Einkommensdiversifikation landwirtschaftlicher Haushalte in Schleswig-Holstein Income Diversification of Farm Households in Schleswig-Holstein
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GJAE 59 (2010), Heft 2 Einkommensdiversifikation landwirtschaftlicher Haushalte in Schleswig-Holstein Income Diversification of Farm Households in Schleswig-Holstein Christoph Rathmann Bunge Handelsgesellschaft mbH, Hamburg Swetlana Renner, Agata Pieniadz und Thomas Glauben Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa (IAMO), Halle (Saale) Jens-Peter Loy Universität Kiel Zusammenfassung German Land, Schleswig-Holstein. We apply the concept of Gollop and Monahan to measure the In dem Beitrag wird am Beispiel von Primärdaten für farm’s specific diversification. To analyze the landwirtschaftliche Betriebe in Schleswig-Holstein relationships between income diversification and der Frage nach den Bestimmungsgründen für Auf- other farm’s and household’s specific factors, an nahme, Umfang und Diversifikation der außerbetrieb- econometric model has been estimated based on a lichen Einkommensquellen nachgegangen. Für die comprehensive survey data. The results show that the Messung der farmspezifischen Diversifikation wurde main economic incentive for a farm’s diversification auf das Konzept von Gollop und Monahan zurück- is the expected income increase, whereas risk mini- gegriffen. Die Zusammenhänge zwischen diesem Aus- mization is less important. The access to resources maß und anderen betrieblichen und hauswirtschaft- (labor, capital) is an important requirement for lichen Eigenschaften wurden mittels eines ökono- tapping alternative economic activities. The formal metrischen Modells untersucht. Die Ergebnisse deuten agricultural education of the farmer is a significant darauf hin, dass die Steigerung des Einkommens bzw. factor: The higher his education the stronger is the das Streben nach optimaler Ressourcennutzung bei tendency towards diversification. These findings are den Diversifikationsentscheidungen im Vordergrund relevant for the design of agricultural policy measures stehen. Dabei stellt die Risikominimierung ein eher which aim at explicitly meeting the heterogeneous nachrangiges Ziel für die Aufnahme außerbetrieb- needs of rural households. licher Aktivitäten dar. Der Zugang zu Ressourcen (Arbeit, Kapital) ist diesbezüglich eine wesentliche Key words Voraussetzung für die Erschließung und den Umfang alternativer Einkommensquellen. Die Qualifikation income diversification; off-farm income; farm house- des Betriebsleiters spielt eine wichtige Rolle. Mit hold; Germany steigendem Ausbildungsgrad erhöht sich die Diversifi- kationsneigung. Diese und weitere Erkenntnisse sind bei der Gestaltung von effizienten Politikmaßnahmen 1. Einleitung relevant, um die verschiedenartigen Bedürfnisse der Die weltweite Liberalisierung der Agrarmärkte und landwirtschaftlichen Haushalte zu berücksichtigen. die Umsetzung der Reformen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) verstärken den Anpassungsdruck Schlüsselwörter und die Unsicherheiten für die Landwirtschaft und die Einkommensdiversifikation; außerbetriebliche Beschäf- ländliche Bevölkerung insgesamt. In den letzten tigung; landwirtschaftliche Haushalte; Deutschland Jahren führen besonders die Reduktion von preis- bedingten Produktionsanreizen und Direktzahlungen Abstract sowie teilweise sinkende Produkt- und steigende This article investigates the degree of income diver- Faktorpreise dazu, dass immer weniger landwirt- sification and identifies its determinants in a selected schaftliche Haushalte im europäischen Raum ein 77 Copyright: www.gjae-online.de
GJAE 59 (2010), Heft 2 ausreichendes Einkommen aus der landwirtschaft- werden. In diesem Bereich sind theoretische Ansätze lichen Produktion erwirtschaften können. Die Be- zu finden, die basierend auf Unternehmens-Haushalts- deutung der Erwerbskombination aus landwirtschaft- Modelle unterschiedliche Aspekte der Arbeitsmarkt- lichen und außerlandwirtschaftlichen Tätigkeiten und partizipation landwirtschaftlicher Haushalte erklären das Interesse an den unterschiedlichen Entwicklungs- (vgl. u.a. WITZKE, 1993). Grundlegende empirische wegen bzw. möglichen Anpassungsstrategien land- Arbeiten gehen hierbei auf SUMNER (1982) und wirtschaftlicher Haushalte rücken somit erneut in den HUFFMAN (1980) zurück. In neueren Studien werden Mittelpunkt politisch-wirtschaftlicher Debatten. verschiedene Zusammenhänge empirisch überprüft. Diversifizierung von Einkommensquellen ist kein Dazu gehören u.a. der Einfluss soziodemographischer, neues Phänomen, sondern eine seit langer Zeit weit betrieblicher oder regionaler Faktoren sowie die verbreitete Strategie landwirtschaftlicher Haushalte in Wirkung politischer Maßnahmen auf die Arbeits- den fortgeschrittenen Industrieländern (MACKINNON marktpartizipation (vgl. MISHRA und GOODWIN, 1997; et al., 2008; HARSCHE, 2007; NEWTON, 2006). Mit der BROSIG et al., 2007; GLAUBEN et al., 2008). Zeit wandeln sich jedoch die Formen und der Des Weiteren besteht die Überzeugung, dass das Stellenwert des Nebenerwerbs bzw. der Erwerbs- Einkommensrisiko durch Erwerbskombination ver- kombination. Gegenwärtig ist sie nicht als Zeichen ringert werden kann (BARRET et al., 2001; KILIC et einer defizitären Landwirtschaft oder als Notlösung, al., 2009). Unter bestimmten Voraussetzungen, zum sondern als nachhaltige Strategie der landwirtschaft- Beispiel wenn die Erträge unterschiedlicher Tätig- lichen Haushalte und als Beitrag zur Entwicklung der keitsbereiche negativ korreliert sind, kann durch ländlichen Gebiete zu werten. Zu den höchsten Streuung des Einsatzes über verschiedene Aktivitäten Prioritäten in der Europäischen Union (EU) werden die Variabilität (Risiko) des Gesamteinkommens daher Entwicklung und Aufbau zusätzlicher Beschäf- verringert werden (ROBISON und BARRY, 1987; tigungsmöglichkeiten und neuer Einkommensquellen NEWBERY und STIGLITZ, 1981). Empirische For- erklärt, um die Lebensfähigkeit und die Wirtschafts- schungsarbeiten in diesem Bereich basieren haupt- kraft des ländlichen Raumes zu erhalten bzw. zu sächlich auf einem Risiko-Varianz-Ansatz. Dort stärken. Im Fall Schleswig-Holsteins finden die Ziele werden u.a. Einflussfaktoren wie Risikoeinstellung, einer Förderung der multifunktionalen und nachhalti- Einkommensniveau und Betriebsgröße untersucht gen Landwirtschaft explizit Niederschlag in der Nach- (MISHRA et al., 2004; MCNAMARA und WEISS, 2005). haltigkeitsstrategie der Landesregierung (LANDES- Trotz umfassender Literatur existieren bisher REGIERUNG SH, 2004). allerdings nur wenige Arbeiten und Ansätze zur Studien zur Bedeutung und Erklärung der außer- Analyse der Diversifizierung durch sämtliche alter- betrieblichen Aktivitäten wurden aus verschiedenen nativen Einkommensquellen landwirtschaftlicher Gesichtswinkeln durchgeführt. Generell werden zwei Haushalte. Ein Hauptgrund dafür ist die mangelnde ökonomische Motive für Einkommensdiversifikation Datenverfügbarkeit über alle Einkommensquellen des landwirtschaftlichen Haushalts angenommen: das landwirtschaftlicher Haushalte, da sich die nationalen Streben nach einem effizienten Ressourceneinsatz und und internationalen Statistischen Ämter bzw. Behör- nach Risikominimierung der Gewinn- bzw. Ein- den primär auf die landwirtschaftliche Buchführung kommenserzielung (RATHMANN, 2007). bzw. auf die landwirtschaftliche Tätigkeit fokussie- In landwirtschaftlichen Familienunternehmen ren.1 Darüber hinaus – bzw. gerade deswegen – fehlen sind das gesamte Einkommen und die Faktorallo- in der agrarökonomischen Literatur bisher weitgehend kation auf Haushaltsebene entscheidungsrelevant geeignete Maße zur Quantifizierung der Einkommens- (FULLER, 1990). In diesen Betrieben kann der Einsatz diversifikation durch alternative Aktivitäten innerhalb der vorhandenen Haushaltsressourcen – wie die und abseits der Urproduktion. Arbeitszeit – so auf verschiedene Tätigkeiten verteilt Ausgehend von der beschriebenen Problematik werden, dass ausreichendes oder zusätzliches Ein- verfolgt diese Studie zwei Zielsetzungen: Zunächst soll kommen erwirtschaftet werden kann (Ressourcen- ein geeigneter Index der Einkommensdiversifikation optimierung). Die Arbeitszeitallokation zwischen betrieblichen und außerbetrieblichen Tätigkeiten ist 1 besonders im Hinblick auf die Saisonalität der Ein Beispiel hierfür sind die nationalen Erhebungen von Buchführungsdaten der in der EU ansässigen land- landwirtschaftlichen Produktion von Bedeutung. wirtschaftlichen Betriebe im Rahmen der FADN (Farm Durch die Allokation können Arbeitsressourcen Accountancy Data Network [INLB: Informationsnetz gleichmäßiger ausgelastet bzw. flexibler eingesetzt Landwirtschaftlicher Buchführungen]. 78 Copyright: www.gjae-online.de
GJAE 59 (2010), Heft 2 entwickelt werden (Kapitel 2). Des Weiteren werden mender Heterogenität ausgedrückt werden kann. Eine Zusammenhänge zwischen diesem Ausmaß und geeignete Alternative zur Berücksichtigung der anderen betrieblichen und hauswirtschaftlichen Eigen- Heterogenität von Aktivitäten bietet der von GOLLOP schaften empirisch untersucht (Kapitel 3). Als Daten- und MONAHAN (1991) (GMI) entwickelte Diversifika- basis dient eine Primärerhebung von 321 landwirt- tionsindex, der allerdings in den bisherigen agraröko- schaftlichen Haushalten im ausgewählten Bundesland nomischen Studien kaum Anwendung fand. Dieser Schleswig-Holstein. Index ist wie folgt definiert: (1) GMI 1 / 21 si2 si s k ik , 2. Messung der Diversifikation i i k i 1/ 2 Der Quantifizierung von Diversifikation kommt in | w wij | dieser Studie eine zentrale Bedeutung zu. Hierfür mit ik kj und 0 ik 1 , können verschiedene Indizes angewendet werden. j 2 Zum Zweck dieser Arbeit soll ein Diversifikationsmaß wobei verwendet werden, das sowohl die Anzahl, die si, sk: Umsatz (Anteil) des Produktes/ der Aktivität i Verteilung als auch die Heterogenität der alternativen bzw. k, Aktivitäten berücksichtigt. wkj: Anteil der Kosten des Inputs j am Produkt/ der Als einfachster Ansatz gilt die Anzahl der er- Aktivität k, zeugten Produkte oder der verschiedenen Erwerbs- wij: Anteil der Kosten des Inputs j am Produkt/ der zweige. Der Informationsgehalt dieses Maßes ist Aktivität i. jedoch gering, da die relative Bedeutung (Gewich- tung) der Aktivitäten vernachlässigt wird. Um die Der Parameter σik bildet die Verknüpfung von relative Bedeutung der Einkommenskomponenten zu Aktivitäten bzw. Produkte über die betrieblichen erfassen, werden daher in den empirischen Studien Ressourcen ab und stellt somit die Heterogenitäts- andere Maße vorgezogen, wie der Herfindahl-Index komponente des GMI-Maßes dar. Der GMI steigt mit oder der Berry-Index (JACQUEMIN und BERRY, 1979). der Anzahl der Aktivitäten und mit der Gleich- Bei diesen Maßen bleiben allerdings die Verschieden- verteilung der Einkommensanteile; zudem steigt er artigkeit oder die Heterogenität einzelner Unterneh- auch mit zunehmender Heterogenität der Aktivitäten mensaktivitäten unberücksichtigt. Aus diesem Grund bzw. Produkte.2 Das heißt, die Diversifikation ist sind diese Indizes für die weitere Analyse wenig umso höher, je weniger die Produkte oder Aktivitäten geeignet. durch den gleichen Ressourceneinsatz miteinander Bei der Ausübung verschiedener Tätigkeiten im verbunden sind. landwirtschaftlichen Haushalt wird in unterschied- Bei den diversifizierenden Aktivitäten des land- licher Art und Weise auf gemeinsame betriebliche wirtschaftlichen Haushalts ist die Erfassung aller Ressourcen zurückgegriffen. Deshalb kann die Inputs und damit der Heterogenitätskomponente (σik) Verschiedenartigkeit oder die Heterogenität einzelner in der Regel nicht oder nur mit relativ hohem Auf- Aktivitäten Implikationen für den Umfang der wand möglich. Im Falle eines Mangels an Informa- Diversifikation haben. Der Grundgedanke hierbei tionen über den Inputeinsatz schlagen POMFRET und beruht auf der Überlegung, das Ausmaß von Verbund- SHAPIRO (1980) alternativ vor, die Heterogenitäts- effekten implizit zu erfassen. Die Nutzung gemein- komponente gemäß einem Klassifizierungssystem zu samer (fixer) Faktoren durch unterschiedliche Aktivi- ermitteln. Hierfür können beispielsweise Industrie- täten führt zu Verbundeffekten, welche die Diversi- klassifikationen wie das amerikanische SIC (Standard fikation fördern und einer Spezialisierung entgegen- wirken. Eine Folge von Verbundeffekten beispiels- 2 Nimmt der Parameter der Heterogenitätskomponente für weise durch die Nutzung gleichartiger Faktoren ist, alle Produktkombinationen den Wert σik = 1 an, was dass das Risiko von Preisschwankungen auf der vollkommener Verschiedenartigkeit entspricht, so ergibt Inputseite je nach Umfang der Verknüpfung positiv dies ebenfalls die Hälfte des Berry-Index. Sind die be- zwischen den Aktivitäten korreliert ist. Je geringer die rücksichtigen Produkte bzw. Aktivitäten über keine ge- meinsame Ressourcennutzung miteinander verflochten, Verknüpfung c.p., desto stärker ausgeprägt ist der ergibt sich für den GMI und den Berry-Index ein risikomindernde Effekt der Diversifizierung, was gleicher Wert. Bei einer Verflechtung der Aktivitäten ist durch ein steigendes Diversifikationsmaß bei zuneh- der GMI stets kleiner als der Berry-Index. 79 Copyright: www.gjae-online.de
GJAE 59 (2010), Heft 2 Industrial Classification) oder das in Europa verwen- 3. Empirische Analyse dete NACE (Nomenclature generale des activites eco- nomiques) herangezogen werden. In diesen Klassifi- 3.1 Datenbasis kationen werden verschiedene wirtschaftliche Aktivi- Die erforderlichen Daten wurden anhand einer täten mit einem Code versehen. Gleiche Aktivitäten schriftlichen Befragung landwirtschaftlicher Haus- gleichen sich in der ersten Ziffer dieses Codes, der halte in Schleswig-Holstein gewonnen. In Koopera- dann nach inhaltlicher Zugehörigkeit bis in die vierte tion mit dem Landwirtschaftlichen Buchführungs- oder fünfte Ebene weiter untergliedert wird. Damit verband (LBV) im Februar und März 2006 wurden die bedeutet eine Abweichung zweier Aktivitäten in der Fragebögen an 1 214 Landwirte verschickt. Die Rück- ersten Stelle des Klassifikationscodes eine größere laufquote betrug ca. 28 %. Es liegen 321 vollständig Ungleichheit, als wenn die Abweichung erst in der beantwortete Fragebögen vor, die die empirische zweiten Ebene usw. auftritt. Basierend auf dieser Basis für die weiteren Analysen darstellen. Empfehlung wird der GMI wie folgt modifiziert Der hierfür erstellte Fragebogen deckt inhaltlich (GMImod): vier Komplexe ab: i) sozioökonomische Angaben (u.a. Berufsausbildung, Hofnachfolge), ii) Daten zu außer- (2) GMImod 1 / 21 si2 si sk ik landwirtschaftlichen Aktivitäten iii) Wertung von i i k i alternativen Einkommensquellen sowie betrieblichen z ik und ökonomischen Rahmenbedingungen (u.a. allge- mit ik und 0 ik 1 , meine Bewertungen)4 und iv) Angaben zu landwirt- Z schaftlicher Urproduktion und der Gewinnsituation wobei des Agrarbetriebes. zik: Dummyvariable auf Basis einer Industrie- Basierend auf der Einteilung der amtlichen klassifizierung,3 Statistik wurden bei dem zweiten Fragebogenteil (ii) Z: Anzahl der berücksichtigten Unterebenen. acht Einkommenskomponenten, die im Zusammen- hang mit dem landwirtschaftlichen Betrieb stehen, Beide Indizes (GMI, GMImod) erfüllen die Anforde- ausdifferenziert und abgefragt: (1) Fremdenverkehr rungen an ein geeignetes Diversifikationsmaß hin- und Beherbergung, (2) Verarbeitung landwirtschaft- sichtlich der Anzahl, Verteilung und Heterogenität der licher Erzeugnisse und Direktvermarktung, (3) Dienst- Aktivitäten und werden im Folgenden verwendet. leistungen oder vertragliche Arbeiten, (4) Pensions- Diese Maße liegen im Wertebereich, der von 0 bis 1 pferdehaltung, (5) Erzeugung erneuerbarer Energien, normiert ist, wodurch die Interpretation von Werten (6) Einkommen aus Veranstaltungen, Sport- und und relativen Änderungen erleichtert wird. Dabei sind Freizeitaktivitäten, (7) Anbau und Verkauf von Weih- Haushalte mit einem Wert von 0 vollkommen auf eine nachtsbäumen, (8) sonstige Aktivitäten. Im Hinblick Einkommensquelle spezialisiert, während alle Werte auf ihre Bedeutung für Schleswig-Holstein wurden die über 0 auf den Grad der Einkommensdiversifikation Aktivitäten der Energieerzeugung (5) weiterhin in vier schließen lassen. Einzelmaßnahmen differenziert. Darüber hinaus wurden in diesem Fragebogenteil, als ein wesentliches Element der Befragung, auch die Einkünfte aus Kapitalvermögen und außerbetrieblicher Beschäfti- gung ermittelt. Die eigentliche landwirtschaftliche Ur- produktion ist als eine mögliche Aktivität betrachtet. Insgesamt konnten 14 Aktivitäten unterschieden 3 Die Werte für zik ergeben sich gemäß der Einteilung der werden, die schließlich in das Maß der Einkommens- Aktivitäten im jeweiligen Klassifikationssystem wie diversifikation flossen. folgt: zik =0 wenn zwei Aktivitäten dem gleichen Klassi- fikationscode zugeordnet werden; zik =1 bei Abwei- chung der Klassifizierung in der letzten Stelle des 4 Klassifikationscodes; zik =2 bei Abweichung der Klassi- In diesem Fragenkomplex wurden unter anderem Aus- fizierung in der vorletzten Stelle des Klassifikations- sagen zur allgemeinen Bewertung der begünstigenden codes; …; zik =Z bei einer Abweichung in der Z-letzten Faktoren von Einkommensdiversifikation erfasst. Die Stelle des Klassifikationscodes. Je verschiedenartiger ermittelten Wertungen wurden mit Hilfe der Faktorana- also die Aktivitäten sind, desto höher ist der Wert von lyse in sechs Gruppen einsortiert, auf die im Kapitel 3.3 zik und damit von ik. eingegangen wird. 80 Copyright: www.gjae-online.de
GJAE 59 (2010), Heft 2 3.2 Bedeutung der verschiedenen Einkommenskomponenten und der Einkommensdiversifikation darauf entfallenden Arbeitszeiten dargestellt.6 Der durchschnittliche Einkommensbeitrag aller alterna- Der Grad der Einkommensdiversifikation wurde tiven Aktivitäten abseits der klassischen landwirt- mittels des modifizierten Gollop-Monahan-Indexes schaftlichen Produktion beträgt bei diesen Haushalten (Gleichung 2) ermittelt. Für die Berechnung der Ver- etwa 27 %. Darunter werden 9 Prozentpunkte in teilungskomponente (si, sk) wurde der Anteil am Haus- außerbetrieblicher Beschäftigung (Lohnarbeit) und haltseinkommen berücksichtigt. Bei der Ermittlung 5 Prozentpunkte aus sonstigen Quellen erzielt (u.a. der Heterogenitätskomponente (zik bzw. ik) wurde auf Kapitaleinkünften, Vermietung, Verpachtung, Renten, die deutsche Klassifikation der Wirtschaftszweige Pensionen und Kindergeld). Auf die restlichen alter- zurückgegriffen, die insgesamt fünf Ebenen (Z = 5) nativen Aktivitäten entfallen 13 % des Gesamt- berücksichtigt (DESTATIS, 2003).5 Der hierdurch einkommens. Unter diesen Aktivitäten dominieren ermittelte GMImod erreicht einen durchschnittlichen Fremdenverkehr, Direktvermarktung, Dienstleistun- Wert von 0,240 und einen Maximalwert von 0,720. gen sowie die Erzeugung erneuerbarer Energien. Abbildung 1 veranschaulicht die Werte des GMImod in einem Histogramm verbunden mit einer Darstellung 3.3 Bestimmungsfaktoren der der Kerndichteschätzung. Hieraus wird deutlich, dass Einkommensdiversifikation über ein Viertel der landwirtschaftlichen Haushalte einen Wert von nahe Null erzielt, d.h. diese Haushalte Zur Weiterführung der Analyse gilt es, anhand der erwirtschaften fast 100 % des Haushaltseinkommens theoretischen Überlegungen Variablen zu identifi- aus der landwirtschaftlichen Urproduktion (Agrar- zieren, die einen Einfluss auf das Diversifikationsmaß güter). (GMImod) haben. Es lassen sich drei Gruppen von Ein Großteil der Haushalte (Dreiviertel) bezieht Variablen identifizieren: 1) betriebliche und 2) sozio- zusätzliches Einkommen aus mindestens einer weite- ökonomische Eigenschaften sowie 3) allgemeine Be- ren Aktivität. In Abbildung 2 sind die Anteile der wertungen des landwirtschaftlichen Haushalts zu diversifikationsfördernden Effekten (Ta- belle 1), die nachfolgend diskutiert werden. Abbildung 1. Verteilung des modifizierten Die betrieblichen Eigenschaften Gollop-Monahan-Indexes können durch die Größe und die Struktur des Agrarbetriebes abgebildet werden (MISHRA et al., 2004; BOWLER et al., 1996). Es wird hier davon ausgegangen, dass die Höhe des landwirtschaftlichen Einkom- mens die eigentlich relevante Größe ist. Wir unterstellen, dass ein unzureichendes Einkommen aus landwirtschaftlicher Tätigkeit die Haushalte zur Aufnahme alternativer Erwerbsquellen veranlasst. Der Grad der Einkommensdiversifizierung sinkt demnach mit der Höhe des land- wirtschaftlichen Einkommens. Betrachtet man das landwirtschaftliche Einkommen als Indikator für die Betriebsgröße, so wird die Hypothese auch teilweise durch die theoretischen Befunde des Erwartungs- Quelle: eigene Berechnungen wert-Varianz-Ansatzes gestützt: Daraus lässt sich ableiten, dass der Einsatz von außerbetrieb- 5 licher Arbeitszeit mit zunehmender Größe des Agrar- Für die genaue Einteilung in die passende Unterebene wurde ein großer Teil der Fragebogeninformationen 6 genutzt. So wurden beispielsweise Aktivitäten der Direkt- Es wurden nur die Haushalte berücksichtigt, die wenigs- vermarktung je nach verkauften Erzeugnissen und Ver- tens aus einer alternativen unternehmerischen Aktivität triebsform in insgesamt acht unterschiedliche Katego- abseits der Urproduktion oder aus außerbetrieblicher rien eingeteilt. Beschäftigung Einkommen bezogen haben. 81 Copyright: www.gjae-online.de
GJAE 59 (2010), Heft 2 Abbildung 2. Anteil alternativer Einkommensquellen an Haushaltseinkommen und Arbeitszeit a) Anteil am Haushaltseinkommen b) Arbeitszeitanteil 13% 10% 9% 11% 5% 73% 79% Alternative untern. Einkommensquellen Alternative untern. Einkommensquellen Außerbetriebliche Beschäftigung Außerbetriebliche Beschäftigung Sonstige Einkommensquellen Sonstige Einkommensquellen Landwirtschaftliche Urproduktion Quelle: eigene Berechnungen betriebes sinkt (MCNAMARA und WEISS, 2005). gedanke hierbei ist, dass das Ertragsrisiko bei einer Basierend auf dem risikominimierenden Ansatz kann niedrigen Korrelation zwischen den verschiedenen weiterhin argumentiert werden, dass arme Haushalte, Ertragsquellen durch die Diversifikation reduziert die relativ höhere Risikoaversion als reichere Haus- werden kann (POPE UND PRESCOTT, 1980; BARRET et halte haben, eine höhere Diversifikation anstreben, um al., 2001). Wenn ein risikoaverser Unternehmer sein dadurch das Einkommen zu stabilisieren (BARRET et Einkommensrisiko durch eine Diversifikation der al., 2001). Abgeschwächt wird dieses Argument Agrarproduktion zu verringern versucht, wird sein jedoch hierdurch, dass ärmere Haushalte generell Anreiz für weitere risikomindernde Maßnahmen begrenzte Möglichkeiten zu Investitionen in den kleiner. Dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit der außerbetrieblichen Aktivitäten haben: Sie verfügen in Aufnahme alternativer Aktivitäten bei hoch diversifi- der Regel über unzureichendes Kapital- und Human- zierten landwirtschaftlichen Betrieben (ceteris paribus). vermögen sowie haben eingeschränkten Zugang zu Dieser theoretische Zusammenhang ist jedoch em- diesen (externen) Ressourcen (BLOCK und WEBB, pirisch nicht eindeutig belegt. Beispielsweise zeigen 2001; SCHWARZE und ZELLER, 2005). Um den Zu- VERGARA et al. (2004), dass die steigende Variabilität sammenhang zwischen der Höhe des landwirtschaft- der landwirtschaftlichen Erlöse keinen Einfluss auf lichen Einkommens (bzw. der Betriebsgröße) und der die Arbeitsmarktpartizipation hat. Dagegen stellten Einkommensdiversifikation empirisch zu prüfen, SERRA et al. (2005) einen positiven Zusammenhang wurden alle Haushalte in vier Einkommensgruppen fest. Die Variable GMI-Landwirtschaft besteht aus eingeteilt: bis 10 000 Euro, 10 000 bis 50 000 Euro, drei Gruppen. Die Betriebe mit dem niedrigsten Ni- 50 000 bis 100 000 Euro und über 100 000 Euro. veau an Diversifikation (bis 0,3) sind in der Gruppe 1, Weiterhin können Agrarbetriebe diverse struktu- in der mittleren Gruppe sind die Betriebe mit dem relle Unterschiede, wie z.B. hinsichtlich des Grades Wert von GMI(ldw.) von 0,3 bis 0,5 zusammengefasst, der landwirtschaftlichen Diversifikation bzw. der und die dritte Gruppe beinhaltet hochdiversifizierte dominierenden Produktionsausrichtung (Spezialisie- Unternehmen mit GMI(ldw.) höher als 0,5.7 rung) verzeichnen. Der Diversifikationsgrad der land- wirtschaftlichen Produktion wird gemäß der Defini- 7 tion und Ermittlung vom GMI (Gleichung 1) be- Die kategorialen Variablen bei den Größen: Landwirt- schaftliches Einkommen und GMI_landw wurden so stimmt (GMI-Landwirtschaft). Unseren Überlegungen gebildet, dass ein Trennwert ungefähr beim Mittelwert zufolge, kann diese Variable als Proxy für das und weitere Trennwerte bei jeweils ± Standardabwei- Risikoverhalten des Betriebsleiters gelten. Der Grund- chung liegen. 82 Copyright: www.gjae-online.de
GJAE 59 (2010), Heft 2 Tabelle 1. Deskriptive Statistik der Variablen Erfassung Mittelwert Std. Abw. Min. Max. Endogene Variable GMImod 0,239 0,220 0 0,720 Exogene Variablen Größe: Einkommensklassen 2,5 0,8 1 4 Betriebliche GMI-Landwirtschaft 2,0 0,7 1 3 Faktoren Milchquote, Tsd. Kg 0,276 0,299 0 1,397 Landw. Ausb.: Meister/vglb. (D) 0,7 0,5 0 1 Landw. Ausb.: Uni oder FH. (D) 0,2 0,4 0 1 Außerlandw. Ausbildung (D) 0,7 0,5 0 1 Sozioökonomische Zeit seit Betriebsübernahme 16,5 9,1 1 46 Variablen Anzahl der Familienmitglieder ab 15 Jahre 2,0 1,3 0 7 Hofnachfolge geplant (D) 0,3 0,5 0 1 Hofnachfolge läuft aus (D) 0,1 0,3 0 1 Kapitalbegrenzung 0 1 -2,4 2,6 Arbeitskapazität 0 1 -3,1 2,6 Allgemeine Bewertungen Zufriedenheit 0 1 -2,7 3,0 (Faktoren) Staatliche Zahlungen 0 1 -2,8 2,5 Wachstumshindernis 0 1 -2,1 3,0 Anm.: D: Dummyvariable Quelle: eigene Erhebung. Betrachtet man die Produktionsausrichtung bzw. Ergebnis der personellen und familiären Interaktionen Spezialisierung, so können sich die Betriebe durch die sowie der gemeinsamen Vorhaben und Ziele sind Nutzung und Verteilung der Produktionsfaktoren, (GASSON und ERRINGTON, 1993). Eine große Bedeu- insbesondere der Arbeitszeit unterscheiden. Zwei tung kommt hierbei dem vorhandenen Humankapital Beispiele hierfür sind Milchvieh- und Ackerbau- im landwirtschaftlichen Haushalt zu (Ausbildung, spezialbetriebe. Zahlreiche empirische Untersuchun- Erfahrung). Empirische Studien zeigen, dass höhere gen zeigten, dass Milchproduzenten aufgrund von allgemeine (außerlandwirtschaftliche) Schul- und hohem Überwachungs- und Verwaltungsaufwand Berufsausbildung der Betriebsleitung (inklusive Ehe- besonderen Arbeitszeitrestriktionen unterliegen, wo- partner) höhere außerbetriebliche Löhne erwarten durch weniger Zeit für außerbetriebliche Tätigkeit lässt: Dadurch erhöhen sich die Opportunitätskosten bleibt (ALLEN und LUECK, 2003; BATEMAN und RAY, der außerlandwirtschaftlichen Beschäftigung und 1994; BOWLER et al., 1996; MISHRA et al., 2004). somit die Wahrscheinlichkeit einer Arbeitsmarkt- Entsprechend kann die Hypothese zugrunde gelegt partizipation (HUFFMAN, 1980; BROSIG et al., 2007). werden, dass Milchviehbetriebe eine niedrigere Ein- Dagegen ist der Einfluss der landwirtschaftlichen kommensdiversifikation GMImod aufweisen.8 Um den Fachausbildung auf die Einkommensdiversifikation Zusammenhang zwischen Produktionsausrichtung und nicht eindeutig. Einerseits zeigen einige Studien GMImod zu testen, wurde eine Variable berücksichtigt, (HOCKMANN und PIENIADZ, 2008), dass eine gute welche die Spezialisierung des Betriebes auf die Fachausbildung die einzelbetrieblichen Ineffizienzen Milchproduktion indiziert. Diese Variable ist als Höhe verringert. Der hierdurch erzielte Produktivitätsvor- der vorhandenen Milchquote definiert. sprung kann sich auf das erwirtschaftete landwirt- Sozioökonomische Variablen spielen bei Ana- schaftliche Einkommen positiv auswirken, wodurch lysen der landwirtschaftlichen Haushalte eine wich- die Erschließung alternativer Einkommensquellen tige Rolle, da die unternehmerischen Entscheidungen ökonomisch unattraktiver wird. Andererseits kann eine hohe Fachausbildung die Fähigkeit verbessern, alternative unternehmerische Aktivitäten in benach- 8 Bei Ackerbaubetrieben herrschen hingegen saisonale barten Gebieten zu erschließen (z.B. Biogasanlage). Arbeitsspitzen und Zeiten mit geringerem Arbeitsauf- Außerdem eröffnen sich für hochqualifizierte Land- kommen in der landwirtschaftlichen Produktion vor. wirte auch Beschäftigungsmöglichkeiten im Dienst- Daher kann erwartet werden, dass Ackerbaubetriebe mit höherer Wahrscheinlichkeit alternative Einkommens- leistungssektor, z.B. in landwirtschaftlichen Beratungs- quellen erschließen. diensten. 83 Copyright: www.gjae-online.de
GJAE 59 (2010), Heft 2 Die Leiter der untersuchten Betriebe verzeichnen, Vorhandensein (k)eines potentiellen Hofnachfolgers im Vergleich mit Betriebsleitern in Deutschland, ein (das Kind oder andere Nachkommen) entwickeln überdurchschnittliches Ausbildungsniveau. So haben können. Diesbezüglich sind zwei Entwicklungen ca. 22 % der Betriebsleiter einen Universitäts- oder denkbar: Zum Einen stellt TIETJE (2004) fest, dass der einen Fachhochschulabschluss, annähernd 67 % haben Nebenerwerb – also vorwiegend die außerbetriebliche einen Landwirtschaftsmeister oder einen vergleich- Beschäftigung – eine Vorbereitung auf die spätere baren Abschluss. Ca. 8 % besitzen eine außerlandwirt- Übergabe des Betriebes ist. Die Betriebsleiter sind oft schaftliche Ausbildung. Die drei Arten von Ausbil- bestrebt, die Hofnachfolger möglichst frühzeitig in die dungen werden in der Schätzung mithilfe von ent- betriebliche Entscheidungsfindung einzubeziehen. sprechenden Dummy-Variablen berücksichtigt. Somit kann die frei gesetzte Arbeitszeit des Betriebs- Eine wichtige Komponente des Humankapitals leiters für andere Aktivitäten verwendet werden. Trifft ist die berufliche Erfahrung des Betriebsleiters. Diese diese Annahme zu, so ist in diesem Fall ein positiver Fähigkeit kann adäquat durch die Zeit nach der Zusammenhang zwischen GMImod und der gesicherten Betriebsübernahme repräsentiert werden. Weiterhin Hofnachfolge zu erwarten. Dagegen haben ältere können im Zeitablauf nicht nur die fachlichen Kom- Landwirte ohne Nachfolgeregelung einen geringeren petenzen (Erfahrungen) gewonnen, sondern auch das Anreiz, in neue Unternehmungen und Wachstum zu erforderliche Vermögen akkumuliert werden. Das investieren. Die Unternehmensstruktur ist in diesen Vorhandensein dieser Ressourcen erhöht die Wahr- Fällen in der Regel weniger diversifiziert (POTTER scheinlichkeit der Erschließung zusätzlicher Aktivitä- und LOBLEY, 1992). Die beiden Zustände (geplante ten und somit die Einkommensdiversifikation. Aller- Hofnachfolge, keine Hofnachfolge) werden in der dings belegen einige Studien, dass ab einem Alter Schätzung durch Dummy-Variablen dargestellt. von etwa 50-55 Jahren die Wahrscheinlichkeit der In der Befragung wurden die Haushalte unter Arbeitsmarktpartizipation wieder abnimmt (vgl. bspw. anderem darum gebeten, insgesamt 16 Aussagen zu HUFFMAN, 1980; SUMNER, 1982). Dieser nichtlineare allgemeiner Bewertung der begünstigenden Faktoren Lebenszykluseffekt wird oft mit familienbedingten von Einkommensdiversifikation zu treffen. Jede der Einkommensansprüchen, unterschiedlicher Leistungs- Aussagen konnte auf einer fünfstufigen Skala mit fähigkeit des Betriebsleiterehepaares sowie Risiko- „trifft voll auf mich zu“ bis „trifft gar nicht auf mich bereitschaft in verschiedenen Lebensabschnitten be- zu“ bewertet werden. Die ermittelten Wertungen gründet (SUMNER und LEIBY, 1987). wurden mit Hilfe der Faktoranalyse in fünf Gruppen Eine wichtige Rolle kann auch die Zusammen- zusammengefasst. Dabei wurden jeweils mehrere setzung des Haushaltes spielen. Es wird erwartet, dass ähnliche Bewertungen in einem Faktor gebündelt, je mehr arbeitsfähige Familienmitglieder dem Haus- welcher als erklärende Variable in der ökonometri- halt zur Verfügung stehen, umso mehr freie Arbeits- schen Analyse berücksichtigt wurde. Die jeweiligen kapazitäten entstehen, die in andere Aktivitäten außer- Faktorenvariablen dienen als theoretische Konstrukte halb der landwirtschaftlichen Urproduktion eingesetzt für Kapitalbegrenzung, Arbeitskapazität, Zufriedenheit, werden können. Um diese Hypothese zu testen, wurde Einfluss staatlicher Investitionsförderung und Wachs- in dem empirischen Modell die Anzahl der Familien- tumshindernisse (vgl. RATHMANN, 2007). Dabei mitglieder ab 15 Jahre als erklärende Variable berück- bedeuten die niedrigen Faktorwerte hohe Zustimmung sichtigt.9 Diese Variable erlaubt somit die Effekte der zu den jeweils erfassten Aussagen bzw. Aspekten. Familienarbeitallokation auf die Diversifikations- Gemäß den berechneten Faktorladungen lassen sich entscheidungen zu prüfen. Es wird ein positiver folgende Hypothesen aufstellen: Einfluss dieser Variablen auf GMImod erwartet. Mit „Kapitalbegrenzung“ wurden beispielsweise Ein weiterer Grund für die Aufnahme alternativer Aussagen gebündelt, nach denen mangelnde Fach- Aktivitäten kann die Weiterführung des Betriebes im kenntnis und damit „Humankapital“ im weitesten Generationswechsel sein. In diesem Zusammenhang Sinne sowie hohe Investitionskosten gegen die Durch- soll zunächst grundlegend festgestellt werden, welche führung einer Aktivität abseits der landwirtschaft- Strategien die Betriebsleiter im Hinblick auf das lichen Urproduktion sprechen. Die Aussage, dass gegen Diversifizierung vor allem hohe Investitionskosten sprechen, trifft für ca. 50% der befragten Haushalte voll 9 bzw. teilweise zu. Die niedrigen Werte bei diesem Bei der Variablen wurden alle in einem Haushalt lebenden Personen über 15 Jahre außer dem Betriebsleiter und Faktor entsprechen einer hohen Zustimmung des seinem Ehepartner berücksichtigt. Haushalts zu den vorliegenden Kapitalbegrenzungen. 84 Copyright: www.gjae-online.de
GJAE 59 (2010), Heft 2 Es wird erwartet, dass niedrige Werte bei „Kapital- In der Realität der mikroökonomischen Forschung begrenzung“ mit niedrigen Werten von GMImod asso- lässt sich dieses strikte Modell, bei dem Ursache und ziiert sind. Wirkung exakt voneinander getrennt sind, jedoch Des Weiteren entsprechen niedrige Werte bei meist nicht aufrechterhalten (BENJAMIN und KIMHI, dem Faktor „Arbeitskapazität“ einer hohen Zustim- 2006; WOOLDRIDGE, 2009). Insbesondere die Ein- mung zum Vorhandensein freier Arbeitskapazitäten, beziehung der betrieblichen Variablen in das ökono- so dass deren Mangel nicht einer alternativen Aktivi- metrische Modell zur Erklärung der Einkommens- tät entgegensteht. Daraus ergibt sich die Hypothese, diversifikation kann wegen der möglichen Endo- dass je kleiner der Wert vom Faktor „Arbeitskapazi- genitätsproblematik zu verzerrten Schätzergebnissen täten“ ist, desto größer ist seine diversifikations- führen. Vor allem durch die Einbeziehung der Variablen fördernde Wirkung. „landwirtschaftliche Einkommen“ und „GMI_landw“ Als „Zufriedenheit“ können weiterhin geringe können die verschiedensten Interdependenzen auftreten. Faktorwerte interpretiert werden, wenn ein Haushalt Dagegen kann bei der Produktionsausrichtung (Milch- mit der landwirtschaftlichen Tätigkeit hinsichtlich des viehbetriebe) davon ausgegangen werden, dass diese generierten Einkommens, betrieblicher Arbeitsorgani- Variable eher exogen ist, da diese Ausrichtung stark sation sowie zukünftigen Wachstums- und Speziali- von den historisch festgelegten Milchquoten abhängt. sierungsperspektiven der klassischen Produktionsbe- Zur Berücksichtigung der Problematik wurde wie reiche zufrieden ist. „Zufriedenheit“ impliziert geringe folgt vorgegangen: Zuerst haben wir alternative Spezi- Anreize zur Aufnahme alternativer Erwerbsquellen. fikationen des Modells geschätzt, um die Robustheit der Folglich wird ein positiver Zusammenhang zwischen Schätzergebnisse zu überprüfen. Im nächsten Schritt „Zufriedenheit“ und dem GMImod angenommen. wurden verschiedene Tests auf Vorliegen des Endoge- Unter dem Faktor „staatliche Zahlungen“ wurden nitätsproblems durchgeführt. Bewertungen zur Wirkung von Direktzahlungen und Um die Robustheit der Schätzergebnisse zu Investitionsförderungen zusammengefasst. Hierbei be- prüfen, wurden die drei betrieblichen Variablen, einzeln deuten niedrige Zustimmungswerte und folglich hohe und gemeinsam aus dem Modell herausgenommen, Faktorwerte, dass diese staatlichen Fördermaßnahmen und die Schätzergebnisse miteinander verglichen. Die einen geringen Einfluss auf die betriebliche Um- alternativen Spezifikationen zeigten sehr robuste Er- strukturierung bzw. auf die Durchführung von Investi- gebnisse. In allen Spezifikationen behielten die be- tionen in neue Tätigkeitsbereiche haben. Es wird rücksichtigten (verbliebenen) Variablen die gleichen erwartet, dass dieser Faktor negativ mit GMImod Vorzeichen wie im ursprünglichen Modell. Das Sig- korreliert ist. nifikanzniveau der Variablen hat sich nur in einzelnen Der fünfte Faktor „Wachstumshindernis“ bezieht Fällen unwesentlich verändert. Diese Befunde weisen sich auf Einschränkungen in der landwirtschaftlichen darauf hin, dass die Schätzergebnisse des ursprüngli- Produktion infolge der steigenden Faktorpreise, wie chen Modells als relativ zuverlässig angesehen werden Pacht oder Kauf von Land oder Milchquoten. In können. diesem Fall kann die Allokation der vorhandenen Die Tests auf Vorliegen des Endogenitätsprob- Haushaltsressourcen zu alternativen Aktivitäten eine lems basierten auf dem Instrumentenvariablenansatz. einkommenssichernde Strategie sein. Somit wird ein Hierfür wurde zuerst ein Modell mit Instrumenten- positiver Zusammenhang zwischen dem Faktor variablen geschätzt. Anschließend wurde das ur- „Wachstumshindernis“ und GMImod unterstellt. sprüngliche Modell auf Vorliegen des Endogenitäts- problems getestet. Beispielsweise wurde die landwirt- 3.4 Ergebnisse der schaftliche Nutzfläche als Instrumentenvariable für ökonometrischen Analyse das „Landwirtschaftliche Einkommen“ verwendet.10 Da in unserer Studie die landwirtschaftliche Diversi- Auswahl des empirischen Modells Im vorherigen Kapitel haben wir einige theoretische Variable definiert, die primär modellexogen sind und 10 Die LNF kann als nahezu exogen in Bezug auf Ent- die auf die modellendogene abhängige Variable scheidungen über die nichtlandwirtschaftliche Diversi- (GMI_mod) wirken. In dem theoretischen Modell fikation angesehen werden. Dies gilt vor allem für die wird somit unterstellt, dass der Störterm alle unsyste- Betriebe in SH, deren Möglichkeiten zur Ausweitung der betrieblichen Produktionskapazitäten bzw. der land- matischen Einflüsse aufnimmt und keinerlei Abhän- wirtschaftlichen Nutzfläche aufgrund des starken Wett- gigkeiten von den unabhängigen Variablen aufweist. bewerbs um den Faktor Boden stark eingeschränkt sind. 85 Copyright: www.gjae-online.de
GJAE 59 (2010), Heft 2 Tabelle 2. Ergebnisse der Tobit-Analyse zur Erklärung der Einkommensdiversifikation Variable Koeffizient Std.-Fehler Konstante 0,0337 0,0751 Größe: Einkommensklassen -0,0651*** 0,0163 Betriebliche GMI-Landwirtschaft 0.0578*** 0,0167 Faktoren Milchquote (Tsd. Kg) -0,1329*** 0,0483 Sozioökonomische Landw. Ausb.: Meister/vglb. (D) 0,1391*** 0,0397 Variablen Landw. Ausb.: Uni oder FH. (D) 0,2268*** 0.0450 Außerlandw. Ausbildung (D) 0,0273 0,0269 Zeit seit Betriebsübernahme 0,0022 0,0015 Anzahl der Familienmitglieder ab 15 Jahre 0,0298*** 0,0094 Hofnachfolge geplant (D) 0,0419 0,0306 Hofnachfolge läuft aus (D) -0,0114 0,0519 Allgemeine Bewertungen Kapitalbegrenzung 0,0498*** 0,0127 (Faktoren) Arbeitskapazität -0,0576*** 0,0135 Zufriedenheit 0,0383*** 0,0139 staatliche Zahlungen -0,0091 0,0123 Wachstumshindernisse 0,0063 0,0126 Gütemaße R2MZ 0,357 R2McF 0,743 korr,R2McF 0,567 LR2(15) (Sign.-Niv.) 143.69*** Anm.: ***, **, * kennzeichnet Signifikanzniveaus von 1%, 5% und 10%. R2McF: McFaddens’, R2MZ Bestimmtheitsmaß nach McKelvey und Zaviona.;Anzahl der Beobachtungen: 321 Quelle: eigene Berechnungen fikation (GMI_landw) als Proxy für das Risiko- Nach Abwägung aller bisherigen Testergebnisse, verhalten des Betriebsleiters gilt, wurden als Instru- Beurteilung der Güte der geschätzten Spezifikatio- mente verschiedene soziodemografische Eigenschaf- nen14 und unter Berücksichtigung der vorhandenen ten des Haushalts (Alter des Betriebsleiters; Anzahl Informationen bzw. Daten wurde eine Modellspe- der Kinder) als Instrumentvariablen für GMI_landw zifikation gewählt, die im Folgenden interpretiert wird. verwendet.11 Die Schätzung wurde mit Hilfe des Des Weiteren war das Tobit-Modell für die Analysen 2SLS-Ansatzes durchgeführt.12 Die durchgeführten besonders geeignet, da die endogene Variable Tests (Hausman) haben gezeigt, dass OLS dem 2SLS (GMImod) zensiert ist (MADDALA, 2001). Sie variiert vorzuziehen ist.13 Ein möglicher Grund hierfür kann im Wertebereich zwischen 0 und 1. die Benutzung von schwachen Instrumenten sein Die Schätzergebnisse des Tobit-Modells sind in (MURRAY, 2006). Da der vorliegende Datensatz keine Tabelle 2 zusammengestellt. Die relativ hohen Werte besseren Instrumente enthält, wird auf die Verwen- der Bestimmtheitsmaße und die hohe Signifikanz der dung des 2SLS-Modells verzichtet. Teststatistik weisen auf eine gute Modellanpassung hin und belegen die Relevanz der im Modell verwendeten Variablen. 11 Die existierende Literatur zeigte, dass Faktoren wie das Interpretation der Ergebnisse Alter, der Familienstand, das Geschlecht und die Struktur Bei den geschätzten Parametern zu betrieblichen der Familie einen Einfluss auf die Einstellung zum Risiko haben. Gleichzeitig zeigen die Studien, dass keine Faktoren werden zufriedenstellende Signifikanzen eindeutige Wirkungsrichtung vorliegt (vgl. HALEK und ermittelt. Die Vorzeichen der geschätzten Parameter EISENHAUER, 2001; PÅLSSON, 1996). entsprechen im Fall der Betriebsausrichtung (Milch- 12 Im Vergleich zum OLS-Modell weisen beim 2SLS-Mo- dell einige Variablen, unter anderen die GMI-landw und 14 Beispielsweise lieferten die Spezifikationen, in denen das landwirtscahftliche Einkommen, keinen signifikan- landwirtschaftliches Einkommen und GMI-landw als ten Einfluss auf. kategoriale Variablen auftreten, eine bessere Modell- 13 Zum Hausmantest siehe u.a. WOOLDRIDGE (2009): 521f. anpassung als Spezifikationen in denen diese Variablen und GREENE (2003): 80ff. in kontinuierlicher Form auftraten. 86 Copyright: www.gjae-online.de
GJAE 59 (2010), Heft 2 Tabelle 3. Zusammenhang zwischen der Einkommensquellen abseits der Landwirtschaft landwirtschaftlichem Einkommen einhergeht, konnte anhand der ökonometrischen Be- und der Diversifikation funde nicht bestätigt werden. Das könnte darauf hin- deuten, dass die Risikominimierung ein eher nach- Einkommen aus GMI GMI mod. landw. Urproduktion Landwirtschaft (alle Aktivitäten) rangiges Ziel bei der Diversifikation darstellt. Viel- (in Klassen eingeteilt) Mittelwert Mittelwert mehr scheint die optimale Ressourcennutzung bei den 1) bis 10 000 0,367 0,405 Diversifikationsentscheidungen im Vordergrund zu 2) 10 000 bis 50 000 0,374 0,272 stehen. 3) 50 000 bis 100 000 0,386 0,178 Die theoretisch abgeleiteten Hypothesen zu den 4) mehr als 100 000 0,431 0,189 sozio-ökonomischen Variablen konnten nur teil- Quelle: eigene Berechnungen weise nachgewiesen werden. Erwartungsgemäß zeigte sich die „Anzahl der Familienmitglieder mit mehr als 15 Jahren“ als ein fördernder Faktor der Einkom- viehspezialbetriebe) als auch des erwirtschafteten mensdiversifikation. Weiterhin wurde ein positiver Einkommens (Größe) den theoretisch abgeleiteten und hochsignifikanter Zusammenhang zwischen land- Hypothesen. Die deskriptive Statistik (Tabelle 3) wirtschaftlicher Fachausbildung und dem Grad der verdeutlicht allerdings, dass bei dem landwirtschaft- Einkommensdiversifikation festgestellt. Demnach lichen Einkommen ein nichtlinearer Zusammenhang erschließen Landwirte mit Meisterbrief und Hoch- mit der Einkommensdiversifikation zu erwarten ist. schulabschluss in höherem Maße Einkommensquellen Mit dem steigenden landwirtschaftlichen Einkommen abseits der Urproduktion als Berufskollegen mit gerin- bis zu einer Höhe von etwa 100 000 Euro p.a. sinkt geren Berufsbildungsabschlüssen. der Umfang der Diversifizierung abseits der land- Dagegen stehen beide Variablen zur Hofnach- wirtschaftlichen Urproduktion. Anschließend nimmt folge sowie die Variablen „außerlandwirtschaftliche die Einkommensdiversifizierung zu. Eine mögliche Ausbildung“ und die „Zeit seit Betriebsübernahme“ in Erklärung hierfür ist, dass in gut prosperierenden keinem signifikanten Zusammenhang mit dem Diver- Unternehmen der Betriebsleiter lediglich die Manage- sifikationsgrad des landwirtschaftlichen Haushaltes. ment- oder sogar Eigentümerfunktion übernimmt, das Allgemeine Wertung: Von den berücksichtigten operative Geschäft dafür den Facharbeitskräften Faktorwertungen zeigen nur drei Parameter den überlässt. In diesen Fällen kann der Betriebsleiter erwarteten und signifikanten Einfluss auf den Grad seine Arbeitszeit anderen Aktivitäten widmen. der Einkommensdiversifikation. Hierdurch wurden die Zusätzlich haben diese Betriebe einen besseren Hypothesen bestätigt, dass sowohl Kapitalbegrenzung als Zugang zu Kapital. Die relativ höhere Eigenkapital- auch die Prosperität des Agrargeschäftes (Zufriedenheit) decke lässt mehr Flexibilität sowie Unabhängigkeit den Umfang der Diversifikation einschränken, während von Geldgebern (staatliche Transfer, Finanzinstitu- freie Arbeitskapazitäten diversifikationsfördernd wirken. tionen) bei Investitions- bzw. Diversifikationsent- Es lässt sich somit schlussfolgern, dass Zugang zu scheidung zu. Ressourcen (Arbeit, Kapital) eine wichtige Voraus- Gleichzeitig deuten die Ergebnisse darauf hin, setzung für die Erschließung und den Umfang alter- dass Diversifizierung alle Betriebsgrößen bzw. nativer Einkommensquellen ist. Einkommensklassen betrifft. Bei Haushalten mit Dagegen lieferten die Schätzparameter von geringen landwirtschaftlichen Einkommen (etwa bis „staatlichen Zahlungen“ keine signifikanten Ergebnisse. 10 Tsd. Euro p.a.) können außerlandwirtschaftliche Eine Ursache hierfür könnte ein Informationsverlust Tätigkeiten (v.a. außerbetriebliche Beschäftigung) zu infolge der Reduktion verschiedener Bewertungen auf Einkommenskompensation beitragen. Bei Betrieben einen Faktor sein. Jedoch unterscheiden sich Haus- mit mittleren landwirtschaftlichen Einkommen ist die halte mit und ohne alternative Einkommensquellen Erschließung alternativer Einkommensquellen voraus- nicht in der überwiegend ablehnenden Bewertung der sichtlich aufgrund von relativ ungünstiger Finanzlage Aussage, dass die Entkopplung der Direktzahlungen zu sowie hohen Arbeitsbelastungen nur eingeschränkt einer Umstrukturierung des Betriebes führt oder möglich. Investitionen nur mit Fördermaßnahmen interessant Die theoretische Annahme, dass geringe Diver- sind. So könnte die Wirkung der bisherigen agrarpoliti- sifikation der landwirtschaftlichen Produktion (GMI- schen Maßnahmen als fraglich interpretiert werden. Es Landwirtschaft) mit einer hohen Diversifizierung ist zu vermuten, dass die untersuchten Betriebe unter- 87 Copyright: www.gjae-online.de
GJAE 59 (2010), Heft 2 schiedlichen Zugang zu agrarpolitischen Maßnahmen kann dieses Ergebnis teilweise auf Arbeitsspezialisie- bzw. staatlichen Transfers haben, wodurch keine rungseffekte zurückgeführt werden. Die Ergebnisse eindeutige Wirkungsrichtung nachgewiesen werden können auch so interpretiert werden, dass das relativ konnte. hohe Eigenkapital dieser Betriebe ihre Abhängigkeit Durch die Analysen konnten auch keine Erkennt- von Drittmittelfinanzierung (u.a. Banken) bei Auf- nisse gewonnen werden, inwieweit sich steigende nahme weiterer Geschäftsbereiche verringert, wo- Faktorpreise im Agrarbereich (Wachstumshindernis) durch das gesamte Unternehmensrisiko gesenkt auf das Verhalten der Haushalte bezüglich der Ein- werden kann. Es kann vermutet werden, dass eine kommensdiversifizierung auswirken. Gruppe von Agrarunternehmen existiert, die über technologischen und organisatorischen Vorsprung und folglich über Wettbewerbsvorteile verfügen. 4. Schlussfolgerungen Unsere Befunde deuten darauf hin, dass sich die Milchbetriebe im Hinblick auf die Nutzung und In dieser Arbeit werden die Bestimmungsgründe der Verteilung der Produktionsfaktoren (u.a. Arbeitszeit) Einkommensdiversifikation landwirtschaftlicher Haus- von anderen Produktionsrichtungen unterscheiden. So halte in Schleswig-Holstein untersucht. Hierfür wurde verzeichnen Haushalte, die sich auf die Milchpro- zuerst geeignetes Maß für Bestimmung der Ein- duktion spezialisieren, einen niedrigeren Grad der kommensdiversifikation eingeführt und theoretische Einkommensdiversifikation. Da Milchbetriebe beson- Hypothesen zu den Einflussfaktoren der Einkom- deren Arbeitszeitrestriktionen unterliegen, ergibt sich mensdiversifikation abgeleitet. Die theoretischen wenig Zeit für außerbetriebliche Tätigkeit. Gleich- Befunde wurden mithilfe eines ökonometrischen zeitig werden heutzutage gerade Milchbetriebe zuneh- Modells getestet. menden Marktrisiken ausgesetzt. So führen u.a. die Unsere Befunde lassen die generelle Schluss- Reformen auf dem Milchmarkt dazu, dass das (land- folgerung zu, dass primär die Steigerung des Einkom- wirtschaftliche) Einkommen der Milchviehbetriebe mens bzw. das Streben nach optimaler Ressourcen- stärker als bisher vom internationalen Preisgeschehen nutzung und nicht die Risikoreduktion als Hauptmotiv für Agrarprodukte und vom unternehmerischen Ge- für die Aufnahme außerbetrieblicher Aktivitäten von schick der Landwirte abhängt. Für die Milchbetriebe Bedeutung ist. Weiterhin wurde deutlich, dass viele bedeutet es, die veränderten Rahmenbedingungen wahr- betriebliche und soziale Faktoren sowie die persön- zunehmen, die Qualität des Faktors Arbeit zu erhöhen lichen Einschätzungen und Erwartungen des Betriebs- sowie entsprechend innovative Formen des Risiko- leiters in einem signifikanten Zusammenhang mit dem managements einzuführen, damit ausreichendes Ein- Ausmaß der haushaltsspezifischen Einkommens- kommen aus der Milchproduktion erzielt werden kann. diversifikation stehen. Die Ergebnisse lassen auch vermuten, dass Das in der Landwirtschaft erwirtschaftete Ein- besonders für Haushalte mit niedrigem oder sogar kommen ist eine relevante Variable bei Haushalts- negativem landwirtschaftlichen Einkommen, Erwerbs- entscheidungen. Die empirischen Befunde lassen kombination eine wohl dauerhafte Anpassungsstrategie allerdings verschiedene Entwicklungsmuster bzw. sein kann. Der Zugang zu Ressourcen (Arbeit, Kapital) Anpassungsstrategien landwirtschaftlicher Haushalte ist dabei eine wichtige Voraussetzung für die Er- erwarten. Es zeigt sich, dass Diversifizierung abseits schließung und den Umfang alternativer Einkommens- der landwirtschaftlichen Urproduktion mit steigenden quellen. Es wird belegt, dass nicht nur die Quantität Agrareinkommen (nichtlinear) sinkt. Die Befunde (freie Arbeitskapazitäten, Anzahl der arbeitsfähigen können als Indiz dafür gesehen werden, dass große Haushaltsmitglieder), sondern auch die Qualität des bzw. einkommensstarke Betriebe über komplexere Faktors Arbeit (Ausbildung) von großer Bedeutung für Management- und Organisationsstrukturen verfügen, eine erfolgreiche Diversifizierungsstrategie ist. Da der bei denen der Betriebsleiter lediglich die Eigentums- Kapitalzugang eine relevante Barriere für eine Ein- rechte bzw. Managementtätigkeiten ausübt. Die im kommensdiversifikation ist, gilt es für diese Haus- Managementbereich erworbenen Erfahrungen können haltsgruppe, spezielle Maßnahmen zu entwickeln bzw. die theoretisch zu höherer Entlohnung bei alternativen vorhandenen weiter auszudifferenzieren, um das Aktivitäten verglichen mit Arbeitszeitallokation in das übergeordnete Ziel der Nachhaltigkeit der ländlichen operative Geschäft im Agrarbetrieb beitragen. Daher Räume zu sichern. 88 Copyright: www.gjae-online.de
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