Eine Chronik zwischen Epos und Hagiographie* - Die Chanson d'Antioche
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Karl-Heinz Bender Die Chanson d'Antioche: eine Chronik zwischen Epos und Hagiographie* Von allen Kreuzzugsepen markiert das älteste, die unmittelbar nach dem ersten Kreuzzug um 1100 von Richard le Pèlerin verfasste Chanson d'Antioche, den schärfsten Bruch mit der epischen Gattungstradition.1 Von den traditionellen Chansons de geste sind zwar noch die Modalitäten der Darstellung übernommen; ebenso entspricht das Weltbild der Chanson d'Antioche mit seiner Zweiteilung in Christen und Heiden dem über- kommenen epischen Vorbild.2 Zum erstenmal wird jedoch in diesem traditionellen epischen Rahmen einer in Christen und Heiden zweigeteilten Welt Zeitgeschichte unmittelbar zur Darstellung gebracht. Zwar hat bereits vor der Chanson d'Antioche Zeitgeschichte Eingang in die altfranzösische Epik gefunden. Die traditionellen Chansons de geste bringen jedoch Zeitgeschichte nicht unmittelbar, sondern lediglich verfremdet zur Darstellung. Dem Eingang der Zeitgeschichte in die Chansons de geste sind durch sechs Transpositionsregeln feste Grenzen gesetzt:3 1. Zeitgenössische Ereignisse, Probleme und Themen müssen in die karolingische Vergangenheit transponiert werden. 2. Personen, die nach dem 10. Jahrhundert gelebt haben, werden nicht mehr zu karolingischen Epenhelden erhoben. Nur ausnahmsweise werden charakteristische Epitheta und Verhaltensweisen sowie Taten zeitgenössischer Personen auf eine traditionelle epische Figur übertragen.4 3. Die epischen Helden ersten Ranges sind hierarchisch in das Verhältnis König-Grossvasallen integriert. *Der Beginn dieses Artikels ist eine revidierte, korrigierte und entschieden erweiterte Fassung der Seiten 488-496 meines Aufsatzes: "Des Chansons de geste à la première épopée de croisade. La présence de 1'histoire contemporaine dans la littérature française du 12e siècle," in Société Rencesvals, VIe Congrès International, (Aix-en-Provence, 29 Août—4 Septembre 1973). Actes et Mémoires, (Aix-en- Provence, 1974), 487-500. 89
90 Olifant / Vol. 5. No. 2 / December 1977 4. Alle Helden ersten Ranges tragen mindest den Grafentitel und gehören somit dem Hochadel an.5 5. Die in die Karolingerzeit projizierten zeitgenössischen Prob- leme, Ereignisse und Themen werden ausschliesslich unter einer feudalen Perspektive gesehen. 6. Ungeachtet aller zeitgenössischen Projektionen ist den karolingischen Epenhelden eine übermenschliche Idealität eigen. Diese sechs Regeln bilden zusammen ein Modell zur Erfassung und Stilisierung der Zeitgeschichte in den Chansons de geste. In der Chanson d'Antioche wird dieses traditionelle epische Modell fast gänzlich abgebaut. Zum erstenmal in einer altfranzösischen Chanson de geste bildet die Karolingerzeit nicht mehr den Rahmen, in den die eigene Zeit projiziert wird. Im Gegenteil, in der Chanson d'Antioche werden Ereignisse und Personen der Zeitgeschichte zum erstenmal unmittelbar in epischer Form dargestellt: Gegenstand des Liedes ist der erste Kreuzzug, und die Helden sind ausnahms- los Teilnehmer an diesem Ereignis.6 Anlässlich des ersten Kreuzzuges ist die fur die altfranzösische Epik traditionelle Symbiose von Vergangenheits- und Zeitgeschichte aufgehoben. Indes werden mit der Eroberung von Antioche nicht nur ein zeit- genössissches Ereignis und dessen Personen in epischer Form unmittelbar zur Darstellung gebracht und damit die oberste Grundregel zur Erfassung der Zeitgeschichte ausser Kraft gesetzt; darüberhinaus sind bei der Schilderung des zeitgenössischen Ereignisses noch weitere epische Regeln zur Stilisierung der Zeitgeschichte erheblich modifiziert: der Feldzug nach Antioche wird nicht nur unmittelbar, sondern auch breiter und vielfältiger dargestellt, als dies bisher in den Chansons de geste bei zeitgenössischen Ereignissen geschah. So wird die Regel, welche die Integration der epischen Helden in das Verhältnis König-Grossvasallen vorsieht, nur noch ausnahmsweise und ansatzweise angewandt.7 Lediglich in drei der acht MSS beruft—entgegen der lateinischen historiographischen Überlieferung—Philipp I. von Frankreich das Konzil von Clermont zur Vorbereitung des Zuges nach Jerusalem ein; nimmt persönlich am Konzil teil8 und bleibt dem Kreuzzug selbst nur wegen seines hohen Alters fern. An seiner Stelle schickt er seinen Bruder Hugo von
Bender / Chanson d'Antioche 91 Vermandois und überträgt ihm den Oberbefehl,9 so dass das französische Königtum zumindest indirekt den Kreuzzug anführt. Allerdings findet sich diese traditionelle epische Ausrichtung auf den König von Frankreich nur zu Beginn des Liedes. Im weiteren Verlauf wird Philipp I. überhaupt nicht mehr erwähnt, und auch sein Bruder Hugo überragt die anderen hohen Barone nicht. Aber selbst diese rudimentäre Ausrichtung des Geschehens auf Philipp I. findet sich nur in—laut Sumberg—jüngeren Versionen.10 In den zahlreicheren älteren Fassungen11 spielte Philipp I. keine Rolle. Höchstwahrscheinlich wurde demnach die Regel, derzufolge die epische Heldenschar nach dem Modell König-Grossvasallen auszurichten ist, in den frühen Versionen der Chanson d'Antioche überhaupt nicht beachtet. Eine volle Applikation dieser Regel wäre indes in der Chanson d'Antioche schon deshalb gar nicht mehr möglich gewesen, weil eine weitere den epischen Personalbestand betreffende Regel ausser Kraft gesetzt ist. Es handelt sich hierbei um diejenige Regel, die besagt, dass die Helden ersten Ranges ausnahmslos dem Hochadel angehören müssen; diese hochadlige Exklusivität ging in den älteren Chansons de geste sogar so weit, dass dort nur ganz wenige Personen namentlich genannt wurden, die nicht hochadlig waren. In der Chanson d'Antioche hingegen beherrschen die Fürsten und hohen Barone nicht mehr allein die Szene; in diesem Lied werden eine stattliche Anzahl von Personen mit Namen genannt, die keineswegs—wie in den Chansons de geste üblich—zumindest den Grafentitel führen und damit dem Hochadel zuzurechnen sind. In den langen Kämpferlisten, die bei der Schilderung der Schlachten von Nicäa und Antiochia vorgetragen werden, sind zusammen mit Fürsten und hohen Baronen auch mittlere Adlige aufgeführt.12 Anders als die gleichzeitigen Chansons de geste besingt die Chanson d'Antioche auch zweitrangige Barone13 wie Raimbaud Creton und einfache Ritter wie Foucard, der als erster die Stadtmauer von Antiochia besteigt;14 schliesslich wird sogar der Knappe Gontier Daire gerühmt, welcher in kühnem Handstreich ein sarazenisches Pferd raubt und auf ihm bis tief nach Antiochia vordringt.15 Die Durchbrechung der traditionellen Regel von der hochfeudalen Exklusivität der epischen Protagonisten geht sogar noch weiter. Mit Pierre
92 Olifant / Vol. 5. No. 2 / December 1977 1'Ermite, dem Prediger des ersten Kreuzzuges, spielt ein niederer Kleriker, ein Mann einfacher Herkunft, eine für die Handlung ähnlich wichtige Rolle wie die Fürsten: Pierre ist als Anführer des Volkskreuzzuges sogar zum Protagonisten der ersten Episode avanciert: der geste de la meute Pierron.16 Auch der "Roi des Tafurs" steht in seiner Aktivität manchem der Fürsten nicht nach; sein Ruhm überstrahlt bei weitem den vieler mittlerer und niederer Adliger. Mit dem "Roi des Tafurs" und seinen Mannen steigt die Chanson d'Antioche bis zu den tiefsten sozialen Schichten hinab; handelt es sich bei den "Tafurs" doch um Räuber und Bettler, also um ausgesprochen asoziale Elemente.17 Die Chanson d'Antioche räumt demnach den Schichten unterhalb des Hochadels, und sogar unterhalb der Feudalität, ein entschieden breiteres Feld ein, als dies in den traditionellen Chansons de geste üblich ist. Die Grenzen des Hochadels werden in der Chanson d'Antioche indes nicht nur zu sozial tieferstehenden Schichten hin überschritten, sondern auch zum Klerus hin. Während in den traditionellen Chansons de geste nur wenige Geistliche auftreten und höchstens der Erzbischof Turpin namentlich genannt wird, werden in der Chanson d'Antioche gleich mehrere hohe Kirchenfürsten herausgestellt, z.B. Papst Urban,18 und der Bischof Adhémar de Puy;19 hohe geistliche Würdenträger treten in Scharen auf, wie jene zwölf Kardinäle, die den Papst zum Konzil von Clermont begleiten.20 Sogar der niedere Klerus hält anlässlich des ersten Kreuzzuges geradezu massenhaft seinen Einzug in eine Chanson de geste. Die Stellung des Klerus als Stand ist in der Chanson d'Antioche—verglichen mit den traditionellen Chansons de geste—entschieden aufgewertet. In vielen Aufzählungen tritt er sogar gleichwertig neben den Adel;21 ein Verfahren, das in der traditionellen Epik undenkbar gewesen wäre. Nicht zuletzt dank der gewichtigeren Rolle des Klerus wird in der Chanson d'Antioche der ehedem rein feudale Charakter der traditionellen epischen Welt verändert. Liturgische Szenen, wie Prozessionen, Messen und Gebete, werden in der Chanson d'Antioche ebenso detailliert beschrieben wie Schlachten. Schliesslich wird der gesamte Feldzug mit dem religiösen Terminus "Pèlerinage" bezeichnet;22 auch wird dessen Endziel, Jerusalem mit dem heiligen Grab, immer von neuem hervorgehoben; dadurch wird der religiöse Charakter des Kampfes in der Chanson d'Antioche weit stärker betont, als dies bei den Heidenkriegen in den traditionellen Chansons de geste
Bender / Chanson d'Antioche 93 geschah. Die Regel, derzufolge die französische Epik die Zeitgeschichte unter einer ausschliesslich feudalen Perspektive sieht, ist in der Chanson d'Antioche erheblich gelockert. Die feudale Perspektive der traditionellen Chansons de geste ist bei der Darstellung des ersten Kreuzzuges um eine religiöse Dimension erweitert worden. Ebenso wie die Regeln von der hochfeudalen Exklusivität der Personen und der ausschliesslich feudalen Perspektive der Darstellung hat auch das traditionelle epische Heldenideal seine absolute Verbindlichkeit verloren. Die Teilnehmer am ersten Kreuzzug sind nicht mehr immer die gleichen furchtlosen Helden wie die Ritter der Chansons de geste.23 Am weitesten geht der Abbau des traditionellen epischen Heldenideals in der Schlacht von Civetot;24 dort bieten, in auswegloser Lage, eine Reihe fränkischer Ritter von sich aus ihre Übergabe an gegen Zusicherung ihres Lebens, ohne dass dieses Verhalten, welches dem Heldenideal der traditionellen Epik diametral entgegengesetzt ist,25 getadelt würde. Letztlich ist in der Chanson d'Antioche die traditionelle epische Stilisierung der Zeitgeschichte weitgehend durchbrochen. Die traditionellen Chansons de geste betrachten lediglich einen ausschliesslich feudalen Sektor der Zeitgeschichte; dieser Sektor wird obendrein im Sinne einer hochfeudalen Exklusivität stilisiert, auf den König als Lehnsherrn ausgerichtet und in das ferne karolingische Heldenzeitalter projiziert; dessen Helden werden in einem hohen Masse idealisiert. Der Autor der Chanson d'Antioche hingegen feiert den ersten Kreuzzug unmittelbar, ohne ihn in eine feme Vergangenheit zu projizieren; er zeigt einen Sektor, der bei weitem die Grenzen der Feudalität überschreitet und der nicht mehr im Sinne einer hochfeudalen Exklusivität stilisiert ist. Die Perspektive ist fast ebenso sehr religiös wie feudal bestimmt; die Idealität der karolingischen Epenhelden wird nicht voll auf die Protago- nisten der ersten Kreuzzuges übertragen. Wie lässt sich dieser weitgehende Abbau der traditionellen Regeln zur epischen Stilisierung der Zeitgeschichte erklären? Die unmittelbare Darstellung des ersten Kreuzzuges resultiert wohl zuallererst aus seinem Erfolg. Der erste Kreuzzug übertraf bei weitem alle anderen militärischen, religiösen und politischen Unternehmungen nicht nur der eigenen Zeit, sondern auch der unmittelbaren Vergangenheit. Der erste
94 Olifant / Vol. 5. No. 2 / December 1977 Kreuzzug bedurfte daher bei seiner Darstellung in epischer Form nicht mehr der Projizierung in die epische Distanz der Karolingerzeit; er wurde dieser vielmehr gleichgeachtet, und gleich dieser wurde ihm daher die Ehre einer unmittelbaren Darstellung zuteil. Der Eindruck, den der erste Kreuzzug hinterlassen hat, war derart stark, dass zum erstenmal ein Ereignis der eigenen, der nachkarolingischen, Zeit epischen Ruhmes für würdig befunden wurde. Der erste Kreuzzug war indes nicht nur infolge seiner Erstmaligkeit ein beeindruckender Vorgang. Er besass noch zwei weitere Eigenheiten, durch die er sich von den anderen zeitgenossischen Ereignissen abhob: seine wesentlich stärkere religiöse Ausrichtung und seine Massenbasis. Gerade diese beiden Besonderheiten des ersten Kreuzzuges scheinen derart beeindruckend gewesen zu sein, dass sie zum Abbau der ihrer unmittelbaren Darstellung entgegen- stehenden epischen Stilisierungsregeln führten. Es liegt klar auf der Hand, dass die Erweiterung der ehedem rein feudalen Perspektive der Chansons de geste um eine religiöse Dimension in der Chanson d'Antioche eine Folge der eminent religiösen Ausrichtung des ersten Kreuzzuges war. Dessen Massenbasis hingegen hat wohl zur Aufhebung der hochfeudalen Exklusivität der Personen zumindest beigetragen. Hierbei handelt es sich um einen komplexen Vorgang. Um die stärkere Berücksichtigung des niederen und mittleren Adels sowie unterer Volksschichten zu verstehen, empfiehlt es sich, nicht nur die Zusammensetzung der Kreuzfahrerheere des 11. und 12. Jahrhunderts zu berücksichtigen, sondern auch die unterschiedliche Rezeption des Liedes in den einzelnen ständischen Schichten zu untersuchen; schliesslich muss auch noch der hohe Stellenwert einer bewaffneten Jerusalemwallfahrt in der Kollektivmentalität der damaligen Zeit in Rechnung gestellt werden. Höchstwahrscheinlich wollte der Autor der Chanson d'Antioche sich unmittelbar auch an den niederen und mittleren Adel wenden. Denn gleichgültig wann nun die Chanson genau verfasst wurde;26 sie war sicher auch ein Propagandainstrument, um Krieger für neue Feldzüge ins Heilige Land anzuwerben. Diesem Ziel war wohl dann am besten gedient, wenn auch solche Kämpfer des ersten Kreuzzuges namentlich und in stattlicher Anzahl verherrlicht wurden, die nicht dem Hochadel angehörten.
Bender / Chanson d'Antioche 95 Gerade bei der namentlichen Nennung lässt sich jedoch eine neue, sehr bezeichnende ständische Einschränkung beobachten. Es werden fast aus- nahmslos adlige Krieger mit ihrem Namen vorgestellt;27 selbst der "Roi des Tafurs" bleibt anonym, obwohl er eine bedeutende Rolle in der Handlung spielt. Diese nun nicht mehr hoch-feudale, aber immer noch feudale Exklusivi- tät der namentlich genannten Figuren entspricht dem militärischen Wert des Rittertums; sie spiegelt eine den Kreuzfahrerheeren des 12. Jahrhunderts eigentümliche Tendenz wider, derzufolge diese Heere sich vornehmlich aus Berufskriegern und damit primär aus Adligen zusammensetzten und nicht etwa aus einfachen Leuten ohne militärische Ausbildung und Ausrüstung.28 Wenn trotzdem die "Tafurs," die aus dem niederen Volke stammen, eine ebenso glorreiche wie furchterregende Rolle spielen, so lassen sich für diese Rolle zwei Gründe anführen. Die "Tafurs" dürften einerseits auf das Publikum eine pittoreske Wirkung ausgeübt haben, ihrem Auftreten kam also durchaus auch eine rezeptionsästhetische Funktion zu; andererseits wurde gerade das einfache Volk, das sich durch die "Tafurs" am ehesten ange- sprochen fühlen konnte, durch die für einen Kreuzzug nötigen Umlagen und Requisitionen stark betroffen.29 Bei der Vorbereitung eines Kreuzzuges bedurfte man zumindest der moralischen und vor allem der materiellen Unterstützung des Volkes. Im Laufe des 12. Jahrhunderts konnten daher sogar diejenigen, die zu Hause blieben, gegen eine finanzielle Spende den Kreuzfahrerablass erwerben. Auch fand der Kreuzfahrerablass auf jeden Anwendung ungeachtet seiner ständischen Herkunft.30 Darüberhinaus war der erste Kreuzzug das erste Ereignis des Hochmittel- alters, welches Massen in Bewegung zu setzen vermochte31—ganz im Unterschied zu den Feudalfehden und Spanienzügen, welche den Hintergrund für die traditionellen Chansons de geste bildeten. Schliesslich wandten sich eine Jerusalemwallfahrt und die Befreiung des Heiligen Grabes dank ihrer religiösen Motivation von vorneherein an die Gesamtheit der Bevölkerung. Auch die nicht-adligen Schichten dürften sich durch die religiöse Thematik der Chansons d'Antioche weit unmittelbarer angesprochen gefühlt haben als durch die traditionellen Chansons de geste, deren feudale und kriegerische Problematik sie oft nur indirekt betraf. In einem weit stärkeren Masse als bei den traditionellen Chansons de geste handelt es sich daher bei der Chanson d'Antioche um ein Volksepos.
96 Olifant / Vol. 5. No. 2 / December 1977 Beide Faktoren, der religiöse und der die Standesgrenzen übergreifende Massenfaktor, haben bei der Reduktion des epischen Heldenideals wohl zusammengewirkt. Einerseits wurde bei der Aufhebung der hochfeudalen Exklusivität mit der ständischen Überhöhung des epischen Personals auch dessen oft übermenschliche seelische Grösse abgebaut, andererseits konnte angesichts der stärkeren religiösen Ausrichtung der Handlung die vorwiegend weltlich bestimmte Idealität der Protagonisten geringer bemessen sein als in den traditionellen Chanson de geste, deren Helden ihre Idealität zunächst von sich aus zu beweisen hatten.32 Ausserliterarische Gründe also haben den Abbau des traditionellen epischen Modells zur Erfassung der Zeitgeschichte herbeigeführt; inner- literarische Faktoren hingegen dürften bei diesem Prozess kaum eine Rolle gespielt haben. Die Chanson d'Antioche ist ein Paradebeispiel für E. Köhlers These, derzulfolge Veränderungen der ökonomischen und politisch-gesell- schaftlichen Grundverhältnisse, die den Charakter eines geschichtlichen Umbruchs tragen, sich in Strukturelemente der Kunst verwandeln und dann die traditionellen verfestigten Formen, Stile und Wertbegriffe der Literatur durchbrechen.33 Der erste Kreuzzug führte indes nicht nur zum Abbau eines traditionellen literarischen Modells, sondern auch zum Aufbau neuer Strukturen, Formen und Wertbegriffe. Bei seiner Darstellung erfuhr die Chanson d'Antioche eine Annäherung an Hagiographie und Historiographie in einem für die altfranzösische Epik bisher unbekannten Ausmass. Mit beiden Prozessen vollbringt der Autor der Chanson d'Antioche beachtenswerte Innovationen im Rahmen der epischen Gattung. Die Grenzen zur Historiographie hat die Chanson d'Antioche nicht nur mit der unmittelbaren Darstellung des ersten Kreuzzuges überschritten; sie beschreibt diesen auch mit einer Genauigkeit, die den traditionellen Chansons de geste fremd ist. Sie gibt präzise und historisch getreue Angaben zu einer Vielzahl von Personen und Ereignissen, zur Topographic und zur Strategie des ersten Kreuzzuges.34 Sie erfasst mit Genauigkeit jedoch nicht nur jene Sektoren, die bereits in den traditionellen Chansons de geste, wenngleich nur stilisiert oder in phantastischer Übertreibung, Berücksichtigung fanden.
Bender / Chanson d'Antioche 97 Als das epische Modell zur Erfassung der Zeitgeschichte abgebaut wird, vermag die Chanson d'Antioche vielmehr auch solche Abstrusitäten aufzunehmen, die ohne Bezug zur epischen Norm sind und deshalb in die traditionellen Chansons de geste keinen Eingang fanden. So sind die traditionellen Chansons de geste zwar reich an den verschiedensten Grausamkeiten, diese werden jedoch mühelos übertroffen von den Leischen- schändungen der Christen vor Nicäa und Antiochia.35 Bei der Belagerung von Nicäa schleudern die Christen die Köpfe der erschlagenen Feinde als Wurfgeschosse gegen die Mauern der Stadt und bei der Hungersnot vor Antiochia rösten und verzehren die "Tafurs" die Leiber der erschlagenen Türken.36 Diese ekelerregenden Szenen sind eine gute Illustration des Satzes "La réalité dépasse la fiction." bzw. die Chronik übertrifft die Epik. Gleichfalls in den Bereich der Historiographie verweist eine gewisse Aufwertung der Rolle des Autors. Anders als in der traditionellen Epik "tritt der Autor nicht mehr hinter dem Stoff zurück, so dass sich das Geschehen selbst zu erzählen scheint".37 Der Autor ist vielmehr zum "commentator rerum gestarum" aufgestiegen, der ausdrücklich über Lob und Tadel für die einzelnen Kämpfer entscheidet; so, wenn er erklärt, er übergehe die Heldentaten vieler Kämpfer, wolle aber Gottfried von Bouillon nicht vergessen38 oder wenn er umgekehrt die Namen dreier Feiglinge beim Ausritt aus Antiochia ausdrücklich verschweigt.39 Die Annäherung an die Historiographie ist indes nur die eine Seite der Gattungsmischung, die an der Chanson d'Antioche zu beobachten ist. Die andere Seite dieses Prozesses ist in der von der Forschung bisher unbeachteten Annäherung an die Hagiographie zu sehen. In der Chanson d'Antioche sind die traditionellen religiösen Elemente der altfranzösischen Epik—Erschei- nungen, Prophezeiungen und Wunder—erheblich vermehrt und in ihrer Funktion wesentlich aufgewertet. Mit ihrem Aufwand an himmlischen Interventionen übertrifft die Chanson d'Antioche alle Chansons de geste, die vorhergegangenen und die folgenden. Es erscheinen in ihr Christus, seine Mutter Maria, die Apostel Petrus, Paulus und Andreas, der Erzengel Michael, die Heiligen Georg, Demetrius, Mauritius und Merkurius nebst 500 000 Engeln; schliesslich wird die heilige Lanze, eine wichtige Passionsreliquie, aufgefunden.
98 Olifant / Vol. 5. No. 2 / December 1977 Die funktionale Aufwertung der religiösen Elemente ist besonders stark im Prolog, der ebensogut vor einer Heiligenlegende stehen könnte. In ihm wird "un saintisme sermon" angekündigit,40 und das Lied erhält die Passio Christi zum Vorspann: Am Kreuz verheisst Christus selbst den Franken die Eroberung des Heiligen Landes und verkündet den Kreuzfahrerablass.41 Heils- geschichte und Chanson de geste sind hier auf das engste miteinander verbunden. Bei der Aufwertung des religiösen Elementes wird eine wichtige epische Komponente neu gefasst: die epische Fatalität wird zu einem heilsgeschicht- lichen Determinismus umfunktioniert. Bereits die Prophezeiung Christi am Kreuze beinhaltet einen ersten heilsgeschichtlich ausgeformten epischen Vorgriff, auf den zahlreiche weitere folgen. Am stärksten häufen diese sich, als die Moral der Christen im eingeschlossenen Antiochia ihren Tiefpunkt erreicht hat, vor der grossen Entscheidungsschlacht, die den Höhepunkt der Chanson bildet. Anders als in den traditionellen Chansons de geste ist in der Chanson d'Antioche die Handlung daher nicht nur bruchstückhaft vorgegeben; es werden vielmehr ihre wichtigsten Etappen, ihr Ausgang und die Mittel zu dessen Erreichung angegeben; nichts Entscheidendes bleibt im Dunkeln. Noch weniger als in den traditionellen Chansons de geste vermag daher in der Chanson d'Antioche eine Ob-Spannung aufzukommen.42 Der Effekt der zahlreichen religiös motivierten epischen Vorgriffe ist ein doppelter: sie vermitteln den Christen Siegesgewissheit für das Diesseits sowie Heilsgewiss- heit für das Jenseits. Die epischen Vorgriffe besitzen in der Chanson d'Antioche eine qualitativ grössere Reichweite als in den traditionellen Chansons de geste. Denn die Vorgriffe der Chanson d'Antioche zielen anders als z.B. in der Chanson de Roland, in der sie sich auf die epische Vergangenheit beschränken,43 in die historische Wirklichkeit, insofern die Christen Jerusalem tatsächlich eroberten und sich fast ein Jahrhundert lang im Besitz der heiligen Stadt behaupteten. Die epische Zukunft, auf die sich die Vorgriffe der Chanson d'Antioche beziehen, bildet die politische Gegenwart, in der das Publikum zumindest bis 1187 lebt. Indes haben in der Chanson d'Antioche nicht nur die göttlichen Prophezeiungen eine Aufwertung erfahren, sondern auch die sonstigen
Bender / Chanson d'Antioche 99 himmlischen Interventionen: die göttlichen Befehle und Hilfeleistungen. So geht der gesamte erste Kreuzzug auf eine unmittelbare Initiative Gottes zurück: zu Beginn der Chanson befiehlt Gott Pierre 1'Ermite, er solle die Franzosen zur Befreiung des heiligen Grabes auffordern.44 Auch in den weiteren Verlauf des Kreuzzuges greifen Gott und seine Heiligen immer wieder sichtbar ein: manchmal aus eher sekundärem Anlass wie bei der Rettung des Ritters Raimbaud Creton vor dem Tod des Ertrinkens durch den heiligen Michael;45 vor allem aber an den Schnittpunkten der Handlung. Alle christlichen Haupterfolge sind das unmittelbare Werk des Himmels. Der Effekt der häufigen und oft aufwendigen himmlischen Interventionen liegt auf der Hand: weit stärker als die Heidenkriege der traditionellen Chansons de geste erscheint der Zug gegen Antiochia und Jerusalem unmittelbar von Gott gesteuert als die Gesta Dei per Francos: Gott hat den Marsch ins Heilige Land prophezeit, befohlen, gelenkt und, schliesslich zum Erfolg geführt. Als Geschichte zum erstenmal unmittelbar, d.h. nicht mehr in epischer Distanz, in der altfranzösischen Literatur dargestellt wird, erscheint sie als das unmittelbare Wirken Gottes. Bei dem ersten Versuch, Geschichte nicht mehr nach dem traditionellen epischen Modell zu erfassen, sondern bereits mehr in historiographischer Manier darzustellen, erfolgt zunächst keine Entmythisierung, wie zunächst zu erwarten gewesen wäre, sondern eine weit stärkere Mythisierung unter christlichem Vorzeichen.46 Zwar wird das epische Stilisierungsmodell zur Erfassung der Zeitgeschichte weitestgehend abgebaut; es erfolgt jedoch eine neue, religiös-hagiographische Stilisierung. Die Entwicklung von der Epik zur Historiographie, die mit der Darstellung des ersten Kreuzzuges einsetzt, wird zunächst in der Chanson d'Antioche durch deren hagiographische Kom ponente beeinträchtigt. Es ist schwierig, die genaue gattungsgeschichtliche Position der Chanson d'Antioche zwischen der traditionellen Epik, der lateinischen und der französischen Historiographie—in Vers und Prosa—sowie der Hagiographie auszumachen. In der Chanson d'Antioche wird unter einem starken hagiographischen Vorzeichen das eine der beiden traditionellen epischen Hauptthemen—der Heidenkrieg—in epischer Form und nach epischen Erzählmustern dargestellt; aber in historiographischer Unmittelbarkeit und oft mit historiographischer Genauigkeit. Der Historizitätsgrad der Chanson
100 Olifant / Vol. 5. No. 2 / December 1977 d'Antioche ist ungleich grösser als der aller anderen altfranzösischen Chansons de geste. Er steht sogar demjenigen mancher lateinischen historiographischen Quelle zum ersten Kreuzzug in nichts nach.47 Die Verbindung der Chanson d'Antioche mil der lateinischen Historiographie erreicht eine für eine altfranzösische Chanson de geste bisher unbekannte Breite und Dichte. Die Überschneidungen gehen derart weit, dass es oft schwierig ist, die Abhängig- keiten zu bestimmen.48 Im altfranzösischen Bereich ist die Chanson d'Antioche im engen Zusammenhang mit der Entstehung der Historiographie zu sehen. Richard le Pèlerin hat wohl den ersten Schritt vom Epos zur Historiographie getan; seine unter dem Eindruck des ersten Kreuzzuges verfasste Chanson d'Antioche ist höchstwahrscheinlich die erste altfranzösische Versgeschichte und als Vorläufer der Reimchronik zu werten.49 Ungeachtet seiner hagiographischen und historiographischen Innova- tionen äussert der Autor indes nirgends die Überzeugung, dass er einen Bruch mit der epischen Gattung vollziehe. Im Gegenteil; er stellt des öfteren ausdrückliche Rückbezüge zur epischen Tradition her, sei es dass Olivier, Roland und Vivien50 ihm als Exemplarfiguren dienen; sei es dass er zweien der vornehmsten Barone einen epischen Stammbaum verleiht: Gottfried wird deshalb zum Oberbefehlshaber für die Entscheidungsschlacht gewählt, weil er dem lignage Charlon entsprossen sei, Robert de Normandie hingegen bekämpft diese Wahl, weil er selbst als Nachkomme Renauts, des Haimon- sohnes, der Empörergeste angehöre.51 Der Streit um den Oberbefehl und damit um den adligen Vorrang wird somit episch-genealogisch motiviert. Da Gottfried in der Chanson d'Antioche noch obendrein von Herzog Begon von Lothringen52 abstammt, ist der Kreuzzugsstoff hier gleich mit drei der vier vornehmsten traditionellen Epenzyklen verbunden: der Königs-, der Verräter- und der Lothringergeste. Demnach dürften bereits Richard le Pèlerin und mehr noch Graindor de Douai in der Chanson d'Antioche eine Chanson de geste gesehen haben. Diese Sicht Richards bzw. Graindors hat die weitere Entwicklung des Kreuzzugszyklus mit zeitlichem Abstand zum 1. Kreuzzug immer stärker bestimmt. Karl-Heinz Bender Universität Trier
Bender / Chanson d'Antioche 101 1 Diese These lässt sich ungeachtet der komplizierten Textüberlieferung aufstellen. Wie sämtliche Kreuzzugsepen ist auch die Chanson d'Antioche ausschliesslich in zyklischen Handschriften überliefert, deren älteste aus der Mitte des 13. Jahrhunderts stammen. Die älteste erhaltene Fassung der Chanson d'Antioche selbst ist ein Remaniement aus dem ausgehenden 12. Jahrhundert. Um diese Zeit hat Graindor de Douai die ursprüngliche, von Richard le Pèlerin stammende Fassung des Liedes im epischen Stil überarbeitet (L. A. M. Sumberg, La Chanson d'Antioche, étude historique et littéraire [Paris, 1968], 321, 328, 364, 337, 332, 339 etc.). Die Differenzen zu den traditionellen Chansons de geste müssen demnach bei dem Lied Richards le Pèlerin noch grösser gewesen sein als bei der Überarbeitung Graindors de Douai. 2 L. A. M. Sumberg, 1968, 328. 3 Die Regeln 1-5 sind zum ersten Mal vorgestellt in K.-H. Bender, "Des chansons de geste à la première épopée de croisade. La présence de 1'histoire contemporaine dans la litterature française du 12e siècle," in Société Rencesvals, VIe Congrès International, (Aix-en-Provence, 29 Août—4 Septembre 1973). Actes et Mémoires (Aix-en-Provence, 1974), 487-500. Das epische Modell zur Erfassung der Zeitgeschichte ist hier entscheidend modifiziert und weiterentwickelt. Die Numerierung der Regeln wurde geändert (2 in 5; 3 in 2). 4 K.-H. Bender, König und Vasall, Untersuchungen zur Chanson de geste des XII. Jahrhunderts, Studia Romanica, 13 (Heidelberg, 1967), 58 sqq. 5 K.-H. Bender, "Un aspect de la stylisation épique: 1'exclusivisme de la haute noblesse dans les chansons de geste du XIIe siècle," in Société Rencesvals, IVe Congrès International, (Heidelberg 28 Août—2 Septembre 1967). Actes et Mémoires., Studia Romanica, 14 (Heidelberg, 1969), 95 sq. 6 Z.B. Hugues de Vermandois, Tancred, Bohemund, Robert de Normandie, Godefroi de Bouillon und seine Brüder Eustache und Baudouin, cf. La Chanson d'Antioche, éd. P. Paris, 2 vol. (Paris, 1848), I, 4, vv. 38 sqq. 7 L. A. M. Sumberg, 1968, 32; 320. Sumberg folgend haben wir die Compilation de Bruxelles nicht herangezogen (138). 8 La Chanson d'Antioche, I, 54, vv. 547 sqq.; 55, v. 767. 9 La Chanson d'Antioche, I, 62, v. 866; 63, v. 874. 10 L. A. M. Sumberg, 1968, 320. 11 Id., 1968, 51, 62, 86, 115, 320. 12 La Chanson d'Antioche, I, 99 sqq.; 257 sqq. 13 Cf. L. A. M. Sumberg, 1968, 250. 14 La Chanson d'Antioche, II, 110 sqq., vv. 650 sqq. 15 La Chanson d'Antioche, I, 223 sqq., cf. L. A. M. Sumberg, 1968, 237 sq. 16 La Chanson d'Antioche, I, 6, v. 59; cf. L. A. M. Sumberg, 1968, 147-162. 17 La Chanson d'Antioche, II, 6, vv. 69 sq.; II, 9, vv. 74 sqq.; II, 128, vv. 992 sqq. 18 La Chanson d'Antioche, I, 66, v. 922. 19 La Chanson d'Antioche, I, 66, v. 929. 20 La Chanson d'Antioche, I, 55, v. 755. 21 La Chanson d'Antioche, I, 46, vv. 632 sqq.
102 Olifant / Vol. 5. No. 2 / December 1977 22 La Chanson d'Antioche, I, 3, v. 18. 23 Z.B. fürchten sich beim Auszug zur Entsatzschlacht vor Antiochia alle Ritter mit Ausnahme Hugos von Vermandois (cf. La Chanson d'Antioche, II, 207, v. 212). 24 La Chanson d'Antioche, I, 44, vv. 604 sqq. 25 Cf. die Chanson de Roland oder das Verhalten Viviens in der Chanson de Guillaume, der Bataille d'Aliscans und der Chevalerie Vivien. 26 L. A. M. Sumberg schlägt die Zeit um 1100 vor, unmittelbar nach den beschriebenen Ereignissen (Sumberg, 1968, 328). P. Paris nimmt an, dass die Urfassung des Liedes zur Zeit des zweiten Kreuzzuges noch zirkulierte (Ed. P. Paris, I, L). Das Remaniement Graindors stammt aus den Jahren vor dem III. Kreuzzug (L. A. M. Sumberg, 1968, 360). Entstehung und nachhaltige Neubearbeitung des Werkes stehen somit in engem Zusammenhang mit den beiden militärisch wichtigsten Kreuzzügen. 27 Die Nichtadligen wie die Sergents bleiben anonym (La Chanson d'Antioche, I, 231, v. 354). 28 H. E. Mayer, Geschichte der Kreuzzüge (Stuttgart, 1968), 101; E. Perroy, La féodalité en France du Xe au XIIe siècle, Les cours de la Sorbonne, Centre de Documentation universitaire (Paris, 1957), I, 49; S. Runciman, Geschichte der Kreuzzüge (München, 1957-60), I, 327-333; "Die zahlenmässige Stärke der Kreuzzüge." 29 H. E. Mayer, 1968, 132. 30 H. E. Mayer, 1968, 47; S. Runciman, 1957-60, I, 106, 110-112, 327 sqq. 31 H. E. Mayer, 1968, 39. 32 H. R. Jauss, "Chanson de geste et Roman courtois," in Chanson de geste und höfischer Roman, (Heidelberger Kolloquium 30. Januar 1961), Studia Romanica, 4 (Heidelberg, 1963), 70, 72. 33 E. Köhler, "Möglichkeiten historisch-soziologischer Interpretation," in ders., Esprit und arkadische Freiheit (Frankfurt, 1966), 86; cf. H. R. Jauss, "Theorie der Gattungen und Literatur des Mittelalters," in GRLMA, I, 121 (Grundriss der romanischen Literaturen des Mittelalters, hrsg. von H. R. Jauss und E. Köhler, I [Heidelberg, 1972], 107-138). 34 Cr. den Hauptteil von Sumberg, 1968, 139-318, vor allem ab 171. 35 La Chanson d'Antioche, I, 136, v. 866. 36 La Chanson d'Antioche, II, 4, vv. 8 sqq., L. A. M. Sumberg, 1968, 254 sqq., id. The Tafurs and the first Crusade, Mediaeval studies 21 (1959) 224-246. 37 H. R. Jauss, GRLMA, I, 114. 38 La Chanson d'Antioche, II, 266, vv. 1320 sqq. 39 La Chanson d'Antioche, II, v. 185. In die gleiche Richtung verweist das Verhalten Lamberts d'Ardres (cf. L. A. M. Sumberg, 1968, 322 sq.). 40 La Chanson d'Antioche, I, 6, v. 58. 41 La Chanson d'Antioche, I, 9, vv. 111 sqq. 42 Jauss, GRLMA, I, 114.
Bender / Chanson d'Antioche 103 43 K.-J. Steinmeyer, Untersuchungen zur allegorischen Bedeutung der Träume im altfranzösischen Rolandslied (München, 1963), c.r. K.-H. Bender, Zeitschrift für romanische Philologie, 81 (1965)) 361-364. 44 La Chanson d'Antioche, I, 17, vv. 207 sqq. 45 La Chanson d'Antioche, I, 268, vv. 994 sqq. 46 Sumbergs These (1968, 301, 316), es handele sich bei den zahlreichen himmlischen Interventionen um eine spätere Zutat Graindors, vermag nicht unbedingt zu überzeugen. Es müsste zumindest überraschen, dass Graindor bei seinem Bestreben, die ursprüngliche, mehr chronikale Fassung des Liedes im epischen Stil zu überarbeiten, gerade die himmlischen Interventionen in einem Masse herausarbeitet, welches den traditionellen Chansons de geste unbekannt ist. 47 S. Duparc-Quioc, "Recherches sur 1'origine des poèmes épiques de croisade et sur leur utilisation éventuelle par les grandes families féodales" in Atti del convegno internazionale sul tema: La poesia epica e la sua formazione (Roma, 28 marzo—3 aprile 1969), Accademia Nazionale dei Lincei CCCLXVII—1970, Quaderno N. 139, (Roma, 1970), 771 sq.; id., "La composition de la Chanson d'Antioche," Romania, 83 (1962), 210-247; L. A. M. Sumberg, 1968, 328. 48 L. A. M. Sumberg, 1968, XIII; 371; S. Duparc-Quioc, 1962, 2, 226, 246; id., 1970, 772 sqq.; L. A. M. Sumberg, 1968, 1-24. 49 L. A. M. Sumberg, 1968, 369 sqq. 50 La Chanson d'Antioche, II, 239, vv. 868 sqq. 51 La Chanson d'Antioche, II, 178, vv. 738 sqq. 52 La Chanson d'Antioche, II, 181, v. 161. Abstract Among the crusade epics, the Chanson d'Antioche, composed by Richard le Pèlerin about 1100, presents the most radical break with tradition. Six rules of transposition which constitute a model for the understanding and stylization of contemporary history in the chansons de geste are completely disregarded in the Chanson d'Antioche: 1. Current events, problems, and themes must be transposed into the Carolingian past. Yet the conquest of Antioch, a contemporary event, remains in current time. 2. Persons who lived after the tenth century are not elevated to Carolingian epic heroes; only as an exception are the characteristic epithets, modes of behavior, and deeds of contemporary individuals transferred to a traditional epic figure. Yet in the Antioche all the heroes, many of whom are given the same epic stature as Carolin- gianan heroes, lived after the tenth century. 3. The most important epic heroes are integrated within the hierarchy king-principal vassals (König-Grossvassalen). Yet the Antioche poet
104 Olifant / Vol. 5. No. 2 / December 1977 only occasionally and exceptionally applied this rule. Philip I of France appears at the beginning of the later versions of the epic. 4. All heroes of the first rank bear at least the title of count and thus belong to the high nobility. Yet in the Antioche not only do persons of lower and middle nobility appear frequently, but the lowly cleric Peter the Hermit plays as important a rôle in the plot as do many of the princes, while with the King of the Tafurs in the Chanson d'Antioche represents the lowest social class. 5. The problems, events, and themes which have been projected into Carolingian times are seen exclusively in feudal perspectives. Yet partially because of the strengthened rô of the clergy, the feudal nature of the Antioche is also changed. 6. Carolingian epic heroes represent superhuman ideals, but the Antioche crusaders are not those fearless knights of the chanson de geste: the traditional epic hero has lost his absolute commitment. Through the depiction of the first crusade, the feudal perspective of the traditional chanson de geste is expanded to a religious dimension. The first crusade did not result in the destruction of traditional literary models, but rather in the creation of new structures, forms, and value judgments. The Chanson d'Antioche is a perfect example of E. Köhler's thesis: changes in basic economic and polititico-social relationships which characterize historical revolution become structural elements of art and then penetrate the traditional forms, styles, and value judgments reflected in literature. The author of the Chanson d'Antioche gives precise and historically accurate facts about persons, events, topography, and strategy of the first crusade, but, unlike traditional epic poets, he always lurks behind his subject and comments on events with some degree of evaluation or moralizing. The relationship between the Chanson d'Antioche and Latin and French historiography (in verse and prose) as well as hagiography results in a breadth and depth unknown to the Old French chanson de geste. Richard le Pèlerin has taken the first step from epic towards historiography; under the influence of the first crusade, the Chanson d'Antioche is probably the first Old French verse history and the forerunner of the rhymed chronicle. Yet nowhere does the author indicate that he is making a break from the epic tradition; on the contrary, he often refers to the well-known epic figures and themes. (Abstract by Stephanie C. Van d'Elden.)
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