Elegante Zellen, kräftige Speicher - Active ...
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Bild: Michael Staub Batteriespeicher für Einfamilienhäuser – im Bild eine «Sonnenbatterie» – können die Produktion der PV speichern. Solaranlagen Elegante Zellen, kräftige Speicher Die Einspeisevergütung für Photovoltaik ist lediglich ein Baustein für den Umbau des Energiesystems. Für mehr Schweizer Sonnenstrom braucht es auch angemessene Speicherlösungen und eine höhere Akzeptanz für Solaranlagen. Technik und Ästhetik können schon heute überzeugend gelöst werden – jetzt sind die Bauherren und Architekten gefragt. Das zeigte die nationale Photovoltaik-Tagung in Basel. Von Michael Staub I n Deutschland haben die Subventionen der das Verteilnetz im Auge zu behalten. «Es geht Last ins Gleichgewicht zu bringen, kommen un- Bundesregierung zu einem enormen Zubau nicht nur um den Anschluss von Offshore-Wind- ter anderem Laststeuerung (Demand Side Ma- der Photovoltaik geführt. Die installierte Leis- parks oder den möglichen Einsatz von Druckluft- nagement, DMS), Batteriespeicher oder die An- tung von PV und Windkraft betrug Ende 2014 speichern», machte Badeda klar. Denn die instal- bindung von Elektrofahrzeugbatterien in Frage. rund 38 und 36 Gigawatt (Peak). «Bereits jetzt lierten Klein- und Kleinstanlagen im PV-Sektor Der enorme PV-Zubau hat die deutsche Ener- sollten wir darüber nachdenken, wo wir welche machen in Deutschland die Mehrheit der insge- gielandschaft umgekrempelt. Ein relativer neuer Speicherkapazitäten benötigen und wie wir sie samt 1,4 Millionen Systeme aus. Diese belasten Trend ist die Ergänzung der PV-Anlage mit einem optimal einsetzen», sagte Julia Badeda vom Ins- letztlich das Niederspannungsnetz. Das Lastpro- Batteriespeicher. Um hier netzdienliche Lösungen titut für Stromrichtertechnik und Elektrische blem muss auch auf dieser Netzebene gelöst zu erzielen, wurde im Frühling 2013 das Markt- Antriebe (ISEA) an der RWTH Aachen. Dabei gelte werden. Gerade hier können kleinformatige Lö- anreizprogramm für Speichersysteme für haus- es, nicht nur das Übertragungsnetz, sondern auch sungen eingesetzt werden. Um Leistung und eigene PV-Systeme aufgelegt. Günstige Darlehen 4 baublatt Nr. 15, Freitag, 10. April 2015
BRANCHE der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und ein unter Deutschland, Frankreich, Österreich oder chersystem haben», sagte Andrea Vezzini, Leiter 30-prozentiger Tilgungszuschuss an die Investi- Tschechien. Für die Zukunft rechnet man bei des ESReC. Die genormten Prüfverfahren gäben tionskosten bieten attraktive Anreize, um einen der Studer Innotec mit einem Wachstum der dafür keine ausreichende Gewähr: «Bei Lithium- Batteriespeicher zu installieren. Pro Kilowatt ins- Gleichstrom-Anlagen. Diese speisen den Gleich- Ionen-Batterien kommt man relativ leicht auf das tallierter Leistung werden aktuell 600 Euro aus- strom der Batterien direkt in die Batterie ein, Prüfergebnis ‹No fire, no explosion›. Der Austritt gerichtet. Derzeit sind in Deutschland über welche ebenfalls mit Gleichstrom arbeitet. Das von heissem Gas ist ein erlaubtes Resultat. Wenn 15 000 dieser kleinformatigen Batterieanlagen verlustbehaftete Umrichten des Stroms entfällt aber die Zuleitung mit brennbarem Isolations- installiert, die gesamte Speicherkapazität beträgt damit. material abgeschirmt wird, brennt nicht die Zelle, rund 100 Megawattstunden. Eine andere Frage, die an der Tagung aller- sondern das Kabel.» Gerade wegen dieser unter- Weit über 80 Prozent der Speicher werden zu- dings nicht behandelt wurde, ist die wechsel- schätzten Zusammenhänge müsse ein System sammen mit einer neuen PV-Anlage errichtet. strombasierte Technik im Haus: Kühlschränke, als Ganzes betrachtet werden. «Retrofit ist noch kein grosses Thema. Das wird Kochherde, Fernseher und Rasierapparate laufen Die vertiefte Prüfung von Batteriespeichern sich in Zukunft ändern, denn ab 2020 werden die allesamt mit Wechselstrom. Falls sich die Gleich- kann auch Aufschluss über das Altern der Batte- ersten PV-Anlagen aus der 20-jährigen Einspei- strom-Batteriespeicher verbreiten sollten, wer- riezellen und die mögliche Anzahl von Ladezyk- seförderung herausfallen», sagte Badeda. Ange- den hier allenfalls zusätzliche Wechselrichter oder len geben. Eine unbekannte Grösse ist das Ver- sichts der immer noch steigenden deutschen aber Mehrstromsysteme notwendig. In wesent- halten der Speicherbesitzer: Wollen sie vor allem Strompreise wird nach aktuellen Rechnungen für lich grösserem Massstab sind diese heute bei ihren Eigenverbrauch maximieren, oder sind sie alle Besitzer dieser Altanlagen ein Speicher zur den europäischen Eisenbahnen verbreitet, damit auch bereit, einen Teil der Speicherkapazität für Eigenverbrauchssteigerung wirtschaftlich sein. die Loks grenzüberschreitend fahren können. Netzleistungen zur Verfügung zu stellen? Die Höhe des Strompreises spielt hier eine wichtige Rolle. Engagement statt Rendite Anspruchsvolle Tests In Japan zum Beispiel gibt es tagsüber extreme Aus ökonomischer Sicht rechnen sich die Batte- Vor Jahren mussten unzählige Smartphones we- Tarifschwankungen, der Unterschied beträgt bis riespeicher für Private noch nicht. Wer heute gen unsicherer Akkus zurückgezogen werden. zu 300 Prozent. «In einem solchen Kontext wird eine solche Anlage in seinem Keller aufstellt, Vom «Batterygate» war unter anderem das da- der Speicherbesitzer immer ökonomisch optimie- ist kein knallharter Rechner, sondern ein Idea- malige iPhone-Modell betroffen. Das Beispiel ren», sagte Vezzini. So könnten falsche Anreize list, der bewusst im Sinn der Energiewende in- zeigt, dass Batterien und Akkus bei falscher dazu führen, dass die Speicher nachts mit güns- vestiert. «Die heutigen Käufer wollen die Energie- Herstellung oder Handhabung ein Risiko bergen. tigem Strom geladen würden. Mit einem «Prosu- wende vorantreiben und haben Interesse an Spei- Im Fall eines Batteriespeichers, der mehrere mer Lab», einer ausgefeilten Simulationsumge- cherlösungen. Es geben also weiche Faktoren Hundert oder gar Tausend Zellen besitzt, wächst bung, die derzeit aufgebaut wird, will das ESReC den Ausschlag», sagte Badeda. Jedoch gebe es dieses nochmals. Das Energy Storage Research solche Mechanismen erkennen. einen absehbaren «Doppelnutzen». Die Eigen- Center (ESReC) der Berner Fachhochschule be- tümer könnten zum Beispiel ihre Speicherkapa- schäftigt sich deshalb mit der Sicherheit von Schöne Lösungen für schöne Häuser zität auf dem Netz anbieten – als rasch verfüg- Batteriesystemen. Von der einzelnen Batteriezelle Nicht ökonomischen, sondern ästhetischen Ak- bare Regelleistung, zum Laden von Fahrzeug- über die Feuerfestigkeit der Isolationen bis zum zeptanzproblemen war der zweite Tagungsblock batterien oder gar als unterbruchsfreie Strom- Zusammenspiel der Komponenten wird hier al- gewidmet, nämlich dem Verhältnis zwischen versorgung. Bei sehr vielen installierten PV- les geprüft. «Es gilt noch viele Hausaufgaben zu Photovoltaik und Architektur. Neben unzähligen Anlagen würden sich die Speicher anbieten, um lösen, bevor wir ein wirklich sicheres Hausspei- «guten schlechten Beispielen», also mangelhaft kurzfristige Netzbelastungen zu vermeiden. «Das wäre volkswirtschaftlich sinnvoll, weil so zum Bild: CSEM Beispiel manche Netzausbauten vermieden wer- den könnten», so Badeda. Wenn Speicher «netz- dienlich» eingesetzt würden, gebe es keinen Grund, darauf zu verzichten. Eric Werfeli ist Vertriebsingenieur bei der Studer Innotec AG in Sion. Die Firma stellt unter anderem Wechselrichter her, die den Gleichstrom der PV-Anlagen in netzfähigen Wechselstrom verwandeln. Praktisch alle derzeit verfügbaren Batteriespeicher benötigen mindestens einen Wechselrichter, weshalb man bei Studer Innotec gut über die Absatzentwicklung informiert ist. Der Speichermarkt wachse, stellte Werfeli fest: «2010 hatten wir die ersten Anfragen betreffend Anlagen für den Eigenverbrauch. Bis 2012 ka- men etwa 1000 Systeme auf den Markt. 2013 waren es 6000, letztes Jahr etwa 10 000.» In Zukunft erwarte man ein starkes Wachstum bei Komplettsystemen, vor allem mit Lithium- Ionen-Batterien. Der Speichermarkt sei erst in Weisse Solarmodule, präsentiert von Christophe Ballif und Laure-Emmanuelle Perret-Aebi vom CSEM: einigen europäischen Ländern verbreitet, dar- Neben weiss sind auch beliebige andere Farben möglich. Nr. 15, Freitag, 10. April 2015 baublatt 5
BRANCHE Bild: CSEM Terrakotta statt Siliziumblau: Mit speziellen, vom CSEM entwickelten Solarmodulen sind unauffällige Aufdachanlagen möglich. Mit Pilotversuchen an verschiedenen Standorten wie diesem Bauernhaus im Kanton Freiburg wird die Wirkung beurteilt – und zwar auch aus ästhetischer Sicht. integrierten Aufdachanlagen, gab es hier auch Während kristalline PV-Elemente in der öffent- den angezapft werden. «Natürlich gibt es grosse interessante Neuerungen zu entdecken. Den An- lichen Wahrnehmung immer noch im Einheits- Unterschiede, ob es sich um einen Bau von 1920 fang machte Emmanuel Rey. Er ist Direktor des blau schimmern, gibt es längst Alternativen. Rey oder von 1980 handelt und ob das Gebäude Laboratoriums für Architektur und nachhaltige verglich die Entwicklung mit dem Aufkommen des einen Eigentümer hat oder zwölf», hielt Rey fest. Technologien (LAST) an der EPFL. Rey betonte die Farbbetons: «Schon bald wird es Panels in fast Mit speziellen Hilfsmitteln, unter anderem einem vom LAST entwickelten Kataster, versucht man nun den heterogenen Gebäudepark etwas bes- « ser zu katalogisieren. Denn für die erfolgreiche Realisierung neuer Anlagen wird nicht nur der erwartete Sonneneintrag massgeblich sein. Die neuen PV-Zellen » Weiss sehen statt schwarzmalen sind nicht mehr Konfektionsware, «Die Fassaden bieten ein grosses Potential für die sondern Haute Couture. PV-Produktion», sagte Laure-Emmanuelle Perret Emmanuel Rey, vom PV-Center des Centre Suisse d'Electronique Direktor, Laboratorium für Architektur et Microtechnique SA (CSEM) in Neuenburg. Nicht und nachhaltige Technologien (LAST) zuletzt weise die Verschärfung der Mustervor- schriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn) in Richtung Aktivhaus. Die Verwendung von PV- Modulen für die Gebäudehülle wird zudem aus preislichen Gründen interessant. Beträgt der Wichtigkeit der noch jungen gebäudeintegrierten allen Farben geben, selbst in Weiss. Die Anpas- durchschnittliche Quadratmeterpreis für eine Holz- Photovoltaik (Building integrated Photovoltaic, sung von PV-Anlagen an Gebäude wird immer fassade 150 Franken und für eine Glasfassade BIPV). «Die BIPV erzielt klar die beste Akzeptanz. besser möglich, das freut auch den Denkmal- 600 Franken, liegt er für mikromorphe PV-Ele- Wir sprechen hier nicht mehr von Konfektions- schutz.» Mit farblich abgestimmten PV-Zellen mente bei gerade einmal 90 Franken. Solche Fas- ware, sondern von Haute Couture.» könne in Zukunft auch das Potential der Fassa- sadenelemente haben nur noch wenig mit den 6 baublatt Nr. 15, Freitag, 10. April 2015
kristallinen Modulen gemein, die auf Dächern auf- Bild: CSEM gestellt werden. «Es wird attraktive Lösungen ge- ben, sowohl was die Farben und Grössen als auch die Funktionalität betrifft», sagte Perret. Auch «Dummies», also Module ohne Stromproduktion, sind in diesem Zusammenhang wichtig. Praxiser- fahrungen mit fassadenintegrierten PV-Anlagen zeigen nämlich, dass die Verschaltung der Mo- dule sehr aufwendig ist. Bei ungünstigem Schat- tenwurf können Module im Extremfall ganz aus- fallen und so zum Kurzschluss führen. Installiert man an solchen Orten «stromlose» Elemente, kann die Fassade einheitlich gestaltet werden, ohne die Funktion der PV-Anlage zu beeinträchtigen. Eine wichtige Rolle spielt dazu die Farbe der Module. Das CSEM modifiziert herkömmliche PV- Elemente an der Oberfläche, ohne die innenlie- gende Technologie zu verändern. Konkret wurde eine nanobeschichtete Folie entwickelt, die das gesamte Infrarot-Spektrum der Sonnenstrahlen passieren lässt. Der sichtbare Anteil des Lichts wird dagegen gezielt reflektiert, um beispiels- weise eine terrakotabraune oder ziegelrote Farbe zu erreichen. Die Einbussen bei der Strompro- duktion betragen ungefähr 30 bis 40 Prozent, die optische Wirkung der so produzierten Zellen macht sie allerdings für Oberflächen tauglich, die bisher tabu waren. So prüft etwa der Kanton Frei- burg in einem Feldversuch, ob rotbraune Module für denkmalgeschützte Bauten zulässig sind. Das aktuelle Highlight aus dem CSEM-Labor sind weisse Solarzellen, die schon bald vom Star- tup Solaxess vermarktet werden sollen. Weisse Dächer, die sich im Mittelmeerraum schon seit Christophe Ballif, Vizedirektor und Leiter des PV-Centers CSEM, präsentiert im Herbst 2014 die ersten Jahrhunderten als Wärmereflektor bewähren, weissen Solarmodule (oben). Sie dürften auch an Fassaden zum Einsatz kommen. Der Zubau bei könnten in Zukunft auch auf europäischen Dä- klassischen Aufdachanlagen schreitet dennoch weiter voran: Montagearbeiten an der PV-Anlage der Ikea Rothenburg (unten). chern zum Einsatz kommen. Weniger Klimatisie- rungsaufwand und als Bonus noch eine gewisse Bild: BE Netz AG Stromproduktion – eine solche Lösung dürfte zahlreiche Architekten begeistern. Integrale Sicht Fasst man die Anforderungen an Speichersys- teme und fassadenintegrierte Module zusammen, wird vor allem eines klar: Die Zeiten des Gärt- chendenkens neigen sich dem Ende zu. Die Dis- ziplinen übergreifende Zusammenarbeit, welche viele Gebäudetechnikspezialisten schon lange fordern, wird auch im Zusammenhang mit PV- Anlagen unabdingbar. Der Weg von der «dum- men» Gebäudehülle zu vernetzten, Strom produ- zierenden Fassaden und Dächern ist nur zu schaf- fen, wenn sich Architekten und PV-Spezialisten vermehrt austauschen. Es ist zu hoffen, dass die Möglichkeiten der BIPV helfen, alte Vorurteile zu überwinden. Denn ein Haus, das mit einer un- glücklich installierten Aufdachanlage gekrönt wird, hilft dem Anliegen der Energiewende eben- sowenig wie ein schicker Neubau, dessen Dach- fläche nur von ein paar Spatzen genutzt wird. ■ Nr. 15, Freitag, 10. April 2015 baublatt 7
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