EIN MUSIKALISCHES KGS FORUM - Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS

Die Seite wird erstellt Malin Lorenz
 
WEITER LESEN
EIN MUSIKALISCHES KGS FORUM - Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS
> THEMA:   EIN MUSIKALISCHES KGS FORUM   KGS
                                                                                         > 32.2019   > THÈME:   UN FORUM PBC MUSICAL          PBC
                                                                                                     > TEMA:    UN FORUM PBC MUSICALE         PBC
                                                                                                     > THEME:   A MUSICAL PCP FORUM           PCP

A MUSICAL PCP FORUM
                      UN FORUM PBC MUSICALE
                                                                             KGS FORUM
                                              UN FORUM PBC MUSICAL
                                                                     EIN MUSIKALISCHES
EIN MUSIKALISCHES KGS FORUM - Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS
FORUM NR. 32 / 2019

     INHALT
          CONTENU                                     Pio Pellizzari
                                                      Editorial:
          CONTENUTO                                   Musik, unser klingendes Kulturgut ...................................................... 3

          CONTENT                                     Tim Kammasch
                                                      Auf den Wegen von Greenwich Park. Erinnerungen
                                                      an ein Gespräch über Architektur und Musik....................................... 8

                                                      Hans Schüpbach
                                                      Musikbauten als Design-Ikonen und Städtewahrzeichen.
                                                      Vermehrt werden Opernhäuser heute am Wasser gebaut ................. 16
          TITELBILD |
          COUVERTURE | IMMAGINE                       Edmond Voeffrey
          DI COPERTINA | COVER                        L'orgue de la basilique de Valère à Sion (VS)......................................... 23
                                                      avec texte dans l'encadré de Maria Portmann
          Das Titelbild zeigt einen Ausschnitt aus    Les volets de l'orgue de Valère............................................................... 24
          dem Gemälde ‹Der Castalische Brun-
          nen›, das aus dem Besitz des Basler         Isabel Münzner
          Stadtarztes Felix Platter (1536–1674)       Allegorie der Musik.
          stammen soll. Auf diesem Bild finden        Ein Gemälde als Ausgangspunkt für Museumsaufgaben ................. 32
          sich alle in jener Zeit bekannten
          Instrumente, vgl. dazu auch S. 33.          Christoph E. Hänggi
                                                      Das Museum für Musikautomaten in Seewen (SO) ............................ 39
          L’image de couverture montre un détail
          du tableau ‹La fontaine Castalie›           Séverine Gueissaz
          probablement issu des biens du médecin      Le Musée CIMA à Sainte-Croix (VD).
          bâlois Felix Platter (1536–1674). Sur       Centre international de la mécanique d'art.......................................... 46
          l’image on peut apercevoir tous les
          instruments de cette époque, voir           Hans Hirsbrunner
          à ce sujet aussi p. 33.                     Zur Geschichte der Hausorgel in der Schweiz. ................................... 52

          La copertina mostra un dettaglio del        Adrian von Steiger
          dipinto ‹Castalischer Brunnen›, che era     Spielen oder stilllegen?
          probabilmente di proprietà del medico       Zur Erhaltung historischer Blasinstrumente...................................... 62
          basilese Felix Platter (1536–1674).
          Vi figurano tutti gli strumenti musicali    Ulrike Henningsen, Michael Marek
          conosciuti all'epoca, vedi anche pag. 33.   Wie gedruckt! Historische Blasinstrumente aus dem 3-D-Drucker.
                                                      Im Instrumentenbau prallen Hightech und Tradition aufeinander.. 67
          The cover image is a detail from
          Castalischer Brunnen [Castalian Spring].    Armin Zemp
          The painting, which is thought to have      Sinfonia ai funghi. Können Geigen
          once belonged to renowned Basel             aus pilzbefallenem Holz einen besonderen Klang erhalten? ............. 72
          physician Felix Platter (1536–1674),
          shows all known instruments from that       Gabriella Hanke Knaus
          period (cf. also p. 33).                    Reorganisation der Musiksammlung des Benediktinerklosters
                                                      Mariastein (SO). Vom ‹Vespertinale pro festis› (1683)
          Ausschnitt, Inv. 1906.2901.                 zum ‹Galop du chemin de fer alsacien pour le piano› ......................... 76
          Foto / Photo: P. Portner,
          © Historisches Museum Basel (HMB).          Alexandra Kull
                                                      Die Harfe aus dem Königsfriedhof von Ur.
          Bildbearbeitung: Christoph Koenig.          4500 Jahre Dornröschenschlaf ............................................................. 83

                                                      Olivier Melchior
                                                      La Cité de la musique: un lieu insolite dédié au monde musical......... 90

                                                      Impressum / Adressen KGS................................................................. 99

Seite 2
EIN MUSIKALISCHES KGS FORUM - Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS
PIO PELLIZZARI

EDITORIAL
MUSIK, UNSER KLINGENDES KULTURGUT

                       Liebe Leserin, lieber Leser                 Wir können sie auch sammeln,
                                                                   tauschen oder verschenken, und
                       Musik hören wir jeden Tag, ob               – wo immer wir es wünschen –
                       passiv oder aktiv, vielleicht ma­           mit uns herumtragen. Musik ver­
                       chen wir sogar selbst welche. Mu­           bindet uns mit uns selbst und
                       sik gibt es in allen Kulturen und           unserer Umwelt.
                       sie erfüllt verschiedenste Funk­
                       tionen: von der kultischen Beglei­          Musik ist multikulturell und
                       tung über den gemeinsamen                   zeichnet sich durch eine eigene,
Pio Pellizzari,        kulturellen Genuss, bis hin zur             allgemein verständliche und
Studium in Musik-      Unterhaltung oder als ‹Hinter­              emotionale Sprache aus. Sie ist
wissenschaft,          grundgeräusch›. Musik wird                  auch nicht an Regionen oder an
romanischer Philo-     vielfältig gebraucht – manchmal             bestimmte Kulturen gebunden.
logie und franzö-      auch missbraucht – zur Erzeu­               Eine Ausnahme bilden hier viel­
sischer Literatur an   gung und Verstärkung von Stim­              leicht die Volksmusik oder die
den Universitäten      mungen, zur Verführung oder                 traditionelle Musik, die meist zu
Fribourg und Lyon.     als Machtdemonstration: kein                den Sitten und Gebräuchen einer
Assistent, wissen-     Fest ohne Musik, kein Film ohne             Gesellschaft oder einer Volks­
schaftlicher Biblio-   Klangbegleitung, kein Einkaufs­             gruppe gehören, obwohl auch in
thekar und Lehr-       geschäft ohne musikalische Un­              diesen Bereichen eine immer
beauftragter für       termalung. Musik herrscht allge­            grössere Vermischung stattfin­
Musikwissen-           genwärtig und überall, sie ist              det. Schon vor Jahrhunderten
schaft. Von Juli       sofort zu haben, und es gibt sie in         wanderten Komponisten, Musi­
1998 bis März          zahlreichen Formen, Arten und               ker und Instrumentenbauer –
2019 Direktor der      Stilen. Sie umgibt uns perma­               und mit ihnen ihre Musik – durch
Schweizerischen        nent, sodass wir sie manchmal               ganz Europa. Sie standen im
Nationalphonothek      gar nicht mehr wahrnehmen.                  Dienst an Höfen und Kathedra­
in Lugano.                                                         len und machten Musik im Auf­
Aktuell Vize-Präsi-                                                trag ‹fremder Herren›. Musik­
dent der IASA           1       Kleiner Querschnitt durch die      handschriften, und vor allem der
(International                  Samlungsbestände der Fonoteca.     Musikdruck, erlaubten eine Ver­
Association of                  Foto: © Schweizerische National-   breitung der Musik weit über die
Sound and Audio-                phonothek, Lugano.                 Grenzen ihrer Entstehung hin­
visual Archives),
Präsident des
Teaching & Educa-
tion Committee der
IASA, Vorstands-
mitglied des Ver-
eins ‹Arbeitsstelle
Schweiz des
RISM› (Répertoire
International des
Sources Musicales).
                            1

                                                                                                       Seite 3
EIN MUSIKALISCHES KGS FORUM - Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS
2   Centro San Carlo – Sitz der Fonoteca
                                                                                       in Lugano. Foto: © CC BY-SA 3.0,
                                                                                       wikimedia commons, Fotograf:
                                                                                       Sonaglio, 2011. https://de.wikipedia.
                                                                                       org/wiki/Datei:Centro_ San_Carlo_
                                                                                       entrata.JPG (Original in Farbe).

          aus. Durch die Erfindung der Ton­
          aufnahme und Tonwiedergabe
          vor rund 130 Jahren wurde die
          Verbreitung von Musik vollends
          global; nebst der Kunst des In­
          strumentenbaus entstand auch
          eine neue ‹Kunst›, die Tontechnik.

          Trotz dieser schon sehr früh ein­
          setzenden Globalisierung ist Mu­
          sik auch ein Kulturgut, das Sinn­
          stiftung, Zugehörigkeit sowie
          Identität verspricht. Sie kann sich
          zwar für jede Generation anders
          anhören, gibt ihr aber Sinn und
          eine eigene Geschichte. Musik er­
          zählt als kultureller Zeitzeuge
          einer Epoche die Geschichte ei­
          ner Gesellschaft, des künstleri­
          schen Geschmacks, aber auch des
          Aufruhrs und des Widerstands
          oder des technischen Fortschritts.

          Als klingendes Ereignis ist Musik
          jedoch weder sichtbar noch phy­
          sisch fassbar. Sie ist flüchtig und
          klingt nur in unseren Erinne­
          rungen nach. Deshalb zählt sie –
          gemäss Definition der UNESCO
          – auch zum immateriellen Kul­
          turgut. Um sie als Kulturgut im
          Sinne des Kulturgüterschutzes
          greifbar zu machen, muss sie fi­
          xiert werden in Handschriften, in
          Notendrucken, in Aufnahmen              2

          auf Tonträgern oder als Files auf
          unseren Smartphones.
                                                Dieses Heft zeigt unterschiedli­   fektionierung der Akustik, die
          Zur Bewahrung dieses ‹klingen­        che Facetten dieses Kulturguts     Architektur, die bildliche Dar­
          den› Kulturguts ist in unserem        und die verschiedenen Überliefe­   stellung von Musik oder die
          Land die Schweizerische Natio­        rungsformen auf. Im Fokus steht    Handwerkskunst bei der Herstel­
          nalphonothek zuständig. Sie küm­      dabei hauptsächlich das Greif­     lung von Musikautomaten sowie
          mert sich um die Erhaltung der        und Sichtbare wie die Kunst des    die Vermittlung in Museen.
          klingenden Inhalte, Musik, Ge­        Instrumentenbaus, die Restaurie­
          sprochenes usw., aber auch um die     rung und Erhaltung von Instru­     Link Nationalphonothek: https://
          Technik der Reproduzierbarkeit.       menten, die Forschung und Per­     www.fonoteca.ch/index_de.htm

Seite 4
EIN MUSIKALISCHES KGS FORUM - Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS
ÉDITORIAL

LA MUSIQUE, NOTRE BIEN CULTUREL SONORE

Chère lectrice, cher lecteur,          truments voyageaient dans toute        ment à la définition de l’Unesco,
                                       l’Europe, et leur musique avec         elle fait partie des biens culturels
Nous entendons de la musique           eux. Ils se mettaient au service de    immatériels. Pour la rendre tan­
tous les jours, passivement ou         cours ou de cathédrales et travail­    gible au sens de la protection des
activement, et peut­être même en       laient à la demande pour des ‹sei­     biens culturels, elle doit être cap­
faisons­nous. La musique se re­        gneurs étrangers›. Les partitions      turée sur des manuscrits, des
trouve dans toutes les cultures,       et, surtout, l’imprimerie ont per­     partitions, des enregistrements
où elle remplit de multiples fonc­     mis son exportation à grande           ou sous forme de fichiers sur nos
tions, de l’accompagnement du          échelle. La découverte de l’enre­      smartphones.
culte au plaisir pur de l’écoute en    gistrement et de la reproduction
passant par le divertissement ou       sonore il y a quelque 130 ans ont      En Suisse, c’est à la Phonothèque
le bruit de fond. On use aussi de      assuré la diffusion de la musique      nationale qu’il revient de préser­
la musique – et parfois même on        dans le monde entier. À l’art de la    ver ce bien culturel (https:/www.
en abuse – pour créer ou souli­        fabrication des instruments s’est      fonoteca.ch/index_fr.htm). Cette
gner des atmosphères, pour sé­         ajouté celui de l’ingénierie du        institution est chargée de la
duire ou pour faire des démons­        son.                                   conservation des contenus so­
trations de force: il n’y a pas de                                            nores sous forme de musique, de
fête sans musique, ni de film sans     Malgré cette mondialisation pré­       discours, etc. mais aussi des tech­
bande son, ni de magasin sans          coce, la musique reste aussi un        niques de reproduction.
fond musical, etc. La musique est      bien culturel porteur de sens, d’ap­
aujourd’hui omniprésente, dispo­       partenance et d’identité. Même si      Cette édition de Forum présente
nible dans la seconde et sous une      chaque génération l’écoute à sa        quelques­unes des très nom­
infinité de formes, de styles et de    manière, elle leur raconte à toutes    breuses facettes de ce bien cultu­
genres, elle nous entoure en per­      une histoire. La musique est tou­      rel et de ses multiples formes de
manence, à tel point que parfois       jours le témoin de son époque, du      diffusion. Elle met l’accent, sans
nous ne la percevons même plus.        lieu où elle naît, des goûts artis­    pour autant s’y limiter, sur des
Nous pouvons aussi la collection­      tiques du moment, mais aussi de        aspects concrets et visibles
ner, l’échanger ou l’offrir et la      la résistance, de la rébellion ou      comme l’art des facteurs d’ins­
prendre partout avec nous. La          encore du progrès technique.           truments, la restauration et la
musique nous relie à nous­mêmes                                               conservation des instruments
et au monde qui nous entoure.          Événement sonore, la musique           anciens, les progrès de l’acous­
                                       n’est perceptible ni visuellement      tique, l’architecture, la représen­
Multiculturelle, la musique se ca­     ni physiquement. Éphémère, elle        tation imagée de la musique, la
ractérise par un langage propre,       ne résonne que dans nos souve­         fabrication d’automates ou encore
universel et émotionnel. Elle          nirs. C’est pourquoi, conformé­        la médiation dans les musées.
n’est pas liée à des régions ou des
cultures précises, à l’exception de
ses formes populaires ou tradi­
tionnelles. Dans ces déclinaisons,
elle est généralement liée aux us
et coutumes de sociétés ou de
groupes ethniques, quand bien
même là encore il y a toujours
plus de brassage. Déjà dans les
siècles passés, les compositeurs,
les musiciens et les facteurs d’ins­

                                                                                                                     Seite 5
EIN MUSIKALISCHES KGS FORUM - Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS
EDITORIALE

          LA MUSICA, IL NOSTRO PATRIMONIO CULTURALE SONORO

          Cari lettori,                           generalmente parte degli usi e dei     Quale espressione sonora, la mu­
                                                  costumi di una società o di un         sica non è né visibile né tangibile.
          La musica ci accompagna quoti­          gruppo etnico, sebbene vi siano        È fugace e continua a risuonare
          dianamente, sia passivamente            sempre più commistioni di gene­        solo nei nostri ricordi. Per questa
          che attivamente, e molti di noi         ri musicali. I compositori, i musi­    ragione, secondo la definizione
          suonano addirittura uno stru­           cisti e i costruttori di strumenti     dell’UNESCO è anche un bene
          mento. La musica è presente in          musicali – e con essi la loro musi­    culturale immateriale. Per ren­
          tutte le culture ed assume mol­         ca – giravano l’Europa già parec­      derla tangibile come bene cultu­
          teplici funzioni, dall’accompa­         chi secoli fa. Erano al servizio       rale ai sensi della protezione dei
          gnamento di culti, alla fruizione       delle corti e del clero e facevano     beni culturali, deve essere fissata
          culturale condivisa, all’intratte­      musica per conto di ‹nobili stra­      in manoscritti, spartiti musicali,
          nimento fino al semplice ‹rumore        nieri›. Le partiture musicali e so­    registrazioni su supporti audio o
          di sottofondo›. Viene utilizzata in     prattutto la pressione musicale        file nei nostri smartphone. La Fo­
          vari modi, a volte anche impro­         permisero alla musica di diffon­       noteca nazionale svizzera è re­
          priamente, per creare atmosfere o       dersi ben oltre i confini in cui era   sponsabile di preservare questo
          accentuare stati d’animo, per se­       stata composta. L’invenzione del­      patrimonio culturale nel nostro
          durre o ostentare potere. Non c’è       la registrazione e della riprodu­      paese (https://www.fonoteca.ch/
          festa senza musica, non c’è film        zione sonora, circa 130 anni fa, ha    index_it.htm). Si occupa della
          senza colonna sonora, non c’è ne­       favorito la diffusione della mu­       conservazione dei contenuti so­
          gozio senza musica di sottofondo,       sica a livello globale e, accanto      nori, della musica, delle parole,
          ecc. La musica è onnipresente e         all’arte della costruzione di stru­    ecc., ma anche della tecnica di ri­
          subito fruibile, esiste in molte for­   menti, è nata una nuova ‹arte›:        produzione.
          me, tipi e stili e ci avvolge conti­    la tecnica del suono.
          nuamente, tanto che a volte non ci                                             Questa rivista illustra le diverse
          facciamo nemmeno più caso. Pos­         Nonostante la sua precoce globa­       sfaccettature di questo patrimo­
          siamo anche collezionarla, scam­        lizzazione, la musica rimane un        nio culturale e le varie forme di
          biarla o regalarla e portarla con       bene culturale che genera senso        trasmissione alle future genera­
          noi dove vogliamo. La musica ci         di appartenenza e identità. Può        zioni. Pone l’attenzione sul tangi­
          mette in sintonia con noi stessi e      suonare diversa per ogni genera­       bile e visibile come l’arte della
          con il nostro ambiente.                 zione, ma le conferisce un senso e     costruzione di strumenti, il re­
                                                  una storia propria. Testimonian­       stauro e la conservazione degli
          La musica è multiculturale e ca­        za culturale di un’epoca, la mu­       strumenti, la ricerca e il perfezio­
          ratterizzata da un proprio lin­         sica racconta la storia di una so­     namento dell’acustica, l’architet­
          guaggio emotivo, comprensibile          cietà e di un gusto artistico, ma      tura, la rappresentazione visiva
          a tutti. Non è legata solo a deter­     anche di una rivolta, o di una         della musica, l’artigianato della
          minate regioni o culture. Un’ecce­      resistenza, e del progresso tec­       costruzione di automi musicali e
          zione potrebbe essere la musica         nologico.                              la mediazione nei musei.
          folcloristica o tradizionale, che è

Seite 6
EIN MUSIKALISCHES KGS FORUM - Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS
EDITORIAL

MUSIC, OUR AUDIO HERITAGE

Dear reader,                           ers, musicians and instrument         documents, including music and
                                       makers travelled across Europe,       the spoken word, as well as the
We listen to music every day,          bringing their works to all parts     instruments and equipment used
sometimes passively, sometimes         of the continent. They provided       to reproduce them.
actively. A few of us might even       their services to courts and cathe­
make our own. Music is present         drals or were commissioned to         The present issue explores the
in all cultures and fulfils a wide     write works at the behest of 'for­    many different facets of audio
variety of functions: it accompa­      eign masters'. Music manuscripts      heritage and the various forms its
nies ritual actions, offers a shared   and especially printed music al­      transmission takes. The focus is
cultural experience, provides a        lowed works to be shared far be­      mainly on the tangible and visi­
source of entertainment or serves      yond their birthplace. With the       ble dimension, such as the art of
merely as ambient noise. Music is      invention of audio recording and      instrument­making, restoration
also used, and even misused            reproduction some 130 years ago,      and preservation, architectural
sometimes, in a wide variety of        the dissemination of music final­     and acoustics research and ad­
ways, such as to elicit or heighten    ly went global. Another 'art form'    vances, the representation of mu­
emotions, to seduce or to make a       would emerge to join that of in­      sic in art, the craftsmanship be­
show of force. A party is not com­     strument­making: audio engi­          hind musical automata, and the
plete without music; a film is not     neering.                              work of museums to share this
complete without a soundtrack; a                                             valuable heritage with the broad­
shopping experience is not com­        Despite this precocious globalisa­    er public.
plete without music playing in         tion process, music remains a cul­
the background. Music is ubiqui­       tural asset that gives meaning,
tous, omnipresent and instantly        and creates a feeling of belonging
available. It comes in myriad          and identity. Each generation has
forms, types and styles. We are        its own soundtrack but all derive
constantly surrounded by it, so        meaning and a sense of history
much so that we are often un­          from it. Music is the audio history
aware of it. Music is also some­       of society, reflecting its artistic
thing that we collect, share, gift     tastes and fashions, as well as its
and, in some cases, even carry         upheavals, struggles and techno­
around with us. Music connects         logical advances.
us to one another, and to our sur­
roundings.                             Yet, music is neither visible nor
                                       palpable; it is ephemeral, echoing
Music is multicultural and has its     only in our memories. As such,
own understandable and emo­            it corresponds to the UNESCO
tional idiom. It transcends re­        definition of intangible cultural
gions and cultures, perhaps with       heritage. To protect our audio
one exception: folk and tradition­     heritage, its physical manifesta­
al music. Although they tend to        tions – manuscripts, printed mu­
reflect the customs and mores of       sic, recordings, and smartphone
a particular community or ethnic       files – must be preserved. This
group, the lines between folk and      is precisely the mission of the
traditional music and other gen­       Swiss National Sound Archives
res are growing increasingly           (https:// www.fonoteca.ch/index
blurred. Centuries ago, compos­        _en.htm). It safeguards audio

                                                                                                                  Seite 7
EIN MUSIKALISCHES KGS FORUM - Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS
TIM KAMMASCH

      AUF DEN WEGEN
      VON GREENWICH PARK
          ERINNERUNGEN AN EIN GESPRÄCH ÜBER ARCHITEKTUR UND MUSIK

                               Für Rosalyn                                                 «Es ist doch paradox», fuhr mein
                                                                                           Freund fort, «dass ich an jenem
                               «Sitting in an English Garden                               Abend gewiss in keinem einzi­
                               Waiting for the Sun                                         gen Moment Musik habe hören
                               If the sun don’t come you get a tan                         können und mir doch insbeson­
                               From standing in the English rain...»                       dere eine der Zugaben, es war die
                               (John Lennon; Paul McCartney).                              Rêverie von Debussy, immer noch
                                                                                           gegenwärtig ist. Wie ein diffuses
                                                                                           Licht auf den Dingen lässt sie,
          Prof. Dr. phil.                            Ich hatte für einige Tage in Lon­     was ich vor mir sehe, in einem
          Tim Kammasch,                              don zu tun und einen Freund, der      vagen, mir nicht erklärlichen Zu­
          Professor für                              auf der Insel lebte, von meinem       sammenhang erscheinen.»
          Kulturtheorie,                             Aufenthalt wissen lassen. Der Fe­
          Fachbereich Archi-                         bruar war erstaunlich mild, der       An die Zugaben jenes Abends
          tektur, Berner                             Frühling dem Kalender voraus,         konnte ich mich nicht erinnern,
          Fachhochschule                             und mein Freund hatte einen           und ich würde wohl den Kon­
          (BFH), Architek-                           Spaziergang in Greenwich vorge­       zertabend längst vergessen ha­
          tur, Holz und Bau                          schlagen.                             ben, wenn nicht Palladio die Ku­
          in Burgdorf.                                                                     lisse dazu gegeben hätte. Die
                                                     So kam ich in den Park. Mit einem     Bühnenarchitektur hatte meinen
                                                     Themseboot von der City flussab­      Blick förmlich in ihre perspekti­
                                                     wärts. Wir hatten uns an der An­      visch stark verkürzten Strassen­
                                                     legestelle verabredet und waren       fluchten hineingezogen, fast phy­
                                                     durch die Arkaden von Christo­        sisch war mir dieser Sog erin­
                                                     pher Wrens Hospital, das später       nerlich. Die Art von affektiver
                                                     als Naval College genutzt wurde       Erinnerung, von der mir mein
                                                     und heute die University of Green­    Freund erzählte, war mir also
                                                     wich beherbergt, in die Kolon­        nicht ganz unbekannt, ebenso
                                                     naden auf der Ost­Seite von Inigo     wenig das von ihm beschriebene
                                                     Jones’ Queen’s House getreten, als    Paradox, es hatte einen berühm­
                                                     mein Freund mich mit folgender        ten Vordenker:
                                                     Betrachtung überraschte:
                                                                                           «Augustinus», so merkte ich an,
                                                     «Kannst Du Dich an den Abend          «hat in seinen Reflexionen über
                                                     in Vicenza erinnern? In Palladios     die Zeit diese ebenso in nichts
          Hinweis                                    Teatro Olimpico, das Klavierrezita­   aufgelöst wie Du die Rêverie
          Quellennachweise                           tiv des Maestro S.?»                  von Debussy. Zerlegt man wie
          für die im Text                            Ich nickte, doch aus purer Verblüf­   der Kirchenvater im 11. Buch
          erwähnten                                  fung, wie ich eingestehen muss.       seiner Confessiones den Zeit-
          Persönlichkeiten                           Und auch heute kann ich mir die­      strom in kleinste Einheiten, in
          und Werke stellt                           sen plötzlichen Einfall meines        Jetzt-Punkte, so ist jede Gegen-
          der Autor auf                              Freundes nicht anders erklären,       wart ohne Ausdehnung, reine
          Anfrage gerne                              als durch den Umstand, dass wir       Grenzmarke, an der die (noch)
          zur Verfügung:                             von zwei der prominentesten Bau­      nicht existierende Zukunft in
          tim.kammasch@                              ten des englischen Palladianis­       die nicht (mehr) existierende-
          bfh.ch                                     mus umgeben waren (Abb. 1).           Vergangenheit umschlägt.

Seite 8
EIN MUSIKALISCHES KGS FORUM - Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS
1

Keine der drei Zeiten scheint       dem sich ihm die Zeit als ekstati-    1   Blick vom Park zur Greenwich
folglich zu existieren, weil jede   scher Daseinsmodus der Seele              University mit den beiden Kuppeln
ohne Ausdehnung und somit           offenbart hat. Wenn wir eine              und zum Queen‘s House im
nicht messbar ist. Und wie sollte   Komposition hörend mitvollzie-            Bildzentrum (Vordergrund).
in einem Nullpunkt der Zeit je      hen, so halten wir die Vergan-
eine Melodie zu hören sein?         genheit eines erklungenen Tons,       2   Begrenzte Sicht aus einer Senke des
Nicht einmal der Klang einer        die Gegenwart eines klingenden            Parks. Fotos: © Tim Kammasch.
Note wäre vernehmbar! Unter-        Tons sowie die Zukunft eines
scheidet sich dieser doch von       erst noch erklingenden Tons un-
einem Geräusch – einem Knall        willkürlich in Erinnerung, in
etwa – dadurch, dass er voraus-     aktueller Wahrnehmung und Er-
und zurückverweist auf eine         wartung zueinander und ausein-       Seele – eine vage Impression als
Kadenz, einen Rhythmus. Nur         ander...»                            point d’appuis?»
als Element einer Klang-Figur
wird aus einem son ein ton, qui     «Heisst das», unterbrach mich        Inzwischen hatte uns der Weg in
fait la musique. Beide – Zeit und   mein Freund, «dass Augustinus        geschwungener Linie in eine
Musik – existieren nur, indem       das Hören eines Liedes oder ei­      Senke geführt. An deren tiefster
sie vergehen.»                      nes Gedichts, ein ästhetisches       Stelle waren das Naval College
                                    Kunsterleben folglich, für einen     und das Queen’s House unserem
«Unerhört, dieses Zeitparadox!»     zulässigen Weg hielt, um..., ich     Blickfeld entzogen, und selbst die
– erwiderte mein Freund, mit ei­    meine, es ist doch, wenn auch ein    hohen und höchsten Häuser von
nem Schmunzeln.                     erinnerter, so doch immer noch       Canary Wharf jenseits des Flus­
                                    bloss ein sinnlicher und womög­      ses untergetaucht. Die Winter­
«Unerhört, indes nur als Unge-      lich trügerischer Affekt. Sollte     sonne illuminierte den Rasen,
hörtes», entgegnete ich. «Immer-    dies dem Kirchenvater tatsäch­       über den die Schatten kleiner
hin hat doch Augustinus die Zu-     lich als Ansatz genügt haben zur     Wolken, die von der Hand Pous­
versicht, dass das Zeitparadox      Erklärung der Zeit und der eksta­    sins hätten stammen können, den
aufzulösen sei, gerade dadurch      tischen Beschaffenheit unserer       Hang hinauf eilten.
gewonnen, dass er sich auf das
Hören der Melodie und des
Rhythmus’ eines Gedichtes oder
eines Liedes zurückbesann. Im
Hören, so scheint es, gehen Emp-
findung und Intellekt eine Ver-
bindung ein, und vermögen so
eine Gewissheit zu finden, die
dem Intellekt allein versagt
bleibt. Auch wenn Augustinus
das Zeitparadox nicht als blossen
Effekt seiner offenbar unange-
messenen, analytischen Betrach-
tungsweise verworfen hat, so
rief er sich doch eine musikali-
sche Empfindung in Erinnerung
und erkannte diese als Quelle         2
für ein Evidenzerlebnis an, in

                                                                                                                        Seite 9
EIN MUSIKALISCHES KGS FORUM - Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS
3

           Vom Wiesengrund aus schien es          «Es müsste eine Kunst sein, die        Raumwahrnehmung unentwegt
           uns, als werde nur ein wenig wei­      ebenfalls in der Zeit erfahren         abspielt und dies nicht nur, wenn
           ter oben der Park vom Himmel           wird.»                                 wir uns verlaufen haben und
           sanft berührt, höchstens die Län­                                             etwa in Venedigs Labyrinth aus
           ge eines galanten Schritts mochte      «Spielst Du auf Lessings Unter-        Gassen und Brücken nach An­
           sie trennen. Mein Freund wies          scheidung von Raum- und Zeit-          haltspunkten Ausschau halten,
           nach Westen: Dort auf einem Hü­        künsten an?»                           die uns den weiteren Wegverlauf
           gel – auch er ausser Sichtweite –                                             in Erinnerung rufen. In besonde­
           markierte vor Christopher Wrens        «Ja.»                                  ren Fällen erleben wir Räume in­
           Observatory der als Messingband                                               tensiver – atmosphärisch –, weil
           in den Boden gestanzte Nullmeri­       «Aber ist das nicht ebenfalls ein      sie, ohne dass uns dies in der Si­
           dian einen imperialen Herrschafts­     Versuch, die Welt der Phänome-         tuation selbst zu Bewusstsein
           anspruch über Raum und Zeit und        ne nach Prinzipien zu ordnen,          kommt, in uns eine Resonanz
           somit einen gänzlich anders gearte­    ohne dabei die Weise zu beach-         auslösen aufgrund von Erlebnis­
           ten Übergang als der, den die Ar­      ten, wie wir die Werke wahr-           sen, deren Erinnerung sich mit
           chitekten des Parks hier in der Sen­   nehmen?»                               unserer aktuellen Wahrnehmung
           ke in Szene gesetzt hatten.                                                   des Raums verschränkt: Das ak­
                                                  «Da urteilst Du übereilt. Worauf       tuelle Erleben wird intensiviert,
           «Es kann doch wohl sein», nahm         es ankommt machte Goethe deut­         weil es in unserem Gedächtnis
           mein Freund den Gedanken wie­          lich: In seiner Betrachtung des        auf bereits vorgezeichnete Bah­
           der auf, «dass Augustinus fälsch­      Laokoon betont er, dass auch die       nen trifft, – so wie der Stilus beim
           licherweise für die Natur der See­     Skulptur, und das gilt ebenso für      Beschreiben der Oberfläche auf
           le hielt, was allein seiner eigenen    Gemälde, nur in Bewegung des           dem von Freud erwähnten Wun­
           Unterweisung in Musik, also ei­        lesenden Auges, in der Zeit mit­       derblock abgleiten kann in vorge­
           nem Brauchtum, kurz der Kultur,        hin, wahrgenommen werde – das          spurte unsichtbare Linien, die
           zu verdanken war. Was wäre für         trifft übrigens auch auf diesen        von früheren Einschreibungen
           Augustinus wohl die Seele ohne         Park und seine Gebäude zu.»            herrühren und die den aktuellen
           die sinnliche Erfahrung solcher                                               Eindruck vertiefen und leiten.»
           Musik?»                                «Ich kann Augustinus' Erfah-
                                                  rung, dass die Existenz der See-       «Das Erleben von Atmosphäre
           «Indes», entgegnete ich, «gäbe es      le zeitlich ekstatisch ist, folglich   basiert also auf einem für uns
           Musik denn, ohne diese zeitli-         auch an einem Gebäude ma-              nicht erkennbaren Zusammen-
           che Verfasstheit der menschli-         chen?»                                 spiel unserer aktuellen Wahr-
           chen Seele?»                                                                  nehmung mit affektiver, uns
                                                  «Wie denn nicht? Nehmen wir            unbewusster Erinnerung?»
           «Wie dem auch sei, wir dürfen          an, Du bist ein Connaisseur der
           die Macht der Musik, nicht unter­      Architektur Palladios, so wirst        «Vielleicht können wir in Anleh­
           schätzen. Wenn sie solch ein ego       Du aufgrund dessen, was Du             nung an Proust diese unter­
           cogito oder eher ego audio ermög­      schon von seinen Bauten kennst,        schwellige Erinnerung als mé-
           licht, dann...»                        in der Lage sein, ungefähr zu an­      moire involontaire, inconsciente et
                                                  tizipieren, was beim Durchque­         affective bezeichnen. Im Spiel ist
           «Hätte denn Augustinus diese           ren einer Raumsequenz auf Dich         sie auch beim Hören von Musik,
           Einsicht in die zeitliche Ausdeh-      zukommt. Ich will sogar behaup­        die doch ebenso Raumkunst ist
           nung der Seele auch am Werk            ten, dass sich diese Art von auf       wie die Architektur Zeitkunst.
           einer anderen Kunst machen             Erinnerung gründender Perzep­          Beide situieren uns in Klang­
           können?»                               tion und Antizipation in unserer       oder Resonanzräumen, versetzen

Seite 10
3   Christopher Wrens Observatorium.

 4   Kolonnaden auf der Westseite von
     Inigo Jones' Queen's House.
     Fotos: © Tim Kammasch.

                                           4

uns in Stimmung, selten wird            «Man könnte daher sagen, diese         «Inzwischen hat man Wagner
uns das bewusst. Die eine in ih­        Künste wirken auf uns in der           sogar in Israel aufgeführt – be-
rer Flüchtigkeit, die andere in         Weise des Mythos.»                     gleitet von Protesten. Eine ge-
ihrer Dauerhaftigkeit wirken auf                                               wisse Affinität zur heroischen
uns in einer Weise, die sich un­        «Wie das?»                             Phrase des Faschismus, die wir
serer kritischen Reflexion ent­                                                ja auch in Speers Architektur
zieht, wann immer wir nicht wie         «Nun, wenn wir damit meinen,           erkennen, lässt sich wohl doch
Analytiker auf ihre Machart ach­        dass wir gerade im routinierten        nicht leugnen... Auf den Reichs-
ten.»                                   Alltagsablauf, aber auch im Erle­      parteitagen der Nationalsozi-
                                        ben besonderer Atmosphären aus         alisten in Nürnberg gehörten
«Also für die Meisten gilt das          Klang und Raum, nicht klar und         Wagners Meistersinger zum
wohl meisthin. Denn wenn ich            distinkt zwischen uns und den          Festprogramm...»
Maestro S. in einem Konzert             Quellen der Sinneseindrücke un­
höre, so will ich doch sein Spiel       terscheiden, dann können wir mit       «Und wie steht es mit Massen­
nicht analysieren. Da wäre über-        Cassirer und Heidegger von my­         veranstaltungen heute? Da spielt
dies die Partitur erforderlich,         thischer Wahrnehmung sprechen.         Musik doch auch eine zentrale
oder zu Hause müsste ich an             Nietzsche hat die Wirkmacht der        Rolle. In den meist recht simplen,
meinem CD-Gerät die Pause-              Musik als ursprüngliche Kunstge­       oft redundanten Akkorden und
Taste drücken können, um Zeit           walt dem Mythos zugeschlagen,          Kadenzen der Volksmusik etwa
zu finden. Anders die Architek-         indem er sie als ‹dionysische›         finden viele einen vertrauten
tur, diese gewährt mir in ih-           bezeichnete. Er hatte dabei das        Rahmen. Musik beheimatet uns.»
rer Unbeweglichkeit Zeit doch           rauschhaft Ekstatische des anti­
sehr reichlich.»                        ken Kults vor Augen.»                  «Da wiederholt sich für die Kol-
                                                                               lektivseele, was Augustinus an
«Aber Du Dir eben nicht! Jeden­         «Und wohl auch Wagner...»              der eigenen erlebt hat: die Bestä-
falls nicht im Alltag, da Du Dich                                              tigung ihrer Identität, verstärkt
meist zielstrebig durch die Woh­        «Zunächst, ja; später aber setzte      durch die Resonanz des kollek-
nung, das Bürohaus oder auf den         Nietzsche ein grosses dionysi­         tiven Erlebens. Entscheidend
Strassen bewegst. Du registrierst       sches Fragezeichen hinter seine        aber scheint mir dabei das Mo-
dann zwar Deine Umgebung,               anfängliche Apotheose des Kom­         ment der Wiederholung. Das
aber Dein Gehirn filtert aus, was       ponisten. Als Nervenverderberin        wird an der Latenz deutlich, aus
im Moment für Dich nicht nütz­          und benebelndes Narkotikum tat         der Architektur alltäglich un-
lich ist. Um die Übersicht auf das      er sie ab. Wagners Fall, das war       sere Bewegungs- und Blickfel-
Wesentliche zu behalten, über­          für Nietzsche ein veritabler Göt­      der strukturiert..., die Stille, aus
siehst du vieles, was gleichwohl        tersturz – so urteilt ein enttäusch­   der sie uns alltäglich unmerk-
auf Dich einwirkt – gewissermas­        ter Jünger. Allerdings wurde           lich bewegt, darin besteht doch
sen aus dem ‹Off› Deiner Wahr­          Wagner nach dem Ende der NS­           wohl ihre grösste Wirkung.»
nehmung.»                               Diktatur das berauschende Pa­
                                        thos seiner Musik zum Vorwurf          «Goethes Wort von der Architek­
«Musik und Architektur kom-             gemacht: Es hiess, sie hätte sich      tur als ‹gefrorene› oder ‹erstarrte
men also darin überein, dass wir        dadurch der faschistischen De­         Musik› wird dafür ja oft kolpor­
ihre Wirkung zumeist nicht aus          magogie geradezu anempfohlen;          tiert. Das ist aber gar nicht von
einem ästhetischen Abstand er-          ja, wegen Wagners Antisemitis­         ihm, das zitiert er nur. Er selbst
fahren, der unserem Urteilsver-         mus wollte man gar eine Affinität      bezeichnete die Architektur als
mögen Raum und Zeit gibt, zu            dieser Tonkunst zur NS­Rassen­         ‹verstummte Tonkunst›. Und das
reflektieren, was wir erleben.»         ideologie erkennen...»                 ist nicht das Gleiche, denn die

                                                                                                                      Seite 11
5   Rückblick auf Wrens Naval Academy
                                                                                             und das Queen‘s House von Inigo
                                                                                             Jones. Sie sind seit 1997 Bestandteil
                                                                                             des UNESCO-Welterbe-Objekts
                                                                                             «Maritime Greenwich».
                                                                                             Foto: © Tim Kammasch.

           zeitliche Dimension ihrer Rezep­       an genau jener Stelle, an der im      «Wie könnte sich dies wohl an-
           tion wird damit nicht negiert.         anderen Bild der Mann mit Takt-       fühlen? Etwa einfach schön?
           Man behauptet übrigens von Da­         stock steht, ein weiterer Pfeiler     Oder wäre es ‹aufgeräumte Hei-
           niele Barbaro, dem Mäzen und           dessen Platz einnimmt. Archi-         terkeit›? Das ist ja doch der Ein-
           Freund Palladios, er habe an des­      tektur und Tanzmeister konkur-        druck, der sich in Anbetracht
           sen Gebäuden die Proportionen          rierten also um dieselbe Position     der beiden Arkadenflügel von
           hören können; seine Augen müs­         im Bild. Doch worum sollten sie       Wrens Naval College einstellt.
           sen Ohren, seine Ohren Augen           konkurrieren, wenn nicht dar-         Die Symmetrie in der Anla-
           gehabt haben.»                         um, wer den Takt angibt? In der       ge, die das Kolossale vermei-
                                                  Version ohne Tanzmeister ist es       det, gibt von Ausgeglichenheit
           «Vielleicht spielt dieses stille       also nicht das bewegte Beiwerk        wahrhaft eine sinnlich fassbare
           Instrument indes doch eher auf         – fallendes Gewand oder Haare         Anschauung.»
           uns, als wir auf ihm. Es gibt da       der Tänzerinnen –, durch das im
           zwei Gemälde von Degas, es             statischen Medium des Bildes          «Durchaus! Auch in der Musik
           sind wohl eher zwei Versionen          mit Pathosformeln Bewegung            jener Zeit bestimmt Symmetrie
           ein- und derselben Szene: eine         angemutet wird; nein, hier            den Aufbau der Komposition.
           Ballettprobe in der Opéra Gar-         scheint Degas diese Suggestiv-        Nimm zum Beispiel den Kopfsatz
           nier. An ihnen war mein Blick          kraft der Wendeltreppe überant-       von Bachs fünftem Brandenburgi-
           hängen geblieben, als ich zu-          wortet zu haben, zweifellos ist       schen Konzert: Da empfinden wir
           sammen mit R. die grosse Werk-         sie ja ein bewegendes Werk der        eine wohl balancierte Ordnung,
           schau vor ein paar Jahren in           Architektur. Die um den dunk-         die sich auf gefällige Weise mit­
           Melbourne besucht habe. Beide          len Pfeiler gedrehten Stufen ver-     teilt: ‹aufgeräumte Heiterkeit›
           Versionen zeigen aus demsel-           führen die Tänzerinnen zu Pi-         auch hier. Mit Blick auf Wrens
           ben Blickwinkel dieselbe Situa-        rouetten eigener Art und die          Naval College scheint mir indes,
           tion. Doch auf einer von ihnen         Stufen geben den Rhythmus             dass der Park das seine zu dieser
           fehlt der Tanzmeister, der auf         vor.»                                 Stimmung beiträgt: er nimmt der
           der anderen, gestützt auf seinen                                             Geometrie die Strenge.»
           Taktstock, die Bewegungen der          «Es bedarf wohl eines Impressio­
           Tänzerinnen betrachtet. Im Ge-         nisten, das sehen und zeigen zu       «Eine serene Stimmung also?
           mälde ohne Tanzmeister hat             können. Und doch ist es ein           Besonnenheit? Das wäre gewiss
           Degas in den linken Bildvorder-        ‹Treppenwitz›: es sind ja gewiss      nicht wenig. Wie können wir
           grund eine schmale Wendel-             keine Pirouetten, eher prosaische     denn mehr verlangen? Architek-
           treppe platziert. Um einen dunk-       Bewegungen, zu denen eine             tur und Musik müssten schon
           len Pfeiler drehen sich die Stufen     Wendeltreppe uns verführt.»           Sprache werden, um auf diffe-
           und auf diesen – schicklich und                                              renziertere Weise Gefühl und
           voller Grazie – die Beine weiterer     «Darum geht es ja gerade: Archi-      Verstand zu adressieren.»
           Ballerinen, die zur Probe herab        tektur als Taktgeber unseres
           eher tänzeln als schreiten. Da die     Alltags.»                             «Lassen sich ihre Werke denn
           Wendeltreppe so prominent ins                                                überhaupt von Sprache trennen?
           Bild gesetzt ist, dass sie sogar die   «Das sind aber bloss sinnlich­        Mit der ist doch alles verbandelt,
           bereits tanzenden Mädchen ver-         leibliche Impulse, die sie uns ver­   was wir erleben. Mir erscheint
           deckt, hatte sich uns damals der       schafft. Oder vermag sie auf          diese Trennung lebensfremd.
           Verdacht aufgedrängt, Degas            sinnliche Weise uns auch Sinn         Wozu soll er taugen dieser puris­
           habe womöglich den Tanzmeis-           mitzuteilen, sodass nicht nur das     tische Blick, der nur der Architek­
           ter durch die Wendeltreppe er-         Gefühl, sondern auch der Intel­       tur gelten will oder nur der Musik
           setzt, zumal auf dieser Version        lekt von ihr angesprochen wird?»      und beide Male verfehlt, was sie

Seite 12
5

uns sind? Aber wie es die Theorie    hat, benommen zu uns zurück­         Geometrie befreit. Was dergestalt
nun einmal will: Architektur und     kehren, vermehrt um Erfahrun­        unseren Gedankengang auf ge­
Musik unterscheiden sich von der     gen, von denen wir nicht sagen       lassene Weise begleitet hatte, war
Sprache darin, dass keine von bei­   können, wem sie gehören, woher       also weder wirkliche Wilderness,
den im selben Ausmass wie jene       kommen wir da? Es mag gesche­        die uns letztlich ausdruckslos er­
ein System von Zeichen ist. Und      hen, dass dieser sonderbare Kon­     scheint, wohl weil wir uns in ihr
doch sprechen wir nicht zu Un­       takt, in dem wir uns aufgehoben      nicht mehr wiederfinden, noch
recht von der Sprache der Musik      fühlten, etwas in uns in Gang        eine Bemeisterung des Organi­
und von jener der Architektur,       setzt, das in Gedanken übergeht      schen nach abstrakten Prinzipi­
sehen wir doch auch hier Artiku­     – eine Sehnsucht, die unstillbar     en. In der einbrechenden Däm­
lation am Werk; und sogar zu re­     ist. Sie kann uns erheben, aber      merung zeichneten die kahlen
ferieren vermögen ihre Kompo­        auch zu einer gewissen Unge­         Wipfel der Bäume feine schwarze
sitionen. Der architektonische       duld verleiten angesichts der        Risse in den Himmel (Abb. 7). Ein
Entwurf arbeitet mit Referenz­       Welt, wie sie ist, denn wir haben    leichter Nieselregen hatte einge­
projekten und auf die verweisen      sie für eine Weile überwunden        setzt, der Wind sich gelegt. Wir
dann mitunter auch die Gebäude,      und vielleicht empfunden, wie        hielten inne, machten kehrt und
die aus ihm hervorgehen. Und         sie sein könnte. Solange wir es      überliessen uns wieder den We­
dann gibt es Programmmusik:          aushalten, dass eben dieser Ab­      gen von Greenwich Park. Wenn
Debussys La Mer...»                  stand unendlich ist, kann keine      mich meine Erinnerung nicht
                                     Partei und keine Ware uns in die     trügt, mit einem Lied auf den
«Aber weder eine symphoni-           Irre führen. Was uns bewegt,         Lippen...
sche Dichtung noch ein Gebäu-        führt – unbestimmt, wie es ist –
de bezeichnen in solch präzisem      ins Freie und entbehrt doch nicht
Sinn, wie das mit Worten mög-        der Ordnung...»                      JÜNGERE PUBLIKA-
lich ist. Nur unbestimmt, ins                                             TIONEN DES AUTORS
Ungefähre, vermögen sie uns zu       Bei diesen Worten waren wir im
verführen. Eben darin liegt ja       Begriff, den Park bei Blackheath     -   KAMMASCH Tim, 2015: «Le Pli de
die Macht, die sie über uns ha-      Gate zu verlassen. Ich wollte noch       Valéry et la Figuration du Monde
ben: dass ihre Anmutungen uns        einwenden, dass wohl nur Musik           Perçu». In: Architectura Ludens,
Raum geben, Leerstellen belas-       vermöge, zu solchen Gedanken             Magma et Principes, vol I. Lausanne.
sen, in die wir viel von uns hin-    zu bewegen, als mein Freund mir      -   2017: «‹Unterirdische Verwandt-
einlegen und unwillkürlich           mit einer Geste andeutete, einen         schaft›, Walter Benjamins Städtebil-
ihre Werke belehnen mit Asso-        Blick zurück zu tun. Und so gab          der». In: Zeitschrift für Kulturphilo-
ziationen und Gedanken, von          sich mir der Park nun, von sei­          sophie, hg. KONERSMANN Ralf.
denen wir mitunter nicht ein-        nem der Themse abgewandten,          -   2019: «Loosing Loos Falling». In:
mal wussten, dass sie in uns wa-     höher gelegenen Teil aus, nicht          Architectura Procidens. The Element
ren – wer sich hier wen aneignet,    länger mehr als rein englischer          of Fall in Architecture, Magma et
das ist nicht ausgemacht.»           Garten zu verstehen. Wie es die          Principes, vol. V. Lausanne.
                                     Legende will, war er einst nach      -   2019: «Theory in Darwin’s Theatre».
«... und das lässt sich auch nicht   einem Plan Le Notres angelegt            In: BAKKER Marco; BLANC
entscheiden. Wenn wir nach ei­       worden. Mit der Zeit hatte man           Alexandre (Hg.), 2019: Darwin’s
nem Konzert, das uns ergriffen       die Natur aus den Zwängen der            Theatre. Zürich.

                                                                                                                       Seite 13
SUR LES CHEMINS DE GREENWICH PARK.                                             SULLE VIE DI GREEN-

           SOUVENIRS D’UNE CONVERSATION                                                   WICH PARK. RICORDO

           À PROPOS D’ARCHITECTURE ET DE MUSIQUE                                          DI UNA CONVERSAZIONE

                                                                                          SULL‘ARCHITETTURA

                                                                                          E LA MUSICA

           Ce qui les sépare, c’est aussi ce       Est­ce précisément dans le pou­        Secondo la distinzione di Lessing
           qui les unit: la musique est l’art le   voir qu’elles exercent sur nos sens    tra arti temporali e spaziali, la
           plus éphémère, l’architecture l’art     que réside la possibilité de réali­    musica è quella più fugace men­
           le plus durable – aux deux pôles        ser l’ambition, certes souvent         tre l‘architettura quella più stati­
           des représentations faites dans le      contestée, des Lumières de tout        ca. E si sa che gli estremi si tocca­
           temps et dans l’espace, selon une       expliquer par la raison et, ce fai­    no, così come entrambe toccano
           distinction proposée par Lessing.       sant, de lier enfin sentiment et       la nostra sfera emotiva.
           Et c’est à ce titre que ces deux        raison? Existe­t­il des espaces de
           formes d’art se touchent, comme         réflexion empreints de sérénité        Chi non se ne occupa professio­
           elles nous touchent.                    qui, par exemple par le biais du       nalmente, non si cura di tenere
                                                   rythme qu’elles imposent à notre       una distanza estetica da esse o di
           Dans la mesure où notre intérêt         mouvement, se laissent percevoir       fare una riflessione critica su
           n’est pas purement professionnel,       par les sens de manière à éveiller     queste due arti. La musica, ad
           elles produisent sur nous un effet      en nous cette même sérénité?           esempio quella di sottofondo dei
           auquel nous ne pouvons en règle         Rien n’est moins sûr. Toutefois,       supermercati, e le strutture archi­
           générale opposer aucune dis­            l’on ne saurait non plus exclure       tettoniche che ci circondano, in­
           tance esthétique, par rapport au­       que la perception par les sens et      quadrano e strutturano in modo
           quel nous ne jouissons d’aucun          l’idée abstraite se laissent joindre   quasi impercettibile la nostra
           espace permettant une réflexion         avec une telle liberté. L’auteur se    routine quotidiana, in quanto ri­
           critique. Que leurs manifesta­          remémore une conversation à ce         entrano nella nostra percezione
           tions s’éteignent trop vite ou          sujet avec un ami – sur les che­       affettiva preriflessiva, dal caratte­
           soient trop familières, la musique      mins de Greenwich Park.                re quasi mistico. Il potere sedutti­
           – par exemple au supermarché –                                                 vo di queste due arti è ambivalen­
           et l’architecture – dont la pré­                                               te. Il loro uso nella storia è stato
           sence est constante – de par le                                                anche nefasto e ha segnato talvol­
           cadre et la structure qu’elles nous                                            ta «...l‘inizio di fatti terribili».
           offrent, rythment de manière à            6
           peine perceptible la routine de
           notre vie quotidienne. Elles
           s’adressent à notre perception
           affective et instinctive, que l’on
           peut qualifier de mythique. Le
           pouvoir de séduction de ces deux
           formes d’art témoigne d’ambi­
           guïté: au cours de l’histoire, y
           faire recours s’est souvent avéré
           sinistre, marquant «…le début de
           quelque chose de terrible».

                                                                                           6   Vista sul Christopher Wren's
                                                                                               Observatory dal colonnato
                                                                                               della Queen's House.
                                                                                               Foto: © Tim Kammasch.

Seite 14
ON THE PATHS OF GREENWICH PARK.

                                       MUSINGS ON ARCHITECTURE AND MUSIC

Ma è il loro potere sui nostri sen­    What divides them also unites         tion. There is an ambivalence to
si a farci desistere dal trovare una   them. Of all art forms, music is      the seductive powers of these art
spiegazione razionale o a indurci      the most ephemeral, architecture      forms. Throughout history, these
a coltivarle per riuscire finalmen­    the most durable. They are the        powers have been used to posi­
te a congiungere emozioni e ra­        extremes of what Lessing calls        tive effect, but sometimes also
zionalità?                             “the art of time” and “the art of     misused for more sinister ends,
                                       space”. As such, they influence       and were even “[...] the beginning
Esistono spazi della nostra co­        not only us – the listener and ob­    of Terror […]”.
scienza che si manifestano a li­       server – but also one another.
vello sensoriale, per esempio                                                Yet, does this power that they ex­
attraverso il ritmo dei nostri mo­     When we approach these art            ert on our senses open up the
vimenti (in conformità con la te­      forms from a lay perspective, the     possibility of correcting the
oria dello spazio e del tempo di       effect they have on us is such that   much­criticised desiderata of the
Lessing), in modo tale da rivelar­     we are generally unable to estab­     Enlightenment and, through the
si alla nostra ragione? Ciò non è      lish an aesthetic distance or men­    cultivation of these central tenets,
affatto certo. Ma non si può nem­      tal space in which to critically      strike a balance between reason
meno escludere che la percezione       reflect on them. Whether overly       and emotion? Are there thinking
sensoriale e l‘idea astratta possa­    familiar and quick to fade away,      spaces which co­opt our senses,
no essere collegate in modo così       music, e.g. in a supermarket, and     say, through the rhythm of our
libero. L‘autore ricorda una con­      architecture, in its ubiquity,        movements, to such an extent
versazione avuta con un amico          frame and structure our daily         that they become subsumed
che verteva su questi interrogati­     routine, almost imperceptibly.        within us? This is by no means a
vi mentre passeggiavano lungo i        Both speak to our pre­reflexive,      foregone conclusion; neither is
sentieri del Greenwich Park.           affective – or ‘mythical’ – percep­   the free coalescence of our senso­
                                                                             ry perception and abstract ideas
                                                                             beyond the realms of the possi­
                                                                       7     ble. In this article, the author re­
                                                                             calls a conversation he had with a
                                                                             friend on this subject as they en­
                                                                             joyed a stroll round Greenwich
                                                                             Park.

                                                                              7   Freeing nature from the constraints
                                                                                  of geometry... These trees, whose
                                                                                  tops draw fine black cracks in the
                                                                                  sky, can be regarded as a symbol for
                                                                                  that. Photo: © Tim Kammasch.

                                                                                                                         Seite 15
HANS SCHÜPBACH

       MUSIKBAUTEN
       ALS DESIGN-IKONEN
       UND STÄDTEWAHRZEICHEN
           VERMEHRT WERDEN OPERNHÄUSER HEUTE AM WASSER GEBAUT

                                 Seit je nahmen Orte, an denen         Einen Meilenstein setzte etwa der
                                 Zuschauer einem Geschehen             Bau des Globe Theatre in London,
                                 beiwohnten, eine wichtige Stel-       wo ab 1600 auch Shakespeares
                                 lung innerhalb der Gesellschaft       Werke aufgeführt wurden. Auch
                                 ein. Dies traf auf die Amphi-         wenn die genaue Form nicht klar
                                 theater in der Antike ebenso zu       bestimmt ist, darf man von einen
                                 wie auf Jahrmarkt- und Shakes-        achteckigen bzw. runden Fach­
                                 peare-Theater1 in elisabethani-       werkbau mit Sitzplätzen auf drei
                                 scher Zeit; und noch mehr auf         überdachten Stockwerk­Galerien
           Hans Schüpbach.       die Opernhäuser in späteren           ausgehen. Im Innenraum gab es
           Lic. phil. hist.,     Jahrhunderten. Letztere setzte        Stehplätze unter freiem Himmel,
           MAS Denkmal-          man als repräsentative Kultur-        wo das Publikum dem Wetter
           pflege und Um-        bauten in Szene, sodass viele         ausgesetzt war.1
           nutzung, stv. Chef    von ihnen bald schon zu Städte-
           KGS im Bundes-        wahrzeichen wurden. Heute             Erste ‹richtige› Opernhäuser ent­
           amt für Bevöl-        baut man sie vermehrt am Was-         standen ab der Mitte des 17. Jahr­
           kerungsschutz,        ser – (k)ein Zufall?                  hunderts. Sie hatten vor dem Zu­
           Redaktion KGS                                               schauerraum meist eine Bühne in
           Forum.                Während die griechischen Thea­        der Form eines Guckkastens, an
                                 ter von Beginn weg zur Darstel­       den links und rechts Galerien mit
                                 lung kultischer und kultureller       Logen anschlossen. Dies war lan­
                                 Handlungen genutzt wurden             ge Zeit (und ist es zum Teil bis
                                 (Tänze, Chorlieder, Theaterele­       heute) die übliche Form für sol­
                                 mente), entwickelten sich die rö­     che Bauten, meist wurde vor der
                                 mischen Amphitheater rasch zu         Bühne noch ein Orchestergraben
                                 Stätten der Belustigung für das       angefügt bzw. nach unten ver­
                                 Volk (‹Brot und Spiele›). Im Circus   senkt, oft waren die Galerien zu­
                                 fanden Wagenrennen statt, in der      dem kreisförmig angelegt.
                                 Arena, neben grossen Theater­
           Dank                  aufführungen, vor allem Gladia­
           Der Autor bedankt     toren­ und Tierkämpfe. Dieses         BERÜHMTE OPERNHÄUSER
           sich herzlich bei     Element trat mit der Zeit in den
           Nina Hüppi            Hintergrund; heute finden auch        In diesen Musiktheatern wurden
           (Denkmalpflege        in etlichen römischen Amphithe­       Konzerte, Opern, Operetten und
           des Kantons           atern (Verona, Orange, Avenches       Ballette aufgeführt, vielfach aber
           Zürich) für das       usw.) musikalische Darbietungen       auch Dramen und andere Thea­
           Vorbereiten und       unter freiem Himmel statt, von        terstücke gezeigt. Vom 17. bis
           Zurverfügung-         der Oper bis zum Rockkonzert.         zum 19. Jahrhundert entwickel­
           stellen von Bild-                                           ten sich diese Repräsentations­
           und Textmaterial                                            bauten nicht selten zu Wahrzei­
           zum Kongresshaus      BAUTEN                                chen von Städten, die man auf
           sowie bei Andri-      FÜR THEATER UND MUSIK                 einer Reise einfach gesehen ha­
           jana Ljubisavljevic                                         ben musste. Oft fielen die ersten
           (BABS) für das        Im Barock verlagerten sich Thea­      Häuser einem Feuer zum Opfer
           Bild des Sydney       ter­ und Musik­Vorstellungen in       und wurden dann wieder aufge­
           Opera House.          eigens dafür errichtete Bauten.       baut. Als Beispiel dafür ist etwa

Seite 16
1   Das Sydney Opera House war sozu-
                                                                                  sagen das Vorreiter-Projekt für viele
                                                                                  spätere moderne Musikbauten.
                                                                                  Architektonisch betrat man hier oft
                                                                                  Neuland; Schwierigkeiten führten zu
                                                                                  Kostenüberschreitungen und Bauver-
                                                                                  zögerungen. Trotzdem ist das Opern-
                                                                                  haus heute eines der wichtigsten
                                                                                  Wahrzeichen Australiens. Seit 2007
                                                                                  figuriert es in der UNESCO-Welt-
                                                                                  erbeliste.
                                                                                  Foto: © Andrijana Ljubisavljevic.

                                                                                  vgl. auch: https://de.wikipedia.org/
                                                                                  wiki/Sydney_Opera_ House
                                                                         1
                                                                     1            [Letzter Stand für alle im Beitrag
                                                                                  erwähnten Links: 26.3.2019].

La Fenice zu nennen, das Opern-       «DAS PRINZIP ALLER                     Vielleicht sind solche Asso-
haus Venedigs, welches nach dem       DINGE IST WASSER...»                   ziationen mitverantwortlich für
Brand des Vorgängerbaus 1792                                                 Musikdarbietungen in der Nähe
‹wie Phoenix aus der Asche› neu       Thales von Milet soll mit diesem       des Wassers. Seit Jahren finden
entstand (deshalb der Name). Wei-     Zitat im 7./6. Jahrhundert v. Chr.     in Bregenz Festspiele auf einer
tere bekannte Häuser, die sich bis    ‹Wasser› als Ursprung von allem        grossen Seebühne statt – eine
heute durch ihre Architektur oder     bezeichnet haben. Doch auch            Tendenz, die in der Schweiz am
eine besondere Akustik auszeich-      sonst ist ‹Wasser› allgegenwärtig      Thuner- und am Walensee Nach-
nen, sind z. B. die Mailänder Scala   – es begegnet uns in Mythologie        ahmung gefunden hat. Und der
(1778), das Royal Opera House in      und Religion, in der Sprache, in       Kasten auf der nachfolgenden
London (1809), das Bolschoi-Thea-     Künsten wie der Dichtung, Male-        Seite zeigt eindrücklich, wie viele
ter in Moskau (1825), die Wiener      rei und eben auch in der Musik.        moderne Opernhäuser in den
Staatsoper (1869), die Opéra Gar-     Die Fahrt auf den See oder aufs        vergangenen 20 Jahren am oder
nier in Paris (1875), die Semper­     Meer hinaus weckt Abenteuer-           gar im Wasser gebaut wurden.
oper in Dresden (1878) oder die       lust und Heimweh zugleich, die
Metropolitan Opera in New York        Rückkehr in den Hafen beschert         All diese Bauten haben den An-
City (1883).2                         einem einen vertrauten Anblick.        spruch, trotz baulicher, finanziel-
                                      Wasser existiert in unterschiedli-     ler und terminlicher Probleme
                                      cher Ausprägung: als zerstöreri-       von der Funktion, aber auch vom
HEUTE BEDINGT                         sche Sintflut, als lebenswichtiges     Material, vom Design und von
DIE VERDICHTUNG                       Elixier oder als liebliche Quelle      der Architektur her zu Ikonen
NEUE STANDORTE                        – Wasser schafft Atmosphäre!           und zu Identifikationssymbolen
                                      Denken wir an die idyllische Ein-      für die Bevölkerung zu werden.
Allmählich wird der Raum in-          gangsszene von Schillers Wilhelm       Einige Aspekte sollen in der Fol-
nerhalb der Städte knapp – für        Tell («Es lächelt der See, er ladet    ge kurz angesprochen werden;
den Bau neuer, grosser Opern-         zum Bade...»). Schon kurze Zeit        zwei frühe Beispiele werden als
häuser gibt es deshalb heute          später beginnt es jedoch zu don-       Ausgangspunkte miteinbezogen:
kaum mehr Platz. Die innerstäd-       nern, der See braust auf und wird      das Zürcher Kongresshaus mit
tische Kulturarchitektur wendet       zur stürmischen, zerstörerischen       Tonhalle (1939), das zurzeit res-
sich unter dem Wunsch nach Ver-       Kraft.                                 tauriert wird, sowie das seit 2007
dichtung vermehrt dem Bauen in                                               zum UNESCO-Weltkulturerbe
die Höhe (Türme) oder in die Tie-     Auch Musik bedient sich solcher        gehörende Sydney Opera House
fe zu (unterirdische Räume und        Stimmungen, um Gefühle anzu-           (1973; Abb. 1).
Hallen) oder sucht – anschlies-       sprechen. Bekanntes Beispiel da-
send an bestehende Bauten – die       für ist Schuberts Forelle, wo das
Breite (Erweiterungsbauten für        Wasser zunächst «in einem Bäch-        ABBRUCH, WEITERBAUEN
Museen, Bibliotheken, Theater).       lein helle» ruhig dahinfliesst, be-    ODER NEUBAU?
Für neue Bauten muss man in die       vor der Fischer es «tückisch trü-
Peripherie ausweichen oder ver-       be» macht. Noch deutlicher wird        Dies ist die erste wichtige Frage,
sucht, neuen Baugrund zu fin-         dies in Smetanas Moldau, wo die        da in der Regel oft Vorgängerbau-
den. Dies mag mit ein Grund da-       verschiedenen Stadien des Flus-        ten bestehen, die vielleicht schon
für sein, dass im 21. Jahrhundert     ses (von der Quelle über Strom-        unter Denkmalschutz stehen.
Opernhäuser vermehrt am Was-          schnellen bis hin zum breiten          Der bauliche Zustand des alten
ser gebaut wurden. Vielleicht         Fluss) musikalisch als in unter-       Kultur- und Kongresshauses in
passen ‹Kunst› und Wasser aber        schiedlicher Form wiederkehren-        Luzern von Armin Meili aus den
auch einfach gut zueinander.          des Leitmotiv umgesetzt werden.        1930er-Jahren liess einen Abriss

                                                                                                                          Seite 17
Sie können auch lesen