Elsass-Gazette Nr. 150 Oktober 2020 - Kulturverein Elsass-Freunde Basel Association culturelle les amis de l'Alsace Bâle

 
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Elsass-Gazette Nr. 150 Oktober 2020 - Kulturverein Elsass-Freunde Basel Association culturelle les amis de l'Alsace Bâle
Elsass-Gazette
         Nr. 150 Oktober 2020
      Kulturverein Elsass-Freunde Basel
Association culturelle les amis de l’Alsace Bâle
Elsass-Gazette Nr. 150 Oktober 2020 - Kulturverein Elsass-Freunde Basel Association culturelle les amis de l'Alsace Bâle
Impressum                                                    Inhaltsverzeichnis

                        Elsass-Gazette
Postadresse:    Kulturverein Elsass-Freunde Basel                 2 Impressum
                CH-4000 Basel
                                                                  3 Inhaltsverzeichnis
Internet:       www.elsass-freunde-basel.ch
Einzahlungen:   CH02 0900 0000 6155 3465 9 (CHF)                4–5 Leitartikel                                 Serge Iseli
                DE55 1203 0000 1039 1487 94 (EUR)
                Kontoinhaber: Serge Iseli                      6–10 Bericht Ausflug Staufen, 10.9.2020          Irma Brantschen
Sekretariat:    Sibyll Holinger                               11–13 Ausschreibung Literarischer Abend           5. November 2020
                Aeschenvorstadt 48, CH-4051 Basel
                Mobile: +41 (0)79 461 72 28                   14–15 Ausschreibung Auf den Spuren der
                E-Mail: sekretariat@elsass-freunde-basel.ch         Basler Bischöfe                             11. Dezember 2020
Redaktion:      redaktion@elsass-freunde-basel.ch
                                                              16–19 E Baslere entdeggt s Elsass in Québec       Serge Iseli
                Irma Brantschen (Leitung)
                Rudolfstrasse 22, CH-4054 Basel               20–24 Edelzwicker, Kaefferkopf und Gewurztraminer Peter Obrist
                Tel: +41 (0)79 434 64 67
                E-Mail: ibrantschen@bluewin.ch                25–28 Georges Zink, Elsässer Mundartdichter        Edgar Zeidler
                Peter Obrist (Leitung)                        29–32 Sakrale Bauten als Zeugen der Geschichte     Hans-Jörg Renk
                Aeschenvorstadt 48, CH-4051 Basel
                Tel: +41 (0)61 261 54 31                      33–34 Loem / Buée: ein neuer Gedichtband von
                E-Mail: tsirbo@bluewin.ch
                                                                    Jean-Christophe Meyer                       Ursula Schmitt
                Serge Iseli
                Lenzgasse 31, CH-4056 Basel                   35–36 Àm And vom Lied: ein neuer Gedichtband
                Tel: +41 (0)79 416 75 00                            von Edgar Zeidler                           Hans-Jörg Renk
                E-mail: serge.iseli@iselioptik.ch
                                                              37–39 Buchbesprechung „Sagenhafter Hotzenwald“ Markus Manfred Jung
Gestaltung:     Peter Birbaumer
                Fuchshagweg 22, CH-4103 Bottmingen               40 Dank mit Verspätung                         Peter Obrist
                Tel: +41 (0)61 422 06 30
                E-Mail: peter@birbaumer.ch                       41 Veranstaltungen
Druck:          Dietrich AG
                Pfarrgasse 11, CH-4019 Basel                     42 Bildernachweis
Auflage:        450 Exemplare                                    43 Adressliste

                Die nächste Ausgabe erscheint
                am 19. Januar 2021
                Redaktionsschluss: 29. Dezember 2020

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Elsass-Gazette Nr. 150 Oktober 2020 - Kulturverein Elsass-Freunde Basel Association culturelle les amis de l'Alsace Bâle
Leitartikel

Liebe Elsass-Freundinnen, liebe Elsass-Freunde

2020 ist in vielerlei Hinsicht ein aus­    Alpine Regionen, die heute noch zu      Fleisch und Milchprodukte sind für       der gemeinsamen Anstrengung al-
sergewöhnliches Jahr. Seit sieben          grossen Teilen mit Schnee und Eis       die Hälfte der ernährungsbedingten       ler Wissenschaftler, eine wirkungs-
Monaten beherrschen Begriffe wie           bedeckt sind, senden alarmierende       Umweltbelastungen         verantwort-    volle Impfung zu entwickeln. Das
„Neuinfektionen“, „Maskenpflicht“          Signale aus: Die Gletscher schmel-      lich. Für uns Geniesser der elsässi-     Phänomen des Klimawandels durch
oder „Corona-Skeptiker“ tagein,            zen in rasantem Tempo, Starknie-        schen und badischen Küche wäre           die Erderwärmung bleibt. Da wird
tagaus jedes Nachrichtenbulletin.          derschläge lösen Erdrutsche aus,        es bestimmt schmerzlich, auf den         es keine schnelle Lösung und auch
Schmelzende Polkappen, anhalten-           auftauender Permafrost verändert        geliebten Minschterkääs oder den         keine Impfung geben. Da braucht
de Trockenheit oder verheerende            Öko-Systeme. Diese Fakten sind tief-    badischen Wurschtsalat verzichten        es die Anstrengung eines jeden von
Unwetter sind bloss noch eine Rand-        greifende und höchstwahrschein-         zu müssen. Soweit braucht es nicht       uns. Schliesslich wollen wir alle auch
notiz wert. Aber nur weil sie aus          lich unumkehrbare Veränderungen.        zu kommen. Es lohnt sich schon,          in Zukunft den exzellenten Riesling
den Schlagzeilen verdrängt wurden,         Landschaften, wie wir sie diesen        vermehrt auf den Wochenmärkten           der Domaine Roth geniessen und die
heisst dies nicht, dass uns das Phäno-     Wandersommer ausgiebig kennen           von Saint-Louis oder Weil am Rhein       Fassade der Klosterkirche von Ma-
men der Erderwärmung nicht weiter          und schätzen gelernt haben, wer-        bei lokalen Produzenten regionales       riastein mit verschneitem Dach auf
ernsthaft bedroht. Wir dürfen uns          den in ein paar Jahren völlig anders    Gemüse und saisonale Früchte ein-        unseren Winterausflug bestaunen
vor ihren Folgen nicht verschliessen,      aussehen.                               zukaufen. Oder beim Grossverteiler       können.
selbst wenn wir diese bisweilen als                                                hier wie ennet der Grenze das immer
                                           Mittel, um diesen Wandel zu brem-                                                In diesem Sinne wünsche ich allen
durchaus angenehm empfinden:                                                       grösser und vielfältiger werdende
                                           sen, gibt es zum Glück viele. Es muss                                            Lesern und Leserinnen eine spannen-
                                                                                   Sortiment an nachhaltig produzier-
Zum Beispiel den Sprung ins kühle          nicht unbedingt die friedliche Be-                                               de Lektüre und springe mit meinem
                                                                                   ten Lebensmitteln zu berücksichti-
Nass! Die Wickelfischsaison, auf die       setzung des Bundeshausplatzes in                                                 Wickelfisch ein letztes(?) Mal in den
                                                                                   gen. Wer eine Terrasse, einen kleinen
wir in Basel so stolz sind, dauert jedes   Bern während der Session sein. Es                                                Bach – zumindest für dieses Jahr!
                                                                                   Garten oder gar einen Pflanzplätz
Jahr länger. Den vielen Menschen, die      reicht oft schon, die eigenen Verhal-   sein Eigen nennen darf, für den gibt
am und im Rhein Erholung suchen,           tensmuster zu ändern. Anstatt mit       es die Samen der pro specie rara. Die-
mag das eine Freude sein. Aber der         dem eigenen Auto oder sogar mit         ser Verein setzt sich dafür ein, dass
Klimawandel macht unseren Flüssen          dem Flugzeug vermehrt mit Bahn          alte Gemüsesorten wieder vermehrt
und Seen zu schaffen. In den heissen       und Bus eine Reise zu unternehmen,      angebaut werden und die Vielfalt
Sommermonaten sinkt der Pegel je-          verringert die schädlichen Emissi-      nicht verschwindet.
weils beträchtlich und das Wasser er-      onen massiv. Auf unserem letzten
wärmt sich viel schneller. Zusätzlich      Ausflug nach Staufen hat jeder Teil-    Deshalb meine ich: Uns alle sollten
verbraucht unsere Landwirtschaft für       nehmer – gemäss myclimate – 0.061t      nicht nur Schlagwörter wie „Fall-
die Bewässerung der extensiven Felder      weniger      CO2-Ausstoss     gehabt,   zahlen“ und „Mindestabstand“ be-
Unmengen von Wasser, und dadurch           weil wir mit der Bahn in die 65 km      schäftigen, sondern auch Begriffe                             Serge Iseli
sinken die Grundwasserspiegel. Für die     entfernte Stadt im Markgräflerland      wie „CO2-Fussabdruck“, “Nieder-
dort lebenden Tier- und Pflanzenarten      gefahren sind. Das ist bereits ein      schlagsmangel“ und „Artenster-
bedeutet dies zusätzlichen Stress ne-      Zehntel der jährlichen Ersparnis, die   ben“. Die Covid-19 Pandemie wird
ben den vielen Erholungssuchenden,         reicht, um den Klimawandel aufzu-       hoffentlich eine kurze Episode in der
die ihnen „ihr“ Revier streitig machen.    halten!                                 Geschichte sein, nicht zuletzt wegen

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Elsass-Gazette Nr. 150 Oktober 2020 - Kulturverein Elsass-Freunde Basel Association culturelle les amis de l'Alsace Bâle
Wo Mephisto den Doktor Faust in                                           Bei der Ankunft am Bahnhof Stau-
                                                                                 fen stimmt uns Markus Manfred mit
                                                                                                                        Unsere Gruppe wird von Barbara be-
                                                                                                                        grüsst, eine ältere Dame, welche mit
      die Hölle holte (10. September 2020)                                       einem Gedicht von Paul Nunnenma-       viel Begeisterung ihr Wissen weiter-
                                                                                 cher, einem Staufener Heimatdich-      gibt und ihre Ausführungen immer
                                                                                 ter, der sich der Pflege der aleman-   wieder mit Anekdoten auflockert.
    Das Zähringer Mittelalterstädtchen Staufen im Breisgau                       nischen Mundart widmete, kulturell
                                                                                                                        Wir starten am Marktplatz, der vom
                                                                                 auf den Tag ein. Die kulinarische
                                                                                                                        1546 im spätgotischen Stil errichte-
                                                                                 Einstimmung folgt gegenüber im
Von Irma Brantschen                                                                                                     ten Rathaus dominiert wird. Die Vor-
                                                                                 Restaurant „Bahnhöfle“, wo für uns
                                                                                                                        derseite des Gebäudes schmücken
ENDLICH!!! Am Badischen Bahnhof          Mit dem Regio Express Offenburg         im Garten unter Kastanienbäumen
                                                                                                                        Wappen der Herrschaften, unter
treffen sich rund 30 Elsassfreundin-     geht die Fahrt via Bad Krozingen in     bereits Kaffi und Gugelhupf aufge-
                                                                                                                        denen die Stadt seit ihrer ersten ur-
nen und -freunde voller Vorfreude        das am Westrand des Schwarzwalds        tischt sind.
                                                                                                                        kundlichen Erwähnung im Jahr 770
auf den ersten Ausflug in diesem         gelegene Städtchen Staufen im Breis-    Gemütlich bummeln wir zum Markt-       gestanden hat. Der Name des Ortes
Jahr, da wegen Covid-19 in den letz-     gau, auch bekannt als Fauststadt nach   platz, wo die Elsass-Freundinnen und   geht zurück auf die von weithin sicht-
ten Monate alle geplanten Anlässe        seinem berühmtesten Einwohner Jo-       -Freunde von zwei Reiseleiterinnen     baren Bergkegel, die wie viele Berge
abgesagt werden mussten. Selbst-         hann Georg Faust. Bettina Bohn und      empfangen werden, die uns in zwei      gleicher Form im Althochdeutschen
verständlich haben alle die Gesichts-    Markus Manfred Jung haben für uns       Gruppen das historische mittelalter-   „Stauf“ genannt wurden. Die Burg
maske dabei, verzichten – auch wenn      einen abwechslungsreichen Tag mit       liche Städtchen Staufen mit seiner     auf dem Bergkegel wurde wahr-
es nicht immer leicht fällt – auf eine   einem vielseitigen und interessan-      Geschichte und seinen Sehenswür-       scheinlich um das Jahr 1100 erbaut.
herzliche Umarmung, schütteln sich       ten Programm zusammengestellt,          digkeiten näher bringen werden.        Besitzer der Burg waren die Herren
keine Hände und respektieren die         den wir bei schönstem Herbstwetter
Distanzregeln.                           genies­sen dürfen.

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nachgewiesen. Bis      Gegenüber dem Gasthaus zum Lö-           1515 und 1532 in Staufen und Frei-
                                                         zu Beginn der Sa-      wen gelangt man durch einen Tor-         burg tätig war.
                                                         nierungsmassnah-       borgen zum Innenhof des Stuben-
                                                                                                                         Bei den zahlreichen Geschichten und
                                                         men im Jahr 2009       hauses. Dieses bereits im Jahr 1436
                                                                                                                         Legenden, die sich um den Heiligen
                                                         hob sich der Unter-    erwähnte Gebäude diente früher als
                                                                                                                         Martin ranken, taucht oft die Frage
                                                         grund mit konstan-     „Trinkstube am Markt“ den Staufe-
                                                                                                                         auf, weshalb er an diesem kalten
                                                         ter Geschwindig-       ner Handwerkern und Bürgern als
                                                                                                                         Wintertag bei der Begegnung mit
                                                         keit bis zu 11 mm je   gesellschaftlicher Mittelpunkt.
                                                                                                                         dem frierenden Bettler kurzerhand
                                                         Monat im Bereich
                                                                                Die „Struve-Passage“ wurde nach          seinen Soldatenmantel mit dem
                                                         der Rathausgasse.
                                                                                dem berühmten badischen Freischär-       Schwert teilte und nur eine Hälfte
                                                         Heute weiss man,
                                                                                ler Gustav Struve benannt. An der        dem Bettler gab.
                                                         dass undichte Erd-
                                                         wärmesonden für        Aussenfront des Hauses „Im Grün 15“
                                                                                                                         Eine der zahlreichen Erklärungen
                                                         die Hebungen ver-      steckt noch eine Kanonenkugel von
                                                                                                                         dürfte bei den „Eigentumsverhält-
                                                         antwortlich sind.      der Beschiessung Staufens im Verlauf
                                                                                                                         nissen“ des Mantels liegen: Der um
                                                         Bis Oktober 2010       der Niederschlagung des Struve-Auf-
                                                                                                                         316 n. Chr. geborene Martin war rö-
                                                         gab es Risse an 268    stands 1848. Mit dieser Schlacht en-
                                                                                                                         mischer Soldat, und es war üblich,
                                                         Häusern. Bis Sep-      dete die zweite Phase der Badischen
                                                                                                                         dass die Kosten für die Ausrüstung
                                                         tember 2012 konn-      Revolution.
                                                                                                                         hälftig von den Soldaten und hälftig
                                                         te die Hebung von      Im ältesten Teil der Stadt – dem „Hin-   vom Militär getragen wurden. Und
von Staufen, eine im Breisgau alt-      monatlich einem Zentimeter auf          terstädtle“ – finden sich zahlreiche     vielleicht ist die Teilung des Mantels
eingesessene Adelsfamilie, die nicht    drei Millimeter reduziert werden.       Beispiele für unterschiedliche Reno-     darauf zurückzuführen – er gab nur
verwandt war mit dem Herrscherge-       Aktuell geht man davon aus, dass        vierungsweisen der überwiegend aus       die eigene, ihm gehörende Hälfte
schlecht der Staufer.                   dauerhaft Grundwasser abgepumpt         dem 17. Jahrhundert stammenden           weg. Und vermutlich gäbe es ohne
                                        werden muss, um weitere Gebäude-        Gebäude. Am Ende der Spitalstrasse       Mantelteilung keine Legende und
Augenfällig sind die am Mauerwerk       schäden zu vermeiden. Der bishe-        befindet sich das ehemalige Spital.      der Heilige Martin hätte es nicht auf
der meisten Gebäude rund um den         rige Sachschaden liegt bei mindes-                                               die 100 Franken-Note geschafft!?!?
Marktplatz sichtbaren Risse und die     tens 50 Millionen Euro.                 Die dem Heiligen Martin von Tours
Plakate „Staufen darf nicht zerbre-                                             geweihte katholische Kirche St. Mar-     Unser Rundgang endet beim tra-
chen“. Seit nunmehr über zehn Jah-      An der Hauptstrasse finden wir das      tin wird schon 1139 als Filiale der      ditionsreichen Gasthof Löwen, wo
ren kämpft Staufen mit den Folgen       historische Gasthaus zum Löwen,         Pfarrei Kirchhofen er-                               uns ein sehr feines Mit-
einer missglückten Geothermie-          welches bereits im Jahr 1407 er-        wähnt. Das heutige Er-                               tagessen erwartet. Und
Bohrung. Im historischen Rathaus        wähnt wird. An der Stirnfront zur       scheinungsbild geht auf                              auch jetzt hat Markus
sollte für die Heizung und Kühlung      Hauptstrasse ist dargestellt, wie der   einen Neubau aus dem                                 Manfred dafür gesorgt,
die innovative Energietechnik Erd-      oberste Teufel Mephisto dem Faust       18. Jahrhundert zurück,                              dass wir nicht nur kulina-
wärme eingesetzt werden. Im Sep-        das Genick bricht. Um 1540 soll der     der ältere Überreste in-                             risch, sondern auch kul-
tember 2007 wurden sieben bis zu        historische Faust in diesem Gast-       tegriert. Drei Figuren in                            turell verwöhnt werden.
140 m tiefe Erdwärmesonden ge-          haus ums Leben gekommen sein.           der Martinskirche wer-                               Als Überraschungsgast
bohrt. Bereits wenige Wochen spä-       Dem Alchemist und Magier, wan­          den dem Meister Sixt                                 dürfen wir uns auf den
ter stellte man aber an mehreren        derndem Wunderheiler, Astrologen        von Staufen, einem Holz-                             alemannischen Lieder-
Gebäuden in der historischen Alt-       und Wahrsager wurden Experimen-         schnitzer und Bildhau-                               macher Uli Führe freu-
stadt Risse fest. Als Schadensursache   te zur Herstellung von Gold zum         er der Dürerzeit, zuge-                              en, der in witzigen und
wurden Hebungen des Untergrunds         Verhängnis.                             schrieben, der zwischen                              ironischen Liedern Men-

8                                                                                                                                                            9
Elsass-Gazette Nr. 150 Oktober 2020 - Kulturverein Elsass-Freunde Basel Association culturelle les amis de l'Alsace Bâle
schen und Zeitgeschehen unter die
Lupe nimmt.
                                       fallene Burgruine, ihr Wahrzeichen,
                                       1896 erworben.
                                                                                                   Literarischer Abend
Uli Führe präsentiert uns einen        Andere benutzen die Gelegenheit,
Querschnitt aus seinem Schaffen.       das Keramikmuseum zu besichti-         Ausschreibung von Markus Manfred Jung
Der vergnügliche Auftakt beginnt       gen, wo neben der im Original er-
mit einem Lied von Johann Peter        haltenen Töpferwerkstatt mit Ton-      Datum            Donnerstag, 05. November 2020
Hebel, der „allzeit vergnügte Tabak-   grube, Scheibe, Glasurmühle und        Ort              Zunftsaal des Schmiedenhofs, Eingang Rümelinsplatz 4, Basel
raucher“, in dem der Dichter den       denkmalgeschützten Holzbrennöfen       Beginn           18:30 Uhr, Saalöffnung 18:00 Uhr
Tabakgenuss über die vier Jahres-      die aktuelle Sonderausstellung „Pi-
                                                                              Ende             21:00 Uhr
                                                     cassoCo – Berühmte
                                                     Künstler*innen    und    Verantwortlich   Markus Manfred Jung, Ursula Schmitt, Hans-Jörg Renk,
                                                     ihre Keramiken“ be-                       Werner Schwarzwälder
                                                     sichtigt werden kann.    Teilnehmer       Bis 60 Personen (bitte Schutzmaske mitnehmen)
                                                    Und ein Teil geniesst     Eintrittspreis   CHF 30.– inklusive Apéro mit Gugelhopf in der Pause
                                                    es, in aller Ruhe noch-
                                                    mals durch das idylli-    Am Himmel stoht es Sternli z Nacht im grosse Sternemeer – vier
                                                    sche Städtle Staufen zu    grossartige Mundart-Künstler aus dem Alemannen-Dreyland
                                                    flanieren und die vie-
                                                    len bunten Geschäfte      Unter diesem Motto soll der Litera-      Aus der Schweiz
                                                    zu entdecken.             rische Abend das fachkundige Pu-
                                                                              blikum wiederum überraschen und          Rääzel
                                                     Am Ende des Nach-        erfreuen. Alle vier Vertreter der
                                                     mittags treffen sich                                              Aigentläch chömmers/ Säälta
                                                                              Mund-Art sind ausgewiesene Könner        tömmers/ Mengmool mömmers/
                                                     die Elsassfreundinnen-   ihres Fachs und weit über die Gren-
                                                     und freunde zum ab-                                               Maischtens lömmers/ Säältä
                                                                              zen der Dreilandregion hinaus be-        wömmers/ S’gääb zwoor Tömmers/
                                                     schliessenden Kaffee     kannt. Ein unterhaltsamer, witziger
                                                     und Kuchen im weit                                                (Aber lömmers)
                                                                              und tiefsinniger Abend ist garantiert.
                                                     über die Region be-                                               Erwin Messmer ist ab 1950 in
                                                     kannten Kaffeehaus       Während der Pause können Sie sich
                                                                              von Conny und Urs Rinklin vom            Staad am Bodensee aufgewachsen
zeiten besingt. Berührend das Lied     Decker mit seinem grossen Angebot                                               und studierte nach der Matura Phi-
„Dr Mame ihri Socke“, leicht frivol    an feinsten, nur aus besten Zutaten    „Wyyguet Rinklin z Rieche im Schlipf“
                                                                              mit einem Apéro verwöhnen lassen.        losophie und Deutsche Literatur an
das elsässische Lied „D‘Gretel hätt    hergestellten Bäckerei- und Kondi-                                              der Universität Freiburg im Uecht-
gseit“ (nicht ganz jugendfrei!), und   toreiwaren. Pünktlich erreichen wir    Zudem haben Sie Gelegenheit zum
                                                                              persönlichen Kontakt mit den Inter-      land. Am dortigen Konservatorium
er weist im Lied aus dem Programm      den Regio Express, der uns zurück                                               erwarb er sich die Lehrdiplome für
„Muul uf“ auf Beispiele von ale-       nach Basel bringt. Ein erlebnisrei-    preten, deren Bücher und CDs zum
                                                                              Verkauf aufliegen.                       Klavier und Orgel sowie das Orgel-
mannische Wörtern hin, die am Ver-     cher, interessanter Tag, an dem die                                             Konzertdiplom. An der Musikhoch-
schwinden sind.                        Kontaktpflege nicht zu kurz kam,       Eine Anmeldung ist nicht notwendig,      schule Bratislava absolvierte er ein
                                       klingt aus.                            der Eintrittspreis wird direkt an der    zweijähriges postgraduales Studi-
Nach dem Mittagessen unternehmen
                                                                              Abendkasse bezahlt.                      um. Er hat in vielen Ländern Europas
einige einen Verdauungsspaziergang     Dem Organisationsteam Bettina
auf die Burgruine und geniessen den    Bohn und Markus Manfred Jung ein       Wir freuen uns auf Sie und vor allem     sowie in Neuseeland und Südameri-
prächtigen Ausblick über die Rheine-   grosses Dankeschön für diesen Aus-     auf die Künstler. Uf Widerluegen un      ka konzertiert. Radio- und Fernseh-
bene. Die Stadt Staufen hat die ver-   flug!                                  -loose am fünfte November.               aufnahmen sowie Einspielungen

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Elsass-Gazette Nr. 150 Oktober 2020 - Kulturverein Elsass-Freunde Basel Association culturelle les amis de l'Alsace Bâle
zusammen mit seiner         dichtbände, meist in alemannischer          Liselotte Hamm und Jean-Marie
                                                         Frau, der Künstlerin        Mund-Art, und drei mit Geschichten,         Hummel sind in Strassburg zur Welt
                                                         Bettina Bohn, in Hohen-     Satiren und Glossen.                        gekommen und leben im nordelsäs-
                                                         egg, Kleines Wiesental.                                                 sischen Nordheim. Beide sind Profis
                                                                                     In der Lyrik geht es ihm vor allem
                                                         Nach Studium von Ger-                                                   seit 1978. Er ist Pianist, Komponist
                                                                                     darum, das eigene und eigen-artige
                                                         manistik,   Skandinavi-                                                 und Sänger, sie ist Schullehrerin,
                                                                                     Sprachinstrument Mund-Art in einer
                                                         stik, Philosophie und                                                   spielt ebenfalls diverse Instrumente
                                                                                     zeitgemässen Weise zum Klingen zu
                                                         Sport in Freiburg im                                                    und brilliert mit einer wunderbaren
                                                                                     bringen. In der Prosa gelingt es dem
                                                         Breisgau und Oslo/Nor-                                                  Stimme. Beruflich war sie unter an-
                                                                                     Autor, durch kaum merkliche Über-
                                                         wegen war er bis 2018                                                   derem als Clownin in einer Kinder-
                                                                                     zeichnung des Alltags menschliche
                                                         Lehrer am Gymnasium                                                     Krebsklinik tätig, er begleitete unter
                                                                                     Unzulänglichkeiten blosszustellen,
                                                         in Schopfheim. Er ist Vi-                                               anderem Eva-Maria Hagen und Wolf
                                                                                     eingefahrene Lebensgewohnheiten
                                                         zepräsident der Elsass­                                                 Biermann auf Konzert-Tourneen.
                                                                                     in Frage zu stellen. Er ist vielfach aus-
diverser CDs runden seine musikali-        freunde Basel und verantwortlich                                                      Früher waren sie als Trio-Ensemble
                                                                                     gezeichnet, z.B. beim Lyrikpreis Me-
sche Tätigkeit ab.                         für das Programm des Literarischen                                                    La Manivelle unterwegs, heute tre-
                                                                                     ran, mit dem Oberrheinischen Roll-
                                           Abends. Ausserdem ist er Präsident                                                    ten sie als Duo sehr erfolgreich auf,
Publizistisch ist er als Redaktor bei                                                wagenpreis, mit dem Hebeldank und
                                           des Internationalen Dialektinstituts                                                  was man in vielen youtube-Filmen
der Literaturzeitschrift „orte“ tätig.                                               der Hebelplakette.
                                           (IDI) mit Sitz in Österreich und seit                                                 nachverfolgen und auf diversen
Auch verfasste er diverse Reportagen       33 Jahren Leiter der Internationalen                                                  CDs anhören kann. Ihr reichhalti-
und Essays für „Du. Die Zeitschrift        Schopfheimer Mund-Art Literatur-
                                                                                     Aus dem Elsass
                                                                                                                                 ges Repertoire enthält französische
der Kultur". Als Lyriker hat er bisher     Werkstatt. Unter bisher 20 Buch-          Am Himmel stoht es Sternli z Nacht          Chansons, deutsche und elsässische
zehn Gedichtbände publiziert, zwei         veröffentlichungen sind neun Ge-          im grosse Sternemeer und wenn i             Lieder, von Nathan Katz, André
davon im St. Galler Dialekt, „Gschlaik
                                                                                     s gseh spot in der Nacht, da wär i          Weckmann, aber auch aus dem tradi-
un Gschtelaasch“ und „Äm Chemifä-
                                                                                     gern bi dir…                                tionellen Volksliedschatz. Dazu kom-
ger sis Päch“. Darin nimmt er Martin
Luthers Methode wieder auf, indem                                                                                                                       men natürlich
er dem Volk aufs Maul schaut.                                                                                                                           auch Eigenkre-
                                                                                                                                                        ationen. Und
Seine Gedichte sind sprachgewaltig                                                                                                                      längst haben
direkt aus dem Leben gegriffen, in                                                                                                                      sie sich aleman-
ihnen halten sich Tiefsinn mit kaba-                                                                                                                    nisch-internati-
rettistischer Pointe, lyrische Reflexion                                                                                                                onal auch Tex-
mit geistreichem Klamauk die Waage.                                                                                                                     te von Hebel
                                                                                                                                                        oder Gerhard
Aus dem Badischen                                                                                                                                       Jung       vorge-
versfüess                                                                                                                                               nommen. Ihre
                                                                                                                                                        Stärke sind der
uf vogelfüess / goht d schrift / dur                                                                                                                    energiegelade-
e sand // verlöscht // im endlose                                                                                                                       ne emotionale
gschwätz / vo de welle // ufghobe //                                                                                                                    Auftritt     und
im freie flug                                                                                                                                           die eigenwilli-
Markus Manfred Jung, geboren                                                                                                                            gen Interpre-
1954 in Zell im Wiesental, wohnt                                                                                                                        tationen.

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Elsass-Gazette Nr. 150 Oktober 2020 - Kulturverein Elsass-Freunde Basel Association culturelle les amis de l'Alsace Bâle
Auf den Spuren der Basler Bischöfe                                    Das Bistum Basel geht bis
                                                                            ins 4. Jahrhundert – mithin
                                                                            bis in die Römerzeit – zu-
Ausschreibung von Robert Heuss und Hugo Neuhaus                             rück. Es hatte verschiedene
                                                                            Residenzstädte, so Kaiser-
Datum          Freitag, 11. Dezember 2020                                   augst (im 4. Jahrhundert),
08:30 Uhr      Besammlung Restaurant L’Esprit, Laufenstrasse 44             Basel (um 400 –1527/29),
               (hinter der Heiliggeist-Kirche), Ausführungen zu den         Pruntrut (1527/29 –1828)
               Bischöfen in Basel durch Dr. h.c. Helen Liebendörfer,        und heute Solothurn (seit
               dazu Kaffee/Gipfeli                                          1828). Das Fürstbistum Ba-
09:15 Uhr      Besteigen des Busses an der Laufenstrasse 44,                sel erstreckte sich (im 16.
               Fahrt nach Porrentruy                                        Jahrhundert) über die Jura-
10:15 Uhr      Führung von Niggi Ullrich durch das bischöfliche Städtchen   ketten bis zur Burgundi-
                                                                            schen Pforte und in die Oberrheinische     Nach einem köstlichen Mittagessen
11:30 Uhr      Abfahrt
                                                                            Tiefebene. Das geistliche Bistum hat-      in der seit 1628 bestehenden Taver-
12:15 Uhr      Mittagessen in der Taverne du Sundgau in Riespach mit        te eine grössere Ausdehnung als das        ne du Sundgau in Riespach werden
               Apéro und einem Glas Rotwein/Mineralwasser/Café/Tee          weltliche, umfasste es doch auch Teile     wir zur „Non“ (Nachmittagsgebet
14:15 Uhr      Abfahrt                                                      des Elsasses, das österreichische Frick-   der Mönche) in Mariastein eintref-
14:45 Uhr      Kloster Mariastein, Abt em. Lukas Schenker                   tal und grosse Teile des Kantons So-       fen, wo wir vom früheren Abt und
15:00 Uhr      Teilnahme an der Non                                         lothurn. Eine spannende, verwirrliche      heutigen Bibliothekar, Archivar und
                                                                            Geschichte, der es sich lohnt nachzuge-    Seelsorger Lukas Schenker empfan-
17:00 Uhr      Abendschoppen
                                                                            hen. Dazu werden uns die Schriftstelle-    gen werden. Von ihm werden wir
17:30 Uhr      Abfahrt                                                      rin und bekannte Stadtführerin Dr. h.c.    viel über das Bistum Basel, das Klos-
18:00 Uhr      Ankunft Meret-Oppenheim-Strasse                              Helen Liebendörfer in Basel und Niggi      ter Mariastein und das klösterliche
Teilnehmerzahl 26–50 Personen                                               Ullrich, früherer Kulturbeauftragter       Leben erfahren.
Kosten         CHF 95.– inkl. Apéro und Getränke                            des Kantons Basel-Landschaft und
Anmeldeschluss Samstag, 21. November 2020                                   Mitglied des reformierten Kirchenra-       Nach einer kleinen Vesper werden
                                                                            tes Basel-Landschaft, in Pruntrut viel     wir nach 18 Uhr den Meret-Oppen-
                                                                            zu berichten haben.                        heim-Busparkplatz erreichen.

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Elsass-Gazette Nr. 150 Oktober 2020 - Kulturverein Elsass-Freunde Basel Association culturelle les amis de l'Alsace Bâle
E Baslere entdeggt s Elsass in Québec                                        und beginnt sofort aus ihrem Leben
                                                                                  zu erzählen. Sie ist keine Witterswile-
                                                                                                                            che los. Eine Zeit lang fand sie eine
                                                                                                                            Stelle als Sekretärin, dann arbeitete
                                                                                  rin, sondern mit ihrem Mann, einem        sie während der Expo ’67 an einem
                         Porträt Edith Schmidli                                   echten Witterswiler, vor etlichen Jah-    Würstchenstand, bis sie schliesslich
                                                                                  ren in dieses Dorf am Fusse des Blau-     im edlen Hotel „Bonaventure“ an-
                                                                                  ens mit Tramanbindung nach Basel          fangen konnte. Alle ihre Stellen be-
Von Serge Iseli
                                                                                  gezogen. Edith ist eine Baslerin, auf-    kam sie, weil sie den Personalchefs
Seit ich Mitglied der Elsass-                                                     gewachsen in der Stadt, wo sie auch       jeweils etwas vorflunkerte.
Freunde bin, ist mir auf fast                                                     das KV gemacht hat.
                                                                                                                            Als sie im „Bonaventure“ gefragt
jedem Ausflug, an dem ich
                                                                                  Das Elsass war damals noch kein           wurde, ob sie eine Hotelfachausbil-
teilgenommen habe, eine
                                                                                  Traumziel für sie. Nach der Lehre         dung habe, bejahte sie dies, obwohl
schicke Dame aufgefallen.
                                                                                  zog es sie als erstes in ein anderes      sie „nur“ KV-Absolventin war und
Immer elegant mit Kurzhaar-
                                                                                  frankophones Land. Zusammen mit           sich ihre gastronomischen Erfahrun-
frisur und besten Manieren
                                                                                  ihrer Bürokollegin, die wie sie so-       gen auf das Verkaufen von Würst-
ist sie sehr kontaktfreudig
                                                                                  eben die Lehre abgeschlossen hat-         chen an Expo-Besucher aus aller Welt
und beteiligt sich lebhaft
                                                                                  te, entschloss sie sich, ihr Glück in     beschränkten. Ein guter Freund hatte
an Tischgesprächen. Dieses
                                                                                  der kanadischen Provinz Québec zu         jedoch gerade die Hotelfachschule in
Mitglied blickt bestimmt
                                                                                  suchen. Ein Arbeitsvisum war Mitte        Luzern abgeschlossen und erzählte
auf ein spannendes Leben
                                                                                  der 1960er Jahre problemlos zu be-        ihr von den Lehrern. So liess sie im
zurück, dachte ich mir dann
                                                                                  kommen, und so bestiegen die bei-         Einstellungsgespräch immer wieder
jeweils. Ganz besonders, als
                                                                                  den jungen Frauen ein Schiff und          den einen oder anderen Namen der
ich sie letztes Jahr im Som-
                                                                                  fuhren über den Atlantik und den          Dozenten einfliessen und bekam den
mer auf der Führung durch
                                                                                  St.-Lorenz-Strom hinauf. Der Damp-        Job. Als Sommelière! Von Wein hatte
die Ausstellung „Menschen
                                                                                  fer brachte sie nur nach Québec, von      sie selbstverständlich keine Ahnung,
und Flugzeuge: Destination
                                                                                  wo es per Zug in die Grossstadt Mon-      die Gäste waren damals auch nicht
EuroAirport“ auf dem Flug-
                                                                                  tréal weiterging. Am Bahnhof gab          wirkliche Connaisseurs. Edith aber
hafen erleben durfte. Da
                                                                                  es ein Büro für Immigranten, wo sie       begeisterte sich für das Thema und
wurde ich so richtig hellhörig. Edith     Namen Swissair oldies. Mein Eindruck
                                                                                  erst mal eine Unterkunft zugewiesen       brachte sich das nötige Wissen mit-
Schmidli, so heisst sie, interessierte    hat mich nicht getäuscht. Edith war
                                                                                  bekamen. Und nun ging die Jobsu-          hilfe einer Kollegin, deren Büchern
sich ganz besonders für die Exponate,     eine Airhostess bei Swissair und lei-
die alle aus der Fliegerei stammten,      tet heute die Regionalgruppe des
und wusste auch hier und da etwas         Ehemaligenvereins in der Nordwest-
darüber zu erzählen. Die Dame kennt       schweiz.
die Welt. Sie will ich in der „Gazette“
                                          Als ich mit meinem E-Bike in Witters-
vorstellen.
                                          wil aus der Stadt kommend einfah-
Also habe ich Edith kontaktiert, und      re, läutet die Dorfkirche gerade den
wir haben uns an einem Sommer-            Abend ein: Aha, ich bin im katholi-
abend in der Dorfbeiz ihres Wohnor-       schen Thierstein und pünktlich. Aber
tes Witterswil zu einem Znacht ver-       leider verfahre ich mich zuerst und
abredet. Wie heute üblich, habe ich       komme zehn Minuten nach der ver-
sie vorher gegoogelt, und ihr Name        abredeten Zeit in der Beiz an. Edith
erscheint auf einer Website mit dem       sitzt schon bei einem Apérol Spritz

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Elsass-Gazette Nr. 150 Oktober 2020 - Kulturverein Elsass-Freunde Basel Association culturelle les amis de l'Alsace Bâle
und ihrem eigenen Interesse                                                   re der Swissair hat Edith allerdings     den, den Umweg über Mariastein
an der Materie im Nu bei. So                                                  nicht mehr erlebt. Sie hängte 1986       nehmen.
entdeckte sie ihre Leiden-                                                    die Uniform an den Nagel und zog
                                                                                                                       Nach dem Tod ihres Mannes beginnt
schaft für die Gastronomie.                                                   mit ihrem Mann nach Witterswil.
                                                                                                                       sie nicht nur bei den Swissair oldies ak-
Aber wie kam denn nun die                                                     Die „Jahre in der Luft“ haben sie
                                                                                                                       tiver zu werden, sondern macht auch
Leidenschaft für das Elsass?                                                  aber so sehr geprägt, dass sie selbst
                                                                                                                       in einer Clique Fasnacht. Hier kann sie
                                                                              heute, über dreissig Jahre später,
Auch die entstand während                                                                                              ihre Kontaktfreudigkeit und Gesellig-
                                                                              noch gerne davon erzählt und, wie
ihrer Zeit in Montréal. Auf                                                                                            keit ausleben. An einer Veranstaltung
                                                                              eingangs erwähnt, auf mich den Ein-
dem Weg zur Arbeit kam                                                                                                 der Novartis Pensionierten-Vereini-
                                                                              druck einer Flight-Attendant macht.
sie jeweils am Stadtbüro der                                                                                           gung lernt sie Evely Meyer kennen. Ihr
                                                                              Ich hätte nie gedacht, dass diese Zeit
Air France vorbei, in dessen                                                                                           erzählt Edith von ihrer Leidenschaft
                                                                              für sie schon so weit zurück liegt.
Schaufenster allerlei Plakate                                                                                          für das Elsass und, wie Evely so ist, lädt
des „Tourisme de France“ hin-                                                 Wieder in der Nordwestschweiz,           sie Edith gleich ein, an einem Ausflug
gen. Ganz besonders sind ihr                                                  arbeitet sie bis zu ihrer Pensio­        der Elsass-Freunde teilzunehmen. Das
dabei die Ansichten der elsäs-                                                nierung in der Novartis und beginnt      war 2014. Und seitdem ist sie immer
sischen Riegelhausdörfer und
Reblandschaften ins Auge
gestochen. Nun begann sie
sich das erste Mal für die Bas-
ler Nachbarregion zu interes-
sieren. Und dieses Interesse
liess sie nicht mehr los.
Es war aber nicht die Neugier-
de, das Elsass besser kennen-
zulernen, die sie veranlasste,
nach ein paar Jahren in Ka-           So warb man in Kanada für das Elsass
nada wieder in die Schweiz
                                      musste sie zuerst einmal eine Zeit
zurückzukehren. Sondern nach wie
                                      lang Dienst am Boden machen, bis                                 nun end-        wieder dabei und bereichert mit ih-
vor ihre Lust, Neues auszuprobieren.
                                      sie sich den schweizerischen, steife-                            lich, das       rem Charme und ihren Erinnerungen
So entschied sie sich, bei der Swiss- ren Umgangsformen wieder ange-                                   Elsass für      jedes Gespräch während der Kaffee-
air anzufangen. Sprachliche und passt hatte. So war das halt Mitte                                     sich zu ent­    Gipfeli-Pausen und Mittagessen. Ich
gastronomische Kenntnisse hatte sie der 1970er Jahre. Schliesslich flog sie                            decken.         selbst hatte noch nie die Gelegen-
ja gesammelt. Wer das Französisch zehn Jahre lang mit der nationalen                                   Witterswil      heit neben ihr zu sitzen, will das aber
der Québecois versteht, wird auch Fluggesellschaft um die Welt, im-                                    liegt ja nur    baldmöglichst nachholen; schliesslich
in der Kabine eines Swissair-Jumbo- mer mit schicker Kurzhaarfrisur und                                zwei Tram-      möchte ich von ihrem Wissen über
jets jedem Fluggast den richtigen wechselnden Uniformen. Da gab               stationen von Leymen entfernt, und       Weine, das sie sich vor fünfzig Jah-
Drink servieren können. Aber die es diesen hellblauen Minirock, spä-          wenn sie in ihren Schrebergarten         ren als Sommelière angeeignet hat,
Swissair wollte sie zuerst gar nicht ter dann das etwas biedere weisse,       nach Rodersdorf will, muss sie jedes     auch einmal profitieren. Sie wird für
fliegen lassen. Ihre Manieren waren rote und blaue Muster, das wir alle       Mal durch den südlichen Zipfel des       die Tischrunde bestimmt den besten
angeblich zu stark von der kanadi- wahrscheinlich noch in Erinnerung          Sundgaus. Ausser in diesem Frühling;     Riesling oder Blauburgunder auf der
schen Nonchalance geprägt. Also haben. Das Braun der letzten Jah-             da musste sie, aus bekannten Grün-       Weinkarte empfehlen können.

18                                                                                                                                                            19
Edelzwicker, Kaefferkopf und                                       Elsass den Ort. Wer dort Reben
                                                                               besitzt, pflanzt vor allem Ries-
                  Gewurztraminer                                               ling, Pinot Gris, Gewürztrami-
                                                                               ner oder Muscat, denn das sind
                                                                               die von der AVA vorgegebenen
Die „Route des Vins“ berührt 49 Elsässer Grand Cru-Lagen                       Traubensorten. Unter den 51
                                                                               Grand Crus finden wir vor allem
Von Peter Obrist                                                               Riesling und Gewurztraminer.
                                                                               Daneben gelten andere strenge
Das hügelige Vorland der Vogesen        den die Bezeichnung Appellation        Vorschriften wie etwa gleicher
– auf 200 bis 400m Meereshöhe –         d'Origine Contrôlée (kurz AOC) ein-    Boden, sortenreine Produktion,
profitiert seit jeher von einer ma-     geführt und 25 Einzellagen als Grand   Höchstertrag oder Mindestalko-
ximalen Sonneneinstrahlung und          Crus deklariert. 1992 kamen 25 wei-    holgehalt.
einer aussergewöhnlichen Boden-         tere dazu und schliesslich noch der
vielfalt von Granit über Schiefer und   „Kaefferkopf“ als bisher letzter.      Nur etwa 5% aller Elsässer
Kalk zu Mergel und Sandstein. Ide-                                             Weine erfüllen diese Vorga-
ale Voraussetzungen also für den        Eigentlich erfüllt der Grand Cru der   ben, weshalb es immer wieder
Weinbau, und diese nutzten schon        Gemeinde Ammerschwihr die An-          Vorstösse gibt, zwischen den
die Mönche im Mittelalter. Später       forderungen der Association des Vi-    einfacheren Landweinen und
begann der Export in alle Himmels-      ticulteurs d’Alsace (AVA) gar nicht:   den Grand Crus eine zusätzli-
richtungen unseres Kontinents, und      Der „Kaefferkopf“ sind nämlich drei    che Qualitätsstufe ähnlich den
im 18. und 19. Jahrhundert wurden       nicht zusammenhängende Parzel-         Premier Crus im Burgund oder
Elsässer Weine gerne und regelmä-       len an den Hügeln vor Kaysersberg      Bordeaux einzuführen. Weil
ssig an verschiedenen europäischen      – und erst noch Lagen mit unter-       aber die Mühlen im allmächti-
Königshöfen und Fürstenhäusern          schiedlicher Bodenbeschaffenheit.      gen Paris langsam mahlen, be-    Die Elsässer Weinstrasse zwischen Marlen-
getrunken. So waren etwa der            Weil der „Kaefferkopf“ aber seit       helfen sich die Elsässer Winzer   hein (1) und Thann (7) erstreckt sich über
Schoenenburg aus Riquewihr, der         Jahrhunderten zu den bekanntesten      mit anderen Klassifizierungen. eine Länge von 170 km, durchquert bekann-
Rangen aus Thann oder der Kitterlé      Elsässer Weinen zählt, beendete die    Die Domaine Robert Roth in        te Winzerorte wie Molsheim (2), Obernai
aus Guebwiller in der noblen Gesell-    AVA den endlosen Streit und nahm       Soultz zum Beispiel definiert (3), Barr (4), Ribeauvillé (5) oder Guebwiller
schaft ein Begriff.                     ihn 2007 in den exklusiven Kreis der   mit der Bezeichnung „Lieu-dit“ (6) und berührt 49 der 51 Grand Cru-Lagen
                                        51 Toplagen auf.                       ihre besten Terroir-Weine, die    – die meisten im Département Haut-Rhin
Die Elsässer Winzer verpassten es                                              aus kleinen, seit Jahrhunderten                             rund um Colmar.
aber, gemeinsame Qualitätsstan-         Anders als etwa im Waadtland, wo die   abgegrenzten Lagen mit beson-
dards zu definieren und einen ge-       Grand Crus einem bestimmten Wein                                            sie vorzüglich! Andere Qualitätsbe-
                                                                               ders günstigen Voraussetzungen für
setzlichen Rahmen zum Schutz ihrer      zugeordnet werden (z. B. Dézaley,                                           zeichnungen sind etwa „Château“
                                                                               die betreffenden Rebsorten stam-
Weine zu schaffen. Erst 1984 wur-       Calamin, Yvorne) bezeichnen sie im                                          oder „Clos“ für einen ummauerten
                                                                               men. „Mittelbourg“, „Hornstein“
                                                                                                                    Weinberg, wie er im Mittelalter oft
                                                                               und „Orschwillerbourg“ werden in
                                                                                                                    von Mönchen angelegt worden ist.
                                                                               einem Register der Abtei von Thie-
                                                                               renbach bereits 1575 als Rebberge Die Aufnahme neuer Grand Crus ge-
                                                                               mit vorzüglichem Wein erwähnt. hört übrigens nicht zu den vordring-
                                                                               Wenn das keine Referenz ist – auch lichen Aufgaben der Association, in
                                                                               wenn diesen „Lieu-dit“-Weinen die der jeder Elsässer Weinort mit einem
                                                                               Grand Cru-Etikette fehlt, munden oder zwei Delegierten vertreten ist.

20                                                                                                                                                      21
Die Winzer beschäftigen sich gegen-      in früheren Jahren. Das ergibt Wei-     In der Domaine Roth am besten ver-       Die Traube mit den gelb-rötlichen
wärtig mit ganz anderen Problemen,       ne mit einem hohen Alkoholgehalt        treten ist der Gewurztraminer, die El-   Beeren trifft man nirgendwo auf
die ihre Existenz bedrohen:              (bis 14 %) oder mehr Restsüsse, wenn    sässer Traube schlechthin. Schon der     der Welt so oft an wie im Elsass, ob-
                                         der Gärprozess abgebrochen wird.        Basler „Hauspoet“ Blasius besang         wohl ihr Ursprung in Südosteuropa
• Die lieben Landsleute trinken
                                         Wenn man frische, trockene Wei-         diesen besonderen Tropfen in seinem      vermutet wird. Der Name stammt
  zu wenig (Wein). Der Pro-Kopf-
                                         ne produzieren will, bereitet diese     bekannten Gedicht „Elsassfährtli“:       von Tramin im Südtirol, wo er seit
  Konsum ist innert 30 Jahren von
                                         Entwicklung nicht nur Freude. Eine                                               dem 11. Jahrhundert dokumentiert
  100 Liter jährlich auf 38 Liter ge-                                            …
                                         Möglichkeit ist, mit der Lese früher                                             ist. Die hochwertige Rebsorte stellt
  schrumpft.                                                                     Gsehsch die Gäns doo voor dym
                                         zu beginnen, eine andere, die Reb-                                               hohe Ansprüche an den Boden und
• Familienbetriebe gehen ein und         stöcke an höher gelegenen Hängen        Waage?                                   verlangt auch sonst viel Aufmerk-
  Grosskellereien kaufen die kleinen     zu pflanzen, eine dritte, neue Sorten   „Foie gras“ dänggsch und gspyyrsch       samkeit: Weil sie nämlich im letz-
  Weingüter zusammen.                    anzubauen.                              der Maage.                               ten Stadium der Ausreifung rasch
                                         Sorgenkind ist hier der Riesling, der   Froog gschwind, wär e Baizli kenn!       Zucker auf- und Säure abbaut, ist
• Der internationale Markt drängt
                                         die heissen und trockenen Sommer                                                 der richtige Zeitpunkt für die Lese
  auch nach Frankreich, das – anders                                             Und scho fraisch di, du Schlawyyner,
                                         nicht mag und leicht „Sonnenbrand“                                               äusserst wichtig. Nur dann ent-
  als die Schweiz – keine Kontingen-                                             uff e Scheppli Gwirztraminer
                                         bekommt. Im Nachhinein bereut Vic-                                               wickelt der Gewurztraminer sein
  tierung ausländischer Weine kennt.
                                                                                 und e „Choucroute alsacienne“.           einzigartiges Bukett, das auch in
                                         tor Roth fast ein wenig, dass man vor
Schliesslich ist auch die Klima-Erwär-   einigen Jahren auf der höchstgele-
mung ein Thema. Sie ist schuld, dass     genen Parzelle – dem Hornstein – die
der Zuckergehalt des Traubenmosts        Sorte Auxerrois angepflanzt hat und
(Oechsle) grundsätzlich höher ist als    nicht Riesling.

22                                                                                                                                                          23
Spät- und Trockenbeeren-Auslesen
so geschätzt wird.
                                       zwicker“, der nach seinem Höhen-
                                       flug in den siebziger und achtziger
                                                                                Georges Zink, elsässischer Mundartdichter
                                       Jahren des letzten Jahrhunderts
Weine sind immer wieder Modeströ-
                                       zumindest bei uns an Bedeutung
mungen unterworfen; gegenwärtig
                                       verloren hat. Der einst beliebte
                                                                                  Ein Sundgauer Bauernsohn wird Professor an der Pariser
hat es der fruchtige Gewurztraminer                                                                    Sorbonne
                                       Weisswein – damals eine hochwer-
etwas schwer, weil viele Konsumen-
                                       tige Cuvée aus mindestens zwei
ten trockene Weissweine bevorzu-
                                       Rebsorten – gilt heute leider bei        Von Edgar Zeidler
gen. Andererseits erfreut sich der
                                       manchen Winzern als billiger Trop-
Crémant, der aus den frischen Trau-                                             Der aus Hagenbach im Sundgau ge-        Strassburger Gymnasium Fustel de
                                       fen, den es halt auch noch zu pro-
ben des Pinot Blanc produziert wird,                                            bürtige Georges Zink (14.2.1909), war   Coulanges eingeschult. Ein einziges
                                       duzieren gilt. Nicht so in der Familie
wachsender Beliebtheit. Mit ihnen                                               das jüngste von sieben Geschwistern     Vorbereitungsjahr genügte ihm für
                                       Roth, die Sorge trägt zum „Edelge-
hat die diesjährige Lese am 25. Au-                                             einer Bauernfamilie. Wie sein älte-     das Bestehen der Aufnahmeprüfung
                                       misch“: Rund 10% ihrer jährlichen
gust begonnen – rund vier Wochen                                                rer Bruder Oskar, der als Kind nach     an der „École Normale supérieure“.
                                       Produktion von 90‘000 – 110‘000
früher als noch vor 20 Jahren. Abge-                                            einem Unfall gehbehindert war und       1932 schloss er die Prüfung für die
                                       Flaschen entfällt nämlich auf den
schlossen wird sie mit dem Gewurz-                                              deshalb auf dem Hof nicht mithelfen     „agrégation“1 glänzend ab und be-
                                       Edelzwicker, der wegen der unter-
traminer und dem Riesling.                                                      konnte, durfte er studieren.            gann am „lycée“ von Troyes Deutsch
                                       schiedlichen Zusammensetzung des
Im Reigen der Elsässer Weine nicht     Traubenmosts jedes Jahr etwas an-
vergessen dürfen wir den „Edel-        ders schmeckt.
                                                  Zum Schluss eine erfreu-
                                                  liche Nachricht: Grand
                                                  Cru-Winzer werden die
                                                  Roths in absehbarer Zeit
                                                  doch noch. Sie erwarben
                                                  nämlich auf dem Gebiet
                                                  der Domaine Ollwiller im
                                                  benachbarten Wuenheim
                                                  eine Hektare Rebland, als
                                                  das gleichnamige Château
                                                  am Fuss des Hartmanns-
                                                  willerkopfs zum Verkauf
                                                  stand. Sein Riesling gehört
                                                  zu den elegantesten Gran
                                                  Crus im ganzen Elsass. Das
                                                  wissen bestimmt auch die
                                                  neuen Schlossherren, die                     Georges Zink rechts aussen neben seinen sechs Geschwistern
                                                  bekannte Familie Mack         Nach der Grundschule in Hagen-          zu unterrichten. Bereits 1937 erhielt
                                                  aus Rust, die den herr-       bach und dem „collège“ in Altkirch      er die erste Beförderung: In Vanves,
                                                  schaftlichen Sitz zu einem    wurde er dank seiner besonde-           am „lycée“ Michelet, konnte er seine
                                                  gehobenen Hotel mit           ren Fähigkeiten – man sprach ihm        Kenntnisse in der deutschen Litera-
                                                  Feinschmecker-Restaurant      ein aussergewöhnliches Gedächt-         1   Höchste Staatsprüfung für
                                                  umfunktionieren will.         nis nach – 1927 am renommierten             Gymnasiallehrer
24                                                                                                                                                        25
tur des Mittelalters vertiefen. Krieg   kommission der „agrégation“ in           Elsass“. In seinem Nachwort zu Hai-      Wohnhaft in Paris, am belebten Bou-
und Gefangenschaft bedeuteten           Deutsch, eine hohe Funktion, die er      et, Arn un Ahmtet, schreibt Mazen:       levard Saint-Michel, mit Blick auf den
dann einen Bruch in dieser steilen      mit grosser Autorität und Hingabe        „Mit einem schelmischen Lächeln          „Jardin du Luxembourg“, ging er bei
Karriere.                               ausübte.                                 flüsterte er mir zu, dass auch er ger-   schönem Wetter ins „Quartier latin“
                                                                                 ne die Dichter-Leier in seiner Sund-     und genehmigte sich „e Scheppele
Doch sein Ehrgeiz und sein eiserner     1977 ging er in den wohlverdienten       gauer Muttersprache aufklingen           Elsasser Wi“. In dem Glas schillerten
Wille liessen ihn nicht verzagen und    Ruhestand und widmete sich wie-          lasse, wenn die Muse mit ihm tändle      sicher alte Bilder der Heimat, mit de-
führten ihn zu einer Doktorarbeit       der mehr der Mundartdichtung. Er         oder ihn gar küsse. Ich traute mei-      nen er dann, in seiner ungekünstel-
über die mittel-                                          verfasste den Ge-      nen Ohren nicht: ich konnte kaum         ten, lebensnahen und urwüchsigen
hochdeutschen                                             dichtband Bìlder       glauben, dass er, der doch an der        Lyrik, einen idealisierten Sundgau,
Heldendichtun -                                           vo d’heim vom          berühmtesten französischen Uni-          eine Art verlorenes Paradies thema-
gen von Dietrich                                          Schorsch,    und       versität lehrte und eine Kapazität       tisierte:
und Emrich. Er                                            das Epos Wie der       von ungewöhnlichem Format war,
promovierte er-                                           Nesti un s Odil                                                 Aus: Wi üs em Elsàss
                                                                                 auf Elsässisch dichtete, d.h. in einem
folgreich und er-                                         sallemols ghirote      damals als ‚arme Bauernsprache‘          „Mìr gschmeckt der Elsasserwi so
hielt im Mai 1948                                         han. Beide Wer-        verschrieenen Dialekt, zumal ich         güet!
den Doktortitel                                           ke wurden später       selbst in meiner Universitätsumwelt,
in deutscher Phi-                                         unter dem Titel                                                 Doch wil i bì vo dhaim so wit,
                                                                                 desselben Ausdrucksmittels wegen,
lologie mit „mag-                                         Sichelte – Mois-       oft spöttischen Bemerkungen aus-         So wìrd gànz müdrig mi Blüet,
na cum laude.“ So                                         sons zusammen-         gesetzt war.“
konnte er noch im                                         geführt. Im Jahr                                                ’s fàllt Wàsser ìn mi Glàs
selben Jahr an der                                        1992 erschien im       Man kann Zinks Dichtung durchaus         (…)
philologischen                                            Verlag Schauen-        als Exildichtung bezeichnen. Einige
Fakultät der Uni-                                         berg Haiet, Arn        seiner beliebtesten Gedichte stam-       Wìrt, brìng m’r schnall a-n-ànder
versität Lyon un-                                         un Ahmtet, her-        men aus den 1930er Jahren, wie Alte      Glàs!
terrichten. Diese                                         ausgegeben von         Lieder, 1935 entstanden, anlässlich      Ìch wìll so làng gwìss lüege dri,
Nominierung sti-                                          Raymond      Mat-      der Geburt der ersten Tochter:
mulierte ihn der-                                         zen. Und 2001                                                   Bis àss i gseh ìm gahle Wi,
massen, dass er                                           publizierte der        Ìm Wìnter àls ìn der Stuwe,
                                                                                                                          Der Sunneschin vo dhaim!“
seine Forschungsarbeiten vorantrieb     Verlag „Le Verger Éditeur“ E Strüss      wenn z Owe der Schlof ìsch ku,
und zahlreiche Artikel publizierte      üs der Heimet mit einer französi-                                                 Sein jüngster Sohn, Michel Zink, 1945
über deutsche Sagen, die deutsche       schen Übersetzung von R. Matzen.         Do bìn i zer Müeter geh kroble           in Issy-les-Moulineaux geboren, be-
Literatur, das Nibelungenlied, das                                               Un sie hàt uf d Schoss mi gnu.           kannter französischer Mediävist,
Rolandslied, Minnelieder und deut-      Es ist also hauptsächlich Matzen zu                                               wurde 2019 als frischgebackenes
sche Epen. Bald befand er sich, als     verdanken, dass das Werk von Geor-       (…)                                      Mitglied der „Académie Française“ in
germanistischer Mediävist, auf der      ges (Schorsch) Zink in die elsässische                                            Altkirch gross empfangen. In seiner
                                        Mundartliteratur eingegangen ist         Mi Müeter ìsch àlt jetze worde
höchsten Stufe seines Fachbereichs.                                                                                       Rede betonte er, dass er viel weniger
                                        und somit eines seiner Gedichte,         Un ìch bì vo dhaim so wit.               Verdienste als sein Vater habe, da er
Als Doktor honoris causa der Univer-    Kàrfunkelstai, den DreylandDichter-                                               als Sohn eines Professors an der Sor-
sität Frankfurt am Main 1964 wurde      weg ziert. Matzen hat ihn mehrmals       Doch d Liedle, die scheene, die àlte,    bonne zum „Académicien“ gekürt
er im Juli 1965 an die Sorbonne ge-     getroffen, unter anderem 1970 an                                                  wurde, während sein Vater es als ein-
                                                                                 Die hàn i ìm Sìnn trèi behàlte:
wählt. Von 1968 bis 1970 fungierte      einem Kolloquium an der Strass-                                                   facher Bauernsohn zu höchsten Eh-
er als Vorsitzender der Prüfungs-       burger Uni über „Goethe und das          Mim Maidele sìng i sie hìt.              ren gebracht hatte.

26                                                                                                                                                            27
Sakrale Bauten als Zeugen der Geschichte

                                                                                    Célestin Meders Zeichnungen von Gotteshäusern
                                                                                                     in Saint-Louis 1

                                                                             Von Hans-Jörg Renk

                                                                             Das heutige Saint-Louis war Ende des       ginn des 19. Jahrhunderts zu klein,
                                                                             17. Jahrhunderts nur eine Ansamm-          um sich eine Kirche leisten zu können;
                                                                             lung einiger Häuser an der Kreuzung        die Gläubigen mussten zum Gottes-
                                                                             der Strasse von Strassburg nach Basel      dienst nach Village-Neuf pilgern. Erst
                                                                             mit derjenigen von Belfort nach Hü-        1802 wurde an der Strasse nach Mül-
                                                                             ningen, dessen Festung der Siedlung        hausen eine kleine Kapelle errichtet,
                                                                             einen gewissen Auftrieb verlieh. Ihre      und 1827 gewährte König Charles X.
                                                                             Einwohner gelang-
                                                                             ten 1683 an Louis
                                                                             XIV. mit der Bitte, ihr
                                                                             bisher namenloses
                                                                             Dorf fortan nach sei-
                                                                             nem fernen Vorfah-
                                                                             ren Louis IX. (1214 –
                                                                             1270) benennen zu
                             eines der zahlreichen schönen Fachwerkhäuser    dürfen, der 1297 in
Kleine Pikanterie am Rande: Die ver- und Hagenbach. Er liess es sich nicht   Anerkennung seiner
schiedenen Redner, allesamt in einem nehmen, dies mit folgender humor-       beiden Kreuzzüge
akzentfreien Französisch, sprachen vollen Bemerkung richtig zu stellen       als einziger franzö-
seinen Namen und sein Heimatdorf und sagte, dass er zwar in Paris mit        sischer König heilig-
„à la française“ aus. Mehrmals er- „Seink“ angesprochen werde und            gesprochen worden
tönte „Seink“, „Agenback“ für Zink dort sein Heimatdorf „Agenback“           war. Der „Sonnen-
                                       heissen mag, „àwer do, ìm Elsàss,     könig” willigte gnä-
                                       heiss i Zink un kumm vu Hàgebàch!“    digst ein, und seither
                                                                             trägt Saint-Louis trotz Revolution und            die katholische Kirche von 1845
                                       Das sass!
                                                                             Republik seinen sakral-monarchischen       dem Städtchen das Privileg einer ei-
                                      Für seinen am 30.4.2003 in Paris                            Namen und führt       genen Pfarrei. Im folgenden Jahr-
                                      verstorbenen Vater empfindet Mi-                            die drei königli-     zehnt sammelten deren Mitgieder
                                      chel Zink heute noch die grösste                            chen Lilien (Fleurs
                                      Hochachtung. Auch zur Mutter, die                                                 1   Célestin Meder und Paul-Bernard
                                                                                                  de Lys) in seinem
                                      ihren Schorsch immer unterstützt                            Wappen.2                  Munch: Le Carnet illustré du Pays de
                                      hatte und perfekt zweisprachig                                                        Saint-Louis, Editions Wilo, 2018
                                      war, hatte er stets eine enge Ver-                        Aber Saint-Louis        2   Während der Französischen Revolu-
                                      bindung.                                                  blieb bis zum Be-           tion hiess Saint-Louis „Bourglibre”

28                                                                                                                                                           29
Geld zum Bau einer richtigen Kirche    tes (1685) gab es auch im Elsass, das                                                    den Krieg. Beide Kirchen
auf dem Gelände der Kapelle, denn      – mit Ausnahme von Mülhausen als                                                         erhielten in den 1920er
dank der beginnenden Industrialisie-   „Zugewandtem Ort” der Eidgenos-                                                          Jahren neue Glocken. Wie
rung und dem Bahnanschluss war die     senschaft – schon damals zu Frank-                                                       nationalistisch die Jahre
Bevölkerung bis 1840 auf 1500 Ein-     reich gehörte, fast keine Protes-                                                        von 1914–18 die Menta-
wohner gewachsen. Die Kirche wur-      tanten mehr. Mit dem Aufschwung                                                          litäten geprägt hatten,
de 1843 im späten neoklassischen Stil  der 1830er Jahre liessen sich aber                                                       zeigt die Weigerung der
fertiggestellt und selbstverständlich  rund 200 Protestanten in Saint-Louis                                                     zuständigen       französi-
dem Namensgeber der Stadt gewid-       nieder. Sie besuchten zunächst die                                                       schen Stellen, 1919 einen
met. Die feierliche Einweihung durch   Gotteshäuser in Basel, bis sie 1834                                                      protestantischen Vikar zu
den Bischof von Strassburg erfolgte    an der Rue de Bâle im oberen Stock-                                                      wählen, der wohl zwei-
im Juni 1845. Da die Bau-                          werk eines Schafstalls                                                       sprachig, aber ein Schwei-
kosten das Ergebnis der                            eine kleine Kapelle ein-                                                     zer war… Immerhin wur-
Sammlung überstiegen,                              weihen konnten. Ihr ers-                                                     de der Basler Emil Bach in
musste ein Teil der Gläu-                          ter Pfarrer war ein Bas-                                                     den 1930er Jahren Pfarrer
bigen für ihre Plätze auf                          ler namens Staehelin,                                                        in Hüningen.
den Kirchenbänken Mie-                             und Seminaristen der
te bezahlen…                                       Basler Mission halfen                                                        Bis ins frühe 19. Jahrhun-
                                                   bei der Jugendarbeit                                                         dert lebten die Juden im
Im kleinen Park vor der
                                                   der Gemeinde mit. Nach                                                       Elsass vorwiegend auf dem
Kirche steht seit 50 Jahren
                                                   1870 vergrösserte sich                                                       Land. Die Französische Re-
eine Statue des heiligen
                                                   die protestantische Be-                                                      volution hatte ihnen zwar
Louis, die zum 700. Jah-
                                                   völkerung weiter, wohl                                                       die     Gleichberechtigung
restag seines Todes einge-
                                                   auch durch den Zuzug                                                         gebracht, wurde aber –
weiht und 2014, zum 800.
                                                   aus Deutschland nach                                                         wie auch die Revolutionen
Jahrestag seiner Geburt,
                                                   dessen Annexion von El-                                                      von 1830 und 1848 – auch
wegen witterungsbeding-
                                                   sass-Lothringen, sodass                                                      zum Ausgangspunkt von
ter Schäden durch eine                                                                      die protestantische Kirche von 1883 antijüdschen
                                                   der Bau einer Kirche                                                                          Ausschrei-
weitere Kopie aus rotem
                                                   unumgänglich wurde.         Der Bau des „Temple”, wie die pro- tungen. Viele Juden flüchteten daher
Vogesen-Sandstein        er-
                                                   Sie wurde 1883 wie ihre     testantischen Kirchen in Frankreich in die Schweiz und in die grenznahen
setzt wurde. Dass der Hei-
                                                   katholische „Schwester”     zur klareren Unterscheidung heis­ Städte Hüningen und Saint-Louis,
lige in beiden Versionen
                                                   an der Rue de Mulhouse      sen, wurde ebenfalls durch Spenden wo sich Juden aus mehr als 25 Sund-
keine Hände hat, ist nicht
                                                   errichtet, aber näher am    finanziert. Reiche Basler Familien gauer Gemeinden niederliessen. Die
etwa eine Folge von Van-
                                                   Stadtzentrum, nur einen     kamen für die vier Glocken auf, von jüdische Bevölkerung von Saint-Louis
dalismus, doch niemand
                                                   Häuserblock      nördlich   denen drei im Ersten Weltkrieg das wuchs dadurch von einem knappen
hat bisher eine Erklärung
                                                   der grossen Kreuzung.       gleiche Schicksal wie diejenigen vie- Dutzend im Jahre 1865 auf über 100
für diese „Amputation”
                                                   Der Bau widerspiegelt       ler anderer Kirchen erlitten: Sie wur- zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Ihre
gefunden, ein Geheimnis,
                                                   den neogotischen Stil       den zu Kanonen eingeschmolzen. Gemeindemitglieder besuchten die
das der Schutzpatron der
                                                   jener Zeit, in welcher      Die vierte wurde 1921 unversehrt in 1862 errichtete Synagoge von Hü-
Stadt wohl für immer sich
                                                   zahlreiche andere Kir-      Frankfurt aufgefunden und wieder ningen – die im Zweiten Weltkrieg
behält…
                                                   chen entstanden, so         an ihrem angestammten Ort auf- vollständig zerstört und nicht wieder
Nach der Aufhebung des             König Louis IX. auch die Basler Elisabe-    gehängt. Von den vier Glocken der aufgebaut wurde –, aber angesichts
Toleranz-Edikts von Nan-             (1214 –1270) thenkirche.                  katholischen Kirche überlebte keine ihrer wachsenden Zahl wurde auch
30                                                                                                                                                      31
in Saint-Louis eine Synagoge erfor-
derlich. Der monumentale Bau im ori-
                                        Vertreibung und Vernichtung nur
                                        noch halb so viele Mitglieder wie vor
                                                                                                            „LOEM / BUÉE“
entalisch wirkenden Stil wurde 1907     dieser schrecklichen Zeit, vergrösserte
unweit des Marktplatzes eingeweiht      sich aber in den 1960er Jahren erneut              Jean-Christophe Meyers fünfter Gedichtband
und übernahm die Nachfolge der          durch Juden, die nach der Unabhän-
Synagoge von Hegenheim von 1821,        gigkeit der ehemaligen französischen      Von Ursula Schmitt
die übrigens gegenwärtig zu einem       Kolonien in Nordafrika ihre Heimat
                                                                                  „Loem / Buée“ ist der Titel des kürz-     bundenheit des Dichters zu seiner
Kulturzentrum umfunktioniert wird.      verlassen mussten. 1985 wurde un-
                                                                                  lich erschienenen fünften Lyrikbands      Heimat. Was er vermittelte, wirkte
1909 wurde Saint-Louis auch anstelle    weit der Synagoge im Rahmen einer
                                                                                  von Jean-Christophe Meyer. Er ist in      stimmig, liess aufhorchen und ge-
von Hegenheim Sitz des für die ganze    Talmud-Schule eine zweite eröffnet.
                                                                                  zweisprachiger Form geschrieben, auf      spannt auf die Entwicklung des jun-
Grenzecke zuständigen Rabbiners.        Diese Schule – neben Marseille die
                                                                                  Elsässisch und Französisch, wie sein      gen Dichters warten.
                                                         einzige in Frankreich
                                                                                  2015 erschienener Band „Liechtùnge
                                                         – unterrichtet jun-                                                Wie die vier folgenden Gedichtbän-
                                                                                  / Clairières“.
                                                         ge Männer aus dem                                                  de zeigen, hat Jean-Christophe Mey-
                                                         ganzen Land, die         Ich muss gestehen, dass mir das Wort      er die in ihn gesetzten Hoffnungen
                                                         sich anschliessend an    „Loem“ bisher unbekannt war, aber         nicht enttäuscht. Er verkörpert das
                                                         den Talmud-Schulen       wie mir von Elsässern bestätigt wur-      Bild eines Menschen, der im Einklang
                                                         in Israel, Grossbri-     de, im Dialekt durchaus gebräuch-         mit sich und dem Leben seinen Weg
                                                         tannien und den          lich ist und soviel wie „Dunst“ oder      gefunden hat und ihn unbeirrt geht.
                                                         USA      weiterbilden    „Dampf“ bedeutet. Bei weiterer Su-
                                                                                                                            Als Journalist bei der Tageszeitung
                                                         können. Dank seiner      che bin ich auf das Wort „Laum“ ge-
                                                                                                                            L’Alsace zeigt er sich als kritischer Be-
                                                         beiden Synagogen         stossen, ein altes, wenig bezeugtes,
                                                                                                                            obachter und unerschrockener Kämp-
                                                         und dieser Schule        frühneuhochdeutsches Wort mit der-
                                                                                                                            fer für das Elsass und seine Sprache.
                                                         ist Saint-Louis heute    selben Bedeutung.
                                                                                                                            Seine Elsässisch-Kolumnen verraten
                                                         wieder zu einem der
                                                                                  Für unsere neuen Mitglieder: Jean-        auch einen Menschen, der mit feinem
                                                         wichtigsten Zentren
                                                                                  Christophe Meyer wurde 1978 in            Humor seine Meinung äussern kann,
                                                         jüdischen Lebens im
                                                                                  Blien­schwiller, einem kleinen Dorf       ohne dabei stets mit erhobenem Zei-
                                                         Elsass und darüber
                                                                                  an der Elsässer Weinstrasse geboren.      gefinger aufzutreten.
                                die Synagoge von 1907 hinaus geworden.
                                                                                  Er stammt aus einer alten Winzerfa-
                                                                                                                            Die ursprünglichen Fassungen seiner
In den 1930er Jahren liessen sich vie-   Anhand der drei beschriebenen sak-       milie, die bereits seit dem XV. Jahr-
                                                                                                                            zweisprachigen Lyrikbände schrieb
le deutsche Juden, die von den Nazis     ralen Gebäude lässt sich die wechsel-    hundert hier ansässig ist. Nach einem
                                                                                                                            er auf Elsässisch und übertrug sie an-
verfolgt wurden, in Saint-Louis nie-     volle Geschichte von Saint-Louis die     Studium der Politikwissenschaften in
                                                                                                                            schliessend in die französische Spra-
der, dessen jüdische Gemeinde da-        auch zahlreiche Berührungspunkte         Strassburg und einem Jahresaufent-
                                                                                                                            che. Sie lassen ahnen, wie reich der
durch mit über 200 Mitgliedern zu ei-    mit Basel aufweist, gut ablesen. Zu      halt an der Alexander-Universität in
                                                                                                                            Wortschatz des Dichters in seiner
ner der grössten im Elsass wurde. Die    diesen drei religiösen Zentren gesell-   Nürnberg besuchte er eine Journa-
                                                                                                                            Muttersprache ist und auf was für un-
Synagoge erfuhr daher 1933/34 eine       ten sich in jüngerer Zeit auch eine      listenschule in Strassburg. Seit 2002
                                                                                                                            erschöpflichen Quellen er zugreifen
Vergrösserung, wurde jedoch wäh-         Moschee und eine orthodoxe Kirche,       arbeitet er als Journalist bei der Ta-
                                                                                                                            kann. Ein sprachlicher Vergleich der
rend der deutschen Besatzung von         von denen es leider keine Zeichnun-      geszeitung L’Alsace in Saint-Louis und
                                                                                                                            beiden Fassungen ist interessant. Das
1940-44 verwüstet, teilweise zerstört    gen gibt, die aber auch Erwähnung        lebt mit seiner Familie in der Rosenau.
                                                                                                                            Elsässische – kraftvoll, bildreich und
und nach dem Krieg wieder aufge-         verdienen, weil auch sie die Vielfalt
                                                                                  Bereits sein erster Lyrikband, „Sagit-    wortmalerisch – kann sich meiner An-
baut. Die jüdische Gemeinde zählte       der Bevölkerung unserer Nachbar-
                                                                                  tales“, auf Französisch geschrieben       sicht nach durchaus mit dem eleganten
bei Kriegsende als Folge von Flucht,     stadt widerspiegeln.
                                                                                  und 2004 erschienen, zeigte die Ver-      und leichtfüssigen Französisch messen.
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