THÜRINGENFORST PROJEKTINFORMATIONEN 1/2020: RAUFUßHÜHNER
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ThüringenForst Projektinformationen 1/2020: Raufußhühner April 2020 Sehr geehrte Partner und an den Raufußhuhnprojekten von ThüringenForst Interessierte, mit diesem zweiten Rundschreiben möchten wir über die Entwicklungen in der letzten Hälfte des Jahres 2019, insbesondere über das Auswilderungsgeschehen im Auerhuhnprojekt be- richten. Im Hinblick auf das Haselhuhnprojekt soll Bezug auf ein Monitoring im Thüringer Frankenwald genommen werden. Da sich die bisherige Projektkoordinatorin Luise Stephani seit Ende des Jahres in Elternzeit befindet, hat sich die Veröffentlichung des Newsletters etwas verzögert. Seit kurzem über- nimmt Frau Elke Stengeli die Koordination und steht bei Fragen rund um das Projekt nun in der Projektkoordination beim Sachgebiet Waldnaturschutz, Schutzgebiete zur Verfügung (Elke Stengeli, elke.stengeli@forst.thueringen.de, Tel.: 0361 37 89 869). Wir danken allen Beteiligten, die sich mit viel Engagement in das Projekt einbringen, unter anderem der fach- lichen Beratung von Dr. Siegfried Klaus, Dr. Ralf Siano, den Mitarbeitern der Aufzuchtstation Mario Amme und Dietmar Chemnitz, dem Berufsjäger Mike Wagner, dem Auswilderungs- und Koordinationsteam, Thomas Kallenbach und Jürgen Boddenberg. Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen. Abbildung 1: Imponierender Junghahn. Am Rande des Balzplatzes können sich auch Jähr- lings-Auerhähne bereits an der Balz beteiligen. (Foto: S. Klaus)
Inhalt Auerhuhnprojekt Lebensraumverbesserung Bestandesstützung und –monitoring Raubwildbejagung Ausblick Haselhuhnprojekt Lebensraumverbesserung Bestandesstützung und -monitoring Ausblick Abbildungen 1: Das Auerhuhnprojekt besitzt drei Säulen: Lebensraumverbesserung, Prädatorenmanagement und Bestandesstützung. Die Schaffung und Erhaltung optimaler besonnter Heidelbeerbereiche (Bild links), steht im Fokus der Biotoppflegemaßnahmen. Der Fuchs ist einer der Haupt-Prädatoren von Auerhühnern (Bild Mitte). Ein junger Auerhahn (Bild rechts) erkundet die „Born-to-be-free“ Auswilderungsvoliere, 2019 (Fotos: E. Stengeli, Dr. S. Klaus, L. Stephani) 2
Auerhuhnprojekt - Lebensraumverbesserung ThüringenForst legt einen klaren Schwerpunkt auf die Aufwertung vorhandener Waldbe- stände und auf den Aufbau lichter, alter Waldstrukturen, auf die Schaffung von Verbin- dungskorridoren (Trittsteinbiotopen) und damit langfristig auf die Entstehung eines größe- ren Biotopverbundes. Viele der Auerhuhn freundlichen Maßnahmen lassen sich problemlos in die reguläre forstliche Bewirtschaftung integrieren und begünstigen ebenfalls andere sel- tene, geschützte Arten wie beispielsweise Waldeidechsen, Kreuzottern, Ziegenmelker, Sper- lings- und Raufußkauz, Spechtarten, Schwarzstorch, Waldameisen und viele Waldschmetter- lingsarten. Die Beurteilung nach Qualitätsstufen und die Kartierung potentieller Auerhuhnlebensräume bilden nach wie vor die Grundlage für die Planung und Realisierung von Lebensraumgestal- tungsmaßnahmen. Die seit 2012 laufenden Kartierungsarbeiten und die Umsetzung der Le- bensraumoptimierung wurden auch im Jahr 2019 fortgesetzt. Das gesamte Kartiergebiet umfasst aktuell 35.800 ha im Staatswald zuzüglich 1.435 ha im Privat- bzw. Kommunalwald (Stand Dezember 2019) mit Schwerpunkt in den EU- Vogelschutzgebieten. Aufgrund großflächig geeigneter Habitatstrukturen wurde die Kartie- rung 2019 auf das Vogelschutzgebiet Nr. 34 „Langer Berg–Buntsandstein-Waldland um Pau- linzella“ und umliegende Gebiete im Revier Paulinzella im Forstamt Gehren ausgeweitet. Hierbei wurden insgesamt ca. 2.750 ha Waldfläche kartiert, davon ca. 1.315 ha im Staats- wald. Die für 2019 und 2020 geplanten Kartierungen von weiteren Revieren des Forstamtes Sonneberg mussten wegen starker Borkenkäferaktivität und dadurch vorhersehbarer Ände- rungen der Waldsituation (Auflichtungen, Kahlflächen) in den betroffenen Gebieten auf ei- nen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Neben Aussage zur Qualität und Quantität der Lebensräume gibt die Kartierung auch über deren räumliche Verteilung flächenscharfe Auskunft. In Bereichen, in denen gehäuft optima- le Habitatstrukturen auftreten, wurden und werden Potenzialgebiete ausgewiesen. In diesen Potenzialgebieten richtet sich die forstliche Bewirtschaftung weitestgehend an den Lebens- raumansprüchen des Auerhuhns aus. Zwischen diesen Potenzialgebieten werden Trittstein- flächen entwickelt, so dass ein Verbund aus Einzelflächen im Sinne des Metapopulationskon- zepts entsteht. Derzeit sind 19 Potenzialgebiete mit ca. 7.900 ha ausgewiesen, was ca. 22% der Kartierfläche entspricht. Die aus der Kartierung vorgeschlagenen Maßnahmenflächen im Staatswald umfassen derzeit ca. 2.915 ha. 3
Seit dem Jahr 2013 zeigt sich mit der Zunahme der kartierten Fläche ein deutlicher Anstieg der jährlich aufgewerteten Flächen. Eine genaue Entwicklung der Maßnahmenfläche für je- des Projektjahr kann dem folgenden Diagramm entnommen werden. Realisierte Maßnahmenflächen seit 2013 (kumuliert) 3.000 2.500 2.000 Fläche [ha] 1.500 1.000 500 0 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Fläche Reduktion Fichtenverjüngung (ha) gesamt Fläche Durchforstung (ha) gesamt Abbildung 2: Jährlich umgesetzte flächige Maßnahmen (kumuliert) zur Auerhuhn Habitatverbesserung seit dem Jahr 2013 (in ha), Reduktion Fichtennaturverjüngung in Gruppen/Inseln Tabelle 1: Flächige Maßnahmen zur Auerhuhn Habitatverbesserung seit 2013 (in ha), Pflanzung (in Stück) Jahr Arbeits- Fläche Reduktion Durchforstung Hordengat- Pflanzung stunden Fichtenverjüngung (ha) terbau (lfm) (Weißtanne, Forstwir- zur Förderung der Weichlaub- te Heidelbeere (ha) holz [Stk.]) 2013 2.650 100,00 34,85 3.224 2.200 2014 3.731 55,31 256,05 3.850 1.600 2015 4.415 97,14 109,83 695 800 2016 5.146 169,12 525,71 1.770 1.950 2017 4.666 158,00 890,89 990 850 2018 5.615 225,72 465,00 1.690 4.150 2019 4.879 69,64 371,14 810 1.200 Summe 31.102 874,75 2.653,47 13.029 12.750 4
Im Jahr 2019 wurde die Gesamtfläche von Habitat-Verbesserungsmaßnahmen (Reduktion der Fichtenverjüngung zur Förderung der Heidelbeere als wichtiges Strukturelement) um 69,64 ha erhöht. Diese Erhöhung der Fläche der Habitatverbesserung war ThüringenForst unter anderem aufgrund einer Gewährung von ELER Fördermitteln für die Realisierung von zusätzlichen Maßnahmen im Forstamt Neuhaus möglich. Mit eigenen finanziellen und per- sonellen Ressourcen wäre eine Erhöhung der Maßnahmenflächen nicht möglich gewesen. Die Reduktion des Flächenanteils bei den Durchforstungen auf 371,14 ha ist durch die ver- stärkt auftretende Borkenkäferkalamität im Projektgebiet bedingt. Als Folge des trockenen Sommers 2019 sind weitere Fichtenbestände – auch in Auerhuhn Potenzialgebieten - vom Absterben betroffen. Im Hinblick auf die Planung 2020 ist bereits jetzt im Frühjahr absehbar, dass mit einer extremen Steigerung von Borkenkäferschäden zu rechnen ist. Eine zusätzliche Auflichtung von Schadflächen verbietet sich verständlicherweise. Außerdem können sich auch Kalamitätsflächen zu günstigen Auerhuhnbiotopen entwickeln (Beispiel Nationalpark Bayerischer Wald). Eine weitere Schutzmaßnahme ist der Abbau von Drahtzäunen und deren Ersatz durch Hor- dengatter aus Holz. Im Jahr 2019 konnten über eine ELER Fördermaßnahme weitere Hor- dengatter (810 lfm) mit 1.200 Pflanzen (Weißtanne, Gemeine Kiefer, Europäische Lärche) errichtet werden. Da der Wartungsaufwand von Hordengattern aus Holz jedoch erheblich ist, sollen in Zukunft beispielsweise Kombinationen von Holz Verblendungen an Drahtzäunen getestet werden. Der Gesamtaufwand für alle Auerhuhnmaßnahmen belief sich auf 4.879 Forstwirt- Arbeitsstunden (Inklusive der Betreuung der Auswilderungsvolieren im Revier Piesau, Forst- amt Neuhaus mit 415 Stunden) und inklusive dem Betrieb der Aufzuchtstation in Langen- schade (3.104 Stunden). Abbildung 3: Hordengatter zum Schutz von Pflanzung und Heidelbeere vor Wildverbiss, Revier Schmiedefeld Forstamt Neuhaus. Förderung aus ELER Mitteln des Europäischen Landwirt- schaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen 5 Raumes. (Foto: L. Stephani)
Auerhuhnprojekt - Bestandesstützung und –monitoring Auerhuhnaufzuchtstation - Entwicklung im Jahr 2019 Zu Beginn des Jahres 2019 umfasste der Zuchtbestand 14 Tiere (4 Hähne, 10 Hennen). Von den 10 Hennen gab es 7 Gelege mit insgesamt 81 Eiern. Von diesen 7 Gelegen führten nur 6 Hennen ein Gesperre. Insgesamt schlüpften 53 Küken (inklusive der 12 Eier, die freund- licherweise vom Tierpark Suhl geschenkt wurden und einem Ei, das eine aus Schweden im- portierte Henne legte). Letztendlich konnten 27 Jungvögel ausgewildert werden, hierbei handelte es sich um 12 Hähne und 15 Hennen. Die Aufzuchtsaison 2019 brachte zu Beginn einige Schwierigkeiten mit sich, und die Aufzucht verlief, wie schon in den Vorjahren, nicht komplikationsfrei. Nicht alle Hennen des Zucht- bestandes, die Eier gelegt hatten, bebrüteten diese auch zuverlässig und durchgehend. Das Brutgeschehen wurde teilweise durch junge, nicht brütende Hennen gestört (Anbrüten und anschließendes Verlassen von Gelegen). In der Folge starben Embryonen ab. Manche Hennen verließen das Gelege, und die Brut musste durch Seidenhühner oder im Brutauto- maten fortgesetzt werden. Die aus dem Tierpark Suhl kommenden Eier wurden ebenfalls auf diese Weise ausgebrütet. Die daraus resultierenden Küken wurden von führenden Hennen adoptiert. Im Jahr 2019 sind für die Unterhaltung der Aufzuchtstation Gesamtkosten von 96.188 € an- gefallen. An diesem Betrag haben die Lohnkosten mit ca. 87 % den höchsten Anteil. Den Rest bilden Futter -, Verbrauchsmittel und Baumaterial. Den Lohnkosten liegen 3.104 Waldarbei- terstunden zugrunde. Im Laufe des Jahres sind ein Hahn in der Station (durch Totflug) und zwei Hennen in den Auswilderungsvolieren (durch Marder) umgekommen. Eine Henne konnte aus eigener Nach- zucht ersetzt werden, so dass der Zuchtbestand Ende 2019 aus 12 Tieren besteht (3 Hähne, 9 Hennen). Allen Turbulenzen zum Trotz ist jedoch die Auswilderung von 27 Jungvögeln ein akzeptabler Aufzuchterfolg. Das spricht für die kontinuierliche Weiterentwicklung der Me- thoden und das hohe Engagement der Stationsbetreuer. 6
Abbildungen 4: Aufzucht zur Bestandesstützung oben links: Auerhuhnküken ca. 1 Woche alt unten links: Auerhuhn-Ei nach dem Schlüpfen, durch den Eizahn wird ein Teil der Schale abgetrennt oben rechts: „Born-to-be-free“-Voliere, bereit zum Einzug eines Gesperres. unten rechts: junge Henne in der „Born-to-be-free“-Voliere (Fotos: Dr. S. Klaus, E. Stengeli, L. Stephani) 7
Auswilderung 2019 Mit 27 Jungvögeln aus Nachzucht und 4 in Schweden gefangenen Hennen wurden im Jahr 2019 insgesamt 31 Auerhühner (12 Hähne, 19 Hennen) im Thüringer Schiefergebirge ausge- wildert. Wie in den vergangenen Jahren wurde mit 4 Jungvögeln (2 Auerhennen, 2 Auerhäh- ne) eine gesonderte Auswilderung unter Beteiligung des Thüringer Ministeriums für Infra- struktur und Landwirtschaft und dem Vorstand von ThüringenForst, Anstalt öffentlichen Rechts, im Forstamt Gehren, Revier Hohe Tanne durchgeführt. Der Termin fand im Beisein von Presse und Rundfunk öffentlichkeitswirksam statt. 4 Auerhennen und 3 Auerhähne wurden direkt in den Revieren Reichmannsdorf und Pie- sau/Hasenthal freigelassen. Zwei Gesperre mit 9 Auerhennen und 7 Auerhähnen wurden über die „Born to be free“ Auswilderungsvolieren im Revier Piesau im Forstamt Neuhaus ausgewildert. Um eine Störung durch Waldbesucher, Forstarbeiten oder Schalenwild zu vermeiden, wurde - wie in den letzten Jahren auch - das Waldgebiet um die Volieren gesperrt. Die Betreuung der Volieren erfolgte durch eine geschulte Fachkraft. Für eine sanfte Auswilderung der Jung- vögel wurden die Volieren nach wenigen Tagen geöffnet, und die Tiere konnten selbststän- dig das Gebiet erkunden. Wo sich die Jungvögel nach den typischen anfänglichen Suchflügen tatsächlich langfristig etablieren und ob eine natürliche Reproduktion gelingt, werden das Monitoring und die Gebietskontrollen der kommenden Jahre zeigen. Einige Hinweise hierzu enthält auch das Kapitel Monitoring dieses Berichts. Abbildung 7: Auswilderung von Hennen aus Schweden, 2019 (Fotos: U. Greiner) 8
Aktuelles Monitoring 2019-2020 Die nach IUCN-Richtlinien für Wiederansiedlungsprojekte geforderte Erfolgskontrolle des Projekts wird durch Dr. Ralf Siano nach standardisierter Methode im Rahmen eines jährli- chen Monitorings durchgeführt. Das bedeutet im Rahmen des Projektes zwei jährliche Ge- ländebegänge (zur Balzzeit im April und zur Gesperresuche im Sommer) auf fest gelegten Kontrollrouten in den Kernhabitaten. Dabei werden direkte und indirekte Nachweise erfasst, wie Sichtbeobachtungen, Verhör an Balzplätzen, Reproduktionsnachweise aber auch Lo- sungs- und Federfunde, Trittsiegelfunde und Huderstellen. Die Populationsgröße für eine scheue Waldhuhnart wie das Auerhuhn kann trotz allen Aufwands keinesfalls genau ermit- telt werden. Das beruht einerseits auf der erheblichen Größe des Projektgebietes und ande- rerseits auf den schwer zu erkennenden indirekten Nachweisen und der Scheu der Vögel. Daher erfolgt die Angabe der Bestandsschätzung immer innerhalb einer Spanne. Für die Thü- ringer Auerhuhnpopulation betrug diese Spanne 2019 mindestens 16 Vögel (5 Hähne, 11 Hennen) und maximal 25 Vögel (7 Hähne, 18 Hennen). Dem liegt eine Dunkelziffer von 30% zugrunde, folglich ergeben sich 21 bis max. 33 Auerhühner. Das Geschlechterverhältnis hat sich gegenüber dem Vorjahr (2018: 32% Hähne, 68% Hennen) etwas weiter zu Gunsten der Hennen entwickelt. Es liegt bei 29 % Hähnen und 71 % Hennen und weicht daher vom natür- lichen Verhältnis 1:1 ab. Wie bereits in den Vorjahren, lag der Großteil der Auerhuhnnachweise auch 2019 im nördli- chen Schiefergebirge. Die höchste Nachweisdichte fand sich im Bereich Quittels- berg/Meuraer Heide. Hier wurden im Frühjahr 2019 zwei Hennen gesichtet, und später konnte erfreulicherweise auch ein Gesperre (Henne mit drei Küken) beobachtet und somit ein direkter Reproduktionsnachweis erbracht werden. Das zweitgrößte Schwerpunktgebiet findet sich rund um den Töpfersbühl. Auch im Bereich des Langen Berges haben die Nach- weise im Jahr 2019 deutlich zugenommen, und es gab Hinweise auf Balzgeschehen. Im südli- chen Schiefergebirge konnten trotz der Freilassung von 16 Tieren aus den „Born-to-be-free“ Volieren, nur wenige Nachweise von einzelnen Individuen erbracht werden. Insgesamt gin- gen 135 Nachweise in die Auswertung ein (2018: 155), wobei es sich meistens um Losungs- funde handelte. Der Großteil der Nachweise konnte im Winter und Frühjahr erbracht wer- den. Bei den Sichtbeobachtungen trat bei ca. 15% (2 Tiere) „abnormales“ Verhalten auf – Tiere, die durch ihre mangelnde Scheu oder das Aufsuchen von menschlichen Siedlungen auffielen. Ein Hahn und eine Henne wurden daher wieder eingefangen und in den Wald ver- bracht. Die Henne fiel daraufhin nicht weiter auf, der Hahn wurde jedoch wiederholt auffäl- 9
lig. Aus diesem Grund konnte keine erneute Auswilderung erfolgen, und er verblieb in Ge- fangenschaft (Abgabe an die Aufzuchtstation von Frau Wilmering, Vechta). Außerhalb des Projektgebietes gab es im Jahr 2019 keine Nachweise von sich weiter entfer- nenden Auerhühnern, im Gegensatz zu den Vorjahren. In den Jahren 2018/2019 herrschte durch das trockene und warme Wetter die beste Witte- rung für die Reproduktion der Auerhühner. Diese guten Bedingungen können begünstigt haben, dass nach dem leichten Einbruch in den Bestandeszahlen 2018 (ca. 14 Individuen), für das Jahr 2019 (ca. 21 Individuen) wieder von einem leichten Bestandesanstieg ausgegan- gen werden kann. Alle oben angeführten Daten sind das Resultat des Monitorings von Dr. Ralf Siano. Sie schließen gemeldete Nachweise Dritter ein (Nachweise auf Landschaftsebene für das gesam- te Projektgebiet). Die Bestandserfassung erfolgte auf Flächen im Thüringer Schiefergebirge und im Paulinzellaer Buntsandsteinland. Nach wie vor handelt es sich aber bei der Thüringer Auerhuhn-Population noch nicht um eine tragfähige und ohne weitere Stützung überlebens- fähige Population. Die Zwischenerfolge unterstreichen aber die Notwendigkeit der Fortfüh- rung des Projekts und dienen der Erhaltung einer Zielart in den EU-Vogelschutzgebieten. Auerhuhnprojekt - Raubwildbejagung Im Rahmen des Prädatorenmanagements waren auch im Jahr 2019 bis zu 70 Fallensysteme im Einsatz. Die Zahl der aktivierten Fallen schwankte im Jahresverlauf. Vor dem Hintergrund intensiver öffentlicher Diskussion um die Fallenjagd ist sichergestellt, dass diese Fallen höchsten Ansprüchen des Tierschutzes und der modernen Fallenjagd genügen. Bei den Fal- lensystemen handelt es sich ausschließlich um Lebendfangsysteme. Sie werden außerdem im Vorfeld der Scharfstellung durch Fotokameras überwacht, um Fehlfänge von besonders geschützten Tierarten (u.a. Wildkatze) oder gefährdeten Arten (z.B. Baummarder) auszu- schließen. Alle Fallensysteme sind mit Fangmeldern ausgestattet. Der Einsatz dieser techni- schen Hilfen macht tägliche Kontrollen an den Fallen überflüssig, somit wird keine menschli- che Witterung hinterlassen und die Effektivität der Fallen erhöht. Seit 2016 werden im Rahmen des Projektes auch einzelne Revierpächter in angrenzenden Pachtrevieren von den Berufsjägern mit eingebunden. Ihnen werden Fallen als Leihgabe übergegeben. Sofern sich weitere Interessenten finden, soll diese Leihe und die Beratung zur 10
Durchführung anderer Bejagungsformen (z.B. gemeinsame Gruppenansitze), in Zukunft noch erweitert werden. Bisher sind bis zu 15 Fallensysteme bei privaten Jägern im Einsatz. Damit wird durch das Prädatorenmanagement aktuell eine Fläche von bis zu 3.500 ha abgedeckt. Zusätzlich zu den Lebendfangfallen ist es zielführend, bestimmte Schwerpunktgebiete (Po- tenzialgebiete) mit Kunstbauen zu bejagen. Derzeit sind 14 Stück in den Projektforstämtern im Einsatz. Sie bringen während der Herbst- und Wintermonate ebenso gute Streckenergeb- nisse wie die im Einsatz befindlichen Kofferfallen. Kunstbaue können tierschutzgerecht und effektiv bejagt werden. In diesem Zusammenhang wäre eine noch intensivere Einbindung privater Jäger und Begehungsscheininhaber bei Interesse durchaus wünschenswert. Im Jahr 2019 wurden in den Forstämter Neuhaus, Gehren und Sonneberg insgesamt 55 Stück Raubwild, davon der Großteil im Rahmen der Fallenjagd, erlegt. In einigen Pachtrevie- ren fand eine intensive Beteiligung von privaten Jägern an der Prädatorenbejagung statt. Hier kamen 25 Stück Raubwild zur Strecke, was die Gesamtstrecke im Jagdjahr 2019 auf 70 Stück Raubwild erhöht (2018: 180 Stück). Im Jahr 2019 wurden im Gebiet des Langen Berges (Forstamt Gehren) 5 neue Fallensysteme in Betrieb genommen. Weiterhin werden die bejag- ten Gebiete ständig aktualisiert und den Ergebnissen des Monitorings angepasst, um sicher zu stellen, dass Raubwild möglichst gezielt in Auerhuhn Kern-Habitaten bejagt wird. Die Ein- bindung externer Jäger ist eine wichtige Ergänzung zur effizienten und flächendeckenden Bejagung. Das im Jahr 2017 gestartete das Projekt „Fellwechsel“ lief auch 2019 weiter (nähere Infor- mationen unter www.fellwechsel.org). ThüringenForst stellt hierbei gemeldete Sammelstel- len für erlegtes Raubwild bereit. Im Jahr 2019 wurden 20 Stück Raubwild von privaten Jägern für das „Fellwechsel“ Projekt eingereicht. Der Habicht gilt als größte Gefahr für die jungen Auerhühner. Aufgrund mehrerer Auerhuhn- verluste an den Auswilderungsvolieren durch Habichte, wurde für 2019 eine Sondergeneh- migung der unteren Naturschutzbehörde zu Fang und Umsiedlung von Habichten, speziell an den „Born to be free“-Auswilderungsvolieren, erteilt. Es wurden 2 Habichte gefangen und in den Harz umgesiedelt. Der Fang und Transport wurde von einem fachkundigen Team (erfah- rene Falkner und Jäger) durchgeführt und die Tiere konnten nach kurzer Fahrt wieder in die Freiheit entlassen werden. 11
Abbildung 8: Prädatoren links: Reste eines durch den Fuchs gerissen Junghahns Mitte: stillgelegte Kastenfalle mit elektro- nischem Fangmelder rechts: eingebauter und gut eingewachsener Kunstbau am Forstamt Gehren (Fotos: Dr. S. Klaus, E. Stengeli) Mit der Umsetzung des Prädatorenmanagements kann eine lokale Absenkung des Raubwild- bestandes erreicht werden. Jedoch können mit diesen personal- und kostenintensiven Maß- nahmen nur Effekte auf Revierebene und konzentriert auf die Auswilderungsgebiete erwirkt werden. Die Konzeption und Flächenabdeckung des Prädatorenmanagements muss jährlich geprüft und angepasst werden. Aus Kosten- und Personalgründen ist eine Erweiterung der- zeit nicht realisierbar. Auch die Entwicklung der Schalenwilddichten darf in Auerhuhngebie- ten nicht außer Acht gelassen werden. Extremer Verbiss an Heidel- und Preiselbeere, vor allem durch stark überhöhte Rotwildbestände, führt zu erheblichen Verlusten an Deckung und Sommeräsung für das Auerhuhn und somit zu gravierenden Verschlechterungen des Lebensraumes. Schwarzwild, wenn es sich häufig bzw. in hoher Dichte in potentiellen Brut- und Aufzuchtgebieten des Auerhuhns aufhält, wird sogar unmittelbar als Räuber für Eier und Küken gefährlich. 12
Auerhuhnprojekt: Ausblick Derzeit (Frühjahr 2020) befinden sich die Auerhühner in der Balz, daher kann der Verlauf der Nachzucht in der Station noch nicht eingeschätzt werden. Aufgrund der für Auerhühner gu- ten Witterungsbedingungen im letzten Halbjahr 2019 und bisherigen Jahresverlauf kann von einer guten Ausgangssituation ausgegangen werden. Die mit dem Wetter aber auch einher- gehende Trockenheit und notwendigen Forst Einsätze zur Bekämpfung des Borkenkäfers können jedoch zu Störungen in den Balzgebieten im Frühjahr 2020 führen. Störungen in den Kerngebieten - besonders in sensiblen Zeiten wie der Balz - sollten unbedingt vermieden werden. Eine Erhöhung der Wildfang- und Auswilderungszahlen ist dringend anzustreben, um die zahlenmäßig noch geringe Population zu stabilisieren. 13
Haselhuhnprojekt Im Folgenden ein Beitrag von Dr. Siegfried Klaus und Hartmuth Hoffmann zur aktuellen Situ- ation des Haselhuhn-Projekts: Kurzbericht zum Haselhuhn-Projekt im Thüringer Frankenwald 2018-2019 Seit 2001 wurden im Thüringer Teil des Frankenwaldes im Rahmen des Haselhuhn- Wiederansiedlungsprojekts der Prinz Reuß‘schen Forstverwaltung und von Thüringenforst 226 Tiere ausgewildert. Eine Umgestaltung des Lebensraumes von Fichtenforsten hin zu gut strukturierten, gestuften Haselhuhn-Lebensräumen mit hohem Anteil an Laub- (Buche, Berg- ahorn) und Pionierbaumarten (Eberesche, Birken Espe, Weidenarten) hat auch positive Effek- te für Insektenarten, Lurche, Reptilien und streng geschützte Vogelarten des Anhang I der EG- Vogelschutzrichtlinie. Seit 2011 gelangen drei Brutnachweis der Haselhühner. Der folgende Kurzbericht fasst den Projektstand für die Jahre 2018 und 2019 zusammen. Stützung der Population Die Zahl der im Projektverlauf ausgesetzten Haselhühner beläuft sich auf 226. Im Jahresmit- tel wurden 12,6 Individuen bei einem leichten Überwiegen von Hähnen (53%) freigelassen. In den Jahren 2018 und 2019 wurden keine Haselhühner ausgesetzt, 2017 nur fünf, da be- reits seit 2015 die Fertilitäts- und Aufzuchtrate sinkt. Es besteht der Verdacht auf Inzucht- Depression im einzigen vorhanden Zuchtstamm, von dem auch tiergärtnerische Einrichtun- gen (z. B. Alpenzoo Innsbruck, Tierfreigelände im Nationalpark Bayerischer Wald) abhängen. Diese Vermutung wurde inzwischen durch molekulargenetische Analysen an der Universität Uppsala/Schweden bestätigt werden (J. Höglund, pers. Mitteilung). Ausdehnung des Projektgebiets Eine Ausdehnung des Projektgebiets in das Nachbarforstamt von Thüringenforst wurden bereits 2016 realisiert. Der Erweiterungsraum wurde u.a. durch vorhandene Kyrillflächen zu 30-40% bereits als „haselhuhntauglich“ eingestuft. Darüber hinaus wurde ein Projekt zur Bergbach-Renaturierung abgeschlossen (Entfichtung, Pflanzen von Erlen), das neben dem Haselhuhn zahlreiche streng geschützten Arten wie Schwarzstorch, Wasseramsel, Gebirgs- stelze, Otter, Amphibien und Wirbellosen fördern soll. Auch die Lebensraumvernetzung ent- lang der Fließgewässer wird dadurch optimiert. 14
Monitoring Haselhuhn-Beobachtungen in Jahren ohne Freilassung sind von besonderem Wert, da sie längeres Überleben belegen, bzw. auch bei den relativ kurzlebigen Haselhühnern erfolgte Reproduktion vermuten lassen. So gelangen von April bis Oktober 2018 Zufallsbeobachtun- gen, darunter sogar zwei Paarbeobachtung, eine davon in der Brutzeit im Juni. 2019 gelang eine Einzelbeobachtung im Juni und eine Paarbeobachtung am 4. Oktober 2019. Ein einzel- nes Haselhuhn wurde im September 2019 im bayerischen Nachbarrevier gesichtet. Das Thü- ringer Vorkommen strahlt bekanntlich schon seit 2010 über die Grenze in den bayerischen Anteil des Frankenwalds aus. Drei frühere Brutnachweise wurden von dort gemeldet. Das im Auftrag des Bayerischen Landesumweltamtes erfolgte Monitoring durch Dr. Ralf Siano im Frühjahr 2019 (12.4.-1.5.) auf festgelegten Routen ergab einen Nachweis einen km von den Thüringer Aussetzungsorten entfernt auf bayerischer Seite. In Thüringen erfolgte das Moni- toring durch den gleichen Gutachter nach o.g. Methodik im Auftrag von ThüringenForst auf vier Routen. Es gelangen hier drei indirekte Nachweise durch Huderpfannen. Das Monitoring sollte auch 2020 weitergeführt werden. Dr. Jähne, Vogelschutzwarte Seebach als Außenstel- le der TLUBN, hat Unterstützung signalisiert. Ausblick Die neu gegründete kleine Population ist noch nicht stabil. Das Projekt sollte mit erhöhter Zahl naturnah gezüchteter Tiere weitergeführt werden, sobald der Neuaufbau eines Zucht- stammes gelingt. Die Kerngebiete der Aussetzung bedürfen dringend der Beruhigung in den sensiblen Jahreszeiten. Das Routenmonitoring unter standardisierten Bedingungen (Dr. R. Siano) sollte weitergeführt werden. Eine Ausweitung des Kontrollraumes erscheint hierbei ebenfalls zielführend, da einzelne Haselhühner inzwischen bis zu 10 km entfernt nachgewie- sen werden konnten. Eine gezielte Raubwildbejagung zur Senkung des Beutegreiferdrucks auf das Haselhuhn wäre dringend notwendig. Entlang des Grünen Bandes sollte der hohe Anteil an Pionierbaumarten in den sonst fichtendominierten Forsten unbedingt erhalten, bzw. gefördert werden. Bei der Entfichtung an Bergbächen dürfen keine durchgängigen „Jagdschneisen“ für den Habicht, dem effektivsten Beutegreifer des Haselhuhns, entstehen, d.h., es sind abschnittsweise Deckungsbereiche am Fließgewässer zu belassen. Ende des Berichts. 15
Haselhuhn – Monitoring 2019 Wie im obigen Bericht bereits erwähnt, erfolgte im Frühjahr 2019 im Auftrag der Bayeri- schen Vogelschutzwarte in Garmisch eine Haselhuhnkartierung. Der Spezialisten Dr. Ralf Siano war hierfür auf festgelegten Routen u.a. im bayerischen und im Auftrag von Thürin- genforst auch im thüringischen Teil des Frankenwaldes unterwegs (besonders in den Orten mit Reproduktionsnachweisen). Das Haselhuhn galt vermutlich bereits im 19. Jahrhundert in diesem Gebiet als ausgestorben. Eine natürliche Neuansiedelung war aufgrund der weit entfernt liegenden möglichen Quell- populationen nicht zu erwarten. Daher war die Wiederansiedlung letztendlich die einzige Möglichkeit, das Haselhuhn wieder im ursprünglichen Gebiet heimisch zu machen. Insge- samt wurden seit 2001 in geeigneten Lebensräumen des Thüringer Frankenwaldes wieder 226 Zucht- und Wildvögel freigelassen (Stand 2019). Dies geschah in Verbindung mit Lebens- raumoptimierungsmaßnahmen und unter Beachtung der IUCN-Vorgaben für Wiederansied- lungsprojekte. Um eine adäquate Kontrolle der durchgeführten Maßnahmen zu ermögli- chen, wurden Monitoringmaßnahmen in den Gebieten durchgeführt Das Verbreitungsgebiet ist zugehörig zum Naturraum „Hohes Thüringer Schiefergebirge- Frankenwald“ und erstreckt sich über ca. 3.300 Hektar. Hier wurden im März und April 2019 insgesamt 4 Transekte mit einer Gesamtlänge von über 30 Kilometern abgegangen und nach direkten und indirekten Haselhuhn Nachweisen abgesucht. Trotz der Erfahrung des Erfassers und des Einsatzes von Lockpfeifen zur Animation der Hähne (Gesang des territorialen Hah- nes soll provoziert werden), blieben direkte Nachweise im gesamten untersuchten Gebiet aus. Es gab jedoch drei indirekte Hinweise durch Huderpfannen sowie einige direkte Hasel- huhn-Sichtungen, die allerdings nicht durch Hinweise wie Losung oder Federn bestätigt wer- den konnten. Des Weiteren wurden gezielt angelegte Kiesschüttungen mit Wildkameras ausgestattet und zusätzlich stichprobenartig die Flächen begangen. Auch diese Bemühungen blieben ohne direkten Haselhuhn Nachweis. Gemeinsam mit den in den Vorjahren zusam- mengetragenen Daten, sowie einem Sichtnachweis im Bayerischen Teil des Untersuchungs- gebiets, weist vieles auf Haselhühnern im Gebiet hin – jedoch handelt es sich wohl um die Präsenz weniger Einzelindividuen. Diese geringe Anzahl von Hinweisen lässt, laut Dr. Siano, keine Bestandes-Schätzung zu. Da seit 2017 jedoch keine Haselhühner mehr ausgewildert wurden, sind die Nachweise 2019 besonders wertvoll. Sie lassen ein längeres Überleben bzw. eine erfolgreiche Reproduktion der relativ kurzlebigen Haselhühner vermuten. 16
. Abbildungen 9: Haselhuhn Lebensraum links: Haselhahn; rechts: optimaler Haselhuhn Lebensraum, Grünes Band (Fotos: Dr. S. Klaus) Haselhuhn - Ausblick Um einen Fortbestand der Haselhuhn Population dauerhaft zu sichern, wäre die Auswilde- rung von Wildfängen oder naturnah gezüchteten Tieren nötig. Das Hauptproblem liegt je- doch in den geringen Aufzuchterfolgen, welche durch extrem geringe Fertilität und geringe Schlupfresultate seit 2015 bedingt sind. Es besteht der begründete Verdacht auf Inzucht- Depression, da alle Haselhuhnzuchtbestände (auch tiergärtnerische Einrichtungen z. B. das Tierfreigelände des Nationalparks Bayerischer Wald, der Alpenzoo Innsbruck) vom selben Zuchtstamm abhängen. Der Aufbau eines neuen Zuchstamms wäre ein wichtiger Schritt zur Stabilisierung der Haselhuhnpopulation. Eine Einschätzung der Lebensraumqualität und Untersuchung von möglichen weiteren Po- tenziellen Verbreitungsgebieten wird empfohlen. Die im vorhergehenden Bericht beschrie- bene Lebensraumoptimierung dient jedoch auch vielen weiteren streng geschützten Arten im SPA-Gebiet. Die Kerngebiete der Aussetzung bedürfen dringend der Beruhigung in den sensiblen Jahreszeiten. Des Weiteren wäre eine gezielte Raubwildbejagung in den Gebieten auch dort dringend zu wünschen. 17
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