Devisenumfrage 2022. Einschätzung zur Devisenkursentwicklung - Corporate Banking
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Inhalt 03 Editorial 04 Credit Suisse Devisenumfrage 2022 11 Credit Suisse Prognosen für 2022 14 Drei Trends, die die Weltwirtschaft 2022 bewegen werden 16 FX Perspektiven 2022. Interview mit Maxime Gineys 20 Währungsabsicherung in komplexen Zeiten 24 Mit flexiblen Absicherungsstrategien Währungsrisiken minimieren 26 FX Academy 2022 28 Der FX Strategy Desk der Credit Suisse 31 Swap-Transaktionen und Liquiditätsmanagement 36 Schweizer Firmen werden von der Erholung in den USA profitieren 38 Ihre lokalen Fremdwährungsexperten 2
Editorial Sehr geehrte Leserinnen und Leser Auch im vergangenen Jahr prägte Corona das gesellschaftliche Leben und die Wirtschaft weltweit. Eine Anpassung an die neue Realität war für Unternehmen in der Schweiz unerlässlich. Infolgedessen war die Pandemie vielerorts der Auslöser für einen nachhaltigen Wandel. Interne Prozesse wie auch Geschäfts- und Arbeitsmodelle wurden grundlegend überdacht und – wo immer möglich – digitalisiert. Diese Veränderungen sind heute kaum mehr wegzudenken. Gleichzeitig konnten verschiedene Branchen im Jahresverlauf von der Kombination aus Lockerungen der COVID-19-Restriktionen und dem anhaltenden Kon- sumnachholbedarf vieler Schweizer Haushalte profitieren. Für dunkle Wolken am Horizont sorgten hingegen die globalen Logistikprobleme, die den Warenverkehr während fast des gesamten Jahres 2021 erschwerten und zu Lieferengpäs- sen führten. Insbesondere herstellende Unternehmen und die Industriebranche standen deshalb vor grossen Herausforderungen. Ein weiterer Sorgenpunkt sind die steigenden Inflationsraten und damit eingehend die Frage, wie die grossen Notenbanken darauf reagieren werden. Dies wird in unserer Umfrage bezüglich der Erwartungen zu Wirtschafts- und Wechselkursentwicklungen 2022 ersichtlich. Bei vielen der befragten Unternehmen herrscht Unsicherheit im Hinblick auf die Entwicklungen in den USA und im EU-Raum. Sollten die dortigen Zentralbanken in diesem Jahr tatsächlich zu Zinserhöhungen greifen, dürften die Devisenkurse reagieren. Angesichts der Tatsache, dass der Euro und der US-Dollar weiterhin mit Abstand die wichtigsten Fremdwährungen für Schweizer Unterneh- men sind, bleibt die Absicherung der Währungsrisiken auch 2022 ein wichtiges Thema. Das volatile Wirtschaftsumfeld der vergangenen zwei Jahre hat gezeigt: Agilität und eine schnelle Reaktionsfähigkeit sind zentrale Pfeiler für erfolgreiches Unternehmertum – insbe- sondere im Bereich der Währungsabsicherung. Die Spezialistinnen und Spezialisten unseres globalen FX Trading Strategy Teams unterstützen Firmen hier mit fundierten Analysen und Prognosen zu den kurzfristigen Marktentwicklungen. Und in der neuen FX-Academy, die wir im nächsten Jahr erstmals durchführen werden, teilen unsere Fachleute ihr Wissen direkt mit Mitarbeitenden unserer Kundschaft. Das Schweizer Unternehmertum hat sich in der schwierigen Zeit seit Ausbruch der Pande- mie als resilient erwiesen. Doch viel wichtiger als die Vergangenheit ist der Blick in die Zukunft. Auf den folgenden Seiten erfahren Sie die Einschätzungen und Erwartungen von Schweizer Unternehmen zur künftigen Marktentwicklung. Lesen Sie auch Experten-Insights zu Absicherungsstrategien und erhalten Sie im grossen Kundeninterview einen Einblick, wie drei international tätige Unternehmen aus drei ganz unterschiedlichen Branchen die vergan- genen zwei Jahre erlebten und wie sie ihre Fremdwährungsrisiken absichern. Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre Andreas Gerber Leif Woodtly Head Corporate Banking Head FX Sales Corporate and Institutional Clients Besuchen Sie uns im Internet unter credit-suisse.com/devisen Devisenumfrage 2022. Einschätzung zur Devisenkursentwicklung 3
Credit Suisse Devisenumfrage 2022 Wechselkursrisiken bleiben nach wie vor aktuell Lieferengpässe Die Corona-Pandemie hatte die Wirtschaft auch im Jahr 2021 fest im Griff. Infolge der hohen belasten Industrie- Güternachfrage und der teilweise eingeschränkten Produktion entstanden Lieferengpässe in unternehmen der Industrie, die zu Unterbrüchen in internationalen Wertschöpfungsketten führten. Entspre- chend mussten sich viele Industrieunternehmen im Jahr 2021 mit der Frage der Ressourcen- und Vorprodukte-Beschaffung auseinandersetzen. Corona-Pandemie Weite Teile des Dienstleistungssektors profitierten derweil von den Lockerungen der COVID- führt zu nachhaltigen 19-Eindämmungsmassnahmen über den Sommer, wobei in einzelnen Segmenten – wie Veränderungen z. B. dem internationalen Tourismus oder dem Transport – nach wie vor grosse Lücken zum Vorkrisenniveau bestehen und gewisse Massnahmen im Winter teilweise wieder verschärft worden sind. Fast 1100 Umfrage- Inwiefern sich diese Herausforderungen auf das Fremdwährungs-Absicherungsverhalten der teilnehmer Schweizer Firmen ausgewirkt haben, zeigt unsere jährliche FX-Umfrage. Fast 1100 Unterneh- men nahmen im Herbst 2021 daran teil. Die Hälfte davon ist im Industriesektor tätig. Etwas über ein Drittel sind Dienstleister und ca. 13 % der Befragten sind in beiden Sparten tätig. Die grosse Mehrheit (ca. 90 %) der Unternehmen ist international tätig, sei dies im Import (28 %), im Export (23 %) oder in beiden Sparten (39 %). Nur 11 % fokussieren ihre Geschäftstätigkeit auf die Schweiz. EUR ist die wichtigste Die wichtigste Fremdwährung für die befragten Unternehmen bleibt – wie in den Vorjahren – Fremdwährung der Euro (EUR). 80 % der Umfrageteilnehmer tätigen mindestens einen Teil ihrer Einkäufe in EUR und fast bei 60 % fallen Verkäufe in EUR an. Der US-Dollar (USD) hingegen wird von 43 % im Einkauf und von rund einem Drittel im Verkauf genutzt. Die Bedeutung der Fremd- währungen ist entsprechend ausgeprägter bei der Beschaffung der Vorprodukte, während der Schweizer Franken (CHF) im Verkauf nach wie vor die Oberhand hat. Leichte Aufwertung Bis Ende 2022 erwarten die Umfrageteilnehmer eine leichte Aufwertung des EUR gegenüber des EUR und stabile dem CHF (Prognose: 1.08), beim USD gehen sie hingegen von keinen grossen Veränderun- Entwicklung des USD gen aus (Prognose: 0.93). Im Vergleich zum letzten Jahr waren die Währungsprognosen nicht erwartet mehr so breit gestreut. Keine Zinserhöhung Von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) erwarten die befragten Unternehmen mehrheit- der SNB erwartet lich noch keine Zinserhöhung bis Ende 2022. Trotz steigendem globalen Inflationsdruck erwarten 80 % auch per Ende 2022 einen Leitzins von –0,75 %. Eine Minderheit von 17 % erwartet einen höheren und nur 3 % einen noch tieferen Leitzins per Ende 2022. Globale Zinsdifferen- Während bei den befragten Unternehmen also wenig Unstimmigkeit hinsichtlich der Leitzinsen zen können zu in der Schweiz besteht, sind die Entwicklungen in den USA und in Europa mit mehr Unsicher- Bewegungen im heit behaftet. Auch die Erwartungen der Finanzmarktteilnehmer im Hinblick auf die ersten Devisenmarkt führen Zinserhöhungen der Federal Reserve Bank (Fed) und der Europäischen Zentralbank (EZB) weisen eine hohe Volatilität auf, sie richten sich nach den neusten Inflationsdaten und Kom- mentaren der Vorstandsmitglieder. Zinsdifferenzen können auf dem Währungsmarkt zu (unerwarteten) Bewegungen führen. Entsprechend sollten Unternehmen eine allfällige Absicherung ihrer Fremdwährungsrisiken in Betracht ziehen. 4
Umfrageteilnehmer erwarten leichte Aufwertung des EUR auf 1.08 Der EUR hat im vergangenen Jahr Ende der Abwertung des EUR prognostiziert gegenüber dem CHF erneut an Wert Wechselkursprognosen und tatsächliche Wechselkurse für das jeweilige Jahresende (Durchschnitt von Dezember) verloren, wie es die Teilnehmer der letzten Devisenmarktumfrage richtig prognostiziert hatten. Per Ende 2022 1.25 sehen aber sowohl die Teilnehmer der 1.20 diesjährigen Umfrage als auch die 1.15 Credit Suisse FX-Strategen ein Ende 1.10 der seit 2017 beobachtbaren Ab- wärtsbewegung des EUR/CHF-Kur- 1.05 ses voraus. Mit einem Wechselkurs 1.00 von 1.08 erwarten die Umfrageteil- 0.95 nehmer im Durchschnitt eine leichte 2020 2021 2022 2018 2019 Aufwertung des EUR gegeüber dem Ende 2021 beobachteten Stand von ca. 1.05. Gemäss der Prognose der EUR/CHF Credit Suisse sollte sich der Kurs bis Credit Suisse (Prognose) Kunden (Prognose) Tatsächlicher Wechselkurs Ende 2022 gar auf 1.10 erhöhen (vgl. Quelle: Credit Suisse Devisenumfrage 2018–2022, Credit Suisse Prognosen S. 13). Im Vergleich zu den letzten Jahren liegen die EUR/ CHF-Prognosen der Umfrageteilneh- mer und der Credit Suisse für Ende 2022 damit relativ nah beieinander. Dollarkurs per Ende 2022 bei 0.93 gemäss befragten Kunden Die hohen pandemiebedingten Keine grossen Bewegungen bei USD/CHF erwartet Unsicherheiten, die sich im vergange- Wechselkursprognosen und tatsächliche Wechselkurse für das jeweilige Jahresende (Durchschnitt von Dezember) nen Jahr in divergierenden Prognosen gezeigt haben, scheinen sich für das Jahr 2022 generell etwas gelegt zu 1.05 haben. Denn auch im Hinblick auf das Devisenpaar USD/CHF sind sich die 1.00 befragten Kunden und die Credit 0.95 Suisse ziemlich einig. Per Ende 2022 verändert sich der USD/CHF-Wech- 0.90 selkurs gemäss den Prognosen nämlich nur geringfügig. Die Umfrage- 0.85 teilnehmer erwarten einen Wechsel- 2020 2021 2022 2018 2019 kurs von 0.93, während ihn die Credit Suisse FX-Strategen auf 0.94 schätzen (vgl. Prognosen S. 13). USD/CHF Credit Suisse (Prognose) Kunden (Prognose) Tatsächlicher Wechselkurs Quelle: Credit Suisse Devisenumfrage 2018–2022, Credit Suisse Devisenumfrage 2022. Einschätzung zur Devisenkursentwicklung 5
Credit Suisse Devisenumfrage 2022 Unternehmen gehen von einem GBP/CHF-Kurs von 1.26 aus Wieder mehr Unsicherheit im Hinblick auf die GBP/CHF-Prognose Nur beim britischen Pfund (GBP) Wechselkursprognosen und tatsächliche Wechselkurse für das jeweilige Jahresende haben sich die Prognosen der Credit (Durchschnitt von Dezember) Suisse FX-Strategen und diejenige der befragten Kunden für 2022 im 1.50 Vergleich zum Vorjahr wieder etwas 1.40 voneinander entfernt. Während die GBP/CHF-Wechselkursprognose per 1.30 Ende 2022 bei 1.32 liegt, erwarten 1.20 die Umfrageteilnehmer nur eine geringfügige Aufwertung des GBP auf 1.10 1.26. Nachdem die mit dem Brexit 1.00 verbundenen Unsicherheiten letztes Jahr gesunken waren, bestehen für 2020 2021 2022 2018 2019 2022 neue Unklarheiten im Hinblick auf Einzelheiten des Handelsabkom- GBP/CHF mens mit der EU sowie auf die Inflations- und Zinsentwicklung im Credit Suisse (Prognose) Kunden (Prognose) Tatsächlicher Wechselkurs Vereinigten Königreich, welche die Quelle: Credit Suisse Devisenumfrage 2018–2022, Credit Suisse divergierenden Wechselkursprognosen mindestens teilweise erklären dürften. EUR wird im Einkauf von mehr Unternehmen genutzt als CHF 85 % der befragten Industrieunternehmen nutzen EUR im Einkauf Fast 80 % der befragten Unterneh- Anteil der Unternehmen, welche die Währung im Einkauf nutzen, nach Sektoren men kaufen einen Teil ihrer Vorleistun- gen in EUR ein. Im Durchschnitt hat der EUR bei diesen Unternehmen einen Anteil von 44 % im Einkauf 90 inne. Der EUR wird damit sogar 80 häufiger genutzt als der CHF, und zwar in allen Sektoren (vgl. Abb.). 70 Seine Bedeutung ist besonders hoch 60 in der Industrie, wo 85 % der Unter- 50 nehmen in EUR einkaufen. Im Dienstleistungssektor hingegen 40 kommt er mit 71 % bei weniger 30 Unternehmen zum Einsatz. Hinsicht- 20 lich des USD halten sich die Unter- schiede derweil in Grenzen: Er kommt 10 in allen Sektoren bei 40–45 % der 0 Firmen im Einkauf zum Einsatz. Dabei tätigen die Unternehmen im Durch- schnitt ein Drittel der wertmässigen Industrie Einkäufe in USD. Beide Sektoren Dienstleistungen Skala: in Prozent (%) Quelle: Credit Suisse Devisenumfrage 2022 6
Im Verkauf behält der CHF die Überhand Im Verkauf ist der CHF die wichtigste Fast 70 % der Befragten im Industriesektor verkaufen Produkte in EUR Währung. Insgesamt setzen 70 % der Anteil der Unternehmen, welche die Währung im Verkauf nutzen, nach Sektoren befragten Unternehmen einen Teil ihrer Produkte oder Leistungen in 80 CHF ab. Bei diesen Unternehmen werden durchschnittlich 63 % der 70 Verkaufserlöse in CHF erwirtschaftet. 60 Auch im Verkauf kommen Fremdwäh- 50 rungen im Industriesektor bei den meisten Firmen zum Einsatz (vgl. 40 Abb.): 69 % erwirtschaften Umsätze 30 in EUR und 39 % in USD. Bei den 20 Dienstleistungen sind es hingegen «nur» deren 47 % bzw. 31 %. 10 Insgesamt erreichen EUR und USD 0 bei den Unternehmen, die sie nutzen, aber Anteile im Verkauf von 43 % und 36 %, womit ihre Bedeutung nicht Industrie unterschätzt werden darf. Beide Sektoren Dienstleistungen Skala: in Prozent (%) Quelle: Credit Suisse Devisenumfrage 2022 EUR bleibt die dominierende Chinesischer Yuan wird von 5 % der Befragten genutzt Fremdwährung Anteil der Unternehmen, die Fremdwährungsexposure gegenüber den entsprechenden Währungen haben Während der EUR und der USD sowohl im Verkauf als auch im Einkauf häufig zum Einsatz kommen, ist der Anteil der Unternehmen geringer, die EUR asiatische oder südamerikanische (86 %) Währungen nutzen. Gleichwohl tätigen USD KRW 5 % der befragten Unternehmen (51 %) CNY (2 %) (5 %) einen Teil der Transaktionen in Yuan TWD (CNY) und die indische Rupie (INR) INR (2 %) COP MYR (3 %) PHP dient 3 % der Umfrageteilnehmer. Die (1 %) (1 %) (1 %) anderen Währungen werden jeweils BRL IDR (2 %) (1 %) von 1–2 % der befragten Unterneh- CLP men genutzt. Insgesamt haben 11 % (1 %) Exposure gegenüber einer der abgefragten asiatischen Währungen und 4 % gegenüber einer der süd- amerikanischen Währungen. Quelle: Credit Suisse Devisenumfrage 2022 Devisenumfrage 2022. Einschätzung zur Devisenkursentwicklung 7
Credit Suisse Devisenumfrage 2022 Exposure in Latam oder Asien bewegt Kunden zur Absicherung Fast 40 % der Unternehmen sichern ihre Währungsrisiken teils ab Die befragten Schweizer Unterneh- Anteil der Antworten auf die Frage «Sichern Sie Ihre Währungsrisiken ab?» men sind also vielseitigen Wechsel- kursrisiken ausgesetzt. Insgesamt sichern sich knapp 40 % dagegen ab (vgl. Abb.). Ihre Absicherungsquote Total beträgt dann im Durchschnitt 60 %. Firmen mit Fremdwährungsexposure Latam* gegenüber asiatischen oder südameri- kanischen Währungen tendieren vermehrt zur Absicherung. Der Anteil Asien** an Unternehmen, die ihr Fremdwäh- rungsrisiko mindestens teilweise USD absichern, liegt bei diesen Gruppen mit 72 % und 68 % deutlich über EUR dem Durchschnitt. Dies könnte daran liegen, dass die Firmen in dieser 0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % Gruppe im Vergleich gross und international sind. Eine weitere Ja Erklärung wäre, dass eine Exposition Nein n/a gegenüber «exotischen» Währungen das Bedürfnis einer Absicherung Quelle: Credit Suisse Devisenumfrage 2022 erhöht. Hingegen weisen Kunden, die * Abgefragte Währungen: BRL, CLP, COP. dem EUR- und USD-Wechselkursrisi- ** Abgefragte Währungen: INR, IDR, CNY, KRW, MYR, PHP, TWD. ko ausgesetzt sind, eine durchschnitt- liche Tendenz zur Absicherung auf. Fast ein Drittel nutzt eine natürliche Absicherung 54 % wollen Währungsrisiko bewusst auf sich nehmen Eine «natürliche Absicherung» – also «Warum haben Sie das Exposure nicht abgesichert?» (Mehrfachantworten möglich), der Einkauf und Verkauf in gleicher Anteile der Unternehmen Währung – ist die zweitmeist genannte Antwort auf die Frage, warum das Bewusste Übernahme Natürliche Absicherung Interne Richtlinie Bisher Exposure nicht finanziell abgesichert des Währungsrisikos (Abstimmung der 16 % nicht in wird (32 %). Auch die erhöhte 54 % Währungsexposure auf Erwägung der Einkaufs- und der gezogen Flexibilität (18 %) und interne Richtli- Verkaufsseite) 12 % nien (16 %) scheinen einen Teil der 32 % Umfrageteilnehmer von einer finanziel- len Absicherung abzuhalten. Über die Hälfte der befragten Kunden (54 %) Andere Begrenzte möchte zudem bewusst ein gewisses Gründe Ressourcen Währungsrisiko in Kauf nehmen, um 10 % 8% Geschäftsmodell vielleicht sogar davon profitieren zu erfordert Flexibilität können. Ein Teil der Befragten hat 18 % eine Absicherung bis jetzt nicht in Zu komplex 4% Erwägung gezogen (12 %), verfügt über begrenzte Ressourcen (8 %) Quelle: Credit Suisse Devisenumfrage 2022 oder sieht eine Absicherung als zu komplexes Unterfangen (4 %) an. 8
Absicherungsquote im Dienstleis- tungssektor leicht höher Dass Wechselkursrisiken nicht auf Wenig Unterschiede nach Branchen bezüglich Absicherung bestimmte Branchen oder Geschäfts- «Sichern Sie Ihre Währungsrisiken ab?», «Falls ja, was ist Ihre Absicherungsquote?», Antworten von Unternehmen nach Branche und Aussenhandelstätigkeit modelle reduziert werden können, belegt die nebenstehende Grafik. Der Anteil an Unternehmen, die sich pro Anteil der Unternehmen, welcher absichert Absicherungsquote Branche oder Geschäftsmodell absichern, ist in allen Kategorien mit 37–45 % etwa gleich hoch. Einzig bei Industrie der Absicherungsquote weisen Dienstleistungserbringer mit 67 % und Dienstleistungen Unternehmen, die sowohl Import als Beides auch Export betreiben, mit 65 % einen höheren Wert auf. Insbesondere für Dienstleistungsunternehmen dürfte die «natürliche Absicherung» schwierig Import umzusetzen sein. Export Beides Nur Schweiz 0% 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % Quelle: Credit Suisse Devisenumfrage 2022 Devisenumfrage 2022. Einschätzung zur Devisenkursentwicklung 9
Credit Suisse Prognosen Prognosen für 2022 Europa USA Trotz Rückschlägen aufgrund wiederholter Restriktionen ge- Das Wirtschaftswachstum sollte dank der hohen Haus- gen die Verbreitung des Coronavirus dauert die wirtschaftli- haltseinkommen aufgrund staatlicher Zahlungen noch eine che Erholung in der Eurozone an. Das Wachstum bleibt je- Weile überdurchschnittlich hoch bleiben, doch der sto- doch hinter der Entwicklung in den USA zurück. Die Indust- ckende Aufschwung im Dienstleistungssektor und die rieproduktion wird derzeit durch die Lieferkettenprobleme anhaltenden Lieferkettenprobleme führen in der jetzigen belastet, dürfte nach deren Lösung jedoch deutlich steigen. Phase der Erholung von der Pandemie zu Schwierigkeiten. Einstweilen verursachen die Lieferengpässe jedoch einen Nach dem steilen Anstieg Anfang 2021 dürfte sich die ungewöhnlich starken Anstieg der Gesamt- und der Kernin- Inflation im kommende Jahr wieder etwas verringern, das flation. Die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte ihr Wert- Risiko weiterer markanter Preissteigerungen ist aber nicht schriftenkaufprogramm in den nächsten Monaten weiter gebannt. Die US-Notenbank (Fed) fährt ihre expansive zurückfahren. Geldpolitik allmählich zurück, und sie dürfte 2022 den Leitzins anheben. Europa hat stark unter der Corona-Pandemie gelitten US-Haushaltseinkommen wurden überstimuliert Index zu den Lieferfristen in der Industrie (PMI) in Mia. USD 100 24000 90 22000 80 70 20000 60 18000 50 40 16000 30 14000 20 10 12000 Eurozone USA Schweiz 0 Verfügbares Einkommen 2010 2012 2014 2016 2018 2020 10000 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Quelle: PMI Premium, Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: November 2021 Quelle: Refinitiv, Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: Oktober 2021 Devisenumfrage 2022. Einschätzung zur Devisenkursentwicklung 11
Credit Suisse Prognosen China Schweiz Das Wirtschaftswachstum in China hat sich jüngst weiter Die Wirtschaftsleistung übertraf hierzulande im dritten verlangsamt. Dies aufgrund der Schwierigkeiten im Immobi- Quartal 2021 das Vorkrisenniveau bereits wieder deutlich. liensektor sowie regulatorischer Änderungen und politi- Damit steht die Schweiz wirtschaftlich im Vergleich zu den scher Reformen. Die Behörden streben die Überwachung meisten Ländern besser da. Der Ausblick für dieses Jahr und die Kontrolle der wertvollsten Unternehmen in wichti- wird indes getrübt durch die gestiegenen COVID-Fallzahlen gen Wachstumssektoren an. Zu den betroffenen Bereichen und die dagegen ergriffenen Massnahmen sowie durch glo- gehört auch der Immobilienmarkt, wo wir zwar keine gene- bale Lieferkettenprobleme. Die Pandemie dürfte die Erho- relle Krise, aber eine längere Phase mit Abwärtsdruck er- lung aber nur kurzfristig bremsen, und die Liefersituation warten. Gleichzeitig dürfte die Konsumerholung verhalten sollte sich im Jahresverlauf entspannen. Wir gehen davon bleiben, sodass starke Wachstumsimpulse bis auf Weiteres aus, dass die Erholung insgesamt auch 2022 weitergehen fehlen. wird. Chinas Wirtschaft hat tendenziell an Schwung Schweizer Wirtschaft über Vorkrisenniveau eingebüsst Reales BIP, saisonbereinigt, 4. Quartal 2019 = 100 Ggü. Vorjahr in %, 3-Monats-Durchschnitte 24 105 20 16 100 12 95 8 4 90 0 -4 85 -8 Frankreich Deutschland -12 80 Italien Grossbritannien Detailhandelsumsätze Industrieproduktion -16 USA Schweiz 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 75 12.2019 03.2020 06.2020 09.2020 12.2020 03.2021 06.2021 09.2021 Quelle: Datastream, Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: Februar 2021 Quelle: Datastream, Credit Suisse. Letzter Datenpunkt: 3. Quartal 2021 12
USD/CHF-Wechselkurs EUR/CHF-Wechselkurs Gemäss der Prognose der Credit Suisse sollte der USD/ Gemäss der Prognose der Credit Suisse sollte der EUR/ CHF-Wechselkurs in drei Monaten bei 0.95 und in zwölf CHF-Wechselkurs in drei Monaten bei 1.07 liegen und bis Monaten bei 0.94 liegen. Die Inflationsdaten aus den USA Ende 2022 sogar auf 1.10 steigen. Erstens lässt die waren wiederholt höher als erwartet, was die Inflationssor- stärkere Inflationsdynamik in der Eurozone vermuten, dass gen befeuert und zu einer früheren Beendigung der die Zinserhöhung dort früher stattfinden wird als in der äusserst expansiven Geldpolitik in den USA führen könnte. Schweiz. Zweitens sollte die Nachfrage nach «sicheren Höhere erwartete US-Zinsen haben dem USD Aufwind Häfen» wie dem CHF im Zuge der globalen Wirtschaftser- verliehen. Wir gehen von einer weiteren USD-Aufwertung holung abnehmen, was zu einer leichten Abwertung des insbesondere gegenüber dem CHF aus, da die Zinsen in CHF gegenüber dem EUR führen würde. Drittens ist der der Schweiz wohl noch länger niedriger bleiben werden. EUR eine Währung, die jeweils erstarkt, wenn das Wirt- schaftswachstum robust ist. US-Fed erhöht Zinsen vor EZB und SNB Frankenstärke dürfte vorübergehend sein Leitzinsen, in % EUR/CHF 3.0 1.12 1.11 2.5 1.10 2.0 1.09 1.5 1.08 1.0 1.07 1.06 0.5 1.05 0.0 1.04 -0.5 1.03 Jan 20 Apr 20 Jul 20 Okt 20 Jan 21 Apr 21 Jul 21 Okt 21 -1.0 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 EUR/CHF-Wechselkurs US-Fed Europäische Zentralbank (EZB) Schweizerische Nationalbank (SNB) Credit Suisse Prognose Fed Credit Suisse Prognose EZB Credit Suisse Prognose SNB Quelle: Datastream, Credit Suisse. Letzter Datenpunkt 14.12.2021 Quelle: Bloomberg, Credit Suisse. Letzter Datenpunkt 14.12.2021 Devisenumfrage 2022. Einschätzung zur Devisenkursentwicklung 13
Burkhard Varnholt, CIO Credit Suisse (Schweiz) AG Drei Trends, die die Weltwirtschaft 2022 bewegen werden ständlicherweise ändert die Geldpolitik ihre strategische Kurzum: Die Chancen für ein starkes Wirtschafts- und Unterstützung der gesamtwirtschaftlichen Gesundung nicht. Börsenjahr 2022 stehen gut. Aber Fokus, Disziplin und stabile Prozesse bleiben des Anlegerglückes bestes Woher dann die vielen Kassandrarufe? Viele fürchten, dass Unterpfand. der ungekannte Anstieg von Staatsschulden und Geldmen- ge das Geld entwerten könnte. Doch das Gegenteil ist wahrscheinlicher: Solange mit dem frisch gedruckten Geld das Finanzsystem gestärkt wird, stabilisiert es auch die reale Wirtschaft. Die Schweiz bildet das ideale Beispiel Inflation: nach dem Zenit der Niedergang dafür. Kein reiches Land der Welt druckte in den letzten Die Sorge wegen der Inflation ist eine der grössten zehn Jahren, proportional zur eigenen Wirtschaft oder Sorgen vieler Anleger, Schuldner und Entscheidungsträger. Notenbankbilanz, so viel Geld wie die Schweizerische In Europa notiert sie derzeit so hoch wie seit 13 Jahren Nationalbank. Hat das die Stabilität der Schweizer nicht mehr, in den USA sogar so hoch wie seit 30 Jahren Wirtschaft oder des Franken untergraben? Im Gegenteil: nicht mehr. Doch ein Blick auf ihre wichtigsten Treiber Solange frisch gedrucktes Geld primär an den Kapitalmärk- illustriert, weshalb sie von vorübergehender Dauer ist. ten zirkuliert und nicht mit der realen Wirtschaft konkurriert, wirkt es eben in Bezug auf die Inflation «neutral». Mehr als die Hälfte der aktuellen Inflation resultiert aus dem steilen Anstieg der Energiepreise für Strom, Gas Dekarbonisierung der Wirtschaft: die grosse Kapital- und Öl. Doch die Knappheitspreise resultieren aus einem mobilisierung Nachfrageschock – nicht etwa aus einer Angebotsverknap- Viele fragen sich, welche Wirtschaft wohl als Gewinner und pung. Das illustriert, weshalb der wärmere Frühling dieser welche als Verlierer aus der Pandemie und der in Unord- Inflationssorge die Zähne ziehen wird. nung geratenen Welt hervorgehen wird. Es wäre verfehlt, diese Frage mit einer regionalen Sicht zu beantworten. Sodann führen derzeit Lieferkettenengpässe zu Knappheit Angemessener erscheint die thematische Antwort: Die und Preissteigerungen. Deren Ursachen sind vielfältig, weltweiten Anstrengungen zur Energiewende, zur Dekarbo- doch die meisten Engpässe dürften im Laufe des Jahres nisierung der Wirtschaft und zur Ertüchtigung unserer 2022 verschwinden. Nach Weihnachten normalisiert sich fragilen Infrastruktur gleichen einer grossen Karawane, die Nachfrage, und viele Unternehmen sind bereits fortge- die zu einer langen Reise aufgebrochen ist. Sie wird nicht schritten in einer Stärkung ihrer Lieferketten. mehr umkehren. Im Gegenteil: Solange sie von günstigen Finanzierungskonditionen profitiert, wird sie sich beschleu- Schliesslich war die einjährige Reduktion der deutschen nigen und immer neue Teile der Wirtschaft mitnehmen. Es Mehrwertsteuer im Corona-Jahr 2020 der drittwichtigste ist kein vergleichbarer Supertrend am Horizont erkennbar, Inflationstreiber in der Eurozone im Jahr 2021. Dieser der in dieser Dekade nur annähernd so viel privates und Faktor wird 2022 automatisch aus der Inflationsberech- staatliches Finanz- und Humankapital mobilisieren wird wie nung herausfallen. dieser. Aus Anlegersicht sollte man diesen Zug auf keinen Fall verpassen. Denn er wird in Europa, in Amerika und in Mit anderen Worten: Spätestens in der zweiten Jahreshälfte Asien wachsende Investitionen und Unternehmensgewinne 2022 dürfte die Inflation in Europa deutlich sinken. Ver- schaffen. Für Unternehmen werden die Emissionskosten 14
des eigenen Betriebs in Zukunft zu einem wachsenden Aktienrückkäufen und einer Fortsetzung des Anlagenot- Kostenfaktor. Schon deshalb wird es sich lohnen, in stands und der Umschichtung aus Anleihen in Aktien klimaneutrale Geschäftsprozesse zu investieren. suggeriert, dass auch 2022 die Aktienmärkte die attraktivs- ten Anlagen bilden. An den Anleihemärkten dürfte es 2022 Börsen und Wirtschaft: die unwahrscheinlichen anspruchsvoller denn je werden, eine positive Rendite zu Gewinner erwirtschaften. Etwas besser dürfte es in Europa den Die Verdoppelung vieler Börsenindizes innert weniger als Immobilienmärkten gehen. Während der Franken seine 15 Monaten hat viele Anleger skeptisch gemacht. In globale Rolle als stärkste Währung der Welt weiter festigen Shakespeares «Macbeth» singen die Hexen im vierten dürfte, könnte sich die steigende Dynamik der Kapital- Akt bekanntlich: «Double, double, toil or trouble». Folgt marktrenditen in eine höhere Volatilität bei Wechselkursen auf eine rasche Verdoppelung der Börsenkurse unweiger- übersetzen. lich eine Korrektur? Dafür gibt es keine zwingenden Gründe. Aktienkurse folgen in der Regel den Unterneh- mensgewinnen – die sich nach der Pandemie rascher verdoppelt haben als die Aktien. Märkte werden primär von Liquidität – und nur selten von Bewertungen – getrie- Dr. Burkhard P. Varnholt, Chief Investment Officer ben. Im Jahr 2022 dürften Wirtschaft und Aktienmärkte der Credit Suisse (Schweiz), Vice-Chairman of the einmal mehr gute Zahlen schreiben. Für starkes Wachstum Global Investment Committee sprechen der unvermindert hohe Nachholbedarf vieler Privathaushalte bei Konsum und Wohnungsausbau. Auch Burkhard Varnholt schloss sein Doktorstudium an der die staatlichen Investitionspakete, die letztes Jahr vielerorts Universität St. Gallen – HSG ab. Er verfügt über mehr geschnürt wurden, fliessen erst 2022 in die Wirtschaft. als zwanzig Jahre internationale Erfahrung in der Sofern die Leitzinsen tief bleiben und die Kapitalmarktrendi- Verwaltung privater und institutioneller Vermögen, mehr ten ebenso, wird sich der globale Anlagenotstand, beson- als zwölf Jahre davon bei der Credit Suisse. ders für Vorsorgewerke, verstärken. Kurzum: Die Kombina- tion von profitablem Geschäftswachstum, anhaltenden Devisenumfrage 2022. Einschätzung zur Devisenkursentwicklung 15
Interview mit Maxime Gineys FX Perspektiven 2022 Maxime Gineys, FX Sales Swiss Corporate Clients in Genf, schaut zurück auf die Auswirkungen der Pandemie auf das Währungsmanagement in Unternehmen und erläutert, welche Strategien seiner Meinung nach die vielversprechendsten für 2022 sind. Wir verfügen zur Covid-Pandemie nun über Erkennt- beurteilen und dann eine Strategie zur Reduzierung der nisse aus fast zwei Jahren. Welche Lehren können Risiken umsetzen. Meiner Meinung nach ist es wichtig, wir in Bezug auf das Währungsmanagement daraus die Situation mit dem FX-Team zu analysieren und ein Ziel ziehen? für das Absicherungsniveau festzulegen. Das Wichtigste Diese Zeiten sind für uns alle schwierig, besonders aber ist, die Bedürfnisse richtig einzuschätzen, indem auch die für Unternehmen. In dieser unsicheren Situation ist es Devisenflüsse der Worst-Case-Szenarien simuliert werden. wichtig, möglichst flexibel zu bleiben, um sich an das Danach rate ich zu einem dynamischen Ansatz und zur ständig wandelnde Umfeld anpassen zu können. Wir Festlegung einiger Niveaus für einen Standard-Forward, haben drei reale Lehren aus dieser Zeit gezogen: sich Risk Reversal oder Participating Forward auf Basis des nicht für zu grosse Beträge zu verpflichten, nicht 100 aktuellen Kassakurses. Der Devisenmarkt ist flexibel, wir Prozent der Bedürfnisse in allen Fällen abzudecken und, können unseren Kunden massgeschneiderte Lösungen sofern nicht erforderlich, keine Verpflichtung für zu lange anbieten, bei denen sie die Beträge, die Höhe der Absi- Zeiträume einzugehen. cherung und die Laufzeiten passend zu ihren Bedürfnissen und Risikopositionen wählen können. Diese Phase der Unsicherheit scheint sich trotz des steigenden Anteils der geimpften Bevölkerung noch Welche Strategien empfehlen Sie Unternehmen für länger hinzuziehen. Was raten Sie Unternehmen, das Jahr 2022? die sich gegen Währungsrisiken absichern möch- Das Wichtigste für ein Unternehmen ist die Steuerung der ten, ohne eine allzu langfristige Verpflichtung Risiken. Werden sie nicht abgesichert, kann ein Engage- einzugehen? ment in Fremdwährungen äusserst teuer werden, falls sich Ein Unternehmen sollte verschiedene mögliche Zukunfts- die Märkte ungünstig für das Unternehmen entwickeln. szenarien berücksichtigen, deren potenzielle Auswirkungen In einem unsicheren Umfeld kommt es darauf an, flexibel Beispiel: Participating Forward Ein Unternehmen ist bei einem Kurs von 1.06 für den Kauf von EUR gegenüber CHF abgesichert. Jeden Monat gibt es ein Verfallsdatum, wobei EUR 200’000 abgesichert sind. Wenn der Kassakurs bei Verfall höher ist als 1.06, ist das Unter- nehmen vollständig abgesichert und kann EUR 200’000 zum Kurs von 1.06 kaufen. Liegt der Kassakurs jedoch unter 1.06, muss es nur 50 % des Betrags, in diesem Fall also EUR 100’000, zum Ausübungspreis von 1.06 kaufen. Danach kann es entscheiden, die andere Hälfte zu einem besseren Kurs auf dem Markt zu kaufen, um einen günstigeren Durchschnittskurs zu erreichen. 16
zu bleiben und von für das eigene Unternehmen günstigen (Kauf oder Verkauf) wird einer der beiden Ausübungsprei- Marktbewegungen zu profitieren, während gleichzeitig für se zur Absicherung des Wechselkurses des Kunden den Fall von negativen Ereignissen für Absicherung verwendet und der andere stellt eine Verpflichtung dar. gesorgt ist. Eine Lösung, die alle diese Kriterien erfüllt, ist Während des Lebenszyklus der Strategie hat der Kunde der Participating Forward. die Gewissheit, dass der Wechselkurs nicht unter den tieferen Ausübungspreis fällt oder über den oberen Mit dieser Strategie sind Unternehmen zu 100 Prozent des Ausübungspreis steigt. Liegt der Kurs bei Verfall zwischen Betrags abgesichert, gehen aber nur eine Verpflichtung den beiden Grenzen, steht es dem Kunden frei, zum für 50 Prozent ein. Der Ausübungspreis wird bei Abschluss Kassakurs zu handeln oder abzuwarten. Diese Strategie festgelegt. Das bedeutet, dass das Unternehmen auf dies- kann ohne Zahlung einer Prämie angeboten werden. em Niveau abgesichert ist, gleichzeitig aber (als Verkäufer) von Aufwärtsbewegungen bzw. (als Käufer) von Abwärts- Was sind die typischen Fehler, die ein Unternehmen bewegungen der Währung profitieren kann. Diese Strate- vermeiden sollte? gie eignet sich für Unternehmen, deren zukünftige Devi- Einer der Hauptfehler vieler Unternehmen ist, dass sie eine senflüsse unsicher sind. Falls das Exposure unerwartet Tatsache ignorieren: Fehlende Absicherung kommt einer sinkt, ist ihre Verpflichtung auf 50 Prozent des Nominal- Spekulation gleich. Sie wetten auf den Wechselkurs in der werts beschränkt. Hoffnung, dass sich der Markt nicht zu ihren Ungunsten entwickeln wird. Daneben gibt es eine zweite Strategie, die vorgestellt wer- den sollte: der Risk Reversal oder «Collar». Das ist eine Man darf jedoch nicht vergessen, dass selbst dann, wenn einfache Methode zur Fixierung des Wechselkurses inner- die Absicherung der Struktur und der Tätigkeit des halb eines bestimmten Bereichs. Hierbei definieren wir Unternehmens entspricht, eine Absicherung von 100 zunächst gemeinsam mit unseren Kunden eine Unter- Prozent der Bedürfnisse nicht immer die beste Lösung ist. und eine Obergrenze. Je nach Richtung der Transaktionen Mitunter kann eine solche Absicherung zu zusätzlichen Devisenumfrage 2022. Einschätzung zur Devisenkursentwicklung 17
Interview mit Maxime Gineys Schwierigkeiten führen. Beispielsweise kann eine unerwar- Phase geringer Volatilität ist die Risikoabsicherung immer tete Änderung des Exposure, etwa ein Rückgang der günstiger, insbesondere bei Währungsabsicherungen die Umsätze, die Erfüllung des Kontrakts unmöglich machen. Optionen kombinieren. Es ist daher eine attraktive Gele- Wir empfehlen in der Regel eine Absicherung von nur genheit Währungsrisiken abzusichern. Der Eintritt eines einem Teil der Bedürfnisse und eine dynamische Überwa- Ereignisses ist immer noch möglich, aber weniger wahr- chung des Zeitpunkts, um das Risiko zu reduzieren. Die scheinlich. Die Märkte funktionieren auf die gleiche Weise. Absicherungsquote kann im Zeitverlauf steigen, wenn die In einem von den Zentralbanken beruhigten Umfeld Cashflows sicherer werden (Layering). Auch eine Ver- antizipiert der Markt ein geringeres Risiko von Schwankun- pflichtung für eine allzu lange Laufzeit ist nicht sehr gen. Das heisst aber nicht, dass es keine Schwankungen effizient. Sie reduziert die Fähigkeit des Unternehmens, geben wird. Darüber hinaus könnten viele Zentralbanken flexibel zu reagieren, falls es zu erheblichen Marktbewe- 2022 ihre quantitativen Programme reduzieren oder gungen kommt. einstellen und mit Zinserhöhungen beginnen, was die Volatilität steigern könnte. Daher sollte es im Interesse des Ein letztes Beispiel: Wir hören Kunden oft Sätze sagen Unternehmens sein, abgesichert anstatt einem Risiko wie: «Der Kurs ist zu niedrig für einen Verkauf!» oder «Er ausgesetzt zu sein. ist zu hoch für einen Kauf!». Das ist eine riskante Denk- weise, denn es gibt keine Garantie, dass ein Kursrückgang oder -anstieg irgendwann endet. Ist das Ziel des Unter- nehmens ein besserer Kurs, können Outperformance- Strategien in Betracht gezogen werden. Das Warten auf eine Chance ist aber Spekulation. Das vergangene Jahr war geprägt von einem Rück- gang der Volatilität bei den Hauptwährungspaaren. Was sagen Sie Unternehmen, die dies als Grund sehen, sich nicht abzusichern? Es stimmt, dass 2021 geringe Volatilität in den Haupt- währungen geherrscht hat. Das könnte gefährlich sein für Unternehmen, die sich möglicherweise fragen, ob sie ihre Währungsengagements wirklich absichern müssen, da die Bewegungen nicht so ausgeprägt waren wie in der Vergangenheit. Doch jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um das eigene Engagement abzusichern. Denn bei einer 18
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Kunden der Credit Suisse und die Corona-Krise Währungsabsicherung in komplexen Zeiten Die Pandemie hat weltweit riesige Veränderungen hervorgerufen. Wie haben Schweizer KMU diese Zeiten durchlebt? Wie drei Unternehmen aus drei ganz unterschiedlichen Branchen auf die Corona-Krise reagiert haben und wie sie ihre Währungsrisiken absichern. Mit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie und dem Auch für die Tecnopinz SA war die erste Phase der Lockdown im März 2020 begann für Unternehmen in der Pandemie schwierig. Die grosse Unsicherheit brachte Schweiz eine Zeit mit einschneidenden Veränderungen. Von unbekannte Herausforderungen für das Management des einem Tag auf den anderen waren alle sorgsam aufgestell- Industriezulieferers mit sich. «Wir mussten jeden Tag auf ten Pläne zerschlagen, bislang sichere Erwartungen neue Probleme reagieren und neue Lösungen finden», sagt mussten revidiert werden. Viele Unternehmen mussten sich CEO Nicola Tettamanti. Mittlerweile hat sich die Situation komplett neu aufstellen, nicht nur im Tagesgeschäft, etwas beruhigt. Die gesamte Maschinen-, Elektro- und sondern auch in Sachen Währungsabsicherung. Metallbranche (MEM) konnte sich seit Beginn des Jahres 2021 wieder erholen, die Aussichten für das Tessiner Nicola Tettamanti, CEO der Tecnopinz SA, Louis Siriwarde- Familienunternehmen sind entsprechend wieder positiver. na, CEO der Lets Travel SA, und Sandra Rüegsegger, Dennoch bleibt eine gewisse Unsicherheit weiterhin Geschäftsführerin der Kölla AG, erzählen, wie ihre Firmen bestehen. «Wir können uns nicht ausruhen», so Nicola diese schwierige Zeit überstanden haben und wie sie mit Tettamanti deshalb. Denn «nach der Krise ist vor der Krise. Währungsrisiken in Zukunft umgehen. Wir müssen immer bestmöglich auf alles, was auf uns zukommt, vorbereitet sein.» Die Auswirkungen der Corona-Krise Für die internationale Reisebranche bedeutete der Aus- Ganz anders war die Ausgangslage für die Kölla AG in bruch der Pandemie im März 2020 einen harten Schlag. Gümligen bei Bern. Die grosse Unsicherheit zu Beginn der Ferien im Ausland waren von einem Tag auf den anderen Pandemie machte auch dem Frucht- und Gemüsehändler unmöglich. Das bekam die Lets Travel SA direkt zu spüren. zu schaffen. Aber: «Für unser Geschäft hatte die Pandemie «Wir bieten Erlebnisreisen aus der Schweiz nach Asien an, auch positive Auswirkungen», erklärt Sandra Rüegsegger. vor allem nach Sri Lanka und Japan. Unser Geschäft stand Zwar sei die Nachfrage aus der Gastronomie völlig einge- für sieben Monate fast komplett still», erinnert sich Ge- brochen, aber der Detailhandel habe diesen Rückgang schäftsführer Louis Siriwardena an die schwierige Phase. mehr als kompensiert. «Es gab bei den Konsumenten einen Erst mit dem Start der Impfkampagne hierzulande konnte starken Trend hin zu einer gesünderen Ernährung und zum das KMU wieder beginnen, konkret für die Zukunft zu Kauf von frischen Gemüsen und Früchten», sagt die planen, und rechnet ab dem vierten Quartal 2021 wieder Geschäftsführerin. «Das hat uns geholfen.» Diese Entwick- mit einer schrittweisen Rückkehr zur Normalität. lung spiegelt sich im Geschäftsergebnis wider. Louis Siriwardena und seine Mitarbeitenden liessen die Zeit Was für alle drei KMUs gilt: Die Pandemie hat die Arbeits- aber nicht ungenutzt. «Wir mussten zum Glück niemanden weise grundlegend und nachhaltig verändert. «Wir wurden entlassen und konnten uns Gedanken machen, wie wir uns dazu gezwungen, die Umstellung auf digitale Tools zu weiterentwickeln können. Sowohl bei den internen Prozes- beschleunigen», sagt Nicola Tettamanti. Das heisst: sen als auch bei unserem Angebot. So sind wir jetzt optimal Homeoffice, Zoom-Meetings, weniger physische Treffen aufgestellt, wenn die Reisetätigkeit wieder zunimmt.» mit der Kundschaft und Partnern im In- und Ausland. 20
Komplett auf Homeoffice konnte insbesondere die Tecno- wir versuchen, etwas mehr Risiko einzugehen und von pinz SA aber zu keinem Zeitpunkt umstellen. «Wir sind ein den Entwicklungen an den Märkten zu profitieren.» verarbeitender Industriebetrieb und im Low-Volume-High- Complexity-Markt tätig», erklärt der CEO. «Solche Prozesse Für die Kölla AG zählt vor allem der Eurokurs. «Wir kaufen kann man nicht automatisieren. Wir brauchen immer 90 Prozent unserer Produkte im europäischen Raum ein, Mitarbeitende, die vor Ort produzieren.» zum Beispiel in Spanien oder Italien», sagt die Geschäfts- führerin. Sie sieht aber nur wenig Währungsrisiken für ihre Die grössten Währungsrisiken für die KMU Firma, gegen die sie sich konkret absichern kann. «Unser Das grösste Risiko ist der starke Schweizer Franken, ist Geschäft ist sehr wetterabhängig, die Preise können sich Nicola Tettamanti überzeugt. «Rund 90 Prozent unserer immer und sehr kurzfristig ändern.» Die Kölla AG kauft ihre Produkte landen entweder direkt oder indirekt über unsere Fremdwährungen deshalb in der Regel auch zum jeweiligen Schweizer Kunden im Export», so der CEO des Industriezu- Zeitpunkt auf Spot ein. Da die Euro-Käufe des Frucht- und lieferers. Die Rechnung sei einfach: «Steigt der Franken, Gemüsehandelsunternehmens über das gesamte Jahr sinkt unsere Marge. Für unsere Planungssicherheit ist es verteilt anfallen, gleichen sich allfällige Kursdifferenzen in deshalb auch wichtig, dass die Schweizerische National- der Regel auf Dauer wieder aus. Auf spezielle Absiche- bank mit ihren Interventionen eine hohe Sensibilität für den rungslösungen verzichtet die Geschäftsführerin daher. Werkplatz zeigt.» Das Familienunternehmen sichert sich auf zwei Wegen ab. Einerseits mit Termingeschäften bei Louis Siriwardena sieht das Risiko vor allem in Fluktuatio- langfristigen Verträgen. «So können wir einen Grossteil des nen der Wechselkurse, egal in welche Richtung. «Wir Wechselkursrisikos eliminieren», erläutert er. «Für den Rest bezahlen den grössten Teil unserer Kosten in US-Dollar, legen wir gemeinsam mit unseren Beraterinnen und vieles aber auch in Lokalwährungen», sagt der Genfer mit Beratern der Credit Suisse eine Strategie fest, mit der sri-lankischen Wurzeln. «Deshalb ist es für uns umso Sandra Rüegsegger, Geschäftsführerin Kölla AG Die Kölla AG handelt heute weltweit mit Früchten und Gemü- sen und beliefert Gastronomiebe- triebe und den Grosshandel in der ganzen Schweiz. Das KMU feierte im Jahr 2021 sein 100-Jahre- Jubiläum. Sandra Rüegsegger ist seit 18 Jahren im Unternehmen tätig, mehr als 11 Jahre davon als Mitglied der Geschäftsleitung. Devisenumfrage 2022. Einschätzung zur Devisenkursentwicklung 21
Kunden der Credit Suisse und die Corona-Krise besser, je stabiler die Wechselkurse sind.» Die Lokalwäh- habe noch genauere Evaluationen durchgeführt, bevor rungen kauft die Lets Travel SA jeweils auf Vorrat auf Spot wichtige Entscheide getroffen wurden. ein, wenn der Kurs gut ist. «Wir nehmen aber auch hier nie volles Risiko. Wir definieren zuerst die benötigte Menge und Die Credit Suisse als Partner stocken die Menge Schritt für Schritt auf, wenn der Der persönliche und unkomplizierte Kontakt zu den FX- Wechselkurs in einer gewissen Bandbreite bleibt.» Beim Beraterinnen und -Beratern der Credit Suisse ist das US-Dollar nutzt der Reiseveranstalter hingegen Absiche- Wichtigste, bei diesem Punkt sind sich die drei Entschei- rungsinstrumente und setzt auf einen Mix aus Risk-Rever- dungsträger einig. «Man kennt sich und ist regelmässig in sals und Participating Forwards. So kann sich das KMU telefonischem Kontakt. Sie wissen auch genau, welche gegen negative Marktentwicklungen absichern und gleich- Bedürfnisse wir bezüglich Fremdwährungen haben und zeitig zumindest teilweise profitieren, wenn sich die Märkte können uns so sehr gut beraten», findet Sandra Rüegseg- günstig entwickeln. «Damit sind wir bis jetzt sehr gut ger. Mindestens genauso wichtig seien die schnelle gefahren», freut sich Louis Siriwardena. Abwicklung der Geschäfte und die Fachkompetenz der FX-Teams. «Die strategischen Diskussionen, die wir mit Gab es Veränderungen im Absicherungsverhalten? den Beraterinnen und Beratern führen, helfen uns enorm», Die langfristige Strategie bezüglich Währungsabsicherun- sagt Louis Siriwardena. «Und es hat sich bewährt: Wir gen hat sich wegen der Pandemie in keinem der drei KMU können fast immer sehr positive Resultate mit unseren verändert. «Als Familienunternehmen müssen wir immer Fremdwährungsgeschäften erzielen.» langfristig denken», sagt Nicola Tettamanti von der Tecno- pinz SA. «Es zahlt sich nie aus, langfristige strategische Optimistische Zukunftsaussichten Pläne einfach zu verwerfen.» Dennoch sei die Sensibilität Die Lets Travel SA ist bereit für eine starke Erholung. «Der für das Thema Wechselkursrisiken gestiegen und man Nachholbedarf nach Reisen ins Ausland ist sehr gross», Nicola Tettamanti, CEO Tecnopinz SA Nicola Tettamanti führt die Tecnopinz SA gemeinsam mit seinem Bruder Claudio in zweiter Generation. Das Tessiner Famili- enunternehmen stellt seit 1970 hochpräzise Spannsysteme und feinmechanische Einzelteile nach Kundenanforderung her. 22
Louis Siriwardena, CEO Lets Travel SA Die Lets Travel SA aus Genf bietet seit 1993 Reisen nach Asien und insbesondere nach Sri Lanka an. Das Unternehmen arbeitet intensiv und direkt mit lokalen Partnern im Land zusammen. Louis Siriwarde- na hat das Reisebüro gegründet und führt es bis heute. weiss Louis Siriwardena. Ausserdem suchten die Kundin- «Wir haben uns für die nächsten Jahre als Ziel gesetzt, nen und Kunden wieder vermehrt die persönliche Beratung Redundanzen in der Material- und Dienstleistungsbeschaf- in Reisebüros, statt über Internetplattformen zu buchen. fung aufzubauen. So sind wir auch dann in der Lage, weiter «Das ist für uns eine sehr positive Entwicklung.» Der zu produzieren, wenn alles rundherum stillsteht.» optimistische Ausblick wird für ihn nur von zwei Risiken getrübt. Einerseits die Unsicherheit über die weitere Sandra Rüegsegger blickt ebenfalls optimistisch auf die Entwicklung der Pandemie. «Andererseits besteht das nächsten Jahre. Das traditionsreiche Unternehmen mit Risiko, dass der US-Dollar im Vergleich zum Schweizer seiner 100-jährigen Geschichte ist bisher gut durch die Franken an Stabilität einbüsst», so der CEO. «Hier hatten COVID-19-Pandemie gekommen. «Und ich glaube, unsere wir in den letzten Jahren Glück, aber es gibt keine Garan- Branche wird weiter an Attraktivität gewinnen.» Die Trends tie, dass es auch so bleibt.» zu mehr Nachhaltigkeit und einer gesünderen Ernährung würden in der Bevölkerung immer mehr zum Thema. Auch Nicola Tettamanti erwartet im Jahr 2022 auch für die die faire Produktion und der faire Handel mit Lebensmitteln MEM-Industrie Aufbruchstimmung. «Wir sind in einem werden immer wichtiger. «Davon können wir profitieren. Wir boomenden Jahr, der Optimismus in der Branche ist sowohl freuen uns auf die nächsten 100 Jahre», lacht die Ge- in der Schweiz als auch im Ausland gross», sagt er. Für ihn schäftsführerin. ist das Hauptrisiko, dass der Schweizer Franken so stark wird, dass die SNB nicht genug Gegensteuer geben kann. Auch die derzeitige globale Logistikkrise macht ihm Sorgen. Devisenumfrage 2022. Einschätzung zur Devisenkursentwicklung 23
Interview mit Christophe Müller und Oliver Banz Mit flexiblen Absicherungsstrategien Währungsrisiken minimieren 2021 war ein herausforderndes Sie, Herr Banz, führen seit rund einem Jahr den Jahr, in dem viele Unternehmen Bereich KMU Region Zürich. Wie sind Ihre Eindrücke? weiterhin unter schwierigen OB: Etwas Neues anzufangen ist immer spannend und Umständen agieren mussten. gibt mir persönlich sehr viel Energie. Ich durfte ebenfalls viele Kunden treffen und konnte natürlich auch die Mitar- Christophe Müller (CM), Leiter beitenden und die Organisation kennenlernen. Dabei lernt Swiss Large Corporates, und man innert kurzer Frist sehr viel und kann frische Ideen einbringen. Es ist sicher nicht einfach, während einer Zeit Oliver Banz (OB), Leiter KMU Reg- mit vielen Einschränkungen eine neue Führungsrolle ion Zürich, haben ihre Rollen beide anzutreten. Es bieten sich aber auch Chancen und man findet neue Wege, die durchaus inspirierend sein können: vor rund einem Jahr eingenommen Ich traf Mitarbeitende virtuell und physisch, für Einzelge- und sprechen im Interview über sprächen und in Kleingruppen – teilweise auch draussen für einen Spaziergang. ihre Erfahrungen an der Kunden- front und als Leiter von grossen Welche Chancen und Potenziale hat die COVID- 19-Krise im KMU-Bereich aufgedeckt? Abteilungen in dieser anspruchs- vollen Zeit. Zudem erklären sie die OB: Einerseits hat sich einmal mehr gezeigt, dass die Schweizer Wirtschaft sehr widerstands- und anpassungs- Bedeutung von Fremdwährungen fähig ist. Unternehmerinnen, Unternehmer und Führungs- für KMU und grössere Firmen in kräfte im ganzen Land haben – wie schon so oft – überlegt, umsichtig und entschieden gehandelt. Wo nötig, wurde der Corona-Zeit. der Betrieb heruntergefahren, und wo möglich, wurde Bestehendes weitergeführt. Ganz viele haben aber die Chancen genutzt und sich weiterentwickelt, in Produkte Herr Müller, Sie führen seit dem Frühjahr 2021 den oder Absatzkanäle investiert. Auch wenn dies keine Bereich Swiss Large Corporates im Firmenkundenge- neue Erkenntnis ist, bin ich immer wieder begeistert: schäft. Wie haben Sie diese Zeit erlebt – auch mit Die unternehmerische Gestaltungskraft in der Schweiz Blick auf die Einschränkungen durch Corona? ist atemberaubend dynamisch! CM: Es war ein sehr interessanter Start. Ich durfte in Herr Müller, in Ihrer Funktion sind Sie sehr nahe bei kurzer Zeit sehr viele Kunden treffen und kennenlernen den grössten Schweizer Firmenkunden der Credit – physisch, aber natürlich auch virtuell. Dabei habe ich Suisse. Was beschäftigt Ihre Kunden zurzeit? gespürt, dass eine Aufbruchstimmung herrscht. Man will COVID-19 und die damit zusammenhängenden Themen CM: Die Auftragsbücher sind bei vielen Kunden voll – hinter sich lassen und nach vorne blicken. Das Marktumfeld gleichzeitig sind aber die Lieferketten das Sorgenkind. ist in vielen Branchen mittlerweile sehr positiv und es gibt Es ergeben sich immer wieder Verzögerungen und Vers- viele Opportunitäten, welche die Unternehmen wahrneh- pätungen. Dies hat unter anderem Auswirkungen auf die men möchten. Finanzierung und insbesondere auch auf die Fremdwäh- 24
rungsabsicherung. Hier ist es wichtig, dass meine Kollegin- Auswirkungen der COVID-19-Pandemie betroffen. nen und Kollegen nahe bei den Kunden sind und diese Was raten Sie diesen Kunden im Umgang mit Fremd- insbesondere im volatilen Devisenbereich aktiv beraten währungen? und unterstützen. CM: Man muss sich eine Strategie festlegen und diese Wie präsent sind Fremdwährungsrisiken bei Ihren dann konsequent verfolgen. Vor allem muss man sich mit KMU-Kunden gegenwärtig und haben sich diese Absicherungen auseinandersetzen, denn jedes mühsam Risiken seit dem letzten Jahr Ihrer Meinung nach erarbeitete Prozent an Effizienzsteigerung ist bei Vernach- verändert? lässigung der Absicherung unter Umständen im Nu weg. OB: Gelinde gesagt ist die Situation ja alles andere als Sie beschäftigen sich beruflich mit Fremdwährungen, einfach. Einerseits sind die Zinsen in vielen Währungen aber diese spielen natürlich auch im Privatleben eine extrem tief und damit die Volatilitäten niedrig. Das bietet Rolle – fällt Ihnen dazu eine Anekdote ein? die Chance zu langfristigen Absicherungen, ist zuweilen aber auch eine Ausrede dafür, damit abzuwarten. Anderer- OB: Ich war kürzlich in London und hatte daran gedacht, seits sind Risiken vor dem Hintergrund der geopolitischen meine – zugegebenermassen ziemlich alten – Banknoten Situation und der angesprochenen Lieferprobleme sicher- und Münzen mitzunehmen. Die waren schon lange aus dem lich nicht zu unterschätzen. Es kann sich alles schnell Verkehr genommen worden, sodass keine Bank das Geld ändern. umtauschte. Anstatt Sightseeing besuchte ich entspre- chend viele Banken und musste schliesslich sogar tatsäch- Ist das bei den grössten Schweizer Unternehmen lich zum Hauptsitz der Bank of England. Das war dann ähnlich? auch eine Art Sightseeing. CM: Absolut – das momentane Missverhältnis zwischen CM: Ich erinnere mich an eine Reise zum Kilimandscharo. Angebot und Nachfrage, aber auch die hohen Rohstoff- Als Vorbereitung habe ich natürlich Geld in Lokalwährung, preise verlangen eine sehr stringente, gleichzeitig aber also kenianische Schillinge, und eine Handvoll US-Dollar auch flexible Absicherungsstrategie. als Reserve beschafft. Als ich dann vor Ort war, wollte niemand die Schillinge und alle nahmen nur US-Dollar Viele Unternehmen haben eine schwierige Zeit hinter entgegen. Am Ende der Reise habe ich dann das keniani- sich oder sind immer noch von den wirtschaftlichen sche Geld einem lokalen Hilfswerk gespendet. Devisenumfrage 2022. Einschätzung zur Devisenkursentwicklung 25
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