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Mieten + Wohnen   Nr. 5, Oktober 2021               www.mieterverband.ch

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                                         Wohnschutz für alle
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Editorial                                              Inhaltsverzeichnis

Liebe Leser*innen                                      Aktuell Grosser Erfolg für
                                                        die Berliner Mietenden        3
                                                       Kommentar Keine Klimapolitik
                                                        ohne Sozialpolitik            4
                                                       Basel Ein Ja für einen echten
                                                        Wohnschutz                    5
Vor etwas mehr als drei Jahren berichtete mein
Vorgänger Ralph Hug an dieser Stelle über das
                                                       Zürich Das Schweigen
sensationelle Ergebnis der Abstimmungen in              der Immobilienfirmen          9
Basel. Gleich vier Vorlagen für mehr Schutz der
Mietenden waren angenommen worden. Beson-              Klimaschutz Beim Sanieren die
ders erfreulich: das Ja zur «Wohnschutzinitiative»,
die unter anderem eine Bewilligungspflicht und
                                                        Mietenden nicht vergessen    13
Mietzinskontrollen nach Sanierungen forderte.          Haushalt Die Reparierbarkeit
    Ende November nun müssen die Basler
Stimmberechtigten erneut über eine Wohn-                von Handys im Test           16
schutzinitiative abstimmen. Was ist geschehen?
M+W hat mit Beat Leuthardt gesprochen, dem
                                                       Verlosung Gewinnen Sie
Co-Geschäftsführer des MV Basel, und ihn                einen Züri-Krimi             17
gefragt, warum es nach drei Jahren noch einmal
ein Ja zu mehr Wohnschutz braucht.                     Miettipp Muss ich die
    Wie schon diejenige von 2018 will auch die ak-
tuelle Basler Wohnschutzinitiative Sanierungen
                                                        Vermieterin reinlassen?      18
verhindern, die nur zum Zweck der Renditemaxi-         Hotline Muss ich an die
mierung gemacht werden. Solche Sanierungen
haben in den letzten Jahren stark zugenommen,           Schlichtungsverhandlung?     21
nicht nur in Basel: Sämtlichen Mietenden wird
gekündigt, dann wird leicht saniert und schliess-
lich werden die Wohnungen zu viel höheren
Mietzinsen wieder vermietet. Meistens wechselt
dabei ein Grossteil der Mieterschaft, denn die
bisherigen Mietenden können sich die Miet-
zinsen nur selten noch leisten.
    Keine Frage, der Mieterinnen- und Mieter­
verband unterstützt Massnahmen zum Schutz              Herausgeber                                 Druck
                                                       Mieterinnen- und Mieterverband              Stämpfli AG, Bern
des Klimas und insbesondere energetische Sanie-        Deutschschweiz                              Beglaubigte Auflage
rungen, von denen nicht zuletzt die Mietenden                                                      127 679 Exemplare
                                                       Redaktion                                   Erscheinen
(z. B. in Form von tieferen Nebenkosten) profi-        Andrea Bauer                                6-mal pro Jahr
tieren. Gleichzeitig braucht es aber flankierende      m+w@mieterverband.ch                        Abonnementspreis
Massnahmen zum Schutz der Mietenden, wie               www.mietenundwohnen.ch                      Fr. 40.–/Jahr
                                                       Administration und ­Adressverwaltung        Inserate und Beilagen
sie die Basler Initiative fordert. Auch der MV         Mieterinnen- und Mieterverband              Katanja Schwander
Schweiz hat Forderungen zum Schutz der Mie-            Deutschschweiz                              katanja.schwander@mieterverband.ch
tenden vor Renditesanierungen aufgestellt,             Bäckerstrasse 52, 8004 Zürich               T 043 243 40 40
                                                       T 043 243 40 40
nachzulesen sind sie in unserem Text «Sanieren         info@mieterverband.ch
zugunsten der Mietenden» auf Seite 14.                 www.mieterverband.ch
                                                       Mitarbeit
                                                       Walter Angst, Esther Banz, Ernst Feurer,
   Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre!                Urs Geiser, Fabian Gloor, Stefan Hart-
   Andrea Bauer                                        mann, Natalie Imboden, Beat Leuthardt,
                                                       Patric Sandri, Henriette Schaffter, Carlo
                                                       Sommaruga
                                                       Gestaltungskonzept
                                                       Hubertus Design GmbH, Zürich                www.facebook.com/Mieterverband
                                                       Layout
                                                       Atelier Bläuer, Joel Kaiser, Bern
                                                       Titelbild
                                                       Juri Junkov                                 Gedruckt in der Schweiz

Mieten + Wohnen                  Nr. 5, Oktober 2021                                                                                    2
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Aktuell                                  Text von Andrea Bauer

                                                               Starkes Votum gegen
                                                                    Wohnkonzerne

Die Annahme der Initiative «Deutsche Wohnen &
Co. enteignen» ist ein starkes Zeichen gegen die
Renditeoptimierung der Wohnkonzerne. Auch wenn
ihre Forderung vermutlich nie umgesetzt wird.
Ein Angestellter der Berliner S-Bahn unterschreibt die Initiative.

                                                                                     Foto: Ian Clotworthy

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Als am 26. September alle Augen auf den Ausgang der Bundes-        Kommentar
tagswahlen gerichtet waren, ereignete sich in Berlin eine kleine
Sensation: Eine Mehrheit von fast 60 Prozent der Stimmbe-
rechtigten sagte Ja zur Initiative «Deutsche Wohnen & Co. ent-
                                                                   Bravo MV Zürich!
eignen». Das Bemerkenswerte an diesem Resultat ist, dass die
angenommene Initiative nicht weniger verlangt als die Verge-
sellschaftung von Immobilien, die im Besitz von Unternehmen
mit mehr als 3000 Mietwohnungen sind. Die Konzerne sollen
gegen Entschädigung enteignet und die Immobilien in eine
Anstalt öffentlichen Rechts überführt werden.
    Der Berliner Mieterverein deutete das Votum in einer
Medienmitteilung als «Zeichen für eine soziale Wohnungs­
politik, die nicht nur die Interessen von Investoren bedient,      Ziel einer Politik für die Mietenden ist
sondern sich einer leistbaren Wohnraumversorgung und               einerseits, deren Lebensqualität zu
dem Schutz aller Mieter und Mieterinnen verpflichtet sieht».       erhalten und zu verbessern. Dazu gehört
                                                                   die Unterstützung des Klimaschutzes.
   Wird es tatsächlich zu Enteignungen kommen?                     Anderseits geht es aber ganz konkret
    Ob es in Berlin aber jemals zu einer Enteignung der grossen    darum, die sozialen und wirtschaftlichen
Wohnkonzerne kommen wird, ist fraglich. Denn angenommen            Interessen der Mietenden zu verteidigen
wurde nicht ein konkreter Gesetzesvorschlag, sondern ein           und sich gegen Kündigungen und Miet­
sogenannter Beschlussentwurf. Und der ist für die Berliner         erhöhungen einzusetzen. Denn die
Regierung nicht bindend.                                           Fakten zeigen, dass ohne einen beson-
    Noch ist nicht definitiv entschieden, wer die Hauptstadt       deren rechtlichen Schutz bei Renova-
künftig regieren wird. Es sieht aber danach aus, als würde die     tions- oder Sanierungsarbeiten die Zahl
Koalition aus Rot-Grün-Rot weitergeführt, wobei die Wahl­          der ungerechtfertigten Kündigungen und
siegerin SPD mit Franziska Giffey die Bürgermeisterin stellen      Mieterhöhungen zunimmt.
wird. Giffey liess bereits während der Wahlkampagne keine              Natürlich, das galt schon, bevor über
Zweifel daran, dass sie eine Enteignung der Immobilienkon-         das nationale CO2-Gesetz abgestimmt
zerne als nicht zielführend ansieht. Die Grünen unterstützten      wurde oder über kantonale Energie­
die Initiative zwar grundsätzlich, bezeichneten die Enteig-        gesetze. Wenn aber neue Gesetze zu mehr
nungen jedoch als «letztes Mittel», die Linke dagegen beteiligte   Sanierungen führen und die Gefahr von
sich an der Unterschriftensammlung und macht sich für die          Missbräuchen vonseiten der Vermieter-
Umsetzung der Enteignungen stark.                                  schaft erhöhen, müssen sie gleichzeitig
    Einen ersten Hinweis, worauf sich die Parteien einigen         Bestimmungen zum Schutz der Mie-
könnten, liefert das Sondierungspapier, das sie im Hinblick auf    tenden enthalten. So sollte etwa die Ge-
die Koalitionsverhandlungen veröffentlichten. Darin ist festge-    nehmigung zur Sanierung eines Ge-
halten, dass sich die Regierung für bezahlbare Mieten im Be-       bäudes an die Verpflichtung geknüpft
stand sowie einen konsequenten Schutz der Mietenden ein-           werden, die Mietenden danach zu den-
setzen und 200 000 neue Wohnungen bis 2030 bauen will. Der         selben Bedingungen wieder unterzu-
Teil zum Volksentscheid dagegen ist etwas weniger klar: Die        bringen. Fehlt dieser Schutz der Mie-
Parteien einigten sich vorläufig darauf, «eine Expertenkommis-     tenden, kann der MV ein Gesetz nicht
sion zur Prüfung der Möglichkeiten, Wege und Vorausset-            unterstützen. Der MV Schweiz hat sich
zungen der Umsetzung des Volksbegehrens» einsetzen zu              bei der Abstimmung über das CO2-
wollen.                                                            Gesetz denn auch der Stimme enthalten.
                                                                   Und es ist richtig, dass der MV Zürich
   Das Treiben geht munter weiter                                  jetzt das Gleiche beim kantonalen Ener-
    Derweil geht das Treiben der Immobilienkonzerne munter         giegesetz tut. Es geht dabei um die Ver-
weiter. Noch am Abstimmungsabend gab der schwedische               pflichtung, die der MV gegenüber den
Immobilienkonzern Heimstaden bekannt, vom ebenfalls                Mieter*innen hat. Es darf keine Klima­
schwedischen Konkurrenten Akelius fast 29 000 Wohnungen in         politik ohne Sozialpolitik geben.
Skandinavien und Deutschland im Wert von 9,1 Milliarden Euro                                 Carlo Sommaruga,
zu übernehmen, rund die Häfte davon in Berlin. Die Berliner                              Präsident MV Schweiz
Deutsche Wohnen, nach der die Initiative benannt ist, wurde
ihrerseits keine zwei Wochen nach der Abstimmung vom
Bochumer Konzern Vonovia übernommen. Dadurch entsteht
der mit Abstand grösste börsenkotierte Wohnungskonzern
in Europa mit rund 550 000 Wohnungen im Wert von mehr als
80 Milliarden Euro, der grösste Teil davon in Deutschland.

Mieten + Wohnen                     Nr. 5, Oktober 2021                                                     4
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Basel                                 Text von Esther Banz

                                                                             Foto: MV Basel
Die Basler Reding-Hochhäuser: Nur eine von vielen Rendite-Sanierungen.

                              Schluss mit
                          Rendite-Sanierungen
                                in Basel

Mieten + Wohnen                       Nr. 5, Oktober 2021                5
Seite 5-8 Sie wollen einen Wohnschutz für alle - Mieterverband
Basel verankerte 2018 den Wohnschutz in der
Verfassung. Das entsprechende Gesetz wurde aber
stark verwässert. Beat Leuthardt erzählt, warum
es jetzt noch einmal ein Ja an der Urne braucht.

An einem funkelnd sonnigen Herbsttag          der Totalsanierung in eine provisorische
steht Beat Leuthardt auf dem gepfläs-         Wohnung umziehen und nach etwas
terten Platz vor dem Basler Münster und       mehr als einem Jahr mit moderaten Miet-
fasst für die Anwesenden noch einmal          aufschlägen zurückkehren. Sie erfreuen
zusammen, weshalb es das Ja zur neuer­        sich guter Gesundheit. Aus Dankbarkeit
lichen Wohnschutz-Initiative braucht:         gegenüber dem Basler Mieterinnen- und
«Mit dem Bschiss-Gesetz, wie es die           Mieterverband, aus Solidarität mit an-
Regierung jetzt ausgearbeitet hat,            deren Mieter*innen und nicht zuletzt aus
kommen die Rendite-Sanierer durch –           Sorge um die Stadt engagieren sie sich
mit unserem nicht!» Zwanzig vorwiegend        auch für die aktuelle Wohnschutzinitia-
ältere Menschen hören ihm zu, Leuthardt
hat sie persönlich angefragt, ob sie bei
                                              tive, die den Co-Geschäftsleiter des MV
                                              Basel in diesen Wochen auf Trab hält.
                                                                                         Das Basler
einem Fototermin auf dem Münsterplatz                                                    Wohnschutzgesetz
mitmachen – sie werden danach über                    Initiative verwässert
mehrere Wochen in der ganzen Stadt auf          Wenn es nach ihm ginge, müsste           September 2013
Abstimmungsplakaten zu sehen sein.          Beat Leuthardt nicht schon wieder mobi-      Die Initiative «Bezahlbares und sicheres
                                            lisieren. 2018 sorgte der Mieterinnen-       Wohnen für alle!» des MV Basel wird an der
                                                                                         Urne abgelehnt. Angenommen wird hinge-
    Aus Solidarität und Sorge um die Stadt  und Mieterverband Basel zusammen
                                                                                         gen der investorenfreundliche Gegenvor-
    Manche von ihnen kennt man in Basel mit einem breiten Bündnis, dem auch              schlag der Regierung, der den Abbruch-
schon, die mittlerweile 96-jährige Mar-     bürgerliche Senior*innen-Organisa­           schutz im Wohnraumfördergesetz schwächt.
grit Benninger etwa oder Eliette Pillonel   tionen angehörten, im Stadtkanton für
(84): Beide sollten einfach auf die Strasse eine Sensation: Mit 61 Prozent sagten die    Juni 2018
gestellt werden – notabene von ihrer        Stimmberechtigten Ja zum Wohnschutz-         Die als Folge der Abstimmung von 2013
                                                                                         lancierte Wohnschutz-Initiative wird von
eigenen Pensionskasse, jener des basel-     gesetz, das den Schutz vor Rendite-Kün-
                                                                                         den Stimmberechtigten mit über 60 Prozent
städtischen Staatspersonals. Margrit Ben- digungen als Grundrecht in der Verfas-         Ja angenommen.
ninger war zu diesem Zeitpunkt genau        sung verankert und dadurch einklagbar
90 Jahre alt – «und wissen Sie was?», wird macht.                                        Sommer 2020
sie nach dem geduldigen Posieren sagen:         Aber die Freude war von kurzer Dauer:    Der MV Basel bringt mit Verbündeten in
«Man bekam ursprünglich ja nur eine         Nicht nur wusste die Immobilien-Lobby        Rekordzeit das Referendum gegen den
Wohnung in dem Haus an der Mülhauser­­- die Umsetzung des Wohnschutz-                    verwässerten Gesetzesvorschlag der Regie-
                                                                                         rung zur Umsetzung der Wohnschutz-
strasse 26, wenn man beim Staat arbei-      Gesetzes zu verzögern, Regierung             Initiative zustande. Gleichzeitig sammelt
tete.» Als Polizist wie Eliette Pillonels   und Parlament verwässerten den Mass­         die Allianz Unterschriften für die Initiative
Mann oder als Jugendsozialarbeiter wie      nahmen-katalog dermassen, dass der           «Ja zum echten Wohnschutz!».
der Mann von Margrit Benninger. Heute Co- Geschäfts­leiter des MV Basel bald
sind sie aus Solidarität da – nach erfolg­  nur noch vom «Bschissgesetz» sprach.         November 2020
reichem Widerstand, den sie auch auf        Das Referendum dagegen scheiterte zwar       Das Referendum wird in der Stadt Basel ge-
                                                                                         wonnen, scheitert aber wegen des Resultats
der Strasse führten: Es gab 2016 unter      wegen weniger als 60 Stimmen knapp;
                                                                                         der Gemeinde Riehen mit 56 Stimmen
anderem eine Petition, und Margrit          aber der MV Basel hatte bereits die          Unterschied. Das regierungsrätliche Gesetz
Benninger zog am 21. Januar 2017 mit        Durchsetzungsinitiative «Ja zum echten       wird am 1. Januar 2022 in Kraft treten.
91 Jahren zum ersten Mal in ihrem Leben Wohnschutz» lanciert. Am 28. November
als Demonstrantin durch die Stadt.          kommt sie nun zur Abstimmung.                November 2021
Schliesslich konnten die beiden Frauen          Im Anschluss an den Fototermin           Die Initiative «Ja zum echten Wohnschutz!»
und eine weitere ältere Mieterin – nach     nimmt sich Beat Leuthardt alle Zeit der      kommt zur Abstimmung.
harzigen und langwierigen Verhand-          Welt für die Teilnehmenden. Und gibt         www.wohnschutz-ja.ch
lungen des MV Basel – während der Zeit M+W Auskunft.                                     www.ja-zum-echten-wohnschutz.ch

Mieten + Wohnen                 Nr. 5, Oktober 2021                                                                                      6
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Foto: František Matouš
Beat Leuthardt instruiert die Anwesenden für den Fototermin.

M+W: Was Margrit Benninger und Eliette                  Die Skrupellosigkeit einzelner Speku-   Trotzdem sieht man in Basel schon wieder
Pillonel erlebt haben, ist unerhört: Dass           lanten – auf unseren Spekulationslisten     Plakate und Flugblätter des Mieterver­
eine Pensionskasse – und erst noch die              fanden sich ausschliesslich Männer-         bandes. «Lasst euch nicht verseggle!» ist
des staatlichen Personals (PKBS) – ren­             namen – wurde tatsächlich längst abge-      darauf zu lesen, am 28. November wird
ditesaniert und dabei alle Mieter*innen             löst von einer Art«institutionalisierter    über eine neuerliche Wohnschutz-Initiative
rauswirft, sogar die eigenen Versicherten           Rücksichtslosigkeit». Negativzinsen und     abgestimmt. Was ist passiert?
im hohen Alter. Was hat das mit Basel               zunehmender Anlagedruck auf dem Fi-            Wider Erwarten ignorierte die Regie-
zu tun?                                             nanzmarkt haben die Moral zunehmend         rung den Volksentscheid erst einmal. Sie
    Beat Leuthardt: Ich könnte jetzt von            beiseite geschoben und bedrohen die         wollte die Kantonsverfassung erst um-
einem «Sonderfall Basel» sprechen oder              Lebensverhältnisse immer grösserer Teile    setzen, nachdem ein entsprechendes Ge-
so, Tatsache ist aber: Das kann allen               des Mittelstands. Das Wohnschicksal der     setz ausgearbeitet sein würde. Der MV
passieren, überall, jederzeit. Es hängt             Menschen hängt zunehmend von ein-           Basel legte noch im selben Herbst ein
aber auch an den verantwortlichen Per-              samen Investitionsentscheiden aus dem       Schattengesetz vor und …
sonen: Wir kennen andere Pensions-                  fernen Zürich oder dem noch ferneren
kassen, die ebenso unter Anlagedruck                Schweden oder sogar aus Übersee ab.         Moment, was ist mit «Schattengesetz»
stehen wie die PKBS, im Unterschied                                                             gemeint?
dazu aber ihre Renditen nicht rück-                 Nun haben die Mietenden in Basel nach           Wir merkten sehr schnell, dass die
sichtslos maximieren, sondern bei ihren             Annahme von gleich zwei Verfassungs­        Behörden nicht daran interessiert waren,
Entscheiden das soziale Umfeld und                  initiativen im Jahr 2018 aber eigentlich    inhaltlich im Sinne des Volksanliegens
die Sozialpflichtigkeit des Kapitals                den schweizweit stärksten Schutz            vorwärts zu machen. Deshalb formu-
mitbedenken.                                        vor Rendite-Kündigungen und auch            lierten wir intern einen Gesetzesentwurf,
                                                    vor Wuchermieten.                           der alles enthält, was vonseiten der Mie-
Institutionelle Anleger bedrohen aber er­               Ja, wir haben seit dem 10. Juni 2018    tenden erforderlich wäre. Zum Beispiel
wiesenermassen die Wohnsicherheit immer             als einziger Kanton der Deutschschweiz      ein Vorkaufsrecht wie in anderen Kan-
grössere Teile der Bevölkerung, besonders           auch das Recht auf Wohnen explizit als      tonen oder auch die Enteignung von leer-
in den Städten.                                     Grundrecht in der Verfassung verankert.     stehendem Wohnraum. Den Wortlaut

Mieten + Wohnen                       Nr. 5, Oktober 2021                                                                                7
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dieses Schattengesetzes haben wir aber          Mietparteien von sich aus in irgendeine          Nein, gar nicht. Unsere neue Wohn-
nie veröffentlicht oder in den politischen      schlechte Alternative flüchten. Deren        schutz-Initiative ist ein allseits tauglicher
Prozess eingebracht.                            Wohnungen werden dadurch frei für            Kompromiss. Der bei Annahme aber end-
                                                die schamlose Maximierung der Neu-           lich wieder Ruhe auf den Wohnungs-
Trotzdem hat es Wirkung gezeigt?                mieten nach der – nicht selten sinnlosen     markt bringt und den renditeorientierten
   Ja, wir verheimlichten natürlich nicht,      – Sanierung.                                 Grossinvestoren wie Credit Suisse, Zurich
dass wir das in der Hinterhand haben.                                                        Anlagestiftung, UBS Fonds und auch
Es zeigte den erwünschten Effekt:               Eure Allianz hat im Sommer 2020 in           ihren Mitläufern die Hände bindet.
Die Behörden spürten den Druck und              Rekordzeit die Unterschriften gegen das
mussten zumindest zeitlich vorwärts             «Bschissgesetz» zusammenbekommen.            Was unterscheidet es denn so deutlich vom
machen. So brachten sie ein halbes Jahr         Warum habt ihr damals gleichzeitig auch      «Bschissgesetz»?
später bereits ein Gesetz – das war eine        noch für eine weitere Wohnschutz-Initia­         Das Regierungsgesetz ist ein Fehl-
sehr reife Leistung der «Stadtentwick-           tive Unterschriften gesammelt –jene,        konstrukt mit mindestens sieben gravie-
lung» als zuständiges Amt.                       die jetzt zur Abstimmung kommt?             renden Schlupflöchern. Und es schützt
                                                     Wir wollten nicht nur das gefährliche   praktisch niemanden von den Hunderten
Und inhaltlich?                                  Regierungsgesetz beseitigen, sondern        Basler Sanierungsbetroffenen, weil kaum
    … war der Vorschlag der Kommission           auch konstruktiv eine bessere Lösung        dreissig Prozent aller Mieten überhaupt
zwar meilenweit entfernt von Forde-              präsentieren. Das Referendum war daher      fallen in den Geltungsbereich des Ge-
rungen wie jener nach Nutzung leer­              zwar Pflicht, aber eher eine Wegmarke –     setzes fallen.
stehenden Wohnraums, aber als Kompro-            sozusagen die erste Halbzeit der Partie.
miss auch ganz okay. Dann aber musste            Tatsächlich gewannen wir am 29. Novem-      Bei Annahme dürften die Mietenden
der Gesetzesvorschlag sieben Mal durch          ­ber 2020 das Referendum in der Stadt,       anderer Städte etwas neidisch nach Basel
die Wochensitzungen der Regierung und            nicht aber in der Gemeinde Riehen – nur     schauen …
wurde jedes Mal weiter verwässert.               56 Stimmen Unterschied liessen es schei-        Ja, Stadt und Kanton sind hier fast
Darum wurde das Gesetz letztendlich              tern. Das regierungsrätliche Bschiss-       gleich gross; es fehlt das von Wohnungs-
derart lückenhaft und unbrauchbar, auch          respektive Pfuschgesetz tritt deshalb am    und Mietzinsnot tendenziell weniger
was den juristischen Aufbau und die              1. Januar 2022 in Kraft.                    betroffene Hinterland und damit auch
Struktur angeht. Dennoch kam es Ende                                                         eine gewisse ländliche «Sperrminorität».
2018 so ins Parlament, wo es von bürger­        Kommt die aktuelle Wohnschutzinitiative      Das ist in allen anderen Kantonen der
licher Seite dann noch weiter verwässert        durch …                                      Deutschschweiz anders.
wurde.                                             … muss sie sechs Monate später in
                                                Kraft treten, also am 28. Mai 2022. Dann Die Immo-Lobby bemüht gerne Genf als
Ihr nennt es seither «Bschissgesetz» …          würde das Elend der Direktbetroffenen    Negativbeispiel. Ebenfalls ein Stadtkanton,
    Wahlweise auch «Pfuschgesetz» oder          auf dem Basler Wohnungsmarkt endlich     hat Genf bereits seit 1961 ein griffiges Ge­
«Fake-Gesetz». Es ist ein gefährliches          enden.                                   setz zum Schutz der Mieter*innen. Es
Gesetz geworden, das die Investoren                                                      werde dort aber wenig umgezogen, wenig
dankbar entgegennahmen, weil es ihnen           Würde die Wohnschutzinitiative das       saniert, wenig neu gebaut und entspre­
einen Persilschein ausstellt, ohne dass         «Bschissgesetz» obsolet machen?          chend würden die Häuser verlottern, wird
sie deswegen ihr bürgerfeindliches Ge-              Ja genau. Das Gesetz, wie es die     behauptet. Das dürfte auch in der aktu­
baren stoppen müssten. Sie passten und          Wohnschutzinitiative vorschlägt, basiert ellen Abstimmungskampagne in Basel
passen ihre Kapitalstrategien rasch an.         inhaltlich auf dem Entwurf der liberalen Thema sein …
Einige haben erkannt, dass Imageschäden         Mehrheit der grossrätlichen Kommission,      Selbstverständlich. Tatsächlich hält
aufgrund von Massenkündigungen wie              der damals von der investorenfreund­     die Angstmacherei einem seriösen Fak-
jener der Credit Suisse am Schorenweg           lichen bürgerlichen Mehrheit im Rat      tencheck aber nicht stand. Ironischer-
vermieden werden können, wenn den               knapp abgelehnt worden war. Es ist ein   weise bestätigt ausgerechnet die Pen­
langjährigen Mietparteien eine schwere          blosses Missbrauchsbekämpfungsgesetz     sionskasse Basel-Stadt, dass Genf heute
Sanierung mit anschliessenden massiven          – sozusagen ein Gesetz, das von den      ein guter Ort ist für Investitionen in
Aufschlägen mit genügend zeitlichem             Investoren Verantwortung fordert.        Immobilien: Letztes Jahr kaufte sie dort
Vorlauf angekündigt wird. Dadurch ent-                                                   ein Portfolio von sieben Mehrfamilien-
steht aber ganz viel Verzweiflung – und         Es ist also nicht das taktische          hausarealen im Wert von 500 Millionen
das führt schliesslich auch dazu, dass          Schattengesetz?                          Franken.

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Zürich            Text von Esther Banz

           Das Schweigen
           der Eigentümer

                                         Illustration: Patric Sandri

Mieten + Wohnen   Nr. 5, Oktober 2021          9
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Soziale Nachhaltigkeit bei Bauprojekten
würde auch bedeuten, die Mietenden
früh­zeitig und offen zu informieren und sie
einzubeziehen. Wie es tatsächlich läuft –
drei Schauplätze.

Der Architekt Kai Vonburg* wohnt in                Es ist offensichtlich, dass die grösste    um uns zu erkundigen: null Information.»
einer Mietwohnung im Zürcher Kreis 6.           Pensionskasse im Land nicht daran inter-      Als die Kündigung dann endlich eintraf,
Er staunt nicht schlecht, als er im Büro        essiert ist, die bisherigen Mietenden an      war der Schock gross: «Nur sechs Monate
eines Kunden plötzlich erkennt, was da          dieser Adresse zu behalten. Für Walter        gaben sie uns Zeit, in Zürich eine bezahl-
für Pläne an der Wand hängen. Sie sind          Angst vom Mieterinnen- und Mieterver-         bare Wohnung zu finden. Einer meiner
Teil eines Studienauftrags und zeigen           band Zürich sind das Vorgehen und die         Nachbarn war ein alter Mann, ein Urge-
einen Neubau genau dort, wo er selber           ausbleibende Kommunikation unver-             stein im Haus.» Gubler fügt noch an: «Die
wohnt. Der Planungsprozess ist also             ständlich: «In Erneuerungsprozessen           Kündigung kam in der Pandemiezeit.»
schon fortgeschritten. Von offizieller          muss das oberste Ziel sein, dass die beste-   Zum Glück arbeite er bei der Stadt und
Seite weiss der erstaunte Familienvater zu      henden Mietenden bleiben können –             nicht beim Kanton, «sonst wäre es meine
diesem Zeitpunkt aber noch nichts: Die          noch besser ist, wenn sie in die Planung      eigene Pensionskasse gewesen, die mich
Besitzerin – es ist die Pensionskasse           einbezogen werden.» Und unabhängig            rausgeworfen hätte.» Auch das gibt
des öffentlichen Personals des Kantons          davon, ob gekündigt werde oder nicht,         es immer öfter. Im zweiten Wohnhaus
Zürich (BVK) – hat die Mieter*innen             «müssen die Mietenden von Anfang an           an der Huttenstrasse, das die BVK
bis dahin nicht informiert.                     umfassend informiert werden».                 «entmietet» hat (so bezeichnet die
                                                   Die BVK bleibt aber maximal intrans-       Im­mo­branche die Vertreibung ganzer
   BVK schweigt und macht Probebohrung          parent, auch M+W gegenüber. Der Kom-          Bewohner*innenschaften aus ihren
    Inzwischen sind mehrere Monate              munikationsverantwortliche Christian          Wohnungen und Siedlungen), bietet sie
vergangen – und Vonburgs wie auch alle          Brütsch schreibt auf Anfrage, man werde,      derzeit auf ihrer Webseite eine renovierte
andern im Haus wurden von offizieller                                                         5,5-Zimmer-Wohnung an: 5500 Franken
Seite noch immer nicht über den ge-                                                           will sie dafür monatlich.
planten Abriss ihres Hauses informiert.                 Die BVK schweigt und
Zusam­men mit dem Architekten verlieren                 nimmt in Kauf, dass Gerüchte             Nichts Neues in Uster
voraus­sichtlich auch mehrere ältere bis                kursieren.                                Was oben beschrieben ist, wird mehr
sehr alte Menschen ihr Zuhause. Für sie                                                       und mehr zur Realität in Zürich und
wird es besonders schwierig werden, eine                                                      anderen Gemeinden im Kanton, auch
neue Wohnung zu finden. Und in Zürich           «sollte es zu Veränderungen kommen (…)        kleineren. In Uster ist eine ganze Siedlung
auf die Schnelle eine Alterswohnung zu er-      in erster Linie direkt mit der Mieterschaft   betroffen, M+W berichtete (Ausgabe
halten, ist ebenfalls illusorisch. Die BVK      kommunizieren». Diese Aussage macht           3/21): Vier Mehrfamilienhäuser mit total
hätte die Mieter*innen schon längst über        er mehrere Monate nachdem Kai Von-            70 Wohnungen sollen abgerissen und
ihre Pläne informieren können, stattdessen      burg die Pläne für den Ersatzneubau bei       ersetzt werden. Besitzerin ist die Immo-
schweigt sie und nimmt in Kauf, dass Ge-        seinem Kunden entdeckte.                      biliengesellschaft Turintra AG, die zum
rüchte kursieren. Im Garten liess sie eine                                                    UBS-Immobilienfonds SIMA gehört. Die
Probe­bohrung durchführen, frei werdende                Kein Einzelfall bei der BVK           Verwaltung ist an Livit ausgelagert. Den
Wohnungen werden seit einer Weile nur              Das ist kein BVK-Einzelfall, ganz in       Mieter*innen gegenüber verschwieg man,
noch befristet vermietet, auch wurde            der Nähe gibt es ein weiteres aktuelles       was geplant ist. Erst im Kündigungs-
schon lange nicht mehr renoviert – all dies     Beispiel: An der Huttenstrasse werden         schreiben erfuhren sie vom bereits weit
sind Anzeichen dafür, dass ein Haus um-         zwei Mehrfamilienhäuser aus dem BVK-          fortgeschrittenen Ersatzneubauprojekt.
fassend saniert oder abgerissen wird. Nicht     Besitz saniert, die Bewohner*innen            Es wurde ihnen eine «Mieterspezialbe-
zu wissen, ob und wie lange man noch ge-        ausgewechselt. «Die BVK hat uns ihre          treuung» angeboten und die Möglichkeit,
duldet ist, kann enorm belastend sein, ge-      Pläne nicht angekündigt», sagt Dan            in einem der Neubauten, die in zwei
rade für die älteren Menschen, das zeigen       Gubler*, ein ehemaliger langjähriger          Etappen erstellt werden, eine neue Woh-
Studien. Die BVK kümmert das nicht.             Mieter, «und auch wenn wir anriefen,          nung zu beziehen. Aber all ihre Fragen –

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zu Grundrissen, Mietzinsen oder Bezugs-         tenden und schlechte Presse) über die        Alter etwa oder wenigstens nach früh­
datum – liefen ins Leere. Im Namen der          Bühne zu bringen. Kürzlich widmete sich      zeitiger Information.
Mieter*innen wandte sich die Ustermer           die Immobilienbranche wieder einmal
Stadtpräsidentin persönlich an den Tur­         gemeinsam diesem Thema: Das Swiss               Gegen die eigenen Versicherten
intra-Verwaltungsratspräsidenten Daniel         Real Estate Institute lud Ende September         Forderungen, denen erst recht eine
Brüllmann, der für die Leerkündigungen          zur Tagung «Vom Problem- zum Trend-         BVK mit ihrem zur Hälfte aus Arbeitneh-
verantwortlich ist. Fünf Monate später:                                                     menden-Vertreter*innen zusammen­
noch immer keine Reaktion. An einer                                                         gesetzten Stiftungsrat von sich aus nach-
Neubau-Wohnung interessierte Mie-                   Als Hypothek werden nebst               kommen müsste. Tatsächlich hat sie sich
ter*innen hätten in der Zwischenzeit von            Nicht-Schweizer*innen auch              «Zehn Grundsätze für verantwortungs­
der Verwaltung ungefähre Angaben zu                 ältere Menschen gesehen.                bewusste Anlagen» gegeben. Mit dem
Preisen und Wohnungsgrössen erhalten,                                                       neunten Grundsatz will sie sich hinsicht-
aber keine Angebote, sagt Mieter Michel                                                     lich Anlagen und Kommunikation von
Dennler: «Das einzige Schriftliche, was         quartier». Hauptthema war die soziale       Massnahmen «schweizweit als Referenz-
wir je erhielten, war die Kündigung.»           Durchmischung in grösseren Stadtrand-       kasse» positionieren. Fragt man aber nach
                                                Siedlungen. Nur diese (und nicht etwa       ihren definierten Nachhaltigkeitszielen
                                                die Villen-Monokulturen) sieht man als      und dem Raster, «an dem sich die soziale
   «Das einzige Schriftliche,                   potenziell zu wenig durchmischt und         Nachhaltigkeit orientiert», kommt von
   was wir je erhielten, war die                problematisch an. Wegen der «Konzen­        den Kommunikationsverantwortlichen
   Kündigung.»                                  tration bestimmter Kulturen» und über-      auch bei mehrmaligem Nachhaken
                                                haupt wegen eines hohen Ausländeran-        nur Ausweichendes: Man sei gerade
                                                teils (das halte Schweizer*innen davon      daran, die Webseite neu zu gestalten.
Eine vorsorgliche, noch bevor das Bau­          ab, sich für eine Wohnung zu bewerben).     Das ist eine dürftige Performance für ein
gesuch eingereicht war, und mit nicht           Ein Programmpunkt lautete entspre-          Unternehmen, das mit Mieter*innen
mehr als einem Jahr Frist: Ein schlankes        chend: «Wie gelingt der Turnaround für      grosse Rendite erzielt.
«Entmieten» sollte es werden.                   neue Zielgruppen?» Als Hypothek werden           Die BVK befolgt nach eigenen
   Man erwarte die Baugenehmigung               in der Turnaround-Logik nebst Nicht-        Angaben die UNO-Prinzipien für ver­
nun per Ende 2021, sagt ein UBS-Spre-           Schweizer*innen explizit auch ältere        antwortungsbewusstes Investieren. Nicht
cher, erst nach anschliessenden Bereini-        Menschen gesehen, weil sie sich «wegen      bekannt ist ihr, dass die Schweiz 1992 das
gungen könne man die Mieter*innen               Kinderlärm gegen Familien als Neumieter UNO-Abkommen über das «Recht auf
informieren. Der Neubau erfolge in zwei         wehren».                                    angemessenes Wohnen» unterzeichnet
Etappen, «aus ebendiesem Grund, dass                Hier kommt Joëlle Zimmerli ins Spiel. hat. Es soll Menschen vor Vertreibung
der Mieterschaft ein Verbleib innerhalb         Die Soziologin, die mit der Immobilien-     schützen – in Diktaturen, in Ländern mit
der Überbauung ermöglicht werden                wirtschaft verbunden ist, erzählt den Teil- Krieg und solchen ohne funktionierenden
kann», so der Sprecher. Einbezogen oder         nehmenden, wie ein Erneuerungs­prozess Rechtsstaat. Aber zunehmend ist das
wenigstens transparent informiert               sozialverträglich vonstatten gehen soll –   auch in Ländern wie der Schweiz nötig,
werden die interessierten Mieter*innen          dabei geht es auch stark um Kommuni­        wo riesige Kapitalvermögen für immer
aber nicht, und ihnen läuft die Zeit            kation, den Zeitpunkt, wann Kündi-          mehr Ungleichheit und Ungerechtigkeit
davon, gerade die älteren und Familien          gungen ausgesprochen werden. Zimmerli sorgen. Davon betroffen sind auch die
mit Kindern im schulpflichtigen Alter           wies in der Tagung auf die Bedeutung        Versicherten der BVK: Lehrpersonen,
müssten schon längst vorwärts machen,           einer frühen Kommunikation hin, unter- Pflegepersonal, Sozialarbeitende und
planen können. Für die mangelnde                stützt von einer Vertreterin von Pro        viele weitere, die im öffentlichen Dienst
Transparenz macht der Sprecher das              Senectute. Die Soziologin habe Möglich- arbeiten – denn als Mieter*innen sind sie
Mietrecht verantwortlich. Ausgerechnet.         keiten aufgezeigt, sich aber nicht posi­    auf bezahlbare Wohnungen in der Stadt
Wer daran interessiert ist, dass gewach-        tioniert, sagt Eveline Kunz, die in Winter- und im Kanton angewiesen.
sene und für die Gesellschaft so wertvolle      thur die MV-Geschäftsstelle leitet.
nachbarschaftliche Strukturen erhalten          Überhaupt, dieser «Turnaround für neue        * Namen geändert. Die richtigen Namen sind
                                                                                                der Redaktion bekannt.
bleiben, dass die Menschen, die Teil            Zielgruppen», diese Verdrängung,
davon sind, bleiben können, tut sein            die viele Betroffene als gewaltvoll und
Bestes, um das zu ermöglichen. Das ist          entwürdigend erleben: Sie sei von nie-
soziale Nach­haltigkeit.                        mandem hinterfragt, sondern als normale
                                                Notwendigkeit und Entwicklung voraus-
   «Turnaround für neue Zielgruppen»            gesetzt worden, als göttliche Ordnung
   Aber wer von «Entmieten» spricht,            sozusagen. «Es fehlt an der Idee und Vor-
verrät selbst, dass es ihm nicht um Nach-       stellung, dass man zum Schutz besonders
haltigkeit geht. Sondern darum, das             vulnerabler Betroffener auch Forde-
Verdrängungsprozedere möglichst                 rungen stellen kann», sagt Eveline Kunz.
reibungslos (ohne Widerstand der Mie-           Forderungen nach Wohn­sicherheit im

Mieten + Wohnen                   Nr. 5, Oktober 2021                                                                                 11
Mail an die Redaktion

«Aufgeben ist nicht ihr Ding»                      Ich bin jeder Menge Vorurteile be-                dass niemand dort ist, einem die Woh-
von Isabel Plana, M+W 4/21                     gegnet: Rentner haben nicht genügend                  nung zu zeigen … Oder man traut einem
                                               Geld, wollen keine Kinder um sich haben               nicht zu, dass man kundig genug ist, eine
Da meine 4½-Zimmer-Wohnung (nach               (junge Familien: Im Gegenteil, ich hüte               Wohnung im Rohbau zu mieten.
Familienphase) viel zu gross für mich war,     deren Kinder gerne), werden krank und                      Und manche waren unzumutbare
wollte ich mich «verkleinern».                 gebrechlich, ziehen ins Heim, sind allein             «Rattenlöcher», mit schimmligem Unter-
    Habe gestandene 14 Monate gesucht          nicht in der Lage, einen Haushalt zu                  grund im Küchenboden, weil seit Mona-
(Finanzen und Betreibungsauszug ein-           führen und für sich zu sorgen.                        ­ten das Wasser tropfte … Zum Glück
wandfrei!), bevor ich vor zwei Jahren              Und dann sterben sie, und es gibt                  habe ich nicht bei der UBS in Wiedikon
einen Zuschlag erhielt, mit dem ich sehr       gleich schon wieder einen (für die Ver­                (hinter Migros) gemietet, sonst müsste
zufrieden und glücklich bin. Alles vor-        waltung teuren!) Mieterwechsel.                        ich jetzt schon wieder ausziehen, weil der
handen, was man so braucht: ÖV gut er-             Keine Ahnung, woher diese An-                      ganze Block abgerissen und durch einen
reichbar (da ohne Auto), ebenerdig zu-         nahmen alle kommen: Ich bin zwar (im                   Neubau ersetzt wird, was einem selbst-
gänglicher Lift (Zukunft!). Und sogar          landläufigen Sinne) alt, aber noch lange               verständlich nicht gesagt wurde ... Oder
Waschturm im Bad. Das alles für einen          nicht pflegebedürftig oder gaga.                       die Wohnung war nur über steile Treppen
annehmbaren Preis (Livit).                         Kann nicht sagen, wie viele Woh-                   zu erreichen, oder zum Ersticken verwin-
    Insbesondere der Lift gab zu reden         nungen ich überhaupt besichtigt habe:                  kelt, oder nur schwierig mit ÖV zu er­
am Telefon: «Dann gehen Sie doch in ein        So geschätzte 70. Angeboten wurde mir                  reichen oder …
Alters- und Pflegeheim, wenn Sie das           vieles inkl. spiegelglattem Laminatboden,                  Dies nur mal so als Erfahrungsbericht,
brauchen» fand ich eine ziemliche              auf dem man so herrlich ausrutschen                    was einem alles begegnen kann.
Unverschämtheit, da ich gut zu Fuss            und sich ernsthaft verletzen kann, liegt                   Habs aber jetzt gut getroffen: s. oben.
und auch ansonsten ziemlich vital bin für      nur ein Wassertropfen darauf.
meine (damals) 72 Jahre (bin es immer              Und manchmal fährt man durch die                    Freundliche Grüsse
noch).                                         ganze Stadt, nur um herauszufinden,                     Ch. E. M. Schweizer

     Anschluss                                                                                   Schimmel?
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                                                                                              Jetzt Gutschein einlösen im www.datenlogger.shop

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Mieten + Wohnen                  Nr. 5, Oktober 2021                                                                                             12
Sanierungen                         Text von Henriette Schaffter

                                                                                  Foto: Fluxif (Gerry Nitsch) / Das Gebäudeprogramm
Energetische Sanierung eines Gebäudes nach Minergie-Standard.

                        Sanieren zugunsten
                        der Mietenden
                        In energetischen Sanierungen von Gebäuden steckt
                        ein grosses Potenzial, sie müssen darum stärker
                        gefördert werden. Dabei dürfen die Mietenden nicht
                        vergessen gehen.

Mieten + Wohnen                     Nr. 5, Oktober 2021                      13
Über 40 Prozent des gesamten Energie-
verbrauchs und rund ein Drittel der
                                                 bringen energetische Sanierungen viele
                                                 Vorteile. Eine Modernisierung ist für
                                                                                                   Mieter*innen
klimaschädlichen CO2-Emissionen fallen           die Mietenden eindeutig die bessere               schützen
gemäss Bundesamt für Energie (BFE)               Lösung als ein Abriss und Neubau, der zu
hierzulande im Gebäudebereich an. Mehr           wesentlich höheren Mieten führen kann.            Nach Sanierungen steigen Mieten oft über das
                                                                                                   mietrechtlich zulässige Mass hinaus an, oder
als eine Million Häuser sind energe-             Ausserdem steigt, wie bereits erwähnt,
                                                                                                   die Mietverträge werden gekündigt und die
tisch dringend sanierungsbedürftig: Viele        der Komfort für die Mietenden nach                Wohnungen zu einem viel zu hohen Preis wei-
davon sind nicht oder kaum gedämmt               einer energetischen Sanierung. Die ent-           tervermietet. Damit sich Sanierungen nicht
und können nicht mit erneuerbaren Ener-          scheidende Frage ist allerdings, wer für          unverhältnismässig stark auf die Mietenden
gien geheizt werden. Sanierungen, die            die Kosten der Sanierung aufkommen                auswirken, müssen damit zusammenhängende
den Energieverbrauch verringern, müssen          soll. Im Interview gibt Philippe Thal-            Mieterhöhungen strenger geregelt werden.
zwar meist von der Vermieterschaft               mann, Leiter des Lehrstuhls für Städte-
                                                                                                   Senkung des Überwälzungssatzes
beschlossen werden. In gewissen Fällen           und Umweltökonomie an der ETH Lau-                Bei grösseren Modernisierungen zur Verbesse-
können die Mietenden aber auch mitreden          sanne, einige Anregungen dazu.                    rung der Energieeffizienz muss der Anteil, der
und in der Regel profitieren sie von den                                                           auf die Mieten überwälzt werden darf – der-
Mass­nahmen.                                             Einfamilienhäuser sanieren reicht nicht   zeit liegt er bei 50 – 70 % –, gesenkt werden.
                                               In der Schweiz leben fast 60 Prozent                Gemäss einer Studie liegt der Satz, der der tat-
   Grosses Potenzial                        der Bevölkerung in Mietwohnungen.                      sächlichen Wertschöpfung entspricht, deut-
                                                                                                   lich tiefer.
    Das Potenzial zur Senkung des Ener-     Dieser Anteil zeigt, wie wichtig Liegen-
gieverbrauchs im Gebäudesektor ist be-      schaften mit Mietwohnungen für das                     Kontrolle der Mietzinserhöhungen
trächtlich. Wenn Heizung und Fenster        Erreichen der energie- und klimapoliti-                Bei einer Auszahlung von Fördergeldern muss
ausgetauscht und die Aussendämmung          schen Ziele sind. Vermutlich liegt es                  die nach der Sanierung erfolgte Mietzins­
verbessert werden, sind Einsparungen von an einem Mangel an Informationen über                     erhöhung von amtlicher Seite kontrolliert
bis zu 60 Prozent möglich. Eine zusätz-     Subventionen und die Vorteile einer                    werden.
liche Dämmung der Fassade senkt den         Modernisierung, dass nicht mehr Eigen-
                                                                                                   Keine Kündigungen nach Sanierungen
Energieverbrauch um weitere 10 bis 20       tümer*innen ihre Liegenschaften                        Wer von Fördergeldern für energetische Sanie-
Prozent, insbesondere bei Gebäuden, die sanieren.                                                  rungen profitiert, soll keine Kündigungen
vor 1975 gebaut wurden und deren Wär-          Um Aufklärungsarbeit zu leisten,                    aussprechen dürfen. So kann verhindert wer-
medämmung im Allgemeinen schlecht ist. haben die Bundesämter für Energie                           den, dass die Vermieterschaft doppelt profi-
Von einer Isolierung profitieren die Mie-   respektive Wohnungswesen die beiden                    tiert, indem sie einerseits Fördergelder erhält
tenden während der Wintermonate, weil       Online-Ratgeber «Renovabene» und                       und anderseits die Mietzinsen bei der Neu­
                                                                                                   vermietung erhöht.
sie den Energieverlust verringert, aber     «Locabene» lanciert. Sie sollen Vermie-
auch an heissen Tagen, da eine gute Isolie- ter*innen respektive Mieter*innen vor,                 Sanieren statt abreissen
rung die Hitze draussen hält.               während und nach energetischen Sanie-                  Liegenschaften sollen wenn immer möglich
    Gemäss der Energiestrategie des         rungen mit Informationen und konkreten                 saniert statt abgerissen und durch einen
Bundes soll der Verbrauch des Schweizer Beispielen unterstützen und den Dialog                     Neubau ersetzt werden. Dies ermöglicht den
Gebäudebestands bis 2050 um fast die        zwischen den beiden Seiten fördern.                    Mietenden, in ihren Wohnungen zu bleiben,
                                                                                                   erhält zahlbaren Wohnraum und wirkt der
Hälfte reduziert werden. Technisch ist
                                                                                                   Verdrängung entgegen.
dies machbar, viele Vermieter*innen
zögern jedoch zu investieren, und die
Mietenden haben berechtigte Angst vor
Mietzinserhöhungen.

   Sanierung statt Abriss und Neubau
   Laut Andrea Streit, Gebäudespezialist
beim Bundesamt für Energie (BFE),

Mieten + Wohnen                    Nr. 5, Oktober 2021                                                                                           14
«Man könnte eine schlechte
                    Energieeffizienz zum Mangel
                      am Mietobjekt erklären»

Es brauche neue Ideen, um                                         blem bei Finanzhilfen wiederum ist, dass sie auch von Eigen­
                                                                  tümern in Anspruch genommen werden, die sie nicht brauchen,
Vermieter*innen zu Sanierungen                                    sodass schliesslich weniger für diejenigen übrig bleibt, die sie
                                                                  tatsächlich nötig haben.
zu bewegen, sagt der Lausanner
Wirtschaftsprofessor Philippe                                     Welche Rolle kommt der Vermieterschaft zu?
                                                                      Letztendlich ist sie es, die über Sanierungen entscheidet.
Thalmann.                                                         Manche sind aus ideellen Gründen dafür. Die meisten aber
                                                                  renovieren nur, wenn sie einen finanziellen Nutzen darin sehen.
                                                                  Gemäss Mietrecht haben sie fast keinen, da sie nur die Kosten
                   EPFL

                                                                  für die wertsteigernden Arbeiten auf den Mietzins überwälzen
                          Philippe Thalmann ist Professor für     können. Wenn sie es versäumt haben, die Senkungen des
                          Wirtschaft und Leiter des Lehrstuhls    Referenzzinssatzes weiterzugeben, laufen sie Gefahr, die Miete
                          für Städte- und Umweltökonomie          im Falle einer Anfechtung durch die Mieterschaft sogar nach
                          an der Ecole Polytechnique Fédérale     unten korrigieren zu müssen. Im Allgemeinen ist eine Sanierung
                          in Lausanne (EPFL)
                                                                  für alle Beteiligten mit viel Aufwand und Risiko verbunden,
                                                                  ohne dass ein Gewinn in Aussicht steht. Es ist schwierig, diese
                                                                  Hürde zu überwinden.

M+W: Herr Thalmann, welches ist der beste Weg, um energetische    Wie viel Spielraum haben die Mietenden? Haben sie irgendeinen
Sanierungen zu fördern?                                           Einfluss, tragen sie sogar Verantwortung für Sanierungen?
    Philippe Thalmann: Es muss sowohl Druck als auch Unter-           Solange eine schlechte Gesamtenergieeffizienz nicht als
stützung für die Sanierungen geben. Die Hilfe ist da, vor allem   Mangel am Mietobjekt anerkannt wird, besteht die einzige
durch das Gebäudeprogramm des Bundes. Es fehlt der Druck.         Möglichkeit für die Mietenden, ihre Unzufriedenheit zu äus-
Für Eigenheimbesitzer*innen mag der Druck der CO2-Abgabe,         sern, im Auszug. Andernfalls bleibt nur, die Wohnung richtig zu
die das Heizöl verteuert, ausreichen. Die Vermieter*innen aber,   lüften und die Temperatur zu senken, um Heizkosten zu sparen.
die die Abgabe auf die Heizkosten ihrer Mieterschaft abwälzen     Das ist bis zu einem gewissen Grad wünschenswert, reicht
können, wird sie nicht bewegen. In diesem Fall müssen neue        aber natürlich nicht.
Druckmittel gefunden werden. Zum Beispiel ein Äquivalent
zum Abgastest bei Autos: Man könnte Gebäude regelmässig           Gibt es interessante Beispiele aus dem Ausland, die die Schweiz
inspizieren und bei denjenigen, die die Normen für die Gesamt-    übernehmen könnte?
energieeffizienz nicht erfüllen, die Besitzer*innen zur Sanie-       Im Rahmen eines Forschungsprojekts an der EPFL sind wir
rung verpflichten. Oder man könnte eine schlechte Energie­        derzeit auf der Suche nach solchen Beispielen. Ein oft zitiertes
effizienz, die zu hohen Heizkosten für die Mietenden führt, als   Beispiel ist das niederländische Modell «Energiesprong»,
Mangel am Mietobjekt erklären, sodass die Miete bis zur           bei dem die Kosten für die Wärmedämmung so weit gesenkt
Behebung des Mangels ein­behalten werden kann.                    werden, dass vernünftige Eigentümer*innen sie nicht mehr
                                                                  ablehnen können.
Welche Rolle spielt die öffentliche Hand bei der Sanierung
von Gebäuden?                                                     Gibt es in der Schweiz bereits Verfahren, die es ermöglichen, ener­
   Sie kann Druck ausüben und finanzielle und technische          getische Sanierungen auch an Mietshäusern durchzuführen?
Hilfe anbieten. Diese beiden Instrumente müssen aber sehr vor-        Das Energie-Contracting ist eine solche Lösung: Eine
sichtig eingesetzt werden, da bestimmte Einschränkungen das       externe Firma finanziert dabei die energetische Sanierung
Gegenteil von dem bewirken können, was beabsichtigt war.          gegen Zahlung einer Heizkostenpauschale nach der Sanierung;
So kann etwa die Verpflichtung zu energetischen Sanierungen,      sie kümmert sich um alles und übernimmt alle Risiken.
sobald ein Eigentümer Unterhaltsarbeiten vornimmt, diesen
davon abhalten, überhaupt Arbeiten durchzuführen. Das Pro-           Interview: Henriette Schaffter

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Haushalt                         Text von Stefan Hartmann, Topten

Welche Handys lassen sich
am besten reparieren?
Topten hat unzählige Handys                                     besser die Reparaturfähigkeit. Dieser Reparatur-Index lässt sich
                                                                auch in der Schweiz anwenden, da die Hersteller die gleichen
auf ihre Reparierbarkeit unter-                                 Smartphones in ganz Europa und damit auch hierzulande
sucht und präsentiert eine Liste                                anbieten. Topten listet jetzt – erstmals in der Schweiz – hier
                                                                erhältliche Handymodelle (Android, Apple iOS) auf, die einen
mit den 27 besten.                                              Wert von 6 und mehr aufweisen.

In Schweizer Haushalten sind 10,8 Millionen Handys im               Der Reparatur-Index
Umlauf. Das sind 1,3 Geräte pro Person. Viele davon ver-           Die Beurteilung der Reparierbarkeit basiert dabei auf fünf
stauben in einer Schublade, weil sie nicht mehr richtig funk-   Kategorien:
tionieren. Und das oft schon nach zwei bis drei Jahren. Das     1. Dokumentation von Reparaturanleitungen
ist eine riesige Verschwendung der wertvollen Ressourcen,       2. Zerlegbarkeit des Geräts (verschraubte Teile etwa erhalten
die in jedem einzelnen dieser Geräte stecken.                      eine bessere Bewertung als geklebte)
    In unserer unmittelbaren Nachbarschaft hat man dies         3. Verfügbarkeit von Ersatzteilen
bereits erkannt: Frankreich kennt seit Januar 2021 ein Rating   4. Preis der Ersatzteile, Produktspezifisches (z. B. Verfügbarkeit
für die Reparaturfähigkeit von Smartphones, die auf einer          von Software-Updates)
Skala von 1 bis 10 beurteilt werden. Je höher der Wert, desto   5. Hilfestellung auf der Webseite, Hotline etc.

                                                                                                                                     Foto: Dreamstime

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«Ziel des Reparatur-Index ist es, Hersteller dazu zu bewegen,
ihre Geräte kundenorientierter zu gestalten», sagt Steffen Hepp    Gewinnen
                                                                   Sie ein Buch!
von Topten, der unabhängigen Internet-Plattform. Ist ein
Handy zum Beispiel gut zerlegbar, kann man es bei einem
Defekt in einen Repair-Shop zur Reparatur bringen. Oder man
repariert selber, sofern man ein geschicktes Händchen hat.
                                                                   In Kooperation mit dem Verlag
   Schwachstellen vieler Handys                                    Kein & Aber verlosen wir drei
   Zu den häufigsten Problemen bei Handys zählen, dass a)
keine Sicherheits- oder Funktionsupdates mehr vom Hersteller       Exemplare des neu erschienenen
angeboten werden, b) die Handys aus irgendwelchen Gründen          Züri-Krimis «Ein kaltes Herz. Sarah
nicht mehr richtig funktionieren, c) das Display einen Schaden     Contis erster Fall» von Fabio Lanz.
hat, oder d) der Speicherplatz nicht mehr ausreicht.
   Topten hat unzählige Geräte gesichtet und 27 der besten         Schreiben Sie uns bis zum 22. November ein
Geräte (mit Werten ab 6 auf einer Skala von 1 bis 10) auf der      Mail mit dem Betreff «Buchverlosung» an:
Webseite topten.ch/smartphones aufgeführt. Dort erfährt man        verlosung@mieterverband.ch
auch, welche Eigenschaften sie haben, wo man sie erhält und
was sie kosten.

   FairPhone 3+ an der Spitze
   Das Beste der insgesamt 27 gekürten Handy-Modelle weist
einen Wert von 8,7 Punkten auf. Dabei handelt es sich um das
FairPhone 3+. Auch die neusten Geräte von Samsung, etwa das
Samsung Galaxy S21 und das Galaxy Z Fold3, erfüllen die Krite-
rien. Gut schneidet auch die brandneue Smartphone-Genera-
tion von Apple ab, das iPhone 13. Wer Wert auf Kameraqualität
und einen schnellen Prozessor legt, ist mit diesen Modellen
gut beraten.

   Gesamtbeurteilung von «Stiftung Warentest»
    Eine umfassendere Beurteilung von Handys hat vor kurzem          Fabio Lanz: Ein kaltes Herz. Sarah Contis erster Fall
die deutsche «Stiftung Warentest» vorgelegt. Sie gibt den            Hardcover, 380 Seiten, CHF 26.–
Marken OnePlus, Apple und Huawei die beste Gesamtbeurtei-
lung. Berücksichtigt wurden die Grundfunktionen eines Tele-        Sarah Conti ist Spezialistin für besondere Mord-
fons: Kamera, Display, Akku, Handhabung und Stabilität.            fälle und die Beste auf ihrem Gebiet. Doch als
Der Aspekt der Reparierbarkeit steht im deutschen Rating nicht     die Ermittlerin in einer stürmischen Oktober-
im Fokus. Bei den besten aktuellen Smartphones 2021 liegen         nacht ins gediegene Zürcher Seefeld gerufen
die drei Spitzenmodelle von Apple, Samsung und Sony ge-            wird, findet sie eine Leiche vor, wie sie noch
meinsam auf dem ersten Platz. Sie erreichen alle das Urteil «gut   keine gesehen hat: Dem Opfer wurde das Herz
(1,7)» und überzeugen mit einer tollen Kamera, viel Leistung       herausgerissen. Als stadtbekannter Anwalt des
und scharfen Displays. «Der grosse Handy-Vergleich» auf der        Zürcher Establishments hatte sich das Opfer
Website der «Stiftung Warentest»: www.test.de                      nicht nur Freunde gemacht – doch wer hatte ihn
                                                                   derart gehasst? Wo eben noch das Licht des
   «Das gleiche Gerät kaufen wie die Freunde»                      Wohlstands und der Dekadenz zu glänzen
    Beim Kauf sollte man laut Steffen Hepp auf folgende Punkte     schien, enthüllen die Ermittlungen nach und
achten: «Wählt man Geräte mit guter Reparierbarkeit, hat man       nach ein düsteres Netzwerk aus Gewalt, Lügen
im Zweifel länger etwas davon. Statt sie bei Defekten weg-         und gefährlichem Gedankengut, in das der Tote
werfen zu müssen, lassen sie sich in Repair-Shops zu angemes-      bis zum Hals verstrickt war. Für Sarah Conti
senen Preisen reparieren.» Das Smartphone sollte 5G-fähig sein,    und ihr Team beginnt ein steiniger Ermitt-
rät Steffen Hepp. Der Nachfolger des Mobilfunkstandards 4G         lungsweg, denn neben der besseren Gesellschaft
sei mittlerweile grossflächig verfügbar und biete bis zu doppelt   tritt auch eine geheimnisvolle Bruderschaft
so hohe Surfgeschwindigkeiten. Und als weiteren guten Tipp         auf den Plan, die ihre Machenschaften um jeden
gibt der Topten-Mann auf den Weg: «Häufig ist man gut be-          Preis verborgen wissen will.
raten, auf ein Gerät mit gleichem Betriebssystem wie der Fami-
lien- oder Freundeskreis zu setzen.» So kann man sich gegen-       Fabio Lanz, geboren in Zürich, durchlief eine
seitig bei Fragen oder Problemen austauschen und beraten.          Karriere in diversen Tätigkeiten, bevor er das
                                                                   Schreiben entdeckte. Dabei entwickelte sich sein
                                                                   Blick für das Schöne und das Böse. Fabio Lanz
                                                                   lebt in Zürich und in der Provence.
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Miettipp          Text von Fabian Gloor

                              Wenn die
                             Vermieterin
                               klingelt

                                                Illustration: Patric Sandri

Mieten + Wohnen   Nr. 5, Oktober 2021      18
Die Vermieterin steht unerwartet vor der Tür –
                     sie möchte nur rasch die Wohnung besichtigen.
                     Müssen Sie sie reinlassen?

Es ist Samstagmorgen. Alfred Hugi steht                 Besichtigung zwecks Unterhalts      führen. Erstere muss eine Besichtigung
grad unter der Dusche, als es an der                Die Besichtigung zwecks Unterhalts      allerdings nur dulden, wenn das Miet­
Tür klingelt. Hugi duscht weiter, die           der Wohnung setzt keinen effektiven         verhältnis bereits gekündigt ist oder das
Klingel schrillt ein zweites Mal. Sichtlich     Schaden voraus, sondern kann auch peri-     Ende eines befristeten Mietverhältnisses
genervt und nur spärlich mit einem              odisch durchgeführt werden. Gudrun          kurz bevorsteht. Eine Besichtigung durch
Handtuch bedeckt, stolpert er zur Woh-          Nötzli kann also beispielsweise regel-      die Vermieterschaft mit einer potenzi-
nungstür. Vor der Tür steht Gudrun              mässig vorbeischauen, um die Wände auf      ellen Käuferschaft ist zulässig, sofern
Nötzli, seine Vermieterin. Sie sei gerade       Feuchtigkeitsschäden hin zu überprüfen.     auf der Basis konkreter Verkaufsabsichten
in der Gegend gewesen und wolle nur             Allerdings darf sie diese Kontrollbesuche   bereits ernsthafte Verhandlungen im
rasch die Thermo­staten an den Radia-           nur in grösseren Zeitabständen – heisst:    Gang sind.
toren kontrollieren, erklärt sie. Und fügt      mit einem Abstand von ein bis zwei              Könnte Nötzli von Hugi verlangen,
an: Als Vermieterin habe sie das Recht,         Jahren – durchführen. Die Besuche           dass er seine Wohnung vor einer Besichti-
«ihre Wohnung» jederzeit zu besichtigen.        dürfen nicht schikanös sein und müssen      gung schön herrichtet und reinigt? – Auf
Hat sie das?                                    zu einer angemessenen Uhrzeit statt-        keinen Fall. Verunstaltet und verschmutzt
    Nein. Als Mieter hat Hugi nämlich           finden. Nicht zulässig sind dagegen Ins-    die Mieterschaft eine Wohnung jedoch
das ausschliessliche Gebrauchsrecht an          pektionen, deren Ziel es ist zu kontrol-    auf krasse Weise, um die Weitervermie-
der Wohnung. Er kann bestimmen, wer             lieren, ob die Mieterschaft ordentlich      tung oder einen Verkauf zu vereiteln,
seine Wohnung betreten darf – und wer           aufgeräumt und geputzt hat. Das hat die     kann die Vermieterschaft Schadenersatz
nicht. Allerdings darf er seiner Vermie-        Vermieterschaft nicht zu kümmern, so-       verlangen. Allerdings müsste sie be-
terin den Zutritt nicht für die gesamte         lange die Mieterschaft in der Wohnung       weisen, dass die Sabotage ursächlich für
Dauer des Mietverhältnisses verwehren.          keine feuergefährlichen Gegenstände sta-    das Scheitern des Verkaufs oder der
Denn gemäss Artikel 257 h OR sind               pelt oder haufenweise stinkenden Müll       Weitervermietung war. Solche Beweise
Mieter*innen verpflichtet, der Vermieter-       vergammeln lässt.                           sind in der Praxis praktisch unmöglich.
schaft Zutritt zur Wohnung zu gewähren,                                                         Grundsätzlich umfasst das Besich­
sofern dies entweder für den Unterhalt                  Weitervermietung oder Verkauf       tigungsrecht den Zugang zu allen Räum-
oder die Wiedervermietung der Wohnung              Zieht die Mieterschaft aus oder will     lichkeiten der Wohnung. Das Öffnen von
nötig ist oder für den Verkauf der Lie­         die Vermieterschaft die Liegenschaft ver-   Schränken oder Kommoden ist aber tabu.
genschaft. Was aber bedeutet das im             kaufen, dann darf Letztere Kauf- und        Kann er ernsthafte Gründe geltend
Einzelnen?                                      Mietinteressierte durch die Wohnung         machen, darf Hugi seiner Vermieterin

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