Ausbildungsstätten in der Region z. B. Tagesmütter und -väter vermitteln, fördern nicht nur den FacharbeiterInnen-Nach- www.tagesmuetter.or.at wuchs, sondern halten die Menschen langfris- • Schulbusse organisieren tig in der Region. • Nachmittagsbetreuung für SchülerInnen anbieten, Räumlichkeiten zur Verfügung „Bildung ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft unserer Kinder. Bildung ist heute mehr als Schul- oder Aus- stellen Wir müssen alles unternehmen, um die beste Bildung und Ausbildung bildung. Lebenslanges Lernen ist in unserer • Computerkurse für SeniorInnen anbieten zu gewährleisten. Moosburg ist am richtigen Weg.“ schnelllebigen Zeit notwendig. Nicht nur die • Generationenhäuser einrichten (betreutes Herbert Gaggl Wirtschaft ist auf gut ausgebildete und sich Wohnen, Kindergrippe, Startwohnungen Bürgermeister von Moosburg weiter bildende MitarbeiterInnen angewiesen. für junge Leute und Ärztezentrum) 20 Ökosozialer Gemeindekompass Ein Leitfaden für eine nachhaltige Gemeinde- und Regionalpolitik 21
LEBENSWERTE REGION – LEBENDIGE GEMEINSCHAFT 2.2 Aktiv im Alter 2.3 Altern in Würde Die Lebenserwartung steigt. Das erfordert An- Die Menschen werden älter und die Lebens- zu bleiben und die gewohnte Umgebung nicht passungen in der Arbeitswelt und darüber hi- jahre bei guter Gesundheit steigen. Gleichzeitig verlassen zu müssen. naus. Gemeinden und regionale Unternehmen nimmt die Zahl der Pflegebedürftigen zu. Ein können wesentlich zur Beseitigung der Alters Altern in gewohnter Umgebung und in Würde Was kann ich tun? diskriminierung beitragen. Stabile Arbeitgeber ist Wunsch vieler SeniorInnen. Die Betreuung • Modelle wie betreutes Wohnen mit bieten langjährige Arbeitsverhältnisse und neh- durch Fami lienangehörige stößt schon heute Sozialorganisationen, ausarbeiten men auf die wechselnden Bedürfnisse in ver- an ihre Grenzen. Es gilt, Betreuungsmodelle • Besuchs-, Abholservice und Hilfe beim schiedenen Lebenssituationen Rücksicht. zu entwerfen und umzusetzen, die die Lebens- Einkaufen als Freiwilligenarbeit fördern qualität älterer Menschen möglichst lange er- • Begegnungsräume zwischen den Wir sind es (noch) nicht gewohnt, dass Men- halten. Das kann durch infrastrukturelle Maß- Generationen schaffen, um gegen- schen im Pensionsalter arbeiten wollen. Eine nahmen (Barrierefreiheit, öffentlicher Verkehr) seitiges Verständnis zu begünstigen sinnstiftende Aufgabe zu finden, ist für aktive sowie durch verschiedene Wohnangebote • Altersgerechte Elektrofahrzeuge für SeniorInnen oft schwierig. Das Beispiel „Leih- (Seniorenwohnungen, Tagesbetreuung) oder ältere Menschen finanziell unterstützen Oma“ zeigt, wie für alle Beteiligten Vorteile ent- Dienstleistungen (Einkaufshilfe, Besuchsser- • Bei Umbauten auf die Bedürfnisse älterer stehen. So vereinsamen weniger ältere Leute vice) erreicht werden. Eine echte Wahlfreiheit ist Menschen Rücksicht nehmen (Barrier- und der Austausch zwischen den Generatio- dabei ein Garant, möglichst lang selbstständig freiheit, Bänke als Rastmöglichkeit) nen wird gefördert. Was kann ich tun? So kann‘s gehen! • Weiter- und Ausbildungsmöglichkeiten Sozial- und Gesundheitssprengel Telfs und Umgebung, Tirol für SeniorInnen einrichten, Der 1986 gegründete gemeinnützige Verein fördert die Gesundheitspflege und das Sozial www.arbeitundalter.at wesen in der Region. Für die umliegenden Gemeinden bietet der Sprengel in Zusammenar- • Leih-Omas und -Opas vermitteln, beit mit Vereinen und Institutionen zahlreiche Entlastungs-, Unterstützungs- und Beratungs- www.leihoma.at leistungen wie z. B. Mutter-Eltern-Beratung, Jugendwohlfahrt, Hospizbegleitung etc., ebenso • Anreize für Unternehmen schaffen, mobile Dienste wie Hauskrankenpflege oder Haushaltshilfe. Der Sprengel ist mittlerweile eine Ältere weiter zu beschäftigen unverzichtbare Drehscheibe für soziale Anliegen. 23 Personen sind im Rahmen der Tätigkeiten • Aufgaben für SeniorInnen anbieten, wie beschäftigt. Nähere Informationen unter www.sozialsprengel-telfs.at Essen auf Rädern oder Sozialsprengel © photophonie – Fotolia.com 22 Ökosozialer Gemeindekompass Ein Leitfaden für eine nachhaltige Gemeinde- und Regionalpolitik 23
LEBENSWERTE REGION – So kann‘s gehen! LEBENDIGE GEMEINSCHAFT Unser G’schäft in Bärnkopf, Niederösterreich 2.4 Lokale Daseinsvorsorge Die Waldviertler Gemeinde Bärnkopf hatte bis 2011 ein Lebensmittelgeschäft im Dorf. Als die Betreiberin Ende 2011 in Pension ging, fand sich kein Nachfolger. Für die BewohnerInnen droh- ten Fahrten von über zehn Kilometer bis zur nächsten Einkaufsgelegenheit. Einige Gemeinde bürgerInnen griffen zur Selbsthilfe und gründeten den Verein „Unser G’schäft in Bärnkopf“. Die massiven Strukturänderungen und Kon- nen Räumlichkeiten für Gemeinschafts- bzw. Der Verein ließ die Räumlichkeiten mit Hilfe einer NAFES-Förderung*) renovieren und führt zentrationsprozesse im Handel haben zu ei- Gesundheitspraxen zur Verfügung stellen, die seit dem Sommer 2012 das Lebensmittelgeschäft – ergänzt durch eine Trafik und eine Tank- nem Verlust der Nahversorgung beigetragen. von den SpezialistInnen tageweise genutzt wer- stelle – weiter. Damit ist die Nahversorgung in Bärnkopf gesichert. Zudem entstanden durch die In vielen Gemeinden gibt es das Lebensmit- den können. So wäre eine breite Versorgung Wiedereröffnung des Nahversorgers drei neue Arbeitsplätze im Ort. telgeschäft im Ortskern nicht mehr. Die Super- gewährleistet. märkte stehen auf billigeren Gründen außerhalb Die Bürgerinnen und Bürger von Bärnkopf waren finanziell an der Wiedereröffnung des Lebens- des Zentrums. Das Auto ist zum Einkaufen oft Die Daseinsvorsorge sichern auch Einrichtun- mittelgeschäftes beteiligt. Mit so genannten „Bausteinen“ um je 100 Euro wurde das erste Waren- unverzichtbar. Das führt zu einem erhöhten gen wie Feuerwehr und Rettung, die teilweise sortiment finanziert. Neben dieser wichtigen Starthilfe führte die Baustein-Aktion zu einer starken Verkehrsaufkommen. Auch die soziale Kompo- durch freiwilliges Engagement der Gemeinde- Bindung zum örtlichen Nahversorger. nente, die ein Greißler als Treffpunkt darstellte, bürgerInnen getragen werden. Als Arbeitgeber kann ein dezentraler Supermarkt nicht erfüllen. und durch Motivation von regionalen Unterneh- Infos unter www.unser-gschaeft-in-baernkopf.at men kann dieses Engagement z. B. durch flexi- Um die Versorgung mit Gütern des täglichen ble Arbeitszeiten unterstützt werden. *) NAFES – Niederösterreichische Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des Einkaufs in Orts- und Bedarfs wieder im Ort zu ermöglichen, können Stadtzentren – unterstützt Aktivitäten, die städtisch geprägte Ortskerne attraktiver machen, neue andere Dienstleister (z. B. Gasthaus) zusätzlich Was kann ich tun? Kundenkreise akquirieren und Stammkunden halten. Produkte des täglichen Bedarfs anbieten. Auf • Anregung und Motivation von Dienst- diese Weise können Orte der Begegnung wie- leistern, zusätzliche Aufgaben der Na- derbelebt und gesichert werden. versorgung zu übernehmen (Gasthaus als Lebensmittelgeschäft, Frisör als „Ich bin froh, dass ich frische Lebensmittel bequem im Ort einkaufen kann. Eine verlässliche und bedarfsgerechte Gesund- Drogerie) Ich spare dadurch viel Zeit und bin nicht auf das Auto angewiesen. Zudem heitsversorgung ist enorm wichtig. Nachdem • Hofläden und Bauernmärkte ermöglichen schätze ich die Freundlichkeit der Verkäuferinnen. Die angeschlossene nicht in jeder Gemeinde sämtliche Spezialis- • Greißler über Gemeinde initiieren bzw. Kaffee-Ecke ist ein beliebter Treffpunkt für einen kurzen Plausch.“ tInnen zur Verfügung stehen können, sollten unterstützen Gabriele Baumgartner in Absprache mit Nachbargemeinden flexible • Räume für Gemeinschaftspraxen zur Kundin Alternativen überlegt werden. Gemeinden kön- Verfügung stellen 24 Ökosozialer Gemeindekompass Ein Leitfaden für eine nachhaltige Gemeinde- und Regionalpolitik 25
LEBENSWERTE REGION – So kann‘s gehen! LEBENDIGE GEMEINSCHAFT Dorfschattl Schattendorf, Burgenland 2.5 Mobilität 2011 entwickelte die Marktgemeinde ein Konzept, um ihre Bürgerinnen und Bürger mobiler zu machen. Dabei entstand die Idee des „Dorfschattl“. Zu günstigen Preisen werden Fahrgäste – vor allem ältere Menschen – abgeholt und wieder nach Hause gebracht. Fahrten zum Kindergarten Lebensqualität hängt unter anderem von der und zur Schule, zu Pensionistennachmittagen, zu Bekannten oder für Einkaufstouren können Erschließung der Regionen durch leistungsfä- bestritten werden. Positiver Nebeneffekt: Mehr Kaufkraft bleibt in der Gemeinde. hige und umweltschonende Verkehrssysteme ab. Der öffentliche Nahverkehr muss so ausge- Ziele des Projekts: richtet sein, dass die BewohnerInnen auch ohne • Die Mobilität bei gleichzeitiger Reduktion des Verkehrsaufkommens im Ort steigern Auto auskommen und der Umstieg vom eige- • Die Lebensqualität aller BewohnerInnen erhöhen nen PKW auf „Öffis“ attraktiv wird: flexibel und • Vor allem Familien, sozial Schwächere und Menschen mit Behinderung mobil machen bedarfsorientiert. Fern- und Nahverkehr müssen • Die örtliche Infrastruktur und gesellschaftliche Einrichtungen verstärkt nutzen gut verknüpft werden. Vor allem flexible Angebo- • Einen sichtbaren Schritt in Richtung umweltbewusste Gemeinde setzen te wie Rufbus, Anrufsammeltaxi, semiprofessio- • Vorbild für andere Gemeinden sein nelle und ehrenamtliche Mobilitätsdienste kön- nen den eigenen PKW verzichtbar machen. Für Als Kooperationspartner konnten ein Taxiunternehmen und ein Autohaus gewonnen werden. Es ältere Menschen und Jugendliche sind solche wurden bisher drei Arbeitsplätze geschaffen und viele hunderte Fahrten durchgeführt. Die Ge- Dienste besonders wichtig. meinde Baumgarten ist mittlerweile Partner des Projekts. Mit einer Grundsubvention der Marktge- meinde steht der gegründete Verein auf sicheren Beinen. Das „Dorfschattl“ hat dazu beigetragen, Was kann ich tun? dass Schattendorf nun „familienfreundlichegemeinde“ ist. • Ausreichende Park&Ride-Möglichkeiten für Autos und Fahrräder bei Haltestellen einrichten • Dienstfahrräder (E-Bikes) für Gemeinde- „Für die Bevölkerung ist das ‚Dorfschattl‘ aus dem täglichen Leben in der mitarbeiterInnen anschaffen Marktgemeinde Schattendorf und der Gemeinde Baumgarten nicht mehr • Sammeltaxis und Diskobusse initiieren wegzudenken. Mit dem ‚Dorfschattl‘ haben wir es geschafft, • Car-Sharing und Fahrradverleih anbieten die Lebensqualität und die Attraktivität des Ortes zu steigern!“ • Radwege ausbauen • Umweltschonende Fahrzeuge und die Johann Lotter dazugehörige Infrastruktur fördern Bürgermeister von Schattendorf (E- und Bioöl-Tankstellen) 26 Ökosozialer Gemeindekompass 27
LEBENSWERTE REGION – LEBENDIGE GEMEINSCHAFT © teatro 2.6 Identifikation 2.7 Integration Eine Gemeinde lebt vom Zusammengehörig- Was kann ich tun? Die Zuwanderung hat den ländlichen Raum he- grationsthemen oder ein Integrationsbeirat ha- keitsgefühl ihrer BürgerInnen. Wichtig dabei • Geschichte der Region aufarbeiten terogener gemacht. Damit eine Gemeinde Hei- ben sich bewährt, z. B. in Rankweil in Vorarlberg. sind das Wissen um die gemeinsame Vergan- und zugänglich machen mat für alle werden kann, unabhängig davon, genheit und ein gemeinsames Arbeiten an der • Bürgerbeteiligungen fördern (Bürgerforen) wie lange sie schon im Ort leben, müssen neue Was kann ich tun? Zukunft. Wenn Menschen Beziehungen zuei- • Veranstaltungen, Feste und Kulturevents und alte BürgerInnen aufeinander zugehen. Ge- • Vereine motivieren, neue Gemeinde- nander aufbauen, den Nachbarn aushelfen, wie Theater oder Musicals organisieren genseitiges Kennenlernen und die Bereitschaft bürgerInnen einzuladen erhöht das die Lebensqualität aller und fördert • Vereine durch Überlassen von Räumlich- voneinander zu lernen, baut Schwellenängste • Interkulturelle Kommunikationszentren eine Identifikation mit der Region, die nicht an- keiten und Ankündigungen auf der auf beiden Seiten ab und fördert Integration. einrichten dere ausschließt, sondern offen ist für Neues. Gemeindewebsite unterstützen • Gemeinderat für Integrationsthemen Durch soziale Beziehungen in der Gemeinde • Begegnungsräume schaffen, Mütter- Wirtschaftliche und soziale Eingliederung in die oder Integrationsbeirat ernennen stärkt sich die Verwurzelung der BürgerInnen. runden organisieren Gemeinde sollen Hand in Hand gehen. Kom- • Gemeinsame interkulturelle Projekte Das fördert das freiwillige Engagement, womit • Traditionen gezielt fördern munikation ist der Schlüssel zum Erfolg. Inter- durchführen, z. B. Sportevents Services angeboten werden können, die auf • Gemeinsame Projekte starten, kulturelle Kommunikationszentren und Projekte • Sprachkurse fördern dem freien Markt nicht finanzierbar sind. z. B. ein Filmprojekt über den Ort sowie die Förderung von Sprachkursen bauen • Aktives Quartiers- und Besiedlungs- (Sprach-)Barrieren ab. Gemeinderäte für Inte- management für gute Durchmischung So kann‘s gehen! So kann‘s gehen! Zeichen unserer Kulturlandschaft, Niederösterreich Frauencafe für ALLE, Oberösterreich Über 70 engagierte Gemeinden in fünf Leader-Regionen stärken ihre Identität und das Regions- Das Frauencafe richtet sich an Frauen im Raum Enns, mit und ohne Migrationshintergrund, die bewusstsein, indem sie im Leaderprojekt „Zeichen unserer Kulturlandschaft“ ihre Klein- und einander besser kennenlernen wollen. Es baut sprachliche, kulturelle und sonstige Hürden zwi- Flurdenkmäler in eine gemeinsame Datenbank eingeben. Jedes Kleindenkmal ist einzigartig schen „einheimischen und zugezogenen“ Frauen ab und findet zweimal im Monat statt. Neben und hat seine eigene Geschichte, die in der Region bzw. in der Gemeinde verwurzelt ist. den Treffen gibt es Ausflüge, Vorträge und Workshops. Den gemeinsamen Anliegen und Auf www.kleindenkmal.at sind die dokumentierten Denkmäler für alle BürgerInnen zugänglich. Zukunftsthemen wird so Raum gegeben. Nähere Infos unter www.frauennetzwerk-linzland.net 28 Ökosozialer Gemeindekompass Ein Leitfaden für eine nachhaltige Gemeinde- und Regionalpolitik 29
So kann‘s gehen! re-design Eisenerz, Steiermark 3. Standortentwicklung Eisenerz steht vor demographischen und wirtschaftlichen Herausforderungen wie kaum eine an- dere österreichische Gemeinde. Seit 1960 ist die Einwohnerzahl auf ein Drittel geschrumpft und das Durchschnittsalter merkbar angestiegen. Daher hat die Bergbaustadt gemeinsam mit dem und Raumplanung Land Steiermark das Projekt re-design Eisenerz gestartet. Bis 2021 sollen die Einwohnerzahl sta- bilisiert und Lebensqualität sowie Strukturen für rund 5.000 EinwohnerInnen geschaffen werden. Durch infrastrukturelle Verkleinerungsprozesse und alternative Nutzungskonzepte leerstehender Die Anzahl der Haushalte in Österreich wird bis baut und versiegelt. Im EU-Vergleich ist das Gebäude wurden rund 470 Wohneinheiten rückgebaut und 700 neu genutzt. Der Schwerpunkt 2030 stärker steigen als die Bevölkerung. Das überdurchschnittlich viel. Oft handelt es sich Wirtschaft unterstützt das Tunnelforschungszentrum „Zentrum am Berg“ und bietet Anreize für hängt mit einer Veränderung der Lebenssti- dabei um fruchtbare Böden, die für immer für weitere Kompetenzzentren zur Ansiedlung. Durch Förderungen zur Belebung der Innenstadt wur- le zusammen. Das Spektrum reicht von Sing- die landwirtschaftliche Nutzung verloren gehen. den Anreize zur Betriebsansiedlung im Ortskern geschaffen. Ganzjahrestourismus und Kultur sol- le-Haushalten – auch SeniorInnen, neuen und len als weitere wirtschaftliche Standbeine die Gemeinde stärken. flexiblen Lebensformen – Patchwork-Familien Flächenschonung ist daher das Gebot der über Arbeiten und Wohnen am selben Ort oder Stunde. Ökosoziale Raumplanung steuert Zer- „Eisenerz hat durch Siedlungskonzentration eine hohe Lebensqualität ge- „multilokales“ Wohnen bis zur klassischen Fa- siedelung und zunehmender Versiegelung ent- schaffen. Mit unserem markengestützten Ganzjahres-Tourismus sind milie selbst. Weiters ist eine starke Zunahme der gegen. Bevor neue Flächen für Bebauungen wir innerhalb Österreichs unverwechselbar. Darauf sind wir stolz.“ Wohnfläche pro Kopf, eine steigende Zahl an gewidmet werden, ist zu prüfen, ob es alterna- Christian Berger Zweitwohnsitzen für berufliche Zwecke oder für tive Nutzungsmöglichkeiten bereits bestehen- Vizebürgermeister von Eisenerz die Freizeit zu erwarten. Daher steigt der Bedarf der und nicht genutzter Objekte gibt. an Bauland. Gerade in Gemeinden mit sinken- den Bevölkerungszahlen besteht die Herausfor- Boden ist eine wichtige Ressource – nicht nur derung, attraktive Wohnflächen zur Verfügung für wirtschaftliche Aktivitäten und als Sied- Pusterwald lebt, Steiermark zu stellen und dies möglichst flächensparend. lungsraum. Wir sind auch auf seine Filter- und Pufferkapazitäten (Wasserspeicher, Klimare- Pusterwald geht seinen Weg. In den letzten 25 Jahren schuf die Gemeinde attraktive Lebensbedin- Neben Wohnflächen werden auch mehr Flä- gelung etc.) angewiesen. Die Landwirtschaft gungen für die EinwohnerInnen, vor allem für Jungfamilien. Der Neubau der Volksschule und des chen für die Wirtschaft gebraucht. Einkaufs- und unsere Nahrungsmittelproduktion brau- Kindergartens sowie eine bessere Infrastruktur für Feuerwehr, Musik- und andere Vereine sind Bei- zentren, Autoabstellplätze, Straßen, Golfplätze, chen fruchtbare, nicht verdichtete Böden. Der spiele. Einkaufszentren am Ortsrand wurden vermieden, das stärkt die Wirtschaft im Ortskern. Der Schipisten und anderes mehr benötigen Raum. Schutz vor Naturgefahren erfordert in Zeiten Fokus auf die wirtschaftlichen Stärken – Landwirtschaft und Tourismus – erhält Infrastruktur und Le- Die Konkurrenz um gut erreichbare und attrak- des Klimawandels mitunter eine Anpassung bensqualität. Eine Goldwaschanlage und Selbstversorgerhütten wurden als touristische Highlights tive Flächen wird größer. Pro Tag werden in der Bewertungen, wo gefahrlos gebaut werden errichtet. Pusterwald wurde wiederholt als schönstes Gebirgsblumendorf ausgezeichnet. Österreich zurzeit rund 20 Hektar Boden ver- kann und wo nicht. 30 Ökosozialer Gemeindekompass Ein Leitfaden für eine nachhaltige Gemeinde- und Regionalpolitik 31
STANDORTENTWICKLUNG © Hertha Hurnaus/hurnaus.com So kann‘s gehen! UND RAUMPLANUNG Gegen gesichtsloses Wachsen, Oberösterreich 3.1 Flächen sparen Ottensheim setzt sich seit vielen Jahren gegen Zersiedelung, Ortskernverödung und gesichts- loses Wachstum ein. Bereits in den 1960er Jahren stellte sich heraus, dass die Umwidmung landwirtschaftlicher Grundstücke am Ortsrand sehr kostspielig war. Die Gemeinde betreibt aus und Boden bewahren diesen Gründen aktives Siedlungsmanagement. Das aktuelle örtliche Entwicklungskonzept be- grenzt die Ausdehnung der Siedlungsbereiche, dadurch wird Zersiedelung vermieden. Innerhalb der Siedlungsgrenzen gibt es Siedlungsschwerpunkte, die großteils gut an den öffentlichen Ver- Aktive Bodenpolitik und flächensparende Wid- Auf eine widmungskonforme Nutzung von Flä- kehr angebunden sind. Die meisten Alltagswege sind zu Fuß oder mit dem Rad möglich. Das mungen reduzieren die Nachfrage nach Neu- chen muss geachtet werden. Die Änderung spart Erschließungskosten, erhält die Gemeindeinfrastruktur und wirkt umweltschonend, z. B. widmungen und stärken eine nachhaltige bestehender Widmungen kann für die Gemein- durch weniger Verkehr als am Siedlungsrand. Der Wohnbedarf für die nächsten 20 Jahre ist Siedlungsentwicklung. Der Bestand an brach- deentwicklung sinnvoll sein, wenn dadurch laut Baubilanz 2011 gedeckt. Im Zuge der Überarbeitung des Flächenwidmungsplanes 1998 bis liegenden Handels-, Industrie- und Gewerbe- eine Neunutzung ermöglicht und zusätzliche 2002 wurden rund 23 Hektar gewidmetes Bauland in der Gemeinde rückgewidmet, jedoch als flächen könnte rund ein Drittel des jährlichen Flächenversiegelung verhindert werden. Flä- Bauerwartungsland im Örtlichen Entwicklungskonzept aufgenommen. Das Bauerwartungsland Bodenbedarfs abdecken. Effizient genutzte Flä- chensparendes Bauen und Revitalisierungs- kann zu einem späteren Zeitpunkt wieder in Bauland umgewidmet werden. chen oder eine Neunutzung von bereits versie- maßnahmen von Flächen sind anzuregen. gelten Flächen dämmen Baulandzuwachs ein. Ebenfalls in Angriff genommen wurde die Aktivierung leerstehender und ungenutzter Standorte im Durch flächensparende Siedlungspolitik kann Ortskern. Dadurch ist unter anderem das „offene“ Amtshaus entstanden, für das ein denkmalge- der Bedarf an neuen Verkehrsflächen wie Zu- Was kann ich tun? schütztes Gebäude saniert wurde. Der zeitgemäße Zubau beherbergt den offenen und transpa- fahrtsstraßen reduziert werden. Auch andere In- • Kompakte Siedlungsstrukturen und renten Gemeinderatssaal, der eine ebensolche Gemeindepolitik symbolisiert. frastrukturinvestitionen wie Kanal und Leitungen weniger KFZ-Verkehr forcieren werden minimiert. • Flächenwidmung verantwortungsvoll betreiben Gemeinden stehen unter dem Druck von Bau- • Landwirtschaftliche Vorrangflächen „Der langfristige Prozess in der Gemeinde ist vor allem von Bürger- werbern oder potenziellen Grundstückskäufe- definieren und vor Versiegelung schützen beteiligung und Bewusstseinsbildung geprägt. In Bürgerbeteiligungs- rInnen. Bewusstseinsbildung und transparente • Alternative Nutzungskonzepte für projekten und projektbezogenen Arbeitskreisen diskutieren wir, wie sich Abläufe sind essenziell, um Verständnis bei allen bereits bestehende Gebäude bzw. der Ort entwickeln soll. Entscheidend ist dabei aber der Wille des Beteiligten zu erreichen. bebaute Liegenschaften entwickeln Gemeinderates, dies auch wirklich, wirklich zu wollen.“ • BürgerInnen über Auswirkungen von Angesichts zunehmender Wetterextreme sind Neuaufschließungen informieren Ulrike Böker Naturgefahren bei der Widmung zu berück- • Stammtische zu flächenbezogenen Bürgermeisterin von Ottensheim sichtigen. Zukunftsfragen abhalten 32 Ökosozialer Gemeindekompass Ein Leitfaden für eine nachhaltige Gemeinde- und Regionalpolitik 33
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