Ein fataler Fehler Kommentar zur Schließung der Gruner + Jahr-Pressedatenbank - Zeitschrift info7

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Ein fataler Fehler Kommentar zur Schließung der Gruner + Jahr-Pressedatenbank - Zeitschrift info7
Aktuelles                                                                                                                   3

Ein fataler Fehler
Kommentar zur Schließung der Gruner + Jahr-Pressedatenbank
Günter Peters

Am 19.1.2021 hat Gruner + Jahr im hauseigenen                Nun ist Google ja nicht wirklich neu, das Vor­
„Greenport“ verkündet, eine „neue Recherche-Infra­      han­densein von Online-Archiven von Zeitungen
struktur für G+J“ einzurichten und deshalb die G+J-     und Zeitschriften auch nicht. Soziale Medien sind
Pressedatenbank zu schließen. Ab 2022 sollen nur        seit etlichen Jahren Informationsquellen für Journa­
noch die hauseigenen Quellen im neu zu schaffen-        lis­ten, Fact Checker und Dokumentare. Jetzt zu kon-
den „Marktplatz der Informationen“ neben Zugän­         statieren, dass diese Entwicklungen die Informa­
gen zu „Datenbanken mit Presseartikeln internatio-      tions­welt dramatisch verändert haben, ist eine vor-
naler, nationaler und regionaler Printmedien“ sowie     geschobene Begründung für Einsparungen. Übri­-
„Zugänge(n) zu wichtigen Digitalarchiven“ vorhan-       gens haben andere Medienhäuser die Recherche
den sein.                                               und Informationsbeschaffung in und aus den sozia­
      Seit Mitte 2020 entstand bei G+J das „Quality     len Medien in die Arbeit ihrer Archive integriert
Board“ aus den Schlussredaktionen und Verifika­         beziehungsweise zwischen Redaktionen und Doku­
tions­re­ss­ orts der G+J- News- und Wissensgruppen,    mentaren aufgeteilt. So geht es auch.
dem „Contentservice“, der die G+J-Pressedatenbank            Ein paar Fakten: Die G+J-Pressedatenbank be-
erstellt und dem dazu gehörenden Recherchedienst,       steht zum allergrößten Teil aus Artikeln externer
der für G+J-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie      Quellen und zu einem kleinen Teil aus G+J-Arti­
für externe Kunden Recherchen durchführt. Die Lei-      keln. Alle Ar­tikel ab dem 1.1.1973 sind einheitlich
­­ter des „Quality Boards“, Norbert Höfler, ehemals     verschlagwortet und ab 1998 auch im Volltext in
ein Stern-Ressortleiter, und Tobias Hamelmann, ein      der Daten­bank vorhanden. Seit Mai 1998 ist diese
Fact Checker bei Geo, begründen den Schließungs­        Daten­bank online im Internet und im Intranet von
be­schluss so: „Die Welt der Informationen hat sich     G+J recherchierbar, natürlich auch rund um die Uhr.
dra­matisch verändert. (…) Es gibt immer mehr Online-   Die überregionalen Zeitungen sind am Erschei­
Quellen, auf die Journalist*innen zugreifen – und       nungs­tag im Volltext in der Pressedatenbank vor-
zwar in Echtzeit.“ Journalisten würden kaum noch        handen. Die G+J-Presse­datenbank ist eine aktu­
„direkt über Schlagworte“ suchen, „fast alle nutzen     elle, verschlagwortete, online verfügbare Volltext­
die Volltextsuche oder moderne Suchma­schinen.“         datenbank, die älteste Deutschlands und Europas.
Wie zum Beispiel Google. „Ob „Süddeut­sche Zeitung“,    In dieser Daten­bank werden von den Nutzern seit
„New York Times“ oder „Economist“ – diese und an-       über 20 Jahren Volltextre­cherchen durchgeführt.
dere wichtige Quellen sind jederzeit rund um die Uhr
verfügbar. Alle sind nur einen Klick entfernt und
fast alle ermöglichen über einen Suchschlitz die              Zur Person:
Volltextsuche.“                                               Günter Peters war von 1993 bis 2008
                                                              Leiter der G+J Textdokumentation,
      Der Input, also das Lektorat und die Speiche­           dann war er bis zu seiner Verrentung
rung externer Quellen, sollen aufgegeben werden,              2015 Leiter der G+J Dokumen­tation.
die Informationen aus diesen Quellen sollen in den            In all den Jahren war er dokumenta-
                                                              risch, juristisch und organisatorisch
Datenbanken des „Marktplatzes“ recherchiert wer-              für die Führung der G+J-Pressedaten­
den. Zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des                bank verantwortlich. Er war Mitglied
„Contentservices“ sind durch die Veränderung be-              im Vorstand der Fach­gruppe 7 im VdA
                                                              und im vfm-Vorstand, dort auch im       Günter Peters
troffen, ihre Stellen werden wegfallen. Durch den             Geschäfts­führenden Vorstand. Von       guenter.peters-vfm@
Verzicht auf externe Quellen sollen wohl auch die             2014 bis 2017 war er Studienleiter      t-online.de
Beschaffungs- und Lizenzkosten für diese entfallen.           des vfm.
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    Und da viele von ihnen gern wie bei Google recher-       zu bezahlen, wird G+J keine Recherchen in exter-
    chieren, gibt es in der G+J-Pressedatenbank seit         nen Daten­banken durchführen können.
    Jahren einen „Suchschlitz“, der wie eine „moderne“           In den sozialen Medien muss man mit einem
    Suchmaschine funktioniert. Die Artikel-Verschlag­        privaten Account dabei sein, um Informationen zu
    wortung in dieser Datenbank ist ein Hilfsmittel für      bekommen und auszutauschen. Diese Recherchen
    Rechercheprofis bei der Re­cherche komplizierterer       machen einen größer werdenden Teil der journalis­
    Themen.                                                  tischen und dokumentarischen Arbeit aus, sind
        Die veränderte Informationswelt, die Struk­-         aber auch kein Grund, eine bestehende Presseda­
    tur oder Aktualität der G+J-Pressedatenbank sind         ten­­bank zu schließen, denn Presseartikel sind dort
    nicht die Gründe für die Schließung dieser Presse­       selten zu finden.
    daten­bank.                                                  Anstelle in einer Datenbank, in der die für jour-
        Der Recherchedienst im „Quality Board“ soll blei­-   nalistische Recherchen relevanten Quellen einheit-
    ben und sich wie die selbst recherchierenden Mit­ar­-    lich aufbereitet vorhanden sind, dürfen die G+J-Mit­
    beiter­innen und Mitarbeiter von G+J im „Marktplatz      arbei­terinnen und -Mitarbeiter ab 2022 in mehre-
    der Informationen“ bedienen. Dort werden sie ne-         ren Da­tenbanken mit unterschiedlichen Beständen
    ben dem hauseigenen Archiv wohl Zugänge zu               suchen. Nacheinander, nicht gleichzeitig. Es liegt auf
    LexisNexis, Genios und Factiva vorfinden, Daten­         der Hand, dass die Recherchen dann länger dauern
    banken, in denen viele Presseinformationen im            und somit aufwändiger werden. Was daran „modern“
    Volltext vorhanden sind. Die Recherchen darin sind       sein soll, erschließt sich mir nicht.
    kostenpflichtig und man sollte besser geübt sein,            Mit dem Ende der Pressedatenbank wird das
    dort Informa­tio­nen zu suchen, sonst könnte es          Lek­torat, der „Contentservice“, geschlossen, wer-
    teuer werden.                                            den Personal- und Sachkosten gespart, das ist mei-
        Vielleicht werden die Millionen der bislang ge-      nes Erachtens der Kern dieser Entscheidung. Dafür
    speicherten Artikel aus externen Quellen weiter in       werden sich die Kosten für Recherchen erhöhen,
    der Pressedatenbank zugänglich sein, denn etliche        allerdings erscheinen sie ab 2022 nicht im Etat des
    Ver­träge mit anderen Verlagen beinhalten eine dau-      „Quality Boards“, sondern in denen der G+J-Redak­
    erhafte Nutzung. Wenn aber nicht: die vorhandenen        tionen. Gut für die Leitung des „Quality Boards“,
    Volltexte müssten gelöscht werden und G+J auf die        schlecht für die Redaktionen. Die werden versu-
    Online-Archive dieser Titel zugreifen. Diese sind        chen diese Kosten zu begrenzen, also weniger oder
    kostenpflichtig und nicht alle haben ihren ganzen        kostengünstiger zu recherchieren. Für mich ist dies
    Bestand digitalisiert.                                   der Anfang einer Abwärtsspirale oder, neutraler
        Für journalistische Recherchen in externen           ausgedrückt, eines anderen Journalismus als wir
    Daten­banken braucht man entsprechende Verträge          ihn bislang von G+J kennen.
    und so fallen dort auch Lizenzkosten für G+J an. In          Die Schließung der G+J-Pressedatenbank ver-
    Online-Pressearchiven mit privaten Accounts zu re-       schlechtert die Recherchemöglichkeiten von G+J.
    cherchieren, verbieten deren Allgemeine Geschäfts­       Der Ver­lag kappt einen wesentlichen Teil seiner
    be­din­gun­­gen (AGB), wie zum Beispiel die der Süd­     Informa­tions­grundlage und wird bei journalisti-
    deutschen Zeitung. Hier dürfen die Artikel nur           schen Recher­chen abhängig vom Zugang zu exter-
    „aus­schließlich zu eigenen, nichtkommerziellen          nen Informa­tionsquellen. Frank Thomsen, der für
    Zwecken“ genutzt werden, ähnlich lauten die AGB          das „Quality Board“ zuständige „Publisher News
    von F.A.Z. und Genios. Die Verletzung von AGB an-        und Wissen“, beschreibt im Greenport ebenfalls am
    derer Verlage durch die Nutzung privater Accounts        19.1.2021 die „neue Recherche-Infrastruktur für
    für journalistische, also publizistische Zwecke,         G+J“ so: „Die Informationsbeschaffung wird vielfäl-
    dürfte auch den Compliance-Richtlinien von G+J           tiger und vielerorts auch einfacher als in der
    und Bertelsmann zuwiderlaufen.                           Vergan­gen­heit.“
        Die Lizenzkosten für die bisherige Speicherung           „Vielfältiger“ wird sie, das ist sicher, wobei dies
    externer Artikel in der G+J-Pressedatenbank ver-         ein Euphemismus für unübersichtlicher und schwie­-
    schieben sich zumindest zu einem großen Teil ab          riger ist. „Vielerorts einfacher“ wird die zukünftige
    2022 in die Kosten von lizensierten Zugängen für         Informationsbeschaffung bei G+J eher nicht, son-
    Recher­chedienst und Redaktionen. Ohne Lizenzen          dern insgesamt aufwändiger.
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Aktuelles                                                                                                                5

https://www.guj.de/geschaeftskunden/pressedatenbank (6.3.2021)

    Das Beste zum Schluss: wie dieser „Marktplatz         mus, mit dem G+J erfolgreich war und der seinen
der Informationen“ aussehen wird, welche Recher­          Namen begründet hat. So könnte diese fatale Fehl­
che­­mög­lichkeiten er beinhalten wird, ist noch nicht    ent­schei­dung ein Sargnagel für den Verlag werden.
klar. Auf die Frage, was es da gebe, antwortet Nor­       Ich hoffe, dass ich mich irre.
bert Höfler: „Verschiedene Zugänge zu Datenbanken,
welche das konkret sein werden, klären wir in den         Quellen: Neue Recherche-Infrastruktur für G+J. In: Greenport
nächsten Monaten.“ Schon mal die Arbeitsplätze            G+J 19.1.2021
von zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern strei-         „Die Welt der Informationen hat sich dramatisch verändert“.
                                                          Interview mit Norbert Höfler und Tobias Hamelmann. In:
chen, Verträge mit externen Verlagen kündigen,            Greenport G+J 19.1.2021
ohne zu wissen (oder sagen zu wollen), was man            AGB des Archivs der Süddeutschen Zeitung: (https://ser-
dann an Recherche­möglichkeiten anzubieten ge-            vice.sueddeutsche.de/lesermarkt/service/agb.html)

denkt – das ist allerdings eine neue Seite an G+J.
Das Prinzip lautet: wir sparen Kosten und Mitarbei­
terinnen und Mitarbeit­er, schauen, was übrigbleibt
und nennen das dann „Qualität“ und „moderne“
Informationsversorgung.
    2022 wäre die G+J-Pressedatenbank 50 Jahre alt
geworden, dass sie nun durch Redakteure geschlos-
sen wird, die in all diesen Jahren am meisten von ihr
profitiert haben, ist eine traurige, furchtbare Ironie.
Die Datenbank, auf die Henri Nannen stolz war,
wird von seinen Nachfolgern schnöde eingestellt.
    Ich denke, dass G+J mit der Schließung der
Presse­datenbank eine wesentliche Voraussetzung
für Qualitätsjournalismus aufgibt. Den Journalis­
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    Update*                                                        Bei mir festigt sich der Eindruck, dass die Lei­
                                                              tung des „Quality Boards“ nichts von der Führung
                                                              einer Pressedatenbank und Dokumentation ver-
    Wie schließe ich eine Presse­-                            steht und sich nicht genügend Zeit nahm, um sich
    daten­bank, ohne ein Konzept für                          in diese komplexe Thematik einzuarbeiten. Dann
    die Zeit danach zu haben?                                 haben sie ihr eigenes Rechercheverhalten auf ganz
                                                              G+J und die Kunden der G+J-Pressedatenbank hoch­-
    Günter Peters
                                                              gerechnet, und die für sie einfachste Lösung gewählt:
                                                              weg mit den externen Quellen und der Artikelver­
                                                              schlag­­wortung, über die Konsequenzen reden wir
    Seit mein Kommentar „Ein fataler Fehler“ im Januar        später. Zu teuer und „unmodern“ sei dies, wurde
    auf der vfm-Homepage veröffentlicht wurde, gibt es        dann behauptet. Es gebe ja Volltexte, E-Paper und
    einige neuere Entwicklungen bei der Schließung            soziale Medien – „Alle sind nur einen Klick ent-
    der G+J-Pressedatenbank.                                  fernt, und fast alle ermöglichen über einen Such­
                                                              schlitz die Volltextsuche.“ (Tobias Hamelmann,
    So wurden die ersten Kündigungen ausgesprochen            Leiter des „Quality Boards“). In Wirklichkeit sind
    und Auflösungsverträge verhandelt und es ist klar,        es schon jetzt mindestens zwei Klicks und es wer-
    dass das Lektorat externer Pressetitel bei G+J Ende       den ab 2022 noch viel mehr werden. Volltextsuche
    2021 eingestellt wird. Die Leitung des „Quality Boards“   als Lösung für journalistische Recherchen – eine
    macht sich Gedanken über die Recherchemöglich­            alte wie immer noch falsche Behauptung.
    kei­ten in diesen externen Quellen ab 2022. Es wur-            Nun hat G+J das Recht, seine Pressedatenbank
    den Arbeitsgruppen eingerichtet, in denen beraten         zu modifizieren, zu stutzen und auch zu schließen,
    wird, wie eine Aufbewahrung der bislang gespei-           ich selbst habe drei „Evaluationen“ mit damit ver-
    cherten und weiterhin zu nutzenden externen Ar­ti­        bundenen erheblichen Einsparungen an Personal
    kel aussehen könnte. Das Papierarchiv aus der Zeit        und Sachkosten durchgeführt, dabei allerdings die
    bis 1972 steht zur Disposition. Da zwei Lektorinnen       G+J-Pressedatenbank erhalten. Kosten einzusparen
    altersbedingt ausgeschieden sind, können nicht mehr       ist in allen Medienhäusern eine gängige Praxis. Aber
    alle bislang lektorierten Titel ausgewertet werden,       von dem Leitungspersonal einer Presseda­ten­bank
    weshalb etliche dieser Titel seit dem 1. März 2021        darf man erwarten, dass dann Alternativen für die
    nur im Volltext in die G+J-Pressedatenbank einlau-        Informationsbeschaffung und zukünftige Recher­
    fen. Nun hat G+J bei diesen Titeln nur ein einge-         che­möglichkeiten ausgearbeitet werden. Ein solches
    schränktes Speicherungsrecht: nur die lektorierten        Konzept muss stehen, bevor eine Schlie­ßung ver-
    Artikel dürfen dauerhaft gespeichert werden, die          kündet wird, alles andere ist in meinen Augen ein
    nicht lektorierten Volltexte müssen nach kurzer Zeit      sehr unprofessionelles Vorgehen.
    gelöscht werden. Kurz: Kein Lektorat = kein Volltext.          Fassen wir zusammen: die G+J-Pressedatenbank
    So ergibt sich die erste Lücke im Bestand der G+J-        ist ab 2022 Geschichte, die ersten Bestandslücken
    Pressedatenbank. Mit der Folge, dass dann Nutzer          gibt es jetzt schon. G+J hat so für die anstehenden
    der G+J-Pressedatenbank, die Informationen aus            Kooperationsgespräche mit RTL ein journalisti-
    diesen Titeln benötigen, in der G+J-Pressedaten­          sches Alleinstellungsmerkmal weniger, nämlich die
    bank und in mindestens einer externen Datenbank           älteste Pressedatenbank Europas. Die beiden Leiter
    suchen oder schlechtere Rechercheergebnisse in            des „Quality Boards“ stehen nun unter Erfolgsdruck
    Kauf nehmen müssen. Wie sagte doch Publisher              und bald auch unter Zeitdruck, denn eine gute Er­
    Frank Thomsen im G+J-Greenport: „Die Informa­             satzlösung für die G+J-Pressedatenbank schüttelt
    tions­beschaffung wird vielfältiger und vielerorts        man nicht aus dem Ärmel. Die Entscheidung zur
    auch einfacher als in der Vergangenheit.“ Nun wis-        Schließung der G+J-Pressedatenbank entpuppt sich
    sen wir, was das bedeutet: Mehraufwand bei der            immer mehr als ein fataler Fehler.
    Recherche. Oder schlechtere Rechercheergebnisse
                                                              *Stand: 5.3.2021
    mit dem Einstieg in eine mindere journalistische
    Qualität bei Gruner + Jahr.
Aktuelles                                                                                                             7

„An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“
(Matth. 7, 16)
Reaktionen aus der Community zur beabsichtigten
Schließung der G+J-Pressedatenbank
Zusammengestellt von Axel Pult

                                                       qua­litativ hochwertige Auswahl an fremden Beit­rä­
 Liebe Leser*innen,
                                                       gen ermöglicht, wenn die altehrwürdige G+J-Presse­-
 die beabsichtigte Schließung der G+J-Presseda­
                                                       datenbank schon aufgegeben und Mitarbeiter frei-
 ten­bank stellt ein einschneidendes Ereignis in
                                                       gestellt werden sollen. Dass der Markplatz einen
 der Entwicklung der deutschsprachigen Medien­
                                                       adäquaten Ersatz bietet, ist allerdings nur sehr
 do­ku­mentationslandschaft dar. Das bestätigen
                                                       schwer vorstellbar.
 auch die Reaktionen aus Ihrer Mitte, die Sie in
                                                       Petra Schwarze, Leitung DuMont Content Center
 dieser Ausgabe der info7 lesen können. Die
 info7-Redaktion bleibt am Ball und möchte für
                                                       Inhaltliche, lizenzrechtliche und finanzielle
 die Aus­gabe 2/2021 eine Bestandsaufnahme er-
                                                       Auswirkungen
 stellen, wo noch „eigene“ Pressedatenbanken von
 Doku­mentationsstellen betrieben werden und           Als ich in den neunziger Jahren zusammen mit mei-
 wie sich diejenigen, die diese Möglichkeit nicht      nen damaligen KollegInnnen eine Pressedatenbank
 (mehr) haben, mit Presseinformationen versor-         für die Deutsche Welle planen durfte, wurde mir
 gen. Ent­weder Sie haben diesbezüglich (etwa          von Seiten der Geschäftsleitung auch durchaus zu
 über Medoc) schon von uns gehört oder wir wer-        Recht die Frage gestellt, ob nicht durch die zuneh-
 den Sie in den nächsten Tagen ansprechen. Wenn        mende Verbreitung von Volltextinformationen über
 Sie – inspiriert durch die Lektüre des Presse­        das Internet der Aufbau einer internen Pressedaten­
 datenbanken-Komplexes in diesem Heft – zu un-         bank obsolet werden würde. Erfreulicherweise ge-
 serer Bestands­aufnahme oder darüber hinaus et-       lang es mir damals, der Geschäftsleitung die inhalt-
 was beitragen möchten, steht die info7 als Platt­     lichen, lizenzrechtlichen und finanziellen Auswir­
 form für einen Meinungsaustausch immer zur            kungen einer Nutzung höchst unterschiedlicher
 Verfügung.                                            Angebote durch die Redaktionen vor Augen zu füh-
 axel.pult@info7.de                                    ren. Die weitere Entwicklung hat die Richtigkeit
                                                       dieser Entscheidung bestätigt.
                                                       Felix Kresing-Wulf, Leiter der Abteilung Archive/Bibliothek/
Von der Gleichzeitigkeit zum Nacheinander              Dokumentation (ABD) der Deutschen Welle i.R.

Was passieren wird, wenn die Redakteure von G+J
                                                       Falsche Schlussfolgerung
ihre Recherchen in verschiedenen und kostenpflich-
tigen Datenbanken durchführen müssen, ist leicht       Günter Peters bezieht sich in seinem Kommentar
auszudenken: Es wird nicht mehr so viel und so         zur Schließung der Gruner + Jahr-Datenbank auf
um­fassend recherchiert wie bisher, weil es zu um-     Norbert Höfler und Tobias Hamelmann und deren
ständlich ist (verschiedene Zugänge, verschiedene      Feststellung „Die Welt der Informationen hat sich
Zahlungsmodalitäten, Gleichzeitigkeit einer Recher­    dramatisch verändert …“ und die beiden Herren ha-
che wird zu einem Nacheinander von Recherchen).        ben natürlich Recht. Aber – sie ziehen daraus die
Das führt zu schlechteren, unvollständigen, beliebi-   falsche Schlussfolgerung, man könne jetzt auf eine
gen Recherche-Ergebnissen. Und sobald der ge-          eigene Datenbank und dann wohl auch auf Doku­
neigte Leser dies merkt, zu finanziellen Einbußen.     mentare mit besonderen Recherchequalitäten ver-
    Es ist sehr zu wünschen, dass der geplante         zichten. Als wir beim Südwestfunk in den siebziger
„Markt­platz“ wenigstens eine unabhängige und          Jahren mit dem Hinweis auf die Dokumentation
8                                                                                                              info7 1 | 2021

    beim SPIEGEL und bei Gruner+Jahr die Hauptab­tei­               Keine Millionen-Dividenden
    lung Dokumentation und Archive aufbauten und
                                                                    Es wirkt nostalgisch, wenn wir älteren Semester
    die Funktion des Dokumentationsredakteurs, die
                                                                    den jungen KollegInnen erzählen, wie Pressedo­ku­
    wir bei beiden Einrichtungen abguckten, einführ-
                                                                    mentation einst betrieben wurde. Das betrifft nicht
    ten, hatten wir einen Intendanten, der selbst sorg-
                                                                    nur die eingesetzte Technologie, sondern vor allem
    fältig recherchierender Journalist in Radio und
                                                                    auch den Anspruch an die Qualität. Und es ist wie
    Fernsehen gewesen war und uns unterstützte.
                                                                    in allen Bereichen: Qualität ist nicht umsonst und
    Prof. e.h. Wolfgang Hempel, Hauptabteilungsleiter des
                                                                    hat ihren Preis. Das Geschäftsmodell der Presse­ver­
    Südwestfunks/Südwestrundfunks Baden-Baden i.R.
                                                                    lage war lukrativ, Qualitätsjournalismus ließ sich fi-
                                                                    nanzieren und mit ihm eben auch eine qualifizierte
    Eine Ära geht zu Ende
                                                                    Pressedokumentation als Grundlage für Recherchen.
    Ich habe als Studentin aus Berlin in den 90er Jah­                  Inzwischen hat der Wind gedreht, die Einnah­
    ren ein Praktikum in der Pressedokumentation bei                men aus der Werbung, welche die journalistische
    G+J gemacht. Die Kolleginnen und Kollegen waren                 Arbeit finanziert hatten, sind ins Netz und dort zu
    alle fachlich nicht nur versiert, sondern auch tech-            den Giganten wie Google und Facebook gewandert
    nisch fit und offen für Neuerungen (damals die au-              und werden nie mehr zurückkommen. In der Schweiz
    tomatische Indexierung) und dazu noch innovativ                 haben wir in den letzten 15 Jahren erlebt, was dies
    (z.B. mit der Erfindung der Ereignisdatenbank).                 bedeutet. Zeitungsverlage haben ihre Dokumenta­
        Die Zeit damals hat mich persönlich und beruf-              tions­abteilungen längst geschlossen. Sogar die
    lich stark geprägt. Mit der Einstellung der Presseda­           altehrwürdige NZZ hat ihre Qualitätsansprüche auf-
    ten­bank geht in meinen Augen eine Ära zu Ende.                 gegeben, das Korrektorat nach Bosnien ausgelagert.
    Ich wünsche allen MitarbeiterInnen alles Gute für                   Gleichzeitig gibt es in der Schweiz auch Beispie­
    die Zukunft!                                                    le, wie heute noch Qualitätsjournalismus möglich
    Sonja Rückert, Der Tagesspiegel, Recherche/Dokumentation        ist. Einerseits die (gedruckte) linke Wochenzeitung
                                                                    (WOZ), welche seit 40 Jahren gut recherchierte Hin­
    Anspruchsvoller Qualitätsjournalismus ade                       tergrundinformationen liefert. Andererseits seit 2
                                                                    Jahren das linksliberale Online-Magazin republik.
    Leider kennt man Schließungen von Rechercheab­
                                                                    ch, das täglich 2-3 fundierte Hintergrundge­schich­
    teilun­gen seit Jahren aus der Wirtschafts- und Ban­
                                                                    ten bringt. Beiden ist gemeinsam, dass sie keine
    kenbranche. Doch dass jetzt auch in einem traditio-
                                                                    Millionen-Dividenden für Aktionäre erwirtschaften
    nellen Medienunternehmen wie G+J an falscher
                                                                    müssen und eine Leserschaft gefunden haben, die
    Stelle gespart werden soll, überrascht mich doch.
                                                                    für gute Information bereit ist, mehr zu bezahlen.
        Am Ende wird also für Artikel der G+J-Publika­
    tionen nur noch über Google recherchiert werden                 Josef Wandeler (ehemals Trialog AG)
    (anspruchsvoller Qualitätsjournalismus ade) oder
                                                                    Leser-/Kunden-Bindung
    die Lizenzkosten für externe Datenbanken werden
    an die Leser weitergegeben (Schere zwischen Arm                 Ein solches Pressearchiv ist neben seinem Nut­zen
    und Reich vergrößert sich). Die Schließung der                  für die tägliche Arbeit der Dokumentare auch eine
    Pres­sedatenbank ist ein Armutszeugnis.                         Möglichkeit, Leser/Kunden an ein Produkt zu binden.
    Konstanze Englert                                                   Mich würde interessieren, ob es eine Möglich­
                                                                    keit gibt, das Pressearchiv zu retten. Z.B. durch Grün­-
    Interviews und Porträts                                         dung eines Vereins, über Crowdfunding, die Über­
                                                                    führung in eine Stiftung, ein öffentliches Presse­
    Ich persönlich nutze die G+J-Datenbank vor allem
                                                                    archiv mit Benutzungsgebühr o.ä..
    gerne, weil man dort so zielgerichtet Interviews und
                                                                    Marfa Seewald
    Porträts (sei es für Personen, Länder oder Städte)
    recherchieren kann. Das funktioniert hier deutlich
                                                                    Einfach schneller
    komfortabler als bei anderen Anbietern, wie z.B.
    Genios. Ein herber Verlust!                                     Da bricht was weg. Viele Quellen gibt es auch woan-
    Stephanie Hamann, Der Tagesspiegel, Recherche / Dokumentation
                                                                    ders, aber nicht so weit zurück. Ja, auch heute noch
Aktuelles                                                                                                                9

G+J heute: Verlagshaus am Baumwall. © Gruner   + Jahr-

gibt es viele Anfragen, die über den Newsroom hin-         Fake news erkennen
ausgehen – und die man nicht im Volltext oder per
                                                           Leistungsstarke Pressearchive und Pressedaten­ban­
Textmining suchen möchte, sondern einheitlich auf-
                                                           ken sind heute mehr denn je gefragt, um die redak-
bereitet. Und: Der Zugriff auf angeteaserte Online­
                                                           tionellen Arbeiten von Journalisten zu unterstützen
quellen in Echtzeit ist nur die halbe Wahrheit, denn
                                                           und nicht zuletzt, um ein Werkzeug an der Hand zu
der Zugang zum Content erfordert Materialschlach­
                                                           haben, um „fake news“ zu erkennen und von der Öf­
ten der Passwortverwaltung. Eine durchlizensierte
                                                           fentlichkeit so fern zu halten. Ich hoffe, die Ent­schei-
Datenbank wie G+J ist einfach schneller.
                                                           dung von Gruner + Jahr kann noch revidiert werden
Bernd Förster, Westdeutscher Rundfunk, Dokumentation und
                                                           bzw. Gruner + Jahr findet andere Möglich­keiten, die
Archive
                                                           journalistische Arbeit informationell abzusichern.
                                                           Prof. em. Dr. Rainer Kuhlen, Sprecher des Aktionsbündnisses
Einheitliche Verschlagwortung
                                                           Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft, Persönliches
                                                           Mitglied der Deutschen UNESCO-Kommission
Was macht(e) die G+J-Pressedatenbank so beson-
ders schätzenswert? Nun es ist, neben der Aktua­
                                                           Die Google-Illusion
lität und dem breiten Medienspektrum, vor allem
die einheitliche Verschlagwortung der Artikel, die         Dem Artikel von Günter Peters entnehme ich, dass
sie auszeichnet. Aus der erschlossenen digitalen           sich die G+J-Pressedatenbank bislang vor allem an
Volltextdatenbank lassen sich – neben präzisen             Journalist*innen richtete, die aber in den letzten
Fak­tenfragen – gerade auch unpräzis(er)e Fragen           Jahren vermehrt auf andere online verfügbare Quel­
innerhalb größerer Themenkomplexe oder nach                len im Netz zur Informationsversorgung umgestie-
Entwicklungsverläufen rasch und effizient recher-          gen seien, weshalb sich deshalb der Weiterbetrieb
chieren: und das alles aus einer Hand!                     dieser Datenbank angeblich wirtschaftlich nicht
Steffen H. Elsner, M.A., Wiss. Dokumentar                  mehr lohnen soll.
10                                                                                                        info7 1 | 2021

     G+J morgen? Vorgesehener Bauplatz in der HafenCity.

         Dabei könnte der Nutzerkreis für diese Daten­      Spart Zeit und Geld
     bank doch sehr viel größer sein. Man denke da nur
                                                            Die Datenbank von G+J hatte einen unschätzbaren
     an die vielen wissenschaftlichen Bibliotheken in
                                                            Wert für uns, da wir hier Bravo und Bunte genauso
     Deutschland, die viel Geld für Lizenzen für Presse­
                                                            finden konnten wie die zahlreichen GEO-Titel oder
     datenbanken, wie z.B. WISO, Nexis Uni, Factiva
                                                            die Spe­zialausgaben der ZEIT. Und das nicht nur für
     oder PressReader ausgeben. Wäre dies nicht auch
                                                            die vergangenen Jahre, sondern bis in die 60er
     für die G+J-Pressedatenbank eine interessante Kun­
                                                            Jahre zurück.
     dengruppe? Ich bin jedenfalls ein wenig überrascht,
                                                               Entscheidungen dieser Art suggerieren den we-
     dass es weder in der Zeitschriftendatenbank (ZDB)
                                                            niger Eingeweihten, dass da zu Recht etwas einge-
     noch im Datenbankinformationssystem (DBIS) ei-
                                                            spart wird, weil das doch heutzutage alles in die-
     nen Nachweis für die G+J-Pressedatenbank in einer
                                                            sem Internet zu finden ist. Doch als Fachleute wis-
     deutschen Bibliothek gibt. Die Annahme, dass sich
                                                            sen wir, dass dem nicht so ist. Pressedatenbanken
     Studierende heute ausschließlich über Google & Co.
                                                            sind gerade in Zeiten knapper werdenden Perso­nals
     vollständig kostenfrei informieren können, halte ich
                                                            ein hohes Gut, denn die zielgerichtete Recherche in
     für irrig und nenne ich die „Google-Illusion“.
                                                            diesen Systemen spart Zeit und damit auch Geld.
         Die Notwendigkeit, auf urheberrechtlich ge-
                                                            Jede*r, der / die schon einmal versucht hat, im
     schützte Pressartikel über von Bibliotheken kosten-
                                                            Internet schnell die Presseinterviews von Angela
     pflichtig lizensierte Zugänge zugreifen zu können,
                                                            Merkel zwischen 2005 und 2009 zu finden, wird
     ist wichtiger und dringender denn je. Die Nachfrage
                                                            das bestätigen.
     in Wissenschaft und Forschung ist zweifellos vor-
                                                               Wir im ZDF würden es sehr begrüßen, wenn die
     handen und bei attraktiven Lizenzmodellen für Bib­
                                                            Entscheidungsträger*innen des Verlags ihren Be­
     liotheken müsste auch die G+J-Pressedatenbank
                                                            schluss, die Pressedatenbank von Gruner + Jahr zu
     kein Auslaufmodell sein.
                                                            schließen, noch einmal überdenken würden.
     Christoph Albers
                                                            Dr. Stefan Hertrampf, Geschäftsbereich Archiv-Bibliothek-
                                                            Dokumentation des ZDF
Aktuelles                                                                                                              11

Stilllegung von Wissen                                   und entsprechende Datenbank unterhalten, bleibt
                                                         zu hoffen, dass sie diesen von G+J eingeschlagenen
Pressedatenbanken kann man bewerten unter den
                                                         Irrweg nicht auch einschlagen.
Aspekten Portfolio, zeitliche Abdeckung, Erschlie­
ßung, Nutzerfreundlichkeit. In allen diesen Hinsich­     Michael Weniger M.A., Geschäftsführender Gesellschafter der
                                                         Baltic Sea Media Consulting GbR
ten ist die G+J-Pressedatenbank sehr gut, in den er-
sten beiden außerdem unersetzlich. Wir beim Ta­
                                                         Mehr als ein Recherche-Tool
ges­spiegel nutzen G+J häufig. In vielen Fällen ist es
die einzige Informationsquelle. Und die einheitliche     Sicher würde die taz-Frauentagsausgabe zum §218
Erschließung ermöglicht uns einen kurzen Weg zum         am 8. März auch erscheinen, wenn wir den Kol­le­
Ziel. Soweit zum Einzelinteresse. Für die Informa­       ginnen nicht den berühmten Stern-Titel von 1971
tionslandschaft, ja, für das Gemeinwesen ist der         hätten zur Verfügung stellen können, aber dass das,
drohende Verlust des Zugangs zu diesem journali-         dank der G+J-Pressedatenbank möglich ist, dient
stischen Schatz und kulturellen Erbe eine schlimme       der Qualität dieser Ausgabe.
Nachricht. Stilllegung von Wissen ist in einer Wis­          Wir nutzen die Datenbank in der taz regelmä-
sensgesellschaft keine gute Idee.                        ßig, sie würde uns sehr fehlen. Die Suche ist kom-
Thomas Friederich, Der Tagesspiegel, Leiter Recherche/   fortabel, die Breite des Angebots hervorragend, die
Dokumentation                                            zeitliche Tiefe einmalig. Wer sich dafür interessiert,
                                                         wie gesellschaftliche Debatten geführt wurden und
Ent-Intellektualisierung                                 werden, kommt um die G+J-Pressedatenbank nicht
                                                         herum. In gewisser Weise ist sie dadurch auch mehr
Was man wahrscheinlich nicht genügend bedacht
                                                         als ein Recherchetool, sie bildet die Bedeutung von
hat, sind die steigenden Recherchekosten, die bei
                                                         Presse insgesamt ab.
der notwendigen Nutzung von mehreren Daten­ban­
ken entstehen. Man bewegt sich von der Homoge­           Brigitte Marquardt, leitung archiv @ recherche, taz,
                                                         die tageszeitung, Berlin
nität zur Heterogenität der Daten und Recher­che­
strategien. Diese Umkehr bedeutet im Ergebnis
                                                         „Quality Board“?
Zeitverlust und Kostenzuwachs.
    Für komplexe Recherchen, wie sie normalerwei-        Geradezu ironisch wirkt dabei, dass das Ressort,
se bei der Nutzung einer internen Datenbank mög-         welches als Ersatz geschaffen wird, um die Infor­ma­
lich sind und erfolgreich durchgeführt werden, sind      tionsbeschaffung neu zu organisieren, den Namen
einige Datenbanken externer Anbieter weniger ge-         „Quality Board“ trägt.
eignet und nicht maßgeschneidert, da sind an-                Der Bedarf nach fundierten Informationen bleibt
spruchsvolle Recherchen selbst für einen Profi           bestehen, doch unter den angekündigten Bedin­gun­
manchmal zeit- und kostenintensiv, da entspre-           gen werden komplexe Recherchen nicht einfacher,
chende Ablauf- und Datenbankstrukturen nicht op-         sondern schwieriger. Die Ankündigung des Verant­
timiert sind.                                            wortlichen für das Quality Board, Frank Tho­msen,
    Erstaunlicherweise taucht die Variante der do-       das Angebot werde „vielfältiger und vielerorts auch
kumentarischen Versorgung von Redaktionen durch          einfacher“ klingt in diesem Sinne auch wie ein Eu­
externe Datenbanken meiner Beobachtung nach re-          phemismus für „komplizierter und seichter“. Das
gelmäßig in einem Zyklus von 5 bis 10 Jahren im-         erinnert mich an die Warnung Henri Nan­nens: „Wenn
mer wieder auf. Gerne auch als unwiderstehlicher         einer alles selbst machen will, braucht er sich nicht
Lösungsansatz von Unternehmensberatungen ins             zu beklagen, daß er schließlich alles selbst machen
Gespräch gebracht.                                       muß.“ Und selbst ob die Kosten angesichts zuneh-
    Wir haben es bei der Schließung der G+J - Pres­      mender Eigenrecherchen und des durch komplexe-
sedatenbank letztendlich im Ergebnis auch mit ei-        ren Zugang zu Informationsquellen zu erwartenden
ner Ent-Intellektualisierung, einem Braindrain, zu       zeitlichen (und finanziellen) Aufwands sinken,
tun, dieser Prozess wird begleitet von dem Verlust       scheint unwahrscheinlich.
an dokumentarischer Kompetenz.
                                                         Hüseyin Demir, Westdeutscher Rundfunk,
    Mit Blick auf andere Verlagshäuser und Medien­       Dokumentation und Archive
unternehmen, die eine dokumentarische Einheit
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     Geschwätz von gestern                                           Hierarchisierung der Information

     „Was geb ich auf mein Geschwätz von gestern?“ - so              Es macht einen erheblichen Unterschied für unsere
     schreibt es Dolf Sternberger („Figuren der Fabel“,              Arbeit, ob nach einer Information strukturiert ge-
     1950) gerne den welterfahrenen und politikerprob-               sucht werden kann, also anhand von Verschlag­wor­
     ten Frankfurtern zu.                                            tung und Hierarchisierung der Information sowie
         Und während weiterhin noch viel Wasser den                  einer Beschränkung auf die relevantesten Quellen.
     Main herunterfließen wird, findet bei G+J in Ham­               Oder ob eine Onlinerecherche im Web vorgenom-
     burg ein kontinuierlicher redaktioneller wie struk-             men wird, wo zudem die Medienquellen zunehmend
     tureller Kahlschlag statt.                                      hinter einer Paywall verschwinden, somit nicht ohne
         Jeder, der sich auch nur ein klein wenig mit Qua­-          Weiteres nutzbar sind. Wenn bei Gruner + Jahr die
     litätsüberlegungen in diesem Bereich auskennt, weiß,            Vorstellung herrscht, dass eine Pressedatenbank
     wie wertvoll eine langfristige konsistente Ver­schlag­-         gar nicht mehr gebraucht würde, weil doch alle
     wortung der einzelnen Dokumente ist - allein Pro­               Journalistinnen und Journalisten die Informationen
     bleme der Synonymfallen sind bei der Recherche                  auf anderem Wege finden könnten, so ist das gleich
     *in Volltextdatenbanken legendär und wirken sich                aus zwei Gründen besorgniserregend: Für unsere
     negativ auf das Rechercheergebnis aus. Zudem ge-                Arbeit bei Greenpeace erschwert es ganz praktisch
     währleistet auch das kontinuierlich gepflegte Voka­             die effiziente Informationsbeschaffung. Aber es
     bular zur Indexierung eine wertvolle Basis für mo-              führt vor allem zu der grundsätzlichen Frage, wel-
     derne auf maschinellem Lernen und Ontologien                    ches Verständnis von Qualitätsjournalismus samt
     basierende Anwendungen und stellt einen wichti-                 seiner Arbeitsvoraussetzungen bei den Entschei­
     gen Schatz, neudeutsch Asset, dar, dessen sich die              dungsträgern von G+J vorherrscht. Und dieser
     Entscheider gar nicht bewusst zu sein scheinen.                 zwei­-
         So scheinen die Argumente, die G+J-intern für               te Aspekt ist eindeutig der schwerwiegendere.
     ein Ende der Pressedatenbank angezogen werden,                  Dr. Manfred Redelfs, Greenpeace e.V., Recherche-Abteilung /
     aus Sicht von Informationsprofis eher verwegen.                 Research & Investigations Unit
     Schlagwortsuche spiele kaum noch eine Rolle - und
     die künftige Recherche in den dann noch verfügba-               Journalistische Arbeit der Zukunft?
     ren Altbeständen der Pressedatenbank werde durch
                                                                     Wir sollten es mit Matth.7, 16 halten „... an ihren
     die zusätzliche - dann freilich sequentielle - Nut­zung
                                                                     Früchten sollt ihr sie erkennen“! Wir werden ja er-
     externer Hosts auf dem „Marktplatz der Infor­ma­
                                                                     leben, wie seriös die journalistische Arbeit in
     tionen“ vielfältiger werden.
                                                                     Zukunft sein wird.
         Das mag uns doch sehr nach den üblichen post-
     modernistischen Sprachspielen klingen, die schnell              Dr. Heiner Schmitt, Geschäftsbereich-Leiter Archiv-
                                                                     Bibliothek-Dokumentation (ABD) ZDF i.R.
     einmal von einem Sujet zum nächsten hüpfen und
     dabei gerne Qualitäten und Quantitäten nach Be­
     lieben vermischen.
         Es ist ein Trauerspiel. Und irgendwann wird nie-
     mand mehr so ganz genau herausfinden (können),
     was es mit unserem Geschwätz von gestern auf
     sich hatte.
     Marlies Ockenfeld, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für
     Information und Wissen (DGI) e. V.
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