EIN MUSIKALISCHES KGS FORUM - Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
> THEMA: EIN MUSIKALISCHES KGS FORUM KGS > 32.2019 > THÈME: UN FORUM PBC MUSICAL PBC > TEMA: UN FORUM PBC MUSICALE PBC > THEME: A MUSICAL PCP FORUM PCP A MUSICAL PCP FORUM UN FORUM PBC MUSICALE KGS FORUM UN FORUM PBC MUSICAL EIN MUSIKALISCHES
FORUM NR. 32 / 2019 INHALT CONTENU Pio Pellizzari Editorial: CONTENUTO Musik, unser klingendes Kulturgut ...................................................... 3 CONTENT Tim Kammasch Auf den Wegen von Greenwich Park. Erinnerungen an ein Gespräch über Architektur und Musik....................................... 8 Hans Schüpbach Musikbauten als Design-Ikonen und Städtewahrzeichen. Vermehrt werden Opernhäuser heute am Wasser gebaut ................. 16 TITELBILD | COUVERTURE | IMMAGINE Edmond Voeffrey DI COPERTINA | COVER L'orgue de la basilique de Valère à Sion (VS)......................................... 23 avec texte dans l'encadré de Maria Portmann Das Titelbild zeigt einen Ausschnitt aus Les volets de l'orgue de Valère............................................................... 24 dem Gemälde ‹Der Castalische Brun- nen›, das aus dem Besitz des Basler Isabel Münzner Stadtarztes Felix Platter (1536–1674) Allegorie der Musik. stammen soll. Auf diesem Bild finden Ein Gemälde als Ausgangspunkt für Museumsaufgaben ................. 32 sich alle in jener Zeit bekannten Instrumente, vgl. dazu auch S. 33. Christoph E. Hänggi Das Museum für Musikautomaten in Seewen (SO) ............................ 39 L’image de couverture montre un détail du tableau ‹La fontaine Castalie› Séverine Gueissaz probablement issu des biens du médecin Le Musée CIMA à Sainte-Croix (VD). bâlois Felix Platter (1536–1674). Sur Centre international de la mécanique d'art.......................................... 46 l’image on peut apercevoir tous les instruments de cette époque, voir Hans Hirsbrunner à ce sujet aussi p. 33. Zur Geschichte der Hausorgel in der Schweiz. ................................... 52 La copertina mostra un dettaglio del Adrian von Steiger dipinto ‹Castalischer Brunnen›, che era Spielen oder stilllegen? probabilmente di proprietà del medico Zur Erhaltung historischer Blasinstrumente...................................... 62 basilese Felix Platter (1536–1674). Vi figurano tutti gli strumenti musicali Ulrike Henningsen, Michael Marek conosciuti all'epoca, vedi anche pag. 33. Wie gedruckt! Historische Blasinstrumente aus dem 3-D-Drucker. Im Instrumentenbau prallen Hightech und Tradition aufeinander.. 67 The cover image is a detail from Castalischer Brunnen [Castalian Spring]. Armin Zemp The painting, which is thought to have Sinfonia ai funghi. Können Geigen once belonged to renowned Basel aus pilzbefallenem Holz einen besonderen Klang erhalten? ............. 72 physician Felix Platter (1536–1674), shows all known instruments from that Gabriella Hanke Knaus period (cf. also p. 33). Reorganisation der Musiksammlung des Benediktinerklosters Mariastein (SO). Vom ‹Vespertinale pro festis› (1683) Ausschnitt, Inv. 1906.2901. zum ‹Galop du chemin de fer alsacien pour le piano› ......................... 76 Foto / Photo: P. Portner, © Historisches Museum Basel (HMB). Alexandra Kull Die Harfe aus dem Königsfriedhof von Ur. Bildbearbeitung: Christoph Koenig. 4500 Jahre Dornröschenschlaf ............................................................. 83 Olivier Melchior La Cité de la musique: un lieu insolite dédié au monde musical......... 90 Impressum / Adressen KGS................................................................. 99 Seite 2
PIO PELLIZZARI EDITORIAL MUSIK, UNSER KLINGENDES KULTURGUT Liebe Leserin, lieber Leser Wir können sie auch sammeln, tauschen oder verschenken, und Musik hören wir jeden Tag, ob – wo immer wir es wünschen – passiv oder aktiv, vielleicht ma mit uns herumtragen. Musik ver chen wir sogar selbst welche. Mu bindet uns mit uns selbst und sik gibt es in allen Kulturen und unserer Umwelt. sie erfüllt verschiedenste Funk tionen: von der kultischen Beglei Musik ist multikulturell und tung über den gemeinsamen zeichnet sich durch eine eigene, Pio Pellizzari, kulturellen Genuss, bis hin zur allgemein verständliche und Studium in Musik- Unterhaltung oder als ‹Hinter emotionale Sprache aus. Sie ist wissenschaft, grundgeräusch›. Musik wird auch nicht an Regionen oder an romanischer Philo- vielfältig gebraucht – manchmal bestimmte Kulturen gebunden. logie und franzö- auch missbraucht – zur Erzeu Eine Ausnahme bilden hier viel sischer Literatur an gung und Verstärkung von Stim leicht die Volksmusik oder die den Universitäten mungen, zur Verführung oder traditionelle Musik, die meist zu Fribourg und Lyon. als Machtdemonstration: kein den Sitten und Gebräuchen einer Assistent, wissen- Fest ohne Musik, kein Film ohne Gesellschaft oder einer Volks schaftlicher Biblio- Klangbegleitung, kein Einkaufs gruppe gehören, obwohl auch in thekar und Lehr- geschäft ohne musikalische Un diesen Bereichen eine immer beauftragter für termalung. Musik herrscht allge grössere Vermischung stattfin Musikwissen- genwärtig und überall, sie ist det. Schon vor Jahrhunderten schaft. Von Juli sofort zu haben, und es gibt sie in wanderten Komponisten, Musi 1998 bis März zahlreichen Formen, Arten und ker und Instrumentenbauer – 2019 Direktor der Stilen. Sie umgibt uns perma und mit ihnen ihre Musik – durch Schweizerischen nent, sodass wir sie manchmal ganz Europa. Sie standen im Nationalphonothek gar nicht mehr wahrnehmen. Dienst an Höfen und Kathedra in Lugano. len und machten Musik im Auf Aktuell Vize-Präsi- trag ‹fremder Herren›. Musik dent der IASA 1 Kleiner Querschnitt durch die handschriften, und vor allem der (International Samlungsbestände der Fonoteca. Musikdruck, erlaubten eine Ver Association of Foto: © Schweizerische National- breitung der Musik weit über die Sound and Audio- phonothek, Lugano. Grenzen ihrer Entstehung hin visual Archives), Präsident des Teaching & Educa- tion Committee der IASA, Vorstands- mitglied des Ver- eins ‹Arbeitsstelle Schweiz des RISM› (Répertoire International des Sources Musicales). 1 Seite 3
2 Centro San Carlo – Sitz der Fonoteca in Lugano. Foto: © CC BY-SA 3.0, wikimedia commons, Fotograf: Sonaglio, 2011. https://de.wikipedia. org/wiki/Datei:Centro_ San_Carlo_ entrata.JPG (Original in Farbe). aus. Durch die Erfindung der Ton aufnahme und Tonwiedergabe vor rund 130 Jahren wurde die Verbreitung von Musik vollends global; nebst der Kunst des In strumentenbaus entstand auch eine neue ‹Kunst›, die Tontechnik. Trotz dieser schon sehr früh ein setzenden Globalisierung ist Mu sik auch ein Kulturgut, das Sinn stiftung, Zugehörigkeit sowie Identität verspricht. Sie kann sich zwar für jede Generation anders anhören, gibt ihr aber Sinn und eine eigene Geschichte. Musik er zählt als kultureller Zeitzeuge einer Epoche die Geschichte ei ner Gesellschaft, des künstleri schen Geschmacks, aber auch des Aufruhrs und des Widerstands oder des technischen Fortschritts. Als klingendes Ereignis ist Musik jedoch weder sichtbar noch phy sisch fassbar. Sie ist flüchtig und klingt nur in unseren Erinne rungen nach. Deshalb zählt sie – gemäss Definition der UNESCO – auch zum immateriellen Kul turgut. Um sie als Kulturgut im Sinne des Kulturgüterschutzes greifbar zu machen, muss sie fi xiert werden in Handschriften, in Notendrucken, in Aufnahmen 2 auf Tonträgern oder als Files auf unseren Smartphones. Dieses Heft zeigt unterschiedli fektionierung der Akustik, die Zur Bewahrung dieses ‹klingen che Facetten dieses Kulturguts Architektur, die bildliche Dar den› Kulturguts ist in unserem und die verschiedenen Überliefe stellung von Musik oder die Land die Schweizerische Natio rungsformen auf. Im Fokus steht Handwerkskunst bei der Herstel nalphonothek zuständig. Sie küm dabei hauptsächlich das Greif lung von Musikautomaten sowie mert sich um die Erhaltung der und Sichtbare wie die Kunst des die Vermittlung in Museen. klingenden Inhalte, Musik, Ge Instrumentenbaus, die Restaurie sprochenes usw., aber auch um die rung und Erhaltung von Instru Link Nationalphonothek: https:// Technik der Reproduzierbarkeit. menten, die Forschung und Per www.fonoteca.ch/index_de.htm Seite 4
ÉDITORIAL LA MUSIQUE, NOTRE BIEN CULTUREL SONORE Chère lectrice, cher lecteur, truments voyageaient dans toute ment à la définition de l’Unesco, l’Europe, et leur musique avec elle fait partie des biens culturels Nous entendons de la musique eux. Ils se mettaient au service de immatériels. Pour la rendre tan tous les jours, passivement ou cours ou de cathédrales et travail gible au sens de la protection des activement, et peutêtre même en laient à la demande pour des ‹sei biens culturels, elle doit être cap faisonsnous. La musique se re gneurs étrangers›. Les partitions turée sur des manuscrits, des trouve dans toutes les cultures, et, surtout, l’imprimerie ont per partitions, des enregistrements où elle remplit de multiples fonc mis son exportation à grande ou sous forme de fichiers sur nos tions, de l’accompagnement du échelle. La découverte de l’enre smartphones. culte au plaisir pur de l’écoute en gistrement et de la reproduction passant par le divertissement ou sonore il y a quelque 130 ans ont En Suisse, c’est à la Phonothèque le bruit de fond. On use aussi de assuré la diffusion de la musique nationale qu’il revient de préser la musique – et parfois même on dans le monde entier. À l’art de la ver ce bien culturel (https:/www. en abuse – pour créer ou souli fabrication des instruments s’est fonoteca.ch/index_fr.htm). Cette gner des atmosphères, pour sé ajouté celui de l’ingénierie du institution est chargée de la duire ou pour faire des démons son. conservation des contenus so trations de force: il n’y a pas de nores sous forme de musique, de fête sans musique, ni de film sans Malgré cette mondialisation pré discours, etc. mais aussi des tech bande son, ni de magasin sans coce, la musique reste aussi un niques de reproduction. fond musical, etc. La musique est bien culturel porteur de sens, d’ap aujourd’hui omniprésente, dispo partenance et d’identité. Même si Cette édition de Forum présente nible dans la seconde et sous une chaque génération l’écoute à sa quelquesunes des très nom infinité de formes, de styles et de manière, elle leur raconte à toutes breuses facettes de ce bien cultu genres, elle nous entoure en per une histoire. La musique est tou rel et de ses multiples formes de manence, à tel point que parfois jours le témoin de son époque, du diffusion. Elle met l’accent, sans nous ne la percevons même plus. lieu où elle naît, des goûts artis pour autant s’y limiter, sur des Nous pouvons aussi la collection tiques du moment, mais aussi de aspects concrets et visibles ner, l’échanger ou l’offrir et la la résistance, de la rébellion ou comme l’art des facteurs d’ins prendre partout avec nous. La encore du progrès technique. truments, la restauration et la musique nous relie à nousmêmes conservation des instruments et au monde qui nous entoure. Événement sonore, la musique anciens, les progrès de l’acous n’est perceptible ni visuellement tique, l’architecture, la représen Multiculturelle, la musique se ca ni physiquement. Éphémère, elle tation imagée de la musique, la ractérise par un langage propre, ne résonne que dans nos souve fabrication d’automates ou encore universel et émotionnel. Elle nirs. C’est pourquoi, conformé la médiation dans les musées. n’est pas liée à des régions ou des cultures précises, à l’exception de ses formes populaires ou tradi tionnelles. Dans ces déclinaisons, elle est généralement liée aux us et coutumes de sociétés ou de groupes ethniques, quand bien même là encore il y a toujours plus de brassage. Déjà dans les siècles passés, les compositeurs, les musiciens et les facteurs d’ins Seite 5
EDITORIALE LA MUSICA, IL NOSTRO PATRIMONIO CULTURALE SONORO Cari lettori, generalmente parte degli usi e dei Quale espressione sonora, la mu costumi di una società o di un sica non è né visibile né tangibile. La musica ci accompagna quoti gruppo etnico, sebbene vi siano È fugace e continua a risuonare dianamente, sia passivamente sempre più commistioni di gene solo nei nostri ricordi. Per questa che attivamente, e molti di noi ri musicali. I compositori, i musi ragione, secondo la definizione suonano addirittura uno stru cisti e i costruttori di strumenti dell’UNESCO è anche un bene mento. La musica è presente in musicali – e con essi la loro musi culturale immateriale. Per ren tutte le culture ed assume mol ca – giravano l’Europa già parec derla tangibile come bene cultu teplici funzioni, dall’accompa chi secoli fa. Erano al servizio rale ai sensi della protezione dei gnamento di culti, alla fruizione delle corti e del clero e facevano beni culturali, deve essere fissata culturale condivisa, all’intratte musica per conto di ‹nobili stra in manoscritti, spartiti musicali, nimento fino al semplice ‹rumore nieri›. Le partiture musicali e so registrazioni su supporti audio o di sottofondo›. Viene utilizzata in prattutto la pressione musicale file nei nostri smartphone. La Fo vari modi, a volte anche impro permisero alla musica di diffon noteca nazionale svizzera è re priamente, per creare atmosfere o dersi ben oltre i confini in cui era sponsabile di preservare questo accentuare stati d’animo, per se stata composta. L’invenzione del patrimonio culturale nel nostro durre o ostentare potere. Non c’è la registrazione e della riprodu paese (https://www.fonoteca.ch/ festa senza musica, non c’è film zione sonora, circa 130 anni fa, ha index_it.htm). Si occupa della senza colonna sonora, non c’è ne favorito la diffusione della mu conservazione dei contenuti so gozio senza musica di sottofondo, sica a livello globale e, accanto nori, della musica, delle parole, ecc. La musica è onnipresente e all’arte della costruzione di stru ecc., ma anche della tecnica di ri subito fruibile, esiste in molte for menti, è nata una nuova ‹arte›: produzione. me, tipi e stili e ci avvolge conti la tecnica del suono. nuamente, tanto che a volte non ci Questa rivista illustra le diverse facciamo nemmeno più caso. Pos Nonostante la sua precoce globa sfaccettature di questo patrimo siamo anche collezionarla, scam lizzazione, la musica rimane un nio culturale e le varie forme di biarla o regalarla e portarla con bene culturale che genera senso trasmissione alle future genera noi dove vogliamo. La musica ci di appartenenza e identità. Può zioni. Pone l’attenzione sul tangi mette in sintonia con noi stessi e suonare diversa per ogni genera bile e visibile come l’arte della con il nostro ambiente. zione, ma le conferisce un senso e costruzione di strumenti, il re una storia propria. Testimonian stauro e la conservazione degli La musica è multiculturale e ca za culturale di un’epoca, la mu strumenti, la ricerca e il perfezio ratterizzata da un proprio lin sica racconta la storia di una so namento dell’acustica, l’architet guaggio emotivo, comprensibile cietà e di un gusto artistico, ma tura, la rappresentazione visiva a tutti. Non è legata solo a deter anche di una rivolta, o di una della musica, l’artigianato della minate regioni o culture. Un’ecce resistenza, e del progresso tec costruzione di automi musicali e zione potrebbe essere la musica nologico. la mediazione nei musei. folcloristica o tradizionale, che è Seite 6
EDITORIAL MUSIC, OUR AUDIO HERITAGE Dear reader, ers, musicians and instrument documents, including music and makers travelled across Europe, the spoken word, as well as the We listen to music every day, bringing their works to all parts instruments and equipment used sometimes passively, sometimes of the continent. They provided to reproduce them. actively. A few of us might even their services to courts and cathe make our own. Music is present drals or were commissioned to The present issue explores the in all cultures and fulfils a wide write works at the behest of 'for many different facets of audio variety of functions: it accompa eign masters'. Music manuscripts heritage and the various forms its nies ritual actions, offers a shared and especially printed music al transmission takes. The focus is cultural experience, provides a lowed works to be shared far be mainly on the tangible and visi source of entertainment or serves yond their birthplace. With the ble dimension, such as the art of merely as ambient noise. Music is invention of audio recording and instrumentmaking, restoration also used, and even misused reproduction some 130 years ago, and preservation, architectural sometimes, in a wide variety of the dissemination of music final and acoustics research and ad ways, such as to elicit or heighten ly went global. Another 'art form' vances, the representation of mu emotions, to seduce or to make a would emerge to join that of in sic in art, the craftsmanship be show of force. A party is not com strumentmaking: audio engi hind musical automata, and the plete without music; a film is not neering. work of museums to share this complete without a soundtrack; a valuable heritage with the broad shopping experience is not com Despite this precocious globalisa er public. plete without music playing in tion process, music remains a cul the background. Music is ubiqui tural asset that gives meaning, tous, omnipresent and instantly and creates a feeling of belonging available. It comes in myriad and identity. Each generation has forms, types and styles. We are its own soundtrack but all derive constantly surrounded by it, so meaning and a sense of history much so that we are often un from it. Music is the audio history aware of it. Music is also some of society, reflecting its artistic thing that we collect, share, gift tastes and fashions, as well as its and, in some cases, even carry upheavals, struggles and techno around with us. Music connects logical advances. us to one another, and to our sur roundings. Yet, music is neither visible nor palpable; it is ephemeral, echoing Music is multicultural and has its only in our memories. As such, own understandable and emo it corresponds to the UNESCO tional idiom. It transcends re definition of intangible cultural gions and cultures, perhaps with heritage. To protect our audio one exception: folk and tradition heritage, its physical manifesta al music. Although they tend to tions – manuscripts, printed mu reflect the customs and mores of sic, recordings, and smartphone a particular community or ethnic files – must be preserved. This group, the lines between folk and is precisely the mission of the traditional music and other gen Swiss National Sound Archives res are growing increasingly (https:// www.fonoteca.ch/index blurred. Centuries ago, compos _en.htm). It safeguards audio Seite 7
TIM KAMMASCH AUF DEN WEGEN VON GREENWICH PARK ERINNERUNGEN AN EIN GESPRÄCH ÜBER ARCHITEKTUR UND MUSIK Für Rosalyn «Es ist doch paradox», fuhr mein Freund fort, «dass ich an jenem «Sitting in an English Garden Abend gewiss in keinem einzi Waiting for the Sun gen Moment Musik habe hören If the sun don’t come you get a tan können und mir doch insbeson From standing in the English rain...» dere eine der Zugaben, es war die (John Lennon; Paul McCartney). Rêverie von Debussy, immer noch gegenwärtig ist. Wie ein diffuses Licht auf den Dingen lässt sie, Prof. Dr. phil. Ich hatte für einige Tage in Lon was ich vor mir sehe, in einem Tim Kammasch, don zu tun und einen Freund, der vagen, mir nicht erklärlichen Zu Professor für auf der Insel lebte, von meinem sammenhang erscheinen.» Kulturtheorie, Aufenthalt wissen lassen. Der Fe Fachbereich Archi- bruar war erstaunlich mild, der An die Zugaben jenes Abends tektur, Berner Frühling dem Kalender voraus, konnte ich mich nicht erinnern, Fachhochschule und mein Freund hatte einen und ich würde wohl den Kon (BFH), Architek- Spaziergang in Greenwich vorge zertabend längst vergessen ha tur, Holz und Bau schlagen. ben, wenn nicht Palladio die Ku in Burgdorf. lisse dazu gegeben hätte. Die So kam ich in den Park. Mit einem Bühnenarchitektur hatte meinen Themseboot von der City flussab Blick förmlich in ihre perspekti wärts. Wir hatten uns an der An visch stark verkürzten Strassen legestelle verabredet und waren fluchten hineingezogen, fast phy durch die Arkaden von Christo sisch war mir dieser Sog erin pher Wrens Hospital, das später nerlich. Die Art von affektiver als Naval College genutzt wurde Erinnerung, von der mir mein und heute die University of Green Freund erzählte, war mir also wich beherbergt, in die Kolon nicht ganz unbekannt, ebenso naden auf der OstSeite von Inigo wenig das von ihm beschriebene Jones’ Queen’s House getreten, als Paradox, es hatte einen berühm mein Freund mich mit folgender ten Vordenker: Betrachtung überraschte: «Augustinus», so merkte ich an, «Kannst Du Dich an den Abend «hat in seinen Reflexionen über in Vicenza erinnern? In Palladios die Zeit diese ebenso in nichts Hinweis Teatro Olimpico, das Klavierrezita aufgelöst wie Du die Rêverie Quellennachweise tiv des Maestro S.?» von Debussy. Zerlegt man wie für die im Text Ich nickte, doch aus purer Verblüf der Kirchenvater im 11. Buch erwähnten fung, wie ich eingestehen muss. seiner Confessiones den Zeit- Persönlichkeiten Und auch heute kann ich mir die strom in kleinste Einheiten, in und Werke stellt sen plötzlichen Einfall meines Jetzt-Punkte, so ist jede Gegen- der Autor auf Freundes nicht anders erklären, wart ohne Ausdehnung, reine Anfrage gerne als durch den Umstand, dass wir Grenzmarke, an der die (noch) zur Verfügung: von zwei der prominentesten Bau nicht existierende Zukunft in tim.kammasch@ ten des englischen Palladianis die nicht (mehr) existierende- bfh.ch mus umgeben waren (Abb. 1). Vergangenheit umschlägt. Seite 8
1 Keine der drei Zeiten scheint dem sich ihm die Zeit als ekstati- 1 Blick vom Park zur Greenwich folglich zu existieren, weil jede scher Daseinsmodus der Seele University mit den beiden Kuppeln ohne Ausdehnung und somit offenbart hat. Wenn wir eine und zum Queen‘s House im nicht messbar ist. Und wie sollte Komposition hörend mitvollzie- Bildzentrum (Vordergrund). in einem Nullpunkt der Zeit je hen, so halten wir die Vergan- eine Melodie zu hören sein? genheit eines erklungenen Tons, 2 Begrenzte Sicht aus einer Senke des Nicht einmal der Klang einer die Gegenwart eines klingenden Parks. Fotos: © Tim Kammasch. Note wäre vernehmbar! Unter- Tons sowie die Zukunft eines scheidet sich dieser doch von erst noch erklingenden Tons un- einem Geräusch – einem Knall willkürlich in Erinnerung, in etwa – dadurch, dass er voraus- aktueller Wahrnehmung und Er- und zurückverweist auf eine wartung zueinander und ausein- Seele – eine vage Impression als Kadenz, einen Rhythmus. Nur ander...» point d’appuis?» als Element einer Klang-Figur wird aus einem son ein ton, qui «Heisst das», unterbrach mich Inzwischen hatte uns der Weg in fait la musique. Beide – Zeit und mein Freund, «dass Augustinus geschwungener Linie in eine Musik – existieren nur, indem das Hören eines Liedes oder ei Senke geführt. An deren tiefster sie vergehen.» nes Gedichts, ein ästhetisches Stelle waren das Naval College Kunsterleben folglich, für einen und das Queen’s House unserem «Unerhört, dieses Zeitparadox!» zulässigen Weg hielt, um..., ich Blickfeld entzogen, und selbst die – erwiderte mein Freund, mit ei meine, es ist doch, wenn auch ein hohen und höchsten Häuser von nem Schmunzeln. erinnerter, so doch immer noch Canary Wharf jenseits des Flus bloss ein sinnlicher und womög ses untergetaucht. Die Winter «Unerhört, indes nur als Unge- lich trügerischer Affekt. Sollte sonne illuminierte den Rasen, hörtes», entgegnete ich. «Immer- dies dem Kirchenvater tatsäch über den die Schatten kleiner hin hat doch Augustinus die Zu- lich als Ansatz genügt haben zur Wolken, die von der Hand Pous versicht, dass das Zeitparadox Erklärung der Zeit und der eksta sins hätten stammen können, den aufzulösen sei, gerade dadurch tischen Beschaffenheit unserer Hang hinauf eilten. gewonnen, dass er sich auf das Hören der Melodie und des Rhythmus’ eines Gedichtes oder eines Liedes zurückbesann. Im Hören, so scheint es, gehen Emp- findung und Intellekt eine Ver- bindung ein, und vermögen so eine Gewissheit zu finden, die dem Intellekt allein versagt bleibt. Auch wenn Augustinus das Zeitparadox nicht als blossen Effekt seiner offenbar unange- messenen, analytischen Betrach- tungsweise verworfen hat, so rief er sich doch eine musikali- sche Empfindung in Erinnerung und erkannte diese als Quelle 2 für ein Evidenzerlebnis an, in Seite 9
3 Vom Wiesengrund aus schien es «Es müsste eine Kunst sein, die Raumwahrnehmung unentwegt uns, als werde nur ein wenig wei ebenfalls in der Zeit erfahren abspielt und dies nicht nur, wenn ter oben der Park vom Himmel wird.» wir uns verlaufen haben und sanft berührt, höchstens die Län etwa in Venedigs Labyrinth aus ge eines galanten Schritts mochte «Spielst Du auf Lessings Unter- Gassen und Brücken nach An sie trennen. Mein Freund wies scheidung von Raum- und Zeit- haltspunkten Ausschau halten, nach Westen: Dort auf einem Hü künsten an?» die uns den weiteren Wegverlauf gel – auch er ausser Sichtweite – in Erinnerung rufen. In besonde markierte vor Christopher Wrens «Ja.» ren Fällen erleben wir Räume in Observatory der als Messingband tensiver – atmosphärisch –, weil in den Boden gestanzte Nullmeri «Aber ist das nicht ebenfalls ein sie, ohne dass uns dies in der Si dian einen imperialen Herrschafts Versuch, die Welt der Phänome- tuation selbst zu Bewusstsein anspruch über Raum und Zeit und ne nach Prinzipien zu ordnen, kommt, in uns eine Resonanz somit einen gänzlich anders gearte ohne dabei die Weise zu beach- auslösen aufgrund von Erlebnis ten Übergang als der, den die Ar ten, wie wir die Werke wahr- sen, deren Erinnerung sich mit chitekten des Parks hier in der Sen nehmen?» unserer aktuellen Wahrnehmung ke in Szene gesetzt hatten. des Raums verschränkt: Das ak «Da urteilst Du übereilt. Worauf tuelle Erleben wird intensiviert, «Es kann doch wohl sein», nahm es ankommt machte Goethe deut weil es in unserem Gedächtnis mein Freund den Gedanken wie lich: In seiner Betrachtung des auf bereits vorgezeichnete Bah der auf, «dass Augustinus fälsch Laokoon betont er, dass auch die nen trifft, – so wie der Stilus beim licherweise für die Natur der See Skulptur, und das gilt ebenso für Beschreiben der Oberfläche auf le hielt, was allein seiner eigenen Gemälde, nur in Bewegung des dem von Freud erwähnten Wun Unterweisung in Musik, also ei lesenden Auges, in der Zeit mit derblock abgleiten kann in vorge nem Brauchtum, kurz der Kultur, hin, wahrgenommen werde – das spurte unsichtbare Linien, die zu verdanken war. Was wäre für trifft übrigens auch auf diesen von früheren Einschreibungen Augustinus wohl die Seele ohne Park und seine Gebäude zu.» herrühren und die den aktuellen die sinnliche Erfahrung solcher Eindruck vertiefen und leiten.» Musik?» «Ich kann Augustinus' Erfah- rung, dass die Existenz der See- «Das Erleben von Atmosphäre «Indes», entgegnete ich, «gäbe es le zeitlich ekstatisch ist, folglich basiert also auf einem für uns Musik denn, ohne diese zeitli- auch an einem Gebäude ma- nicht erkennbaren Zusammen- che Verfasstheit der menschli- chen?» spiel unserer aktuellen Wahr- chen Seele?» nehmung mit affektiver, uns «Wie denn nicht? Nehmen wir unbewusster Erinnerung?» «Wie dem auch sei, wir dürfen an, Du bist ein Connaisseur der die Macht der Musik, nicht unter Architektur Palladios, so wirst «Vielleicht können wir in Anleh schätzen. Wenn sie solch ein ego Du aufgrund dessen, was Du nung an Proust diese unter cogito oder eher ego audio ermög schon von seinen Bauten kennst, schwellige Erinnerung als mé- licht, dann...» in der Lage sein, ungefähr zu an moire involontaire, inconsciente et tizipieren, was beim Durchque affective bezeichnen. Im Spiel ist «Hätte denn Augustinus diese ren einer Raumsequenz auf Dich sie auch beim Hören von Musik, Einsicht in die zeitliche Ausdeh- zukommt. Ich will sogar behaup die doch ebenso Raumkunst ist nung der Seele auch am Werk ten, dass sich diese Art von auf wie die Architektur Zeitkunst. einer anderen Kunst machen Erinnerung gründender Perzep Beide situieren uns in Klang können?» tion und Antizipation in unserer oder Resonanzräumen, versetzen Seite 10
3 Christopher Wrens Observatorium. 4 Kolonnaden auf der Westseite von Inigo Jones' Queen's House. Fotos: © Tim Kammasch. 4 uns in Stimmung, selten wird «Man könnte daher sagen, diese «Inzwischen hat man Wagner uns das bewusst. Die eine in ih Künste wirken auf uns in der sogar in Israel aufgeführt – be- rer Flüchtigkeit, die andere in Weise des Mythos.» gleitet von Protesten. Eine ge- ihrer Dauerhaftigkeit wirken auf wisse Affinität zur heroischen uns in einer Weise, die sich un «Wie das?» Phrase des Faschismus, die wir serer kritischen Reflexion ent ja auch in Speers Architektur zieht, wann immer wir nicht wie «Nun, wenn wir damit meinen, erkennen, lässt sich wohl doch Analytiker auf ihre Machart ach dass wir gerade im routinierten nicht leugnen... Auf den Reichs- ten.» Alltagsablauf, aber auch im Erle parteitagen der Nationalsozi- ben besonderer Atmosphären aus alisten in Nürnberg gehörten «Also für die Meisten gilt das Klang und Raum, nicht klar und Wagners Meistersinger zum wohl meisthin. Denn wenn ich distinkt zwischen uns und den Festprogramm...» Maestro S. in einem Konzert Quellen der Sinneseindrücke un höre, so will ich doch sein Spiel terscheiden, dann können wir mit «Und wie steht es mit Massen nicht analysieren. Da wäre über- Cassirer und Heidegger von my veranstaltungen heute? Da spielt dies die Partitur erforderlich, thischer Wahrnehmung sprechen. Musik doch auch eine zentrale oder zu Hause müsste ich an Nietzsche hat die Wirkmacht der Rolle. In den meist recht simplen, meinem CD-Gerät die Pause- Musik als ursprüngliche Kunstge oft redundanten Akkorden und Taste drücken können, um Zeit walt dem Mythos zugeschlagen, Kadenzen der Volksmusik etwa zu finden. Anders die Architek- indem er sie als ‹dionysische› finden viele einen vertrauten tur, diese gewährt mir in ih- bezeichnete. Er hatte dabei das Rahmen. Musik beheimatet uns.» rer Unbeweglichkeit Zeit doch rauschhaft Ekstatische des anti sehr reichlich.» ken Kults vor Augen.» «Da wiederholt sich für die Kol- lektivseele, was Augustinus an «Aber Du Dir eben nicht! Jeden «Und wohl auch Wagner...» der eigenen erlebt hat: die Bestä- falls nicht im Alltag, da Du Dich tigung ihrer Identität, verstärkt meist zielstrebig durch die Woh «Zunächst, ja; später aber setzte durch die Resonanz des kollek- nung, das Bürohaus oder auf den Nietzsche ein grosses dionysi tiven Erlebens. Entscheidend Strassen bewegst. Du registrierst sches Fragezeichen hinter seine aber scheint mir dabei das Mo- dann zwar Deine Umgebung, anfängliche Apotheose des Kom ment der Wiederholung. Das aber Dein Gehirn filtert aus, was ponisten. Als Nervenverderberin wird an der Latenz deutlich, aus im Moment für Dich nicht nütz und benebelndes Narkotikum tat der Architektur alltäglich un- lich ist. Um die Übersicht auf das er sie ab. Wagners Fall, das war sere Bewegungs- und Blickfel- Wesentliche zu behalten, über für Nietzsche ein veritabler Göt der strukturiert..., die Stille, aus siehst du vieles, was gleichwohl tersturz – so urteilt ein enttäusch der sie uns alltäglich unmerk- auf Dich einwirkt – gewissermas ter Jünger. Allerdings wurde lich bewegt, darin besteht doch sen aus dem ‹Off› Deiner Wahr Wagner nach dem Ende der NS wohl ihre grösste Wirkung.» nehmung.» Diktatur das berauschende Pa thos seiner Musik zum Vorwurf «Goethes Wort von der Architek «Musik und Architektur kom- gemacht: Es hiess, sie hätte sich tur als ‹gefrorene› oder ‹erstarrte men also darin überein, dass wir dadurch der faschistischen De Musik› wird dafür ja oft kolpor ihre Wirkung zumeist nicht aus magogie geradezu anempfohlen; tiert. Das ist aber gar nicht von einem ästhetischen Abstand er- ja, wegen Wagners Antisemitis ihm, das zitiert er nur. Er selbst fahren, der unserem Urteilsver- mus wollte man gar eine Affinität bezeichnete die Architektur als mögen Raum und Zeit gibt, zu dieser Tonkunst zur NSRassen ‹verstummte Tonkunst›. Und das reflektieren, was wir erleben.» ideologie erkennen...» ist nicht das Gleiche, denn die Seite 11
5 Rückblick auf Wrens Naval Academy und das Queen‘s House von Inigo Jones. Sie sind seit 1997 Bestandteil des UNESCO-Welterbe-Objekts «Maritime Greenwich». Foto: © Tim Kammasch. zeitliche Dimension ihrer Rezep an genau jener Stelle, an der im «Wie könnte sich dies wohl an- tion wird damit nicht negiert. anderen Bild der Mann mit Takt- fühlen? Etwa einfach schön? Man behauptet übrigens von Da stock steht, ein weiterer Pfeiler Oder wäre es ‹aufgeräumte Hei- niele Barbaro, dem Mäzen und dessen Platz einnimmt. Archi- terkeit›? Das ist ja doch der Ein- Freund Palladios, er habe an des tektur und Tanzmeister konkur- druck, der sich in Anbetracht sen Gebäuden die Proportionen rierten also um dieselbe Position der beiden Arkadenflügel von hören können; seine Augen müs im Bild. Doch worum sollten sie Wrens Naval College einstellt. sen Ohren, seine Ohren Augen konkurrieren, wenn nicht dar- Die Symmetrie in der Anla- gehabt haben.» um, wer den Takt angibt? In der ge, die das Kolossale vermei- Version ohne Tanzmeister ist es det, gibt von Ausgeglichenheit «Vielleicht spielt dieses stille also nicht das bewegte Beiwerk wahrhaft eine sinnlich fassbare Instrument indes doch eher auf – fallendes Gewand oder Haare Anschauung.» uns, als wir auf ihm. Es gibt da der Tänzerinnen –, durch das im zwei Gemälde von Degas, es statischen Medium des Bildes «Durchaus! Auch in der Musik sind wohl eher zwei Versionen mit Pathosformeln Bewegung jener Zeit bestimmt Symmetrie ein- und derselben Szene: eine angemutet wird; nein, hier den Aufbau der Komposition. Ballettprobe in der Opéra Gar- scheint Degas diese Suggestiv- Nimm zum Beispiel den Kopfsatz nier. An ihnen war mein Blick kraft der Wendeltreppe überant- von Bachs fünftem Brandenburgi- hängen geblieben, als ich zu- wortet zu haben, zweifellos ist schen Konzert: Da empfinden wir sammen mit R. die grosse Werk- sie ja ein bewegendes Werk der eine wohl balancierte Ordnung, schau vor ein paar Jahren in Architektur. Die um den dunk- die sich auf gefällige Weise mit Melbourne besucht habe. Beide len Pfeiler gedrehten Stufen ver- teilt: ‹aufgeräumte Heiterkeit› Versionen zeigen aus demsel- führen die Tänzerinnen zu Pi- auch hier. Mit Blick auf Wrens ben Blickwinkel dieselbe Situa- rouetten eigener Art und die Naval College scheint mir indes, tion. Doch auf einer von ihnen Stufen geben den Rhythmus dass der Park das seine zu dieser fehlt der Tanzmeister, der auf vor.» Stimmung beiträgt: er nimmt der der anderen, gestützt auf seinen Geometrie die Strenge.» Taktstock, die Bewegungen der «Es bedarf wohl eines Impressio Tänzerinnen betrachtet. Im Ge- nisten, das sehen und zeigen zu «Eine serene Stimmung also? mälde ohne Tanzmeister hat können. Und doch ist es ein Besonnenheit? Das wäre gewiss Degas in den linken Bildvorder- ‹Treppenwitz›: es sind ja gewiss nicht wenig. Wie können wir grund eine schmale Wendel- keine Pirouetten, eher prosaische denn mehr verlangen? Architek- treppe platziert. Um einen dunk- Bewegungen, zu denen eine tur und Musik müssten schon len Pfeiler drehen sich die Stufen Wendeltreppe uns verführt.» Sprache werden, um auf diffe- und auf diesen – schicklich und renziertere Weise Gefühl und voller Grazie – die Beine weiterer «Darum geht es ja gerade: Archi- Verstand zu adressieren.» Ballerinen, die zur Probe herab tektur als Taktgeber unseres eher tänzeln als schreiten. Da die Alltags.» «Lassen sich ihre Werke denn Wendeltreppe so prominent ins überhaupt von Sprache trennen? Bild gesetzt ist, dass sie sogar die «Das sind aber bloss sinnlich Mit der ist doch alles verbandelt, bereits tanzenden Mädchen ver- leibliche Impulse, die sie uns ver was wir erleben. Mir erscheint deckt, hatte sich uns damals der schafft. Oder vermag sie auf diese Trennung lebensfremd. Verdacht aufgedrängt, Degas sinnliche Weise uns auch Sinn Wozu soll er taugen dieser puris habe womöglich den Tanzmeis- mitzuteilen, sodass nicht nur das tische Blick, der nur der Architek ter durch die Wendeltreppe er- Gefühl, sondern auch der Intel tur gelten will oder nur der Musik setzt, zumal auf dieser Version lekt von ihr angesprochen wird?» und beide Male verfehlt, was sie Seite 12
5 uns sind? Aber wie es die Theorie hat, benommen zu uns zurück Geometrie befreit. Was dergestalt nun einmal will: Architektur und kehren, vermehrt um Erfahrun unseren Gedankengang auf ge Musik unterscheiden sich von der gen, von denen wir nicht sagen lassene Weise begleitet hatte, war Sprache darin, dass keine von bei können, wem sie gehören, woher also weder wirkliche Wilderness, den im selben Ausmass wie jene kommen wir da? Es mag gesche die uns letztlich ausdruckslos er ein System von Zeichen ist. Und hen, dass dieser sonderbare Kon scheint, wohl weil wir uns in ihr doch sprechen wir nicht zu Un takt, in dem wir uns aufgehoben nicht mehr wiederfinden, noch recht von der Sprache der Musik fühlten, etwas in uns in Gang eine Bemeisterung des Organi und von jener der Architektur, setzt, das in Gedanken übergeht schen nach abstrakten Prinzipi sehen wir doch auch hier Artiku – eine Sehnsucht, die unstillbar en. In der einbrechenden Däm lation am Werk; und sogar zu re ist. Sie kann uns erheben, aber merung zeichneten die kahlen ferieren vermögen ihre Kompo auch zu einer gewissen Unge Wipfel der Bäume feine schwarze sitionen. Der architektonische duld verleiten angesichts der Risse in den Himmel (Abb. 7). Ein Entwurf arbeitet mit Referenz Welt, wie sie ist, denn wir haben leichter Nieselregen hatte einge projekten und auf die verweisen sie für eine Weile überwunden setzt, der Wind sich gelegt. Wir dann mitunter auch die Gebäude, und vielleicht empfunden, wie hielten inne, machten kehrt und die aus ihm hervorgehen. Und sie sein könnte. Solange wir es überliessen uns wieder den We dann gibt es Programmmusik: aushalten, dass eben dieser Ab gen von Greenwich Park. Wenn Debussys La Mer...» stand unendlich ist, kann keine mich meine Erinnerung nicht Partei und keine Ware uns in die trügt, mit einem Lied auf den «Aber weder eine symphoni- Irre führen. Was uns bewegt, Lippen... sche Dichtung noch ein Gebäu- führt – unbestimmt, wie es ist – de bezeichnen in solch präzisem ins Freie und entbehrt doch nicht Sinn, wie das mit Worten mög- der Ordnung...» JÜNGERE PUBLIKA- lich ist. Nur unbestimmt, ins TIONEN DES AUTORS Ungefähre, vermögen sie uns zu Bei diesen Worten waren wir im verführen. Eben darin liegt ja Begriff, den Park bei Blackheath - KAMMASCH Tim, 2015: «Le Pli de die Macht, die sie über uns ha- Gate zu verlassen. Ich wollte noch Valéry et la Figuration du Monde ben: dass ihre Anmutungen uns einwenden, dass wohl nur Musik Perçu». In: Architectura Ludens, Raum geben, Leerstellen belas- vermöge, zu solchen Gedanken Magma et Principes, vol I. Lausanne. sen, in die wir viel von uns hin- zu bewegen, als mein Freund mir - 2017: «‹Unterirdische Verwandt- einlegen und unwillkürlich mit einer Geste andeutete, einen schaft›, Walter Benjamins Städtebil- ihre Werke belehnen mit Asso- Blick zurück zu tun. Und so gab der». In: Zeitschrift für Kulturphilo- ziationen und Gedanken, von sich mir der Park nun, von sei sophie, hg. KONERSMANN Ralf. denen wir mitunter nicht ein- nem der Themse abgewandten, - 2019: «Loosing Loos Falling». In: mal wussten, dass sie in uns wa- höher gelegenen Teil aus, nicht Architectura Procidens. The Element ren – wer sich hier wen aneignet, länger mehr als rein englischer of Fall in Architecture, Magma et das ist nicht ausgemacht.» Garten zu verstehen. Wie es die Principes, vol. V. Lausanne. Legende will, war er einst nach - 2019: «Theory in Darwin’s Theatre». «... und das lässt sich auch nicht einem Plan Le Notres angelegt In: BAKKER Marco; BLANC entscheiden. Wenn wir nach ei worden. Mit der Zeit hatte man Alexandre (Hg.), 2019: Darwin’s nem Konzert, das uns ergriffen die Natur aus den Zwängen der Theatre. Zürich. Seite 13
SUR LES CHEMINS DE GREENWICH PARK. SULLE VIE DI GREEN- SOUVENIRS D’UNE CONVERSATION WICH PARK. RICORDO À PROPOS D’ARCHITECTURE ET DE MUSIQUE DI UNA CONVERSAZIONE SULL‘ARCHITETTURA E LA MUSICA Ce qui les sépare, c’est aussi ce Estce précisément dans le pou Secondo la distinzione di Lessing qui les unit: la musique est l’art le voir qu’elles exercent sur nos sens tra arti temporali e spaziali, la plus éphémère, l’architecture l’art que réside la possibilité de réali musica è quella più fugace men le plus durable – aux deux pôles ser l’ambition, certes souvent tre l‘architettura quella più stati des représentations faites dans le contestée, des Lumières de tout ca. E si sa che gli estremi si tocca temps et dans l’espace, selon une expliquer par la raison et, ce fai no, così come entrambe toccano distinction proposée par Lessing. sant, de lier enfin sentiment et la nostra sfera emotiva. Et c’est à ce titre que ces deux raison? Existetil des espaces de formes d’art se touchent, comme réflexion empreints de sérénité Chi non se ne occupa professio elles nous touchent. qui, par exemple par le biais du nalmente, non si cura di tenere rythme qu’elles imposent à notre una distanza estetica da esse o di Dans la mesure où notre intérêt mouvement, se laissent percevoir fare una riflessione critica su n’est pas purement professionnel, par les sens de manière à éveiller queste due arti. La musica, ad elles produisent sur nous un effet en nous cette même sérénité? esempio quella di sottofondo dei auquel nous ne pouvons en règle Rien n’est moins sûr. Toutefois, supermercati, e le strutture archi générale opposer aucune dis l’on ne saurait non plus exclure tettoniche che ci circondano, in tance esthétique, par rapport au que la perception par les sens et quadrano e strutturano in modo quel nous ne jouissons d’aucun l’idée abstraite se laissent joindre quasi impercettibile la nostra espace permettant une réflexion avec une telle liberté. L’auteur se routine quotidiana, in quanto ri critique. Que leurs manifesta remémore une conversation à ce entrano nella nostra percezione tions s’éteignent trop vite ou sujet avec un ami – sur les che affettiva preriflessiva, dal caratte soient trop familières, la musique mins de Greenwich Park. re quasi mistico. Il potere sedutti – par exemple au supermarché – vo di queste due arti è ambivalen et l’architecture – dont la pré te. Il loro uso nella storia è stato sence est constante – de par le anche nefasto e ha segnato talvol cadre et la structure qu’elles nous ta «...l‘inizio di fatti terribili». offrent, rythment de manière à 6 peine perceptible la routine de notre vie quotidienne. Elles s’adressent à notre perception affective et instinctive, que l’on peut qualifier de mythique. Le pouvoir de séduction de ces deux formes d’art témoigne d’ambi guïté: au cours de l’histoire, y faire recours s’est souvent avéré sinistre, marquant «…le début de quelque chose de terrible». 6 Vista sul Christopher Wren's Observatory dal colonnato della Queen's House. Foto: © Tim Kammasch. Seite 14
ON THE PATHS OF GREENWICH PARK. MUSINGS ON ARCHITECTURE AND MUSIC Ma è il loro potere sui nostri sen What divides them also unites tion. There is an ambivalence to si a farci desistere dal trovare una them. Of all art forms, music is the seductive powers of these art spiegazione razionale o a indurci the most ephemeral, architecture forms. Throughout history, these a coltivarle per riuscire finalmen the most durable. They are the powers have been used to posi te a congiungere emozioni e ra extremes of what Lessing calls tive effect, but sometimes also zionalità? “the art of time” and “the art of misused for more sinister ends, space”. As such, they influence and were even “[...] the beginning Esistono spazi della nostra co not only us – the listener and ob of Terror […]”. scienza che si manifestano a li server – but also one another. vello sensoriale, per esempio Yet, does this power that they ex attraverso il ritmo dei nostri mo When we approach these art ert on our senses open up the vimenti (in conformità con la te forms from a lay perspective, the possibility of correcting the oria dello spazio e del tempo di effect they have on us is such that muchcriticised desiderata of the Lessing), in modo tale da rivelar we are generally unable to estab Enlightenment and, through the si alla nostra ragione? Ciò non è lish an aesthetic distance or men cultivation of these central tenets, affatto certo. Ma non si può nem tal space in which to critically strike a balance between reason meno escludere che la percezione reflect on them. Whether overly and emotion? Are there thinking sensoriale e l‘idea astratta possa familiar and quick to fade away, spaces which coopt our senses, no essere collegate in modo così music, e.g. in a supermarket, and say, through the rhythm of our libero. L‘autore ricorda una con architecture, in its ubiquity, movements, to such an extent versazione avuta con un amico frame and structure our daily that they become subsumed che verteva su questi interrogati routine, almost imperceptibly. within us? This is by no means a vi mentre passeggiavano lungo i Both speak to our prereflexive, foregone conclusion; neither is sentieri del Greenwich Park. affective – or ‘mythical’ – percep the free coalescence of our senso ry perception and abstract ideas beyond the realms of the possi 7 ble. In this article, the author re calls a conversation he had with a friend on this subject as they en joyed a stroll round Greenwich Park. 7 Freeing nature from the constraints of geometry... These trees, whose tops draw fine black cracks in the sky, can be regarded as a symbol for that. Photo: © Tim Kammasch. Seite 15
HANS SCHÜPBACH MUSIKBAUTEN ALS DESIGN-IKONEN UND STÄDTEWAHRZEICHEN VERMEHRT WERDEN OPERNHÄUSER HEUTE AM WASSER GEBAUT Seit je nahmen Orte, an denen Einen Meilenstein setzte etwa der Zuschauer einem Geschehen Bau des Globe Theatre in London, beiwohnten, eine wichtige Stel- wo ab 1600 auch Shakespeares lung innerhalb der Gesellschaft Werke aufgeführt wurden. Auch ein. Dies traf auf die Amphi- wenn die genaue Form nicht klar theater in der Antike ebenso zu bestimmt ist, darf man von einen wie auf Jahrmarkt- und Shakes- achteckigen bzw. runden Fach peare-Theater1 in elisabethani- werkbau mit Sitzplätzen auf drei scher Zeit; und noch mehr auf überdachten StockwerkGalerien Hans Schüpbach. die Opernhäuser in späteren ausgehen. Im Innenraum gab es Lic. phil. hist., Jahrhunderten. Letztere setzte Stehplätze unter freiem Himmel, MAS Denkmal- man als repräsentative Kultur- wo das Publikum dem Wetter pflege und Um- bauten in Szene, sodass viele ausgesetzt war.1 nutzung, stv. Chef von ihnen bald schon zu Städte- KGS im Bundes- wahrzeichen wurden. Heute Erste ‹richtige› Opernhäuser ent amt für Bevöl- baut man sie vermehrt am Was- standen ab der Mitte des 17. Jahr kerungsschutz, ser – (k)ein Zufall? hunderts. Sie hatten vor dem Zu Redaktion KGS schauerraum meist eine Bühne in Forum. Während die griechischen Thea der Form eines Guckkastens, an ter von Beginn weg zur Darstel den links und rechts Galerien mit lung kultischer und kultureller Logen anschlossen. Dies war lan Handlungen genutzt wurden ge Zeit (und ist es zum Teil bis (Tänze, Chorlieder, Theaterele heute) die übliche Form für sol mente), entwickelten sich die rö che Bauten, meist wurde vor der mischen Amphitheater rasch zu Bühne noch ein Orchestergraben Stätten der Belustigung für das angefügt bzw. nach unten ver Volk (‹Brot und Spiele›). Im Circus senkt, oft waren die Galerien zu fanden Wagenrennen statt, in der dem kreisförmig angelegt. Arena, neben grossen Theater Dank aufführungen, vor allem Gladia Der Autor bedankt toren und Tierkämpfe. Dieses BERÜHMTE OPERNHÄUSER sich herzlich bei Element trat mit der Zeit in den Nina Hüppi Hintergrund; heute finden auch In diesen Musiktheatern wurden (Denkmalpflege in etlichen römischen Amphithe Konzerte, Opern, Operetten und des Kantons atern (Verona, Orange, Avenches Ballette aufgeführt, vielfach aber Zürich) für das usw.) musikalische Darbietungen auch Dramen und andere Thea Vorbereiten und unter freiem Himmel statt, von terstücke gezeigt. Vom 17. bis Zurverfügung- der Oper bis zum Rockkonzert. zum 19. Jahrhundert entwickel stellen von Bild- ten sich diese Repräsentations und Textmaterial bauten nicht selten zu Wahrzei zum Kongresshaus BAUTEN chen von Städten, die man auf sowie bei Andri- FÜR THEATER UND MUSIK einer Reise einfach gesehen ha jana Ljubisavljevic ben musste. Oft fielen die ersten (BABS) für das Im Barock verlagerten sich Thea Häuser einem Feuer zum Opfer Bild des Sydney ter und MusikVorstellungen in und wurden dann wieder aufge Opera House. eigens dafür errichtete Bauten. baut. Als Beispiel dafür ist etwa Seite 16
1 Das Sydney Opera House war sozu- sagen das Vorreiter-Projekt für viele spätere moderne Musikbauten. Architektonisch betrat man hier oft Neuland; Schwierigkeiten führten zu Kostenüberschreitungen und Bauver- zögerungen. Trotzdem ist das Opern- haus heute eines der wichtigsten Wahrzeichen Australiens. Seit 2007 figuriert es in der UNESCO-Welt- erbeliste. Foto: © Andrijana Ljubisavljevic. vgl. auch: https://de.wikipedia.org/ wiki/Sydney_Opera_ House 1 1 [Letzter Stand für alle im Beitrag erwähnten Links: 26.3.2019]. La Fenice zu nennen, das Opern- «DAS PRINZIP ALLER Vielleicht sind solche Asso- haus Venedigs, welches nach dem DINGE IST WASSER...» ziationen mitverantwortlich für Brand des Vorgängerbaus 1792 Musikdarbietungen in der Nähe ‹wie Phoenix aus der Asche› neu Thales von Milet soll mit diesem des Wassers. Seit Jahren finden entstand (deshalb der Name). Wei- Zitat im 7./6. Jahrhundert v. Chr. in Bregenz Festspiele auf einer tere bekannte Häuser, die sich bis ‹Wasser› als Ursprung von allem grossen Seebühne statt – eine heute durch ihre Architektur oder bezeichnet haben. Doch auch Tendenz, die in der Schweiz am eine besondere Akustik auszeich- sonst ist ‹Wasser› allgegenwärtig Thuner- und am Walensee Nach- nen, sind z. B. die Mailänder Scala – es begegnet uns in Mythologie ahmung gefunden hat. Und der (1778), das Royal Opera House in und Religion, in der Sprache, in Kasten auf der nachfolgenden London (1809), das Bolschoi-Thea- Künsten wie der Dichtung, Male- Seite zeigt eindrücklich, wie viele ter in Moskau (1825), die Wiener rei und eben auch in der Musik. moderne Opernhäuser in den Staatsoper (1869), die Opéra Gar- Die Fahrt auf den See oder aufs vergangenen 20 Jahren am oder nier in Paris (1875), die Semper Meer hinaus weckt Abenteuer- gar im Wasser gebaut wurden. oper in Dresden (1878) oder die lust und Heimweh zugleich, die Metropolitan Opera in New York Rückkehr in den Hafen beschert All diese Bauten haben den An- City (1883).2 einem einen vertrauten Anblick. spruch, trotz baulicher, finanziel- Wasser existiert in unterschiedli- ler und terminlicher Probleme cher Ausprägung: als zerstöreri- von der Funktion, aber auch vom HEUTE BEDINGT sche Sintflut, als lebenswichtiges Material, vom Design und von DIE VERDICHTUNG Elixier oder als liebliche Quelle der Architektur her zu Ikonen NEUE STANDORTE – Wasser schafft Atmosphäre! und zu Identifikationssymbolen Denken wir an die idyllische Ein- für die Bevölkerung zu werden. Allmählich wird der Raum in- gangsszene von Schillers Wilhelm Einige Aspekte sollen in der Fol- nerhalb der Städte knapp – für Tell («Es lächelt der See, er ladet ge kurz angesprochen werden; den Bau neuer, grosser Opern- zum Bade...»). Schon kurze Zeit zwei frühe Beispiele werden als häuser gibt es deshalb heute später beginnt es jedoch zu don- Ausgangspunkte miteinbezogen: kaum mehr Platz. Die innerstäd- nern, der See braust auf und wird das Zürcher Kongresshaus mit tische Kulturarchitektur wendet zur stürmischen, zerstörerischen Tonhalle (1939), das zurzeit res- sich unter dem Wunsch nach Ver- Kraft. tauriert wird, sowie das seit 2007 dichtung vermehrt dem Bauen in zum UNESCO-Weltkulturerbe die Höhe (Türme) oder in die Tie- Auch Musik bedient sich solcher gehörende Sydney Opera House fe zu (unterirdische Räume und Stimmungen, um Gefühle anzu- (1973; Abb. 1). Hallen) oder sucht – anschlies- sprechen. Bekanntes Beispiel da- send an bestehende Bauten – die für ist Schuberts Forelle, wo das Breite (Erweiterungsbauten für Wasser zunächst «in einem Bäch- ABBRUCH, WEITERBAUEN Museen, Bibliotheken, Theater). lein helle» ruhig dahinfliesst, be- ODER NEUBAU? Für neue Bauten muss man in die vor der Fischer es «tückisch trü- Peripherie ausweichen oder ver- be» macht. Noch deutlicher wird Dies ist die erste wichtige Frage, sucht, neuen Baugrund zu fin- dies in Smetanas Moldau, wo die da in der Regel oft Vorgängerbau- den. Dies mag mit ein Grund da- verschiedenen Stadien des Flus- ten bestehen, die vielleicht schon für sein, dass im 21. Jahrhundert ses (von der Quelle über Strom- unter Denkmalschutz stehen. Opernhäuser vermehrt am Was- schnellen bis hin zum breiten Der bauliche Zustand des alten ser gebaut wurden. Vielleicht Fluss) musikalisch als in unter- Kultur- und Kongresshauses in passen ‹Kunst› und Wasser aber schiedlicher Form wiederkehren- Luzern von Armin Meili aus den auch einfach gut zueinander. des Leitmotiv umgesetzt werden. 1930er-Jahren liess einen Abriss Seite 17
Sie können auch lesen