Einkommensdiversifikation landwirtschaftlicher Haushalte in Schleswig-Holstein Income Diversification of Farm Households in Schleswig-Holstein

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GJAE 59 (2010), Heft 2

       Einkommensdiversifikation landwirtschaftlicher Haushalte
       in Schleswig-Holstein

       Income Diversification of Farm Households
       in Schleswig-Holstein
       Christoph Rathmann
       Bunge Handelsgesellschaft mbH, Hamburg

       Swetlana Renner, Agata Pieniadz und Thomas Glauben
       Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa (IAMO), Halle (Saale)

       Jens-Peter Loy
       Universität Kiel

       Zusammenfassung                                                 German Land, Schleswig-Holstein. We apply the
                                                                       concept of Gollop and Monahan to measure the
       In dem Beitrag wird am Beispiel von Primärdaten für
                                                                       farm’s specific diversification. To analyze the
       landwirtschaftliche Betriebe in Schleswig-Holstein
                                                                       relationships between income diversification and
       der Frage nach den Bestimmungsgründen für Auf-
                                                                       other farm’s and household’s specific factors, an
       nahme, Umfang und Diversifikation der außerbetrieb-
                                                                       econometric model has been estimated based on a
       lichen Einkommensquellen nachgegangen. Für die
                                                                       comprehensive survey data. The results show that the
       Messung der farmspezifischen Diversifikation wurde
                                                                       main economic incentive for a farm’s diversification
       auf das Konzept von Gollop und Monahan zurück-
                                                                       is the expected income increase, whereas risk mini-
       gegriffen. Die Zusammenhänge zwischen diesem Aus-
                                                                       mization is less important. The access to resources
       maß und anderen betrieblichen und hauswirtschaft-
                                                                       (labor, capital) is an important requirement for
       lichen Eigenschaften wurden mittels eines ökono-
                                                                       tapping alternative economic activities. The formal
       metrischen Modells untersucht. Die Ergebnisse deuten
                                                                       agricultural education of the farmer is a significant
       darauf hin, dass die Steigerung des Einkommens bzw.
                                                                       factor: The higher his education the stronger is the
       das Streben nach optimaler Ressourcennutzung bei
                                                                       tendency towards diversification. These findings are
       den Diversifikationsentscheidungen im Vordergrund
                                                                       relevant for the design of agricultural policy measures
       stehen. Dabei stellt die Risikominimierung ein eher
                                                                       which aim at explicitly meeting the heterogeneous
       nachrangiges Ziel für die Aufnahme außerbetrieb-
                                                                       needs of rural households.
       licher Aktivitäten dar. Der Zugang zu Ressourcen
       (Arbeit, Kapital) ist diesbezüglich eine wesentliche            Key words
       Voraussetzung für die Erschließung und den Umfang
       alternativer Einkommensquellen. Die Qualifikation               income diversification; off-farm income; farm house-
       des Betriebsleiters spielt eine wichtige Rolle. Mit             hold; Germany
       steigendem Ausbildungsgrad erhöht sich die Diversifi-
       kationsneigung. Diese und weitere Erkenntnisse sind
       bei der Gestaltung von effizienten Politikmaßnahmen             1. Einleitung
       relevant, um die verschiedenartigen Bedürfnisse der
                                                                       Die weltweite Liberalisierung der Agrarmärkte und
       landwirtschaftlichen Haushalte zu berücksichtigen.
                                                                       die Umsetzung der Reformen der Gemeinsamen
                                                                       Agrarpolitik (GAP) verstärken den Anpassungsdruck
       Schlüsselwörter
                                                                       und die Unsicherheiten für die Landwirtschaft und die
       Einkommensdiversifikation; außerbetriebliche Beschäf-           ländliche Bevölkerung insgesamt. In den letzten
       tigung; landwirtschaftliche Haushalte; Deutschland              Jahren führen besonders die Reduktion von preis-
                                                                       bedingten Produktionsanreizen und Direktzahlungen
       Abstract                                                        sowie teilweise sinkende Produkt- und steigende
       This article investigates the degree of income diver-           Faktorpreise dazu, dass immer weniger landwirt-
       sification and identifies its determinants in a selected        schaftliche Haushalte im europäischen Raum ein

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       ausreichendes Einkommen aus der landwirtschaft-                werden. In diesem Bereich sind theoretische Ansätze
       lichen Produktion erwirtschaften können. Die Be-               zu finden, die basierend auf Unternehmens-Haushalts-
       deutung der Erwerbskombination aus landwirtschaft-             Modelle unterschiedliche Aspekte der Arbeitsmarkt-
       lichen und außerlandwirtschaftlichen Tätigkeiten und           partizipation landwirtschaftlicher Haushalte erklären
       das Interesse an den unterschiedlichen Entwicklungs-           (vgl. u.a. WITZKE, 1993). Grundlegende empirische
       wegen bzw. möglichen Anpassungsstrategien land-                Arbeiten gehen hierbei auf SUMNER (1982) und
       wirtschaftlicher Haushalte rücken somit erneut in den          HUFFMAN (1980) zurück. In neueren Studien werden
       Mittelpunkt politisch-wirtschaftlicher Debatten.               verschiedene Zusammenhänge empirisch überprüft.
             Diversifizierung von Einkommensquellen ist kein          Dazu gehören u.a. der Einfluss soziodemographischer,
       neues Phänomen, sondern eine seit langer Zeit weit             betrieblicher oder regionaler Faktoren sowie die
       verbreitete Strategie landwirtschaftlicher Haushalte in        Wirkung politischer Maßnahmen auf die Arbeits-
       den fortgeschrittenen Industrieländern (MACKINNON              marktpartizipation (vgl. MISHRA und GOODWIN, 1997;
       et al., 2008; HARSCHE, 2007; NEWTON, 2006). Mit der            BROSIG et al., 2007; GLAUBEN et al., 2008).
       Zeit wandeln sich jedoch die Formen und der                          Des Weiteren besteht die Überzeugung, dass das
       Stellenwert des Nebenerwerbs bzw. der Erwerbs-                 Einkommensrisiko durch Erwerbskombination ver-
       kombination. Gegenwärtig ist sie nicht als Zeichen             ringert werden kann (BARRET et al., 2001; KILIC et
       einer defizitären Landwirtschaft oder als Notlösung,           al., 2009). Unter bestimmten Voraussetzungen, zum
       sondern als nachhaltige Strategie der landwirtschaft-          Beispiel wenn die Erträge unterschiedlicher Tätig-
       lichen Haushalte und als Beitrag zur Entwicklung der           keitsbereiche negativ korreliert sind, kann durch
       ländlichen Gebiete zu werten. Zu den höchsten                  Streuung des Einsatzes über verschiedene Aktivitäten
       Prioritäten in der Europäischen Union (EU) werden              die Variabilität (Risiko) des Gesamteinkommens
       daher Entwicklung und Aufbau zusätzlicher Beschäf-             verringert werden (ROBISON und BARRY, 1987;
       tigungsmöglichkeiten und neuer Einkommensquellen               NEWBERY und STIGLITZ, 1981). Empirische For-
       erklärt, um die Lebensfähigkeit und die Wirtschafts-           schungsarbeiten in diesem Bereich basieren haupt-
       kraft des ländlichen Raumes zu erhalten bzw. zu                sächlich auf einem Risiko-Varianz-Ansatz. Dort
       stärken. Im Fall Schleswig-Holsteins finden die Ziele          werden u.a. Einflussfaktoren wie Risikoeinstellung,
       einer Förderung der multifunktionalen und nachhalti-           Einkommensniveau und Betriebsgröße untersucht
       gen Landwirtschaft explizit Niederschlag in der Nach-          (MISHRA et al., 2004; MCNAMARA und WEISS, 2005).
       haltigkeitsstrategie der Landesregierung (LANDES-                    Trotz umfassender Literatur existieren bisher
       REGIERUNG SH, 2004).                                           allerdings nur wenige Arbeiten und Ansätze zur
             Studien zur Bedeutung und Erklärung der außer-           Analyse der Diversifizierung durch sämtliche alter-
       betrieblichen Aktivitäten wurden aus verschiedenen             nativen Einkommensquellen landwirtschaftlicher
       Gesichtswinkeln durchgeführt. Generell werden zwei             Haushalte. Ein Hauptgrund dafür ist die mangelnde
       ökonomische Motive für Einkommensdiversifikation               Datenverfügbarkeit über alle Einkommensquellen
       des landwirtschaftlichen Haushalts angenommen: das             landwirtschaftlicher Haushalte, da sich die nationalen
       Streben nach einem effizienten Ressourceneinsatz und           und internationalen Statistischen Ämter bzw. Behör-
       nach Risikominimierung der Gewinn- bzw. Ein-                   den primär auf die landwirtschaftliche Buchführung
       kommenserzielung (RATHMANN, 2007).                             bzw. auf die landwirtschaftliche Tätigkeit fokussie-
             In landwirtschaftlichen Familienunternehmen              ren.1 Darüber hinaus – bzw. gerade deswegen – fehlen
       sind das gesamte Einkommen und die Faktorallo-                 in der agrarökonomischen Literatur bisher weitgehend
       kation auf Haushaltsebene entscheidungsrelevant                geeignete Maße zur Quantifizierung der Einkommens-
       (FULLER, 1990). In diesen Betrieben kann der Einsatz           diversifikation durch alternative Aktivitäten innerhalb
       der vorhandenen Haushaltsressourcen – wie die                  und abseits der Urproduktion.
       Arbeitszeit – so auf verschiedene Tätigkeiten verteilt               Ausgehend von der beschriebenen Problematik
       werden, dass ausreichendes oder zusätzliches Ein-              verfolgt diese Studie zwei Zielsetzungen: Zunächst soll
       kommen erwirtschaftet werden kann (Ressourcen-                 ein geeigneter Index der Einkommensdiversifikation
       optimierung). Die Arbeitszeitallokation zwischen
       betrieblichen und außerbetrieblichen Tätigkeiten ist           1
       besonders im Hinblick auf die Saisonalität der                     Ein Beispiel hierfür sind die nationalen Erhebungen von
                                                                          Buchführungsdaten der in der EU ansässigen land-
       landwirtschaftlichen Produktion von Bedeutung.                     wirtschaftlichen Betriebe im Rahmen der FADN (Farm
       Durch die Allokation können Arbeitsressourcen                      Accountancy Data Network [INLB: Informationsnetz
       gleichmäßiger ausgelastet bzw. flexibler eingesetzt                Landwirtschaftlicher Buchführungen].

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       entwickelt werden (Kapitel 2). Des Weiteren werden              mender Heterogenität ausgedrückt werden kann. Eine
       Zusammenhänge zwischen diesem Ausmaß und                        geeignete Alternative zur Berücksichtigung der
       anderen betrieblichen und hauswirtschaftlichen Eigen-           Heterogenität von Aktivitäten bietet der von GOLLOP
       schaften empirisch untersucht (Kapitel 3). Als Daten-           und MONAHAN (1991) (GMI) entwickelte Diversifika-
       basis dient eine Primärerhebung von 321 landwirt-               tionsindex, der allerdings in den bisherigen agraröko-
       schaftlichen Haushalten im ausgewählten Bundesland              nomischen Studien kaum Anwendung fand. Dieser
       Schleswig-Holstein.                                             Index ist wie folgt definiert:

                                                                                                                      
                                                                       (1)      GMI  1 / 21   si2   si s k  ik  ,
       2. Messung der Diversifikation                                                          i       i k i         
                                                                                                          1/ 2
       Der Quantifizierung von Diversifikation kommt in                                  | w  wij     |
       dieser Studie eine zentrale Bedeutung zu. Hierfür               mit       ik    kj           
                                                                                                                und   0   ik  1 ,
       können verschiedene Indizes angewendet werden.                                    j    2         
       Zum Zweck dieser Arbeit soll ein Diversifikationsmaß
                                                                       wobei
       verwendet werden, das sowohl die Anzahl, die
                                                                       si, sk: Umsatz (Anteil) des Produktes/ der Aktivität i
       Verteilung als auch die Heterogenität der alternativen
                                                                               bzw. k,
       Aktivitäten berücksichtigt.
                                                                       wkj: Anteil der Kosten des Inputs j am Produkt/ der
             Als einfachster Ansatz gilt die Anzahl der er-                    Aktivität k,
       zeugten Produkte oder der verschiedenen Erwerbs-                wij: Anteil der Kosten des Inputs j am Produkt/ der
       zweige. Der Informationsgehalt dieses Maßes ist                         Aktivität i.
       jedoch gering, da die relative Bedeutung (Gewich-
       tung) der Aktivitäten vernachlässigt wird. Um die               Der Parameter σik bildet die Verknüpfung von
       relative Bedeutung der Einkommenskomponenten zu                 Aktivitäten bzw. Produkte über die betrieblichen
       erfassen, werden daher in den empirischen Studien               Ressourcen ab und stellt somit die Heterogenitäts-
       andere Maße vorgezogen, wie der Herfindahl-Index                komponente des GMI-Maßes dar. Der GMI steigt mit
       oder der Berry-Index (JACQUEMIN und BERRY, 1979).               der Anzahl der Aktivitäten und mit der Gleich-
       Bei diesen Maßen bleiben allerdings die Verschieden-            verteilung der Einkommensanteile; zudem steigt er
       artigkeit oder die Heterogenität einzelner Unterneh-            auch mit zunehmender Heterogenität der Aktivitäten
       mensaktivitäten unberücksichtigt. Aus diesem Grund              bzw. Produkte.2 Das heißt, die Diversifikation ist
       sind diese Indizes für die weitere Analyse wenig                umso höher, je weniger die Produkte oder Aktivitäten
       geeignet.                                                       durch den gleichen Ressourceneinsatz miteinander
             Bei der Ausübung verschiedener Tätigkeiten im             verbunden sind.
       landwirtschaftlichen Haushalt wird in unterschied-                   Bei den diversifizierenden Aktivitäten des land-
       licher Art und Weise auf gemeinsame betriebliche                wirtschaftlichen Haushalts ist die Erfassung aller
       Ressourcen zurückgegriffen. Deshalb kann die                    Inputs und damit der Heterogenitätskomponente (σik)
       Verschiedenartigkeit oder die Heterogenität einzelner           in der Regel nicht oder nur mit relativ hohem Auf-
       Aktivitäten Implikationen für den Umfang der                    wand möglich. Im Falle eines Mangels an Informa-
       Diversifikation haben. Der Grundgedanke hierbei                 tionen über den Inputeinsatz schlagen POMFRET und
       beruht auf der Überlegung, das Ausmaß von Verbund-              SHAPIRO (1980) alternativ vor, die Heterogenitäts-
       effekten implizit zu erfassen. Die Nutzung gemein-              komponente gemäß einem Klassifizierungssystem zu
       samer (fixer) Faktoren durch unterschiedliche Aktivi-           ermitteln. Hierfür können beispielsweise Industrie-
       täten führt zu Verbundeffekten, welche die Diversi-             klassifikationen wie das amerikanische SIC (Standard
       fikation fördern und einer Spezialisierung entgegen-
       wirken. Eine Folge von Verbundeffekten beispiels-               2
                                                                             Nimmt der Parameter der Heterogenitätskomponente für
       weise durch die Nutzung gleichartiger Faktoren ist,                   alle Produktkombinationen den Wert σik = 1 an, was
       dass das Risiko von Preisschwankungen auf der                         vollkommener Verschiedenartigkeit entspricht, so ergibt
       Inputseite je nach Umfang der Verknüpfung positiv                     dies ebenfalls die Hälfte des Berry-Index. Sind die be-
       zwischen den Aktivitäten korreliert ist. Je geringer die              rücksichtigen Produkte bzw. Aktivitäten über keine ge-
                                                                             meinsame Ressourcennutzung miteinander verflochten,
       Verknüpfung c.p., desto stärker ausgeprägt ist der                    ergibt sich für den GMI und den Berry-Index ein
       risikomindernde Effekt der Diversifizierung, was                      gleicher Wert. Bei einer Verflechtung der Aktivitäten ist
       durch ein steigendes Diversifikationsmaß bei zuneh-                   der GMI stets kleiner als der Berry-Index.

                                                                  79
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       Industrial Classification) oder das in Europa verwen-                 3. Empirische Analyse
       dete NACE (Nomenclature generale des activites eco-
       nomiques) herangezogen werden. In diesen Klassifi-                    3.1 Datenbasis
       kationen werden verschiedene wirtschaftliche Aktivi-
                                                                             Die erforderlichen Daten wurden anhand einer
       täten mit einem Code versehen. Gleiche Aktivitäten
                                                                             schriftlichen Befragung landwirtschaftlicher Haus-
       gleichen sich in der ersten Ziffer dieses Codes, der
                                                                             halte in Schleswig-Holstein gewonnen. In Koopera-
       dann nach inhaltlicher Zugehörigkeit bis in die vierte
                                                                             tion mit dem Landwirtschaftlichen Buchführungs-
       oder fünfte Ebene weiter untergliedert wird. Damit
                                                                             verband (LBV) im Februar und März 2006 wurden die
       bedeutet eine Abweichung zweier Aktivitäten in der
                                                                             Fragebögen an 1 214 Landwirte verschickt. Die Rück-
       ersten Stelle des Klassifikationscodes eine größere
                                                                             laufquote betrug ca. 28 %. Es liegen 321 vollständig
       Ungleichheit, als wenn die Abweichung erst in der
                                                                             beantwortete Fragebögen vor, die die empirische
       zweiten Ebene usw. auftritt. Basierend auf dieser
                                                                             Basis für die weiteren Analysen darstellen.
       Empfehlung wird der GMI wie folgt modifiziert
                                                                                   Der hierfür erstellte Fragebogen deckt inhaltlich
       (GMImod):
                                                                             vier Komplexe ab: i) sozioökonomische Angaben (u.a.
                                                                           Berufsausbildung, Hofnachfolge), ii) Daten zu außer-
       (2)      GMImod  1 / 21   si2   si sk ik                     landwirtschaftlichen Aktivitäten iii) Wertung von
                                  i       i k i                           alternativen Einkommensquellen sowie betrieblichen
                          z ik                                               und ökonomischen Rahmenbedingungen (u.a. allge-
       mit        ik           und   0   ik  1 ,                        meine Bewertungen)4 und iv) Angaben zu landwirt-
                          Z
                                                                             schaftlicher Urproduktion und der Gewinnsituation
       wobei                                                                 des Agrarbetriebes.
       zik: Dummyvariable auf Basis einer Industrie-                               Basierend auf der Einteilung der amtlichen
             klassifizierung,3                                               Statistik wurden bei dem zweiten Fragebogenteil (ii)
       Z:    Anzahl der berücksichtigten Unterebenen.                        acht Einkommenskomponenten, die im Zusammen-
                                                                             hang mit dem landwirtschaftlichen Betrieb stehen,
       Beide Indizes (GMI, GMImod) erfüllen die Anforde-
                                                                             ausdifferenziert und abgefragt: (1) Fremdenverkehr
       rungen an ein geeignetes Diversifikationsmaß hin-
                                                                             und Beherbergung, (2) Verarbeitung landwirtschaft-
       sichtlich der Anzahl, Verteilung und Heterogenität der
                                                                             licher Erzeugnisse und Direktvermarktung, (3) Dienst-
       Aktivitäten und werden im Folgenden verwendet.
                                                                             leistungen oder vertragliche Arbeiten, (4) Pensions-
       Diese Maße liegen im Wertebereich, der von 0 bis 1
                                                                             pferdehaltung, (5) Erzeugung erneuerbarer Energien,
       normiert ist, wodurch die Interpretation von Werten
                                                                             (6) Einkommen aus Veranstaltungen, Sport- und
       und relativen Änderungen erleichtert wird. Dabei sind
                                                                             Freizeitaktivitäten, (7) Anbau und Verkauf von Weih-
       Haushalte mit einem Wert von 0 vollkommen auf eine
                                                                             nachtsbäumen, (8) sonstige Aktivitäten. Im Hinblick
       Einkommensquelle spezialisiert, während alle Werte
                                                                             auf ihre Bedeutung für Schleswig-Holstein wurden die
       über 0 auf den Grad der Einkommensdiversifikation
                                                                             Aktivitäten der Energieerzeugung (5) weiterhin in vier
       schließen lassen.
                                                                             Einzelmaßnahmen differenziert. Darüber hinaus
                                                                             wurden in diesem Fragebogenteil, als ein wesentliches
                                                                             Element der Befragung, auch die Einkünfte aus
                                                                             Kapitalvermögen und außerbetrieblicher Beschäfti-
                                                                             gung ermittelt. Die eigentliche landwirtschaftliche Ur-
                                                                             produktion ist als eine mögliche Aktivität betrachtet.
                                                                             Insgesamt konnten 14 Aktivitäten unterschieden
       3
             Die Werte für zik ergeben sich gemäß der Einteilung der         werden, die schließlich in das Maß der Einkommens-
             Aktivitäten im jeweiligen Klassifikationssystem wie             diversifikation flossen.
             folgt: zik =0 wenn zwei Aktivitäten dem gleichen Klassi-
             fikationscode zugeordnet werden; zik =1 bei Abwei-
             chung der Klassifizierung in der letzten Stelle des
                                                                             4
             Klassifikationscodes; zik =2 bei Abweichung der Klassi-             In diesem Fragenkomplex wurden unter anderem Aus-
             fizierung in der vorletzten Stelle des Klassifikations-             sagen zur allgemeinen Bewertung der begünstigenden
             codes; …; zik =Z bei einer Abweichung in der Z-letzten              Faktoren von Einkommensdiversifikation erfasst. Die
             Stelle des Klassifikationscodes. Je verschiedenartiger              ermittelten Wertungen wurden mit Hilfe der Faktorana-
             also die Aktivitäten sind, desto höher ist der Wert von             lyse in sechs Gruppen einsortiert, auf die im Kapitel 3.3
             zik und damit von ik.                                              eingegangen wird.

                                                                        80
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       3.2 Bedeutung der                                                    verschiedenen Einkommenskomponenten und der
           Einkommensdiversifikation                                        darauf entfallenden Arbeitszeiten dargestellt.6 Der
                                                                            durchschnittliche Einkommensbeitrag aller alterna-
       Der Grad der Einkommensdiversifikation wurde
                                                                            tiven Aktivitäten abseits der klassischen landwirt-
       mittels des modifizierten Gollop-Monahan-Indexes
                                                                            schaftlichen Produktion beträgt bei diesen Haushalten
       (Gleichung 2) ermittelt. Für die Berechnung der Ver-
                                                                            etwa 27 %. Darunter werden 9 Prozentpunkte in
       teilungskomponente (si, sk) wurde der Anteil am Haus-
                                                                            außerbetrieblicher Beschäftigung (Lohnarbeit) und
       haltseinkommen berücksichtigt. Bei der Ermittlung
                                                                            5 Prozentpunkte aus sonstigen Quellen erzielt (u.a.
       der Heterogenitätskomponente (zik bzw. ik) wurde auf
                                                                            Kapitaleinkünften, Vermietung, Verpachtung, Renten,
       die deutsche Klassifikation der Wirtschaftszweige
                                                                            Pensionen und Kindergeld). Auf die restlichen alter-
       zurückgegriffen, die insgesamt fünf Ebenen (Z = 5)
                                                                            nativen Aktivitäten entfallen 13 % des Gesamt-
       berücksichtigt (DESTATIS, 2003).5 Der hierdurch
                                                                            einkommens. Unter diesen Aktivitäten dominieren
       ermittelte GMImod erreicht einen durchschnittlichen
                                                                            Fremdenverkehr, Direktvermarktung, Dienstleistun-
       Wert von 0,240 und einen Maximalwert von 0,720.
                                                                            gen sowie die Erzeugung erneuerbarer Energien.
       Abbildung 1 veranschaulicht die Werte des GMImod in
       einem Histogramm verbunden mit einer Darstellung
                                                                            3.3 Bestimmungsfaktoren der
       der Kerndichteschätzung. Hieraus wird deutlich, dass
                                                                                Einkommensdiversifikation
       über ein Viertel der landwirtschaftlichen Haushalte
       einen Wert von nahe Null erzielt, d.h. diese Haushalte               Zur Weiterführung der Analyse gilt es, anhand der
       erwirtschaften fast 100 % des Haushaltseinkommens                    theoretischen Überlegungen Variablen zu identifi-
       aus der landwirtschaftlichen Urproduktion (Agrar-                    zieren, die einen Einfluss auf das Diversifikationsmaß
       güter).                                                              (GMImod) haben. Es lassen sich drei Gruppen von
            Ein Großteil der Haushalte (Dreiviertel) bezieht                Variablen identifizieren: 1) betriebliche und 2) sozio-
       zusätzliches Einkommen aus mindestens einer weite-                   ökonomische Eigenschaften sowie 3) allgemeine Be-
       ren Aktivität. In Abbildung 2 sind die Anteile der                   wertungen des landwirtschaftlichen Haushalts zu
                                                                                         diversifikationsfördernden Effekten (Ta-
                                                                                         belle 1), die nachfolgend diskutiert werden.
       Abbildung 1. Verteilung des modifizierten                                              Die betrieblichen Eigenschaften
                    Gollop-Monahan-Indexes                                               können durch die Größe und die Struktur
                                                                                         des Agrarbetriebes abgebildet werden
                                                                                         (MISHRA et al., 2004; BOWLER et al., 1996).
                                                                                         Es wird hier davon ausgegangen, dass die
                                                                                         Höhe des landwirtschaftlichen Einkom-
                                                                                         mens die eigentlich relevante Größe ist.
                                                                                         Wir unterstellen, dass ein unzureichendes
                                                                                         Einkommen aus landwirtschaftlicher
                                                                                         Tätigkeit die Haushalte zur Aufnahme
                                                                                         alternativer Erwerbsquellen veranlasst.
                                                                                         Der Grad der Einkommensdiversifizierung
                                                                                         sinkt demnach mit der Höhe des land-
                                                                                         wirtschaftlichen Einkommens. Betrachtet
                                                                                         man das landwirtschaftliche Einkommen
                                                                                         als Indikator für die Betriebsgröße, so
                                                                                         wird die Hypothese auch teilweise durch
                                                                                         die theoretischen Befunde des Erwartungs-
       Quelle: eigene Berechnungen
                                                                                         wert-Varianz-Ansatzes gestützt: Daraus
                                                                            lässt sich ableiten, dass der Einsatz von außerbetrieb-
       5                                                                    licher Arbeitszeit mit zunehmender Größe des Agrar-
           Für die genaue Einteilung in die passende Unterebene
           wurde ein großer Teil der Fragebogeninformationen
                                                                            6
           genutzt. So wurden beispielsweise Aktivitäten der Direkt-            Es wurden nur die Haushalte berücksichtigt, die wenigs-
           vermarktung je nach verkauften Erzeugnissen und Ver-                 tens aus einer alternativen unternehmerischen Aktivität
           triebsform in insgesamt acht unterschiedliche Katego-                abseits der Urproduktion oder aus außerbetrieblicher
           rien eingeteilt.                                                     Beschäftigung Einkommen bezogen haben.

                                                                       81
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       Abbildung 2. Anteil alternativer Einkommensquellen an Haushaltseinkommen und Arbeitszeit
                          a) Anteil am Haushaltseinkommen                                    b) Arbeitszeitanteil

                                            13%                                                           10%

                                                    9%                                                              11%

                                                      5%

                           73%
                                                                                           79%

                        Alternative untern. Einkommensquellen
                                                                                       Alternative untern. Einkommensquellen
                        Außerbetriebliche Beschäftigung
                                                                                       Außerbetriebliche Beschäftigung
                        Sonstige Einkommensquellen
                                                                                       Sonstige Einkommensquellen
                        Landwirtschaftliche Urproduktion

       Quelle: eigene Berechnungen

       betriebes sinkt (MCNAMARA und WEISS, 2005).                        gedanke hierbei ist, dass das Ertragsrisiko bei einer
       Basierend auf dem risikominimierenden Ansatz kann                  niedrigen Korrelation zwischen den verschiedenen
       weiterhin argumentiert werden, dass arme Haushalte,                Ertragsquellen durch die Diversifikation reduziert
       die relativ höhere Risikoaversion als reichere Haus-               werden kann (POPE UND PRESCOTT, 1980; BARRET et
       halte haben, eine höhere Diversifikation anstreben, um             al., 2001). Wenn ein risikoaverser Unternehmer sein
       dadurch das Einkommen zu stabilisieren (BARRET et                  Einkommensrisiko durch eine Diversifikation der
       al., 2001). Abgeschwächt wird dieses Argument                      Agrarproduktion zu verringern versucht, wird sein
       jedoch hierdurch, dass ärmere Haushalte generell                   Anreiz für weitere risikomindernde Maßnahmen
       begrenzte Möglichkeiten zu Investitionen in den                    kleiner. Dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit der
       außerbetrieblichen Aktivitäten haben: Sie verfügen in              Aufnahme alternativer Aktivitäten bei hoch diversifi-
       der Regel über unzureichendes Kapital- und Human-                  zierten landwirtschaftlichen Betrieben (ceteris paribus).
       vermögen sowie haben eingeschränkten Zugang zu                     Dieser theoretische Zusammenhang ist jedoch em-
       diesen (externen) Ressourcen (BLOCK und WEBB,                      pirisch nicht eindeutig belegt. Beispielsweise zeigen
       2001; SCHWARZE und ZELLER, 2005). Um den Zu-                       VERGARA et al. (2004), dass die steigende Variabilität
       sammenhang zwischen der Höhe des landwirtschaft-                   der landwirtschaftlichen Erlöse keinen Einfluss auf
       lichen Einkommens (bzw. der Betriebsgröße) und der                 die Arbeitsmarktpartizipation hat. Dagegen stellten
       Einkommensdiversifikation empirisch zu prüfen,                     SERRA et al. (2005) einen positiven Zusammenhang
       wurden alle Haushalte in vier Einkommensgruppen                    fest. Die Variable GMI-Landwirtschaft besteht aus
       eingeteilt: bis 10 000 Euro, 10 000 bis 50 000 Euro,               drei Gruppen. Die Betriebe mit dem niedrigsten Ni-
       50 000 bis 100 000 Euro und über 100 000 Euro.                     veau an Diversifikation (bis 0,3) sind in der Gruppe 1,
            Weiterhin können Agrarbetriebe diverse struktu-               in der mittleren Gruppe sind die Betriebe mit dem
       relle Unterschiede, wie z.B. hinsichtlich des Grades               Wert von GMI(ldw.) von 0,3 bis 0,5 zusammengefasst,
       der landwirtschaftlichen Diversifikation bzw. der                  und die dritte Gruppe beinhaltet hochdiversifizierte
       dominierenden Produktionsausrichtung (Spezialisie-                 Unternehmen mit GMI(ldw.) höher als 0,5.7
       rung) verzeichnen. Der Diversifikationsgrad der land-
       wirtschaftlichen Produktion wird gemäß der Defini-
                                                                          7
       tion und Ermittlung vom GMI (Gleichung 1) be-                          Die kategorialen Variablen bei den Größen: Landwirt-
                                                                              schaftliches Einkommen und GMI_landw wurden so
       stimmt (GMI-Landwirtschaft). Unseren Überlegungen
                                                                              gebildet, dass ein Trennwert ungefähr beim Mittelwert
       zufolge, kann diese Variable als Proxy für das                         und weitere Trennwerte bei jeweils ± Standardabwei-
       Risikoverhalten des Betriebsleiters gelten. Der Grund-                 chung liegen.

                                                                     82
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      Tabelle 1. Deskriptive Statistik der Variablen
                                    Erfassung                                   Mittelwert     Std. Abw.      Min.         Max.
           Endogene Variable        GMImod                                        0,239          0,220           0         0,720
           Exogene Variablen
                                    Größe: Einkommensklassen                           2,5        0,8             1            4
           Betriebliche
                                    GMI-Landwirtschaft                                 2,0        0,7             1            3
           Faktoren
                                    Milchquote, Tsd. Kg                              0,276      0,299             0        1,397
                                    Landw. Ausb.: Meister/vglb. (D)                    0,7        0,5             0            1
                                    Landw. Ausb.: Uni oder FH. (D)                     0,2        0,4             0            1
                                    Außerlandw. Ausbildung (D)                         0,7        0,5             0            1
           Sozioökonomische
                                    Zeit seit Betriebsübernahme                       16,5        9,1             1           46
           Variablen
                                    Anzahl der Familienmitglieder ab 15 Jahre          2,0        1,3             0            7
                                    Hofnachfolge geplant (D)                           0,3        0,5             0            1
                                    Hofnachfolge läuft aus (D)                         0,1        0,3             0            1
                                    Kapitalbegrenzung                                    0          1          -2,4          2,6
                                    Arbeitskapazität                                     0          1          -3,1          2,6
           Allgemeine Bewertungen
                                    Zufriedenheit                                        0          1          -2,7          3,0
           (Faktoren)
                                    Staatliche Zahlungen                                 0          1          -2,8          2,5
                                    Wachstumshindernis                                   0          1          -2,1          3,0
      Anm.: D: Dummyvariable
      Quelle: eigene Erhebung.

            Betrachtet man die Produktionsausrichtung bzw.                 Ergebnis der personellen und familiären Interaktionen
       Spezialisierung, so können sich die Betriebe durch die              sowie der gemeinsamen Vorhaben und Ziele sind
       Nutzung und Verteilung der Produktionsfaktoren,                     (GASSON und ERRINGTON, 1993). Eine große Bedeu-
       insbesondere der Arbeitszeit unterscheiden. Zwei                    tung kommt hierbei dem vorhandenen Humankapital
       Beispiele hierfür sind Milchvieh- und Ackerbau-                     im landwirtschaftlichen Haushalt zu (Ausbildung,
       spezialbetriebe. Zahlreiche empirische Untersuchun-                 Erfahrung). Empirische Studien zeigen, dass höhere
       gen zeigten, dass Milchproduzenten aufgrund von                     allgemeine (außerlandwirtschaftliche) Schul- und
       hohem Überwachungs- und Verwaltungsaufwand                          Berufsausbildung der Betriebsleitung (inklusive Ehe-
       besonderen Arbeitszeitrestriktionen unterliegen, wo-                partner) höhere außerbetriebliche Löhne erwarten
       durch weniger Zeit für außerbetriebliche Tätigkeit                  lässt: Dadurch erhöhen sich die Opportunitätskosten
       bleibt (ALLEN und LUECK, 2003; BATEMAN und RAY,                     der außerlandwirtschaftlichen Beschäftigung und
       1994; BOWLER et al., 1996; MISHRA et al., 2004).                    somit die Wahrscheinlichkeit einer Arbeitsmarkt-
       Entsprechend kann die Hypothese zugrunde gelegt                     partizipation (HUFFMAN, 1980; BROSIG et al., 2007).
       werden, dass Milchviehbetriebe eine niedrigere Ein-                 Dagegen ist der Einfluss der landwirtschaftlichen
       kommensdiversifikation GMImod aufweisen.8 Um den                    Fachausbildung auf die Einkommensdiversifikation
       Zusammenhang zwischen Produktionsausrichtung und                    nicht eindeutig. Einerseits zeigen einige Studien
       GMImod zu testen, wurde eine Variable berücksichtigt,               (HOCKMANN und PIENIADZ, 2008), dass eine gute
       welche die Spezialisierung des Betriebes auf die                    Fachausbildung die einzelbetrieblichen Ineffizienzen
       Milchproduktion indiziert. Diese Variable ist als Höhe              verringert. Der hierdurch erzielte Produktivitätsvor-
       der vorhandenen Milchquote definiert.                               sprung kann sich auf das erwirtschaftete landwirt-
            Sozioökonomische Variablen spielen bei Ana-                    schaftliche Einkommen positiv auswirken, wodurch
       lysen der landwirtschaftlichen Haushalte eine wich-                 die Erschließung alternativer Einkommensquellen
       tige Rolle, da die unternehmerischen Entscheidungen                 ökonomisch unattraktiver wird. Andererseits kann
                                                                           eine hohe Fachausbildung die Fähigkeit verbessern,
                                                                           alternative unternehmerische Aktivitäten in benach-
       8
             Bei Ackerbaubetrieben herrschen hingegen saisonale            barten Gebieten zu erschließen (z.B. Biogasanlage).
             Arbeitsspitzen und Zeiten mit geringerem Arbeitsauf-          Außerdem eröffnen sich für hochqualifizierte Land-
             kommen in der landwirtschaftlichen Produktion vor.
                                                                           wirte auch Beschäftigungsmöglichkeiten im Dienst-
             Daher kann erwartet werden, dass Ackerbaubetriebe mit
             höherer Wahrscheinlichkeit alternative Einkommens-            leistungssektor, z.B. in landwirtschaftlichen Beratungs-
             quellen erschließen.                                          diensten.

                                                                      83
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             Die Leiter der untersuchten Betriebe verzeichnen,             Vorhandensein (k)eines potentiellen Hofnachfolgers
       im Vergleich mit Betriebsleitern in Deutschland, ein                (das Kind oder andere Nachkommen) entwickeln
       überdurchschnittliches Ausbildungsniveau. So haben                  können. Diesbezüglich sind zwei Entwicklungen
       ca. 22 % der Betriebsleiter einen Universitäts- oder                denkbar: Zum Einen stellt TIETJE (2004) fest, dass der
       einen Fachhochschulabschluss, annähernd 67 % haben                  Nebenerwerb – also vorwiegend die außerbetriebliche
       einen Landwirtschaftsmeister oder einen vergleich-                  Beschäftigung – eine Vorbereitung auf die spätere
       baren Abschluss. Ca. 8 % besitzen eine außerlandwirt-               Übergabe des Betriebes ist. Die Betriebsleiter sind oft
       schaftliche Ausbildung. Die drei Arten von Ausbil-                  bestrebt, die Hofnachfolger möglichst frühzeitig in die
       dungen werden in der Schätzung mithilfe von ent-                    betriebliche Entscheidungsfindung einzubeziehen.
       sprechenden Dummy-Variablen berücksichtigt.                         Somit kann die frei gesetzte Arbeitszeit des Betriebs-
             Eine wichtige Komponente des Humankapitals                    leiters für andere Aktivitäten verwendet werden. Trifft
       ist die berufliche Erfahrung des Betriebsleiters. Diese             diese Annahme zu, so ist in diesem Fall ein positiver
       Fähigkeit kann adäquat durch die Zeit nach der                      Zusammenhang zwischen GMImod und der gesicherten
       Betriebsübernahme repräsentiert werden. Weiterhin                   Hofnachfolge zu erwarten. Dagegen haben ältere
       können im Zeitablauf nicht nur die fachlichen Kom-                  Landwirte ohne Nachfolgeregelung einen geringeren
       petenzen (Erfahrungen) gewonnen, sondern auch das                   Anreiz, in neue Unternehmungen und Wachstum zu
       erforderliche Vermögen akkumuliert werden. Das                      investieren. Die Unternehmensstruktur ist in diesen
       Vorhandensein dieser Ressourcen erhöht die Wahr-                    Fällen in der Regel weniger diversifiziert (POTTER
       scheinlichkeit der Erschließung zusätzlicher Aktivitä-              und LOBLEY, 1992). Die beiden Zustände (geplante
       ten und somit die Einkommensdiversifikation. Aller-                 Hofnachfolge, keine Hofnachfolge) werden in der
       dings belegen einige Studien, dass ab einem Alter                   Schätzung durch Dummy-Variablen dargestellt.
       von etwa 50-55 Jahren die Wahrscheinlichkeit der                          In der Befragung wurden die Haushalte unter
       Arbeitsmarktpartizipation wieder abnimmt (vgl. bspw.                anderem darum gebeten, insgesamt 16 Aussagen zu
       HUFFMAN, 1980; SUMNER, 1982). Dieser nichtlineare                   allgemeiner Bewertung der begünstigenden Faktoren
       Lebenszykluseffekt wird oft mit familienbedingten                   von Einkommensdiversifikation zu treffen. Jede der
       Einkommensansprüchen, unterschiedlicher Leistungs-                  Aussagen konnte auf einer fünfstufigen Skala mit
       fähigkeit des Betriebsleiterehepaares sowie Risiko-                 „trifft voll auf mich zu“ bis „trifft gar nicht auf mich
       bereitschaft in verschiedenen Lebensabschnitten be-                 zu“ bewertet werden. Die ermittelten Wertungen
       gründet (SUMNER und LEIBY, 1987).                                   wurden mit Hilfe der Faktoranalyse in fünf Gruppen
             Eine wichtige Rolle kann auch die Zusammen-                   zusammengefasst. Dabei wurden jeweils mehrere
       setzung des Haushaltes spielen. Es wird erwartet, dass              ähnliche Bewertungen in einem Faktor gebündelt,
       je mehr arbeitsfähige Familienmitglieder dem Haus-                  welcher als erklärende Variable in der ökonometri-
       halt zur Verfügung stehen, umso mehr freie Arbeits-                 schen Analyse berücksichtigt wurde. Die jeweiligen
       kapazitäten entstehen, die in andere Aktivitäten außer-             Faktorenvariablen dienen als theoretische Konstrukte
       halb der landwirtschaftlichen Urproduktion eingesetzt               für Kapitalbegrenzung, Arbeitskapazität, Zufriedenheit,
       werden können. Um diese Hypothese zu testen, wurde                  Einfluss staatlicher Investitionsförderung und Wachs-
       in dem empirischen Modell die Anzahl der Familien-                  tumshindernisse (vgl. RATHMANN, 2007). Dabei
       mitglieder ab 15 Jahre als erklärende Variable berück-              bedeuten die niedrigen Faktorwerte hohe Zustimmung
       sichtigt.9 Diese Variable erlaubt somit die Effekte der             zu den jeweils erfassten Aussagen bzw. Aspekten.
       Familienarbeitallokation auf die Diversifikations-                  Gemäß den berechneten Faktorladungen lassen sich
       entscheidungen zu prüfen. Es wird ein positiver                     folgende Hypothesen aufstellen:
       Einfluss dieser Variablen auf GMImod erwartet.                            Mit „Kapitalbegrenzung“ wurden beispielsweise
             Ein weiterer Grund für die Aufnahme alternativer              Aussagen gebündelt, nach denen mangelnde Fach-
       Aktivitäten kann die Weiterführung des Betriebes im                 kenntnis und damit „Humankapital“ im weitesten
       Generationswechsel sein. In diesem Zusammenhang                     Sinne sowie hohe Investitionskosten gegen die Durch-
       soll zunächst grundlegend festgestellt werden, welche               führung einer Aktivität abseits der landwirtschaft-
       Strategien die Betriebsleiter im Hinblick auf das                   lichen Urproduktion sprechen. Die Aussage, dass gegen
                                                                           Diversifizierung vor allem hohe Investitionskosten
                                                                           sprechen, trifft für ca. 50% der befragten Haushalte voll
       9                                                                   bzw. teilweise zu. Die niedrigen Werte bei diesem
           Bei der Variablen wurden alle in einem Haushalt lebenden
           Personen über 15 Jahre außer dem Betriebsleiter und             Faktor entsprechen einer hohen Zustimmung des
           seinem Ehepartner berücksichtigt.                               Haushalts zu den vorliegenden Kapitalbegrenzungen.

                                                                      84
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       Es wird erwartet, dass niedrige Werte bei „Kapital-                   In der Realität der mikroökonomischen Forschung
       begrenzung“ mit niedrigen Werten von GMImod asso-               lässt sich dieses strikte Modell, bei dem Ursache und
       ziiert sind.                                                    Wirkung exakt voneinander getrennt sind, jedoch
             Des Weiteren entsprechen niedrige Werte bei               meist nicht aufrechterhalten (BENJAMIN und KIMHI,
       dem Faktor „Arbeitskapazität“ einer hohen Zustim-               2006; WOOLDRIDGE, 2009). Insbesondere die Ein-
       mung zum Vorhandensein freier Arbeitskapazitäten,               beziehung der betrieblichen Variablen in das ökono-
       so dass deren Mangel nicht einer alternativen Aktivi-           metrische Modell zur Erklärung der Einkommens-
       tät entgegensteht. Daraus ergibt sich die Hypothese,            diversifikation kann wegen der möglichen Endo-
       dass je kleiner der Wert vom Faktor „Arbeitskapazi-             genitätsproblematik zu verzerrten Schätzergebnissen
       täten“ ist, desto größer ist seine diversifikations-            führen. Vor allem durch die Einbeziehung der Variablen
       fördernde Wirkung.                                              „landwirtschaftliche Einkommen“ und „GMI_landw“
             Als „Zufriedenheit“ können weiterhin geringe              können die verschiedensten Interdependenzen auftreten.
       Faktorwerte interpretiert werden, wenn ein Haushalt             Dagegen kann bei der Produktionsausrichtung (Milch-
       mit der landwirtschaftlichen Tätigkeit hinsichtlich des         viehbetriebe) davon ausgegangen werden, dass diese
       generierten Einkommens, betrieblicher Arbeitsorgani-            Variable eher exogen ist, da diese Ausrichtung stark
       sation sowie zukünftigen Wachstums- und Speziali-               von den historisch festgelegten Milchquoten abhängt.
       sierungsperspektiven der klassischen Produktionsbe-                   Zur Berücksichtigung der Problematik wurde wie
       reiche zufrieden ist. „Zufriedenheit“ impliziert geringe        folgt vorgegangen: Zuerst haben wir alternative Spezi-
       Anreize zur Aufnahme alternativer Erwerbsquellen.               fikationen des Modells geschätzt, um die Robustheit der
       Folglich wird ein positiver Zusammenhang zwischen               Schätzergebnisse zu überprüfen. Im nächsten Schritt
       „Zufriedenheit“ und dem GMImod angenommen.                      wurden verschiedene Tests auf Vorliegen des Endoge-
             Unter dem Faktor „staatliche Zahlungen“ wurden            nitätsproblems durchgeführt.
       Bewertungen zur Wirkung von Direktzahlungen und                       Um die Robustheit der Schätzergebnisse zu
       Investitionsförderungen zusammengefasst. Hierbei be-            prüfen, wurden die drei betrieblichen Variablen, einzeln
       deuten niedrige Zustimmungswerte und folglich hohe              und gemeinsam aus dem Modell herausgenommen,
       Faktorwerte, dass diese staatlichen Fördermaßnahmen             und die Schätzergebnisse miteinander verglichen. Die
       einen geringen Einfluss auf die betriebliche Um-                alternativen Spezifikationen zeigten sehr robuste Er-
       strukturierung bzw. auf die Durchführung von Investi-           gebnisse. In allen Spezifikationen behielten die be-
       tionen in neue Tätigkeitsbereiche haben. Es wird                rücksichtigten (verbliebenen) Variablen die gleichen
       erwartet, dass dieser Faktor negativ mit GMImod                 Vorzeichen wie im ursprünglichen Modell. Das Sig-
       korreliert ist.                                                 nifikanzniveau der Variablen hat sich nur in einzelnen
             Der fünfte Faktor „Wachstumshindernis“ bezieht            Fällen unwesentlich verändert. Diese Befunde weisen
       sich auf Einschränkungen in der landwirtschaftlichen            darauf hin, dass die Schätzergebnisse des ursprüngli-
       Produktion infolge der steigenden Faktorpreise, wie             chen Modells als relativ zuverlässig angesehen werden
       Pacht oder Kauf von Land oder Milchquoten. In                   können.
       diesem Fall kann die Allokation der vorhandenen                       Die Tests auf Vorliegen des Endogenitätsprob-
       Haushaltsressourcen zu alternativen Aktivitäten eine            lems basierten auf dem Instrumentenvariablenansatz.
       einkommenssichernde Strategie sein. Somit wird ein              Hierfür wurde zuerst ein Modell mit Instrumenten-
       positiver Zusammenhang zwischen dem Faktor                      variablen geschätzt. Anschließend wurde das ur-
       „Wachstumshindernis“ und GMImod unterstellt.                    sprüngliche Modell auf Vorliegen des Endogenitäts-
                                                                       problems getestet. Beispielsweise wurde die landwirt-
       3.4 Ergebnisse der                                              schaftliche Nutzfläche als Instrumentenvariable für
           ökonometrischen Analyse                                     das „Landwirtschaftliche Einkommen“ verwendet.10
                                                                       Da in unserer Studie die landwirtschaftliche Diversi-
       Auswahl des empirischen Modells
       Im vorherigen Kapitel haben wir einige theoretische
       Variable definiert, die primär modellexogen sind und            10
                                                                            Die LNF kann als nahezu exogen in Bezug auf Ent-
       die auf die modellendogene abhängige Variable                        scheidungen über die nichtlandwirtschaftliche Diversi-
       (GMI_mod) wirken. In dem theoretischen Modell                        fikation angesehen werden. Dies gilt vor allem für die
       wird somit unterstellt, dass der Störterm alle unsyste-              Betriebe in SH, deren Möglichkeiten zur Ausweitung
                                                                            der betrieblichen Produktionskapazitäten bzw. der land-
       matischen Einflüsse aufnimmt und keinerlei Abhän-                    wirtschaftlichen Nutzfläche aufgrund des starken Wett-
       gigkeiten von den unabhängigen Variablen aufweist.                   bewerbs um den Faktor Boden stark eingeschränkt sind.

                                                                  85
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       Tabelle 2. Ergebnisse der Tobit-Analyse zur Erklärung der Einkommensdiversifikation
                                     Variable                                              Koeffizient                Std.-Fehler
                                     Konstante                                                0,0337                    0,0751
                                     Größe: Einkommensklassen                              -0,0651***                   0,0163
        Betriebliche
                                     GMI-Landwirtschaft                                     0.0578***                   0,0167
        Faktoren
                                     Milchquote (Tsd. Kg)                                  -0,1329***                   0,0483
        Sozioökonomische             Landw. Ausb.: Meister/vglb. (D)                        0,1391***                   0,0397
        Variablen                    Landw. Ausb.: Uni oder FH. (D)                         0,2268***                   0.0450
                                     Außerlandw. Ausbildung (D)                               0,0273                    0,0269
                                     Zeit seit Betriebsübernahme                              0,0022                    0,0015
                                     Anzahl der Familienmitglieder ab 15 Jahre              0,0298***                   0,0094
                                     Hofnachfolge geplant (D)                                 0,0419                    0,0306
                                     Hofnachfolge läuft aus (D)                               -0,0114                   0,0519
        Allgemeine Bewertungen       Kapitalbegrenzung                                     0,0498***                    0,0127
        (Faktoren)                   Arbeitskapazität                                      -0,0576***                   0,0135
                                     Zufriedenheit                                         0,0383***                    0,0139
                                     staatliche Zahlungen                                    -0,0091                    0,0123
                                     Wachstumshindernisse                                     0,0063                    0,0126

        Gütemaße                     R2MZ                                                     0,357
                                     R2McF                                                    0,743
                                     korr,R2McF                                               0,567
                                     LR2(15) (Sign.-Niv.)                                  143.69***
       Anm.: ***, **, * kennzeichnet Signifikanzniveaus von 1%, 5% und 10%. R2McF: McFaddens’, R2MZ Bestimmtheitsmaß nach McKelvey und
       Zaviona.;Anzahl der Beobachtungen: 321
       Quelle: eigene Berechnungen

       fikation (GMI_landw) als Proxy für das Risiko-                             Nach Abwägung aller bisherigen Testergebnisse,
       verhalten des Betriebsleiters gilt, wurden als Instru-                Beurteilung der Güte der geschätzten Spezifikatio-
       mente verschiedene soziodemografische Eigenschaf-                     nen14 und unter Berücksichtigung der vorhandenen
       ten des Haushalts (Alter des Betriebsleiters; Anzahl                  Informationen bzw. Daten wurde eine Modellspe-
       der Kinder) als Instrumentvariablen für GMI_landw                     zifikation gewählt, die im Folgenden interpretiert wird.
       verwendet.11 Die Schätzung wurde mit Hilfe des                        Des Weiteren war das Tobit-Modell für die Analysen
       2SLS-Ansatzes durchgeführt.12 Die durchgeführten                      besonders geeignet, da die endogene Variable
       Tests (Hausman) haben gezeigt, dass OLS dem 2SLS                      (GMImod) zensiert ist (MADDALA, 2001). Sie variiert
       vorzuziehen ist.13 Ein möglicher Grund hierfür kann                   im Wertebereich zwischen 0 und 1.
       die Benutzung von schwachen Instrumenten sein                              Die Schätzergebnisse des Tobit-Modells sind in
       (MURRAY, 2006). Da der vorliegende Datensatz keine                    Tabelle 2 zusammengestellt. Die relativ hohen Werte
       besseren Instrumente enthält, wird auf die Verwen-                    der Bestimmtheitsmaße und die hohe Signifikanz der
       dung des 2SLS-Modells verzichtet.                                     Teststatistik weisen auf eine gute Modellanpassung hin
                                                                             und belegen die Relevanz der im Modell verwendeten
                                                                             Variablen.
       11
            Die existierende Literatur zeigte, dass Faktoren wie das         Interpretation der Ergebnisse
            Alter, der Familienstand, das Geschlecht und die Struktur        Bei den geschätzten Parametern zu betrieblichen
            der Familie einen Einfluss auf die Einstellung zum
            Risiko haben. Gleichzeitig zeigen die Studien, dass keine
                                                                             Faktoren werden zufriedenstellende Signifikanzen
            eindeutige Wirkungsrichtung vorliegt (vgl. HALEK und             ermittelt. Die Vorzeichen der geschätzten Parameter
            EISENHAUER, 2001; PÅLSSON, 1996).                                entsprechen im Fall der Betriebsausrichtung (Milch-
       12
            Im Vergleich zum OLS-Modell weisen beim 2SLS-Mo-
            dell einige Variablen, unter anderen die GMI-landw und           14
                                                                                  Beispielsweise lieferten die Spezifikationen, in denen
            das landwirtscahftliche Einkommen, keinen signifikan-                 landwirtschaftliches Einkommen und GMI-landw als
            ten Einfluss auf.                                                     kategoriale Variablen auftreten, eine bessere Modell-
       13
            Zum Hausmantest siehe u.a. WOOLDRIDGE (2009): 521f.                   anpassung als Spezifikationen in denen diese Variablen
            und GREENE (2003): 80ff.                                              in kontinuierlicher Form auftraten.

                                                                        86
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       Tabelle 3. Zusammenhang zwischen                                      der Einkommensquellen abseits der Landwirtschaft
                  landwirtschaftlichem Einkommen                             einhergeht, konnte anhand der ökonometrischen Be-
                  und der Diversifikation                                    funde nicht bestätigt werden. Das könnte darauf hin-
                                                                             deuten, dass die Risikominimierung ein eher nach-
        Einkommen aus                 GMI              GMI mod.
        landw. Urproduktion       Landwirtschaft   (alle Aktivitäten)        rangiges Ziel bei der Diversifikation darstellt. Viel-
        (in Klassen eingeteilt)      Mittelwert       Mittelwert             mehr scheint die optimale Ressourcennutzung bei den
        1) bis 10 000                  0,367            0,405                Diversifikationsentscheidungen im Vordergrund zu
        2) 10 000 bis 50 000           0,374             0,272               stehen.
        3) 50 000 bis 100 000          0,386             0,178                     Die theoretisch abgeleiteten Hypothesen zu den
        4) mehr als 100 000            0,431             0,189               sozio-ökonomischen Variablen konnten nur teil-
       Quelle: eigene Berechnungen
                                                                             weise nachgewiesen werden. Erwartungsgemäß zeigte
                                                                             sich die „Anzahl der Familienmitglieder mit mehr als
                                                                             15 Jahren“ als ein fördernder Faktor der Einkom-
       viehspezialbetriebe) als auch des erwirtschafteten                    mensdiversifikation. Weiterhin wurde ein positiver
       Einkommens (Größe) den theoretisch abgeleiteten                       und hochsignifikanter Zusammenhang zwischen land-
       Hypothesen. Die deskriptive Statistik (Tabelle 3)                     wirtschaftlicher Fachausbildung und dem Grad der
       verdeutlicht allerdings, dass bei dem landwirtschaft-                 Einkommensdiversifikation festgestellt. Demnach
       lichen Einkommen ein nichtlinearer Zusammenhang                       erschließen Landwirte mit Meisterbrief und Hoch-
       mit der Einkommensdiversifikation zu erwarten ist.                    schulabschluss in höherem Maße Einkommensquellen
       Mit dem steigenden landwirtschaftlichen Einkommen                     abseits der Urproduktion als Berufskollegen mit gerin-
       bis zu einer Höhe von etwa 100 000 Euro p.a. sinkt                    geren Berufsbildungsabschlüssen.
       der Umfang der Diversifizierung abseits der land-                           Dagegen stehen beide Variablen zur Hofnach-
       wirtschaftlichen Urproduktion. Anschließend nimmt                     folge sowie die Variablen „außerlandwirtschaftliche
       die Einkommensdiversifizierung zu. Eine mögliche                      Ausbildung“ und die „Zeit seit Betriebsübernahme“ in
       Erklärung hierfür ist, dass in gut prosperierenden                    keinem signifikanten Zusammenhang mit dem Diver-
       Unternehmen der Betriebsleiter lediglich die Manage-                  sifikationsgrad des landwirtschaftlichen Haushaltes.
       ment- oder sogar Eigentümerfunktion übernimmt, das                          Allgemeine Wertung: Von den berücksichtigten
       operative Geschäft dafür den Facharbeitskräften                       Faktorwertungen zeigen nur drei Parameter den
       überlässt. In diesen Fällen kann der Betriebsleiter                   erwarteten und signifikanten Einfluss auf den Grad
       seine Arbeitszeit anderen Aktivitäten widmen.                         der Einkommensdiversifikation. Hierdurch wurden die
       Zusätzlich haben diese Betriebe einen besseren                        Hypothesen bestätigt, dass sowohl Kapitalbegrenzung als
       Zugang zu Kapital. Die relativ höhere Eigenkapital-                   auch die Prosperität des Agrargeschäftes (Zufriedenheit)
       decke lässt mehr Flexibilität sowie Unabhängigkeit                    den Umfang der Diversifikation einschränken, während
       von Geldgebern (staatliche Transfer, Finanzinstitu-                   freie Arbeitskapazitäten diversifikationsfördernd wirken.
       tionen) bei Investitions- bzw. Diversifikationsent-                   Es lässt sich somit schlussfolgern, dass Zugang zu
       scheidung zu.                                                         Ressourcen (Arbeit, Kapital) eine wichtige Voraus-
            Gleichzeitig deuten die Ergebnisse darauf hin,                   setzung für die Erschließung und den Umfang alter-
       dass Diversifizierung alle Betriebsgrößen bzw.                        nativer Einkommensquellen ist.
       Einkommensklassen betrifft. Bei Haushalten mit                              Dagegen lieferten die Schätzparameter von
       geringen landwirtschaftlichen Einkommen (etwa bis                     „staatlichen Zahlungen“ keine signifikanten Ergebnisse.
       10 Tsd. Euro p.a.) können außerlandwirtschaftliche                    Eine Ursache hierfür könnte ein Informationsverlust
       Tätigkeiten (v.a. außerbetriebliche Beschäftigung) zu                 infolge der Reduktion verschiedener Bewertungen auf
       Einkommenskompensation beitragen. Bei Betrieben                       einen Faktor sein. Jedoch unterscheiden sich Haus-
       mit mittleren landwirtschaftlichen Einkommen ist die                  halte mit und ohne alternative Einkommensquellen
       Erschließung alternativer Einkommensquellen voraus-                   nicht in der überwiegend ablehnenden Bewertung der
       sichtlich aufgrund von relativ ungünstiger Finanzlage                 Aussage, dass die Entkopplung der Direktzahlungen zu
       sowie hohen Arbeitsbelastungen nur eingeschränkt                      einer Umstrukturierung des Betriebes führt oder
       möglich.                                                              Investitionen nur mit Fördermaßnahmen interessant
            Die theoretische Annahme, dass geringe Diver-                    sind. So könnte die Wirkung der bisherigen agrarpoliti-
       sifikation der landwirtschaftlichen Produktion (GMI-                  schen Maßnahmen als fraglich interpretiert werden. Es
       Landwirtschaft) mit einer hohen Diversifizierung                      ist zu vermuten, dass die untersuchten Betriebe unter-

                                                                        87
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       schiedlichen Zugang zu agrarpolitischen Maßnahmen              kann dieses Ergebnis teilweise auf Arbeitsspezialisie-
       bzw. staatlichen Transfers haben, wodurch keine                rungseffekte zurückgeführt werden. Die Ergebnisse
       eindeutige Wirkungsrichtung nachgewiesen werden                können auch so interpretiert werden, dass das relativ
       konnte.                                                        hohe Eigenkapital dieser Betriebe ihre Abhängigkeit
            Durch die Analysen konnten auch keine Erkennt-            von Drittmittelfinanzierung (u.a. Banken) bei Auf-
       nisse gewonnen werden, inwieweit sich steigende                nahme weiterer Geschäftsbereiche verringert, wo-
       Faktorpreise im Agrarbereich (Wachstumshindernis)              durch das gesamte Unternehmensrisiko gesenkt
       auf das Verhalten der Haushalte bezüglich der Ein-             werden kann. Es kann vermutet werden, dass eine
       kommensdiversifizierung auswirken.                             Gruppe von Agrarunternehmen existiert, die über
                                                                      technologischen und organisatorischen Vorsprung und
                                                                      folglich über Wettbewerbsvorteile verfügen.
       4. Schlussfolgerungen                                                Unsere Befunde deuten darauf hin, dass sich die
                                                                      Milchbetriebe im Hinblick auf die Nutzung und
       In dieser Arbeit werden die Bestimmungsgründe der              Verteilung der Produktionsfaktoren (u.a. Arbeitszeit)
       Einkommensdiversifikation landwirtschaftlicher Haus-           von anderen Produktionsrichtungen unterscheiden. So
       halte in Schleswig-Holstein untersucht. Hierfür wurde          verzeichnen Haushalte, die sich auf die Milchpro-
       zuerst geeignetes Maß für Bestimmung der Ein-                  duktion spezialisieren, einen niedrigeren Grad der
       kommensdiversifikation eingeführt und theoretische             Einkommensdiversifikation. Da Milchbetriebe beson-
       Hypothesen zu den Einflussfaktoren der Einkom-                 deren Arbeitszeitrestriktionen unterliegen, ergibt sich
       mensdiversifikation abgeleitet. Die theoretischen              wenig Zeit für außerbetriebliche Tätigkeit. Gleich-
       Befunde wurden mithilfe eines ökonometrischen                  zeitig werden heutzutage gerade Milchbetriebe zuneh-
       Modells getestet.                                              menden Marktrisiken ausgesetzt. So führen u.a. die
             Unsere Befunde lassen die generelle Schluss-             Reformen auf dem Milchmarkt dazu, dass das (land-
       folgerung zu, dass primär die Steigerung des Einkom-           wirtschaftliche) Einkommen der Milchviehbetriebe
       mens bzw. das Streben nach optimaler Ressourcen-               stärker als bisher vom internationalen Preisgeschehen
       nutzung und nicht die Risikoreduktion als Hauptmotiv           für Agrarprodukte und vom unternehmerischen Ge-
       für die Aufnahme außerbetrieblicher Aktivitäten von            schick der Landwirte abhängt. Für die Milchbetriebe
       Bedeutung ist. Weiterhin wurde deutlich, dass viele            bedeutet es, die veränderten Rahmenbedingungen wahr-
       betriebliche und soziale Faktoren sowie die persön-            zunehmen, die Qualität des Faktors Arbeit zu erhöhen
       lichen Einschätzungen und Erwartungen des Betriebs-            sowie entsprechend innovative Formen des Risiko-
       leiters in einem signifikanten Zusammenhang mit dem            managements einzuführen, damit ausreichendes Ein-
       Ausmaß der haushaltsspezifischen Einkommens-                   kommen aus der Milchproduktion erzielt werden kann.
       diversifikation stehen.                                              Die Ergebnisse lassen auch vermuten, dass
             Das in der Landwirtschaft erwirtschaftete Ein-           besonders für Haushalte mit niedrigem oder sogar
       kommen ist eine relevante Variable bei Haushalts-              negativem landwirtschaftlichen Einkommen, Erwerbs-
       entscheidungen. Die empirischen Befunde lassen                 kombination eine wohl dauerhafte Anpassungsstrategie
       allerdings verschiedene Entwicklungsmuster bzw.                sein kann. Der Zugang zu Ressourcen (Arbeit, Kapital)
       Anpassungsstrategien landwirtschaftlicher Haushalte            ist dabei eine wichtige Voraussetzung für die Er-
       erwarten. Es zeigt sich, dass Diversifizierung abseits         schließung und den Umfang alternativer Einkommens-
       der landwirtschaftlichen Urproduktion mit steigenden           quellen. Es wird belegt, dass nicht nur die Quantität
       Agrareinkommen (nichtlinear) sinkt. Die Befunde                (freie Arbeitskapazitäten, Anzahl der arbeitsfähigen
       können als Indiz dafür gesehen werden, dass große              Haushaltsmitglieder), sondern auch die Qualität des
       bzw. einkommensstarke Betriebe über komplexere                 Faktors Arbeit (Ausbildung) von großer Bedeutung für
       Management- und Organisationsstrukturen verfügen,              eine erfolgreiche Diversifizierungsstrategie ist. Da der
       bei denen der Betriebsleiter lediglich die Eigentums-          Kapitalzugang eine relevante Barriere für eine Ein-
       rechte bzw. Managementtätigkeiten ausübt. Die im               kommensdiversifikation ist, gilt es für diese Haus-
       Managementbereich erworbenen Erfahrungen können                haltsgruppe, spezielle Maßnahmen zu entwickeln bzw. die
       theoretisch zu höherer Entlohnung bei alternativen             vorhandenen weiter auszudifferenzieren, um das
       Aktivitäten verglichen mit Arbeitszeitallokation in das        übergeordnete Ziel der Nachhaltigkeit der ländlichen
       operative Geschäft im Agrarbetrieb beitragen. Daher            Räume zu sichern.

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