Elsass-Gazette Nr. 150 Oktober 2020 - Kulturverein Elsass-Freunde Basel Association culturelle les amis de l'Alsace Bâle
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Elsass-Gazette Nr. 150 Oktober 2020 Kulturverein Elsass-Freunde Basel Association culturelle les amis de l’Alsace Bâle
Impressum Inhaltsverzeichnis Elsass-Gazette Postadresse: Kulturverein Elsass-Freunde Basel 2 Impressum CH-4000 Basel 3 Inhaltsverzeichnis Internet: www.elsass-freunde-basel.ch Einzahlungen: CH02 0900 0000 6155 3465 9 (CHF) 4–5 Leitartikel Serge Iseli DE55 1203 0000 1039 1487 94 (EUR) Kontoinhaber: Serge Iseli 6–10 Bericht Ausflug Staufen, 10.9.2020 Irma Brantschen Sekretariat: Sibyll Holinger 11–13 Ausschreibung Literarischer Abend 5. November 2020 Aeschenvorstadt 48, CH-4051 Basel Mobile: +41 (0)79 461 72 28 14–15 Ausschreibung Auf den Spuren der E-Mail: sekretariat@elsass-freunde-basel.ch Basler Bischöfe 11. Dezember 2020 Redaktion: redaktion@elsass-freunde-basel.ch 16–19 E Baslere entdeggt s Elsass in Québec Serge Iseli Irma Brantschen (Leitung) Rudolfstrasse 22, CH-4054 Basel 20–24 Edelzwicker, Kaefferkopf und Gewurztraminer Peter Obrist Tel: +41 (0)79 434 64 67 E-Mail: ibrantschen@bluewin.ch 25–28 Georges Zink, Elsässer Mundartdichter Edgar Zeidler Peter Obrist (Leitung) 29–32 Sakrale Bauten als Zeugen der Geschichte Hans-Jörg Renk Aeschenvorstadt 48, CH-4051 Basel Tel: +41 (0)61 261 54 31 33–34 Loem / Buée: ein neuer Gedichtband von E-Mail: tsirbo@bluewin.ch Jean-Christophe Meyer Ursula Schmitt Serge Iseli Lenzgasse 31, CH-4056 Basel 35–36 Àm And vom Lied: ein neuer Gedichtband Tel: +41 (0)79 416 75 00 von Edgar Zeidler Hans-Jörg Renk E-mail: serge.iseli@iselioptik.ch 37–39 Buchbesprechung „Sagenhafter Hotzenwald“ Markus Manfred Jung Gestaltung: Peter Birbaumer Fuchshagweg 22, CH-4103 Bottmingen 40 Dank mit Verspätung Peter Obrist Tel: +41 (0)61 422 06 30 E-Mail: peter@birbaumer.ch 41 Veranstaltungen Druck: Dietrich AG Pfarrgasse 11, CH-4019 Basel 42 Bildernachweis Auflage: 450 Exemplare 43 Adressliste Die nächste Ausgabe erscheint am 19. Januar 2021 Redaktionsschluss: 29. Dezember 2020 2 3
Leitartikel Liebe Elsass-Freundinnen, liebe Elsass-Freunde 2020 ist in vielerlei Hinsicht ein aus Alpine Regionen, die heute noch zu Fleisch und Milchprodukte sind für der gemeinsamen Anstrengung al- sergewöhnliches Jahr. Seit sieben grossen Teilen mit Schnee und Eis die Hälfte der ernährungsbedingten ler Wissenschaftler, eine wirkungs- Monaten beherrschen Begriffe wie bedeckt sind, senden alarmierende Umweltbelastungen verantwort- volle Impfung zu entwickeln. Das „Neuinfektionen“, „Maskenpflicht“ Signale aus: Die Gletscher schmel- lich. Für uns Geniesser der elsässi- Phänomen des Klimawandels durch oder „Corona-Skeptiker“ tagein, zen in rasantem Tempo, Starknie- schen und badischen Küche wäre die Erderwärmung bleibt. Da wird tagaus jedes Nachrichtenbulletin. derschläge lösen Erdrutsche aus, es bestimmt schmerzlich, auf den es keine schnelle Lösung und auch Schmelzende Polkappen, anhalten- auftauender Permafrost verändert geliebten Minschterkääs oder den keine Impfung geben. Da braucht de Trockenheit oder verheerende Öko-Systeme. Diese Fakten sind tief- badischen Wurschtsalat verzichten es die Anstrengung eines jeden von Unwetter sind bloss noch eine Rand- greifende und höchstwahrschein- zu müssen. Soweit braucht es nicht uns. Schliesslich wollen wir alle auch notiz wert. Aber nur weil sie aus lich unumkehrbare Veränderungen. zu kommen. Es lohnt sich schon, in Zukunft den exzellenten Riesling den Schlagzeilen verdrängt wurden, Landschaften, wie wir sie diesen vermehrt auf den Wochenmärkten der Domaine Roth geniessen und die heisst dies nicht, dass uns das Phäno- Wandersommer ausgiebig kennen von Saint-Louis oder Weil am Rhein Fassade der Klosterkirche von Ma- men der Erderwärmung nicht weiter und schätzen gelernt haben, wer- bei lokalen Produzenten regionales riastein mit verschneitem Dach auf ernsthaft bedroht. Wir dürfen uns den in ein paar Jahren völlig anders Gemüse und saisonale Früchte ein- unseren Winterausflug bestaunen vor ihren Folgen nicht verschliessen, aussehen. zukaufen. Oder beim Grossverteiler können. selbst wenn wir diese bisweilen als hier wie ennet der Grenze das immer Mittel, um diesen Wandel zu brem- In diesem Sinne wünsche ich allen durchaus angenehm empfinden: grösser und vielfältiger werdende sen, gibt es zum Glück viele. Es muss Lesern und Leserinnen eine spannen- Sortiment an nachhaltig produzier- Zum Beispiel den Sprung ins kühle nicht unbedingt die friedliche Be- de Lektüre und springe mit meinem ten Lebensmitteln zu berücksichti- Nass! Die Wickelfischsaison, auf die setzung des Bundeshausplatzes in Wickelfisch ein letztes(?) Mal in den gen. Wer eine Terrasse, einen kleinen wir in Basel so stolz sind, dauert jedes Bern während der Session sein. Es Bach – zumindest für dieses Jahr! Garten oder gar einen Pflanzplätz Jahr länger. Den vielen Menschen, die reicht oft schon, die eigenen Verhal- sein Eigen nennen darf, für den gibt am und im Rhein Erholung suchen, tensmuster zu ändern. Anstatt mit es die Samen der pro specie rara. Die- mag das eine Freude sein. Aber der dem eigenen Auto oder sogar mit ser Verein setzt sich dafür ein, dass Klimawandel macht unseren Flüssen dem Flugzeug vermehrt mit Bahn alte Gemüsesorten wieder vermehrt und Seen zu schaffen. In den heissen und Bus eine Reise zu unternehmen, angebaut werden und die Vielfalt Sommermonaten sinkt der Pegel je- verringert die schädlichen Emissi- nicht verschwindet. weils beträchtlich und das Wasser er- onen massiv. Auf unserem letzten wärmt sich viel schneller. Zusätzlich Ausflug nach Staufen hat jeder Teil- Deshalb meine ich: Uns alle sollten verbraucht unsere Landwirtschaft für nehmer – gemäss myclimate – 0.061t nicht nur Schlagwörter wie „Fall- die Bewässerung der extensiven Felder weniger CO2-Ausstoss gehabt, zahlen“ und „Mindestabstand“ be- Unmengen von Wasser, und dadurch weil wir mit der Bahn in die 65 km schäftigen, sondern auch Begriffe Serge Iseli sinken die Grundwasserspiegel. Für die entfernte Stadt im Markgräflerland wie „CO2-Fussabdruck“, “Nieder- dort lebenden Tier- und Pflanzenarten gefahren sind. Das ist bereits ein schlagsmangel“ und „Artenster- bedeutet dies zusätzlichen Stress ne- Zehntel der jährlichen Ersparnis, die ben“. Die Covid-19 Pandemie wird ben den vielen Erholungssuchenden, reicht, um den Klimawandel aufzu- hoffentlich eine kurze Episode in der die ihnen „ihr“ Revier streitig machen. halten! Geschichte sein, nicht zuletzt wegen 4 5
Wo Mephisto den Doktor Faust in Bei der Ankunft am Bahnhof Stau- fen stimmt uns Markus Manfred mit Unsere Gruppe wird von Barbara be- grüsst, eine ältere Dame, welche mit die Hölle holte (10. September 2020) einem Gedicht von Paul Nunnenma- viel Begeisterung ihr Wissen weiter- cher, einem Staufener Heimatdich- gibt und ihre Ausführungen immer ter, der sich der Pflege der aleman- wieder mit Anekdoten auflockert. Das Zähringer Mittelalterstädtchen Staufen im Breisgau nischen Mundart widmete, kulturell Wir starten am Marktplatz, der vom auf den Tag ein. Die kulinarische 1546 im spätgotischen Stil errichte- Einstimmung folgt gegenüber im Von Irma Brantschen ten Rathaus dominiert wird. Die Vor- Restaurant „Bahnhöfle“, wo für uns derseite des Gebäudes schmücken ENDLICH!!! Am Badischen Bahnhof Mit dem Regio Express Offenburg im Garten unter Kastanienbäumen Wappen der Herrschaften, unter treffen sich rund 30 Elsassfreundin- geht die Fahrt via Bad Krozingen in bereits Kaffi und Gugelhupf aufge- denen die Stadt seit ihrer ersten ur- nen und -freunde voller Vorfreude das am Westrand des Schwarzwalds tischt sind. kundlichen Erwähnung im Jahr 770 auf den ersten Ausflug in diesem gelegene Städtchen Staufen im Breis- Gemütlich bummeln wir zum Markt- gestanden hat. Der Name des Ortes Jahr, da wegen Covid-19 in den letz- gau, auch bekannt als Fauststadt nach platz, wo die Elsass-Freundinnen und geht zurück auf die von weithin sicht- ten Monate alle geplanten Anlässe seinem berühmtesten Einwohner Jo- -Freunde von zwei Reiseleiterinnen baren Bergkegel, die wie viele Berge abgesagt werden mussten. Selbst- hann Georg Faust. Bettina Bohn und empfangen werden, die uns in zwei gleicher Form im Althochdeutschen verständlich haben alle die Gesichts- Markus Manfred Jung haben für uns Gruppen das historische mittelalter- „Stauf“ genannt wurden. Die Burg maske dabei, verzichten – auch wenn einen abwechslungsreichen Tag mit liche Städtchen Staufen mit seiner auf dem Bergkegel wurde wahr- es nicht immer leicht fällt – auf eine einem vielseitigen und interessan- Geschichte und seinen Sehenswür- scheinlich um das Jahr 1100 erbaut. herzliche Umarmung, schütteln sich ten Programm zusammengestellt, digkeiten näher bringen werden. Besitzer der Burg waren die Herren keine Hände und respektieren die den wir bei schönstem Herbstwetter Distanzregeln. geniessen dürfen. 6 7
nachgewiesen. Bis Gegenüber dem Gasthaus zum Lö- 1515 und 1532 in Staufen und Frei- zu Beginn der Sa- wen gelangt man durch einen Tor- burg tätig war. nierungsmassnah- borgen zum Innenhof des Stuben- Bei den zahlreichen Geschichten und men im Jahr 2009 hauses. Dieses bereits im Jahr 1436 Legenden, die sich um den Heiligen hob sich der Unter- erwähnte Gebäude diente früher als Martin ranken, taucht oft die Frage grund mit konstan- „Trinkstube am Markt“ den Staufe- auf, weshalb er an diesem kalten ter Geschwindig- ner Handwerkern und Bürgern als Wintertag bei der Begegnung mit keit bis zu 11 mm je gesellschaftlicher Mittelpunkt. dem frierenden Bettler kurzerhand Monat im Bereich Die „Struve-Passage“ wurde nach seinen Soldatenmantel mit dem der Rathausgasse. dem berühmten badischen Freischär- Schwert teilte und nur eine Hälfte Heute weiss man, ler Gustav Struve benannt. An der dem Bettler gab. dass undichte Erd- wärmesonden für Aussenfront des Hauses „Im Grün 15“ Eine der zahlreichen Erklärungen die Hebungen ver- steckt noch eine Kanonenkugel von dürfte bei den „Eigentumsverhält- antwortlich sind. der Beschiessung Staufens im Verlauf nissen“ des Mantels liegen: Der um Bis Oktober 2010 der Niederschlagung des Struve-Auf- 316 n. Chr. geborene Martin war rö- gab es Risse an 268 stands 1848. Mit dieser Schlacht en- mischer Soldat, und es war üblich, Häusern. Bis Sep- dete die zweite Phase der Badischen dass die Kosten für die Ausrüstung tember 2012 konn- Revolution. hälftig von den Soldaten und hälftig te die Hebung von Im ältesten Teil der Stadt – dem „Hin- vom Militär getragen wurden. Und von Staufen, eine im Breisgau alt- monatlich einem Zentimeter auf terstädtle“ – finden sich zahlreiche vielleicht ist die Teilung des Mantels eingesessene Adelsfamilie, die nicht drei Millimeter reduziert werden. Beispiele für unterschiedliche Reno- darauf zurückzuführen – er gab nur verwandt war mit dem Herrscherge- Aktuell geht man davon aus, dass vierungsweisen der überwiegend aus die eigene, ihm gehörende Hälfte schlecht der Staufer. dauerhaft Grundwasser abgepumpt dem 17. Jahrhundert stammenden weg. Und vermutlich gäbe es ohne werden muss, um weitere Gebäude- Gebäude. Am Ende der Spitalstrasse Mantelteilung keine Legende und Augenfällig sind die am Mauerwerk schäden zu vermeiden. Der bishe- befindet sich das ehemalige Spital. der Heilige Martin hätte es nicht auf der meisten Gebäude rund um den rige Sachschaden liegt bei mindes- die 100 Franken-Note geschafft!?!? Marktplatz sichtbaren Risse und die tens 50 Millionen Euro. Die dem Heiligen Martin von Tours Plakate „Staufen darf nicht zerbre- geweihte katholische Kirche St. Mar- Unser Rundgang endet beim tra- chen“. Seit nunmehr über zehn Jah- An der Hauptstrasse finden wir das tin wird schon 1139 als Filiale der ditionsreichen Gasthof Löwen, wo ren kämpft Staufen mit den Folgen historische Gasthaus zum Löwen, Pfarrei Kirchhofen er- uns ein sehr feines Mit- einer missglückten Geothermie- welches bereits im Jahr 1407 er- wähnt. Das heutige Er- tagessen erwartet. Und Bohrung. Im historischen Rathaus wähnt wird. An der Stirnfront zur scheinungsbild geht auf auch jetzt hat Markus sollte für die Heizung und Kühlung Hauptstrasse ist dargestellt, wie der einen Neubau aus dem Manfred dafür gesorgt, die innovative Energietechnik Erd- oberste Teufel Mephisto dem Faust 18. Jahrhundert zurück, dass wir nicht nur kulina- wärme eingesetzt werden. Im Sep- das Genick bricht. Um 1540 soll der der ältere Überreste in- risch, sondern auch kul- tember 2007 wurden sieben bis zu historische Faust in diesem Gast- tegriert. Drei Figuren in turell verwöhnt werden. 140 m tiefe Erdwärmesonden ge- haus ums Leben gekommen sein. der Martinskirche wer- Als Überraschungsgast bohrt. Bereits wenige Wochen spä- Dem Alchemist und Magier, wan den dem Meister Sixt dürfen wir uns auf den ter stellte man aber an mehreren derndem Wunderheiler, Astrologen von Staufen, einem Holz- alemannischen Lieder- Gebäuden in der historischen Alt- und Wahrsager wurden Experimen- schnitzer und Bildhau- macher Uli Führe freu- stadt Risse fest. Als Schadensursache te zur Herstellung von Gold zum er der Dürerzeit, zuge- en, der in witzigen und wurden Hebungen des Untergrunds Verhängnis. schrieben, der zwischen ironischen Liedern Men- 8 9
schen und Zeitgeschehen unter die Lupe nimmt. fallene Burgruine, ihr Wahrzeichen, 1896 erworben. Literarischer Abend Uli Führe präsentiert uns einen Andere benutzen die Gelegenheit, Querschnitt aus seinem Schaffen. das Keramikmuseum zu besichti- Ausschreibung von Markus Manfred Jung Der vergnügliche Auftakt beginnt gen, wo neben der im Original er- mit einem Lied von Johann Peter haltenen Töpferwerkstatt mit Ton- Datum Donnerstag, 05. November 2020 Hebel, der „allzeit vergnügte Tabak- grube, Scheibe, Glasurmühle und Ort Zunftsaal des Schmiedenhofs, Eingang Rümelinsplatz 4, Basel raucher“, in dem der Dichter den denkmalgeschützten Holzbrennöfen Beginn 18:30 Uhr, Saalöffnung 18:00 Uhr Tabakgenuss über die vier Jahres- die aktuelle Sonderausstellung „Pi- Ende 21:00 Uhr cassoCo – Berühmte Künstler*innen und Verantwortlich Markus Manfred Jung, Ursula Schmitt, Hans-Jörg Renk, ihre Keramiken“ be- Werner Schwarzwälder sichtigt werden kann. Teilnehmer Bis 60 Personen (bitte Schutzmaske mitnehmen) Und ein Teil geniesst Eintrittspreis CHF 30.– inklusive Apéro mit Gugelhopf in der Pause es, in aller Ruhe noch- mals durch das idylli- Am Himmel stoht es Sternli z Nacht im grosse Sternemeer – vier sche Städtle Staufen zu grossartige Mundart-Künstler aus dem Alemannen-Dreyland flanieren und die vie- len bunten Geschäfte Unter diesem Motto soll der Litera- Aus der Schweiz zu entdecken. rische Abend das fachkundige Pu- blikum wiederum überraschen und Rääzel Am Ende des Nach- erfreuen. Alle vier Vertreter der mittags treffen sich Aigentläch chömmers/ Säälta Mund-Art sind ausgewiesene Könner tömmers/ Mengmool mömmers/ die Elsassfreundinnen- ihres Fachs und weit über die Gren- und freunde zum ab- Maischtens lömmers/ Säältä zen der Dreilandregion hinaus be- wömmers/ S’gääb zwoor Tömmers/ schliessenden Kaffee kannt. Ein unterhaltsamer, witziger und Kuchen im weit (Aber lömmers) und tiefsinniger Abend ist garantiert. über die Region be- Erwin Messmer ist ab 1950 in kannten Kaffeehaus Während der Pause können Sie sich von Conny und Urs Rinklin vom Staad am Bodensee aufgewachsen zeiten besingt. Berührend das Lied Decker mit seinem grossen Angebot und studierte nach der Matura Phi- „Dr Mame ihri Socke“, leicht frivol an feinsten, nur aus besten Zutaten „Wyyguet Rinklin z Rieche im Schlipf“ mit einem Apéro verwöhnen lassen. losophie und Deutsche Literatur an das elsässische Lied „D‘Gretel hätt hergestellten Bäckerei- und Kondi- der Universität Freiburg im Uecht- gseit“ (nicht ganz jugendfrei!), und toreiwaren. Pünktlich erreichen wir Zudem haben Sie Gelegenheit zum persönlichen Kontakt mit den Inter- land. Am dortigen Konservatorium er weist im Lied aus dem Programm den Regio Express, der uns zurück erwarb er sich die Lehrdiplome für „Muul uf“ auf Beispiele von ale- nach Basel bringt. Ein erlebnisrei- preten, deren Bücher und CDs zum Verkauf aufliegen. Klavier und Orgel sowie das Orgel- mannische Wörtern hin, die am Ver- cher, interessanter Tag, an dem die Konzertdiplom. An der Musikhoch- schwinden sind. Kontaktpflege nicht zu kurz kam, Eine Anmeldung ist nicht notwendig, schule Bratislava absolvierte er ein klingt aus. der Eintrittspreis wird direkt an der zweijähriges postgraduales Studi- Nach dem Mittagessen unternehmen Abendkasse bezahlt. um. Er hat in vielen Ländern Europas einige einen Verdauungsspaziergang Dem Organisationsteam Bettina auf die Burgruine und geniessen den Bohn und Markus Manfred Jung ein Wir freuen uns auf Sie und vor allem sowie in Neuseeland und Südameri- prächtigen Ausblick über die Rheine- grosses Dankeschön für diesen Aus- auf die Künstler. Uf Widerluegen un ka konzertiert. Radio- und Fernseh- bene. Die Stadt Staufen hat die ver- flug! -loose am fünfte November. aufnahmen sowie Einspielungen 10 11
zusammen mit seiner dichtbände, meist in alemannischer Liselotte Hamm und Jean-Marie Frau, der Künstlerin Mund-Art, und drei mit Geschichten, Hummel sind in Strassburg zur Welt Bettina Bohn, in Hohen- Satiren und Glossen. gekommen und leben im nordelsäs- egg, Kleines Wiesental. sischen Nordheim. Beide sind Profis In der Lyrik geht es ihm vor allem Nach Studium von Ger- seit 1978. Er ist Pianist, Komponist darum, das eigene und eigen-artige manistik, Skandinavi- und Sänger, sie ist Schullehrerin, Sprachinstrument Mund-Art in einer stik, Philosophie und spielt ebenfalls diverse Instrumente zeitgemässen Weise zum Klingen zu Sport in Freiburg im und brilliert mit einer wunderbaren bringen. In der Prosa gelingt es dem Breisgau und Oslo/Nor- Stimme. Beruflich war sie unter an- Autor, durch kaum merkliche Über- wegen war er bis 2018 derem als Clownin in einer Kinder- zeichnung des Alltags menschliche Lehrer am Gymnasium Krebsklinik tätig, er begleitete unter Unzulänglichkeiten blosszustellen, in Schopfheim. Er ist Vi- anderem Eva-Maria Hagen und Wolf eingefahrene Lebensgewohnheiten zepräsident der Elsass Biermann auf Konzert-Tourneen. in Frage zu stellen. Er ist vielfach aus- diverser CDs runden seine musikali- freunde Basel und verantwortlich Früher waren sie als Trio-Ensemble gezeichnet, z.B. beim Lyrikpreis Me- sche Tätigkeit ab. für das Programm des Literarischen La Manivelle unterwegs, heute tre- ran, mit dem Oberrheinischen Roll- Abends. Ausserdem ist er Präsident ten sie als Duo sehr erfolgreich auf, Publizistisch ist er als Redaktor bei wagenpreis, mit dem Hebeldank und des Internationalen Dialektinstituts was man in vielen youtube-Filmen der Literaturzeitschrift „orte“ tätig. der Hebelplakette. (IDI) mit Sitz in Österreich und seit nachverfolgen und auf diversen Auch verfasste er diverse Reportagen 33 Jahren Leiter der Internationalen CDs anhören kann. Ihr reichhalti- und Essays für „Du. Die Zeitschrift Schopfheimer Mund-Art Literatur- Aus dem Elsass ges Repertoire enthält französische der Kultur". Als Lyriker hat er bisher Werkstatt. Unter bisher 20 Buch- Am Himmel stoht es Sternli z Nacht Chansons, deutsche und elsässische zehn Gedichtbände publiziert, zwei veröffentlichungen sind neun Ge- im grosse Sternemeer und wenn i Lieder, von Nathan Katz, André davon im St. Galler Dialekt, „Gschlaik s gseh spot in der Nacht, da wär i Weckmann, aber auch aus dem tradi- un Gschtelaasch“ und „Äm Chemifä- gern bi dir… tionellen Volksliedschatz. Dazu kom- ger sis Päch“. Darin nimmt er Martin Luthers Methode wieder auf, indem men natürlich er dem Volk aufs Maul schaut. auch Eigenkre- ationen. Und Seine Gedichte sind sprachgewaltig längst haben direkt aus dem Leben gegriffen, in sie sich aleman- ihnen halten sich Tiefsinn mit kaba- nisch-internati- rettistischer Pointe, lyrische Reflexion onal auch Tex- mit geistreichem Klamauk die Waage. te von Hebel oder Gerhard Aus dem Badischen Jung vorge- versfüess nommen. Ihre Stärke sind der uf vogelfüess / goht d schrift / dur energiegelade- e sand // verlöscht // im endlose ne emotionale gschwätz / vo de welle // ufghobe // Auftritt und im freie flug die eigenwilli- Markus Manfred Jung, geboren gen Interpre- 1954 in Zell im Wiesental, wohnt tationen. 12 13
Auf den Spuren der Basler Bischöfe Das Bistum Basel geht bis ins 4. Jahrhundert – mithin bis in die Römerzeit – zu- Ausschreibung von Robert Heuss und Hugo Neuhaus rück. Es hatte verschiedene Residenzstädte, so Kaiser- Datum Freitag, 11. Dezember 2020 augst (im 4. Jahrhundert), 08:30 Uhr Besammlung Restaurant L’Esprit, Laufenstrasse 44 Basel (um 400 –1527/29), (hinter der Heiliggeist-Kirche), Ausführungen zu den Pruntrut (1527/29 –1828) Bischöfen in Basel durch Dr. h.c. Helen Liebendörfer, und heute Solothurn (seit dazu Kaffee/Gipfeli 1828). Das Fürstbistum Ba- 09:15 Uhr Besteigen des Busses an der Laufenstrasse 44, sel erstreckte sich (im 16. Fahrt nach Porrentruy Jahrhundert) über die Jura- 10:15 Uhr Führung von Niggi Ullrich durch das bischöfliche Städtchen ketten bis zur Burgundi- schen Pforte und in die Oberrheinische Nach einem köstlichen Mittagessen 11:30 Uhr Abfahrt Tiefebene. Das geistliche Bistum hat- in der seit 1628 bestehenden Taver- 12:15 Uhr Mittagessen in der Taverne du Sundgau in Riespach mit te eine grössere Ausdehnung als das ne du Sundgau in Riespach werden Apéro und einem Glas Rotwein/Mineralwasser/Café/Tee weltliche, umfasste es doch auch Teile wir zur „Non“ (Nachmittagsgebet 14:15 Uhr Abfahrt des Elsasses, das österreichische Frick- der Mönche) in Mariastein eintref- 14:45 Uhr Kloster Mariastein, Abt em. Lukas Schenker tal und grosse Teile des Kantons So- fen, wo wir vom früheren Abt und 15:00 Uhr Teilnahme an der Non lothurn. Eine spannende, verwirrliche heutigen Bibliothekar, Archivar und Geschichte, der es sich lohnt nachzuge- Seelsorger Lukas Schenker empfan- 17:00 Uhr Abendschoppen hen. Dazu werden uns die Schriftstelle- gen werden. Von ihm werden wir 17:30 Uhr Abfahrt rin und bekannte Stadtführerin Dr. h.c. viel über das Bistum Basel, das Klos- 18:00 Uhr Ankunft Meret-Oppenheim-Strasse Helen Liebendörfer in Basel und Niggi ter Mariastein und das klösterliche Teilnehmerzahl 26–50 Personen Ullrich, früherer Kulturbeauftragter Leben erfahren. Kosten CHF 95.– inkl. Apéro und Getränke des Kantons Basel-Landschaft und Anmeldeschluss Samstag, 21. November 2020 Mitglied des reformierten Kirchenra- Nach einer kleinen Vesper werden tes Basel-Landschaft, in Pruntrut viel wir nach 18 Uhr den Meret-Oppen- zu berichten haben. heim-Busparkplatz erreichen. 14 15
E Baslere entdeggt s Elsass in Québec und beginnt sofort aus ihrem Leben zu erzählen. Sie ist keine Witterswile- che los. Eine Zeit lang fand sie eine Stelle als Sekretärin, dann arbeitete rin, sondern mit ihrem Mann, einem sie während der Expo ’67 an einem Porträt Edith Schmidli echten Witterswiler, vor etlichen Jah- Würstchenstand, bis sie schliesslich ren in dieses Dorf am Fusse des Blau- im edlen Hotel „Bonaventure“ an- ens mit Tramanbindung nach Basel fangen konnte. Alle ihre Stellen be- Von Serge Iseli gezogen. Edith ist eine Baslerin, auf- kam sie, weil sie den Personalchefs Seit ich Mitglied der Elsass- gewachsen in der Stadt, wo sie auch jeweils etwas vorflunkerte. Freunde bin, ist mir auf fast das KV gemacht hat. Als sie im „Bonaventure“ gefragt jedem Ausflug, an dem ich Das Elsass war damals noch kein wurde, ob sie eine Hotelfachausbil- teilgenommen habe, eine Traumziel für sie. Nach der Lehre dung habe, bejahte sie dies, obwohl schicke Dame aufgefallen. zog es sie als erstes in ein anderes sie „nur“ KV-Absolventin war und Immer elegant mit Kurzhaar- frankophones Land. Zusammen mit sich ihre gastronomischen Erfahrun- frisur und besten Manieren ihrer Bürokollegin, die wie sie so- gen auf das Verkaufen von Würst- ist sie sehr kontaktfreudig eben die Lehre abgeschlossen hat- chen an Expo-Besucher aus aller Welt und beteiligt sich lebhaft te, entschloss sie sich, ihr Glück in beschränkten. Ein guter Freund hatte an Tischgesprächen. Dieses der kanadischen Provinz Québec zu jedoch gerade die Hotelfachschule in Mitglied blickt bestimmt suchen. Ein Arbeitsvisum war Mitte Luzern abgeschlossen und erzählte auf ein spannendes Leben der 1960er Jahre problemlos zu be- ihr von den Lehrern. So liess sie im zurück, dachte ich mir dann kommen, und so bestiegen die bei- Einstellungsgespräch immer wieder jeweils. Ganz besonders, als den jungen Frauen ein Schiff und den einen oder anderen Namen der ich sie letztes Jahr im Som- fuhren über den Atlantik und den Dozenten einfliessen und bekam den mer auf der Führung durch St.-Lorenz-Strom hinauf. Der Damp- Job. Als Sommelière! Von Wein hatte die Ausstellung „Menschen fer brachte sie nur nach Québec, von sie selbstverständlich keine Ahnung, und Flugzeuge: Destination wo es per Zug in die Grossstadt Mon- die Gäste waren damals auch nicht EuroAirport“ auf dem Flug- tréal weiterging. Am Bahnhof gab wirkliche Connaisseurs. Edith aber hafen erleben durfte. Da es ein Büro für Immigranten, wo sie begeisterte sich für das Thema und wurde ich so richtig hellhörig. Edith Namen Swissair oldies. Mein Eindruck erst mal eine Unterkunft zugewiesen brachte sich das nötige Wissen mit- Schmidli, so heisst sie, interessierte hat mich nicht getäuscht. Edith war bekamen. Und nun ging die Jobsu- hilfe einer Kollegin, deren Büchern sich ganz besonders für die Exponate, eine Airhostess bei Swissair und lei- die alle aus der Fliegerei stammten, tet heute die Regionalgruppe des und wusste auch hier und da etwas Ehemaligenvereins in der Nordwest- darüber zu erzählen. Die Dame kennt schweiz. die Welt. Sie will ich in der „Gazette“ Als ich mit meinem E-Bike in Witters- vorstellen. wil aus der Stadt kommend einfah- Also habe ich Edith kontaktiert, und re, läutet die Dorfkirche gerade den wir haben uns an einem Sommer- Abend ein: Aha, ich bin im katholi- abend in der Dorfbeiz ihres Wohnor- schen Thierstein und pünktlich. Aber tes Witterswil zu einem Znacht ver- leider verfahre ich mich zuerst und abredet. Wie heute üblich, habe ich komme zehn Minuten nach der ver- sie vorher gegoogelt, und ihr Name abredeten Zeit in der Beiz an. Edith erscheint auf einer Website mit dem sitzt schon bei einem Apérol Spritz 16 17
und ihrem eigenen Interesse re der Swissair hat Edith allerdings den, den Umweg über Mariastein an der Materie im Nu bei. So nicht mehr erlebt. Sie hängte 1986 nehmen. entdeckte sie ihre Leiden- die Uniform an den Nagel und zog Nach dem Tod ihres Mannes beginnt schaft für die Gastronomie. mit ihrem Mann nach Witterswil. sie nicht nur bei den Swissair oldies ak- Aber wie kam denn nun die Die „Jahre in der Luft“ haben sie tiver zu werden, sondern macht auch Leidenschaft für das Elsass? aber so sehr geprägt, dass sie selbst in einer Clique Fasnacht. Hier kann sie heute, über dreissig Jahre später, Auch die entstand während ihre Kontaktfreudigkeit und Gesellig- noch gerne davon erzählt und, wie ihrer Zeit in Montréal. Auf keit ausleben. An einer Veranstaltung eingangs erwähnt, auf mich den Ein- dem Weg zur Arbeit kam der Novartis Pensionierten-Vereini- druck einer Flight-Attendant macht. sie jeweils am Stadtbüro der gung lernt sie Evely Meyer kennen. Ihr Ich hätte nie gedacht, dass diese Zeit Air France vorbei, in dessen erzählt Edith von ihrer Leidenschaft für sie schon so weit zurück liegt. Schaufenster allerlei Plakate für das Elsass und, wie Evely so ist, lädt des „Tourisme de France“ hin- Wieder in der Nordwestschweiz, sie Edith gleich ein, an einem Ausflug gen. Ganz besonders sind ihr arbeitet sie bis zu ihrer Pensio der Elsass-Freunde teilzunehmen. Das dabei die Ansichten der elsäs- nierung in der Novartis und beginnt war 2014. Und seitdem ist sie immer sischen Riegelhausdörfer und Reblandschaften ins Auge gestochen. Nun begann sie sich das erste Mal für die Bas- ler Nachbarregion zu interes- sieren. Und dieses Interesse liess sie nicht mehr los. Es war aber nicht die Neugier- de, das Elsass besser kennen- zulernen, die sie veranlasste, nach ein paar Jahren in Ka- So warb man in Kanada für das Elsass nada wieder in die Schweiz musste sie zuerst einmal eine Zeit zurückzukehren. Sondern nach wie lang Dienst am Boden machen, bis nun end- wieder dabei und bereichert mit ih- vor ihre Lust, Neues auszuprobieren. sie sich den schweizerischen, steife- lich, das rem Charme und ihren Erinnerungen So entschied sie sich, bei der Swiss- ren Umgangsformen wieder ange- Elsass für jedes Gespräch während der Kaffee- air anzufangen. Sprachliche und passt hatte. So war das halt Mitte sich zu ent Gipfeli-Pausen und Mittagessen. Ich gastronomische Kenntnisse hatte sie der 1970er Jahre. Schliesslich flog sie decken. selbst hatte noch nie die Gelegen- ja gesammelt. Wer das Französisch zehn Jahre lang mit der nationalen Witterswil heit neben ihr zu sitzen, will das aber der Québecois versteht, wird auch Fluggesellschaft um die Welt, im- liegt ja nur baldmöglichst nachholen; schliesslich in der Kabine eines Swissair-Jumbo- mer mit schicker Kurzhaarfrisur und zwei Tram- möchte ich von ihrem Wissen über jets jedem Fluggast den richtigen wechselnden Uniformen. Da gab stationen von Leymen entfernt, und Weine, das sie sich vor fünfzig Jah- Drink servieren können. Aber die es diesen hellblauen Minirock, spä- wenn sie in ihren Schrebergarten ren als Sommelière angeeignet hat, Swissair wollte sie zuerst gar nicht ter dann das etwas biedere weisse, nach Rodersdorf will, muss sie jedes auch einmal profitieren. Sie wird für fliegen lassen. Ihre Manieren waren rote und blaue Muster, das wir alle Mal durch den südlichen Zipfel des die Tischrunde bestimmt den besten angeblich zu stark von der kanadi- wahrscheinlich noch in Erinnerung Sundgaus. Ausser in diesem Frühling; Riesling oder Blauburgunder auf der schen Nonchalance geprägt. Also haben. Das Braun der letzten Jah- da musste sie, aus bekannten Grün- Weinkarte empfehlen können. 18 19
Edelzwicker, Kaefferkopf und Elsass den Ort. Wer dort Reben besitzt, pflanzt vor allem Ries- Gewurztraminer ling, Pinot Gris, Gewürztrami- ner oder Muscat, denn das sind die von der AVA vorgegebenen Die „Route des Vins“ berührt 49 Elsässer Grand Cru-Lagen Traubensorten. Unter den 51 Grand Crus finden wir vor allem Von Peter Obrist Riesling und Gewurztraminer. Daneben gelten andere strenge Das hügelige Vorland der Vogesen den die Bezeichnung Appellation Vorschriften wie etwa gleicher – auf 200 bis 400m Meereshöhe – d'Origine Contrôlée (kurz AOC) ein- Boden, sortenreine Produktion, profitiert seit jeher von einer ma- geführt und 25 Einzellagen als Grand Höchstertrag oder Mindestalko- ximalen Sonneneinstrahlung und Crus deklariert. 1992 kamen 25 wei- holgehalt. einer aussergewöhnlichen Boden- tere dazu und schliesslich noch der vielfalt von Granit über Schiefer und „Kaefferkopf“ als bisher letzter. Nur etwa 5% aller Elsässer Kalk zu Mergel und Sandstein. Ide- Weine erfüllen diese Vorga- ale Voraussetzungen also für den Eigentlich erfüllt der Grand Cru der ben, weshalb es immer wieder Weinbau, und diese nutzten schon Gemeinde Ammerschwihr die An- Vorstösse gibt, zwischen den die Mönche im Mittelalter. Später forderungen der Association des Vi- einfacheren Landweinen und begann der Export in alle Himmels- ticulteurs d’Alsace (AVA) gar nicht: den Grand Crus eine zusätzli- richtungen unseres Kontinents, und Der „Kaefferkopf“ sind nämlich drei che Qualitätsstufe ähnlich den im 18. und 19. Jahrhundert wurden nicht zusammenhängende Parzel- Premier Crus im Burgund oder Elsässer Weine gerne und regelmä- len an den Hügeln vor Kaysersberg Bordeaux einzuführen. Weil ssig an verschiedenen europäischen – und erst noch Lagen mit unter- aber die Mühlen im allmächti- Königshöfen und Fürstenhäusern schiedlicher Bodenbeschaffenheit. gen Paris langsam mahlen, be- Die Elsässer Weinstrasse zwischen Marlen- getrunken. So waren etwa der Weil der „Kaefferkopf“ aber seit helfen sich die Elsässer Winzer hein (1) und Thann (7) erstreckt sich über Schoenenburg aus Riquewihr, der Jahrhunderten zu den bekanntesten mit anderen Klassifizierungen. eine Länge von 170 km, durchquert bekann- Rangen aus Thann oder der Kitterlé Elsässer Weinen zählt, beendete die Die Domaine Robert Roth in te Winzerorte wie Molsheim (2), Obernai aus Guebwiller in der noblen Gesell- AVA den endlosen Streit und nahm Soultz zum Beispiel definiert (3), Barr (4), Ribeauvillé (5) oder Guebwiller schaft ein Begriff. ihn 2007 in den exklusiven Kreis der mit der Bezeichnung „Lieu-dit“ (6) und berührt 49 der 51 Grand Cru-Lagen 51 Toplagen auf. ihre besten Terroir-Weine, die – die meisten im Département Haut-Rhin Die Elsässer Winzer verpassten es aus kleinen, seit Jahrhunderten rund um Colmar. aber, gemeinsame Qualitätsstan- Anders als etwa im Waadtland, wo die abgegrenzten Lagen mit beson- dards zu definieren und einen ge- Grand Crus einem bestimmten Wein sie vorzüglich! Andere Qualitätsbe- ders günstigen Voraussetzungen für setzlichen Rahmen zum Schutz ihrer zugeordnet werden (z. B. Dézaley, zeichnungen sind etwa „Château“ die betreffenden Rebsorten stam- Weine zu schaffen. Erst 1984 wur- Calamin, Yvorne) bezeichnen sie im oder „Clos“ für einen ummauerten men. „Mittelbourg“, „Hornstein“ Weinberg, wie er im Mittelalter oft und „Orschwillerbourg“ werden in von Mönchen angelegt worden ist. einem Register der Abtei von Thie- renbach bereits 1575 als Rebberge Die Aufnahme neuer Grand Crus ge- mit vorzüglichem Wein erwähnt. hört übrigens nicht zu den vordring- Wenn das keine Referenz ist – auch lichen Aufgaben der Association, in wenn diesen „Lieu-dit“-Weinen die der jeder Elsässer Weinort mit einem Grand Cru-Etikette fehlt, munden oder zwei Delegierten vertreten ist. 20 21
Die Winzer beschäftigen sich gegen- in früheren Jahren. Das ergibt Wei- In der Domaine Roth am besten ver- Die Traube mit den gelb-rötlichen wärtig mit ganz anderen Problemen, ne mit einem hohen Alkoholgehalt treten ist der Gewurztraminer, die El- Beeren trifft man nirgendwo auf die ihre Existenz bedrohen: (bis 14 %) oder mehr Restsüsse, wenn sässer Traube schlechthin. Schon der der Welt so oft an wie im Elsass, ob- der Gärprozess abgebrochen wird. Basler „Hauspoet“ Blasius besang wohl ihr Ursprung in Südosteuropa • Die lieben Landsleute trinken Wenn man frische, trockene Wei- diesen besonderen Tropfen in seinem vermutet wird. Der Name stammt zu wenig (Wein). Der Pro-Kopf- ne produzieren will, bereitet diese bekannten Gedicht „Elsassfährtli“: von Tramin im Südtirol, wo er seit Konsum ist innert 30 Jahren von Entwicklung nicht nur Freude. Eine dem 11. Jahrhundert dokumentiert 100 Liter jährlich auf 38 Liter ge- … Möglichkeit ist, mit der Lese früher ist. Die hochwertige Rebsorte stellt schrumpft. Gsehsch die Gäns doo voor dym zu beginnen, eine andere, die Reb- hohe Ansprüche an den Boden und • Familienbetriebe gehen ein und stöcke an höher gelegenen Hängen Waage? verlangt auch sonst viel Aufmerk- Grosskellereien kaufen die kleinen zu pflanzen, eine dritte, neue Sorten „Foie gras“ dänggsch und gspyyrsch samkeit: Weil sie nämlich im letz- Weingüter zusammen. anzubauen. der Maage. ten Stadium der Ausreifung rasch Sorgenkind ist hier der Riesling, der Froog gschwind, wär e Baizli kenn! Zucker auf- und Säure abbaut, ist • Der internationale Markt drängt die heissen und trockenen Sommer der richtige Zeitpunkt für die Lese auch nach Frankreich, das – anders Und scho fraisch di, du Schlawyyner, nicht mag und leicht „Sonnenbrand“ äusserst wichtig. Nur dann ent- als die Schweiz – keine Kontingen- uff e Scheppli Gwirztraminer bekommt. Im Nachhinein bereut Vic- wickelt der Gewurztraminer sein tierung ausländischer Weine kennt. und e „Choucroute alsacienne“. einzigartiges Bukett, das auch in tor Roth fast ein wenig, dass man vor Schliesslich ist auch die Klima-Erwär- einigen Jahren auf der höchstgele- mung ein Thema. Sie ist schuld, dass genen Parzelle – dem Hornstein – die der Zuckergehalt des Traubenmosts Sorte Auxerrois angepflanzt hat und (Oechsle) grundsätzlich höher ist als nicht Riesling. 22 23
Spät- und Trockenbeeren-Auslesen so geschätzt wird. zwicker“, der nach seinem Höhen- flug in den siebziger und achtziger Georges Zink, elsässischer Mundartdichter Jahren des letzten Jahrhunderts Weine sind immer wieder Modeströ- zumindest bei uns an Bedeutung mungen unterworfen; gegenwärtig verloren hat. Der einst beliebte Ein Sundgauer Bauernsohn wird Professor an der Pariser hat es der fruchtige Gewurztraminer Sorbonne Weisswein – damals eine hochwer- etwas schwer, weil viele Konsumen- tige Cuvée aus mindestens zwei ten trockene Weissweine bevorzu- Rebsorten – gilt heute leider bei Von Edgar Zeidler gen. Andererseits erfreut sich der manchen Winzern als billiger Trop- Crémant, der aus den frischen Trau- Der aus Hagenbach im Sundgau ge- Strassburger Gymnasium Fustel de fen, den es halt auch noch zu pro- ben des Pinot Blanc produziert wird, bürtige Georges Zink (14.2.1909), war Coulanges eingeschult. Ein einziges duzieren gilt. Nicht so in der Familie wachsender Beliebtheit. Mit ihnen das jüngste von sieben Geschwistern Vorbereitungsjahr genügte ihm für Roth, die Sorge trägt zum „Edelge- hat die diesjährige Lese am 25. Au- einer Bauernfamilie. Wie sein älte- das Bestehen der Aufnahmeprüfung misch“: Rund 10% ihrer jährlichen gust begonnen – rund vier Wochen rer Bruder Oskar, der als Kind nach an der „École Normale supérieure“. Produktion von 90‘000 – 110‘000 früher als noch vor 20 Jahren. Abge- einem Unfall gehbehindert war und 1932 schloss er die Prüfung für die Flaschen entfällt nämlich auf den schlossen wird sie mit dem Gewurz- deshalb auf dem Hof nicht mithelfen „agrégation“1 glänzend ab und be- Edelzwicker, der wegen der unter- traminer und dem Riesling. konnte, durfte er studieren. gann am „lycée“ von Troyes Deutsch schiedlichen Zusammensetzung des Im Reigen der Elsässer Weine nicht Traubenmosts jedes Jahr etwas an- vergessen dürfen wir den „Edel- ders schmeckt. Zum Schluss eine erfreu- liche Nachricht: Grand Cru-Winzer werden die Roths in absehbarer Zeit doch noch. Sie erwarben nämlich auf dem Gebiet der Domaine Ollwiller im benachbarten Wuenheim eine Hektare Rebland, als das gleichnamige Château am Fuss des Hartmanns- willerkopfs zum Verkauf stand. Sein Riesling gehört zu den elegantesten Gran Crus im ganzen Elsass. Das wissen bestimmt auch die neuen Schlossherren, die Georges Zink rechts aussen neben seinen sechs Geschwistern bekannte Familie Mack Nach der Grundschule in Hagen- zu unterrichten. Bereits 1937 erhielt aus Rust, die den herr- bach und dem „collège“ in Altkirch er die erste Beförderung: In Vanves, schaftlichen Sitz zu einem wurde er dank seiner besonde- am „lycée“ Michelet, konnte er seine gehobenen Hotel mit ren Fähigkeiten – man sprach ihm Kenntnisse in der deutschen Litera- Feinschmecker-Restaurant ein aussergewöhnliches Gedächt- 1 Höchste Staatsprüfung für umfunktionieren will. nis nach – 1927 am renommierten Gymnasiallehrer 24 25
tur des Mittelalters vertiefen. Krieg kommission der „agrégation“ in Elsass“. In seinem Nachwort zu Hai- Wohnhaft in Paris, am belebten Bou- und Gefangenschaft bedeuteten Deutsch, eine hohe Funktion, die er et, Arn un Ahmtet, schreibt Mazen: levard Saint-Michel, mit Blick auf den dann einen Bruch in dieser steilen mit grosser Autorität und Hingabe „Mit einem schelmischen Lächeln „Jardin du Luxembourg“, ging er bei Karriere. ausübte. flüsterte er mir zu, dass auch er ger- schönem Wetter ins „Quartier latin“ ne die Dichter-Leier in seiner Sund- und genehmigte sich „e Scheppele Doch sein Ehrgeiz und sein eiserner 1977 ging er in den wohlverdienten gauer Muttersprache aufklingen Elsasser Wi“. In dem Glas schillerten Wille liessen ihn nicht verzagen und Ruhestand und widmete sich wie- lasse, wenn die Muse mit ihm tändle sicher alte Bilder der Heimat, mit de- führten ihn zu einer Doktorarbeit der mehr der Mundartdichtung. Er oder ihn gar küsse. Ich traute mei- nen er dann, in seiner ungekünstel- über die mittel- verfasste den Ge- nen Ohren nicht: ich konnte kaum ten, lebensnahen und urwüchsigen hochdeutschen dichtband Bìlder glauben, dass er, der doch an der Lyrik, einen idealisierten Sundgau, Heldendichtun - vo d’heim vom berühmtesten französischen Uni- eine Art verlorenes Paradies thema- gen von Dietrich Schorsch, und versität lehrte und eine Kapazität tisierte: und Emrich. Er das Epos Wie der von ungewöhnlichem Format war, promovierte er- Nesti un s Odil Aus: Wi üs em Elsàss auf Elsässisch dichtete, d.h. in einem folgreich und er- sallemols ghirote damals als ‚arme Bauernsprache‘ „Mìr gschmeckt der Elsasserwi so hielt im Mai 1948 han. Beide Wer- verschrieenen Dialekt, zumal ich güet! den Doktortitel ke wurden später selbst in meiner Universitätsumwelt, in deutscher Phi- unter dem Titel Doch wil i bì vo dhaim so wit, desselben Ausdrucksmittels wegen, lologie mit „mag- Sichelte – Mois- oft spöttischen Bemerkungen aus- So wìrd gànz müdrig mi Blüet, na cum laude.“ So sons zusammen- gesetzt war.“ konnte er noch im geführt. Im Jahr ’s fàllt Wàsser ìn mi Glàs selben Jahr an der 1992 erschien im Man kann Zinks Dichtung durchaus (…) philologischen Verlag Schauen- als Exildichtung bezeichnen. Einige Fakultät der Uni- berg Haiet, Arn seiner beliebtesten Gedichte stam- Wìrt, brìng m’r schnall a-n-ànder versität Lyon un- un Ahmtet, her- men aus den 1930er Jahren, wie Alte Glàs! terrichten. Diese ausgegeben von Lieder, 1935 entstanden, anlässlich Ìch wìll so làng gwìss lüege dri, Nominierung sti- Raymond Mat- der Geburt der ersten Tochter: mulierte ihn der- zen. Und 2001 Bis àss i gseh ìm gahle Wi, massen, dass er publizierte der Ìm Wìnter àls ìn der Stuwe, Der Sunneschin vo dhaim!“ seine Forschungsarbeiten vorantrieb Verlag „Le Verger Éditeur“ E Strüss wenn z Owe der Schlof ìsch ku, und zahlreiche Artikel publizierte üs der Heimet mit einer französi- Sein jüngster Sohn, Michel Zink, 1945 über deutsche Sagen, die deutsche schen Übersetzung von R. Matzen. Do bìn i zer Müeter geh kroble in Issy-les-Moulineaux geboren, be- Literatur, das Nibelungenlied, das Un sie hàt uf d Schoss mi gnu. kannter französischer Mediävist, Rolandslied, Minnelieder und deut- Es ist also hauptsächlich Matzen zu wurde 2019 als frischgebackenes sche Epen. Bald befand er sich, als verdanken, dass das Werk von Geor- (…) Mitglied der „Académie Française“ in germanistischer Mediävist, auf der ges (Schorsch) Zink in die elsässische Altkirch gross empfangen. In seiner Mundartliteratur eingegangen ist Mi Müeter ìsch àlt jetze worde höchsten Stufe seines Fachbereichs. Rede betonte er, dass er viel weniger und somit eines seiner Gedichte, Un ìch bì vo dhaim so wit. Verdienste als sein Vater habe, da er Als Doktor honoris causa der Univer- Kàrfunkelstai, den DreylandDichter- als Sohn eines Professors an der Sor- sität Frankfurt am Main 1964 wurde weg ziert. Matzen hat ihn mehrmals Doch d Liedle, die scheene, die àlte, bonne zum „Académicien“ gekürt er im Juli 1965 an die Sorbonne ge- getroffen, unter anderem 1970 an wurde, während sein Vater es als ein- Die hàn i ìm Sìnn trèi behàlte: wählt. Von 1968 bis 1970 fungierte einem Kolloquium an der Strass- facher Bauernsohn zu höchsten Eh- er als Vorsitzender der Prüfungs- burger Uni über „Goethe und das Mim Maidele sìng i sie hìt. ren gebracht hatte. 26 27
Sakrale Bauten als Zeugen der Geschichte Célestin Meders Zeichnungen von Gotteshäusern in Saint-Louis 1 Von Hans-Jörg Renk Das heutige Saint-Louis war Ende des ginn des 19. Jahrhunderts zu klein, 17. Jahrhunderts nur eine Ansamm- um sich eine Kirche leisten zu können; lung einiger Häuser an der Kreuzung die Gläubigen mussten zum Gottes- der Strasse von Strassburg nach Basel dienst nach Village-Neuf pilgern. Erst mit derjenigen von Belfort nach Hü- 1802 wurde an der Strasse nach Mül- ningen, dessen Festung der Siedlung hausen eine kleine Kapelle errichtet, einen gewissen Auftrieb verlieh. Ihre und 1827 gewährte König Charles X. Einwohner gelang- ten 1683 an Louis XIV. mit der Bitte, ihr bisher namenloses Dorf fortan nach sei- nem fernen Vorfah- ren Louis IX. (1214 – 1270) benennen zu eines der zahlreichen schönen Fachwerkhäuser dürfen, der 1297 in Kleine Pikanterie am Rande: Die ver- und Hagenbach. Er liess es sich nicht Anerkennung seiner schiedenen Redner, allesamt in einem nehmen, dies mit folgender humor- beiden Kreuzzüge akzentfreien Französisch, sprachen vollen Bemerkung richtig zu stellen als einziger franzö- seinen Namen und sein Heimatdorf und sagte, dass er zwar in Paris mit sischer König heilig- „à la française“ aus. Mehrmals er- „Seink“ angesprochen werde und gesprochen worden tönte „Seink“, „Agenback“ für Zink dort sein Heimatdorf „Agenback“ war. Der „Sonnen- heissen mag, „àwer do, ìm Elsàss, könig” willigte gnä- heiss i Zink un kumm vu Hàgebàch!“ digst ein, und seither trägt Saint-Louis trotz Revolution und die katholische Kirche von 1845 Das sass! Republik seinen sakral-monarchischen dem Städtchen das Privileg einer ei- Für seinen am 30.4.2003 in Paris Namen und führt genen Pfarrei. Im folgenden Jahr- verstorbenen Vater empfindet Mi- die drei königli- zehnt sammelten deren Mitgieder chel Zink heute noch die grösste chen Lilien (Fleurs Hochachtung. Auch zur Mutter, die 1 Célestin Meder und Paul-Bernard de Lys) in seinem ihren Schorsch immer unterstützt Wappen.2 Munch: Le Carnet illustré du Pays de hatte und perfekt zweisprachig Saint-Louis, Editions Wilo, 2018 war, hatte er stets eine enge Ver- Aber Saint-Louis 2 Während der Französischen Revolu- bindung. blieb bis zum Be- tion hiess Saint-Louis „Bourglibre” 28 29
Geld zum Bau einer richtigen Kirche tes (1685) gab es auch im Elsass, das den Krieg. Beide Kirchen auf dem Gelände der Kapelle, denn – mit Ausnahme von Mülhausen als erhielten in den 1920er dank der beginnenden Industrialisie- „Zugewandtem Ort” der Eidgenos- Jahren neue Glocken. Wie rung und dem Bahnanschluss war die senschaft – schon damals zu Frank- nationalistisch die Jahre Bevölkerung bis 1840 auf 1500 Ein- reich gehörte, fast keine Protes- von 1914–18 die Menta- wohner gewachsen. Die Kirche wur- tanten mehr. Mit dem Aufschwung litäten geprägt hatten, de 1843 im späten neoklassischen Stil der 1830er Jahre liessen sich aber zeigt die Weigerung der fertiggestellt und selbstverständlich rund 200 Protestanten in Saint-Louis zuständigen französi- dem Namensgeber der Stadt gewid- nieder. Sie besuchten zunächst die schen Stellen, 1919 einen met. Die feierliche Einweihung durch Gotteshäuser in Basel, bis sie 1834 protestantischen Vikar zu den Bischof von Strassburg erfolgte an der Rue de Bâle im oberen Stock- wählen, der wohl zwei- im Juni 1845. Da die Bau- werk eines Schafstalls sprachig, aber ein Schwei- kosten das Ergebnis der eine kleine Kapelle ein- zer war… Immerhin wur- Sammlung überstiegen, weihen konnten. Ihr ers- de der Basler Emil Bach in musste ein Teil der Gläu- ter Pfarrer war ein Bas- den 1930er Jahren Pfarrer bigen für ihre Plätze auf ler namens Staehelin, in Hüningen. den Kirchenbänken Mie- und Seminaristen der te bezahlen… Basler Mission halfen Bis ins frühe 19. Jahrhun- bei der Jugendarbeit dert lebten die Juden im Im kleinen Park vor der der Gemeinde mit. Nach Elsass vorwiegend auf dem Kirche steht seit 50 Jahren 1870 vergrösserte sich Land. Die Französische Re- eine Statue des heiligen die protestantische Be- volution hatte ihnen zwar Louis, die zum 700. Jah- völkerung weiter, wohl die Gleichberechtigung restag seines Todes einge- auch durch den Zuzug gebracht, wurde aber – weiht und 2014, zum 800. aus Deutschland nach wie auch die Revolutionen Jahrestag seiner Geburt, dessen Annexion von El- von 1830 und 1848 – auch wegen witterungsbeding- sass-Lothringen, sodass zum Ausgangspunkt von ter Schäden durch eine die protestantische Kirche von 1883 antijüdschen der Bau einer Kirche Ausschrei- weitere Kopie aus rotem unumgänglich wurde. Der Bau des „Temple”, wie die pro- tungen. Viele Juden flüchteten daher Vogesen-Sandstein er- Sie wurde 1883 wie ihre testantischen Kirchen in Frankreich in die Schweiz und in die grenznahen setzt wurde. Dass der Hei- katholische „Schwester” zur klareren Unterscheidung heis Städte Hüningen und Saint-Louis, lige in beiden Versionen an der Rue de Mulhouse sen, wurde ebenfalls durch Spenden wo sich Juden aus mehr als 25 Sund- keine Hände hat, ist nicht errichtet, aber näher am finanziert. Reiche Basler Familien gauer Gemeinden niederliessen. Die etwa eine Folge von Van- Stadtzentrum, nur einen kamen für die vier Glocken auf, von jüdische Bevölkerung von Saint-Louis dalismus, doch niemand Häuserblock nördlich denen drei im Ersten Weltkrieg das wuchs dadurch von einem knappen hat bisher eine Erklärung der grossen Kreuzung. gleiche Schicksal wie diejenigen vie- Dutzend im Jahre 1865 auf über 100 für diese „Amputation” Der Bau widerspiegelt ler anderer Kirchen erlitten: Sie wur- zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Ihre gefunden, ein Geheimnis, den neogotischen Stil den zu Kanonen eingeschmolzen. Gemeindemitglieder besuchten die das der Schutzpatron der jener Zeit, in welcher Die vierte wurde 1921 unversehrt in 1862 errichtete Synagoge von Hü- Stadt wohl für immer sich zahlreiche andere Kir- Frankfurt aufgefunden und wieder ningen – die im Zweiten Weltkrieg behält… chen entstanden, so an ihrem angestammten Ort auf- vollständig zerstört und nicht wieder Nach der Aufhebung des König Louis IX. auch die Basler Elisabe- gehängt. Von den vier Glocken der aufgebaut wurde –, aber angesichts Toleranz-Edikts von Nan- (1214 –1270) thenkirche. katholischen Kirche überlebte keine ihrer wachsenden Zahl wurde auch 30 31
in Saint-Louis eine Synagoge erfor- derlich. Der monumentale Bau im ori- Vertreibung und Vernichtung nur noch halb so viele Mitglieder wie vor „LOEM / BUÉE“ entalisch wirkenden Stil wurde 1907 dieser schrecklichen Zeit, vergrösserte unweit des Marktplatzes eingeweiht sich aber in den 1960er Jahren erneut Jean-Christophe Meyers fünfter Gedichtband und übernahm die Nachfolge der durch Juden, die nach der Unabhän- Synagoge von Hegenheim von 1821, gigkeit der ehemaligen französischen Von Ursula Schmitt die übrigens gegenwärtig zu einem Kolonien in Nordafrika ihre Heimat „Loem / Buée“ ist der Titel des kürz- bundenheit des Dichters zu seiner Kulturzentrum umfunktioniert wird. verlassen mussten. 1985 wurde un- lich erschienenen fünften Lyrikbands Heimat. Was er vermittelte, wirkte 1909 wurde Saint-Louis auch anstelle weit der Synagoge im Rahmen einer von Jean-Christophe Meyer. Er ist in stimmig, liess aufhorchen und ge- von Hegenheim Sitz des für die ganze Talmud-Schule eine zweite eröffnet. zweisprachiger Form geschrieben, auf spannt auf die Entwicklung des jun- Grenzecke zuständigen Rabbiners. Diese Schule – neben Marseille die Elsässisch und Französisch, wie sein gen Dichters warten. einzige in Frankreich 2015 erschienener Band „Liechtùnge – unterrichtet jun- Wie die vier folgenden Gedichtbän- / Clairières“. ge Männer aus dem de zeigen, hat Jean-Christophe Mey- ganzen Land, die Ich muss gestehen, dass mir das Wort er die in ihn gesetzten Hoffnungen sich anschliessend an „Loem“ bisher unbekannt war, aber nicht enttäuscht. Er verkörpert das den Talmud-Schulen wie mir von Elsässern bestätigt wur- Bild eines Menschen, der im Einklang in Israel, Grossbri- de, im Dialekt durchaus gebräuch- mit sich und dem Leben seinen Weg tannien und den lich ist und soviel wie „Dunst“ oder gefunden hat und ihn unbeirrt geht. USA weiterbilden „Dampf“ bedeutet. Bei weiterer Su- Als Journalist bei der Tageszeitung können. Dank seiner che bin ich auf das Wort „Laum“ ge- L’Alsace zeigt er sich als kritischer Be- beiden Synagogen stossen, ein altes, wenig bezeugtes, obachter und unerschrockener Kämp- und dieser Schule frühneuhochdeutsches Wort mit der- fer für das Elsass und seine Sprache. ist Saint-Louis heute selben Bedeutung. Seine Elsässisch-Kolumnen verraten wieder zu einem der Für unsere neuen Mitglieder: Jean- auch einen Menschen, der mit feinem wichtigsten Zentren Christophe Meyer wurde 1978 in Humor seine Meinung äussern kann, jüdischen Lebens im Blienschwiller, einem kleinen Dorf ohne dabei stets mit erhobenem Zei- Elsass und darüber an der Elsässer Weinstrasse geboren. gefinger aufzutreten. die Synagoge von 1907 hinaus geworden. Er stammt aus einer alten Winzerfa- Die ursprünglichen Fassungen seiner In den 1930er Jahren liessen sich vie- Anhand der drei beschriebenen sak- milie, die bereits seit dem XV. Jahr- zweisprachigen Lyrikbände schrieb le deutsche Juden, die von den Nazis ralen Gebäude lässt sich die wechsel- hundert hier ansässig ist. Nach einem er auf Elsässisch und übertrug sie an- verfolgt wurden, in Saint-Louis nie- volle Geschichte von Saint-Louis die Studium der Politikwissenschaften in schliessend in die französische Spra- der, dessen jüdische Gemeinde da- auch zahlreiche Berührungspunkte Strassburg und einem Jahresaufent- che. Sie lassen ahnen, wie reich der durch mit über 200 Mitgliedern zu ei- mit Basel aufweist, gut ablesen. Zu halt an der Alexander-Universität in Wortschatz des Dichters in seiner ner der grössten im Elsass wurde. Die diesen drei religiösen Zentren gesell- Nürnberg besuchte er eine Journa- Muttersprache ist und auf was für un- Synagoge erfuhr daher 1933/34 eine ten sich in jüngerer Zeit auch eine listenschule in Strassburg. Seit 2002 erschöpflichen Quellen er zugreifen Vergrösserung, wurde jedoch wäh- Moschee und eine orthodoxe Kirche, arbeitet er als Journalist bei der Ta- kann. Ein sprachlicher Vergleich der rend der deutschen Besatzung von von denen es leider keine Zeichnun- geszeitung L’Alsace in Saint-Louis und beiden Fassungen ist interessant. Das 1940-44 verwüstet, teilweise zerstört gen gibt, die aber auch Erwähnung lebt mit seiner Familie in der Rosenau. Elsässische – kraftvoll, bildreich und und nach dem Krieg wieder aufge- verdienen, weil auch sie die Vielfalt Bereits sein erster Lyrikband, „Sagit- wortmalerisch – kann sich meiner An- baut. Die jüdische Gemeinde zählte der Bevölkerung unserer Nachbar- tales“, auf Französisch geschrieben sicht nach durchaus mit dem eleganten bei Kriegsende als Folge von Flucht, stadt widerspiegeln. und 2004 erschienen, zeigte die Ver- und leichtfüssigen Französisch messen. 32 33
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