Elektroautos sind wertstabiler als manche denken - POLITICO

Die Seite wird erstellt Hortensia Peters
 
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Feb. 2022

                        Elektroautos sind wertstabiler als
                                manche denken

                                  Ferdinand Dudenhöffer*

Wie risikoreich ist es heute ein Elektroauto zu kaufen? Oder anders formuliert, was
verliert man beim Wiederverkauf eines Elektroautos als Gebrauchtwagen? Eine Ant-
wort gibt der Vergleich der Restwerte bei Leasingfahrzeugen. Für die 30 meistver-
kauften Neuwagen, die im Jahre 2021 Verbrenner – also Benziner und Diesel, wa-
ren, für die 15 meistverkauften Plug-In Hybride und für die meistverkauften voll-
elektrischen Pkw haben wir das in einer Analyse berechnet. Dabei lagen den Be-
rechnungen Leasingverträge ohne Anzahlung, 24 Monate Laufzeit und 30.000km
Gesamtfahrleistung zugrunde. Das Ergebnis: Die vollelektrischen sind am Wert-
stabilsten. Ein wichtiger Grund sind die staatlichen Umweltprämien. Dabei gilt für
Fahrzeuge, die vor den Umweltprämien gekauft wurden, dass sie mit einem hohen
Wertverfall konfrontiert sind. Aber das ist nichts Neues. Es geht also um die Kaufent-
scheidung heute und nicht von gestern, also vor der Prämie.

Knappheit ist ein Faktor, der Preise beeinflusst

Wie in jedem Markt sind auch im Gebrauchtwagenmarkt die Preise abhängig von der
Angebotsmenge. Und das Gebrauchtwagenangebot an vollelektrischen Pkw im
deutschen Automarkt wird auch in den nächsten Jahren „dünn“ sein. Ein „dünnes“
Angebot stabilisiert Preise. Im Neuwagenmarkt gilt, dass der deutsche Markt beim
vollelektrischen Auto ein enormes Wachstum aufweist. Das zeigen auch die Daten
der Pkw-Neuzulassungen wie in Abb. 1 darstellt. Stolze 21,3% Marktanteil oder
48.436 BEV-Neuwagen kamen im Dezember 2021 in den Markt. Übers Gesamtjahr
2021 waren es 13,6%. Der Trend geht also klar – fast schon exponentiell ins BEV bei
den Neuwagen. Immer stärker abgeschlagen sind die Plug-In Hybride. Während
übers Gesamtjahr 2021 mit 12,4% der Marktanteil der Plug-In Hybride nur wenig un-
ter den BEV-Marktanteilen lag, zeigt sich an den Dezember-Daten die große Sprei-
zung. Dieser Schereneffekt wird in den nächsten Jahren noch viel deutlicher werden.
Spätestens, wenn die Ampel-Koalition 2023 die staatliche Plug-IN Hybride einstellt –
und damit ist zu rechnen – könnte der Plug-In ein ähnliches Schicksal wie der Diesel
erleiden. Wie genau die Ampel-Entscheidung aussieht ist heute noch nicht klar. In
unserer Analyse gehen wir vom vollständigen Entfall der Umweltprämie aus.

*Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer ist Direktor des CAR-Center Automotive Research, Duisburg ++
www.car-future.com, E-Mail: ferdi.dudenhoeffer@car-future.com

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Abb.1: Kenndaten deutscher Automarkt

                                              Pkw-
Pkw-Neuwagen          Dez 21         2021                         2021      Pkw-Bestand      01.10.2021
                                              Gebrauchtwagen
BEV                   48.436       355.961    BEV                47.472     BEV               516.518
BEV-Marktanteil       21,3%         13,6%     BEV-Marktanteil    0,7%       BEV-Anteil         1,1%
Plug-IN               32.752       325.449    Plug-IN            51.120     Plug-IN           494.192
Plug-IN-                                      Plug-IN-
                      14,4%         12,4%                         0,8%      Plug-IN-Anteil     1,0%
Marktanteil                                   Marktanteil

Pkw-Neuwagen                                  Gebrauchtwagen-
                     227.630      2.622.132                     6.649.077   Pkw-Bestand      48.648.263
Markt                                         Markt

Quelle: KBA, Berechnungen CAR

Verbrenner werden zu Zitronen

Zunächst gilt, dass BEV heute weder im Gebrauchtwagenmarkt noch beim Pkw-
Bestand eine Rolle spielen. Das zeigt Abb. 1. Lediglich 47.472 Besitzumschreibun-
gen gab es bei einem Markt von 6,649 Millionen Gebrauchtwagen im Jahr 2021, also
dünne 0,7%. Der BEV-Gebrauchtwagen wird zwar von den BEV-
Neuwagenverkäufen von heute und morgen „gespeist“, aber bis sich ein entspre-
chendes Angebot einstellt dauert einige Jahre. Sprich, wir haben eine zeitliche Ver-
zögerung von 3 bis 4 Jahren bis die heutigen BEV-Neuwagen im Gebrauchtwagen-
markt ankommen. Also bleiben BEV auch in den nächsten Jahren knapp. Ein Indika-
tor für Wertbeständigkeit. Ähnliches gilt für die Plug-In Hybride, nur mit dem Unter-
schied, dass aufgrund sinkender Verkäufe, spätestens ab dem Jahr 2023 – mit der
Beendigung der staatlichen Förderung – der Plug-In Markt zusammenschrumpft.

Verbrenner und Plug-In erleiden mittelfristig erhebliche Wertverluste im Ge-
brauchtwagenmarkt

Knappes Angebot ist hilfreich für gute Preise, aber wie entwickeln sich die Ge-
brauchtwagenpreise? Ein guter Indikator sind die Restwerte von heutigen Leasing-
verträgen. Und diese Analyse (vgl. Abb. 2) zeigt, die Verbrenner vor den Plug-Ins die
Verlierer sind

In Abb. 2 haben wir die Restwerte – sprich Gebrauchtwagenpreise bei den 30-
meistverkauften Verbrennern, den 15 meistverkauften BEV und den 15 meistverkauf-
ten Plug-In ermittelt und dargestellt. Die Konditionen der Leasingverträge wurden am
CAR im Monat Januar 2022 bei herstellerunabhängigen Leasinggesellschaften ermit-
telt. Eingerechnet wurden dabei immer die derzeit gültigen staatlichen Innovations-
prämien einschließlich dem Hersteller-Anteil. Da derzeit für die Leasinggesellschaf-
ten die technischen Entwicklungen bei Elektroautos schlecht einschätzbar ist, werden
ausschließlich 24-Monatsleasingverträge angeboten. Der Referenzvertrag war je-
weils 24 Monate, 15.000 km Jahresfahrleistung, Null-Anzahlung

Das Ergebnis (vgl. Abb.2): Der BEV hat nach 2 Jahren einen Restwert (oder Ge-
brauchtwagenwert) von 79% seines Neuwagenpreises. Das ist der beste Restwert im
Vergleich zum Verbrenner (69%) oder Plug-In (73%).

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Abb. 2: Restwerte von Verbrenner, BEV und Plug-IN

                                                            Bei BEV+Plug-In mit Prämie
                                           Listenpreis
                                                          Ø-Restwert    Restwert-Faktor
Verbrenner 30 meistverkaufte Neuwagen       29.167 €       20.764 €           69%
BEV 15 meistverkaufte Neuwagen              37.961 €       29.748 €           79%
Plug-In 15 meistverkauft Neuwagen           45.868 €       32.899 €           73%

Quelle: Berechnung CAR auf Grundlage 24-Monats-Leasingverträge

Ein Beispiel soll das erläutern. Gehen wir davon aus, dass Verbrenner, BEV und
Plug-In alle zum Neuwagen-Durchschnittspreis des Jahres 2020 von 36.340 Euro
gekauft wurden. Nach 2 Jahren Laufzeit und 30.000 km gilt dann Gebrauchtwagen-
preis (Restwert) wie in Abb. 2a

Fazit: Wenn also die Förderprämien so bleiben wie bisher, werden Verbrenner sehr
schnell zu Zitronen für ihre Besitzer. Im Autohandel nennt man so etwas auch Stand-
uhren, sprich sie stehen lange herum und sind nur mit Nachlässen an die Frau oder
den Mann zu bringen.

In ähnliche Richtung wie die Förderprämie wirkt die Verteuerung des Treibstoffprei-
ses durch die CO2-Steuer. Damit werden die Total Cost of Ownership (TCO) auf-
grund steigender CO2-Steuern beim Verbrenner höher. Allerdings ist der Effekt bei
weitem nicht so stark wie bei der Förderprämie.

Also auch die CO2-Steuer führt dazu, dass Verbrenner langsam zu Zitronen werden,
sprich dem Verkäufer sauer aufstoßen.

Was passiert, wenn die Förderung – sprich die Umweltprämie eingestellt wird?

Auch diese Variante haben wir in einer Modellrechnung untersucht. Die Ergebnisse
sind in Abb. 3 zusammengefasst. Unterstellt ist dabei, dass der Entfall der Umwelt-
prämie im 24-Monatszeitraum durch höhere Leasingraten ausgeglichen wird und ab
Januar 2023 dann keine Umweltprämie mehr für Plug-IN vorliegt.

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Abb. 3: Restwerte von Verbrenner, BEV und Plug-In ohne Förderprämie

Abb. 3 zeigt die auf 100% normierten Listenpreise des Jahres 2023 für Verbrenner
(blau), BEV (rot) und Plug-In (grau). Nach unserer Analyse, wie in Abb. 2, zusam-
mengefasst ergibt sich dann ein Restwert für Verbrenner und Plug-In im Jahr 2025
von 69% bzw. 79%. Um eine Schätzung für die Restwerte der Plug-In (ohne die
Prämie von 6.500 Euro in der Spitze) zu erhalten wurden die Umweltprämien-
Beträge auf die einzelnen Monatsraten umlegt. Damit ermittelt sich der Restwert oh-
ne Prämie wie in Abb. 3 dargestellt als 56%.

Abb. 3 zeigt, dass ohne Förderprämie Plug-In Hybride ein großes Risiko bergen, zu
Zitronen im Gebrauchtwagenmarkt zu werden. Dieses Risiko ist jedenfalls nach den
bisherigen Ankündigungen der Ampel-Koalition für BEV bis zum Jahr 2025 ausge-
schlossen. Aber was passiert nach 2025, wenn die BEV-Förderung wegfällt? Nach
unserer Einschätzung reichen die durch CO2-Steuern hervorgerufenen Preissteige-
rungen für Treibstoff (Benzin, Diesel) nicht aus, um einen ähnlichen Effekt wie in
Abb. 3 beim Plug-In auszuschließen.

Helfen zu „drehen“ können auch Kostensenkungen bei Batterien. Wie stark dieser
Effekt sind, ist aus heutiger Sicht nicht einfach einzuschätzen. Da es nicht eindeutig
einschätzbar ist, besteht ein politisches Risiko. Die Ampel-Ansage, dass 2025 die
Elektroautoprämie nicht verlängert wird, beinhaltet für die Zeit nach dem Jahr 2025
ein erhebliches Risiko, dass der Elektroautomarkt in Deutschland deutlich in seinem
Wachstum eingebremst wird. Die Ziele der Bundesregierung erscheinen unter dieser
Voraussetzung nicht erreichbar. Wenn also keine zusätzlichen Maßnahmen wie etwa
Treibstoffsteuererhöhungen umgesetzt werden, bricht der versprochene Hochlauf
des Elektroautos ab. Ein klarer Indikator dafür sind die Musterrechungen der Abb. 2
und Abb. 3. Im Mittel bräuchte es Kostenverbesserung vom im Schnitt 5.000 Euro für
die Preise der Elektroautos. Für 2025 dürfte das noch zu erwarten sein.

Szenario Zusatzsteuer auf Verbrenner nach dem Jahr 2025

Im Prinzip bieten sich mehrere Möglichkeiten an, den Entfall der Umweltprämie für
BEV nach dem Jahr 2025 „auszugleichen“. Nach unserer Einschätzung wäre dazu
am besten eine entsprechende Mehrwertsteuererhöhung bei Verbrennern geeignet.
Damit würde der heutige Besitzer eines Verbrenners nicht etwa durch höhere Treib-
stoffpreise gehandicapt. Nur die Neuwagenkäufer würden also vor die Alternative

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gestellt, entweder einen etwas teeren Verbrenner oder den BEC zu kaufen. Im Prin-
zip wäre die Steuer dann nichts Anderes wie eine negative Umweltprämie. In der
nachstehenden Modellrechnung wollen wir eine Antwort auf die Straf-Steuerhöhe
geben. Drei Variablen müssen bei der Berechnung beachtet werden: die Treibstoff-
preise, die Kostensenkungen in der Produktion von Elektroautos und die Art und Hö-
he der Steuer.

1. Treibstoffpreise

Seit 1. Januar 2022 wird die Tonne CO2 mit 30 Euro besteuert. Bis zum Jahr 2025
soll die CO2-Steuer auf 55 Euro/Tonne CO2 steigen. In der Analyse wollen wir davon
ausgehen, dass im Jahr 2026 die Tonne CO2 mit 60 Euro besteuert wird. Damit liegt
gegenüber dem Jahr 2022 eine CO2-Steuererhöhung von 30 Euro/Tonne CO2 vor.
Gegenüber dem Jahr 2022 verteuert sich damit der Liter Benzin um 9 Cent. Bei ei-
nem Pkw, der über seinen Gesamtlebenszyklus 200.000 km zurücklegt und einen
Treibstoffverbrauch von rund 5,5 Liter/100 km hat, muss der Käufer dann mit zusätz-
lichen Benzinkosten von 990 Euro rechnen.

                      Abb. 4: Wirkung Zusatzsteuer auf Verbrenner

Benzinpreis + 9 Cent: Verteuerung Verbrenner              990 €
Kostenreduktion E-Auto 10%: Preissenkung BEV             3.800 €          4.790 €
26% MwSt. Verbrenner: Verteuerung Verbrenner             2.450 €
Preisabstand: Benziner zum BEV                           7.240 €

Das Beispiel macht deutlich, dass durch die CO2-Steuererhöhung zwar der Abstand
zwischen Verbrenner und BEV enger wird. Aber der Ausfall der Innovationsprämie
kann damit nicht kompensiert werden.

2. Kostensenkungen beim Elektroauto

In unserer Analyse gehen wir davon aus, dass 10 Prozent Kosten- und damit Preis-
verbesserungen beim Elektroauto bis 2026 möglich sind. Das Durchschnittselektro-
auto in Deutschland hatte einen Listenpreis von 38.000 Euro. Damit ergeben sich
die, in Tab. 1 aufgeführten Kosteneinsparungen von 3.800 Euro. Als Zwischenfazit
lässt sich festhalten: CO2-Steuererhöhungen und Kosteneinsparungen addieren sich
beim Durchschnitts-BEV auf 4.790 Euro

3. Zusatzsteuer: Mehrwertsteuer für Verbrenner-Neuwagen auf 26%

Bei einem Durchschnittspreis vom Verbrenner von rund 36.000 Euro würde dies ei-
ner Zusatzsteuer von 2.520 Euro auf den Neuwagen mit Verbrennungsmotor bedeu-
ten. Damit wäre der Betrag der staatlichen Umweltprämie und ein Teil der heutigen
Herstellerzugabe durch die drei Komponenten CO2-Steuer, Kostensenkung Elektro-
auto, Mehrwertsteuererhöhung für Verbrenner "ersetzt". Je nachdem, wie sich die
Kostensenkungen beim Elektroauto entwickeln lässt sich der Mehrwertsteuersatz
anpassen, sprich im Zeitverlauf senken.

Die Maßnahme ist administrativ einfach umsetzbar, ist jederzeit anpassbar und gibt
das richtige Signal für Autokäufer, Autoindustrie, Infrastruktur-Investoren und schont

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die 48 Millionen Autobesitzer. Eine simple Sache, mit der sich die Ampel beschäftig-
ten könnte.

FAZIT: Der Verbrenner birgt auch aufgrund der Umweltprämie ein hohes Risiko, für
seine heutigen Käufer zur Zitrone zu werden. Je weiter wir in die Zukunft gehen, um-
so höher ist das Zitronen-Risiko. Wer dieses Risiko meiden will, sollte entweder zum
Elektroauto wechseln oder Verbrenner nur noch im sogenannten Kilometer-Leasing
nutzen. Dann trägt die Leasinggesellschaft das Risiko bei Restwert und die wird ein-
fach die Restwerte senken und damit die Monatsraten im Leasing erhöhen. Also es
sieht schlecht aus für die Zukunft des Verbrenners und noch schlechter für die Plug-
In. Die Ampel-Koalition in Berlin sollte in absehbarer Zeit klare Signale geben, wie es
nach 2025 weitergeht. Je länger man auf diese Signale warten muss, umso vorsich-
tiger werden zusätzliche Investitionen in Elektroautos- und Batteriekapazitäten getä-
tigt. Warten, sprich politische Unsicherheit, ist das Schlechteste, was dem Elektroau-
to passieren könnte

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Anhang A1: Berechnung Restwerte 30 meistverkaufte Neuwagen (Verbrenner)

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Anhang A2: Berechnung Restwerte 15 meistverkaufte BEV

Anhang A3: Berechnung Restwerte 15 meistverkaufte Plug-In

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