Eckpunkte einer Strategie des Landes Baden-Württemberg für die Zusammenarbeit mit der Schweiz
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Vorwort Baden-Württemberg und die Schweiz sind als Baden-Württemberg und die Schweiz haben in Nachbarn eng verflochten und unterhalten eine vielen Bereichen vergleichbare Ausgangsbedin- langjährige Freundschaft. Die Bedeutung der gungen. Die Bewohnerinnen und Bewohner die- gemeinsamen Grenze hat sich über Jahrzehnte ser rohstoffarmen Länder mussten sich auf ihren hinweg immer mehr von einem trennenden hin Fleiß und ihren Erfindergeist stützen, um die wirt- zu einem verbindenden Element verändert. Die schaftliche Bedeutung zu erlangen, die sie heute intensive grenzüberschreitende Zusammenarbeit genießen. Dementsprechend prägen High Tech, hat aus Randgebieten beider Länder zunehmend mittelständische Unternehmen und eine renom- grenzüberschreitende Standorte gemacht, die ins mierte Hochschullandschaft beide Länder. Diese Zentrum rücken und von ihrer Lage profitieren. Stärken auch künftig in einem sich verändernden Umfeld zu bewahren und erfolgreich auszuspielen, Mit den Veränderungen im europäischen und im ist eine der Kernaufgaben, die sich auf beiden Sei- globalen Umfeld teilen Baden-Württemberg und ten der Grenze stellen. die Schweiz viele Chancen und Herausforderun- Baden-Württemberg und die Schweiz liegen im gen. Dazu gehören politische Veränderungen in Herzen Europas und sind international sehr stark der Europäischen Union, Ängste, die durch die verflochten. In diesem Umfeld kommt der Zu- Globalisierung hervorgerufen werden, und Ver- sammenarbeit über Grenzen hinweg eine noch schiebungen in der globalen Geopolitik. Dazu größere Bedeutung zu. Die mit der sogenannten gehören auch technologische Umbrüche durch die „Masseneinwanderungsinitiative” angestoßene Digitalisierung, die einen fundamentalen Wandel Debatte um die Zukunft des bilateralen Weges auslösen, und die großen Bedrohungen für unsere zwischen der EU und der Schweiz spielt hier eine Umwelt und unser Klima, denen wir auf ökolo- wichtige Rolle. Mit den im Folgenden vorgeleg- gisch und gleichzeitig ökonomisch sinnvolle Weise ten strategischen Eckpunkten soll der Blick in die begegnen müssen. Zukunft gerichtet werden, um gemeinsam mehr zu erreichen und einen Beitrag zu Wohlstand und Stabilität in Europa zu leisten. Winfried Kretschmann MdL Gisela Erler Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung im Staatsministerium Baden-Württemberg 5
Baden-Württemberg Schweiz Mannheim Karlsruhe Stuttgart Ulm Freiburg Konstanz Friedrichs- hafen Bodensee Basel Zürich St. Gallen Luzern Bern Lausanne 6
Gliederung I. Zielsetzung der Strategie 8-9 II. Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit 10 - 13 III. Zehn Eckpunkte der künftigen Zusammenarbeit mit der Schweiz 14 - 15 IV. Bereiche der künftigen Zusammenarbeit mit der Schweiz 16 - 32 1. Politischer Austausch 17 2. Wirtschaftliche Zusammenarbeit 18 - 19 3. Grenzüberschreitende Arbeitsmärkte, Grenzgänger, Fachkräfte 20 4. Zivilgesellschaft, Bürgerbeteiligung und gemeinsame Identitäten 21 5. Kooperation in Wissenschaft und Forschung, Wissenstransfer 22 6. Bildung 23 7. Verkehrsanbindung 24 - 25 8. Energie, Klima, Umwelt 26 - 27 9. Naturschutz und Landwirtschaft 28 10. Raumplanung 29 11. Zusammenarbeit in der Gesundheitspolitik 30 - 31 12. Innere Sicherheit, Polizei 32 Karte Grenzraum Baden-Württemberg – Schweiz 33 V. Beziehungen der Schweiz zur EU als Rahmen der Zusammenarbeit 34 - 37 Impressum 38 7
I. Zielsetzung der Strategie Baden-Württemberg verbinden eine rund 400 km Betrachtet man den unmittelbaren deutsch- lange Grenze an Bodensee, Hochrhein und Ober- schweizerischen Grenzraum, so leben hier im- rhein, die Sprache sowie die gemeinsame ale- merhin rund 4 Mio. Menschen1. Nimmt man die mannische Kultur mit unseren Nachbarn in der grenzüberschreitenden Kooperationsräume am Schweiz. Der Austausch über Grenzen hinweg – Oberrhein, Hochrhein und Bodensee zusammen, in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Verwaltung, so geht es um eine Region mit rund 10 Mio. Ein- Gesellschaft und zahlreichen weiteren Bereichen – wohnern und einem Bruttoinlandsprodukt von ist historisch gewachsen, sehr intensiv und hat in rund 413 Mrd. Euro2. Die Vertiefung der grenz- Europa Modellcharakter. überschreitenden Synergien und der Profilierung als starke grenzüberschreitende Standorte mit Die Zusammenarbeit der beiden Hochtechno- hoher Lebensqualität mitten in Europa bieten hier logieländer Schweiz und Baden-Württemberg ganz erhebliche Chancen. bietet auch künftig in einem mehr und mehr glo- balisierten Umfeld erhebliche Perspektiven. Viele Die Grenze zwischen Baden-Württemberg und Fragestellungen – beispielsweise Erhaltung und der Schweiz ist eine EU-Außengrenze, die aber Ausbau der Innovations- und Wirtschaftskraft der durch den bilateralen Weg zwischen der Schweiz Standorte, demographische Entwicklung und Zu- und der EU gegenüber den anderen Außengren- wanderung, Zukunft der Energiegewinnung und zen der EU stark privilegiert ist. Mit der Annahme 1 Quelle: Scherer, Silfverberg, Riser „Die (wirtschaftlichen) -versorgung – stellen sich in ähnlicher Weise auf der sogenannten „Masseneinwanderungsinitiative“ Verflechtungen des deutsch- schweizerischen Grenzraumes“, beiden Seiten der Grenze. in der Schweiz im Februar 2014 wurde eine inten- Stand 2011 2 Quelle: Oberrhein – Zahlen und Fakten, Stand 2012; Statistikplattform Bodensee, Stand 2013 bzw. 2011 8
Visualisierung Neuer Rheinsteg Rheinfelden (Bild oben und Titelbild) (Interreg-Projekt, wird die beiden Rheinfelden verbinden) Entwurfsverfasser: Ingenieurbüro Miebach, Lohmar (Ingenieur); Swillus Architekten, Berlin (Architekt); HHVH Landschaftsarchitekten, Berlin (Landschaftsarchitekten); Interreg A-Projekt Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein sive Diskussion über die Zukunft des bilateralen Die Zusammenarbeit mit der Schweiz betrifft Weges angestoßen, der eine wichtige Basis der nicht nur Politik und Verwaltung, sondern sie wird grenzüberschreitenden Zusammenarbeit darstellt. von einer Vielzahl von Akteuren aus den unter- schiedlichen gesellschaftlichen Bereichen und der Für die Landesregierung ist die Zusammenarbeit Zivilgesellschaft gestaltet. Es war der Landesregie- mit der Schweiz ein europapolitischer Schwer- rung deshalb ein wichtiges Anliegen, diese Akteu- punkt. Mit den vorliegenden Eckpunkten sollen re in die Erarbeitung der Strategie einzubinden. die vielfältigen und erfolgreichen grenzüberschrei- tenden Aktivitäten zielgerichtet weiterentwickelt Die Strategie gibt die Perspektive Baden-Württem- werden, um gemeinsam Potentiale zu nutzen und bergs wieder, sie kann aber nur im Zusammenwir- die Herausforderungen der Zukunft anzugehen. ken mit dem Bund in Deutschland, den Partnern Dabei sollen für jedes Dossier sachgerechte Ziele in der Schweiz sowie der Europäischen Kommissi- und Lösungen entwickelt und auch europäische on in Brüssel umgesetzt werden. Deshalb wurden Angelegenheiten aus dem Blickwinkel Baden- auch diese Partner bei der Erarbeitung konsultiert. Württembergs in den Fokus genommen werden. Ziel ist eine Vision und Leitlinie, die auf dem Be- stehenden aufbaut, das Machbare klar im Blick hat und gleichzeitig die Kraft entfaltet, zum Nutzen der Bürgerinnen und Bürger die nachfolgend be- schriebenen Ziele zu erreichen. Zielsetzung der Strategie 9
Brunnen in Basel Grossbasler Rheinufer II. Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit 1. Die historischen Wurzeln der Verflechtungen zunächst humanitäre Aspekte, die die grenzüber- zwischen Baden-Württemberg und der Schweiz schreitenden Kontakte wiederaufleben ließen. So reichen weit zurück. Die längste Zeit der Ge- erreichte eine Schweizer Kinder- und Schüler- schichte wurde der Rhein nämlich nicht etwa als speisung in den Hungermonaten des Winters Trennschneise zwischen abgegrenzten Herrschafts- 1946 Kinder im Markgräflerland um Basel und in räumen wahrgenommen, sondern als verbindende Freiburg. Diese Grenzöffnung hinterließ einen Schlagader (Zugang zu den Alpenpässen) eines tiefen Eindruck und die Markgräfler Kinder einheitlichen, weitestgehend zusammengehören- brachten ihren Dank schon bald darauf mit einer den alemannischen Landschafts- und Kulturrau- Geldsammlung und einem festlichen Übergabe- mes. akt mit Staatspräsident Leo Wohleb in Form eines „Vreneli-Brunnens“ zum Ausdruck – der Standort Die herausragende geistesgeschichtliche Bedeu- ist vor der St. Clarakirche in Kleinbasel. tung dieses Raumes zeigt sich beispielsweise auch daran, dass sich die höchsten Repräsentanten 2. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Kirche gleich zweimal hintereinander in der auf politischer und Verwaltungsebene zwischen Region zu universalen Konzilien versammelten, in Baden-Württemberg und der Schweiz wurde ins- Konstanz (1414-1418) und Basel (1431-1447), um besondere seit den 1970er Jahren stetig ausgebaut. mit inneren Reformen dem Umbruch der Zeit zu begegnen. Wichtige institutionelle Meilensteine waren: • die Gründung der Internationalen Bodensee- Nach der Zäsur des Zweiten Weltkrieges und der konferenz am 14. Januar 1972 durch die nationalsozialistischen Gewaltherrschaft waren es Bodenseeanrainerländer und -kantone, 10
• die Vereinbarung vom 22. Oktober 1975 • die Gründung der Trinationalen Metropol- zwischen den Regierungen Frankreichs, region Oberrhein am 9. Dezember 2010. Deutschlands und der Schweiz zur Gründung der deutsch-französisch-schweizerischen Weitere Fachgremien sind beispielsweise die In- Regierungskommission, ternationale Gewässerschutzkommission für den • die am 16. Oktober 1989 auf Schloss Bürgeln Bodensee (IGKB), die Internationale Bevollmäch- unterzeichnete „Willenserklärung für eine tigtenkonferenz für die Bodenseefischerei (IBKF), gemeinsame Entwicklungskonzeption Elsass- die Deutsch-Schweizerische Kommission für die Südbaden-Nordwestschweiz“, Wasserkraftnutzung auf der Rheinstrecke Basel- Die INFOBEST PALMRAIN ist die einzige trinationale INFOBEST und die einzige, die • die Zusammenführung der beiden Regional- Bodensee, die Internationale Raumordnungs- Fragen zur Schweiz beantworten kann. Sie befindet sich in einem ehemaligen franzö- ausschüsse nach der deutsch-französisch- kommission Bodensee (ROK) sowie die Deutsch- sischen Zollgebäude im Dreiländereck von Frankreich, Deutschland und der Schweiz. schweizerischen Regierungsvereinbarung zur Schweizerische Kommission für die Sicherheit deutsch-französisch-schweizerischen kerntechnischer Einrichtungen (DSK). Oberrheinkonferenz am 21. November 1991, • Eröffnung der deutsch-französisch-schweizer- Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit ischen INFOrmations- und BEratungs- der Schweiz verfügt über eine sehr breite Basis ins- STelle INFOBEST PALMRAIN am 1. Juli 1993, besondere in Kommunen, Verbänden, Kammern, • das deutsch-französisch-schweizerisch- Institutionen und der Gesellschaft und wird von luxemburgische Übereinkommen zur grenz- vielen aktiv mitgestaltet. überschreitenden Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften und örtlich öffent- 3. Das Generalkonsulat der Schweiz in Stutt- lichen Stellen („Karlsruher Übereinkommen“) gart, das Honorarkonsulat der Schweiz in Frei- Gruppenbild der IBK-Regierungschefs und Regierungsvertreter an der vom 23. Januar 1996, das die rechtliche Basis burg im Breisgau und die Schweizerische Bot- IBK-Regierungschefkonferenz am 10.12.2015 in Neuen Schloss, für grenzüberschreitende regionale und schaft in Berlin sind wichtige Ansprechpartner Meersburg kommunale Kooperationsformen legte, in der Zusammenarbeit. Von links 1. Reihe (vorne): Regierungspräsident Ernst Stocker, • die Gründung der Hochrheinkommission am Zürich; Minister Franz Untersteller MdL, 17. September 1997, 4. Die Schweiz ist nicht Mitglied in der Euro- Baden-Württemberg; Regierungsrätin Carmen Haag, • die Gründung des Oberrheinrates, des päischen Union, ihr aber durch inzwischen Thurgau; „Parlaments” des Oberrheins, am 16. Dezember über 120 bilaterale Abkommen auf das Engste Von links 2. Reihe: Dr. Günther Eberle, Landesamts- 1997, verbunden, die eine wichtige Basis für die grenz- direktor für Vorarlberg; Elmar Stegmann, Landrat, Landkreis • die Gründung der Randenkommission durch überschreitende Zusammenarbeit darstellen. Lindau für Bayern; Regierungsrat Dr. Reto Dubach, die Landkreise Waldshut, Schwarzwald-Baar Schaffhausen; Regierungsrat Martin Gehrer, und Konstanz sowie den Kanton Schaffhau- Nach dem Abschluss eines Freihandelsabkom- St.Gallen; sen im November 1998, mens (Abbau von Zöllen) zwischen der Schweiz Von links 3. Reihe (hinten): Regierungschef Adrian Hasler, • die Gründung des Städtenetzes Oberrhein im und der EU im Jahr 1972 stellte sich mit dem eu- Fürstentum Liechtenstein; Bauherr Stefan Sutter, Jahr 2002, ropäischen Binnenmarkt (diskriminierungsfreier Appenzell Innerrhoden; Regierungsrat Alfred Stricker, • die Gründung des Trinationalen Eurodistricts Marktzugang) zunehmend die Frage ihrer Beteili- Appenzell Ausserrhoden. Basel (TEB) am 26 Januar 2007, gung. 1992 hat die Schweizer Regierung ein Gesuch • das Statut vom 23. März 2007 über die Parla- zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen bei der mentarier-Konferenz Bodensee, II. Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit 11
EG hinterlegt, das aber seit dem Nein der Schwei- Landwirtschaftsprodukte, Umwelt, Medien, Bil- zer zum Beitritt zum Europäischen Wirtschafts- dung, Altersversorgung und Statistik abgeschlossen. raum von beiden Seiten nicht weiter verfolgt und inzwischen auch formell zurückgezogen wurde. Mit der Zunahme der vertraglichen Verflechtungen ist die Notwendigkeit gestiegen, den bilateralen Stattdessen haben die Schweiz und die EU eine Abkommen einen Rahmen zu geben, der Fragen Zusammenarbeit über den Abschluss bilateraler der Weiterentwicklung des europäischen Rechts Abkommen gewählt: Den sogenannten bilateralen sowie der einheitlichen Auslegung der Verträge Weg. 1999 wurden sieben Abkommen der sekto- und des übernommenen Rechts regelt. Deshalb ralen Marktöffnung zwischen der Schweiz und der verhandeln die Schweiz und die EU seit Mai 2014 EU abgeschlossen, die sog. Bilateralen I, die 2002 in über ein institutionelles Abkommen, das nach dem Kraft getreten sind: Willen der EU Voraussetzung für weiteren Markt- • Abkommen über die Freizügigkeit zugang ist. (Personenfreizügigkeit) • Abkommen über gegenseitige Anerkennung 5. Die Schweizerinnen und Schweizer haben von Konformitätsbewertungen (Beseitigung im Februar 2014 in einer Volksabstimmung technischer Handelshemmnisse) über die „Masseneinwanderungsinitiative“ für • Abkommen über bestimmte Aspekte des eine neue Verfassungsbestimmung gestimmt, Öffentlichen Beschaffungswesens die eine Begrenzung der Zuwanderung durch • Abkommen über den Handel mit Höchstzahlen und Kontingente vorsieht. Deren landwirtschaftlichen Erzeugnissen Höhe wird nicht vorgegeben, sondern sie sind auf • Abkommen über den Landverkehr die „gesamtwirtschaftlichen Interessen der Schweiz Ministerpräsident • Abkommen über den Luftverkehr unter Berücksichtigung eines Vorranges für Schwei- Winfried Kretschmann (Mitte) mit den Vertretern der • Rahmenabkommen über wissenschaftlich- zer“ auszurichten. Kontingente und Höchstzahlen Schweizer Grenzkantone technische Zusammenarbeit sollen auch für Grenzgängerinnen und Grenz- (Forschungsabkommen). gänger gelten. Diese Abkommen wurden im Paket verhandelt und abgeschlossen. Sie sind über eine „Guillotine- Der Schweizer Bundesrat hat in der Folge Ge- Klausel“ so miteinander verbunden, dass im Falle spräche mit der EU-Kommission aufgenommen, der Kündigung eines Vertrages alle sieben Abkom- denn Höchstzahlen und Kontingente sind nicht men hinfällig werden. vereinbar mit der zwischen der Schweiz und der EU vereinbarten Personenfreizügigkeit. Im Dezem- 2004 folgten die Bilateralen II, die unter anderem ber 2016 wurde in der Schweiz ein Umsetzungs- den Beitritt der Schweiz zu den Abkommen von gesetz beschlossen, das die Verpflichtungen aus dem Dublin und Schengen (polizeiliche und justizielle Freizügigkeitsabkommen einhalten soll. Es sieht Zusammenarbeit, Asyl und Migration) sowie die keine Obergrenze und Kontingente für die Zu- Ministerpräsident Ausweitung der Zusammenarbeit zur Aufklärung wanderung vor, sondern eine Vorzugsbehandlung Winfried Kretschmann (rechts) und der Schweizer Bundesrat von Betrugsfällen und bei der Zinsbesteuerung be- für Stellensuchende, die bei der Arbeitsvermittlung Johann Schneider-Ammann (links) inhalten. Daneben wurden Vereinbarungen über gemeldet sind. Dazu zählen auch EU-Ausländer, 12 II. Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit
die Rechte nach dem Freizügigkeitsabkommen rund 80 Mio. Menschen in 48 Regionen, darunter wahrnehmen. Die Referendumsfrist für dieses Ge- auch Baden-Württemberg und die Schweiz als setz lief bis zum 7. April 2017. Des Weiteren kam Drittstaat. bereits im November 2015 die Volksinitiative „Raus Mobilität: Güterzug auf der Oberrheinstrecke aus der Sackgasse! Verzicht auf die Wiedereinfüh- Die EUSALP ist die vierte makroregionale Strategie rung von Zuwanderungskontingenten“ (Rasa- der EU und soll die bestehende Zusammenarbeit in Initiative) zustande, die die Ergebnisse der Massen- den Bereichen Forschung und Innovation, Unter- einwanderungsinitiative rückgängig machen und stützung für KMU, Mobilität, Tourismus, Umwelt- die Zuwanderungsbestimmungen ersatzlos aus der schutz und Energie im Rahmen einer territorialen, Verfassung streichen will. auf die Entwicklung des gesamten Raumes angeleg- ten Strategie umsetzen. Im Action Plan der EUS- Die Schweiz hat im Dezember 2016 auch das Pro- ALP werden die gemeinsamen Herausforderungen tokoll zur Erweiterung der Personenfreizügigkeit und Potenziale konkret benannt. Es wurden insge- auf Kroatien ratifiziert. Sie nimmt damit wieder samt neun Action Groups (AG) eingerichtet, die je- seit 2017 in vollem Umfang am EU-Forschungspro- weils von zwei Staaten oder Regionen federführend Tourismus: Rheinfall bei Schaffhausen gramm Horizont 2020 (Budget: 77 Mrd. Euro) teil, koordiniert werden. Baden-Württemberg ist an der wo sie zwischenzeitlich nur noch teilassoziiert war. Leitung der AG 2 „Entwicklung strategischer Sek- Die Landesregierung begrüßt, dass die Schweizer toren“ beteiligt, die Schweizerische Arbeitsgemein- Seite die notwendigen Schritte für die Rückkehr schaft für die Berggebiete an der Leitung der AG 5, zur Voll-Assoziation bei Horizont 2020 im beider- die sich mit der Erreichbarkeit und Digitalisierung seitigen Interesse unternommen hat. des Alpenraumes befasst. 6. Eine wichtige Basis für die Zusammenarbeit 8. Wichtiges Instrument zur Umsetzung der mit der Schweiz sind auch die INTERREG A- EUSALP ist das INTERREG B -Alpenraum- Programme Oberrhein und Alpenrhein-Boden- programm (ASP) zur Förderung der transnationa- see-Hochrhein (ABH), die grenzüberschreitende len Kooperation, an dem Baden-Württemberg und Natur und Umwelt: Kirschenblust in Oltingen Projekte fördern. Die Schweiz ist auch in der die Schweiz auch in der aktuellen Förderperiode 5. Förderperiode 2014 – 2020 mit eigenen Mitteln (2014 – 2020) wieder beteiligt sind, und in dessen an den Programmen beteiligt. Rahmen bereits zahlreiche gemeinsame Projekte umgesetzt werden konnten. Wie bei der Makro- 7. Am 19./20. Dezember 2013 rief der Europä- strategie für den Donauraum (EUSDR) ist auch ische Rat die Kommission auf, in Zusammen- hier mit einer Stärkung des entsprechenden trans- arbeit mit den Mitgliedstaaten eine EU-Strategie nationalen Programms und einer erhöhten Nach- für den Alpenraum (EUSALP) auszuarbeiten, die frage nach Fördermitteln zu rechnen. Der Förder- auf der dort bewährten Zusammenarbeit basieren satz im Alpenprogramm liegt bei 85 Prozent. soll. Die EUSALP wurde im Dezember 2015 vom Eine gemeinsame Beteiligung besteht auch an dem Europäischen Rat verabschiedet und ist die zwei- INTERREG-B-Programm Nordwesteuropa, aus Energie: Detail Luftbild Kraftwerk Laufenburg, te makroregionale Strategie der EU, an der Baden- dem u. a. die Projekte Rheinradweg und Corridor Rheinkraftwerke werden am Hochrhein gemeinsam betrieben Württemberg beteiligt ist. Betroffen davon sind 24 „Rotterdam – Genua“ gefördert werden. Quelle: Energiedienst / Michael Spakowski II. Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit 13
Elektrifizierung der Hochrheinstrecke, Erstellung einzelner neuer Haltestellen, Förderung einer nachhaltigen Stadt- entwicklung und Anschlussmobilität beidseits des Rheins um die Haltestellen Grenzach, Rheinfelden (Baden), Bad Säckingen, Stein im Fricktal, Möhlin Projektträger: Schweizerischer Bund (CH), Land Baden-Württemberg (D), Aggloprogramm Basel (CH), Kanton Basel-Stadt (CH), Kanton Basel-Landschaft (CH), Stadt Schaffhausen (CH), Hochrheinkommission (CH/D), Landkreis Waldshut (D), Landkreis Lörrach (D), Regionalverband Hochrhein-Bodensee (D); Einzelne Planungsphasen werden unterstützt durch Interreg A Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein. III. Zehn Eckpunkte der künftigen Zusammenarbeit mit der Schweiz 1. Die Beziehungen zur Schweiz sind und blei- tungs- und Gewähltensäulen soll verstärkt wer- ben ein zentraler Schwerpunkt der Europa- den und damit auch Beispiel für die Region politik des Landes Baden-Württemberg. Das Bodensee sein. Land möchte die gute Kooperation und Partner- schaft mit der Schweiz weiter ausbauen. 3. Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Baden-Württemberg und der Schweiz sind 2. Insbesondere die grenzüberschreitende sehr intensiv. Das Land strebt eine weitere Zu-sammenarbeit hat Modellcharakter für an- Verbesserung der Rahmenbedingungen für die dere europäische Grenzregionen, die mithilfe Wirtschaft, den Abbau bürokratischer Hürden europäischer Programme wie INTERREG A und eine verstärkte Vernetzung und Zusammen- und B sowie der neuen EU-Strategie für den Al- arbeit gerade in Zukunftsfeldern wie der Digita- penraum weiter gestärkt werden soll. Mit ihrem lisierung und der Entkoppelung des Wachstums grenzüberschreitenden Profil sollen die gemein- vom Naturverbrauch an. samen Wirtschafts- und Wissenschaftsstandorte im globalen Wettbewerb positioniert werden. 4. Die gezielte Nutzung von Synergien in Wissenschaft und Forschung soll weiter Das bewährte Zweikammersystem von Ober- vorangebracht und der Wissenstransfer in die rheinkonferenz (ORK) und Oberrheinrat (ORR) Unternehmen, Bildung, Politik und Verwal- bildet auf politisch-administrativer Ebene die tung verstärkt werden, insbesondere in den Möglichkeit, wichtige Themen der grenzüber- Grenzregionen, die über ein herausragendes schreitenden Zusammenarbeit zu identifizieren Netz an exzellenten Hochschulen, außeruniver- und anzugehen. Die Kooperation der Verwal- sitären Forschungseinrichtungen und in der For- schung aktiven Unternehmen verfügen. 14
Das Projekt «24 Stops» verknüpft über eine Länge von fünf Kilometern zwei Länder, zwei Gemeinden, zwei Kultur- institutionen mit 24 Wegmarken des Künstlers Tobias Rehberger. Projektträger: Gemeinde Riehen (CH), Stadt Weil am Rhein (D), Fondation Beyeler (CH), Vitra (D) 5. Die Zivilgesellschaft nimmt als Treiber und 8. Grenzübergreifende Arbeitsmärkte sind gleichberechtigte Kraft zunehmend eine Rolle Ausdruck gemeinsamer Wirtschaftsräume und in der grenzüberschreitenden Zusammen- tragen zur Standortattraktivität bei. Sie sollen arbeit ein, die weiter ausgebaut werden soll. erhalten und weiter gestärkt werden, ebenso Zum Thema Bürgerbeteiligung und direkte De- wie die Arbeitsmöglichkeiten der Grenzgän- mokratie soll der Austausch mit der Schweiz und gerinnen und Grenzgänger. den dort etablierten Modellen gepflegt werden. 9. Baden-Württemberg unterstützt eine enge 6. Grenzüberschreitende Verkehrsnetze und Anbindung der Schweiz an die Europäische –angebote sind die Basis für den Ausbau des Union und sieht sich als Brückenbauer, wie grenzüberschreitenden Austauschs und die zum Beispiel in den Gesprächen rund um die Einbindung in die großen europäischen Netze. Masseneinwanderungsinitiative und die laufen- Sie sollen weiter ausgebaut und der multimodale den Verhandlungen in Brüssel. Verkehr gestärkt werden mit dem Ziel der zu- nehmenden Verlagerung der Verkehrsströme auf 10. Für Baden-Württemberg steht dabei der umweltfreundliche Verkehrsträger. Erhalt des Freizügigkeitsabkommens und der bestehenden bilateralen Abkommen zwischen 7. Die Zusammenarbeit bei Energie und Kli- der Schweiz und der Europäischen Union so- maschutz hat vor dem Hintergrund der Ener- wie auf dieser Basis die Weiterentwicklung giewende großes Potential und soll weiter aus- des bilateralen Weges im Vordergrund. Dabei gebaut werden, insbesondere im Bereich der sind aus Landessicht Lösungen zu den instituti- erneuerbaren Energien, bei Energieeinsparung onellen Fragen, zur Marktöffnung bei Energie, und -effizienz sowie beim Rückbau von Atom- Daten und Landwirtschaft, zu transeuropäischen kraftanlagen. Die Endlagersuche für Atommüll Verkehrsnetzen und zur Migration anzustreben. in der Schweiz soll weiter kritisch-konstruktiv begleitet werden, insbesondere mit dem Ziel eines weitergefassten Regionalbezugs bei der Be- teiligung der grenznahen Bevölkerung im weite- ren Verfahren. III. Zehn Eckpunkte der künftigen Zusammenarbeit mit der Schweiz 15
Nicht nur die Holzbrücke verbindet die Grenzgemeinden Bad Säckingen und Stein im Fricktal IV. Bereiche der künftigen Zusammenarbeit mit der Schweiz Baden-Württemberg und die Schweiz gehören zu Das baden-württembergisch-schweizerisch Grenz- den wettbewerbsfähigsten Ländern und Regionen gebiet verfügt über eine starke Basis in Wirtschaft Europas. 2016 belegte die Schweiz erneut den und Wissenschaft sowie eine hohe Lebensquali- ersten Platz im Global Competitiveness Index, tät, zu der auch die geographische Lage und der der jährlich vom World Economic Forum WEF lebhafte interkulturelle Austausch beitragen. Am erhoben wird. Baden-Württemberg lag 2016 beim Oberrhein, Hochrhein und am Bodensee sind Innovationsindex für die Länder bzw. Regionen grenzüberschreitende Lebens-, Wirtschafts- und der Europäischen Union auf Platz 1. Beide Länder Arbeitsräume entstanden, in denen der gemein- sind wissensbasierte und innovationsgetriebene same Alltag zunehmend das Leben der Menschen Volkswirtschaften, mittelständisch geprägt, export- prägt und Grenzen in den Hintergrund treten. orientiert und mit zahlreichen Weltmarktführern. 16
1. Politischer Austausch Aufgrund der engen Verflechtungen ist der Aus- sowie der deutsch-schweizerischen Grenzregionen Mittwoch, 05. April 2017 Empfang der schweizerischen Delegation tausch zwischen Baden-Württemberg und der auch in Zukunft zu sichern und auszubauen. für die Beziehungen zum Dt. Bundestag Schweiz sehr intensiv und umfasst eine große The- Gruppenbild Delegation: - Joachim Eder (Präsident der Delegation) menvielfalt. Neben bilateralen Kontakten spielen Die Europäische Union fördert die grenzüber- - Ständerat Kanton Zug, FDP - Thomas Hardegger (Vizepräsident) – die erfolgreich etablierten grenzüberschreitenden schreitende Zusammenarbeit mit den INTER- Nationalrat Kanton Zürich, SP - Anita Fetz – Ständerätin Kanton Gremien, wie zum Beispiel Hochrheinkommissi- REG-Programmen, die bereits zum 5. Mal aufge- Basel-Stadt, SP - Dr. Kathy Riklin – Nationalrätin Kanton on und Oberrheinrat, eine wichtige Rolle, da sie legt wurden und bei denen am Oberrhein sowie Zürich, CVP - Hansjörg Walther – Nationalrat Thurgau, einen kontinuierlichen und breiten politischen am Alpenrhein, Bodensee und Hochrhein auch SVP - I. E. Botschafterin Christine Schraner und fachlichen Austausch sowie persönlichen die Schweiz beteiligt ist. Nachdem es dem Land Burgener - Irene Flückiger Sutter – Schweizerische Kontakt ermöglichen und Ausgangspunkt vieler gelungen ist, die auf Baden-Württemberg ent- GK in Stuttgart - Nina Wirth – Außenpolitische Beraterin grenzüberschreitender Aktivitäten sind. fallenden EU-Mittel mehr als zu verdoppeln, sowie bietet sich in der Förderperiode 2014 - 2020 die Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Staatsminister Klaus-Peter Murawski und Diese Zusammenarbeit trägt dazu bei, Hürden Chance, die gute und erfolgreiche grenzüber- Landtagspräsidentin Muhterem Aras im grenzüberschreitenden Leben, Arbeiten und schreitende Zusammenarbeit weiter auszubauen. Wirtschaften abzubauen, Gemeinsamkeiten auf- Dabei sollen gezielt Projekte mit strategischer zubauen und die Grenzregionen im europäischen Bedeutung für die Grenzräume unterstützt und und internationalen Wettbewerb zu positionie- vermehrt Wirtschaftsakteure für eine Beteiligung ren. Breite wie Tiefe der grenzüberschreitenden gewonnen werden. Zusammenarbeit sowie die entwickelten Gover- nance-Formen haben europaweit Modellcharakter Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit am für weitere europäische Grenzregionen. Hochrhein hat, mit ihrer Scharnierfunktion zwi- schen Bodensee und Oberrhein, ein erhebliches Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit schafft Potential und soll mit Hilfe des EU-INTERREG- Im Dialog: MP Winfried Kretschmann mit dem Präsident der Delegation einen Mehrwert für die gesamte Region, die weit Programms ausgebaut werden. Das Land Baden- Joachim Eder über eine bloße Addition der Stärken der ein- Württemberg strebt an, sein Engagement und zelnen Länder und Kantone hinausgeht. Grenz- die Rolle des Regierungspräsidiums Freiburg in überschreitende Synergien mit der Schweiz sollen der Hochrheinkommission weiter zu stärken. Es weiterhin genutzt und vertieft werden, denn sie wäre wünschenswert, den Kanton Zürich noch können gerade in einem globalisierten Umfeld stärker in Projekte einzubinden, mit dem mittel- entscheidend dazu beitragen, die Wettbewerbs- fristigen Ziel, ihn als Vollmitglied der Hochrhein- fähigkeit Baden-Württembergs und der Schweiz kommission zu gewinnen. IV. Bereiche der künftigen Zusammenarbeit mit der Schweiz 17
2. Wirtschaftliche Zusammenarbeit Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Digitalisierung und Industrie 4.0 mittels einer Baden-Württemberg und der Schweiz bietet sehr Plattform am Bodensee grenzüberschreitend vor- gute Chancen. Beide Länder haben sich in der anzubringen. Finanz- und Wirtschaftskrise gut behaupten kön- nen und sind insbesondere in den Grenzregionen Die Digitalisierung kann auch dazu beitragen, das hervorragend aufgestellt, müssen sich aber auch Wirtschaftswachstum weiter vom Ressourcenver- im steigenden globalen Wettbewerb nach der brauch zu entkoppeln, etwa durch neue Geschäfts- Decke strecken. Aufgrund ihrer ähnlichen Wirt- modelle im Bereich der Ressourceneffizienz. schaftsstruktur sowie ihrer engen wirtschaftlichen Der Trend zu einer Ausrichtung der Wirtschaft Verflechtung – auch durch grenzüberschreitende auf mehr Nachhaltigkeit mit seinen Chancen für Wertschöpfungsketten – stehen beide Länder da- Hochtechnologienanbieter aus Baden-Württem- bei vor ähnlichen Herausforderungen. Um Syner- berg und der Schweiz bietet sich auch gerade für gien zu nutzen, sollen der enge wirtschaftspoliti- die deutsch-schweizerischen Grenzgebiete mit sche Austausch fortgeführt, die Kooperation von ihrer landschaftlichen und kulturellen Vielfalt Unternehmen gestärkt und die Vernetzung der an und soll weiter gestärkt werden. So wurden Akteure weiter gestärkt werden, etwa mit erfolg- beispielsweise 2015 kleine und mittlere Unter- reichen Formaten wie dem 2015 erstmalig durch- nehmen für „Nachhaltiges Wirtschaften“ mit dem geführten Wirtschaftskonzil in Konstanz oder in Nachhaltigkeitspreis der Internationalen Boden- der Clusterpolitik. seekonferenz ausgezeichnet. Ein Megatrend für die Unternehmen ist die Digi- Grenzüberschreitende Standorte können sich mit talisierung („Industrie 4.0“). Baden-Württemberg ihrer gebündelten Stärke auch im europäischen mit seinen Kernkompetenzen im Automobil- und internationalen Wettbewerb besser positio- sektor, im Maschinenbau, bei IT und Elektronik nieren, wenn sie gemeinsam als solche auftreten. baut diesen Bereich gezielt weiter aus, um sich in Dies gilt beispielsweise für die Bodenseeregion, wo diesem Zukunftsfeld an der Spitze zu etablieren. eine stärkere Positionierung innerhalb oder auch Es gibt dabei ein hohes Potential für Synergien, mit den Metropolregionen Zürich, München und denn Schweizer Unternehmen sind im Bereich Stuttgart sinnvoll wäre. Auch im Tourismus sowie der Digitalisierung ebenfalls sehr aktiv. Austausch gegenüber der EU in Brüssel oder im Rahmen der und Kooperation hierzu sollen deshalb gestärkt Makrostrategien hat ein gemeinsames Auftreten werden, etwa mit einer Initiative, um das Thema einen großen Mehrwert. 18 IV. Bereiche der künftigen Zusammenarbeit mit der Schweiz
Am Konzernsitz der ZF Friedrichshafen AG ist auch ein Forschungs- und Entwicklungszentrum angesiedelt. Die Zentrale Forschung und Entwicklung unterstützt die operativen Entwicklungsbereiche in den Themengebieten der Antriebs- und Fahrwerktechnik sowie der aktiven und passiven Sicherheitstechnik. Für den wirtschaftlichen Austausch sind ein frei- weniger bürokratische Belastungen und eine er Zugang zu Märkten und Fachkräften sowie vertragskonforme Umsetzung des Freizügigkeits- hinsichtlich der EU-Binnenmarktregelungen ein abkommens ein. Das legitime Ziel, die Befol- möglichst homogener Rechtsrahmen wichtige gung der Vorschriften zu den Mindestlohn- und Rahmenbedingungen. Es besteht ein strategisches Arbeitsschutzbestimmungen auch durch die Interesse der Wirtschaft auf beiden Seiten, dass ausländischen Betriebe sicher zu stellen, könnte Hürden und Handelshemmnisse weiter abgebaut die Schweiz auch durch eine Kontrollstrategie werden, dass die Schweiz die Binnenmarktrege- sicherstellen, die sich stärker auf eine Risiko- lungen der EU möglichst komplett anwendet und bewertung stützt. dass sie einheitlich ausgelegt werden und gleich- wertige Rechtsweggarantien bestehen. Gegenläufige Währungsentwicklungen in der Eurozone und der Schweiz führen zu Verzerrun- Einschränkungen des gegenseitigen Marktzugangs gen in den Grenzregionen. Die Aufwertung des mögen kurzfristig in einzelnen Bereichen der ei- Franken gegenüber dem Euro stellt die Schweizer genen Wirtschaft Vorteile verschaffen, langfristig Exportwirtschaft und den Tourismus vor Heraus- schaden sie aber dem gesamten Wirtschaftsraum. forderungen und führt auf deutscher Seite einer- In den Grenzregionen gibt es beim Marktzugang seits zu Sonderkonjunkturen, andererseits zu einer vor allem Probleme mit den sogenannten flankie- weiteren Steigerung der Gewerbe- und Lebenshal- renden Maßnahmen (Kontrollen der minimalen tungskosten und zu Belastungen der Infrastruktur. Lohn- und Arbeitsbedingungen) zum Frei- Die Landesregierung wird weiterhin im Rahmen zügigkeitsabkommen zwischen der EU und ihrer Möglichkeiten auf Verbesserungen für die der Schweiz, die in den vergangenen Jahren – Grenzregionen hinwirken. So setzte sie sich auf bis auf ein Entgegenkommen in jüngster Zeit Bundesebene für die Einführung einer Bagatell- (Einführung einer Bagatellgrenze) – kontinuierlich grenze für die Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhr- weiter verschärft wurden. Diese Maßnahmen lieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr benachteiligen die deutschen Unternehmen in Höhe von mindestens 50 Euro ein. u. a. durch die Kautionspflicht und umfang- reiche Meldepflichten und haben eine abschre- ckende Wirkung. Die Landesregierung setzt sich, gemeinsam mit den Kammern, weiterhin für einen diskriminierungsfreien Marktzugang, IV. Bereiche der künftigen Zusammenarbeit mit der Schweiz 19
3. Grenzüberschreitende Arbeitsmärkte, Grenzgänger, Fachräte Mit dem Freizügigkeitsabkommen zwischen Da die Arbeitsverwaltung sowie die Gesetz- der EU und der Schweiz wurden die Voraus- gebungskompetenz etwa im Sozialversicherungs- setzungen dafür geschaffen, dass die Menschen oder Steuerrecht beim Bund liegen, bringt sich das in der Grenzregion ohne Einschränkungen im Land vor allem bei Vernetzung, Informationsan- Nachbarland arbeiten können und es haben geboten sowie als „Anwalt der Grenzgänger und sich grenzübergreifende Arbeitsmärkte entwi- Grenzregionen“ gegenüber dem Bund und Brüssel ckelt. Aufgrund des Gefälles bei den Löhnen und ein. Ziel ist die gemeinsame Entwicklung des Fach- den Lebenshaltungskosten pendeln insbesondere kräftepotenzials in und für die Region sowie die Regierungsrat Ernst Stocker und ganz überwiegend deutsche Grenzgängerinnen gemeinsame Positionierung im globalen Wett- Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Grenzgänger von Baden-Württemberg in die bewerb um Fachkräfte. Schweiz zum Arbeiten. Grenzübergreifende Arbeitsmärkte sind ein we- sentlicher Aspekt gemeinsamer Wirtschaftsräume und tragen maßgeblich zur Standortattraktivität der gesamten Grenzregion für Unternehmen und für Arbeitskräfte bei. Baden-Württemberg und die Schweiz profitieren hier beide, auch wenn sie wegen ihres zunehmenden Fachkräftemangels durchaus um Arbeitskräfte konkurrieren. Das deutsch-französisch-schweizerische Netzwerk EURES-T Oberrhein und das Netzwerk Arbeits- markt Bodensee, das eingebunden ist in die Kom- mission Wirtschaft der Internationalen Bodensee- konferenz, unterstützen die Verwirklichung und Transparenz des grenzüberschreitenden Arbeits- marktes. 20 IV. Bereiche der künftigen Zusammenarbeit mit der Schweiz
Der grenzüberschreitende slow-Up Hochrhein verbindet 4. Zivilgesellschaft, Bürgerbeteiligung und gemeinsame Identitäten Grenzüberschreitende Lebens- und Arbeitsräu- gefüllt werden. Auch Kultur, Medien und Sport me können nur mit einer aktiven Beteiligung spielen eine wichtige Rolle, um das gegenseitige der Bürgerinnen und Bürger und lokaler Ak- Verständnis und den Austausch zu fördern. teure entstehen. Ihr Engagement stellt eine ganz wesentliche Chance für das Zusammenwachsen Eine wichtige Zielgruppe sind Jugendliche, deren grenzüberschreitender Regionen dar und trägt we- interkulturelle Kompetenz gefördert und die als sentlich dazu bei, eine gemeinsame Identität unab- die Gestalter und Entscheider von morgen für die hängig von Grenzen zu entwickeln. Dies ist umso grenzüberschreitende Zusammenarbeit gewonnen Eröffnung der Dreipärke-Radtour mit (v.l.) Waldshuts Landrat Dr. Martin Kistler, wichtiger in einem Umfeld, in dem die zunehmen- werden sollen. Präsident des Jurapark Aargau Thomas Vetter, Lörrachs Landrätin und Präsi- de Globalisierung auch Ängste weckt. Zwar sind dentin des Naturparks Südschwarzwald Marion Dammann, Hans-Ruedi Meier, sich Baden-Württemberg und die Schweiz kul- Die Schweiz ist bei der Einbeziehung der Bürger- Präsident des Regionalen Naturparks Schaffhausen turell und sprachlich sehr nah, doch führt gerade innen und Bürger nicht nur ein wichtiger Partner, diese Nähe zum Teil auch dazu, dass Unterschiede sie ist mit ihrer einzigartigen direkten Demokratie besonders deutlich wahrgenommen werden. auch ein Modell, das in vielen Bereichen Vorbild- charakter für Baden-Württemberg hat. Das Land Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit be- arbeitet deshalb zu den Themen Demokratie- zieht deshalb zunehmend die Zivilgesellschaft als entwicklung und Bürgerbeteiligung eng mit der wichtigen Treiber und gleichberechtigte Kraft ein Schweiz zusammen und strebt eine weitere Vertie- und fördert die Vernetzung, auch zwischen den fung dieser Kooperation an. Grenzräumen. Ihre Projekte und Ideen sollen Diskussionen in den Workshop-Gruppen bei der Demokratiekonferenz 2015 in beispielsweise im Rahmen der INTERREG-Pro- Stuttgart gramme gezielt unterstützt werden. So ermöglicht etwa der Förderschwerpunkt 3 des INTERREG- Programms Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein 2014 – 2020 gezielt den Ausbau des grenzüberschrei- tenden bürgerschaftlichen Engagements und die Vernetzung von Maßnahmen der Verwaltung, etwa in den Bereichen Gesundheits- oder Sozialpolitik, Katastrophenschutz, öffentliche Sicherheit, Ret- Deutsch-Schweizer-Demokratiekonferenz 2015, v.l.n.r.: tungswesen oder Einrichtung eines Kleinprojekte- Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Landammann Urs Hofmann, fonds. Dieser Ansatz soll genutzt und mit Leben Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung Gisela Erler, Grossratspräsident Dr. Markus Dieth IV. Bereiche der künftigen Zusammenarbeit mit der Schweiz 21
5. Kooperation in Wissenschaft und Forschung, Wissenstransfer 30 Hochschulen – 4 Länder – Die Schweiz und Baden-Württemberg sind ex- nale Bodenseehochschule). Diese Verbünde ent- 1 Verbund: Die IBH – Internationale Bodenseehochschule – ist der zellente Wissenschafts- und Forschungsstand- wickeln sich kontinuierlich weiter um ihre euro- größte hochschulartenübergreifende Verbund Europas. orte, die untereinander und international stark päische Strahlkraft zu erhöhen. Aktuelle Beispiele vernetzt sind. Ein dichtes Netz an Hochschulen, sind der „Eucor-European Campus“ am Oberrhein außeruniversitären Forschungseinrichtungen und und die „IBH-Labs“ am Bodensee. in der Forschung aktive Unternehmen bildet die Basis für den Technologievorsprung und die not- In Zeiten eines starken globalen Wettbewerbs wendigen hochqualifizierten Arbeitskräfte, mit wird gerade auch der Wissens-, Innovations- und denen Hochlohnländer wie Baden-Württemberg Technologietransfer zwischen Hochschulen, For- und die Schweiz punkten können. In diesem Zu- schungseinrichtungen und Unternehmen, Bildung, sammenhang wird eine verstärkte Vernetzung der Politik und Verwaltung immer wichtiger. Grenz- Landeshochschulen mit den Spitzenhochschulen überschreitende Potentiale am Bodensee, Hoch- der Schweiz angestrebt. rhein und Oberrhein sollen hier vermehrt genutzt Universität Freiburg und der grenzüberschreitende Wissenstransfer Beide Länder investieren kräftig in die Grundlage unterstützt werden, etwa mit einem Innovations- ihres Erfolgs: In Baden-Württemberg werden 4,9 % tag3. des Bruttoinlandsproduktes in Forschung und Ent- wicklung gesteckt (2014). Auch die Schweiz liegt Innovationen entstehen immer häufiger an Schnitt- bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung stellen. Die deutsch-schweizerischen Grenzre- weit vorne, mit 2,96 % im Jahr 2012 vor Deutsch- gionen bringen hier sehr gute Voraussetzungen land (2,88 %). mit: Eine starke Wirtschafts-, Hochschul- und Forschungslandschaft, eine sich ergänzende und In den Grenzregionen Oberrhein und Bodensee gegenseitig befruchtende kulturelle Diversität in Universität Zürich leistet die zunehmende Vernetzung aller Wissen- einem Raum mit einer guten Balance zwischen schaftsakteure einen wichtigen Beitrag zur europa- räumlicher Nähe und Internationalität. In einem weiten und internationalen Positionierung der Umfeld mit disruptiven Entwicklungen, die vor- Standorte. Sichtbar wird dies insbesondere durch wiegend aus den USA zu uns kommen, muss der 3 Die Studie „Die (wirtschaftlichen) Verflechtungen des deutsch- die Säule Wissenschaft der Trinationalen Metropol- Fokus noch mehr darauf gelegt werden, dass aus schweizerischen Grenzraums“ von Scherer et al. aus dem Jahr region Oberrhein, EUCOR (Europäische Kon- Ideen und Technologien Geschäftsmodelle und 2016 kommt zum Ergebnis, dass die Potentiale des grenzüber- föderation der Oberrheinischen Universitäten aus Erfindern Gründer werden. schreitenden Wissenstransfers bislang noch nicht in dem Universitätsverbund) und die IBH (Internatio- Umfang ausgenutzt werden, wie dies grundsätzlich möglich wäre. 22 IV. Bereiche der künftigen Zusammenarbeit mit der Schweiz
6. Bildung Bildung ist für Baden-Württemberg und die Gehört die internationale Mobilität von Studie- Als Interreg A - gefördertes Klein- projekt der Hochrheinkommission Schweiz ein zentrales Thema, denn hier liegt der renden heute bereits weitgehend zur Normalität, gestartet: Die Kinder-Uni Hochrhein Schlüssel zur Sicherung der Wirtschaftsstand- ist sie bei Auszubildenden immer noch keine orte und insbesondere auch der Zukunft der Selbstverständlichkeit. Die Internationalisierung Kinder und Jugendlichen. Neben Schulpartner- der beruflichen Bildung soll daher weiter voran- schaften konzentriert sich die Zusammenarbeit auf gebracht werden und bietet sich insbesondere in Bereiche mit gemeinsamen Herausforderungen den Grenzregionen mit der Schweiz an, da durch und Potentialen. die Gemeinsamkeit des dualen Systems und die gemeinsame Sprache die Hürden vergleichsweise Für die Hochtechnologieländer Baden-Württem- gering sind und sich anschließend gute Karriere- berg und Schweiz spielt die Ausbildung in den chancen bieten. Erfolgreiche Programme für den sog. MINT-Fächern eine besondere Rolle. Grenz- Praktikantenaustausch wie „xchange“ am Boden- überschreitende Synergien sollen deshalb weiter- see werden daher mit einer Ausbilderakademie Mitglieder des Bildungsrats der Hoch- rheinkommission veranstalten einen hin gerade in den Naturwissenschaften und der weiter ausgebaut. grenzüberschreitenden Austausch der Lehrkräfte. Mit dabei die Gewerb- Mathematik intensiv genutzt werden. Dazu gehört lichen Schulen Waldshut und das Berufsbildungszentrum Schaffhausen. beispielsweise das BioValley College Network, ein trinationales deutsch-französisch-schweizerisches Netzwerk mit Fokus auf den Life Sciences oder die trinationalen Schülerkongresse. Ein weiterer Fokus liegt auf der beruflichen Bildung. Die gemeinsame Tradition der dualen Be- rufsausbildung ist für Baden-Württemberg und die Schweiz eine Basis ihres Renommees für Waren und Dienstleistungen auf qualitativ höchstem Niveau und ein Grund für die sehr geringe Jugendarbeitslosigkeit, die beide Länder aus- zeichnet. Grenzüberschreitende Synergien durch den Austausch auf schulischer Ebene, insbeson- dere durch Tagungen für Schulleiterinnen und Schulleiter, sowie die Förderung der Mobilität von Auszubildenden sind Schwerpunkte. IV. Bereiche der künftigen Zusammenarbeit mit der Schweiz 23
7. Verkehrsanbindung Rheinhafen Basel Eine hohe Bedeutung kommt der Verkehrs- Es soll dazu ein grenzüberschreitendes kohärentes anbindung an die Schweiz zu, die Grundlage Konzept für eine nachhaltige Verkehrsentwick- des intensiven wirtschaftlichen Austauschs so- lung im Bodenseeraum mit einem Ausbau des wie des regen grenzüberschreitenden Alltags- grenzüberschreitenden Schienenverkehrs und verkehrs ist. Das Land pflegt dazu einen engen dem Aufbau eines vernetzten und vertakteten Austausch mit Schweizer Partnern, der mit S-Bahnsystems entwickelt und schrittweise umge- einer jährlichen gemeinsamen Verkehrstagung setzt werden. mit dem Kanton Zürich weiter ausgebaut wurde. Dieses Format hat sich bewährt und Beide Länder sind wegen ihrer zentralen Lage in könnte weiterentwickelt werden. Europa stark mit Transitverkehr belastet. Wegen der an seine Kapazitätsgrenze kommenden Stra- Wichtige Treiber der grenzüberschreitenden Ver- ßeninfrastruktur, die nicht beliebig erweiterbar ist, kehrszusammenarbeit sind die EU-Strategie für den und der Belastungen für Mensch und Umwelt, ist Alpenraum sowie die EU-Förderprogramme IN- es ein gemeinsames Ziel der Schweiz und Baden- TERREG V A Oberrhein und Alpenrhein-Boden- Württembergs, den Gütertransport in größtmögli- see-Hochrhein. Die EU-Verkehrspolitik wird chem Umfang auf die Schiene und Binnenschiff- durch regionale grenzüberschreitende Strategi- fahrt zu verlagern. en konkretisiert und ergänzt, wie das verkehrs- politische Leitbild für den Oberrhein ab 2015. Die Rheintalbahn ist als Teil der wichtigsten Nord- Auch für andere Grenzregionen könnte ein sol- Süd-Magistrale Rotterdam-Genua eine „Haupt- ches Leitbild zielführend sein. schlagader“ des europäischen Güterverkehrs. Als Ein Schwerpunkt der Zusammenarbeit liegt auf Zulaufstrecke zur Schweizer Neuen Eisenbahn- der weiteren Verbesserung, dem Ausbau und der transversale (NEAT) soll sie einen großen Teil der Bekanntmachung der grenzüberschreitenden Ver- weiter zunehmenden alpenquerenden Verkehrs- kehrsnetze und -angebote sowie der Entwicklung ströme auf die Schiene verlagern. Für das Land des multimodalen Verkehrs, um eine zunehmende Baden-Württemberg hat der zügige Aus- und Verlagerung der Verkehrsströme von der Straße auf Neubau der Rheintalbahn mit einer nachhaltigen umweltschonendere Verkehrsträger zu erreichen. Planung, die Rücksicht auf Mensch und Umwelt Die Schweiz ist dabei für Baden-Württemberg bei- nimmt, eine besondere Priorität. spielgebend bei der Stärkung umweltfreundlicher Verkehrsträger. 24 IV. Bereiche der künftigen Zusammenarbeit mit der Schweiz
Im grenzüberschreitenden Verkehr bestehen weitere gemeinsame Projekte bei der Elektrifizie- rung der Hochrheinbahn und der Südbahn, beim Ausbau der Gäubahn, im grenzüberschreitenden Schienenpersonennahverkehr sowie im Auto- bahn- und Bundesstraßenbau (A98, B 34 und 317). Eine enge Zusammenarbeit erfolgt zum Radver- kehr, insbesondere mit dem Bau einer Fahrrad- und Fußgängerbrücke bei Rheinfelden, sowie in der Binnenschifffahrt auf Rhein und Bodensee. Ein wichtiges Thema für die Grenzregion ist der Fluglärm, der vom Flughafen Zürich ausgeht. Im langjährigen Streit setzt sich das Land auf der Grundlage der „Stuttgarter Erklärung“ beim für die An- und Abflüge über deutsches Gebiet zuständi- gen Bund und im Austausch mit den Schweizer Ansprechpartnern für eine einvernehmliche und nachhaltige Lösung ein, die den Belangen der Bevölkerunggerecht wird. Tragfähige Lösungen müssen die Menschen in der Region einbinden und im Ergebnis Verbesserungen bei der Lärm- belastung in Südbaden und eine Reduzierung der links oben: Autobahn bei Zürich, rechts oben: Bahnhof SBB Basel Flugbewegungen über deutschem Gebiet durch rechts Mitte: Schifffahrt auf dem Bodensee rechts unten: Flughafen Zürich eine gerechtere Verteilung bringen. Der vorlie- gende Staatsvertrag kann deshalb nach Ansicht der Landesregierung in der vorliegenden Fassung vom Bund nicht ratifiziert und das vorgelegte Ostanflugskonzept des Flughafens Zürich vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung nicht ge- nehmigt werden. IV. Bereiche der künftigen Zusammenarbeit mit der Schweiz 25
8. Energie, Klima, Umwelt Der Rhein bei Laufenburg Ein besonderes Potential besteht in einem Aus- solch wichtiger Maßnahmen ist eine frühzeitige bau der Zusammenarbeit in den Bereichen Information der Öffentlichkeit notwendig. Energie und Klimaschutz. Mit dem deutschen Atomausstieg und der Schweizer „Energiestra- Bei der Stromversorgungssicherheit ist eine wei- tegie 2050“ sowie der drängenden Notwendig- terhin enge Zusammenarbeit beim grenzüber- keit, den Klimawandel zumindest zu begrenzen schreitenden Stromhandel und beim Netzausbau und sich an ihn anzupassen, sind erhebliche notwendig. Eine Intensivierung des Stromaus- Veränderungen und Anpassungen erforderlich. tauschs stärkt die Versorgungssicherheit, die sich Deutschland und die Schweiz können sich dabei in Deutschland und der Schweiz auf einem sehr ergänzen, denn der Schweiz könnte im Kontext hohen Niveau befindet. Da das derzeit niedrige Neues Holzkraftwerk der EBL einer europaweiten Energiewende neben der Strompreisniveau auch energiewirtschaftlich sinn- (Genossenschaft Elektra Baselland) in Pratteln Bedeutung als Transitland auch eine Rolle als volle Pumpspeicher, die einen Beitrag zur Integ- Energiespeicher zukommen. ration der erneuerbaren Energien leisten können, in wirtschaftliche Bedrängnis bringt, sollte bei der Trotz teilweise unterschiedlicher Ausgangslage Gestaltung eines zukunftsfähigen Strommarkt- und nationaler Energie- und Klimastrategien be- designs die Zusammenarbeit gestärkt werden. stehen wichtige gemeinsame Ziele: Treibhaus- gasemissionen müssen reduziert, erneuerbare Mit der Energiewende und der Abschaltung von Energien ausgebaut, Energie eingespart und die Kernkraftwerken bietet eine verstärkte Zusam- Energieeffizienz gesteigert werden. Die Bewälti- menarbeit zu Fragen des Rückbaus Chancen. Dazu gung des Wandels setzt gezielte Forschung, Inno- wurde ein grenzüberschreitendes Netzwerk zum vationen und technologische Entwicklung voraus. Rückbau kerntechnischer Anlagen am Oberrhein Gemeinsame Initiativen dazu umfassen beispiels- initiiert, mit dem das Know-How gebündelt und weise das trinationale Netzwerk für Energie und vernetzt werden soll. Klima TRION oder die Begleitung der Ent- stehung nachhaltiger Low-Tech-Gebäude. Da die Schweizer „Energiestrategie 2050“ anders als die deutsche Energiewende keinen Ausstieg Für die Erdgasversorgungssicherheit in der Schweiz aus der Kernenergienutzung zu einem bestimm- und in Europa hat das Projekt der Reversierung ten Zeitpunkt vorsieht, setzt sich das Land für ein der Trans-Europa-Naturgas-Pipeline (TENP) eine rascheres Abschalten der in unmittelbarer Grenz- hohe Bedeutung. Zur Erhöhung der Akzeptanz nähe liegenden Kernkraftwerke Beznau, Leibstadt und Gösgen ein. 26 IV. Bereiche der künftigen Zusammenarbeit mit der Schweiz
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