Emissionsfreie Energie- und Antriebskonzepte für Stadtbusse zur Umsetzung der europäischen Clean Vehicles Directive
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Emissionsfreie Energie- und Antriebskonzepte für Stadtbusse zur Umsetzung der europäischen Clean Vehicles Directive
Impressum Auftraggeber Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (VDV) Kamekestraße 37–39 · 50672 Köln T 0221 57979-0 · F 0221 57979-8000 info@vdv.de · www.vdv.de Berichtsdatum 20.02.2020 Im Namen der Sphera Solutions GmbH (ehemals thinkstep AG) und ihrer Tochtergesellschaften Bericht erstellt von Dr. Michael Faltenbacher ∙ Mfaltenbacher@sphera.com Stefan Kupferschmid ∙ T 0711 341817-29 Qualitätsgeprüft von Markus Wiedemann ∙ Stuttgarter Straßenbahnen AG Martin Schmidt ∙ Vestische Straßenbahnen GmbH Minh-Thuy Truong ∙ Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) @DieVerkehrsunternehmen @VDV_Verband app.vdv.de Dieser Bericht wurde von Sphera Solutions GmbH mit der angemessenen Sachkompetenz und Sorg- falt unter den im Vertrag zwischen Sphera Solutions GmbH und dem Kunden vereinbarten Bedingun- gen angefertigt. Sphera Solutions GmbH ist weder dem Kunden noch anderen Parteien gegenüber ver- antwortlich in Bezug auf Angelegenheiten, die den für das Projekt vereinbarten Rahmen überschreiten. Ungeachtet jedweder Vertraulichkeit des Berichts übernimmt Sphera Solutions GmbH keinerlei Verant- wortung gegenüber Dritten, denen dieser Report (oder Teile davon) zugänglich gemacht wird. Solche Par- teien stützen sich auf eigenes Risiko auf den Bericht. Interpretationen, Analysen oder Aussagen jedwe- der Art durch Dritte liegen außerhalb von Sphera Solutions GmbH Verantwortungsbereich. Sollten Sie Anregungen, Beschwerden oder sonstiges Feedback, diesen Bericht betreffend, haben, wenden Sie sich bitte an servicequality@sphera.com.
Inhalt 1 Zusammenfassung 4 2 Einleitung 8 3 Überblick zur Clean Vehicles Directive (CVD) 9 3.1 Vorgaben der Clean Vehicles Directive 9 3.2 Geltungsbereich der Clean Vehicles Directive 10 4 Fahrzeuge 11 4.1 Antriebskonzepte 11 4.1.1 Übersicht emissionsfreie Fahrzeuge 11 4.1.2 Technische Charakteristika 13 4.2 Reichweite und Energiebedarf 14 5 Energieinfrastruktur 18 5.1 Energieversorgungskonzepte 18 5.2 Lade- und Stromversorgungsinfrastruktur 20 5.3 Wasserstoffinfrastruktur 22 5.4 Auslegung der Infrastruktur 24 5.4.1 Batterieelektrische Busse mit Depotladung 25 5.4.2 Batterieelektrische Busse mit Gelegenheitsladung an der Strecke 27 5.4.3 Oberleitungsbusse 28 5.4.4 Wasserstoffangetriebene Busse mit Brennstoffzelle oder H2-Verbrennungsmotor 29 5.4.5 Batterieelektrische Busse mit Brennstoffzelle als Range Extender 30 5.5 Ausbauplanung 31 6 Betriebliche Aspekte 32 6.1 Energieversorgung, Einsatzplanung 32 6.2 Wartung 32 6.3 Werkstattanpassung 34 6.4 Mitarbeiter/innen Qualifikation 35 7 Kosten 36 8 Umwelteffekte 39 8.1 Emissionen der Energieträgerbereitstellung 40 8.1.1 Elektrizität 40 8.1.2 Wasserstoff 41 8.2 Ganzheitliche Bewertung, Lebenszyklusanalyse 41 9 Weiterführende Informationen 44 9.1 Arbeitsgruppe „Innovative Antriebe Bus“ der Bundesministerien BMU und BMVI 44 9.2 Planung 44 9.3 Genehmigung 46 9.3.1 Stromversorgungsinfrastruktur 46 9.3.2 Wasserstoffinfrastruktur 46 9.4 Weiterführende Literatur 47 Literaturverzeichnis 48 Abbildungsverzeichnis 49
1 Zusammenfassung Der vorliegende Leitfaden soll anhand der zusam- Emissionsfreie Fahrzeuge sind in der CVD als mengestellten Informationen die Verkehrsunter- Fahrzeuge definiert, die mit Strom oder Wasser- nehmen bei der Umsetzung der Neufassung der stoff betrieben werden, und gehören ebenfalls laut Clean Vehicles Directive (CVD, Richtlinie (EU) CVD zu den „sauberen“ Fahrzeugen2. Auf „saubere“ 2019/1161) der EU-Kommission unterstützen. Fahrzeuge wird im Rahmen der Schrift kurz ein- Durch die CVD werden länderspezifisch Beschaf- gegangen, der Fokus liegt jedoch auf den „emissi- fungsquoten1 umweltfreundlicher Busse vorgege- onsfreien“ Fahrzeugen. Entsprechend der Defini- ben, die jeder EU-Mitgliedstaat umzusetzen hat. tion der CVD gelten folgende fünf Fahrzeugtypen Diese gelten dabei für alle Fahrzeuge, die im Rah- als „emissionsfreie“ Fahrzeuge und werden daher men einer von der öffentlichen Hand vergebenen näher betrachtet: Verkehrsleistung im Nahverkehr beschafft werden. Die CVD hat damit sowohl für öffentlichen Auf- — Batterieelektrische Busse (BEV) mit Depot- traggeber und Auftragnehmer (z. B. Busbetriebe in ladung mehrheitlich kommunalem Besitz) als auch für pri- vate Auftragnehmer (u. a. privatwirtschaftliche — Batterieelektrische Busse (BEV) mit Unternehmen, die eine Verkehrsleistung für den Gelegenheitsladung Nahverkehr erbringen) Relevanz. Reisebusse (M3, Klasse III) und Überlandbusse (M3, Klasse II) sind — Oberleitungsbusse (Obus ohne verbrennungs- explizit von der CVD ausgenommen. motorisch betriebenen Range Extender) Nach Inkrafttreten der CVD zum 2. August 2021 — Wasserstoffbetriebene Brennstoffzellenbusse bis Ende 2025 müssen bundesweit mind. 45 Pro- (BZ) entweder mit BZ als Hauptenergiequelle zent der insgesamt in diesem Zeitraum im Rahmen oder als zusätzliche Energiequelle für batterie- neu vergebener Beförderungsaufträge beschaff- elektrische Busse als Range Extender (BZ Rex) ten bzw. eingesetzten Fahrzeuge der Definition „Saubere Fahrzeuge“ entsprechen, die Hälfte davon — Wasserstoffbetriebene Busse mit Verbren- (mind. 22,5 Prozent) hat „emissionsfrei“ entspre- nungsmotor (H2 VM) chend der Definition der CVD zu sein. Ab 2026 bis Ende 2030 erhöhen sich diese Quoten auf 65 Die Fahrzeuge unterscheiden sich aufgrund der Prozent (bzw. 32,5 Prozent). Dies bedeutet jedoch Energiespeicherung im Fahrzeug und des Ener- nicht, dass alle Regionen und Verkehrsunterneh- gieversorgungskonzepts voneinander. Batte- men gleichermaßen von diesen Quoten betrof- rieelektrische Fahrzeuge mit Depotladung ver- fen sind. Dies hängt maßgeblich von der noch zu fügen über Hochvolt(HV)-Batterien mit einer erfolgenden Umsetzung der Richtlinie in nationa- typischen Kapazität von 200 bis zu ca. 500 Kilo- les Recht ab. wattstunden (kWh), was etwa für eine Reichweite von 100-240 Kilometer – je nach Einsatzbedin- 100 % gung – ausreichend ist. Sie werden über Nacht auf 22,5% dem Betriebshof aufgeladen. Fahrzeuge mit Gele- 32,5 % 80 genheitsladung werden entlang der Strecke gela- den, beispielsweise an Endhaltestellen, und verfü- 60 22,5% gen aufgrund dessen meist nur über geringe Bat- 32,5 % teriekapazitäten (< 150 kWh). Obusse beziehen den 100% notwendigen Fahrstrom direkt aus einer Ober- 40 leitungsinfrastruktur und werden dynamisch im 55,0% Betrieb aufgeladen. Kürzere Strecken ohne Ober- 20 leitung können über eine zusätzliche HV-Batte- 35,0 % rie an Bord oder über eine Brennstoffzelle zurück- 0 gelegt werden. Brennstoffzellenfahrzeuge bzw. bis 01.08.2021 bis 31.12.2025 bis 31.12.2030 Fahrzeuge mit H2-Verbrennungsmotor verwenden konventionelle saubere emissionsfreie gasförmigen Wasserstoff als Energieträger. Der Fahrzeuge Fahrzeuge Fahrzeuge Betankungsvorgang ist mit dem eines CNG-Busses 1 Z.B. im Rahmen direkter Beschaffung von Fahrzeugen, z. B. durch kommunale Verkehrsunternehmen 2 Zur Gruppe der „Sauberen Fahrzeuge“ laut CVD gehören: Diesel-Plug-in-Hybride sowie Fahrzeuge, die mit alternativen Kraftstof- fen betrieben werden. Dies umfasst Elektrizität, Wasserstoff, Biokraftstoffe, synthetische und paraffinhaltige Kraftstoffe, Erdgas und Flüssiggas (Details siehe (Europäische Union, 2019) 4 Emissionsfreie Energie- und Antriebskonzepte für Stadtbusse zur Umsetzung der europäischen Clean Vehicles Directive
1-1 | Überblick Umlauf- Fahrzeug- HVAC Ø Reisegeschw. Topografie Beladung über die Inhalte länge größe (Jahreszeit) (SORT-Zyklen) des Leifadens (Sphera) Energiebedarfsermittlung je Umlauf und für alle betrachteten Technologie Beispiel: BEV 12m-Solofahrzeug 18m-Gelenkfahrzeug BEV: Bedarfsermittlung Umlaufbezogene Winter als Worstcase BZ: Sommer als Worstcase Ableitung notwendiger Speicherkapazitäten im Fahrzeug + ggf. notwendige Energieversorgung auf der Strecke Anzahl Fzg./ Standzeit Standzeit Versorgungs- Weitere Hochlaufplan Depot Strecke sicherheit ... der Infrastruktur Erstauslegung Technische Randbedingungen/Anforderungen für die Energieversorgungsinfrastruktur – Bedarf einer Strom- oder Wasserstoffinfrastruktur oder beides – Notwendige Anschlussleistung am Depot – Notwendige Anschlussleistung an dezidierten Haltestellen entlang der Strecke – Flächenbedarf der Infrastruktur – Wasserstoffspeicherbedarf Bisherige Netzreserven Erfahrungen Welche Fahrzeuge Betrieb: entscheidung Technologie- kommen in Frage? – Fzg.-Versorgung Betriebshof: Gegebenheiten – Betriebshof-MS des Grundstücks – Lade-MS etc. Welche Infrastruktur Klima-/Umweltschutz- wird benötigt? Ökonomische anforderungen Aspekte vergleichbar und kann innerhalb weniger Minu- Fahrzeugtechnologien erfolgen. Sie bildet die tech- ten durchgeführt werden. BZ-REX-Fahrzeuge nische Basis für die finale Technologieentschei- stellen im Prinzip eine Kombination aus BEV- und dung. Abbildung 1-1 zeigt diesen Prozess und gibt BZ-Fahrzeugen dar. Sie vereinen den effizienten einen Überblick über die Inhalte des Leitfadens. (batterieelektrischen) Antrieb mit einer größeren Neben der grundsätzlichen Vorgehensweise wird Reichweite (Wasserstoff), benötigen daher neben im Leitfaden zudem auf die möglichen Auswir- der Lade- auch eine H2-Betankungsinfrastruktur. kungen des Betriebs von emissionsfreien Fahr- Die Frage, welches Fahrzeug- und Energiever- zeugen auf den betrieblichen Ablauf sowie auf die sorgungskonzept für ein Verkehrsunternehmen notwendigen Mitarbeiterqualifikationsmaßnah- das passende ist, kann nicht pauschal beantwor- men eingegangen. tet werden. Der Leitfaden bietet eine struktu- rierte Vorgehensweise, um die wesentlichen Fra- Konventionelle Dieselbusse sind aufgrund ihrer gen beantworten zu können, die für eine Tech- hohen Reichweite sehr flexibel einsetzbar. Der nologieentscheidung für ein Fahrzeug- und Energiebedarf (Dieselverbrauch) eines einzelnen Energieversorgungskonzept relevant sind. Die Umlaufs war daher bisher kein einschränken- Basis für die Technologieentscheidung bildet in des Kriterium. Bei emissionsfreien Fahrzeugen aller Regel die umlaufbezogene Energiebedarfser- spielt der Energiebedarf für das notwendige Ener- mittlung. Kumuliert über alle Fahrzeuge und unter gieversorgungskonzept und die spätere Einsatz- Berücksichtigung von Standzeiten, Hochlaufplä- planung jedoch eine entscheidende Rolle und ist nen, Fragen der Versorgungssicherheit und weite- daher vorab so genau wie möglich zu bestimmen. ren Randbedingungen kann damit eine Erstaus- Je nach Umlaufzusammensetzung können sich legung der Infrastruktur für die verschiedenen verschiedene Fahrzeugkonzepte für verschiedene Emissionsfreie Energie- und Antriebskonzepte für Stadtbusse zur Umsetzung der europäischen Clean Vehicles Directive 5
Einsatzkontexte als passend herausstellen. Oberleitung zurückgelegt werden. Dies ist ins- Die Auslegung der Infrastruktur von BEV-Fahr- besondere bei städtebaulich sensiblen Strecken- zeugen ist dabei wesentlich von der vorhande- abschnitten (z. B. in denkmalgeschützten Altstäd- nen Standzeit und der gewünschten Flexibili- ten) relevant oder ermöglicht, die Erweiterung des tät abhängig. Als grobe Faustregel kann dabei der bedienbaren Streckennetzes ohne weitere kosten- Quotient der verbrauchten Energie3 (Kilowatt- intensive Oberleitungsinfrastruktur zu installieren. stunden) und der mindestens zur Verfügung ste- henden Standzeit verwendet werden. Dadurch Die Infrastruktur für Fahrzeuge mit Brennstoff- definiert sich die mindestens notwendige Lade- zellenantrieb besteht aus einer Wasserstofftank- leistung (Kilowatt), um dieses Fahrzeug wieder stelle und gegebenenfalls einer Vor-Ort-Erzeugung ausreichend aufzuladen. Dies gilt sowohl für die des Wasserstoffs, z. B. über eine Wasserelektro- Depot- als auch für die Gelegenheitsladung an der lyse unter Einsatz möglichst erneuerbaren Stroms. Strecke. Für Letztere müssen aufgrund der meist Auch hier ist die Ermittlung des Energiebedarfs kurzen Standzeit (beispielsweise an Endhalte- der Umläufe ausschlaggebend für die Auslegung stellen der Linie) hohe Ladeleistungen vorgesehen der H2-Speicherkapazität an Bord der Busse und werden. Diese liegen je nach Anwendung übli- damit unmittelbar verknüpft die Auslegung der cherweise im Bereich 200-450 kW. Grundsätzlich H2-Tankstelle. Der gesamte tägliche Wasserstoff- sind hier entsprechende Sicherheiten mit einzu- bedarf der Flotte im Worst Case (bei BZ-Fahrzeu- planen. Je nach Flottengröße kann die notwen- gen ist dies meist der Sommerbetrieb) definiert dige Anschlussleistung am Betriebshof schnell in die notwendige H2-Speichermenge. Hier hat sich den Megawatt-Bereich ansteigen. Der Netzanbin- eine Zwei-Tages-Bevorratung als guter Kompro- dung und dem Aufbau der passenden Stromver- miss zwischen Versorgungssicherheit und Wirt- sorgungsinfrastruktur kommt dabei eine beson- schaftlichkeit erwiesen. Damit alle Fahrzeuge in dere Rolle zu. Hier gilt es bereits vorab, den lokalen einem gewünschten Zeitfenster betankt werden Netzbetreiber mit einzubinden. Dadurch können können, ist dieH2-Tankstelle hinsichtlich Druck- zum einen die teils sehr hohen Anschlusskosten speicherkapazitäten und Kompressionsleis- bestmöglich reduziert werden, zum anderen können tung entsprechend ausreichend zu dimensionie- mögliche Restriktionen beispielsweise hinsichtlich ren. Der Anschluss an eine bestehende H2-Pipe- der vorhandenen Netzreserve frühzeitig erkannt line bietet ideale Voraussetzungen und reduziert werden und gegebenenfalls erforderliche Netzer- die Speicherkapazität sowie den H2-Transport tüchtigungsmaßnahmen identifiziert werden. auf der Straße. Für BZ-REX Fahrzeuge ist sowohl eine Ladeinfrastruktur als auch eine Betankungs- Oberleitungsbusse sind aktuell in drei deut- infrastruktur vorzuhalten. Die grundsätzlichen schen Städten zu finden4, die Technologie eignet Aspekte sind dabei vergleichbar mit denen der BZ- sich grundsätzlich jedoch genauso wie Batterie- Fahrzeuge (für H2) bzw. der BEV-Fahrzeuge mit busse und H2-/Brennstoffzellenbusse zur Erfül- Depotladung (Strom). lung der Vorgaben der CVD. Durch einen zusätz- 1-2 | H2-Tank- lichen Energiespeicher an Bord (HV-Batterie Wesentlich für den Erfolg einer neu einzuführen- stelle/Ladeinfra- oder Wasserstofftanks) können gewisse Strecken den Antriebstechnologie ist zudem die Akzep- struktur (SSB) (üblicherweise mindestens 10-15 km) auch ohne tanz der Mitarbeiter. Sie sind im täglichen Betrieb mit den Fahrzeugen und den damit verbundenen Implikationen konfrontiert. Der Betrieb emissi- onsfreier Fahrzeuge hat Einfluss auf die Versor- gung der Fahrzeuge, den betrieblichen Ablauf auf Linie und im Depot, die Einsatzplanung, die War- tung der Fahrzeuge und den Werkstattbetrieb. Entsprechende Einweisungen und die umfassende Ausbildung der betroffenen Mitarbeiter und Mit- arbeiterinnen sind dabei unerlässlich. Die Umstellung von konventionellen, (meist) die- selbetriebenen Fahrzeugflotten stellt die meisten Busbetriebe zudem vor ökonomische Herausforde- rungen. Die Kosten für die Energieversorgungsin- frastruktur (inkl. Netzanbindung, Transformator) müssen ebenso gestemmt werden wie die aktuell noch höheren Fahrzeugkosten. Wesentliche 3 Neben der benötigten Antriebsenergie hat das Heizungs- und Klimatisierungskonzept des batterieelektrischen Busses gerade an warmen bzw. kalten Tagen einen wesentlichen Einfluss auf den Energieverbrauch eines batterieelektrischen Busses. Wird im Sinne eines vollständig elektrischen Antriebskonzeptes die Heizleistung für Fahrerarbeitsplatz und Fahrgastraum elektrisch erbracht, verringert sich die Reichweite an kalten Tagen um bis zu 50 Prozent. 4 Esslingen, Eberswalde und Solingen. Zudem gibt es aktuelle Diskussionen zum Test von Oberleitungsbussen in Berlin-Spandau. 6 Emissionsfreie Energie- und Antriebskonzepte für Stadtbusse zur Umsetzung der europäischen Clean Vehicles Directive
1 %2 % 1.000 t CO2e 13,7 % Diesel 800 - 15 % 7,2% Biomasse 14,6 % 3,2% Wasser 600 33,5 % - 77 % - 85 % 16,8% Wind 400 23,3 % 200 6,3 % PV 0 12,1 % konventioneller EE- PV Wind Strommix Strommix Kernenergie Braunkohle Steinkohle Erdgas Heizöl und Sonstige Siedlungsabfälle Herstellung Betrieb (inkl. Strombereitstellung) 1-3 | Darstellung des deutschen Strommixes im Jahr 2017 (links) sowie Treibhausgasemissionen über den Lebenszyklus eines batterieelektrischen 12-m-Fahrzeugs im Vergleich zum Dieselbus (rechts) (Sphera) Aspekte sind weiterhin die Wartungskosten entstehen. Es zeigt sich, dass unter Berücksich- (begrenzte Lebensdauer von Batterien und Brenn- tigung des gesamten Lebenszyklus der Fahrzeuge stoffzelle) sowie die Kosten für die Energieträger (Well-to-Wheel) inkl. Herstellung und Entsor- Strom und Wasserstoff. Pauschalisierte Aussagen gung deutliche Treibhausgaseinsparungen mög- zu den Mehrkosten emissionsfreier Fahrzeuge im lich sind, sofern regenerativ erzeugter Strom bzw. Vergleich zu Dieselfahrzeugen sind aufgrund der Wasserstoff genutzt wird (beispielhaft dargestellt hohen Dynamik am Markt und der spezifischen in der folgenden Abbildung für ein batterieelektri- Anforderungen der verschiedenen Verkehrsbe- sches 12-m-Fahrzeug). triebe nicht seriös möglich, sondern sind jeweils für den betrachteten Verkehrsbetrieb individuell Über den Lebenszyklus eines Dieselbusses werden zu ermitteln. etwa 900 Tonnen Treibhausgase (in CO2e) ausge- stoßen (inkl. Herstellung und Recycling des Fahr- Der Beitrag (lokal) „emissionsfreier“ Fahrzeuge für zeugs sowie Bereitstellung und Verbrennung des die Luftqualität in den Städten ist unbestritten. Dieselkraftstoffs). Wird ein batterieelektrisches Die Fahrzeuge stoßen im Betrieb keine Schad- und Fahrzeug mit dem aktuellen Strommix geladen, Treibhausgasemissionen aus. Um eine ganzheitli- lassen sich bei gleicher Fahrleistung nur rela- che Betrachtung – speziell der Klimaauswirkun- tiv geringe CO2e-Einsparungen (ca. -15 Prozent) gen – emissionsfreier Fahrzeuge durchführen zu gegenüber dem Dieselfahrzeug erzielen. Wesent- können, hilft das Instrument der Ökobilanz. Dabei lich höher fällt die Einsparung bei der Verwendung werden die Emissionen der Fahrzeugherstellung von regenerativ erzeugtem Strom aus (bis zu knapp ebenso mitberücksichtigt wie die Emissionen, 80 Prozent). die bei der Erzeugung von Strom und Wasserstoff Emissionsfreie Energie- und Antriebskonzepte für Stadtbusse zur Umsetzung der europäischen Clean Vehicles Directive 7
2 Einleitung Mit Inkrafttreten der Clean Vehicles Directive Während die in der CVD definierten sauberen (CVD) der Europäischen Union werden erstmals Fahrzeuge aus betrieblicher Sicht in der Regel verbindliche Fahrzeugbeschaffungsquoten für die mit konventionellen Dieselfahrzeugen vergleich- Aufträge der öffentlichen Hand festgelegt. Ziel der bar sind und mit bestehender Versorgungsinf- Richtlinie ist es, den Markt für saubere und emis- rastruktur betrieben werden können, ist dies bei sionsfreie Fahrzeuge durch öffentliche Beauftra- den „emissionsfreien“ Fahrzeugen, d. h. batterie- gungen zu stimulieren und dadurch die Wettbe- elektrischen bzw. Wasserstofffahrzeugen nicht werbsfähigkeit der Europäischen Union in diesem der Fall. Den Vorteilen des lokal emissionsfreien Segment zu stärken und gleichzeitig die Schad- Betriebs stehen Herausforderungen technischer stoff- und Treibhausgasemissionen des ÖPNV und betrieblicher Art gegenüber. Die Infrastruk- weiter zu reduzieren. Die CVD umfasst neben tur zur Versorgung der Fahrzeuge mit der notwen- den Beschaffungsquoten für leichte und schwere digen Energie (Wasserstoff oder Strom) ist vor Ort Nutzfahrzeuge auch Beschaffungsquoten für zu installieren, und die Betriebsabläufe sind aller Busse. Für Letztere wird zwischen „sauberen“ und Voraussicht nach zumindest in Teilen anzupassen. „emissionsfreien“ Fahrzeugen unterschieden, die zu gesetzlich vorgegeben Anteilen beschafft wer- Der vorliegende Leitfaden richtet sich an Aufga- den müssen, wobei die Anteile ab Inkrafttreten benträger und Busbetreiber und soll sie bei der zum 2. August 2021 bzw. ab Januar 2026 nochmals Umsetzung der Clean Vehicles Directive unter- erhöht werden (siehe Kapitel 3). Emissionsfreie stützen. Hierzu werden die verschiedenen Fahr- Fahrzeuge umfassen im Sinne der CVD Fahrzeuge zeugkonzepte beschrieben und erläutert, wie die mit Batterie- oder Wasserstoffantrieb. Die Richt- notwendige Infrastruktur für diese Fahrzeug- linie gilt für Verkehrsunternehmen, die Perso- konzepte auszulegen ist. Des Weiteren werden nenbeförderungsleistungen im ÖPNV erbringen. betriebliche Aspekte wie Energieversorgung und Dies bedeutet jedoch nicht, dass alle Regionen und erforderliche Anpassungen der Werkstatt behan- Verkehrsunternehmen gleichermaßen von diesen delt, der Schulungsbedarf für Mitarbeiter und Kos- Quoten betroffen sind. Dies hängt maßgeblich von tenparameter umrissen sowie auf die zu erwarte- der noch zu erfolgenden Umsetzung der Richtlinie ten Umweltentlastungen eingegangen. in nationales Recht ab. 8 Emissionsfreie Energie- und Antriebskonzepte für Stadtbusse zur Umsetzung der europäischen Clean Vehicles Directive
3 Überblick zur Clean Vehicles Directive (CVD) Die Clean Vehicles Directive der EU-Kommis- 100 % sion hat sich zum Ziel gesetzt, die Emissionen des 22,5 % Transportsektors zu reduzieren, indem Fahrzeug- 80 32,5% Beschaffungsquoten für Aufträge der öffentli- chen Hand festgelegt werden. Für die verschie- 22,5 % 60 denen EU-Länder gelten dabei – abhängig von 32,5% ihrem Bruttoinlandsprodukt – verbindliche 100% Beschaffungsquoten für saubere bzw. emissions- 40 freie Fahrzeuge für Verkehrsbetriebe. Die Ver- 55,0 % abschiedung erfolgte durch den Rat der Europä- 20 35,0% ischen Union und wurde im Amtsblatt der EU am 12.07.2019 veröffentlicht. Die Umsetzung in natio- 0 nales Recht muss innerhalb von 24 Monaten erfol- bis 01.08.2021 bis 31.12.2025 bis 31.12.2030 gen. Der erste Referenzzeitraum für die Beschaf- konventionelle saubere emissionsfreie fungsquote beginnt am 02.08.2021. Fahrzeuge Fahrzeuge Fahrzeuge 3-1 | Beschaffungsquoten sauberer und emissionsfreier 3.1 Vorgaben der Clean Vehicles Fahrzeuge, definiert in der CVD (EU-Richtlinie Directive 2019/1161) Die Einführung der Beschaffungsquoten für sau- Explizit ausgeschlossen aus dieser Definition sind bere bzw. emissionsfreie Fahrzeuge erfolgt in zwei Biokraftstoffe, bei denen ein hohes Risiko indi- Stufen. Ab Inkrafttreten der Richtlinie bis Ende rekter Landnutzungsänderungen zu beobachten ist 2025 müssen damit insgesamt 45 Prozent der (nach Artikel 26 der Richtlinie 2018/2001). Zudem neu beschafften Fahrzeuge „saubere“ Fahrzeuge dürfen flüssige Biokraftstoffe, synthetische und per Definition sein. Die Hälfte davon (22,5 Pro- paraffinhaltige Kraftstoffe nicht konventionellen zent) muss dabei mit „emissionsfreien“ Fahrzeu- fossilen Kraftstoffen beigemischt werden, d. h., sie gen abgedeckt werden. Ab 2026 erhöht sich dieser dürfen nur in reiner (100 Prozent) Form eingesetzt Wert auf 65 Prozent saubere Fahrzeuge und davon werden. Plug-in-Hybridbusse, die mit konventio- die Hälfte „emissionsfrei“. nellem Dieselkraftstoff betrieben werden, werden ebenfalls den „sauberen Fahrzeugen“ zugeordnet. Definition „Sauberes Fahrzeug“: Der Fokus dieser Schrift liegt auf den emissi- Ein Omnibus gilt als „sauberes Fahrzeug“, sofern onsfreien Fahrzeugen. Auf die in der Auflistung er mit alternativen Kraftstoffen, definiert nach genannten alternativen Kraftstoffe für saubere Artikel 2 (1) der Richtlinie 2014/94/EU betrie- Fahrzeuge sowie Plug-in-Hybridbusse wird hier ben wird. Demnach sind „alternative Kraftstoffe“ nicht näher eingegangen. Energiequellen, die zumindest teilweise als Ersatz für Erdöl als Energieträger für den Verkehrssektor Definition „Emissionsfreies Fahrzeug“: dienen und zur Reduzierung der CO2-Emissionen Die Kommission sieht ausschließlich Batterieelek- beitragen sowie die Umweltverträglichkeit des trische Busse und Wasserstoffbrennstoffzellen- Verkehrssektors erhöhen können. Hierzu zählen busse als „emissionsfreie Fahrzeuge“ an. Fahrzeuge unter anderem: mit Verbrennungsmotor werden zwar genannt, jedoch nur mit einem Grenzwert von 1 g/kWh CO2- — Elektrizität Ausstoß akzeptiert. Dieser Grenzwert ist nach — Wasserstoff heutigem Kenntnisstand mit kohlenstoffhalti- — Biokraftstoffe gemäß der Definition in Artikel 2 gen Kraftstoffen nicht darstellbar. Wird allerdings Buchstabe i der Richtlinie 2009/28/EG Wasserstoff als Kraftstoff in einem Verbrennungs- — Synthetische und paraffinhaltige Kraftstoffe motor eingesetzt, so kann dieser Grenzwert nach — Erdgas, einschließlich Biomethan, gasförmig eigenen Angaben der Entwickler solcher Motoren (komprimiertes Erdgas (CNG)) und flüssig (Flüs- eingehalten werden. sigerdgas (LNG)), und — Flüssiggas (LPG) Emissionsfreie Energie- und Antriebskonzepte für Stadtbusse zur Umsetzung der europäischen Clean Vehicles Directive 9
3.2 Geltungsbereich der Clean Vehicles Für die Umsetzung der EU-Richtlinie in nationa- Directive les Recht innerhalb eines Zeitraumes von 2 Jahren stehen dem Bundesverkehrsministerium gewisse Freiheiten zur Verfügung. So kann beispielsweise die durch die CVD vorgegebene nationale Quote Grundsätzlich gelten die oben genannten Quoten in regional unterschiedliche Quotenzuordnung in folgenden Fällen ab dem 2. August 2021: umgemünzt werden. Zudem motiviert die CVD die Mitgliedstaaten zur Auflage entsprechender För- — Fahrzeugbeschaffung öffentlicher Auftraggeber derprogramme, um die Belastung der Verkehrs- wie Städte, Kreise, Gemeinden usw. unternehmen zu minimieren. Preissteigerungen der ÖPNV-Tickets und Angebotsreduzierungen — Beschaffung von Fahrzeugen durch Verkehrs- durch die Investitionen in emissionsfreie bezie- unternehmen, die einen öffentlichen Dienstleis- hungsweise saubere Fahrzeuge sollen damit ver- tungsauftrag erbringen. Dazu zählen sowohl pri- hindert werden. Die finale Ausgestaltung der CVD vate als auch öffentliche Verkehrsunternehmen, in deutsches Recht bleibt dem BMVI vorbehalten die mit eigenwirtschaftlichen Liniengenehmi- und ist abzuwarten bzw. ist seitens der betroffe- gungen im Nahverkehr tätig sind. nen Akteure wie z. B. des VDV und der Kommunen konstruktiv zu begleiten5. — „Beschaffung“ von Verkehrsleistungen durch Aufgabenträger in Form von Verkehrsverträgen, Betrauungen und sonstigen öffentlichen Dienst- leistungsaufträgen nach VO 1370/2007 sowie in Form von Verkehrsverträgen im Rahmen des all- gemeinen Vergaberechts. Hier fallen die für die beschaffte Verkehrsleistung verwendeten Fahr- zeuge unter die CVD. — „Beschaffung“ von Verkehrsleistungen durch Sektorenauftraggeber. Sofern die Verkehrsun- ternehmen zur Anwendung des Vergaberechts verpflichtet sind, gilt die CVD ebenfalls. — Die CVD gilt nur, wenn das Vergabevolumen oberhalb der EU-Schwellenwerte liegt. — Die Clean Vehicles Directive und die Quoten- regelung im Busbereich gilt ausschließlich für Fahrzeuge der Klasse M3, Klasse I mit Steh- plätzen, die einen häufigen Passagierwechsel ermöglichen. Sie gilt nicht für Reisebusse (M3, Klasse III) und auch nicht für Überlandbusse (M3, Klasse II), die gemäß ECE-R 107 und EG Nr. 661/2009 zugelassen werden. 5 Alle Angaben beziehen sich auf die durch den VDV im Rundschreiben Nr. 8/2019 getätigte juristische Einordnung der CVD sowie die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2009/33/EG über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge vom 20.06.2019. 10 Emissionsfreie Energie- und Antriebskonzepte für Stadtbusse zur Umsetzung der europäischen Clean Vehicles Directive
4 Fahrzeuge Zur Erreichung der Beschaffungsquoten der CVD Energieeffizienz und Energiespeicherung: kommen verschiedene Fahrzeug- bzw. Antriebs- Grundsätzlich gilt bei emissionsfreien Fahrzeugen konzepte infrage. Der Anteil der konventionellen genau wie bei allen physikalischen Prozessen, dass Antriebe kann wie bisher über die Beschaffung jede Energieumwandlung mit Energieverlusten klassischer Dieselbusse (betrieben mit fossilem behaftet ist. Der Antriebsstrang (Energiespeicher Kraftstoff) erfolgen. Für den Anteil der „sauberen zum Rad) batterieelektrischer und wasserstoffbe- Fahrzeuge“ kommen die in Abschnitt 3.1 genann- triebener Fahrzeuge unterscheidet sich kaum. Die ten Antriebs- und Kraftstofftypen infrage. in Achse, Getriebe und Elektromotor auftretenden Verluste sind daher vergleichbar. Bei batterieelekt- Um den Anteil der emissionsfreien Fahrzeuge rischen Fahrzeugen treten weiterhin Verluste beim bedienen zu können, müssen die beschafften Laden und Entladen der Batterie auf. Diese sind Fahrzeuge gemäß CVD mit Wasserstoff oder Strom wesentlich geringer als die Verluste, die bei der Um- angetrieben werden. Im folgenden Abschnitt wer- wandlung von Wasserstoff in Elektrizität auftreten den diese Fahrzeugtypen im Detail erläutert. (in der Brennstoffzelle). Des Weiteren liegt Wasser- stoff nicht in elementarer Form vor und muss somit hergestellt werden. Auch hier treten Energieverlus- te auf, die jedoch stark vom Herstellungsverfahren 4.1 Antriebskonzepte abhängig sind. Aus energetischer Sicht sind direkt mit Strom betriebene Fahrzeuge am günstigsten, da hier die geringsten Umwandlungsverluste auftre- 4.1.1 Übersicht emissionsfreie ten. Demgegenüber stehen jedoch die erhöhte Spei- Fahrzeuge cherdichte und die damit einhergehende höhere Reichweite wasserstoffbetriebener Fahrzeuge. Je Gemäß CVD gilt ein Fahrzeug dann als „emissions- nach Einsatzfeld gilt es somit abzuwägen, welche freies Fahrzeug“, wenn die Emissionen im Betrieb Technologie die richtige ist. des Fahrzeugs < 1 g CO2/kWh betragen. Fahrzeuge, die mit Strom oder Wasserstoff betrieben werden, erfüllen diese Vorgabe. Bei wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen6 wird der an Bord gespeicherte Wasserstoff entwe- Tabelle 4-1 gibt einen Überblick über die verschie- der in einer Brennstoffzelle in Strom umgewan- denen emissionsfreien Fahrzeuge. Der Antrieb delt (BZ-Fahrzeug) oder als Luft-Wasserstoffge- der batterieelektrischen Fahrzeuge (BEV) erfolgt misch in einem Verbrennungsmotor verbrannt dabei über einen Elektromotor, der entweder als (H2-Verbrenner). BZ-Fahrzeuge weisen aktuell Zentralmotor, als radnaher Motor (mit Getriebe- einen höheren Wirkungsgrad auf als Fahrzeuge stufe) oder als Radnabenmotor ausgeführt ist. BEV mit H2-Verbrennungsmotor und werden bereits in und Oberleitungsbusse nutzen die in der Batterie (Klein-)Serie gefertigt. Der H2-Verbrenner exis- gespeicherte bzw. über die Oberleitung zugeführte tiert derzeit noch in keiner Fahrzeuganwendung 7. elektrische Energie, d. h. Strom, um den Motor Die Betankung beider Fahrzeugtypen mit kompri- anzutreiben. Die Energiezufuhr geschieht dabei miertem Wasserstoff erfolgt über eine Zapfsäule entweder (überwiegend) kontinuierlich (Oberlei- und dauert typischerweise – je nach Tankgröße tung) oder während eines Ladevorgangs. Wie die- und Konfiguration der Tankstelle – weniger als ser Ladevorgang konkret gestaltet ist und welche zehn Minuten. Für nähere Informationen zur Inf- Technologien und Schnittstellen dabei eingesetzt rastruktur wird auf Kapitel 5.3 verwiesen. Im Ver- werden, wird in Kapitel 5.2 erläutert. Oberlei- gleich zu BEV- und Oberleitungsfahrzeugen wei- tungsbusse (Obus) können die oberleitungsfreien sen wasserstoffbetriebene Fahrzeuge aufgrund der Strecken über einen zusätzlich an Bord installier- Umwandlungsverluste einen geringeren energeti- ten Energiegenerator bedienen, in der Vergangen- schen Wirkungsgrad auf, dafür verfügen sie aktu- heit war dies üblicherweise ein Dieselmotor. Mitt- ell über deutliche Vorteile im Hinblick auf Betan- lerweile gibt es Modelle, die diese oberleitungs- kungszeit und Reichweite. freien Strecken über eine Traktionsbatterie bzw. eine Brennstoffzelle abdecken können. Sie zählen Eine Sonderrolle nimmt das batterieelektrische somit gemäß CVD zu den emissionsfreien Fahr- Fahrzeug mit Brennstoffzelle als Range Exten- zeugen. der (BZ-REX) ein. Hierbei handelt es sich um 6 In Bussen wird der Wasserstoff typischerweise bei 350 bar gespeichert. Im Pkw-Bereich sind 700 bar üblich. 7 Erste Prototypenfahrzeuge mit Deutz-H2-Motor und Keyou-Technologie sind 2020/21 zu erwarten (https://www.keyou.de). Emissionsfreie Energie- und Antriebskonzepte für Stadtbusse zur Umsetzung der europäischen Clean Vehicles Directive 11
ein klassisches BEV mit externer Lademöglich- Reichweite). Allerdings muss damit auch die Inf- keit, das zusätzlich mit Wasserstofftanks und rastruktur für beide Energieträger – Ladeinfra- einer Brennstoffzelle ausgestattet ist. Dies ermög- struktur für Strom und Betankungsinfrastruktur licht die Kombination der Vorteile der BEV (hoher für Wasserstoff – vorgehalten werden. Wirkungsgrad) und der BZ-Fahrzeuge (hohe Tabelle 4-1 | Übersicht emissionsfreie Fahrzeuge Prinzip Foto Reife BEV Serie Vestische Straßenbahnen GmbH Obus Serie Strom Stadtwerke Solingen GmbH BZ-REX Erprobung/ Entwicklung Hamburger Hochbahn AG BZ (Klein)Serie Wasserstoff SSB H₂-Ver- Konzept brenner Keyou 2019 12 Emissionsfreie Energie- und Antriebskonzepte für Stadtbusse zur Umsetzung der europäischen Clean Vehicles Directive
4.1.2 Technische Charakteristika BZ-Fahrzeuge verfügen typischerweise über eine kleine Batterie (ca. 30 kWh) zur Zwischenspei- Strom- und wasserstoffbetriebene Fahrzeuge cherung des erzeugten Stroms und eine Tankgröße zeichnen sich durch die lokale Emissionsfreiheit von 40 kg, die meist modular, z. B. in ~5-7,5-kg- im Betrieb aus. Dem stehen aktuell längere Ver- Schritten10, erweiterbar ist. Um die notwendige sorgungszeiten (Laden, Tanken) sowie eine gerin- Energie für den Elektromotor bereitzustellen, wird gere Reichweite im Vergleich zu konventionellen eine entsprechend leistungsstarke Brennstoffzelle Dieselbussen gegenüber. Die Energiespeicherung (ca. 80-100 kW) benötigt. Die Batterie stellt hier und Energiezufuhr sind damit bei emissions- üblicherweise im Verbund mit der Brennstoff- freien Fahrzeugen von entscheidender Bedeutung. zelle die benötigte Antriebsenergie bereit und wird Tabelle 4-2 gibt einen Überblick über typische primär zur Zwischenspeicherung des erzeugten Kenndaten aktuell verfügbarer Fahrzeugtypen8. Stroms aus der Brennstoffzelle bzw. durch Reku- peration, z. B. beim Bremsen, genutzt. Für sie ist Bei BEV erfolgt die Stromzufuhr entweder auf dem üblicherweise keine eigene stationäre Ladeinfra- Depot oder direkt an der Strecke mit entsprechend struktur notwendig. hohen Ladeleistungen. Während bei Fahrzeugen mit Depotladung Batteriekapazitäten von etwa Im BZ-REX-Fahrzeug ist die Batterie die Haupt- 200-400 kWh üblich sind, ermöglicht die Ladung quelle zur Bereitstellung der Antriebsenergie. Die entlang der Strecke geringere Batteriekapazitäten BZ dient primär zum kontinuierlichen Nachladen von < 150 kWh. der HV-Batterie im Betrieb. Durch die leistungs- starke Batterie (Basis ist ein klassisches BEV) Oberleitungsbusse können optional mit Brenn- kann eine etwas leistungsärmere Brennstoffzelle stoffzelle bzw. HV-Batterie für oberleitungsfreie (z. B. 30-40 kW) verwendet werden. Details zur Teilstrecken ausgestattet sein. Die Nachladung der genannten erzielbaren Reichweite werden im HV-Batterie kann dabei während der Fahrt am nächsten Kapitel erläutert. Fahrdraht erfolgen oder im Depot. Die HV-Batte- rien sind jedoch meist recht klein dimensioniert9. Tabelle 4-2 | Batterie- und Tankkapazitäten11 sowie Leistungsdaten „emissionsfreier Busse“ (12-m-Solofahrzeug) (Sphera) BEV O-Bus BZ-REX BZ Ort der Energiezufuhr Depot Strecke Depot Depot Kapazität HV-Batterie 200-480 kWh
4.2 Reichweite und Energiebedarf üblicherweise über ein Volumen von 210 bis 365 Liter, d. h., es werden 4-8 Druckgasflaschen auf dem Dach installiert. Da in den Druckgasflaschen Grundsätzlich ist die Reichweite emissionsfreier üblicherweise ein Restdruck von ca. 20 bar ver- Fahrzeuge aktuell geringer als die konventioneller bleiben muss, sind ca. 90-95 Prozent der gespei- Dieselfahrzeuge, was hauptsächlich auf die Ener- cherten Wasserstoffmenge nutzbar. Bei einer giedichte der alternativen Energieträger zurück- Speicherkapazität von 40 Kilogramm und einem zuführen ist. In einem klassischen Dieselfahrzeug Energieinhalt des Wasserstoffs von 33,3 kWh/kg werden aktuell – je nach Konfiguration – etwa entspricht das einer nutzbaren Energiemenge von 200l Diesel getankt. Dies entspricht einem Ener- ca. 1240 kWh. Für einen beispielhaften mittleren gieäquivalent von 2-3.000 kWh. Bei einem bei- Verbrauch von 9,0 kg/100 km ergibt sich somit für spielhaften Verbrauch von 36 l/100 Kilometer einen 12-m-Bus mit 40-kg-H2-Speicherkapazität kommt der Bus ca. 560 Kilometer weit. eine Reichweite von ca. 410 Kilometer. Analog zur HV-Batterie der batterieelektrischen Fahrzeuge Bei batterieelektrischen Fahrzeugen ist zu treten auch bei der Brennstoffzelle Alterungs- berücksichtigen, dass die angegebene Batterieka- effekte auf, die sich auf die Effizienz und damit pazität die nominelle Energiekapazität der Batterie auf den Wasserstoffverbrauch auswirken. Für wiedergibt. Diese wird im Sinne einer möglichst die neuste Brennstoffzellengeneration wird eine langen Haltbarkeit der Batterie üblicherweise nur Lebensdauer von bis zu 30 000 Stunden erwartet, bis zu 80 Prozent14 ausgenutzt, außerdem ist zu was je nach Einsatzprofil der Fahrzeuge etwa 8-10 berücksichtigen, dass eine HV-Batterie mit der Jahren entspricht. Zeit und fortgesetztem Betrieb altert. Man spricht hier von kalendarischer Alterung und betrieb- Neben der gespeicherten Energiemenge haben licher Alterung (eingeschränkte Zyklenfestig- weitere Parameter entscheidenden Einfluss auf keit). Das Lebensdauerende einer Batterie gilt als den Energieverbrauch und damit die Reichweite erreicht, wenn die Batterie nur noch 80 Prozent der Fahrzeuge. In den folgenden Abschnitten wird der ursprünglichen nominellen Kapazität auf- im Detail auf den Einfluss der Streckencharakte- weist, aktuell liegt die Lebensdauererwartung für ristika und der klimatischen Bedingungen einge- HV-Batterien bei 6-8 Jahren, abhängig von der gangen. Nicht unwesentlich ist weiterhin der Ein- eingesetzten Batterietechnologie und der jewei- fluss des Fahrverhaltens auf den Verbrauch. Durch ligen Nutzungsintensität. Für den Betreiber ist entsprechende Schulung der Fahrer und Sensi- es daher zielführend, dass er zur überschlägigen bilisierung, insbesondere hinsichtlich der Nut- Ermittlung der ihm auch am Ende der Lebensdauer zung der Rekuperation, kann hier positiv Einfluss der HV-Batterie noch sicher zur Verfügung ste- genommen werden. henden Energiemenge (auch End-of-Life-(EoL)- Kapazität genannt) die nominelle Batteriekapazität Streckencharakteristika: jeweils mit dem Faktor 0,8 zu multiplizieren. Ins- Die Streckencharakteristik (z. B. innerstädtischer gesamt ist die vom Hersteller angegebene (nomi- oder Überlandbetrieb) und damit die Durch- nelle) Energiekapazität daher mit dem Faktor 0,64 schnittsgeschwindigkeit des Umlaufs beeinflussen (= 0,8 x 0,8) zu multiplizieren. unmittelbar den Energiebedarf. Tendenziell sinkt mit steigender Durchschnittsgeschwindigkeit der So ergibt sich bei einer nominellen Batterieka- spezifische Verbrauch. SORT3-Umläufe mit einer pazität von 200 kWh bzw. 400 kWh eine vor- mittleren Geschwindigkeit um 25 km/h weisen aussichtliche Energiemenge von ca. 130 bzw. 260 typischerweise einen geringeren spezifischen kWh, die am Lebensende der Batterie gesichert zur Energieverbrauch (kWh/km) auf als SORT1- Verfügung steht. Bei einem beispielhaften Ver- (Ø Geschwindigkeiten um 12 km/h)- oder SORT2- brauch von 1,2 kWh/km ergibt sich damit eine (Ø Geschwindigkeiten um 18 km/h)-Umläufe. EoL-Reichweite von knapp 110 bzw. ca. 215 Kilo- Diese grundsätzlichen Abhängigkeiten gelten meter15. sowohl für konventionelle als auch für emissions- freie Fahrzeuge. Wasserstoffbetriebene Fahrzeuge speichern gas- förmigen Wasserstoff in komprimierter Form bei Anders ist jedoch der Einfluss der Streckentopo- 350 bar. Bei einer Tankkapazität von 40 Kilo- grafie zu bewerten. Während bei Bussen mit kon- gramm und einer Dichte von ca. 24 kg H2/m³ (bei ventionellem, verbrennungsmotorischem Antrieb 15°C) wird ein Tankvolumen von ca. 1700 Liter eine starke Abhängigkeit des Verbrauchs von der benötigt, das mittels mehrerer auf dem Busdach Streckentopografie zu beobachten ist, fällt die- montierten Druckgasflaschen bereitgestellt wird. ser Einfluss bei Bussen mit elektrischem Antrieb Die einzelnen Druckgasbehälter verfügen dabei tendenziell geringer aus. Dies liegt daran, dass im 14 Die nutzbare Batteriekapazität ist abhängig von der verbauten Zellchemie. Bei Nickel-Mangan-Cobalt-Batterien (NMC) kann als Richtwert ca. 65 Prozent angenommen werden, bei Lithium-Eisenphosphat-Batterien (LFP) bis zu 90 Prozent. 15 Die tatsächliche Stromabnahme an der Ladesäule ist aufgrund der Ladeverluste noch um etwa 5-10 Prozent höher. 14 Emissionsfreie Energie- und Antriebskonzepte für Stadtbusse zur Umsetzung der europäischen Clean Vehicles Directive
4-1 | Heizenergie- 1,0 bedarf eines Stan- 0,9 dardbusses – Mess- werte des Fraunho- 0,8 mittlere Reisegeschwindigkeit spez. Heizenergieverbrauch (kWh/km) fer-Instituts für 18 km/h 24 km/h 30 km/h 15 km/h (abgeschätzt) Verkehrs- und 0,7 Infrastruktur- 0,6 systeme IVI 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 -5 0 +5 +10 +15 +20 Außentemperatur (°C) Gegensatz zu konventionellen Fahrzeugen, Fahr- typischen Batteriekapazität von 250 kWh für zeuge mit Elektromotor beim Bremsen Energie Fahrzeuge mit Übernachtladung ist somit je nach mittels Rekuperation zurückgewinnen können Jahreszeit eine EoL-Reichweite von etwa 70-150 und diese im vorhandenen Stromspeicher zwi- Kilometer möglich (120-230 km bei 400-kWh- schenspeichern können (Arbeitsgruppe Innova- Batteriekapazität). Das wesentliche Kriterium tive Antriebe Bus, 2016). für die Höhe des Mehrverbrauchs ist die Art der Heizung (z. B. Widerstandsheizung oder Wärme- Jahreszeiten und klimatische Bedingungen: pumpe). Um die Reichweite zu erhöhen und den Deutlichere Unterschiede gibt es jedoch beim Ein- Einfluss der klimatischen Bedingungen zu redu- fluss der klimatischen Bedingungen auf die Reich- zieren, kann beispielsweise ein mit Diesel betrie- weite emissionsfreier Fahrzeuge. Durch den Weg- bener Zusatzheizer eingesetzt werden. Allerdings fall der Motorabwärme muss deutlich mehr Energie ist der Betrieb des batterieelektrischen Busses für das Heizen der Fahrzeuge mit E-Antrieb bereit- dann nicht mehr lokal emissionsfrei, im Sinne der gestellt werden. Im Rahmen der von BMVI und BMU CVD gilt das Fahrzeug aber weiterhin als emissi- initiierten Arbeitsgruppe „Innovative Antriebe onsfreies Fahrzeug. Bus“ wurde der Energiebedarf batterieelektrischer Fahrzeuge im Jahresverlauf aufgenommen. Dabei Fahrzeuge mit Gelegenheitsladung verfügen übli- wurden Energieverbräuche von 1,2-2,8 kWh/km cherweise über kleinere Batterien und werden im (12-m-Solofahrzeug, alle Fahrzeuge mit elektrischer laufenden Betrieb – beispielsweise an den End- Heizung, netzseitig gemessen) ermittelt (Arbeits- haltestellen der Linie, wo sowieso eine gewisse gruppe Innovative Antriebe Bus, 2016; Faltenba- Standzeit eingeplant ist – nachgeladen. Bei der in cher, 2016b). Ohne Einsatz der Heizung und Klima- Tabelle 4 2 genannten Batteriekapazität ergibt sich tisierung sind Energieverbräuche am unteren Ende eine theoretische Reichweite von 45-90 Kilome- des Bereichs realistisch. Bei kompletter elektrischer tern zwischen einzelnen Ladevorgängen. Heizung bzw. Klimatisierung kann sich der Ener- giebedarf um bis zu 100 Prozent erhöhen. Abbil- Bei Brennstoffzellenfahrzeugen ist der Energie- dung 4-1 zeigt den gemessenen Energieverbrauch bedarf der Heizung etwas weniger kritisch, da für das Heizen eines beispielhaften Fahrzeuges in die entfallene Motorabwärme teilweise durch die Abhängigkeit der Außentemperatur und der mittle- Abwärme der Brennstoffzelle kompensiert wer- ren Reisegeschwindigkeit. den kann17. Der Energiebedarf von BZ-Fahrzeu- gen beträgt im Schnitt zwischen 8,5 und 10,5 kg Bei Temperaturen von -5°C und 18 km/h mittlerer H2/100 km (Kupferschmid & Faltenbacher, 2018). Reisegeschwindigkeit ergibt sich im Beispiel ein Somit sind bei einer Tankgröße von 40 Kilogramm Mehrbedarf von etwa 0,8 kWh/km, was in etwa (Tabelle 4-2) Reichweiten von 350-440 Kilometer im mittleren Bereich der oben genannten Verbräu- möglich. che liegt16. Es wurden auch bereits heizungsbe- dingte Mehrverbräuche von über 1 kWh/km bei Der Energiebedarf des batterieelektrischen Fahr- einzelnen Verkehrsbetrieben beobachtet. Bei einer zeugs mit Brennstoffzelle als Range Extender 16 Unterstellt wurde ein Wirkungsgrad von annähernd 100 Prozent für die Umwandlung von elektrischer in Wärmeenergie, was für elektrische Heizer zutreffend ist. 17 Bei der Erzeugung von Strom in einer Brennstoffzelle entsteht ebenfalls Wärme, jedoch deutlich weniger als beim Betrieb eines konventionellen Verbrennungsmotors. Emissionsfreie Energie- und Antriebskonzepte für Stadtbusse zur Umsetzung der europäischen Clean Vehicles Directive 15
4-2 | Schematische Umlauf- Fahrzeug- HVAC Ø Reisegeschw. Topografie Beladung Darstellung der länge größe (Jahreszeit) (SORT-Zyklen) Energiebedarfs- ermittlung (Sphera) Energiebedarfsermittlung je Umlauf und für alle betrachteten Technologien Beispiel: BEV 12m-Solofahrzeug 18m-Gelenkfahrzeug BEV: Bedarfsermittlung Umlaufbezogene Winter als Worstcase BZ: Sommer als Worstcase Ableitung notwendiger Speicherkapazitäten im Fahrzeug + ggf. notwendige Energieversorgung auf der Strecke (BZ-REX) ist abhängig vom Energiemanagement Wasserstofffahrzeuge erwartet werden. des Fahrzeugs. So kann – bei bekannten Routen- Um bewerten zu können, welche Fahrzeug- und verlauf – beispielsweise die effizientere Strombe- Energieversorgungstechnologie (H2-Betankung, reitstellungsform (aus HV-Batterie) primär genutzt Depotladung, Streckenladung, Oberleitung etc.) werden und nur bei Bedarf zusätzlich Wasserstoff oder auch welcher Mix aus den genannten Fahr- in der Brennstoffzelle eingesetzt werden. Bei länge- zeug- und Energieversorgungstechnologien für ren oder nicht planbaren Umläufen kommen beide das jeweilige Unternehmen die richtige Wahl ist, Energieträger (elektrische Energie aus der Batte- ist eine dezidierte Analyse des Energiebedarfs rie und Wasserstoff) zum Einsatz. Somit ergibt sich der einzelnen Umläufe unabdingbar (Abbildung ein stark fahrstreckenabhängiger, spezifischer 4-3). Auf Basis der genannten Einflussfaktoren Strom- bzw. Wasserstoffverbrauch. Eine pauschale Umlauflänge, Fahrzeugtyp (und -größe), klimati- Aussage über den Energieverbrauch der BZ-REX- sche Randbedingungen, Streckencharakteristika Fahrzeuge kann aufgrund der Vielzahl an Einfluss- (Topografie + Durchschnittsgeschwindigkeit) und faktoren und des großen Einflusses des Energiema- Fahrzeugbeladung kann somit beurteilt werden, nagements nicht ohne weitere einsatzspezifische welche Technologien grundsätzlich für den jewei- Informationen seriös getätigt werden18. Grundsätz- ligen Verkehrsbetrieb mit seinen spezifischen lich können jedoch Reichweiten ähnlich der reinen Randbedingungen infrage kommen. 4-3 | Exemplarische 800 450 Energiebedarfs- 700 400 analyse verschie- Strombedarf (kWh) 600 350 Umlauflänge (km) dener Umläufe Nutzbare Energie aus Batterie 300 (Sphera) 500 am Lebensende (z.B. ~80 %) (Batteriekapazität abhängig) 250 400 200 300 150 200 100 100 Nominelle Batteriekapazität (Beispiel) 50 0 0 98xx 83xx 58xx 26xx 65xx 33xx 47xx 19xx 91xx 41xx 104xx 75xx 13xx 120xx 144xx 134xx 127xx Energiebedarf Umlauflänge 12 m Busse 18 Unterstellt wurde ein Wirkungsgrad von annähernd 100 Prozent für die Umwandlung von elektrischer in Wärmeenergie, was für elektrische Heizer zutreffend ist. 16 Emissionsfreie Energie- und Antriebskonzepte für Stadtbusse zur Umsetzung der europäischen Clean Vehicles Directive
Zur überschlägigen Ermittlung des linien- bzw. umlaufspezifischen Energiebedarfs kann bei- spielsweise das Simulationstool EKE-ÖPNV der Technischen Universität Dresden verwendet wer- den, siehe Abbildung 4-4. Ebenfalls bieten dies die Fahrzeughersteller und andere Dienstleister an. 4-4 | Energie- bedarfsanalyse TU Dresden Emissionsfreie Energie- und Antriebskonzepte für Stadtbusse zur Umsetzung der europäischen Clean Vehicles Directive 17
5 Energieinfrastruktur Um die Vorgaben zu emissionsfreien Fahrzeu- Beim In-Motion-Charging wird der Strom wäh- gen gemäß der Clean Vehicles Directive umsetzen rend der Fahrt dem Fahrzeug zugeführt. Dies zu können, gilt es für die Busbetriebe im Hinblick findet im Prinzip nur bei Oberleitungsbussen auf die Energieversorgung und die damit einge- Anwendung. Im „Standardbetrieb“ des Oberlei- hende Infrastruktur umzudenken. Die (meist) vor- tungsbusses unter der Oberleitung findet sonst handene Dieseltankstelle auf dem Betriebshof ist kein Ladevorgang statt, da der Strom direkt dem um eine Versorgungsinfrastruktur für Strom und/ Abnehmer, d. h. dem Elektromotor, zugeführt wird. oder Wasserstoff zu ergänzen. In den folgenden Unter Opportunity-Charging (Gelegenheitsla- Abschnitten wird im Detail auf die verschiede- dung) versteht man das Nachladen der Fahrzeuge nen Energieversorgungskonzepte mit ihren unter- entlang der Strecke an dezidierten Ladestationen, schiedlichen Ausprägungen eingegangen. beispielsweise an den Linienendpunkten. In die- sem Fall werden die Fahrzeuge meist noch zusätz- lich über Nacht (Over-night-Charging) im Depot 5.1 Energieversorgungskonzepte geladen. Beim reinen Overnight-Charging werden die Busse nur im Depot geladen. Je nach Strom- versorgungskonzept müssen entsprechend andere Grundsätzlich ist die Infrastruktur für die Ver- Ladeleistungen vorgehalten werden, um in der sorgung der Busse wesentlich abhängig von der zur Verfügung stehenden Zeit genügend Energie gewählten Antriebstechnologie der Busse und des in das Fahrzeug übertragen zu können. Abbildung damit verbunden Energieträgers. 5-2 veranschaulicht beispielhaft den Verlauf des Ladezustands (State-of-Charge, SOC) der HV-Bat- Stromversorgung für batterieelektrische und terie bei Gelegenheits- und Übernachtlader. Wei- Oberleitungshybridbusse: tere Details zum Thema „Nachladen“ finden sich in Für die Versorgung dieser Fahrzeuge mit Strom Kapitel 5.2. lassen sich drei grundlegende Konzepte unter- scheiden: — Overnight-Charging: Übernachtladung im Depot — Opportunity-Charging: Gelegenheitsladung (meist entlang der Strecke) — In-Motion-Charging: kontinuierliche Stromversorgung Ladezustand Batterie (SOC) 5-1 | Schematische Darstellung des 100 % Ladezustands der Batterie für 100 kW 100 kW Gelegenheits- 100 kW und Depotlader über den Tag (Sphera/VDV) Uhrzeit Gelegenheitslader Depotlader (vereinfacht) 18 Emissionsfreie Energie- und Antriebskonzepte für Stadtbusse zur Umsetzung der europäischen Clean Vehicles Directive
Wasserstoffversorgung: Das Fast-Filling entspricht im Prinzip einem klas- Die Versorgung von wasserstoffbetriebenen Bus- sischen Tankvorgang, der auch zeitlich mit dem sen erfolgt über eine Wasserstofftankstelle. Der einer Dieselbetankung in etwa vergleichbar ist. In Tankvorgang an sich ähnelt dem einer Erdgas- Abbildung 5-2 ist die Umsetzung einer Fast-Filling betankung. Der wesentliche Unterschied besteht Station inklusive Elektrolyseur (Vor-Ort-Erzeu- darin, dass der gasförmige Wasserstoff in den gung von Wasserstoff) bei den Wuppertaler Stadt- Tanks der Tankstelle einen höheren Druck auf- werken dargestellt. weist als der im Fahrzeugtank. Durch diesen Druckunterschied strömt der Wasserstoff in das Beim Slow-Filling werden die Fahrzeuge über Fahrzeug über und wird nicht – wie bei einer Die- Nacht an die Tankstelle angeschlossen. Die lange selbetankung – aktiv in das Fahrzeug gepumpt. Zeit für die Betankung ermöglicht eine technisch Hier lassen sich im Wesentlichen zwei Konzepte einfachere Tankstelle. Abbildung 5-3 zeigt eine unterscheiden: solche Slow-Filling-Lösung, wie sie im Rahmen des FCH-JU-kogeförderten Projektes JIVE 2 für die — Fast-Filling: Klassischer Betankungsvorgang H2-Versorgung von acht BZ-Gelenkbussen umge- mit Komplettbetankung des Busses innerhalb setzt wird. einiger Minuten — Slow-Filling: Betankung der Busse über Nacht Das übliche Betankungskonzept ist das Fast-Fil- ling-Verfahren, entsprechend liegt der Fokus die- ses Leitfadens auf diesem Verfahren. 5-2 | Fast-Filling- Lösung in Wuppertal inklusive Elektro- lyser (WSW) 5-3 | Slow-Filling- Lösung im französi- schen Pau (ENGIE/ GNVERT und ITM) Emissionsfreie Energie- und Antriebskonzepte für Stadtbusse zur Umsetzung der europäischen Clean Vehicles Directive 19
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