Einblick - Bannwald "Wilder See-Hornisgrinde" - Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden ...
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Forstliche Versuchs- Nr. 1, April 2012, Jahrgang 16 ISSN 1614-7707 und Forschungsanstalt Baden-Württemberg -einblick Bannwald „Wilder See-Hornisgrinde“
2 FVA-einblick 1/2012 Inhalt Liebe Leserinnen, liebe Leser, 3 Energiewende erhöht Nachfrage die erste Ausgabe des FVA-einblicks im Jahr 2012 beginnt mit einem Beitrag nach Holz als Energieträger zum Thema „Energieholz und Nachhaltigkeit“. Die steigende Nachfrage nach 7 Baum des Jahres 2012: Holz als Energieträger stand im Mittelpunkt einer Fachtagung an der FVA. Dazu die Europäische Lärche fasst ein Artikel die Beiträge der namhaften Redner zusammen. Diese zeigten 10 Insekt des Jahres 2012: auf, wie das Energieholzpotenzial der Wälder ermittelt werden kann, wo die der Hirschkäfer nachhaltig vertretbaren Grenzen der Nutzung liegen und wie ein eventuell auftre- 12 Bannwald „Wilder See-Hornisgrinde“ tender Nährelemententzug kompensiert werden könnte. – eine durch Buchdruckerbefall Dem Baum des Jahres, der Europäischen Lärche, und dem Insekt des Jahres, getriebene Walddynamik dem Hirschkäfer widmen sich die beiden nachfolgenden Artikel. Damit wollen 16 Rindenschäden durch Holzernte: wir Ihre Aufmerksamkeit auf zwei bemerkenswerte Arten lenken, die Lärche als altbekannt, gern verdrängt einzige heimische Nadelbaumart, die ihre Nadeln im Herbst abwirft, und den 19 Forschung und Praxis: das Dougla- Hirschkäfer als archaisch anmutenden „Geweihträger“. sien-Versuchsflächennetz der FVA In einem weiteren Beitrag werden Untersuchungen zur Walddynamik in dem 100-jährigen Bannwald „Wilder See-Hornisgrinde“ vorgestellt. Es wird gezeigt, wie sich der Borkenkäferbefall ausgebreitet und wie sich der Totholzanteil entwi- ckelt hat. Im nächsten Beitrag wird ein zwar altbekanntes, aber häufig verdräng- tes Thema aufgegriffen – die Rindenschäden im Wald. Mit dem letzten Beitrag setzen wir unsere Rubrik „Forschung und Praxis“ fort. Diesmal berichten wir von der Fortbildung „Douglasie – eine leistungsstarke Alternative“, bei der die Erkenntnisse aus den Douglasienversuchen der FVA für die Praxis aufbereitet wurden. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre sowie einen schönen Frühling Ihre FVA-einblick-Redaktion Impressum Herausgeber Redaktion Auflage Der Direktor der Forstlichen Alfons Bieling 1.700 Exemplare Versuchs- und Forschungsanstalt Steffen Haas Baden-Württemberg, Dr. Kaisu Makkonen-Spiecker Prof. Konstantin Frhr. von Teuffel Jürgen Schäffer Die Redaktion behält sich die sinn- Thomas Weidner wahrende Kürzung, das Einsetzen von Adresse Titeln und Hervorhebungen vor. Die Wonnhaldestr. 4 Bildherkunft Beiträge müssen nicht unbedingt die D-79100 Freiburg Georg Jehle: Titel Meinung des Herausgebers wiederge- Telefon: (07 61) 40 18 – 0 Thomas Weidner: Seite 3 bis 6 und 18 ben. Fax: (07 61) 40 18 – 3 33 Alle anderen Abbildungen und Tabellen fva-bw@forst.bwl.de stammen von den jeweiligen Autoren. www.fva-bw.de Freiburg i. Brsg., April 2012
FVA-einblick 1/2012 3 Energiewende erhöht Nachfrage nach Holz als Energieträger von Klaus von Wilpert und Jürgen Schäffer Erneuerbare Energien werden in Unterschiedliche Strategieansätze Energie der kurzen Wege Zukunft einen progressiv wach- zur Ermittlung des aus dem Wald mobi- senden Anteil der Primärenergie- lisierbaren Energieholzpotentials, sowie Die über 100 Teilnehmenden aus produktion einnehmen. Seit dem von Nutzungsgrenzen und/oder des Be- Forstpraxis, Verwaltung, Wirtschaft beschlossenen Ausstieg aus der darfs zur Kompensation eines erhöhten und Forschung erlebten eine inno- Atomenergie und der politisch pro- Nährelemententzugs wurden bei der vative und mitreißende Vortragsver- klamierten Energiewende ist klar Tagung vorgestellt und diskutiert. Eben- anstaltung mit abschließender Podi- und auch politisch gewollt, dass so wurden technische Ansatzpunkte umsdiskussion, in der die derzeit im verstärkt intelligente Strategien zur zur Erhaltung der stofflichen Nachhal- deutschsprachigen Raum realisierte Effizienzsteigerung regenerativer tigkeit behandelt. Die in Deutschland Breite unterschiedlicher Strategien Energieerzeugung entwickelt wer- und der Schweiz derzeit konkretisierten für die Energieholznutzung dargestellt den müssen, um Energieengpässe Länderkonzepte wurden vergleichend und das Für und Wider der einzelnen abzuwenden. Waldholz spielt dabei dargestellt und fachlich detailliert und Ansätze trennscharf herausgearbeitet eine zunehmende Rolle, da es der engagiert diskutiert. Grundsätzlich gilt, wurden. derzeit größte zur Energieerzeu- dass angesichts der vielfältigen Belas- Eingeleitet wurde die Tagung von gung geeignete Holz-Biomasse- tungen der Wälder eine durch Energie- mehreren Beiträgen, in denen der pool ist. Doch wie viel Energieholz holznutzung intensivierte Holzernte nur umweltpolitische Rahmen des Ta- lässt sich in Zukunft effizient und dann vertretbar ist, wenn gleichzeitig die gungsthemas abgesteckt wurde. So nachhaltig nutzen? Soll man ver- Auswirkung auf den Nährstoffkreislauf betonten Ministerialdirektor Wolfgang mehrt auch Baumkronen nutzen überwacht und auf Defizite reagiert wird, Reimer, Ministerium für Ländlichen und Holzasche in den Wald zurück- entweder durch Nutzungsverzicht oder Raum Stuttgart und Ministerialdirek- führen? Um diese Fragen drehte es durch Rückführung der Nährelemente tor Clemens Neumann, Leiter der sich auf der Energieholztagung im im Sinne eines Kreislaufkonzepts. Die Abteilung Biobasierte Wirtschaft und Dezember an der FVA in Freiburg. Belastung der Wälder und ihrer Funktio- Nachhaltige Land- und Forstwirtschaft nen sind neben hohen Ernteintensitäten im Bundesministerium für Ernährung, vor allem durch schnell verlaufende, von Landwirtschaft und Verbraucher- Menschen verursachte Umweltverände- schutz, dass Biomasse als regenerati- rungen wie Säureeintrag und Klimawan- ver Energieträger immer wichtiger wer- del bedingt. den wird und als „Energie der kurzen Abb. 1: Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Tagung „Energieholz und Nach- haltigkeit“ in der FVA Freiburg am 13. 12. 2011
4 FVA-einblick 1/2012 und der Schweiz sind schon so weit konkretisiert und mit quantitativen Da- ten hinterlegt, dass sie als weit ent- wickelte Strategieansätze mit einem Potenzial zum praktischen Ökosys- temmanagement angesehen werden können. Die beiden anderen Ansätze befinden sich eher in einem konzepti- onellen Entwurfstadium. Da jedoch sowohl die naturräumli- chen Gegebenheiten als auch die Da- tenlage zwischen und auch innerhalb der dargestellten Länder erheblich va- riieren, weisen die Konzepte deutlich Abb. 2: MD Wolfgang Reimer (rechts) und MD Clemens Neumann unterschiedliche Schwerpunkte auf. In Baden-Württemberg sind die Wald- Wege“ ideal für dezentrale Konzepte tionen und den Schlüssel für eine ef- standorte durch eine außerordentlich und zugleich die Wertschöpfung im fektive Reduktion von Treibhausgas hohe geologische und landschaftliche ländlichen Raum erhöht sei. Bis 2050 Emissionen in der Effizienzsteigerung Vielfalt gekennzeichnet. Die Stand- sollen in Deutschland 60% der End- der Energienutzung. Das macht die orte in Nordwestdeutschland sind energie aus erneuerbaren Energien Entwicklung intelligenter Energiekon- durch den Anteil an der norddeut- stammen. Schon heute stammen in zepte notwendig, bei denen nicht nur schen Tiefebene von Niedersachsen Deutschland ca. 35% der regenerativ die Energieausbeute optimiert, son- und Sachsen-Anhalt mit ihren ex- erzeugten Energie aus Holzbiomas- dern gleichzeitig Mehrfachnutzung von trem nährstoffarmen altpleistozänen se. Holzenergie ist besonders durch Ressourcen und die Minimierung von Böden völlig anders ausgestattet als ihre Flexibilität und Grundlastfähig- Nebenwirkungen aktiv geplant und ge- in den anderen Ländern. Da sowohl keit interessant, da mit ihr ein Teil staltet werden müssen. in Nordwestdeutschland als auch in der hohen Intensitätsschwankungen Prof. Konstantin von Teuffel, Direk- Baden-Württemberg ein nennenswer- aus Wind- und Sonnenenergie aus- tor der FVA, stellte die Entstehung und ter Anteil der Waldstandorte so stark geglichen werden kann. Beide Minis- inhaltliche Entwicklung des Nachhal- versauert ist, dass schon die konven- teriumsvertreter stellten als prioritäre tigkeitsbegriffs in der Forstwirtschaft tionelle Holzernte in vielen Fällen die Randbedingung für eine verantwortli- dar. Er postulierte, dass quantitative Nährstoffnachhaltigkeit verletzt, wird che Energieholznutzung heraus, dass Aspekte der Nachhaltigkeit, wie dy- in den für diese Regionen entwickel- neuartige Energieholzkonzepte nicht namische Wachstumsmodelle, in das ten Konzepten vorgesehen, dass die dazu führen dürfen, dass mehr Holz forstliche Planungswesen integriert Nährstoffnachhaltigkeit aktiv auf dem genutzt wird als zuwächst, und dass werden müssen, um den Zuwachs Wege der Bodenschutzkalkung und die Nährstoffverfügbarkeit in den der Waldbestände und damit das Nut- gegebenenfalls durch Holzascherecy- Waldböden nicht dauerhaft beein- zungspotenzial in Abhängigkeit von cling gestützt werden soll. Damit kön- trächtigt werden darf. sich verändernden Umweltfaktoren nen die durch Energieholzernte, aber abbilden zu können. auch durch konventionelle Holzern- te ausgelösten, erhöhten Nährele- Intelligente Energiekonzepte mentexporte ausgeglichen werden. entwickeln Holzascherückführung In Baden-Württemberg wurden das – ja oder nein? Energieholzpotential und die Stoff- In seinem Schlüsselvortrag führte bilanz für Erntestrategien aus den Ernst Ulrich von Weizsäcker, der Ko- Der inhaltliche Hauptteil der Tagung Daten der Bundeswaldinventur bzw. Präsident des Internationalen Res- wurde von der Vorstellung unter- des Forstlichen Umweltmonitoring sourcenpanels der Vereinten Nationen schiedlicher Konzepte zur Energie- für das Wuchsgebiet “Südwestdeut- (UNEP), aus, dass der Forstsektor holzernte und gleichzeitiger Wahrung sches Alpenvorland” mit 140.000 ha bezüglich Nachhaltigkeit eine führen- der Nährstoffnachhaltigkeit und Qua- Waldfläche in einem 3-jährigen, von de Rolle einnimmt: „Wirtschaftsleute lität der Waldböden eingenommen. der EnBW geförderten Pilotprojekt können von Forstleuten noch viel ler- Es wurden Konzepte aus Bayern, Ba- abgeleitet. Außerdem wurden in der nen“. Weizsäcker sieht die Hauptver- den-Württemberg, Nordwestdeutsch- Projektarbeit ein Logistikkonzept und antwortung für den CO2 -Anstieg in land und der Schweiz vorgestellt. Die eine standardisierte Dolomit-Holz- der Atmosphäre bei den Industriena- Konzepte aus Baden-Württemberg aschemischung für den Einsatz in der
FVA-einblick 1/2012 5 Bodenschutzkalkung entwickelt. Es in Modellregionen das Potenzial aller konnte gezeigt werden, dass mit hin- erneuerbaren Energieträger zu be- reichenden statistischen Sicherheiten urteilen. So liesse sich die Rolle des für gesamte Regionen eine Abschät- Energieholzes realistisch einschätzen. zung des mobilisierbaren Energie- Kölling empfiehlt, sich bezüglich der holzpotentials auf der Basis von Mo- Düngung und Holzascherückführung nitoringdaten möglich ist und dieses eher zurückzuhalten: „Ich sehe es kri- auf Bestände und Betriebe übertragen tisch, wenn wir organischen Humus werden kann. Ebenso können auf Be- abbauen und durch mineralischen triebs- und Bestandesebene die durch Dünger ersetzen“. Die Schweizer Kol- intensivierte Energieholzernte ausge- legen befürchten, dass sich bei der lösten Nährelementdefizite kleinräu- Rückführung von Holzasche und den mig auf der Basis der Messdaten aus darin enthaltenen Nähr- und Schad- den forstlichen Umweltmessnetzen stoffen Konflikte mit der Philosophie quantifiziert werden. Seine statisti- der multifunktionalen Forstwirtschaft Abb. 3: Prof. Ernst Ulrich Weizsäcker sche Sicherheit und Datenfundierung ergeben könnten. Klaus von Wilpert, qualifizieren dieses Konzept zu einem FVA, plädiert hingegen für eine stand- praxisorientierten Steuerungsinstru- ortsdifferenziert dosierte Bodenschutz- „natürliche Nährstoffnachlieferung ment, auf dessen Basis sowohl Stand- kalkung, bei der Dolomitkalk und Holz- aus der Verwitterung von Gesteins- ortsplanungen für Kraftwerke als auch asche ausgebracht werden, um den mineralien als „Generallinie“ genauso die Nachhaltigkeitssteuerung im Wald Böden exportierte Nährstoffe in öko- unökologisch wie die Maximierung sicher umgesetzt werden können. systemverträglicher Form wieder zu- der Energieholzernte auf „Biegen und In Bayern und der Schweiz herr- rückzugeben und den Stoffkreislauf in Brechen“ auf allen, auch den ärmsten schen Mittelgebirgslandschaften mit Gang zu halten. Auch Karl-Josef Mei- Standorten. Wenn man die erste Opti- einem hohen Anteil kalkalpiner Land- wes, Nordwestdeutsche FVA, meint, on einseitig durchsetzt, wird dies auch schaften und damit geologisch junger, dass es unter Umständen erforderlich auf besseren Standorten erhebliche nährstoffkräftiger Böden vor. Damit, sei, Asche zurückzuführen. Man müs- Einschränkungen auch der konven- und auch aufgrund der andersarti- se aber nichts überstürzen: „Wir haben tionellen Holzernte bedeuten. Diese gen politischen Rahmenbedingun- noch etwas Zeit, offene Fragen abzu- Option würde also eine Reduktion gen, wird in diesen beiden Ländern klären“, sagt er. der Nutzungsmöglichkeiten des nach- eine andere Strategie im Umgang mit wachsenden, CO2-neutral produzier- der Waldenergieholzgewinnung ver- ten Rohstoffs Holz unter die derzeit folgt. Hier wird eher eine natürliche Fazit realisierten Nutzungsintensitäten be- Nutzungsgrenze zur Steuerung der deuten. An eine quantitativ relevante Nährstoffnachhaltigkeit verwendet Die Referenten bekennen sich klar Steigerung der Energieholzernte wäre und weniger die technische Stützung zu einer nachhaltigen Waldnutzung. abgesehen von Kalkstandorten mit des Nährstoffhaushalts durch Holz- Sie sind sich auch darüber einig, dass hoher natürlicher Nährstoffnachliefe- ascherückführung. deutlich mehr Energieholz als bisher rung nicht zu denken. Andererseits im Wald genutzt werden kann. Doch wie gross dieses Potenzial ist und wel- Ist Energieholzernte che Rolle dabei die Vollbaumnutzung nachhaltig möglich? spielt, ist stark von den regionalen naturräumlichen Randbedingungen In der abschließenden Podiumsdis- und auch von normativen, umweltpo- kussion betonte Landesforstpräsident litischen Leitlinien abhängig. Die zent- Max Reger, MLR Baden-Württemberg, rale Frage ist, auf welchen Standorten dass er in den Wäldern Baden-Würt- die zusätzliche Nutzung der Baumkro- tembergs keine Holznutzungen in Kauf nen nicht nur ökonomisch, sondern nehmen werde, die nicht nachhaltig auch ökologisch sinnvoll ist, und auf seien. Christian Kölling, LWF Bayern, welchem Weg das unstrittige Problem sagte, dass die Forstwirtschaft bei ver- erhöhter, mit der Energieholzernte ver- stärkter Energieholznutzung Sicher- bundener Nährelementexporte gelöst heit brauche, damit die Nachhaltigkeit werden soll. Dabei ist sicherlich eine gewährleistet bleibt. Oliver Thees, harte Reduktion der Nährelementex- WSL Birmensdorf, Schweiz, regte an, porte durch Nutzungsverzicht auf die Abb. 4: Prof. Konstantin von Teuffel
6 FVA-einblick 1/2012 Abb. 5: Experten bei der Abschlussdiskussion (von links): Oliver Thees, Joachim Hug (EnBW), Christian Kölling, Max Re- ger, Klaus von Wilpert, Karl-Josef Meiwes. kann der Versuch des Nährelement- trags von Waldholz zur regenerativen recyclings durch Ausbringung eines Energieerzeugung konkret umsetzbar Dolomit-Holzaschegemischs auf sehr wird. armen Böden, deren Speicherkapazi- tät für Pflanzennährelemente haupt- sächlich an die organische Boden- substanz gebunden ist, problematisch sein. Durch die reaktiven Bestandteile der Holzasche können unkontrollier- te Mineralisierungsschübe ausgelöst und dadurch ein Teil der Speicher- fähigkeit für Nährelemente zerstört werden. Diese Problematik ist aber nur auf sehr arme, sandige Extrems- tandorte beschränkt. Auf den meisten lehmigeren Böden sind solche unge- wollten Nebenwirkungen von Dolomit- Holzasche-Mischungen auszuschlie- ßen. Die im Pilotprojekt für die Region Oberschwaben erarbeitete Intensität des durch eine Maximierung der Ener- gieholzernte ausgelösten Kompensati- onsbedarfs mit einem Wiederholungs- turnus von durchschnittlich 64 Jahren für 4 t/ha Dolomit-Holzaschegemisch ist sehr niedrig. Außerdem können der Erfolg des Nährelementrecyclings und auch das Auftreten ungewollter Ne- benwirkungen bei jeder Neuaufnahme der Bodenzustandserfassung (BZE) geprüft werden. Die dritte BZE-Auf- nahme ist für 2021 geplant. Damit und auch angesichts seiner konsequenten Datenfundierung ist der Vorschlag aus Baden-Württem- PD Dr. Klaus von Wilpert berg als verantwortlicher und praxis- FVA, Abt. Boden und Umwelt orientierter Strategieansatz zu sehen, Tel.: (07 61) 40 18 - 1 73 mit dem eine Optimierung des Bei- klaus.wilpert@forst.bwl.de
FVA-einblick 1/2012 7 Baum des Jahres 2012: die Europäische Lärche von Manuel Karopka und Katharina Töpfner Baum des Jahres 2012 ist die Eu- Lärchen können bis zu 35 m hoch Verbreitung ropäische Lärche (Larix decidua werden und entwickeln eine unregel- Mill.). Sie gehört zur Familie der mäßig pyramidale bis schlank-kegel- Der autochthone Verbreitungsraum Kieferngewächse (Pinaceaen) förmige Krone. Im Freistand bleiben sie der Lärche gliedert sich in vier Teilareale, und ist die einzige bei uns heimi- etwas kleiner. Sie sind in der Jugend- in denen voneinander isolierte Vorkom- sche Konifere Mitteleuropas, die phase bis zum Alter von ca. 25 Jahren men mit eigenen Rassen vorzufinden ihre Nadeln im Winter abwirft. raschwüchsig; in zunehmendem Alter sind, deren morphologische Trennung Charakteristisch ist vor allem wachsen sie deutlich langsamer. Ihr jedoch noch nicht gelungen ist: ihre schöne goldene Herbstfär- herzförmiges Wurzelsystem reicht bis •• Im gesamten Alpenraum ist die Lär- bung. Auch im Frühling setzt sie in 2 m Tiefe. che weit verbreitet. Dort kommt sie im Vergleich zu anderen Nadel- Unter optimalen Bedingungen und als Hochgebirgsbaum in den westli- gehölzen deutliche Farbakzente: ohne wirtschaftliche Nutzung kann chen Alpen oder in den flachen La- Die weiblichen Zapfen leuchten eine Lärche bis zu 500 Jahren alt und gen im östlichen Alpenraum vor. Hier purpurfarben, bis sie zum Herbst 50 m hoch werden; dabei kann sie ei- tritt sie oft in Mischung mit der Ge- hin vergrünen und rosafarbene nen Stammumfang von etwa einem meinen Fichte (Picea abies Karst.) Schuppenränder ausbilden. Meter erreichen. Sie hat somit ver- oder im Reinbestand auf. gleichbare Wuchseigenschaften wie •• In der Tatra, einem Gebirgskomplex die Kiefer. in den slowakischen und polnischen Abb. 1: Herbsverfärbung der Lärche
8 FVA-einblick 1/2012 Standorte Lärchenerntebestände Die Lärche stockt auf Kalk- sowie auf Der Bedarf an Lärchen-Saatgut für saurem Silikatgestein und bevorzugt die Forstwirtschaft in Baden-Württem- frische, tiefgründige Böden mit hoher berg wird über Erntebestände und Sa- wasserhaltender Kraft. Staunasse Bö- menplantagen gedeckt. den meidet sie, aber auch flachgründi- Derzeit gibt es 124 zugelassene ge Hanglagen gehören nicht zu ihren Erntebestände der europäischen Lär- bevorzugten Standorten; ebenso mei- che. Die FVA hat in den 60er und 70er det sie nährstoffarme Sande. Jahren drei Samenplantagen in Baden- Die Lärche hat eine mit der Kiefer Württemberg angelegt, die heute durch vergleichbare weite Standortsamplitu- die Staatsklenge in Nagold bewirt- de. Diese Flexibilität lässt eine zuneh- schaftet werden: mende Bedeutung unter dem prognos- •• Plantage Liliental, Herkünfte aus der tizierten Klimawandel erwarten. Region Odenwald-Bauland Sie ist anfällig gegen Lärchenkrebs, •• Plantage Großbottwar, Herkünfte aus gegen den die Eurolepis-Hybridlärchen den Regionen Bodensee, Hochrhein, jedoch resistent sind. Schwarzwaldvorberge •• Plantage Denkendorf, „Sudetenlär- che“ Holzverwendung Die „Sudetenlärche“ stammt aus der Sudetenregion und konnte ihre guten Lärchenholz ist höchst widerstandsfä- Schaftformen in Nachkommenschafts- hig und sehr harzhaltig. Eine Imprägnie- prüfungen unter Beweis stellen. Das rung ist nicht erforderlich, selbst für die Saatgut dieser Plantage fällt unter die Verwendung im Außenbereich. Das Holz Kategorie „geprüftes Vermehrungsgut“. hat eine rötliche Farbe, trocknet schnell Lärchen fruktifizieren nicht regelmä- Abb. 2: Zapfen im Frühjahr und schwindet nur geringfügig. Aufgrund ßig, sondern alternieren stark. Eine der hohen Beständigkeit ist Lärchenholz regelmäßige Ernte ist daher nicht mög- ein hervorragendes Bauholz für den lich. In dem Zeitraum von 1999 bis Kaparten, finden sich große Lärchen- Außenbereich. Häufige Verwendung 2010 wurden ca. 12,7 t Zapfen geern- bestände, vor allem in den Höhenla- findet es im Fenster-, Türen- oder auch tet. Das entspricht einer Menge von gut gen der Hohen Tatra bis 1300 m. im Treppenbau sowie im Alpenraum im 762 kg an reinen Samen. Davon stam- •• Auf der Ostseite der Sudeten, einem Hausbau. Die Holzeigenschaften sind men mindestens 40% aus den drei Sa- Gebirgszug an den Grenzen von Po- mit denen von Douglasienholz vergleich- menplantagen Baden-Württembergs. len, Tschechien und Deutschland, bar. Die Lärchenpreise liegen derzeit bei 1 Kilogramm Lärchensamen enthält sowie in den Beskiden in Polen, be- 100 bis 230 € in Güteklasse A, 80 € in rund 170.000 Samenkörner. Die oben finden sich die zwei weiteren, kleine- Güteklasse B und 60 € in Güteklasse C. genannte Erntemenge würde bei der ren Teilareale. Die Lärche war in der Nacheiszeit Tab. 1: Die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale der europäischen und der weit verbreitet, wurde aber aufgrund japanischen Lärche sowie der Hybidlärche. ihrer geringen Wettbewerbsfähigkeit, die beispielsweise auf den hohen Licht- Larix decidua Mill. Larix kaempferi Larix x eurolepis anspruch zurückzuführen ist, auf ihren (Lamb.) Carr. Henry ursprünglichen Standorten zurückge- Zweige/ Grau-gelb Rotbraun Gelb-rot drängt. Dass wir die Lärche unabhängig Triebe der autochthonen Verbreitungsareale Grau, rötlich-grau, Dunkelrot-braun Dunkelbraun- jedoch in ganz Deutschland antreffen Rinde bis rotbraun, Rissig-schuppig schuppig können, ist waldbaulich begründet. Wir feinrissig-schuppig finden die Lärche heute in Aufforstungen 30–40 Nadeln am Ca. 40 Nadeln am Nadeln von der Küste über die Ebenen und Mit- Kurztrieb Kurztrieb telgebirge bis hoch auf 2000 m Höhe, oft Zapfenschuppen Zapfenschuppen gemischt mit der Rotbuche (Fagus syl- Zapfen aufrecht, anliegend, abstehend, am Zwischenformen vatica L.). Der waldbauliche Anteil der manchmal am Rand umgebogen, Rand wellig rosenartig Art liegt bundesweit jedoch unter 2 %.
FVA-einblick 1/2012 9 für Lärchensamen durchschnittlichen die am stärksten frequentierten Lär- Keimfähigkeitsrate von 50% zur An- chen-Erntebestände beider Arten mit zucht von ca. 64 bis 65 Mio. Pflanzen DNA-Analysen auf ihre Artzugehörig- reichen. keit zu überprüfen. Diese Untersuchun- gen wurden 2009 im DNA-Labor der Abt. Waldökologie durchgeführt. Artansprache und Dabei wurden 9 Europäer-Lärchen- Verwechselung erntebestände und 7 Japaner-Lärchen- erntebestände untersucht. Von den 9 Die europäische Lärche ist leicht mit Europäer-Lärchenbeständen hatten der japanischen Lärche (Larix kaemp- nur 5 ein „artreines“ Analyseergebnis. feri [Lamb.] Carr.) zu verwechseln. Von den 7 Japaner-Lärchenbeständen Beide Arten sind gut miteinender kreuz- konnten nur 2 als artreine Bestände bar, was die Artansprache zusätzlich angesprochen werden. Die übrigen Be- erschwert. Denn die Nachkommen stände wiesen alle einen hohen Anteil artunterschiedlicher Eltern bilden keine an Hybriden oder Lärchen der jewei- eigenen Merkmale aus, sondern Misch- ligen anderen Art auf. Die Zulassung formen, verbunden mit einem großem entzog man diesen Beständen eben- Spreitungspotenzial in Richtung der falls. arttypischen Eigenschaften der Eltern. Aufgrund des hohen Aufwands stellt Die Hybridform ist Larix x eurolepis. sich die Frage, welcher Nutzen durch Alle drei Lärchenarten werden wald- die konsequente Getrennthaltung der baulich in Baden-Württemberg verwen- Arten erfüllt wird. In den bestehenden det. Erntebeständen erkennt man bei Be- 2008 wollte man einen bislang noch trachtung der Phänotypen zunächst nie genutzten aber zugelassenen Ern- keine Nachteile. Beide Arten, europä- tebestand der europäischen Lärche ische und japanische Lärche, werden in Oberschwaben beernten. Bei der waldbaulich unter Berücksichtigung Abb. 2: Zapfen im Herbst Vorbereitung der Ernte und phänoty- ihrer jeweiligen Standortansprüche ver- pischen Ansprache der Bäume durch wendet. den Revierleiter und den zuständigen Dabei spricht man Larix kaempferi in Wehingen, Backnang, Mosbach, Kontrollbeamten kam der Verdacht auf, etwas bessere Schaftformen zu, aller- Schöntal, Ochsenhausen, Heidelberg/ dass der Bestand nicht ausschließlich dings bei höherem Feuchtigkeitsbe- ev. Pflege Schönau) getestet hat. aus europäischen Lärchen besteht. darf. Da Larix kaempferi nur aus einem Eine anschließende Analyse von Stich- relativ kleinen Verbreitungsraum in Ja- proben bestätigte den Verdacht. Die pan stammt, hat die Art eine geringe Bäume konnten sogar größtenteils der genetische Variationsbreite, was sie japanischen Art Larix kaempferi zuge- auch entsprechend nur auf passenden ordnet werden. Standorten anbauwürdig macht. Gemäß den Richtlinien des Forstver- Probleme können in art-durchmisch- mehrungsgutgesetz (FoVG) garantiert ten Erntebeständen allerdings später in und haftet eine Revierleiterin/ein Re- der F1-Generation, also den Nachkom- vierleiter mit ihrer/seiner Unterschrift menschaften des geernteten Saatgu- des Stammzertifikates nach der Ernte tes, auftreten. Mit beiden Arten durch- für die ordnungsgemäße Durchführung setzte Erntebestände als Eltern lassen und Artreinheit der Ernte. Abweichun- Larix x eurolepis-Formen als Nachkom- gen können als Straftatbestand gewer- men vermuten, die zwar starkwüchsig tet werden. Dem besagten Erntebe- sind, jedoch häufig unbefriedigende stand entzog man daraufhin folgerichtig Schaftformen aufweisen. Eine Eigen- die Zulassung, um die Unterzeichner schaft, die bei eurolepis-Hybriden häu- der Stammzertifikate nicht einer un- figer auftritt. leistbaren Verantwortung auszusetzen. Von Larix x eurolepis werden daher Manuel Karopka Diesen Fall nahm man zum Anlass, nur wenige gelenkte Kreuzungsformen FVA, Abt. Waldökologie um im gesamten Verwaltungsbereich für den Waldbau empfohlen, die man Tel.: (07 61) 40 18 - 1 81 des Regierungspräsidiums Tübingen zuvor in Anbauversuchen (mit Flächen manuel.karopka@forst.bwl.de
10 FVA-einblick 1/2012 Insekt des Jahres 2012: der Hirschkäfer von Andreas Schabel Jeder kennt ihn, den großen Aber was wissen wir über ihn? Er gesunden Wurzeln, sondern ernährt kastanienfarbenen Hirschkäfer. gehört zur Familie der „Schröter“ (Lu- sich von und in morschem verpilztem Nicht nur als der größte seiner canidae), die mit vier Arten bei uns und feuchtem Holzsubstrat. Der Nähr- Art, auch durch sein imposantes vorkommt. Es sind allesamt xylobion- wert des Holzes erschließt sich dabei „Geweih“ – den bizarr vergrö- te, d.h. an Holz gebundene Arten. Im wohl vor allem durch die Pilzhyphen ßerten Oberkiefer – ist er unver- Allgemeinen wird der Hirschkäfer mit und die Wiederverwertung der Kotbal- wechselbar. Findet man an einem altem Eichwald assoziiert. Aber heißt len (Koprophagie). lauen Juniabend einen solchen das auch, dass der Käfer wie z.B. Da der Käfer bzw. die Larve ein ho- Käfer, bleibt er ob seiner archa- zahlreiche Bockkäferarten in alten Ei- hes Wärmebedürfnis hat, bevorzugt isch anmutenden Erscheinung chen bzw. im toten Holz alter oder ab- er lichte bis offene, wärmebegünstigte oft noch lange in Erinnerung. sterbender Bäume vorkommt? Ja und Wälder. Das bringt in unseren Brei- nein, lautet die sybillinische Antwort! ten eine gewisse Affinität an sonnige Tatsächlich entwickelt sich die Larve Kleinstandorte und den Eichenwald mit – ähnlich der des Maikäfers oder des sich. Der Hirschkäfer ist dadurch an die Nashornkäfers – viele Jahre tief im Bo- Verjüngung der Eiche im Schirm- bzw. den. Das erklärt auch seine engerling- Kahlschlag gut angepasst, weshalb er artige Larvenform. Im Gegensatz zum als große, xylobionte Art auch in bewirt- Maikäfer frisst die Larve aber nicht an schafteten Wäldern sein Auskommen findet. Tatsächlich zeigen aber Unter- suchungen, dass der Hirschkäfer zu den polyphagen Insekten gehört und per se die Eiche als Brutstätte nicht bevorzugt. Über 20 Holzarten sind bis- lang als Bruthabitat gelistet, darunter auch Nadelbäume und auffällig viele Offenland-Baumarten wie Kirsche, Bir- ke, Weide, Pflaume und Apfel. Neu ist – und das ist ein Ergebnis der letztjäh- rigen Hirschkäferkartierung der FVA im Zuge der NATURA-Managementplan- Erstellung, dass der Hirschkäfer auch Stubben von (amerikanischen) Rotei- chen als Brutstätte nutzt: Im Freiburger Mooswald wurden überraschenderwei- se die meisten Hirschkäfer in einem rund 50-jährigen Roteichenbestand ge- funden. Also in einem Wald, der weder alt, noch licht ist. Folgeuntersuchun- gen haben die anfänglichen Zweifel, dass es sich hierbei tatsächlich um ein an Roteiche gebundenes Hirschkäfer- vorkommen handelt, rasch beseitigt. Der Hirschkäfer demonstriert damit eine hohe Anpassungsfähigkeit. Der Käfer nutzt in einer klimatisch begüns- tigten Umgebung (Oberrheinebene) die durch regelmäßige Durchforstungs- Abb. 1: Zangen des Hirschkäfres eingriffe kontinuierlich bereit gestellten
FVA-einblick 1/2012 11 zahlreichen Stubben als Brutsubstrat. Diese weisen bereits in jungem Alter ausreichende Dimensionen von ca. Mehr über den Wald wissen 40 cm Durchmesser auf. Nachdem die Roteiche einen recht breiten, sich rasch zersetzenden Splintholzbereich hat, können die Stubben bereits besie- delt werden, bevor die Zersetzung des Kernholzes beginnt. Da sich das ver- mulmte Holz zunächst auf den Splint beschränkt, könnte dies der Grund sein, warum die zahlreich gefundenen Käfer bzw. Käferteile insgesamt etwas kleinwüchsiger sind. Mit der Wahl des Hirschkäfers zum Insekt des Jahres 2012 wird die Auf- merksamkeit auf eines unserer be- merkenswertesten Insekten gelenkt. Wie kaum eine andere Art steht der Hirschkäfer für das verklärte, romanti- sierte Bild des „deutschen Waldes“ und illustriert die Bedeutung des Waldes für den Artenschutz. Es ist daher ein lohnendes Unterfangen, sich die Erhal- tung des Hirschkäfers auf seine Fah- nen zu schreiben. Mit Hilfe seiner An- passungsfähigkeit und vielleicht auch durch den Klimawandel begünstigt, sollte es gelingen, dass auch künftige Generationen beim Anblick des Hirsch- käfers ins Staunen geraten. Wie? Mit waldwissen.net! Denn dort finden Sie: p fundiertes und aktuelles Waldwissen aus drei Ländern p über 2500 Artikel für Forstpraktiker und Waldinteressierte p Ihr persönliches Forstlexikon unter »Mein Waldwissen« p Kontakte zu Experten aus der Waldforschung Neugierig? Dann schauen Sie doch einfach rein – wir freuen uns auf Ihren Besuch! Andreas Schabel FVA, Abt. Waldökologie p www.waldwissen.net Tel.: (07 61) 40 18 – 1 68 andreas.schabel@forst.bwl.de fva-bw_anzeige_105x210mm_rz.indd 1 04.10.20
12 FVA-einblick 1/2012 Bannwald „Wilder See-Hornisgrinde“ – eine durch Buchdruckerbefall getriebene Walddynamik von Katarzyna Zielewska und Eberhard Aldinger Der Bannwald „Wilder See-Hor- Die terrestrische Waldstrukturauf- Zeitreihe von sechs ausgewählten CIR- nisgrinde“ zählt zu den fich- nahme (WSA) und die Luftbildauswer- Luftbildern der Periode 1991 bis 2009 tenreichen Bannwäldern der tung, deren Ergebnisse hier präsentiert rekonstruiert werden (Abb. 1). montanen und hochmontanen werden, erfolgen im Forschungspro- Dargestellt sind in grün die bruttaugli- Höhenstufe des Buntsandstein- gramm von ForstBW. Im Zuge der chen fichtenreichen Bestände ab einer schwarzwaldes. Wie in vielen Ausweisung der Bannwälder wird die Bestandeshöhe von > 20 m. Rot dar- anderen fichtenreichen Wäl- Waldstruktur in einem 0,1 ha großen gestellt sind die befallenen Bestandes- dern kam es auch hier nach den Probekreis (Verkleinerung auf 0,05 ha flächen; nicht befallsfähige, junge Be- Stürmen des Jahres 1990 zur bei sehr großer Stammzahl) in einem stände und fichtenarme bzw. Bestände Massenvermehrung des Buch- Stichprobenraster erhoben (Kärcher et ohne Fichte sind weiß belassen. druckers, obwohl die damalige al. 1997) und nach Möglichkeit Colorin- Die Aufnahmen 1995 und 1996 zei- Bannwaldfläche nur in sehr ge- frarot-Luftbilder (CIR) im Maßstab von gen, dass zuerst die Althölzer entlang ringem Umfang vom Sturmwurf 1:5.000 angefertigt (Ahrens 2001, der Karwand und die Hänge entlang betroffen war (60 umgestürzte Ahrens et al. 2004). Die Aufnahmen des Seebachs befallen wurden. Von Bäume beim Seelochbach). Der werden erstmals möglichst bei der dort aus breitete sich der Buchdrucker Absterbeprozess der Fichten- Ausweisung der Bannwälder angefer- weiter in den Bannwald aus, wie die wälder, der seit mehr als 20 Jah- tigt, danach folgen weitere Aufnahmen Aufnahmen aus den Jahren 1998, 2003 ren vom Borkenkäfer im Bann- nach Bedarf. und 2009 zeigen. wald verursacht wird und sich Das punktuelle Stichprobenraster der Im Jahr 1991 gab es 92 ha potenti- ständig fortsetzt, hat bis heute WSA erfasst verschiedene waldwachs- elle Brutbestände, nur 0,5% davon wa- insgesamt 38% der Bannwald- tumskundliche Parameter wie Baumart, ren damals vom Buchdrucker befallen. fläche betroffen. Wie schnell hat Brusthöhendurchmesser, Höhe und na- In den Folgeaufnahmen stieg der An- sich der Buchdrucker ausgebrei- turschutzfachlich interessante Merkma- teil an Störungsflächen auf 8% (1995), tet? Wie viel Fläche ist befallen le an lebenden und toten Bäumen so- 18% (1996), 42% (1998), 49% (2003) und wie hoch ist heute der Tot- wie die Verjüngung. Aufnahmen liegen und 61% (2009). In weniger als 20 Jah- holzvorrat? für die Jahre 1995 und 2010 vor. ren wurde mehr als die Hälfte der Brut- Mit der Luftbildauswertung werden bestände vom Buchdrucker zum Ab- flächenhafte Waldstrukturen erfasst. sterben gebracht. Es handelte sich hier Durch den Einsatz großmaßstäblicher vor allem um den Befall von stehenden und großformatiger CIR-Luftbilder eig- Bäumen, die heutzutage als stehendes net sich das Verfahren besonders gut Totholz das Bild des Bannwaldes stark für die Dokumentation von Störungs- prägen (Abb. 2 und 3). Damit sinkt das prozessen im Wald und für die Beob- durchschnittliche Alter der Bäume im achtung der horizontalen Ausprägung Bannwald – der Wald wird jünger, wert- von Waldstrukturen und deren Verän- volles Altholz wird seltener. derungen. Es liegen zahlreiche Luftbil- Derzeit gibt es noch rund 40 ha po- der seit 1951 bis 2009 vor. tenziell brutfähige Bestände – die Stö- rung kann demnach weiter laufen. Die WSA weist bei der ersten Auf- Ausbreitung nahme 1995 noch einen Vorrat von des Buchdruckerbefalls 269 Vfm/ha an lebenden Bäumen auf. Zu rund 80% sind es Fichten, weniger Der zeitliche und räumliche Verlauf als 9% Tannen. Fünfzehn Jahre später der Borkenkäferstörung, der in den ist der Vorrat an lebenden Fichten stark letzten 20 Jahren sehr dynamisch um 111 Vfm/ha gesunken, sein Anteil fortgeschritten ist, kann anhand einer am Gesamtvorrat liegt nun bei nur noch
FVA-einblick 1/2012 13 70%. Dafür ist der Tannenanteil auf 28% angestiegen. Die Buche kommt im Bannwald nur in geringen Anteilen vor. Sie wird im Stichprobenraster nur auf 4 Punkten erfasst und zeigt keine Reakti- on auf die Störung. Der Totholzvorrat war im Bannwald bereits im Jahr 1995 mit insgesamt 156 Vfm/ha bemerkenswert hoch. Hochge- rechnet bedeutet dies, dass im Bann- wald rund 12.500 fm Totholz lagen. Da- bei überwog das stehende Totholz mit nahezu der vierfachen Menge des lie- genden Holzes. Bei der Zweitaufnahme stieg die Totholzmenge auf 268 Vfm/ha, d.h. dass die gesamte Totholzmenge im Bannwald auf rund 21.000 fm ge- stiegen ist. Nun überwiegt der Anteil des liegenden Totholzes deutlich. Die Durchmesser des Totholzes be- ginnen ab 14 cm. Bei der Aufnahme im Jahr 2010 waren vor allem Fichten mit den Durchmessern von 20-30 cm zu finden. Auch der Zersetzungsgrad hat sich zwischen 1995 und 2010 ver- ändert: Die stärker zersetzten Anteile haben deutlich zugenommen. Abb. 1: Gesamtbefall der Fläche durch den Borkenkäfer Wandel der Waldstrukturen Auf der Grundlage der Luftbild-Jahr- Baumbewuchs (< 30% Überschirmung) und Sukzessionsflächen sind von 19 gänge 1996 und 2009 können im Bann- oder Verjüngung (< 50% Deckung) auf 16% (23,4 ha) bzw. von 8 auf 6% wald „Wilder See-Hornisgrinde“ die zeigen, sowie Sukzessionsflächen mit (9,6 ha) zurück gegangen. Waldstrukturen ausgewertet werden. walduntypischer Flächenstruktur z.B. Im Vergleich zu 1996 wurden 2009 Unterschieden werden Störungsflä- Moore oder Latschen. die Einzelflächen kleiner und sind chen, auf denen die Folgen des Buch- Im Untersuchungszeitraum haben gleichmäßiger über den ganzen Bann- druckerbefalls deutlich zu sehen sind; die Störungsflächen von 11 auf 17% wald verteilt (Abb. 4). Die natürlichen Freiflächen, die vorübergehend kein (25,5 ha) zugenommen, die Freiflächen Altersstufen der Bestände bilden ein Abb. 2: Abgestorbene Fichten auf den Störungsflächen in der Karwand oberhalb des Wilden Sees
14 FVA-einblick 1/2012 chen des Bannwaldes. Sie gehen auf die flächige Räumung nach Sturm und Borkenkäferbefall zwischen 1990 und 1994 zurück. Auf den Störungs- und Freiflächen ist 2009 reichlich Verjüngung vorhan- den. Auch die jüngeren Bestände, Jungwuchs, Dickung und Stangenholz, nahmen im Vergleich zu Aufnahme 1996 deutlich zu. Sie sind von Nadel- holz bzw. Fichte dominiert und werden in der Zukunft potentielle Brutbestände des Buchdruckers. Da es mittels der Luftbilder nicht möglich ist, die Baumart Abb. 3: Abgestorbene Fichten in der Karwand oberhalb des Wilden Sees der Verjüngung und des Jungwuchses sicher zu bestimmen, kann die Frage kleinflächigeres Mosaik mit einer stär- der Altbestände durch Buchdruckerbe- zur Veränderungen in der Baumarten- ker ausgeprägten vertikalen Struktur. fall aus Naturverjüngung entstanden. zusammensetzung in diesen Altersstu- Der Anteil an strukturreichen Bestän- Diese Flächen verteilen sich nahezu fen nicht beantwortet werden. den ist in den letzten 13 Jahren von gleichmäßig über den Bannwald (au- Die Auswertung der WSA-Aufnahme 21% (1996) auf 43% (2009) gestiegen. ßer an westlichen Steilhängen) und re- zeigt, dass die Naturverjüngung vor al- Die jüngeren Altersphasen nehmen präsentieren die Flächen, die sich nach lem auf den Störungsflächen stark ein- zu: Jungwuchs und Dickung von 8% der Buchdruckergradation schon ver- gesetzt hat (Abb. 5). auf 37%, Stangenhölzer von 7% auf jüngt haben. Stangenhölzer befinden In beiden Höhenklassen hat die Fich- 15%. Sie sind nach dem Absterben sich vor allem auf den Erweiterungsflä- tenverjüngung sehr stammzahlreich eingesetzt, neu hinzu gekommen ist die Vogelbeere. Die frühe und kräftige Auf- lichtung nach dem Buchdruckerbefall scheint der Naturverjüngung von Fich- te mehr Vorteile zu verschaffen als der Tanne. Die Anzahl der Fichte liegt beim Zehnfachen der Tanne. Die meist ein- zelnen oder in kleinen Gruppen wach- senden Tannen lassen nicht vermuten, dass ihr Anteil zunehmen wird. Aller- dings profitiert die Tanne zum Zeitpunkt des Buchdruckerbefalls, so dass ihr An- teil in höherem Alter zunehmen kann. Trotz des massiven Absterbens von Fichtenbeständen bestehen im Bannwald „Wilder See-Hornisgrinde“ weiterhin günstige Bedingungen zur Fortsetzung der Ausbreitung des Buch- druckers. Die Baumart Fichte dominiert die Bestände weiterhin mit geringen Beimischungen von Tanne, Kiefer und Buche. Die 2009 kartierten ca. 40 ha potentieller Buchdrucker-Brutbestände und die nachwachsenden Stangen- holz-Fichtenreinbestände (mit frisch abgestorbenen Bäumen!) lassen auf eine weitere Borkenkäferausbreitung schließen. Geschwindigkeit und Aus- maß dieses Prozesses bleiben von vie- Abb. 4: Bestandesstrukturen im Bannwald Wilder See-Hornisgrinde 1996 und 2009 len Faktoren abhängig, z.B. Witterung,
FVA-einblick 1/2012 15 Klimawandel, Flächenmosaik, Verän- derungen in der Baumartenzusammen- setzung sowie Gesundheitszustand der Bäume, und sind deshalb schwer vor- herzusagen. Auch wenn nach Auslau- fen der jetzigen Buchdruckergradation eine Phase der Konsolidierung eintre- ten sollte, ist doch damit zu rechnen, dass die dann wieder in stärkere Di- mensionen wachsenden Fichten nach Sturm und oder längeren Trockenheits- und Wärmephasen wiederum gute Vor- raussetzungen für eine neue Gradation bieten. Abb. 5: Jungwuchs (N/ha) auf „gestörten“ Flächen nach Baumarten 1995 und 2010 Bei der aktuellen Dynamik der Wald- entwicklung ist der Bannwald Wilder See-Hornisgrinde durch den hohen an- thropogenen Fichtenanteil und die ge- ringe Beimischung an standortsheimi- schen Baumarten noch weit von einem natürlichen Waldzustand entfernt. Nach heutiger Erkenntnis wird es noch viele Jahrzehnte dauern, bis sich nennens- werte Anteile der Schlusswaldbaumar- ten gegen die starke Konkurrenz der Fichte durchgesetzt haben. Dr. Eberhard Aldinger FVA, Abt. Waldökologie Tel.: (07 61) 40 18 - 1 83 eberhard.aldinger@forst.bwl.de Abb. 6: Verjüngung und Jungwuchs in der Karwand Literatur Ahrens, W. (2001): Analyse der Wald- turen im Luftbild. Arbeitsanleitung für Kärcher, R.; Weber, J.; Baritz, R.; Förster, entwicklung in Naturwaldreservaten Waldschutzgebiete in Baden-Würt- M.; Song, X. (1997): Aufnahme von Wald- auf Basis digitaler Orthobilder. Dis- temberg. Schriftenreihe Waldschutz- strukturen: Arbeitsanleitung für Wald- sertation. Universität Freiburg, 143 S. gebiete Baden-Württemberg, Band schutzgebiete in Baden-Württemberg. Ahrens, W., Brockamp, U., Pisoke, T. 5. 54 S. Mitt. FVA Baden-Württemberg 199, 57 S. (2004): Zur Erfassung der Waldstruk-
16 FVA-einblick 1/2012 Rindenschäden durch Holzernte: altbekannt, gern verdrängt von Ulrich Kohnle, Udo Hans Sauter, Aikaterini Nakou, Michael Nill Spätestens die umfangreiche Dieser Frage ging die FVA auf Initi- Ergebnisse der BI bezüglich Arbeit von Winfried Meng (1978) ative von Stefan Gauckler, dem lang- Rindenschäden machte in Baden-Württemberg jährigen Leiter der Abteilung Forstein- nachdrücklich klar, welche Be- richtung Tübingen-Süd, im Auftrag des Erschreckend sind vor allem die Be- deutung Rindenschäden zu- MLR in einem Projekt und der damit funde zum Umfang der Rindenschä- kommt, die Forstbetriebe bei verbundenen Dissertation von Michael den: Ausweislich der BI tragen etwa der Holzernte verursachen. Der Nill (2011) eingehend nach. Um nicht 20% der Bäume mit BHD>7cm in Ba- Umgang mit dem Problem und eine weitere, in der Aussagekraft be- den-Württemberg einen durch Holzern- Anstrengungen zur Begrenzung grenzte Fallstudie zu produzieren, wur- te verursachten Rindenschaden. Zwar stehen seither kontinuierlich im de die Untersuchung von vorne herein entnahmen die Betriebe bei Durchfors- Fokus lebhafter Diskussionen auf eine breite Basis gestellt. Diese tungen bevorzugt bereits beschädigte und betrieblicher Richtlinien. Bei setzte sich aus zwei unterschiedlichen Bäume. Der Anteil neu beschädigter einem so hohen Grad an Auf- Datensätzen zusammen: Bäume war jedoch so hoch, dass in- merksamkeit sollte man eigent- Zum einen aus geeigneten Daten nerhalb der Periode zwischen der lich erwarten können, dass sich der Betriebsinventur (BI). Zur Aus- Erst- und der Folgeinventur das Rin- die Problemlage zwischenzeit- wertung herangezogen wurden Stich- denschadprozent zwischenzeitlich um lich entspannt hat. Ist das aber probenpunkte, an denen a) nach der im Mittel 4% angestiegen ist. Gleichzei- tatsächlich auch der Fall? Erstaufnahme zwischenzeitlich auch tig war eine tendenzielle Verschiebung eine Wiederholungsaufnahme vor- von bodennahen Rindenschäden hin liegt, und bei denen b) das Merkmal zu höher am Stamm liegenden Schä- „Rindenschäden durch Holzernte“ den zu konstatieren. konsistent erfasst worden war. Die ausgewertete Datenbasis umfasst etwa die beiden zurückliegenden Baumartenspezifische Jahrzehnte. Einbezogen sind Inven- Anfälligkeit turen aus 43 Betrieben (öffentlicher Wald) mit über 50.000 Stichproben- Die BI zeigt auch, dass es beim Risi- punkten und Aufnahmedaten zu etwa ko beschädigt zu werden, Unterschiede einer halben Million Bäume. Zum an- zwischen Baumarten gibt. Besonders deren wurde eine Untersuchung von empfindlich zeigen sich Fichte und Praxishieben auf breiter Basis kon- Buche. Beim Vergleich Fichte / Tanne zipiert; realisiert in Zusammenarbeit bestätigen die BI-Befunde die bereits zwischen FVA und Forstlichen Stütz- früher festgestellte vergleichsweise punkten. Erfasst wurden dabei rund größere Robustheit der Tannenrinde 180 Hiebe, bei denen auf etwa 2.300 gegenüber Beschädigungen (Kohnle & Stichprobenpunkten rund 25.000 Kändler 2007). Bäume aufgenommen wurden. Aus der Untersuchung der Praxis- Diese außerordentlich breite Daten- Hiebe ergeben sich ergänzende Hin- basis ist geeignet, der Studie den an- weise zum Einfluss hiebsspezifischer gestrebten repräsentativen Charakter Faktoren auf die Entstehung neuer zu verschaffen. Zwei wissenschaftliche Rindenschäden. Hingewiesen sei in Publikationen mit Details zu Datenba- diesem Zusammenhang, dass sich sis, Methoden und Ergebnissen liegen die Untersuchungen bisher lediglich bereits vor (Nill 2011; Nill et al. 2011); auf das Auftreten von Rindenschä- eine dritte ist in Vorbereitung Nakou et den >10cm² Größe beschränken. al. (2012). Der Einfluss auf die Größe der Rin-
FVA-einblick 1/2012 17 denablösungen und die Schwere der Verletzungen wurde (noch) nicht analysiert. Erklärende Variablen im Prognosemodell Insgesamt zeigte sich, dass eine Vielzahl von Faktoren Einfluss auf die Entstehungswahrscheinlichkeit eines Rindenschadens haben. Folgende Faktoren erwiesen sich als signifikant und hatten einen so starken Einfluss Abb. 1: Gegenüberstellung der gemessenen (realen) Schadprozente mit den mo- auf die Auftretenswahrscheinlichkeit dellierten (geschätzten) Schadanteilen. Die Achsen enthalten eine prozentuale eines Rindenschadens, dass sie sich Teilung von 0 – 80%; je näher die Werte um die Winkelhalbierenden gruppiert für das entwickelte Prognosemodell sind, umso zutreffender sagt das entwickelte Modell die Schäden voraus. als unverzichtbar erwiesen: mittle- Die linke Grafik zeigt die ausschließlich auf der Basis „hart“ gemessener re Vorrückeentfernung, Abstand ei- hiebsspezifischer Einzeleffekte (Baumart, Vorlieferentfernung, Ernteverfahren, Eingriffstärke etc.) geschätzen Erwartungswerte; die rechte Grafik enthält darü- nes Baumes zur Erschließungslinie, berhinaus die Wirkung zusätzlicher Faktoren, deren Effekte eindeutig betriebli- Eingriffstärke, Baumart, Baum- bzw. chen Ebenen zugeordnet werden können, die jedoch nicht auf „hart“ messbare Bestandeshöhe, Arbeitsverfahren, Einzelfaktoren zurückgeführt werden können. Bestandesdichte und Stärke des aus- scheidenden Bestandes. Daneben ließ sich für weitere Faktoren ein Ein- ter gemischter Modelle eine sehr gute können, erklärt das Modell die beob- fluss auf die Entstehung von Rinden- Möglichkeit. Dieser analytische Ansatz achtete Streuung der Schadprozente schäden nachweisen. Hierzu gehörten ermöglicht es, die nach der Erklärung nahezu ideal (Abbildung 1). beispielsweise Hangneigung, Durch- durch (signifikante) konkret gemesse- forstungsturnus oder Abweichungen ne Faktoren noch verbleibende Rest- zwischen Fäll- und Vorrückerichtung. streuung der Daten daraufhin zu unter- Rindenschäden – ein be- Trotz statistischer Signifikanz war de- suchen, welcher Erhebungsebene der triebsspezifisches Problem? ren Erklärungspotential jedoch ver- Daten sie zuzuordnen ist. Im konkreten gleichsweise gering, so dass sie für Fall handelte es sich um die Aufteilung Nicht unerwartet wird die Entstehung das entwickelte Prognosemodell ver- der Zuordnung auf folgende Datenebe- von Rindenschäden in nennenswer- zichtbar erschienen. nen: Hiebsebene (Baum, Stichproben- tem Umfang durch konkret messbare, Insgesamt ist festzuhalten, dass das punkt, Hieb), Betriebsebene (Revier, hiebsspezifische Rahmenbedingungen entwickelte Prognosemodell die Wahr- Forstbezirk) sowie die nicht erklärbare beeinflusst. Zu diesen „hart messba- scheinlichkeit des Auftretens von Rin- Reststreuung. ren“ Faktoren zählen u. a. Vorlieferent- denschäden zwar recht gut und plausi- Interessant sind in diesem Zusam- fernung, Eingriffstärke, Ernteverfahren, bel erklären konnte. Trotzdem blieb bei menhang die beiden folgenden Befun- Baumart etc. Das absolute Schad- Berücksichtigung der gemessenen Ein- de: niveau wird durch solche „harten“ flussfaktoren im Prognosemodell ein •• Der Löwenanteil der nicht durch Hiebsfaktoren jedoch nicht unverän- nennenswerter Anteil der in den Praxis- konkret messbare Einflussfaktoren derlich und zwangsläufig vorbestimmt, Hieben zu beobachtenden Streuung im Modell erklärten Streuung entfiel sondern unterliegt einer relativ großen der Rindenschadensprozente uner- auf die Betriebsebene; Hiebsebene Variationsbreite. Diese wird ganz of- klärt. Diese Beobachtung lässt prinzi- und unerklärte Gesamtstreuung über fenkundig substantiell von betriebs- piell zwei Hypothesen zu: Entweder alle Datenebenen hinweg spielten im spezifischen Eigenheiten geprägt, die spielte echter Zufall bei der Entstehung Vergleich dazu eine untergeordnete einerseits keineswegs weitgehend dem der Rindenschäden eine nennenswerte Rolle. Zufall überlassen sind, aber anderer- Rolle oder nicht alle erklärenden Ein- •• Wird zusätzlich zu den konkret ge- seits auch nicht in Form „hart“ messba- flussgrößen wurden im Rahmen der messenen Faktoren die Wirkung der rer Hiebsfaktoren konkretisiert werden Untersuchung aufgenommen. Faktoren einbezogen, die aus der können. Zur zumindest teilweisen Beantwor- Datenbasis zwar nicht näher diffe- Bei der Holzernte scheint es also tung dieser Frage bot der für die Da- renziert, aber eindeutig konkreten ähnlich zuzugehen wie beim Einsatz tenanalyse gewählte Ansatz sogenann- Datenebenen zugeordnet werden von Beton: Es kommt darauf an, was
18 FVA-einblick 1/2012 entwickelnden Rindenmerkmale später grundsätzlich zu einer Qualitätsabstu- fung bei höherwertigem Buchenstamm- holz führen. Abb. 2: Rindenschäden an einer Fichte man (Betrieb) daraus macht. Oder den verbundene hohe Wundfäulerisiko anders ausgedrückt: Aus vergleichba- und Entwertungspotential. Mutmaß- ren „harten“ Hiebsvoraussetzungen lich stehen diese Schäden zumindest können betriebsspezifisch ganz offen- gleichrangig neben den durch Sturm, kundig sehr unterschiedliche Schad- Kernfäulen oder Borkenkäfern verur- prozente entstehen. Inwieweit dies auf sachten Ertragseinbußen. Faktoren wie Motivation, Setzung von Andere Nadelbaumarten erscheinen (ökonomischen) Prioriäten oder Sorg- dagegen weniger empfindlich. Bei- falt im Umgang mit Ernteverfahren be- spielsweise liegt bei Tanne zusätzlich ruht, sei der Spekulation der geneigten zur vergleichsweise robusten Rinde Leserschaft überlassen. das Infektionsrisiko nach Rindenverlet- zungen deutlich unter demjenigen der Fichte (Kohnle & Kändler 2007, Metzler Ökonomische Folgen et al. 2012). Bei Buche ist zwar festzu- von Rindenschäden stellen, dass sich das von einem Rin- denschaden ohne Verletzung des Holz- Möglicherweise bietet sich hier ein körpers ausgehende Infektionsrisiko neuer Ansatz für betriebliche Strategi- auf einem ähnlich (niedrigen) Niveau en zur Reduktion des gegenwärtig an wie bei Tanne zu bewegen scheint. sich inakzeptabel hohen Niveaus von Trotzdem ziehen bei dieser Baumart Rindenschäden durch Holzernte. Aus Rindenverletzungen ein erhebliches ökonomischen Gründen scheint dies Entwertungspotential nach sich: So insbesondere in der Fichtenwirtschaft hat eine Stützpunkt-Untersuchung im Prof. Dr. Ulrich Kohnle dringend geboten. Aus Praxis und Wis- Bereich der Schwäbischen Alb gezeigt, FVA, Abt. Waldwachstum senschaft sattsam bekannt sind das dass bei den aktuellen Sortiergepflo- Tel.: (07 61) 40 18 - 2 51 bei dieser Baumart mit Rindenschä- genheiten die sich aus Rindenschäden ulrich.kohnle@forst.bwl.de Literatur Landesforstverwaltung Bd. 53, 159. J.-Ztg. (in Vorbereitung). Kohnle, U., Kändler, G. (2007): Is Silver Metzler, B., Hecht, U., Nill, M., Brü- Nill, M. (2011): Rindenschäden durch fir (Abies alba) less vulnerable to ex- chert, F., Fink, S., Kohnle, U. (2012): Holzernte in Baden-Württemberg - traction damage than Norway spruce Comparing Norway spruce and silver Ursachen und Prognose. Freiburger (Picea abies)? Eur J For Res 126, fir regarding impact of bark wounds. Forstl. Forschung Bd. 50, Freiburg, 121-129. For Ecol and Manage (eingereicht). 161 S. Meng, W. (1978): Baumverletzungen Nakou, A., Nill, M., Sauter, U.H., Kohn- Nill, M., Kohnle, U., Sauter, U.H. (2011): durch Transportvorgänge bei der le, U. (2012): Rindenschäden durch Rindenschäden mit mutmaßlichem Holzernte - Ausmaß und Verteilung, Holzernte: Analyse, Modellierung Bezug zur Holzernte im Spiegel der Folgeschäden am Holz und Versuch und Evaluierung auf der Basis zweier Betriebsinventuren in Baden-Würt- ihrer Bewertung. Schriftenreihe der Praxis-Großversuche. Allg. Forst- u. temberg. Forstarchiv 82, 216-224.
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