Einblick - Bannwald "Wilder See-Hornisgrinde" - Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden ...

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Einblick - Bannwald "Wilder See-Hornisgrinde" - Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden ...
Forstliche Versuchs-    Nr. 1, April 2012, Jahrgang 16
                                                    ISSN 1614-7707
             und Forschungsanstalt
             Baden-Württemberg

                     -einblick

Bannwald „Wilder See-Hornisgrinde“
Einblick - Bannwald "Wilder See-Hornisgrinde" - Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden ...
2                                                                                                      FVA-einblick 1/2012

    Inhalt                                    Liebe Leserinnen, liebe Leser,

    3    Energiewende erhöht Nachfrage        die erste Ausgabe des FVA-einblicks im Jahr 2012 beginnt mit einem Beitrag
         nach Holz als Energieträger          zum Thema „Energieholz und Nachhaltigkeit“. Die steigende Nachfrage nach
    7    Baum des Jahres 2012:                Holz als Energieträger stand im Mittelpunkt einer Fachtagung an der FVA. Dazu
         die Europäische Lärche               fasst ein Artikel die Beiträge der namhaften Redner zusammen. Diese zeigten
    10   Insekt des Jahres 2012:              auf, wie das Energieholzpotenzial der Wälder ermittelt werden kann, wo die
         der Hirschkäfer                      nachhaltig vertretbaren Grenzen der Nutzung liegen und wie ein eventuell auftre-
    12   Bannwald „Wilder See-Hornisgrinde“   tender Nährelemententzug kompensiert werden könnte.
         – eine durch Buchdruckerbefall       Dem Baum des Jahres, der Europäischen Lärche, und dem Insekt des Jahres,
         getriebene Walddynamik               dem Hirschkäfer widmen sich die beiden nachfolgenden Artikel. Damit wollen
    16   Rindenschäden durch Holzernte:       wir Ihre Aufmerksamkeit auf zwei bemerkenswerte Arten lenken, die Lärche als
         altbekannt, gern verdrängt           einzige heimische Nadelbaumart, die ihre Nadeln im Herbst abwirft, und den
    19   Forschung und Praxis: das Dougla-    Hirschkäfer als archaisch anmutenden „Geweihträger“.
         sien-Versuchsflächennetz der FVA     In einem weiteren Beitrag werden Untersuchungen zur Walddynamik in dem
                                              100-jährigen Bannwald „Wilder See-Hornisgrinde“ vorgestellt. Es wird gezeigt,
                                              wie sich der Borkenkäferbefall ausgebreitet und wie sich der Totholzanteil entwi-
                                              ckelt hat. Im nächsten Beitrag wird ein zwar altbekanntes, aber häufig verdräng-
                                              tes Thema aufgegriffen – die Rindenschäden im Wald.
                                              Mit dem letzten Beitrag setzen wir unsere Rubrik „Forschung und Praxis“ fort.
                                              Diesmal berichten wir von der Fortbildung „Douglasie – eine leistungsstarke
                                              Alternative“, bei der die Erkenntnisse aus den Douglasienversuchen der FVA für
                                              die Praxis aufbereitet wurden.

                                              Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre sowie einen schönen Frühling

                                              Ihre FVA-einblick-Redaktion

    Impressum

    Herausgeber                               Redaktion                                  Auflage
       Der Direktor der Forstlichen             Alfons Bieling                              1.700 Exemplare
       Versuchs- und Forschungsanstalt          Steffen Haas
       Baden-Württemberg,                       Dr. Kaisu Makkonen-Spiecker
       Prof. Konstantin Frhr. von Teuffel       Jürgen Schäffer                          Die Redaktion behält sich die sinn-
                                                Thomas Weidner                           wahrende Kürzung, das Einsetzen von
    Adresse                                                                              Titeln und Hervorhebungen vor. Die
       Wonnhaldestr. 4                        Bildherkunft                               Beiträge müssen nicht unbedingt die
       D-79100 Freiburg                          Georg Jehle: Titel                      Meinung des Herausgebers wiederge-
       Telefon: (07 61) 40 18 – 0                Thomas Weidner: Seite 3 bis 6 und 18    ben.
       Fax: (07 61) 40 18 – 3 33                 Alle anderen Abbildungen und Tabellen
       fva-bw@forst.bwl.de                       stammen von den jeweiligen Autoren.
       www.fva-bw.de                                                                     Freiburg i. Brsg., April 2012
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FVA-einblick 1/2012                                                                                                           3

Energiewende erhöht Nachfrage nach
Holz als Energieträger

von Klaus von Wilpert und Jürgen Schäffer

Erneuerbare Energien werden in             Unterschiedliche     Strategieansätze     Energie der kurzen Wege
Zukunft einen progressiv wach-          zur Ermittlung des aus dem Wald mobi-
senden Anteil der Primärenergie-        lisierbaren Energieholzpotentials, sowie       Die über 100 Teilnehmenden aus
produktion einnehmen. Seit dem          von Nutzungsgrenzen und/oder des Be-         Forstpraxis, Verwaltung, Wirtschaft
beschlossenen Ausstieg aus der          darfs zur Kompensation eines erhöhten        und Forschung erlebten eine inno-
Atomenergie und der politisch pro-      Nährelemententzugs wurden bei der            vative und mitreißende Vortragsver-
klamierten Energiewende ist klar        Tagung vorgestellt und diskutiert. Eben-     anstaltung mit abschließender Podi-
und auch politisch gewollt, dass        so wurden technische Ansatzpunkte            umsdiskussion, in der die derzeit im
verstärkt intelligente Strategien zur   zur Erhaltung der stofflichen Nachhal-       deutschsprachigen Raum realisierte
Effizienzsteigerung regenerativer       tigkeit behandelt. Die in Deutschland        Breite unterschiedlicher Strategien
Energieerzeugung entwickelt wer-        und der Schweiz derzeit konkretisierten      für die Energieholznutzung dargestellt
den müssen, um Energieengpässe          Länderkonzepte wurden vergleichend           und das Für und Wider der einzelnen
abzuwenden. Waldholz spielt dabei       dargestellt und fachlich detailliert und     Ansätze trennscharf herausgearbeitet
eine zunehmende Rolle, da es der        engagiert diskutiert. Grundsätzlich gilt,    wurden.
derzeit größte zur Energieerzeu-        dass angesichts der vielfältigen Belas-        Eingeleitet wurde die Tagung von
gung geeignete Holz-Biomasse-           tungen der Wälder eine durch Energie-        mehreren Beiträgen, in denen der
pool ist. Doch wie viel Energieholz     holznutzung intensivierte Holzernte nur      umweltpolitische Rahmen des Ta-
lässt sich in Zukunft effizient und     dann vertretbar ist, wenn gleichzeitig die   gungsthemas abgesteckt wurde. So
nachhaltig nutzen? Soll man ver-        Auswirkung auf den Nährstoffkreislauf        betonten Ministerialdirektor Wolfgang
mehrt auch Baumkronen nutzen            überwacht und auf Defizite reagiert wird,    Reimer, Ministerium für Ländlichen
und Holzasche in den Wald zurück-       entweder durch Nutzungsverzicht oder         Raum Stuttgart und Ministerialdirek-
führen? Um diese Fragen drehte es       durch Rückführung der Nährelemente           tor Clemens Neumann, Leiter der
sich auf der Energieholztagung im       im Sinne eines Kreislaufkonzepts. Die        Abteilung Biobasierte Wirtschaft und
Dezember an der FVA in Freiburg.        Belastung der Wälder und ihrer Funktio-      Nachhaltige Land- und Forstwirtschaft
                                        nen sind neben hohen Ernteintensitäten       im Bundesministerium für Ernährung,
                                        vor allem durch schnell verlaufende, von     Landwirtschaft    und    Verbraucher-
                                        Menschen verursachte Umweltverände-          schutz, dass Biomasse als regenerati-
                                        rungen wie Säureeintrag und Klimawan-        ver Energieträger immer wichtiger wer-
                                        del bedingt.                                 den wird und als „Energie der kurzen

                                        Abb. 1: Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Tagung „Energieholz und Nach-
                                        haltigkeit“ in der FVA Freiburg am 13. 12. 2011
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4                                                                                                      FVA-einblick 1/2012

                                                                                         und der Schweiz sind schon so weit
                                                                                         konkretisiert und mit quantitativen Da-
                                                                                         ten hinterlegt, dass sie als weit ent-
                                                                                         wickelte Strategieansätze mit einem
                                                                                         Potenzial zum praktischen Ökosys-
                                                                                         temmanagement angesehen werden
                                                                                         können. Die beiden anderen Ansätze
                                                                                         befinden sich eher in einem konzepti-
                                                                                         onellen Entwurfstadium.
                                                                                            Da jedoch sowohl die naturräumli-
                                                                                         chen Gegebenheiten als auch die Da-
                                                                                         tenlage zwischen und auch innerhalb
                                                                                         der dargestellten Länder erheblich va-
                                                                                         riieren, weisen die Konzepte deutlich
    Abb. 2: MD Wolfgang Reimer (rechts) und MD Clemens Neumann
                                                                                         unterschiedliche Schwerpunkte auf.
                                                                                         In Baden-Württemberg sind die Wald-
    Wege“ ideal für dezentrale Konzepte        tionen und den Schlüssel für eine ef-     standorte durch eine außerordentlich
    und zugleich die Wertschöpfung im          fektive Reduktion von Treibhausgas        hohe geologische und landschaftliche
    ländlichen Raum erhöht sei. Bis 2050       Emissionen in der Effizienzsteigerung     Vielfalt gekennzeichnet. Die Stand-
    sollen in Deutschland 60% der End-         der Energienutzung. Das macht die         orte in Nordwestdeutschland sind
    energie aus erneuerbaren Energien          Entwicklung intelligenter Energiekon-     durch den Anteil an der norddeut-
    stammen. Schon heute stammen in            zepte notwendig, bei denen nicht nur      schen Tiefebene von Niedersachsen
    Deutschland ca. 35% der regenerativ        die Energieausbeute optimiert, son-       und Sachsen-Anhalt mit ihren ex-
    erzeugten Energie aus Holzbiomas-          dern gleichzeitig Mehrfachnutzung von     trem nährstoffarmen altpleistozänen
    se. Holzenergie ist besonders durch        Ressourcen und die Minimierung von        Böden völlig anders ausgestattet als
    ihre Flexibilität und Grundlastfähig-      Nebenwirkungen aktiv geplant und ge-      in den anderen Ländern. Da sowohl
    keit interessant, da mit ihr ein Teil      staltet werden müssen.                    in Nordwestdeutschland als auch in
    der hohen Intensitätsschwankungen             Prof. Konstantin von Teuffel, Direk-   Baden-Württemberg ein nennenswer-
    aus Wind- und Sonnenenergie aus-           tor der FVA, stellte die Entstehung und   ter Anteil der Waldstandorte so stark
    geglichen werden kann. Beide Minis-        inhaltliche Entwicklung des Nachhal-      versauert ist, dass schon die konven-
    teriumsvertreter stellten als prioritäre   tigkeitsbegriffs in der Forstwirtschaft   tionelle Holzernte in vielen Fällen die
    Randbedingung für eine verantwortli-       dar. Er postulierte, dass quantitative    Nährstoffnachhaltigkeit verletzt, wird
    che Energieholznutzung heraus, dass        Aspekte der Nachhaltigkeit, wie dy-       in den für diese Regionen entwickel-
    neuartige Energieholzkonzepte nicht        namische Wachstumsmodelle, in das         ten Konzepten vorgesehen, dass die
    dazu führen dürfen, dass mehr Holz         forstliche Planungswesen integriert       Nährstoffnachhaltigkeit aktiv auf dem
    genutzt wird als zuwächst, und dass        werden müssen, um den Zuwachs             Wege der Bodenschutzkalkung und
    die Nährstoffverfügbarkeit in den          der Waldbestände und damit das Nut-       gegebenenfalls durch Holzascherecy-
    Waldböden nicht dauerhaft beein-           zungspotenzial in Abhängigkeit von        cling gestützt werden soll. Damit kön-
    trächtigt werden darf.                     sich verändernden Umweltfaktoren          nen die durch Energieholzernte, aber
                                               abbilden zu können.                       auch durch konventionelle Holzern-
                                                                                         te ausgelösten, erhöhten Nährele-
    Intelligente Energiekonzepte                                                         mentexporte ausgeglichen werden.
    entwickeln                                 Holzascherückführung                      In Baden-Württemberg wurden das
                                               – ja oder nein?                           Energieholzpotential und die Stoff-
      In seinem Schlüsselvortrag führte                                                  bilanz für Erntestrategien aus den
    Ernst Ulrich von Weizsäcker, der Ko-          Der inhaltliche Hauptteil der Tagung   Daten der Bundeswaldinventur bzw.
    Präsident des Internationalen Res-         wurde von der Vorstellung unter-          des Forstlichen Umweltmonitoring
    sourcenpanels der Vereinten Nationen       schiedlicher Konzepte zur Energie-        für das Wuchsgebiet “Südwestdeut-
    (UNEP), aus, dass der Forstsektor          holzernte und gleichzeitiger Wahrung      sches Alpenvorland” mit 140.000 ha
    bezüglich Nachhaltigkeit eine führen-      der Nährstoffnachhaltigkeit und Qua-      Waldfläche in einem 3-jährigen, von
    de Rolle einnimmt: „Wirtschaftsleute       lität der Waldböden eingenommen.          der EnBW geförderten Pilotprojekt
    können von Forstleuten noch viel ler-      Es wurden Konzepte aus Bayern, Ba-        abgeleitet. Außerdem wurden in der
    nen“. Weizsäcker sieht die Hauptver-       den-Württemberg, Nordwestdeutsch-         Projektarbeit ein Logistikkonzept und
    antwortung für den CO2 -Anstieg in         land und der Schweiz vorgestellt. Die     eine standardisierte Dolomit-Holz-
    der Atmosphäre bei den Industriena-        Konzepte aus Baden-Württemberg            aschemischung für den Einsatz in der
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FVA-einblick 1/2012                                                                                                             5

Bodenschutzkalkung entwickelt. Es          in Modellregionen das Potenzial aller
konnte gezeigt werden, dass mit hin-       erneuerbaren Energieträger zu be-
reichenden statistischen Sicherheiten      urteilen. So liesse sich die Rolle des
für gesamte Regionen eine Abschät-         Energieholzes realistisch einschätzen.
zung des mobilisierbaren Energie-          Kölling empfiehlt, sich bezüglich der
holzpotentials auf der Basis von Mo-       Düngung und Holzascherückführung
nitoringdaten möglich ist und dieses       eher zurückzuhalten: „Ich sehe es kri-
auf Bestände und Betriebe übertragen       tisch, wenn wir organischen Humus
werden kann. Ebenso können auf Be-         abbauen und durch mineralischen
triebs- und Bestandesebene die durch       Dünger ersetzen“. Die Schweizer Kol-
intensivierte Energieholzernte ausge-      legen befürchten, dass sich bei der
lösten Nährelementdefizite kleinräu-       Rückführung von Holzasche und den
mig auf der Basis der Messdaten aus        darin enthaltenen Nähr- und Schad-
den forstlichen Umweltmessnetzen           stoffen Konflikte mit der Philosophie
quantifiziert werden. Seine statisti-      der multifunktionalen Forstwirtschaft      Abb. 3: Prof. Ernst Ulrich Weizsäcker
sche Sicherheit und Datenfundierung        ergeben könnten. Klaus von Wilpert,
qualifizieren dieses Konzept zu einem      FVA, plädiert hingegen für eine stand-
praxisorientierten Steuerungsinstru-       ortsdifferenziert dosierte Bodenschutz-    „natürliche     Nährstoffnachlieferung
ment, auf dessen Basis sowohl Stand-       kalkung, bei der Dolomitkalk und Holz-     aus der Verwitterung von Gesteins-
ortsplanungen für Kraftwerke als auch      asche ausgebracht werden, um den           mineralien als „Generallinie“ genauso
die Nachhaltigkeitssteuerung im Wald       Böden exportierte Nährstoffe in öko-       unökologisch wie die Maximierung
sicher umgesetzt werden können.            systemverträglicher Form wieder zu-        der Energieholzernte auf „Biegen und
   In Bayern und der Schweiz herr-         rückzugeben und den Stoffkreislauf in      Brechen“ auf allen, auch den ärmsten
schen Mittelgebirgslandschaften mit        Gang zu halten. Auch Karl-Josef Mei-       Standorten. Wenn man die erste Opti-
einem hohen Anteil kalkalpiner Land-       wes, Nordwestdeutsche FVA, meint,          on einseitig durchsetzt, wird dies auch
schaften und damit geologisch junger,      dass es unter Umständen erforderlich       auf besseren Standorten erhebliche
nährstoffkräftiger Böden vor. Damit,       sei, Asche zurückzuführen. Man müs-        Einschränkungen auch der konven-
und auch aufgrund der andersarti-          se aber nichts überstürzen: „Wir haben     tionellen Holzernte bedeuten. Diese
gen politischen Rahmenbedingun-            noch etwas Zeit, offene Fragen abzu-       Option würde also eine Reduktion
gen, wird in diesen beiden Ländern         klären“, sagt er.                          der Nutzungsmöglichkeiten des nach-
eine andere Strategie im Umgang mit                                                   wachsenden, CO2-neutral produzier-
der Waldenergieholzgewinnung ver-                                                     ten Rohstoffs Holz unter die derzeit
folgt. Hier wird eher eine natürliche      Fazit                                      realisierten Nutzungsintensitäten be-
Nutzungsgrenze zur Steuerung der                                                      deuten. An eine quantitativ relevante
Nährstoffnachhaltigkeit    verwendet           Die Referenten bekennen sich klar      Steigerung der Energieholzernte wäre
und weniger die technische Stützung        zu einer nachhaltigen Waldnutzung.         abgesehen von Kalkstandorten mit
des Nährstoffhaushalts durch Holz-         Sie sind sich auch darüber einig, dass     hoher natürlicher Nährstoffnachliefe-
ascherückführung.                          deutlich mehr Energieholz als bisher       rung nicht zu denken. Andererseits
                                           im Wald genutzt werden kann. Doch
                                           wie gross dieses Potenzial ist und wel-
Ist Energieholzernte                       che Rolle dabei die Vollbaumnutzung
nachhaltig möglich?                        spielt, ist stark von den regionalen
                                           naturräumlichen       Randbedingungen
  In der abschließenden Podiumsdis-        und auch von normativen, umweltpo-
kussion betonte Landesforstpräsident       litischen Leitlinien abhängig. Die zent-
Max Reger, MLR Baden-Württemberg,          rale Frage ist, auf welchen Standorten
dass er in den Wäldern Baden-Würt-         die zusätzliche Nutzung der Baumkro-
tembergs keine Holznutzungen in Kauf       nen nicht nur ökonomisch, sondern
nehmen werde, die nicht nachhaltig         auch ökologisch sinnvoll ist, und auf
seien. Christian Kölling, LWF Bayern,      welchem Weg das unstrittige Problem
sagte, dass die Forstwirtschaft bei ver-   erhöhter, mit der Energieholzernte ver-
stärkter Energieholznutzung Sicher-        bundener Nährelementexporte gelöst
heit brauche, damit die Nachhaltigkeit     werden soll. Dabei ist sicherlich eine
gewährleistet bleibt. Oliver Thees,        harte Reduktion der Nährelementex-
WSL Birmensdorf, Schweiz, regte an,        porte durch Nutzungsverzicht auf die       Abb. 4: Prof. Konstantin von Teuffel
Einblick - Bannwald "Wilder See-Hornisgrinde" - Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden ...
6                                                                                                   FVA-einblick 1/2012

    Abb. 5: Experten bei der Abschlussdiskussion (von links): Oliver Thees, Joachim Hug (EnBW), Christian Kölling, Max Re-
    ger, Klaus von Wilpert, Karl-Josef Meiwes.

    kann der Versuch des Nährelement-         trags von Waldholz zur regenerativen
    recyclings durch Ausbringung eines        Energieerzeugung konkret umsetzbar
    Dolomit-Holzaschegemischs auf sehr        wird.
    armen Böden, deren Speicherkapazi-
    tät für Pflanzennährelemente haupt-
    sächlich an die organische Boden-
    substanz gebunden ist, problematisch
    sein. Durch die reaktiven Bestandteile
    der Holzasche können unkontrollier-
    te Mineralisierungsschübe ausgelöst
    und dadurch ein Teil der Speicher-
    fähigkeit für Nährelemente zerstört
    werden. Diese Problematik ist aber
    nur auf sehr arme, sandige Extrems-
    tandorte beschränkt. Auf den meisten
    lehmigeren Böden sind solche unge-
    wollten Nebenwirkungen von Dolomit-
    Holzasche-Mischungen auszuschlie-
    ßen. Die im Pilotprojekt für die Region
    Oberschwaben erarbeitete Intensität
    des durch eine Maximierung der Ener-
    gieholzernte ausgelösten Kompensati-
    onsbedarfs mit einem Wiederholungs-
    turnus von durchschnittlich 64 Jahren
    für 4 t/ha Dolomit-Holzaschegemisch
    ist sehr niedrig. Außerdem können der
    Erfolg des Nährelementrecyclings und
    auch das Auftreten ungewollter Ne-
    benwirkungen bei jeder Neuaufnahme
    der Bodenzustandserfassung (BZE)
    geprüft werden. Die dritte BZE-Auf-
    nahme ist für 2021 geplant.
       Damit und auch angesichts seiner
    konsequenten Datenfundierung ist
    der Vorschlag aus Baden-Württem-          PD Dr. Klaus von Wilpert
    berg als verantwortlicher und praxis-     FVA, Abt. Boden und Umwelt
    orientierter Strategieansatz zu sehen,    Tel.: (07 61) 40 18 - 1 73
    mit dem eine Optimierung des Bei-         klaus.wilpert@forst.bwl.de
Einblick - Bannwald "Wilder See-Hornisgrinde" - Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden ...
FVA-einblick 1/2012                                                                                                            7

Baum des Jahres 2012: die Europäische Lärche
von Manuel Karopka und Katharina Töpfner

Baum des Jahres 2012 ist die Eu-         Lärchen können bis zu 35 m hoch        Verbreitung
ropäische Lärche (Larix decidua       werden und entwickeln eine unregel-
Mill.). Sie gehört zur Familie der    mäßig pyramidale bis schlank-kegel-          Der autochthone Verbreitungsraum
Kieferngewächse       (Pinaceaen)     förmige Krone. Im Freistand bleiben sie   der Lärche gliedert sich in vier Teilareale,
und ist die einzige bei uns heimi-    etwas kleiner. Sie sind in der Jugend-    in denen voneinander isolierte Vorkom-
sche Konifere Mitteleuropas, die      phase bis zum Alter von ca. 25 Jahren     men mit eigenen Rassen vorzufinden
ihre Nadeln im Winter abwirft.        raschwüchsig; in zunehmendem Alter        sind, deren morphologische Trennung
Charakteristisch ist vor allem        wachsen sie deutlich langsamer. Ihr       jedoch noch nicht gelungen ist:
ihre schöne goldene Herbstfär-        herzförmiges Wurzelsystem reicht bis      •• Im gesamten Alpenraum ist die Lär-
bung. Auch im Frühling setzt sie      in 2 m Tiefe.                                che weit verbreitet. Dort kommt sie
im Vergleich zu anderen Nadel-           Unter optimalen Bedingungen und           als Hochgebirgsbaum in den westli-
gehölzen deutliche Farbakzente:       ohne wirtschaftliche Nutzung kann            chen Alpen oder in den flachen La-
Die weiblichen Zapfen leuchten        eine Lärche bis zu 500 Jahren alt und        gen im östlichen Alpenraum vor. Hier
purpurfarben, bis sie zum Herbst      50 m hoch werden; dabei kann sie ei-         tritt sie oft in Mischung mit der Ge-
hin vergrünen und rosafarbene         nen Stammumfang von etwa einem               meinen Fichte (Picea abies Karst.)
Schuppenränder ausbilden.             Meter erreichen. Sie hat somit ver-          oder im Reinbestand auf.
                                      gleichbare Wuchseigenschaften wie         •• In der Tatra, einem Gebirgskomplex
                                      die Kiefer.                                  in den slowakischen und polnischen

                                      Abb. 1: Herbsverfärbung der Lärche
Einblick - Bannwald "Wilder See-Hornisgrinde" - Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden ...
8                                                                                                           FVA-einblick 1/2012

                                                Standorte                                     Lärchenerntebestände

                                                   Die Lärche stockt auf Kalk- sowie auf         Der Bedarf an Lärchen-Saatgut für
                                                saurem Silikatgestein und bevorzugt           die Forstwirtschaft in Baden-Württem-
                                                frische, tiefgründige Böden mit hoher         berg wird über Erntebestände und Sa-
                                                wasserhaltender Kraft. Staunasse Bö-          menplantagen gedeckt.
                                                den meidet sie, aber auch flachgründi-           Derzeit gibt es 124 zugelassene
                                                ge Hanglagen gehören nicht zu ihren           Erntebestände der europäischen Lär-
                                                bevorzugten Standorten; ebenso mei-           che. Die FVA hat in den 60er und 70er
                                                det sie nährstoffarme Sande.                  Jahren drei Samenplantagen in Baden-
                                                   Die Lärche hat eine mit der Kiefer         Württemberg angelegt, die heute durch
                                                vergleichbare weite Standortsamplitu-         die Staatsklenge in Nagold bewirt-
                                                de. Diese Flexibilität lässt eine zuneh-      schaftet werden:
                                                mende Bedeutung unter dem prognos-            •• Plantage Liliental, Herkünfte aus der
                                                tizierten Klimawandel erwarten.                  Region Odenwald-Bauland
                                                   Sie ist anfällig gegen Lärchenkrebs,       •• Plantage Großbottwar, Herkünfte aus
                                                gegen den die Eurolepis-Hybridlärchen            den Regionen Bodensee, Hochrhein,
                                                jedoch resistent sind.                           Schwarzwaldvorberge
                                                                                              •• Plantage Denkendorf, „Sudetenlär-
                                                                                                 che“
                                                Holzverwendung                                   Die „Sudetenlärche“ stammt aus der
                                                                                              Sudetenregion und konnte ihre guten
                                                   Lärchenholz ist höchst widerstandsfä-      Schaftformen in Nachkommenschafts-
                                                hig und sehr harzhaltig. Eine Imprägnie-      prüfungen unter Beweis stellen. Das
                                                rung ist nicht erforderlich, selbst für die   Saatgut dieser Plantage fällt unter die
                                                Verwendung im Außenbereich. Das Holz          Kategorie „geprüftes Vermehrungsgut“.
                                                hat eine rötliche Farbe, trocknet schnell        Lärchen fruktifizieren nicht regelmä-
    Abb. 2: Zapfen im Frühjahr                  und schwindet nur geringfügig. Aufgrund       ßig, sondern alternieren stark. Eine
                                                der hohen Beständigkeit ist Lärchenholz       regelmäßige Ernte ist daher nicht mög-
                                                ein hervorragendes Bauholz für den            lich. In dem Zeitraum von 1999 bis
       Kaparten, finden sich große Lärchen-     Außenbereich. Häufige Verwendung              2010 wurden ca. 12,7 t Zapfen geern-
       bestände, vor allem in den Höhenla-      findet es im Fenster-, Türen- oder auch       tet. Das entspricht einer Menge von gut
       gen der Hohen Tatra bis 1300 m.          im Treppenbau sowie im Alpenraum im           762 kg an reinen Samen. Davon stam-
    •• Auf der Ostseite der Sudeten, einem      Hausbau. Die Holzeigenschaften sind           men mindestens 40% aus den drei Sa-
       Gebirgszug an den Grenzen von Po-        mit denen von Douglasienholz vergleich-       menplantagen Baden-Württembergs.
       len, Tschechien und Deutschland,         bar. Die Lärchenpreise liegen derzeit bei        1 Kilogramm Lärchensamen enthält
       sowie in den Beskiden in Polen, be-      100 bis 230 € in Güteklasse A, 80 € in        rund 170.000 Samenkörner. Die oben
       finden sich die zwei weiteren, kleine-   Güteklasse B und 60 € in Güteklasse C.        genannte Erntemenge würde bei der
       ren Teilareale.
       Die Lärche war in der Nacheiszeit
                                                Tab. 1: Die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale der europäischen und der
    weit verbreitet, wurde aber aufgrund        japanischen Lärche sowie der Hybidlärche.
    ihrer geringen Wettbewerbsfähigkeit,
    die beispielsweise auf den hohen Licht-                     Larix decidua Mill.    Larix kaempferi      Larix x eurolepis
    anspruch zurückzuführen ist, auf ihren                                             (Lamb.) Carr.        Henry
    ursprünglichen Standorten zurückge-              Zweige/
                                                                Grau-gelb              Rotbraun             Gelb-rot
    drängt. Dass wir die Lärche unabhängig           Triebe
    der autochthonen Verbreitungsareale                         Grau, rötlich-grau,
                                                                                       Dunkelrot-braun      Dunkelbraun-
    jedoch in ganz Deutschland antreffen             Rinde      bis rotbraun,
                                                                                       Rissig-schuppig      schuppig
    können, ist waldbaulich begründet. Wir                      feinrissig-schuppig
    finden die Lärche heute in Aufforstungen                    30–40 Nadeln am        Ca. 40 Nadeln am
                                                     Nadeln
    von der Küste über die Ebenen und Mit-                      Kurztrieb              Kurztrieb
    telgebirge bis hoch auf 2000 m Höhe, oft                    Zapfenschuppen         Zapfenschuppen
    gemischt mit der Rotbuche (Fagus syl-            Zapfen
                                                                aufrecht, anliegend,   abstehend, am
                                                                                                            Zwischenformen
    vatica L.). Der waldbauliche Anteil der                     manchmal am            Rand umgebogen,
                                                                Rand wellig            rosenartig
    Art liegt bundesweit jedoch unter 2 %.
Einblick - Bannwald "Wilder See-Hornisgrinde" - Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden ...
FVA-einblick 1/2012                                                                                                        9

für Lärchensamen durchschnittlichen        die am stärksten frequentierten Lär-
Keimfähigkeitsrate von 50% zur An-         chen-Erntebestände beider Arten mit
zucht von ca. 64 bis 65 Mio. Pflanzen      DNA-Analysen auf ihre Artzugehörig-
reichen.                                   keit zu überprüfen. Diese Untersuchun-
                                           gen wurden 2009 im DNA-Labor der
                                           Abt. Waldökologie durchgeführt.
Artansprache und                              Dabei wurden 9 Europäer-Lärchen-
Verwechselung                              erntebestände und 7 Japaner-Lärchen-
                                           erntebestände untersucht. Von den 9
   Die europäische Lärche ist leicht mit   Europäer-Lärchenbeständen        hatten
der japanischen Lärche (Larix kaemp-       nur 5 ein „artreines“ Analyseergebnis.
feri [Lamb.] Carr.) zu verwechseln.        Von den 7 Japaner-Lärchenbeständen
Beide Arten sind gut miteinender kreuz-    konnten nur 2 als artreine Bestände
bar, was die Artansprache zusätzlich       angesprochen werden. Die übrigen Be-
erschwert. Denn die Nachkommen             stände wiesen alle einen hohen Anteil
artunterschiedlicher Eltern bilden keine   an Hybriden oder Lärchen der jewei-
eigenen Merkmale aus, sondern Misch-       ligen anderen Art auf. Die Zulassung
formen, verbunden mit einem großem         entzog man diesen Beständen eben-
Spreitungspotenzial in Richtung der        falls.
arttypischen Eigenschaften der Eltern.        Aufgrund des hohen Aufwands stellt
Die Hybridform ist Larix x eurolepis.      sich die Frage, welcher Nutzen durch
   Alle drei Lärchenarten werden wald-     die konsequente Getrennthaltung der
baulich in Baden-Württemberg verwen-       Arten erfüllt wird. In den bestehenden
det.                                       Erntebeständen erkennt man bei Be-
   2008 wollte man einen bislang noch      trachtung der Phänotypen zunächst
nie genutzten aber zugelassenen Ern-       keine Nachteile. Beide Arten, europä-
tebestand der europäischen Lärche          ische und japanische Lärche, werden
in Oberschwaben beernten. Bei der          waldbaulich unter Berücksichtigung        Abb. 2: Zapfen im Herbst
Vorbereitung der Ernte und phänoty-        ihrer jeweiligen Standortansprüche ver-
pischen Ansprache der Bäume durch          wendet.
den Revierleiter und den zuständigen          Dabei spricht man Larix kaempferi      in Wehingen, Backnang, Mosbach,
Kontrollbeamten kam der Verdacht auf,      etwas bessere Schaftformen zu, aller-     Schöntal, Ochsenhausen, Heidelberg/
dass der Bestand nicht ausschließlich      dings bei höherem Feuchtigkeitsbe-        ev. Pflege Schönau) getestet hat.
aus europäischen Lärchen besteht.          darf. Da Larix kaempferi nur aus einem
Eine anschließende Analyse von Stich-      relativ kleinen Verbreitungsraum in Ja-
proben bestätigte den Verdacht. Die        pan stammt, hat die Art eine geringe
Bäume konnten sogar größtenteils der       genetische Variationsbreite, was sie
japanischen Art Larix kaempferi zuge-      auch entsprechend nur auf passenden
ordnet werden.                             Standorten anbauwürdig macht.
   Gemäß den Richtlinien des Forstver-        Probleme können in art-durchmisch-
mehrungsgutgesetz (FoVG) garantiert        ten Erntebeständen allerdings später in
und haftet eine Revierleiterin/ein Re-     der F1-Generation, also den Nachkom-
vierleiter mit ihrer/seiner Unterschrift   menschaften des geernteten Saatgu-
des Stammzertifikates nach der Ernte       tes, auftreten. Mit beiden Arten durch-
für die ordnungsgemäße Durchführung        setzte Erntebestände als Eltern lassen
und Artreinheit der Ernte. Abweichun-      Larix x eurolepis-Formen als Nachkom-
gen können als Straftatbestand gewer-      men vermuten, die zwar starkwüchsig
tet werden. Dem besagten Erntebe-          sind, jedoch häufig unbefriedigende
stand entzog man daraufhin folgerichtig    Schaftformen aufweisen. Eine Eigen-
die Zulassung, um die Unterzeichner        schaft, die bei eurolepis-Hybriden häu-
der Stammzertifikate nicht einer un-       figer auftritt.
leistbaren Verantwortung auszusetzen.         Von Larix x eurolepis werden daher     Manuel Karopka
   Diesen Fall nahm man zum Anlass,        nur wenige gelenkte Kreuzungsformen       FVA, Abt. Waldökologie
um im gesamten Verwaltungsbereich          für den Waldbau empfohlen, die man        Tel.: (07 61) 40 18 - 1 81
des Regierungspräsidiums Tübingen          zuvor in Anbauversuchen (mit Flächen      manuel.karopka@forst.bwl.de
Einblick - Bannwald "Wilder See-Hornisgrinde" - Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden ...
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     Insekt des Jahres 2012: der Hirschkäfer
     von Andreas Schabel

     Jeder kennt ihn, den großen            Aber was wissen wir über ihn? Er       gesunden Wurzeln, sondern ernährt
     kastanienfarbenen Hirschkäfer.      gehört zur Familie der „Schröter“ (Lu-    sich von und in morschem verpilztem
     Nicht nur als der größte seiner     canidae), die mit vier Arten bei uns      und feuchtem Holzsubstrat. Der Nähr-
     Art, auch durch sein imposantes     vorkommt. Es sind allesamt xylobion-      wert des Holzes erschließt sich dabei
     „Geweih“ – den bizarr vergrö-       te, d.h. an Holz gebundene Arten. Im      wohl vor allem durch die Pilzhyphen
     ßerten Oberkiefer – ist er unver-   Allgemeinen wird der Hirschkäfer mit      und die Wiederverwertung der Kotbal-
     wechselbar. Findet man an einem     altem Eichwald assoziiert. Aber heißt     len (Koprophagie).
     lauen Juniabend einen solchen       das auch, dass der Käfer wie z.B.            Da der Käfer bzw. die Larve ein ho-
     Käfer, bleibt er ob seiner archa-   zahlreiche Bockkäferarten in alten Ei-    hes Wärmebedürfnis hat, bevorzugt
     isch anmutenden Erscheinung         chen bzw. im toten Holz alter oder ab-    er lichte bis offene, wärmebegünstigte
     oft noch lange in Erinnerung.       sterbender Bäume vorkommt? Ja und         Wälder. Das bringt in unseren Brei-
                                         nein, lautet die sybillinische Antwort!   ten eine gewisse Affinität an sonnige
                                         Tatsächlich entwickelt sich die Larve     Kleinstandorte und den Eichenwald mit
                                         – ähnlich der des Maikäfers oder des      sich. Der Hirschkäfer ist dadurch an die
                                         Nashornkäfers – viele Jahre tief im Bo-   Verjüngung der Eiche im Schirm- bzw.
                                         den. Das erklärt auch seine engerling-    Kahlschlag gut angepasst, weshalb er
                                         artige Larvenform. Im Gegensatz zum       als große, xylobionte Art auch in bewirt-
                                         Maikäfer frisst die Larve aber nicht an   schafteten Wäldern sein Auskommen
                                                                                   findet. Tatsächlich zeigen aber Unter-
                                                                                   suchungen, dass der Hirschkäfer zu
                                                                                   den polyphagen Insekten gehört und
                                                                                   per se die Eiche als Brutstätte nicht
                                                                                   bevorzugt. Über 20 Holzarten sind bis-
                                                                                   lang als Bruthabitat gelistet, darunter
                                                                                   auch Nadelbäume und auffällig viele
                                                                                   Offenland-Baumarten wie Kirsche, Bir-
                                                                                   ke, Weide, Pflaume und Apfel. Neu ist
                                                                                   – und das ist ein Ergebnis der letztjäh-
                                                                                   rigen Hirschkäferkartierung der FVA im
                                                                                   Zuge der NATURA-Managementplan-
                                                                                   Erstellung, dass der Hirschkäfer auch
                                                                                   Stubben von (amerikanischen) Rotei-
                                                                                   chen als Brutstätte nutzt: Im Freiburger
                                                                                   Mooswald wurden überraschenderwei-
                                                                                   se die meisten Hirschkäfer in einem
                                                                                   rund 50-jährigen Roteichenbestand ge-
                                                                                   funden. Also in einem Wald, der weder
                                                                                   alt, noch licht ist. Folgeuntersuchun-
                                                                                   gen haben die anfänglichen Zweifel,
                                                                                   dass es sich hierbei tatsächlich um ein
                                                                                   an Roteiche gebundenes Hirschkäfer-
                                                                                   vorkommen handelt, rasch beseitigt.
                                                                                   Der Hirschkäfer demonstriert damit
                                                                                   eine hohe Anpassungsfähigkeit. Der
                                                                                   Käfer nutzt in einer klimatisch begüns-
                                                                                   tigten Umgebung (Oberrheinebene) die
                                                                                   durch regelmäßige Durchforstungs-
                                         Abb. 1: Zangen des Hirschkäfres           eingriffe kontinuierlich bereit gestellten
FVA-einblick 1/2012                                                                                             11

zahlreichen Stubben als Brutsubstrat.
Diese weisen bereits in jungem Alter
ausreichende Dimensionen von ca.
                                                            Mehr über den Wald wissen
40 cm Durchmesser auf. Nachdem
die Roteiche einen recht breiten, sich
rasch zersetzenden Splintholzbereich
hat, können die Stubben bereits besie-
delt werden, bevor die Zersetzung des
Kernholzes beginnt. Da sich das ver-
mulmte Holz zunächst auf den Splint
beschränkt, könnte dies der Grund
sein, warum die zahlreich gefundenen
Käfer bzw. Käferteile insgesamt etwas
kleinwüchsiger sind.
    Mit der Wahl des Hirschkäfers zum
Insekt des Jahres 2012 wird die Auf-
merksamkeit auf eines unserer be-
merkenswertesten Insekten gelenkt.
Wie kaum eine andere Art steht der
Hirschkäfer für das verklärte, romanti-
sierte Bild des „deutschen Waldes“ und
illustriert die Bedeutung des Waldes
für den Artenschutz. Es ist daher ein
lohnendes Unterfangen, sich die Erhal-
tung des Hirschkäfers auf seine Fah-
nen zu schreiben. Mit Hilfe seiner An-
passungsfähigkeit und vielleicht auch
durch den Klimawandel begünstigt,
sollte es gelingen, dass auch künftige
Generationen beim Anblick des Hirsch-
käfers ins Staunen geraten.

                                                 Wie? Mit waldwissen.net!
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                                                 einfach rein – wir freuen
                                                 uns auf Ihren Besuch!
Andreas Schabel
FVA, Abt. Waldökologie
                                                 p www.waldwissen.net
Tel.: (07 61) 40 18 – 1 68
andreas.schabel@forst.bwl.de

                            fva-bw_anzeige_105x210mm_rz.indd 1                                                       04.10.20
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     Bannwald „Wilder See-Hornisgrinde“ – eine durch
     Buchdruckerbefall getriebene Walddynamik

     von Katarzyna Zielewska und Eberhard Aldinger

     Der Bannwald „Wilder See-Hor-             Die terrestrische Waldstrukturauf-     Zeitreihe von sechs ausgewählten CIR-
     nisgrinde“ zählt zu den fich-          nahme (WSA) und die Luftbildauswer-       Luftbildern der Periode 1991 bis 2009
     tenreichen Bannwäldern der             tung, deren Ergebnisse hier präsentiert   rekonstruiert werden (Abb. 1).
     montanen und hochmontanen              werden, erfolgen im Forschungspro-           Dargestellt sind in grün die bruttaugli-
     Höhenstufe des Buntsandstein-          gramm von ForstBW. Im Zuge der            chen fichtenreichen Bestände ab einer
     schwarzwaldes. Wie in vielen           Ausweisung der Bannwälder wird die        Bestandeshöhe von > 20 m. Rot dar-
     anderen fichtenreichen Wäl-            Waldstruktur in einem 0,1 ha großen       gestellt sind die befallenen Bestandes-
     dern kam es auch hier nach den         Probekreis (Verkleinerung auf 0,05 ha     flächen; nicht befallsfähige, junge Be-
     Stürmen des Jahres 1990 zur            bei sehr großer Stammzahl) in einem       stände und fichtenarme bzw. Bestände
     Massenvermehrung des Buch-             Stichprobenraster erhoben (Kärcher et     ohne Fichte sind weiß belassen.
     druckers, obwohl die damalige          al. 1997) und nach Möglichkeit Colorin-      Die Aufnahmen 1995 und 1996 zei-
     Bannwaldfläche nur in sehr ge-         frarot-Luftbilder (CIR) im Maßstab von    gen, dass zuerst die Althölzer entlang
     ringem Umfang vom Sturmwurf            1:5.000 angefertigt (Ahrens 2001,         der Karwand und die Hänge entlang
     betroffen war (60 umgestürzte          Ahrens et al. 2004). Die Aufnahmen        des Seebachs befallen wurden. Von
     Bäume beim Seelochbach). Der           werden erstmals möglichst bei der         dort aus breitete sich der Buchdrucker
     Absterbeprozess der Fichten-           Ausweisung der Bannwälder angefer-        weiter in den Bannwald aus, wie die
     wälder, der seit mehr als 20 Jah-      tigt, danach folgen weitere Aufnahmen     Aufnahmen aus den Jahren 1998, 2003
     ren vom Borkenkäfer im Bann-           nach Bedarf.                              und 2009 zeigen.
     wald verursacht wird und sich             Das punktuelle Stichprobenraster der      Im Jahr 1991 gab es 92 ha potenti-
     ständig fortsetzt, hat bis heute       WSA erfasst verschiedene waldwachs-       elle Brutbestände, nur 0,5% davon wa-
     insgesamt 38% der Bannwald-            tumskundliche Parameter wie Baumart,      ren damals vom Buchdrucker befallen.
     fläche betroffen. Wie schnell hat      Brusthöhendurchmesser, Höhe und na-       In den Folgeaufnahmen stieg der An-
     sich der Buchdrucker ausgebrei-        turschutzfachlich interessante Merkma-    teil an Störungsflächen auf 8% (1995),
     tet? Wie viel Fläche ist befallen      le an lebenden und toten Bäumen so-       18% (1996), 42% (1998), 49% (2003)
     und wie hoch ist heute der Tot-        wie die Verjüngung. Aufnahmen liegen      und 61% (2009). In weniger als 20 Jah-
     holzvorrat?                            für die Jahre 1995 und 2010 vor.          ren wurde mehr als die Hälfte der Brut-
                                               Mit der Luftbildauswertung werden      bestände vom Buchdrucker zum Ab-
                                            flächenhafte Waldstrukturen erfasst.      sterben gebracht. Es handelte sich hier
                                            Durch den Einsatz großmaßstäblicher       vor allem um den Befall von stehenden
                                            und großformatiger CIR-Luftbilder eig-    Bäumen, die heutzutage als stehendes
                                            net sich das Verfahren besonders gut      Totholz das Bild des Bannwaldes stark
                                            für die Dokumentation von Störungs-       prägen (Abb. 2 und 3). Damit sinkt das
                                            prozessen im Wald und für die Beob-       durchschnittliche Alter der Bäume im
                                            achtung der horizontalen Ausprägung       Bannwald – der Wald wird jünger, wert-
                                            von Waldstrukturen und deren Verän-       volles Altholz wird seltener.
                                            derungen. Es liegen zahlreiche Luftbil-      Derzeit gibt es noch rund 40 ha po-
                                            der seit 1951 bis 2009 vor.               tenziell brutfähige Bestände – die Stö-
                                                                                      rung kann demnach weiter laufen.
                                                                                         Die WSA weist bei der ersten Auf-
                                            Ausbreitung                               nahme 1995 noch einen Vorrat von
                                            des Buchdruckerbefalls                    269 Vfm/ha an lebenden Bäumen auf.
                                                                                      Zu rund 80% sind es Fichten, weniger
                                               Der zeitliche und räumliche Verlauf    als 9% Tannen. Fünfzehn Jahre später
                                            der Borkenkäferstörung, der in den        ist der Vorrat an lebenden Fichten stark
                                            letzten 20 Jahren sehr dynamisch          um 111 Vfm/ha gesunken, sein Anteil
                                            fortgeschritten ist, kann anhand einer    am Gesamtvorrat liegt nun bei nur noch
FVA-einblick 1/2012                                                                                                         13

70%. Dafür ist der Tannenanteil auf
28% angestiegen. Die Buche kommt im
Bannwald nur in geringen Anteilen vor.
Sie wird im Stichprobenraster nur auf 4
Punkten erfasst und zeigt keine Reakti-
on auf die Störung.
   Der Totholzvorrat war im Bannwald
bereits im Jahr 1995 mit insgesamt 156
Vfm/ha bemerkenswert hoch. Hochge-
rechnet bedeutet dies, dass im Bann-
wald rund 12.500 fm Totholz lagen. Da-
bei überwog das stehende Totholz mit
nahezu der vierfachen Menge des lie-
genden Holzes. Bei der Zweitaufnahme
stieg die Totholzmenge auf 268 Vfm/ha,
d.h. dass die gesamte Totholzmenge
im Bannwald auf rund 21.000 fm ge-
stiegen ist. Nun überwiegt der Anteil
des liegenden Totholzes deutlich.
   Die Durchmesser des Totholzes be-
ginnen ab 14 cm. Bei der Aufnahme
im Jahr 2010 waren vor allem Fichten
mit den Durchmessern von 20-30 cm
zu finden. Auch der Zersetzungsgrad
hat sich zwischen 1995 und 2010 ver-
ändert: Die stärker zersetzten Anteile
haben deutlich zugenommen.

                                          Abb. 1: Gesamtbefall der Fläche durch den Borkenkäfer
Wandel der Waldstrukturen

  Auf der Grundlage der Luftbild-Jahr-    Baumbewuchs (< 30% Überschirmung)       und Sukzessionsflächen sind von 19
gänge 1996 und 2009 können im Bann-       oder Verjüngung (< 50% Deckung)         auf 16% (23,4 ha) bzw. von 8 auf 6%
wald „Wilder See-Hornisgrinde“ die        zeigen, sowie Sukzessionsflächen mit    (9,6 ha) zurück gegangen.
Waldstrukturen ausgewertet werden.        walduntypischer Flächenstruktur z.B.      Im Vergleich zu 1996 wurden 2009
Unterschieden werden Störungsflä-         Moore oder Latschen.                    die Einzelflächen kleiner und sind
chen, auf denen die Folgen des Buch-        Im Untersuchungszeitraum haben        gleichmäßiger über den ganzen Bann-
druckerbefalls deutlich zu sehen sind;    die Störungsflächen von 11 auf 17%      wald verteilt (Abb. 4). Die natürlichen
Freiflächen, die vorübergehend kein       (25,5 ha) zugenommen, die Freiflächen   Altersstufen der Bestände bilden ein

Abb. 2: Abgestorbene Fichten auf den Störungsflächen in der Karwand oberhalb des Wilden Sees
14                                                                                                      FVA-einblick 1/2012

                                                                                         chen des Bannwaldes. Sie gehen auf
                                                                                         die flächige Räumung nach Sturm und
                                                                                         Borkenkäferbefall zwischen 1990 und
                                                                                         1994 zurück.
                                                                                            Auf den Störungs- und Freiflächen
                                                                                         ist 2009 reichlich Verjüngung vorhan-
                                                                                         den. Auch die jüngeren Bestände,
                                                                                         Jungwuchs, Dickung und Stangenholz,
                                                                                         nahmen im Vergleich zu Aufnahme
                                                                                         1996 deutlich zu. Sie sind von Nadel-
                                                                                         holz bzw. Fichte dominiert und werden
                                                                                         in der Zukunft potentielle Brutbestände
                                                                                         des Buchdruckers. Da es mittels der
                                                                                         Luftbilder nicht möglich ist, die Baumart
     Abb. 3: Abgestorbene Fichten in der Karwand oberhalb des Wilden Sees
                                                                                         der Verjüngung und des Jungwuchses
                                                                                         sicher zu bestimmen, kann die Frage
     kleinflächigeres Mosaik mit einer stär-   der Altbestände durch Buchdruckerbe-      zur Veränderungen in der Baumarten-
     ker ausgeprägten vertikalen Struktur.     fall aus Naturverjüngung entstanden.      zusammensetzung in diesen Altersstu-
     Der Anteil an strukturreichen Bestän-     Diese Flächen verteilen sich nahezu       fen nicht beantwortet werden.
     den ist in den letzten 13 Jahren von      gleichmäßig über den Bannwald (au-           Die Auswertung der WSA-Aufnahme
     21% (1996) auf 43% (2009) gestiegen.      ßer an westlichen Steilhängen) und re-    zeigt, dass die Naturverjüngung vor al-
       Die jüngeren Altersphasen nehmen        präsentieren die Flächen, die sich nach   lem auf den Störungsflächen stark ein-
     zu: Jungwuchs und Dickung von 8%          der Buchdruckergradation schon ver-       gesetzt hat (Abb. 5).
     auf 37%, Stangenhölzer von 7% auf         jüngt haben. Stangenhölzer befinden          In beiden Höhenklassen hat die Fich-
     15%. Sie sind nach dem Absterben          sich vor allem auf den Erweiterungsflä-   tenverjüngung sehr stammzahlreich
                                                                                         eingesetzt, neu hinzu gekommen ist die
                                                                                         Vogelbeere. Die frühe und kräftige Auf-
                                                                                         lichtung nach dem Buchdruckerbefall
                                                                                         scheint der Naturverjüngung von Fich-
                                                                                         te mehr Vorteile zu verschaffen als der
                                                                                         Tanne. Die Anzahl der Fichte liegt beim
                                                                                         Zehnfachen der Tanne. Die meist ein-
                                                                                         zelnen oder in kleinen Gruppen wach-
                                                                                         senden Tannen lassen nicht vermuten,
                                                                                         dass ihr Anteil zunehmen wird. Aller-
                                                                                         dings profitiert die Tanne zum Zeitpunkt
                                                                                         des Buchdruckerbefalls, so dass ihr An-
                                                                                         teil in höherem Alter zunehmen kann.
                                                                                            Trotz des massiven Absterbens
                                                                                         von Fichtenbeständen bestehen im
                                                                                         Bannwald „Wilder See-Hornisgrinde“
                                                                                         weiterhin günstige Bedingungen zur
                                                                                         Fortsetzung der Ausbreitung des Buch-
                                                                                         druckers. Die Baumart Fichte dominiert
                                                                                         die Bestände weiterhin mit geringen
                                                                                         Beimischungen von Tanne, Kiefer und
                                                                                         Buche. Die 2009 kartierten ca. 40 ha
                                                                                         potentieller Buchdrucker-Brutbestände
                                                                                         und die nachwachsenden Stangen-
                                                                                         holz-Fichtenreinbestände (mit frisch
                                                                                         abgestorbenen Bäumen!) lassen auf
                                                                                         eine weitere Borkenkäferausbreitung
                                                                                         schließen. Geschwindigkeit und Aus-
                                                                                         maß dieses Prozesses bleiben von vie-
     Abb. 4: Bestandesstrukturen im Bannwald Wilder See-Hornisgrinde 1996 und 2009       len Faktoren abhängig, z.B. Witterung,
FVA-einblick 1/2012                                                                                                                 15

Klimawandel, Flächenmosaik, Verän-
derungen in der Baumartenzusammen-
setzung sowie Gesundheitszustand der
Bäume, und sind deshalb schwer vor-
herzusagen. Auch wenn nach Auslau-
fen der jetzigen Buchdruckergradation
eine Phase der Konsolidierung eintre-
ten sollte, ist doch damit zu rechnen,
dass die dann wieder in stärkere Di-
mensionen wachsenden Fichten nach
Sturm und oder längeren Trockenheits-
und Wärmephasen wiederum gute Vor-
raussetzungen für eine neue Gradation
bieten.
                                               Abb. 5: Jungwuchs (N/ha) auf „gestörten“ Flächen nach Baumarten 1995 und 2010
   Bei der aktuellen Dynamik der Wald-
entwicklung ist der Bannwald Wilder
See-Hornisgrinde durch den hohen an-
thropogenen Fichtenanteil und die ge-
ringe Beimischung an standortsheimi-
schen Baumarten noch weit von einem
natürlichen Waldzustand entfernt. Nach
heutiger Erkenntnis wird es noch viele
Jahrzehnte dauern, bis sich nennens-
werte Anteile der Schlusswaldbaumar-
ten gegen die starke Konkurrenz der
Fichte durchgesetzt haben.

Dr. Eberhard Aldinger
FVA, Abt. Waldökologie
Tel.: (07 61) 40 18 - 1 83
eberhard.aldinger@forst.bwl.de                 Abb. 6: Verjüngung und Jungwuchs in der Karwand

Literatur
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  Mitt. FVA Baden-Württemberg 199, 57 S.        (2004): Zur Erfassung der Waldstruk-
16                                                                                                       FVA-einblick 1/2012

     Rindenschäden durch Holzernte:
     altbekannt, gern verdrängt

     von Ulrich Kohnle, Udo Hans Sauter, Aikaterini Nakou, Michael Nill

     Spätestens die umfangreiche                 Dieser Frage ging die FVA auf Initi-      Ergebnisse der BI bezüglich
     Arbeit von Winfried Meng (1978)          ative von Stefan Gauckler, dem lang-         Rindenschäden
     machte in Baden-Württemberg              jährigen Leiter der Abteilung Forstein-
     nachdrücklich klar, welche Be-           richtung Tübingen-Süd, im Auftrag des           Erschreckend sind vor allem die Be-
     deutung Rindenschäden zu-                MLR in einem Projekt und der damit           funde zum Umfang der Rindenschä-
     kommt, die Forstbetriebe bei             verbundenen Dissertation von Michael         den: Ausweislich der BI tragen etwa
     der Holzernte verursachen. Der           Nill (2011) eingehend nach. Um nicht         20% der Bäume mit BHD>7cm in Ba-
     Umgang mit dem Problem und               eine weitere, in der Aussagekraft be-        den-Württemberg einen durch Holzern-
     Anstrengungen zur Begrenzung             grenzte Fallstudie zu produzieren, wur-      te verursachten Rindenschaden. Zwar
     stehen seither kontinuierlich im         de die Untersuchung von vorne herein         entnahmen die Betriebe bei Durchfors-
     Fokus lebhafter Diskussionen             auf eine breite Basis gestellt. Diese        tungen bevorzugt bereits beschädigte
     und betrieblicher Richtlinien. Bei       setzte sich aus zwei unterschiedlichen       Bäume. Der Anteil neu beschädigter
     einem so hohen Grad an Auf-              Datensätzen zusammen:                        Bäume war jedoch so hoch, dass in-
     merksamkeit sollte man eigent-              Zum einen aus geeigneten Daten            nerhalb der Periode zwischen der
     lich erwarten können, dass sich          der Betriebsinventur (BI). Zur Aus-          Erst- und der Folgeinventur das Rin-
     die Problemlage zwischenzeit-            wertung herangezogen wurden Stich-           denschadprozent zwischenzeitlich um
     lich entspannt hat. Ist das aber         probenpunkte, an denen a) nach der           im Mittel 4% angestiegen ist. Gleichzei-
     tatsächlich auch der Fall?               Erstaufnahme zwischenzeitlich auch           tig war eine tendenzielle Verschiebung
                                              eine Wiederholungsaufnahme vor-              von bodennahen Rindenschäden hin
                                              liegt, und bei denen b) das Merkmal          zu höher am Stamm liegenden Schä-
                                              „Rindenschäden durch Holzernte“              den zu konstatieren.
                                              konsistent erfasst worden war. Die
                                              ausgewertete Datenbasis umfasst
                                              etwa die beiden zurückliegenden              Baumartenspezifische
                                              Jahrzehnte. Einbezogen sind Inven-           Anfälligkeit
                                              turen aus 43 Betrieben (öffentlicher
                                              Wald) mit über 50.000 Stichproben-              Die BI zeigt auch, dass es beim Risi-
                                              punkten und Aufnahmedaten zu etwa            ko beschädigt zu werden, Unterschiede
                                              einer halben Million Bäume. Zum an-          zwischen Baumarten gibt. Besonders
                                              deren wurde eine Untersuchung von            empfindlich zeigen sich Fichte und
                                              Praxishieben auf breiter Basis kon-          Buche. Beim Vergleich Fichte / Tanne
                                              zipiert; realisiert in Zusammenarbeit        bestätigen die BI-Befunde die bereits
                                              zwischen FVA und Forstlichen Stütz-          früher festgestellte vergleichsweise
                                              punkten. Erfasst wurden dabei rund           größere Robustheit der Tannenrinde
                                              180 Hiebe, bei denen auf etwa 2.300          gegenüber Beschädigungen (Kohnle &
                                              Stichprobenpunkten rund 25.000               Kändler 2007).
                                              Bäume aufgenommen wurden.                       Aus der Untersuchung der Praxis-
                                                 Diese außerordentlich breite Daten-       Hiebe ergeben sich ergänzende Hin-
                                              basis ist geeignet, der Studie den an-       weise zum Einfluss hiebsspezifischer
                                              gestrebten repräsentativen Charakter         Faktoren auf die Entstehung neuer
                                              zu verschaffen. Zwei wissenschaftliche       Rindenschäden. Hingewiesen sei in
                                              Publikationen mit Details zu Datenba-        diesem Zusammenhang, dass sich
                                              sis, Methoden und Ergebnissen liegen         die Untersuchungen bisher lediglich
                                              bereits vor (Nill 2011; Nill et al. 2011);   auf das Auftreten von Rindenschä-
                                              eine dritte ist in Vorbereitung Nakou et     den >10cm² Größe beschränken.
                                              al. (2012).                                  Der Einfluss auf die Größe der Rin-
FVA-einblick 1/2012                                                                                                             17

denablösungen und die Schwere
der Verletzungen wurde (noch) nicht
analysiert.

Erklärende Variablen
im Prognosemodell

   Insgesamt zeigte sich, dass eine
Vielzahl von Faktoren Einfluss auf die
Entstehungswahrscheinlichkeit eines
Rindenschadens haben. Folgende
Faktoren erwiesen sich als signifikant
und hatten einen so starken Einfluss
                                           Abb. 1: Gegenüberstellung der gemessenen (realen) Schadprozente mit den mo-
auf die Auftretenswahrscheinlichkeit       dellierten (geschätzten) Schadanteilen. Die Achsen enthalten eine prozentuale
eines Rindenschadens, dass sie sich        Teilung von 0 – 80%; je näher die Werte um die Winkelhalbierenden gruppiert
für das entwickelte Prognosemodell         sind, umso zutreffender sagt das entwickelte Modell die Schäden voraus.
als unverzichtbar erwiesen: mittle-        Die linke Grafik zeigt die ausschließlich auf der Basis „hart“ gemessener
re Vorrückeentfernung, Abstand ei-         hiebsspezifischer Einzeleffekte (Baumart, Vorlieferentfernung, Ernteverfahren,
                                           Eingriffstärke etc.) geschätzen Erwartungswerte; die rechte Grafik enthält darü-
nes Baumes zur Erschließungslinie,         berhinaus die Wirkung zusätzlicher Faktoren, deren Effekte eindeutig betriebli-
Eingriffstärke, Baumart, Baum- bzw.        chen Ebenen zugeordnet werden können, die jedoch nicht auf „hart“ messbare
Bestandeshöhe,         Arbeitsverfahren,   Einzelfaktoren zurückgeführt werden können.
Bestandesdichte und Stärke des aus-
scheidenden Bestandes. Daneben
ließ sich für weitere Faktoren ein Ein-    ter gemischter Modelle eine sehr gute       können, erklärt das Modell die beob-
fluss auf die Entstehung von Rinden-       Möglichkeit. Dieser analytische Ansatz      achtete Streuung der Schadprozente
schäden nachweisen. Hierzu gehörten        ermöglicht es, die nach der Erklärung       nahezu ideal (Abbildung 1).
beispielsweise Hangneigung, Durch-         durch (signifikante) konkret gemesse-
forstungsturnus oder Abweichungen          ne Faktoren noch verbleibende Rest-
zwischen Fäll- und Vorrückerichtung.       streuung der Daten daraufhin zu unter-    Rindenschäden – ein be-
Trotz statistischer Signifikanz war de-    suchen, welcher Erhebungsebene der        triebsspezifisches Problem?
ren Erklärungspotential jedoch ver-        Daten sie zuzuordnen ist. Im konkreten
gleichsweise gering, so dass sie für       Fall handelte es sich um die Aufteilung     Nicht unerwartet wird die Entstehung
das entwickelte Prognosemodell ver-        der Zuordnung auf folgende Datenebe-      von Rindenschäden in nennenswer-
zichtbar erschienen.                       nen: Hiebsebene (Baum, Stichproben-       tem Umfang durch konkret messbare,
   Insgesamt ist festzuhalten, dass das    punkt, Hieb), Betriebsebene (Revier,      hiebsspezifische Rahmenbedingungen
entwickelte Prognosemodell die Wahr-       Forstbezirk) sowie die nicht erklärbare   beeinflusst. Zu diesen „hart messba-
scheinlichkeit des Auftretens von Rin-     Reststreuung.                             ren“ Faktoren zählen u. a. Vorlieferent-
denschäden zwar recht gut und plausi-         Interessant sind in diesem Zusam-      fernung, Eingriffstärke, Ernteverfahren,
bel erklären konnte. Trotzdem blieb bei    menhang die beiden folgenden Befun-       Baumart etc. Das absolute Schad-
Berücksichtigung der gemessenen Ein-       de:                                       niveau wird durch solche „harten“
flussfaktoren im Prognosemodell ein        •• Der Löwenanteil der nicht durch        Hiebsfaktoren jedoch nicht unverän-
nennenswerter Anteil der in den Praxis-       konkret messbare Einflussfaktoren      derlich und zwangsläufig vorbestimmt,
Hieben zu beobachtenden Streuung              im Modell erklärten Streuung entfiel   sondern unterliegt einer relativ großen
der Rindenschadensprozente uner-              auf die Betriebsebene; Hiebsebene      Variationsbreite. Diese wird ganz of-
klärt. Diese Beobachtung lässt prinzi-        und unerklärte Gesamtstreuung über     fenkundig substantiell von betriebs-
piell zwei Hypothesen zu: Entweder            alle Datenebenen hinweg spielten im    spezifischen Eigenheiten geprägt, die
spielte echter Zufall bei der Entstehung      Vergleich dazu eine untergeordnete     einerseits keineswegs weitgehend dem
der Rindenschäden eine nennenswerte           Rolle.                                 Zufall überlassen sind, aber anderer-
Rolle oder nicht alle erklärenden Ein-     •• Wird zusätzlich zu den konkret ge-     seits auch nicht in Form „hart“ messba-
flussgrößen wurden im Rahmen der              messenen Faktoren die Wirkung der      rer Hiebsfaktoren konkretisiert werden
Untersuchung aufgenommen.                     Faktoren einbezogen, die aus der       können.
   Zur zumindest teilweisen Beantwor-         Datenbasis zwar nicht näher diffe-       Bei der Holzernte scheint es also
tung dieser Frage bot der für die Da-         renziert, aber eindeutig konkreten     ähnlich zuzugehen wie beim Einsatz
tenanalyse gewählte Ansatz sogenann-          Datenebenen zugeordnet werden          von Beton: Es kommt darauf an, was
18                                                                                                         FVA-einblick 1/2012

                                                                                            entwickelnden Rindenmerkmale später
                                                                                            grundsätzlich zu einer Qualitätsabstu-
                                                                                            fung bei höherwertigem Buchenstamm-
                                                                                            holz führen.

     Abb. 2: Rindenschäden an einer Fichte

     man (Betrieb) daraus macht. Oder            den verbundene hohe Wundfäulerisiko
     anders ausgedrückt: Aus vergleichba-        und Entwertungspotential. Mutmaß-
     ren „harten“ Hiebsvoraussetzungen           lich stehen diese Schäden zumindest
     können betriebsspezifisch ganz offen-       gleichrangig neben den durch Sturm,
     kundig sehr unterschiedliche Schad-         Kernfäulen oder Borkenkäfern verur-
     prozente entstehen. Inwieweit dies auf      sachten Ertragseinbußen.
     Faktoren wie Motivation, Setzung von           Andere Nadelbaumarten erscheinen
     (ökonomischen) Prioriäten oder Sorg-        dagegen weniger empfindlich. Bei-
     falt im Umgang mit Ernteverfahren be-       spielsweise liegt bei Tanne zusätzlich
     ruht, sei der Spekulation der geneigten     zur vergleichsweise robusten Rinde
     Leserschaft überlassen.                     das Infektionsrisiko nach Rindenverlet-
                                                 zungen deutlich unter demjenigen der
                                                 Fichte (Kohnle & Kändler 2007, Metzler
     Ökonomische Folgen                          et al. 2012). Bei Buche ist zwar festzu-
     von Rindenschäden                           stellen, dass sich das von einem Rin-
                                                 denschaden ohne Verletzung des Holz-
       Möglicherweise bietet sich hier ein       körpers ausgehende Infektionsrisiko
     neuer Ansatz für betriebliche Strategi-     auf einem ähnlich (niedrigen) Niveau
     en zur Reduktion des gegenwärtig an         wie bei Tanne zu bewegen scheint.
     sich inakzeptabel hohen Niveaus von         Trotzdem ziehen bei dieser Baumart
     Rindenschäden durch Holzernte. Aus          Rindenverletzungen ein erhebliches
     ökonomischen Gründen scheint dies           Entwertungspotential nach sich: So
     insbesondere in der Fichtenwirtschaft       hat eine Stützpunkt-Untersuchung im        Prof. Dr. Ulrich Kohnle
     dringend geboten. Aus Praxis und Wis-       Bereich der Schwäbischen Alb gezeigt,      FVA, Abt. Waldwachstum
     senschaft sattsam bekannt sind das          dass bei den aktuellen Sortiergepflo-      Tel.: (07 61) 40 18 - 2 51
     bei dieser Baumart mit Rindenschä-          genheiten die sich aus Rindenschäden       ulrich.kohnle@forst.bwl.de

     Literatur
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       Holzernte - Ausmaß und Verteilung,         Holzernte: Analyse, Modellierung            Bezug zur Holzernte im Spiegel der
       Folgeschäden am Holz und Versuch           und Evaluierung auf der Basis zweier        Betriebsinventuren in Baden-Würt-
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