Ein Abgesandter der Götter - Aus dem Leben eines Tibet-Terriers Anita Koschorrek-Müller - kurzgeschichtet

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Anita Koschorrek-Müller

Ein Abgesandter der Götter
 Aus dem Leben eines Tibet-Terriers

      www.kurzgeschichtet.de
© 2021 Anita Koschorrek-Müller

                               Autor
      Anita Koschorrek-Müller, www.kurzgeschichtet.de

                        Umschlaggestaltung
       Daniel Schmitt Design, www.goldenerschmitt.de

                         Verlag und Druck
      tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

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Ein Abgesandter der Götter
ISBN: 978-3-347-20020-3 (Paperback)
         978-3-347-20021-0 (Hardcover)
         978-3-347-20022-7 (e-Book)
Für mein Rudel,

ohne dessen Hilfe dieses Buch nie erschienen wäre.
Mein besonderer Dank gilt Bärbel, Evo und Renate für
           ihre tatkräftige Unterstützung.

                         3
Ein Abgesandter der Götter
Aus dem Leben eines Tibet-Terriers

Vorwort
Von den Göttern gesandt               15
Das neue Rudel                        19
Das DOG-NET                           27
Oh, du fröhliche ...                  29
Pannen und Kommunikationsprobleme     39
Besucher                              43
Leinenführigkeit                      49
Die neue Leine                        51
Erholungsphasen                       57
Mach mal Pause!                       59
Schlafplätze                          65
Bettgeschichten                       67
Die Butter vom Brot                   73
Alles in Butter!                      75
Geburtstage aus Hundesicht            83
Mein Geburtstag                       85
Zwischenhundliche Kontakte            91
Freunde                               93
Außenseiter                          101
Hasso                                103
Die Götter und das Ordnungsamt       109
Hasso muss weg!                      111

                       4
Nahrungsbeschaffungsmaßnahmen   115
Mundraub                        117
Kleine Tiere                    125
Wespen                          127
Besitztum und Neid              133
Mein und dein                   135
Vielseitige Nahrungsquellen     141
Katzenfutter                    143
Musik                           147
Das Klavier                     149
Reinlichkeit                    155
Frühjahrsputz                   157
Begegnungen der anderen Art     165
Schwein gehabt                  167
Vögel und Engel                 173
Die Vögel                       175
Glaubensfragen                  185
Bratwurst an Fronleichnam       187
Paarung                         195
Die Stimme der Natur            197
Nachkommen                      203
Mein Nachwuchs                  205
Hundeschulen                    209
In der Hundeschule              211
Machtkämpfe                     215
Übung macht den Chef            217

                     5
Menschen, Knast und Schopenhauer   223
Frauchen legt sich ins Zeug        225
Artenvielfalt                      229
Athene                             231
Feste feiern                       237
Die Party                          239
Tierärzte                          247
Beim Tierarzt                      249
Essen auf Rädern                   259
Brötchen                           261
Auftrag erfüllt!                   267
Macht‘s gut!                       269
Nachwort                           271

                       6
Vorwort

Haben Sie auch so einen Hund, der nicht hört und den
Sie einfach nicht in den Griff kriegen?
Im Gegenteil, ER hat SIE im Griff. Sie haben alles
ausprobiert: Ratgeber gelesen, sich alle Sendungen von
Hundeflüsterern angeschaut, eine Hundeschule besucht
und sogar einen Hundepsychologen zu Rate gezogen und
nichts hat gefruchtet.
Müssen Sie die mitleidigen Blicke Ihrer Mitmenschen
ertragen, weil Ihr Hund so schlecht erzogen ist?
Instinktiv verfolgt Sie der Satz: Ich habe versagt!

Nein, haben Sie nicht, denn Ihr Hund ist ein besonderer
Hund. Er ist ein Abgesandter der Götter. Sie hatten nie
eine Chance!

„Alles Wissen, die Gesamtheit aller Fragen und alle
Antworten ist in den Hunden enthalten.“
                                         Franz Kafka

                       7
Von den Göttern gesandt

Nachdem die Götter die Welt erschaffen hatten, blickten
sie stolz und schwanzwedelnd auf ihr Werk. Wunder-
schöne Landschaften hatten sie kreiert und natürlich jede
Menge Bäume modelliert, damit die Geschöpfe, die sie
nach ihrem Abbild gestaltet hatten, das Hinterbein heben
und nach Herzenslust markieren konnten.
    Die Götter, Gottvater Bello und seine Gattin Bella,
hatten den ganz großen Wurf gelandet, als sie ein Rudel
Hunde auf dem von ihnen geschaffenen Planeten plat-
zierten. Canis lupus familiaris, vierbeinige Wesen, mit
kurzen oder langen Beinen, manche hatten Steh-, andere
Schlappohren, dazu kleine, spitze, platte oder große
Schnauzen, bevölkerten von nun an die neue Welt.
    Ein besonderes Augenmerk richteten die Götter bei
der Gestaltung der Hunde auf den Schwanz, auch Rute
genannt, der in unzähligen Variationen erschaffen wurde.
An diesem Körperteil konnte man sofort die Gemütsver-
fassung des Hundes erkennen. Bei der Vielfalt der Körper-
behaarung, dem Fell, das die neuen Weltenbürger trugen,
hatten sich die Götter in ihrer Fantasie wahrhaft selbst
übertroffen. Alle Farben waren zu finden, satte Brauntö-
ne, blond in allen Abstufungen, vom tiefen Schwarz bis
zum blendenden Weiß. Manche Hunde trugen ihr Fell
kurz und glatt, andere wiederum lang und lockig.

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Sah man ihnen in die Augen, erkannte man sofort,
dass diese Lebewesen ein Geschenk der Götter waren. Ihr
Blick zeugte von Treue, Stolz, Verstand und Gefühl.
    Bello und Bella blickten zufrieden auf das von ihnen
konzipierte Hundeparadies mit großen Wiesen zum
Herumtollen und weichen Körbchen zum Ruhen. Der
Hundekuchen wuchs auf Bäumen und fiel, wenn er
reif war, den Bewohnern dieses Schlaraffenlandes in die
Schnauze. Alles schien gut.
    Doch nix da! Die Hunde beschwerten sich bei Gottva-
ter Bello und der Göttin Bella über das eintönige Leben,
welches ihnen auf Erden zuteilwurde. Den ganzen Tag
herumtollen und Hundekuchen futtern war ja ganz nett.
Doch das konnte nicht alles sein. Es fehlte an Aufgaben
aus dem Bereich der Dressur und der Pädagogik. Viel-
leicht wäre eine Art Haustier nicht schlecht? Natürlich
nicht nach eigenem Ebenbild. Eventuell ein anderes
Modell, etwas auf zwei Beinen, das die Hundekuchen von
den Bäumen pflücken konnte und man so nicht immer
warten müsste, bis die Dinger herunterfallen.
    Bello und Bella fackelten nicht lange und formten ein
Menschenpaar, Frauchen und Herrchen, damit dieses
fortan dem Hunde untertan sei. Die Hunde wollten ih-
nen viele wichtige Dinge beibringen, die ein Hundeleben
spannender und unterhaltsamer machen sollten, zum
Beispiel Stöckchenwerfen, Bauchkraulen und vieles mehr.

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Doch dies gestaltete sich schwierig. Es gab Menschen, die
waren gefügig und lernwillig, andere wiederum bockig
und dumm. Das Experiment „Hund mit Mensch“ ging
erst einmal tierisch in die Hose.

Die Tibet-Terrier, eine Hunderasse, die auf dem Dach der
Welt zu Hause ist, wurden dazu auserkoren, die aus den
Fugen geratene Beziehung zwischen Hund und Mensch
wieder ins Lot zu bringen. Tibet-Terrier verfügen über ei-
nen eisernen Willen und eine fast überirdische Intelligenz.
Ihnen würde es gelingen, den Menschen klar zu machen,
wer der Herr in der Hundehütte ist. Das Dach der Welt
mit dem Himalaya Gebirge ist dem Thron der Götter am
nächsten. Es gibt daher nur kurze Kommunikationswege
und der Plan wurde schnellstens umgesetzt.
Die Nachkommen des Rüden „Hassan von Changthang“
sollten die Menschheit in ihre Schranken weisen, natür-
lich gewaltlos, allein durch die Kraft des Willens und der
Intelligenz.

Im Oktober 1999 wird ein Wurf Welpen geboren und dies
ist die Geschichte des Ururururenkels von Hassan dem I.,
der als Vierter seines Wurfs das Licht der Welt erblickt.
Und wie man es bei einem Tibet-Terrier nicht anders
erwartet, so ist er sich seines göttlichen Auftrages bewusst.

                             10
Das neue Rudel

Meine Mutter, Biggi von der Rabenhöhe, hat mir und
meinen Geschwistern erklärt, dass wir edlen Geblüts sind,
was immer das auch ist. Nun sitze ich hier, ich, die Num-
mer 4, blühe vor mich hin, und harre der Dinge, die da
kommen. Ein neues Rudel wird mich heute aufnehmen,
mich oder Nummer 5, und das ist für jeden Welpen ein
schicksalsträchtiger Tag.
     Bisher kannte ich nur Mama und meine vier Ge-
schwister. Die waren ganz okay! Nummer 1, 2 und 3
sind schon ausgezogen. Ich und Nummer 5 leben noch
bei Muttern und die wird langsam ungeduldig, weil wir
immer noch zuhause rumhängen. Mama meint, es gäbe
nichts Schlimmeres als Nesthocker, die permanent ans
Gesäuge drängen, obwohl die Milch schon längst versiegt
ist. Sie muss es ja wissen, denn wir sind nicht ihr erster
Wurf. Meinen Vater, Hassan den III., nennt Mama einen
alten Schwerenöter, der nix anderes im Kopf hat als Nach-
kommen zu zeugen. Er ist ein prämierter Deckrüde und
Mama betont stets, dass dieser Job das Einzige ist, was er
gut kann. Sehr klug sei er nicht, doch das wäre bei dieser
Tätigkeit auch nicht notwendig.
     „Kinder, die Intelligenz habt ihr eindeutig von der
mütterlichen Linie geerbt. Da bin ich mir zu hundert
Prozent sicher!“

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Ich habe meinen Erzeuger nie kennengelernt. Wer
weiß, was mir da erspart geblieben ist? Aber, wenn ich
groß bin, werde ich auch Deckrüde. Ist doch ein toller Job,
immer neue Mädels und gutes Futter!
    Das große Tor öffnet sich. Unser Knecht Johann,
der uns immer mit Futter versorgt und auch sonst stets
zu Diensten ist, führt eine Gruppe Menschen herein.
Johann kann man nicht trauen, denn neulich erst hat
er den Tierarzt reingeschleust. Einen unangenehmen
Patron, der Folterwerkzeuge in seiner schwarzen Tasche
mit sich führt. Heute hat Johann unbekannte Leute im
Schlepptau: einen Mann, eine Frau und ihr Junges.
    Ich und Nummer 5 werden begutachtet. Nummer 5
wollen die Leute nicht, weil sie ein Mädel ist.
    „Lieber einen Rüden“, sagt der Mann und unser
Knecht nimmt mich auf den Arm und die Leute begut-
achten mich.
    „Papa, mir gefällt der am besten, weil er schwarz ist“,
meint der kleine Junge.
    Mmh, das Kerlchen hat Geschmack!
    „Und die Fellpflege? Ist die nicht sehr aufwendig?“
    Frauen! Da erübrigt sich jedes weitere Wort. Die Frau
beäugt mich misstrauisch.
    „Wenn Sie den Kleinen gleich an Kamm und Bürste
gewöhnen, klappt das. Jeden Tag fünfzehn Minuten
Fellpflege reichen vollkommen aus. Sie müssen wissen,

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ein Tibet-Terrier haart nicht und deshalb ist es wichtig,
den Hund regelmäßig zu kämmen, sonst verfilzt das Fell“,
erklärt Johann.
    Jetzt nimmt mich der Mann auf den Arm und alle fum-
meln an mir herum. Wie ich das hasse! Dieses Betatschen
und Begrabschen! Der Mann riecht nach Seife, die Frau
nach Desinfektionsmitteln, genau wie der Tierarzt, und
der Junge nach Erde. Schließlich, nach längeren Verhand-
lungen, geht Geld über den Tisch. Es ist nicht zu glauben!
Ich werde verschachert wie auf dem Sklavenmarkt!
    In meiner Heimat, in Tibet, gibt es so etwas nicht.
Schafe und Ziegen werden dort verkauft, aber doch keine
Hunde. Hunde sind ein Geschenk der Götter.
    Es reicht gerade noch für ein „Gha le Schök, Mama!“,
das heißt auf Tibetisch „Tschüss“ und schon sitze ich in
einem Auto. Ich habe auf einer weichen Decke auf dem
Rücksitz Platz genommen und bewahre Haltung. Mama
hat uns Kindern immer eingeprägt, dass Haltung bewah-
ren für einen Hund edlen Geblütes sehr, sehr wichtig ist
– Kopf hoch und Brust raus!
    Neben mir sitzt der kleine Junge, nimmt mich in den
Arm und flüstert mir ins Ohr, dass ich nun sein bester
Freund sei.
Mein lieber Junge, mit der Freundschaft ist das so eine
Sache. Die muss man sich erst verdienen und man muss
auch etwas dafür tun, sonst ist sie nichts wert. Das hat mir

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alles meine Mama beigebracht. Freundschaft ist Geben
und Nehmen! So, und wenn du mir jetzt die Leckerlis aus
deiner Hosentasche gibst, dann sind wir auf einem guten
Weg.
    Der kleine Junge versteht mich ohne Worte und ich
fresse mich satt. Doch dann mischt sich die Frau in unsere
aufkeimende Freundschaft.
    „Gib dem Hund nicht so viel Leckerlis, sonst wird ihm
schlecht!“
    Ich ahnte es, mit dieser Frau wird es nicht einfach
werden. Hilfesuchend blicke ich meinen neuen Freund
an, doch der zuckt nur mit den Schultern. Dieses Weib
scheint im Rudel das Sagen zu haben, aber darüber ist
noch nicht das letzte Wort gesprochen.
    Ups, mir wird schlecht! Die kurvenreiche Uferstraße,
auf der wir unterwegs sind, fordert ihren Tribut. Nach
einigem Würgen ist das delikate Hundefutter wieder da.
    „Das war ja vorauszusehen“, keift die vermeintliche
Rudelführerin, hebt mich in die Höhe, packt die Decke
mit dem aufgeweichten Futter und lässt alles verschwin-
den.
    He, was soll das denn? Das waren meine Leckerlis und
die hätte ich gerne ein zweites Mal gefressen, jetzt, wo
sie schon ein wenig eingeweicht sind! Aber egal, mir ist
immer noch schlecht.
    Im neuen Zuhause angekommen, geht es mir wieder

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besser. Sofort mache ich mich auf die Pfoten, um meine
neue Unterkunft kennenzulernen. Im Flur stehen ein
schönes, bequemes Körbchen, ein leerer Fressnapf und
eine Schüssel mit frischem Wasser. An einem Haken an
der Wand hängen ein rotes Halsband und eine Leine. Die
hätten meine neuen Leute wirklich nicht besorgen müs-
sen. Wozu braucht Hund denn eine Leine? Ach so, Hund
braucht keine Leine, aber Mensch braucht eine. Ich muss
meine Leute ja ausführen, hatte ich ganz vergessen, täglich
an die frische Luft, das wird ihnen guttun. Meine Nase
führt mich die Treppe hinunter in den Keller. Auweia,
diese Stufen sind arg hoch und so überwinde ich den Rest
des Weges kugelnd.
    Aha, unter der Kellertreppe steht ein großer Sack
hochwertiger Spezialnahrung für Welpen, zwei - zwölf
Monate und für trächtige, säugende Hündinnen. Da
sich keine Hündinnen und andere Welpen in der Nähe
befinden, ist der ganze Sack für mich!
    „Papa! Der Hund ist die Treppe runtergefallen“, ruft
der kleine Junge und der Mann eilt mir zu Hilfe.
    Er nimmt mich auf den Arm, trägt mich in ein großes
Zimmer mit weichen Sitzgelegenheiten und legt mich
behutsam auf ein seidig glänzendes Kissen.
    „Hat er sich was gebrochen?“, fragt der kleine Junge
besorgt.
    „Ich glaube nicht“, sagt der Mann, der wohl der Vater

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des Jungen ist, während er mich abtastet. „Scheint alles okay
zu sein.“
Die Frau betritt das Zimmer und legt gleich los.
    „Was soll das denn? Wir hatten doch abgemacht, dass
der Hund nicht auf die Couch kommt!“
    „Mama, der Hund ist die Treppe runtergefallen!“,
erklärt mein kleiner Freund.
    „Und?“, hakt sie nach. „Ist ihm was passiert?“
    „Nein, nein!“, der Mann streichelt mir über den Kopf.
„Er hat Glück gehabt.“
    „Dann setz ihn sofort auf den Fußboden, er soll nicht
auf die Couch“, ereifert sich die vermeintliche Chefin des
Rudels.
    „Ja, ja, ist ja gut. Reg dich ab. Ich musste erst nachse-
hen, ob nichts gebrochen ist.“
Na, endlich gibt er ihr Kontra! Wieso lässt der Mann sich
das alles gefallen, wo er doch viel größer ist als sie? – Jetzt
könntet ihr aber aufhören zu streiten, ich muss nämlich
mal.
Dringend!
    „Die Couch ist für den Hund tabu, ohne Ausnahme!“
Die gibt keine Ruhe, aber wenn ich nicht bald nach drau-
ßen kann, dann ...
    „Der Hund hat Pippi gemacht“, ruft der kleine Junge
und deutet auf die dunkelrote Stelle auf dem hellroten
Kissen.

                             16
„Was hab ich denn gesagt!“
    Die Frau packt das rote Kissen, auf dem ich es mir
bequem gemacht habe und trägt es, mit mir oben drauf,
aus dem Haus. Dann packt sie mich am Kragen und setzt
mich auf die Wiese. Das Kissen hält sie an nur einem Zip-
fel fest, während der gegenüberliegende Zipfel tröpfelt.
Diese Frau ist die Mama des kleinen Jungen, das habe ich
inzwischen herausgekriegt. Armes Kind!
    „Das schöne Seidenkissen ist ruiniert“, stellt sie er-
nüchtert fest, während ich mich im Garten umsehe. Was
interessiert mich denn dieses blöde Kissen!
    Sie wird noch viel lernen müssen, diese Frau, bis sie in
der Lage ist, mit einem Hund edlen Geblüts unter einem
Dach zu leben. Als Erstes werde ich ihr beibringen, wie sie
sich die zeitlichen Abläufe meiner Ausscheidungsprozesse
verinnerlicht.
Nicht dass ich ihr das intelligenzmäßig nicht zutrauen
würde, doch sie hat einen schwierigen Charakter, neigt zu
Größenwahn und Hysterie.

                            17
Das DOG-NET

Rund um den Erdball spannt sich das sogenannte DOG-
NET. Die Götter Castor und Pollux, die Erfinder des Bel-
lo-Phones, sind die Administratoren dieses Netzes, das
dem Internet der Menschen um viele Schnauzenlängen
voraus ist.
   Die Sensoren, die überall an Bäumen angebracht
sind und jede Duftmarke und jeden Geruchsfaden, der
durch die Luft schwebt, sofort analysieren, arbeiten mit
größter Präzision. Innerhalb von Nanosekunden schießen
die Informationen durchs DOG-NET und so erfahren die
Götter blitzschnell, wie es um die vielen pädagogisch
untermauerten Dressurprojekte bestellt ist, die die Göt-
ter in Auftrag gegeben haben. Die Nachrichten kommen
aber nicht nur direkt vom Nachfahren des Tibet-Terriers
„Hassan von Changthang“, der jetzt den Namen „Blacky
Müller“ trägt und unter dessen Leitung dieses Erziehungs-
seminar für Menschen durchgeführt wird, sondern auch
von den Hunden, die in der Nachbarschaft des jeweiligen
Schulungsortes leben. Hundespielplätze, Welpenschulen
und anderweitige Treffpunkte der Canis lupus familiaris
sind ebenfalls hervorragende Informationsquellen.
Die Nachrichten, die man über die Erziehungsarbeit des
schwarzen „Blacky Müller“ erhält, klingen äußerst vielver-
sprechend.

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