Energie in der Schweiz - Ausgabe Herbst 2020 - Wie robust ist unser Versorgungssystem? - Avenergy Suisse
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2 3 Schenkt man Medien und Politikern Glauben, kommt die Energiewende unauf- haltsam auf uns zu. Es koste zwar einige Anstrengungen, eine Wirtschaft ohne fossile Energieträger zu gestalten, mit etwas Sparen und dem Zubau von Photovoltaik- anlagen auf den Hausdächern müsste die Umstellung jedoch gelingen. So oder ähnlich lauten die Argumente. Diese Denkweise geht davon aus, dass der Einsatz fossiler Energieträger graduell zurückgefahren werden könnte und dennoch genügend Energie zur Verfügung stünde, wenn es auf dem Weg zur Energiewende zu Verzögerungen kommen sollte – etwa durch hinderliche Bauvorschriften. Dabei geht vergessen, dass unsere heutige Energieversorgung weltumspannend und über Jahrzehnte aufgebaut wurde. Ein Ersatz dieses Systems ist zwar möglich, benötigt aber Zeit und vor allem sehr viele Investitionen in die Erschliessung neuer Energieträger sowie in die Speicherung und Verteilung der mit Sonnen- und Windkraft erzeugten Energie. Sonnen- und Windenergie sind derzeit die einzigen «natürlichen» Energieformen, die weltweit in genügender Menge zur Verfügung stehen würden, um allen Menschen zumindest theoretisch ausreichend klimaneutrale Energie bereit zu stellen. Diese steht heute aber noch in zu geringem Mass zur Ver fügung. Darum ist es gefährlich, die fossilen Energieträger durch Zwangsmassnahmen aus der Welt schaffen zu wollen. Verlieren die fossilen Energieträger für Investoren ihre Attraktivität, bevor ein alternatives Energiesystem aufgebaut ist, könnten wir sehr rasch mit Energie unter versorgt sein. Das heutige System, das zuverlässig funktioniert und mit genügend Puffer für Situationen mit eingeschränkten Lieferketten ausgestattet ist, würde infrage gestellt. Wohlstand und soziale Stabilität wären unverhofft gefährdet. Soziale Ungleich gewichte und Spannungen würden den Frieden in unserer Gesellschaft massiv gefährden – auch in der Schweiz. Die Mineralölbranche ist sich ihrer Verantwortung für das Wohlergehen unseres Landes bewusst. Wir müssen deshalb dafür kämpfen, dass die Rahmenbedingungen das Wirtschaften mit fossilen Energieträgern solange attraktiv gestalten, bis alternative «Wir müssen dafür kämpfen, dass Energieformen in genügender Menge bereitstehen. Es geht dabei nicht nur um eine die Rahmenbedingungen das Wirt wirtschaftliche Frage, sondern auch um das soziale Gefüge unserer Gesellschaft. So steht das Thema Resilienz im Zentrum der vorliegenden Ausgabe unseres schaften mit fossilen Energieträgern Magazins Avenue. Auf den folgenden Seiten erfahren Sie unter anderem von Bundes- solange attraktiv gestalten, bis rat Guy Parmelin, wo der Bund Schwachstellen ortet, wie die Mineralölwirtschaft die Versorgungssicherheit garantiert und warum aus Sicht der Schweizer Gasversorger alternative Energieformen in die unterschiedlichsten Energieträger mit einbezogen werden müssen. Sie lesen auch, genügender Menge bereitstehen.» welche Herausforderungen in den Bereichen Strom- und Wasserversorgung auf die Schweiz zukommen – und wie wir sie meistern können. Ich wünsche Ihnen viel Daniel Hofer Präsident Avenergy Suisse Vergnügen bei der Lektüre dieses «Nachschlagewerks» zum Thema Resilienz.
4 2018 mit den entsprechenden Konse quenzen für die Versorgung der Schweiz. auch teilweise mit Verzögerungen. Zu dem werden mit der Energie- und der Landwirtschaftspolitik die Vorausset standsfähige Gesellschaft zum Nullta rif zu haben ist. Wir werden uns in Zukunft an den Gedanken gewöhnen 5 zungen geschaffen, eine ausreichen müssen, dass Krisenvorsorge ihren Welche Abhängigkeiten bestehen de Autonomie bezüglich der Versor Preis hat. Das kann zu Massnahmen gegenüber dem Ausland? gung aufrecht zu erhalten. Die führen, welche für Bund und Wirt Die Versorgung der Schweiz ist heut Pflichtlagerhaltung stellt sicher, dass schaft Kosten zur Folge haben. Ich zutage bei allen Grundversorgungs kurz- bis mittelfristige Versorgungs denke hier u.a. an die Informations- gütern in hohem Mass vom Ausland störungen überbückt werden können. und Kommunikationstechnologien, abhängig. So importieren wir die ge Als Mitglied bei der IEA (International welche mitunter das Rückgrat für Wirt samten fossilen Energieträger, rund Energy Agency), welche sich um die schaft und Gesellschaft bilden und be 40 Prozent der Nahrungsmittel, einen Sicherstellung der Verfügbarkeit von reits heute vorsorglich geschützt wer grossen Teil der lebenswichtigen Me Energie-Produkten in Mangellagen den müssen. Störungen breiten sich in dikamente und Medizinprodukte so kümmert, ist die Schweiz zudem bei diesen Netzen so rasch aus, dass sich wie der landwirtschaftlichen Produk internationalen Mangellagen in Not nachhaltige Schäden kaum mehr ver tionsmittel wie Saatgut und Dünger. standspläne und Gemeinschaftsaktio hindern lassen. Eine solche Vorsorge Bei den genannten Produkten muss nen eingebunden, die die Versorgung kann auch bedeuten, einmal bewusst ten jedoch während der Pandemie in Regionen mit Mineralölknappheit auf kostenminimierende Lösungen zu keine Pflichtlager angezapft werden. sicherstellen. verzichten. Auch wird man überlegen Die Abhängigkeiten wurden somit müssen, ob sensible Güter nicht wie nicht erst durch die COVID-19-Pande Wo sehen Sie noch Verbesserungs der von diversen Anbietern und allen mie sichtbar: In den letzten zehn Jah bedarf in punkto Resilienz, und wie falls auch bei uns hergestellt werden ren hat sich z.B. die Situation bei An kann die Widerstandsfähigkeit des müssten, auch wenn die Produktion tibiotika und Impfstoffen drastisch Landes in Krisensituationen noch etwa in Asien kostengünstiger erfolgen zugespitzt. Die Anfänge dieser Ent verstärkt werden? kann. Selbstverständlich sind solche wicklung sind in den späten 1990er Die Widerstandsfähigkeit unseres Sys Massnahmen immer kritisch zu prüfen Jahren zu suchen. Aufgrund der inter tems verleitet zum Glauben, dass eine und das Kosten/Nutzen-Verhältnis ist nationalen Arbeitsteilung und der gegen Krisen geschützte und wider zu berücksichtigen. Momentan sind grossen Rohstoffabhängigkeit dürften es heute nur noch wenige Güter sein, die sich von A bis Z ohne importierte Komponenten in der Schweiz herstel len lassen. Die COVID-Krise verdeut lichte diese Abhängigkeit insbesonde re bei Einweg-Schutzmaterial – also Masken, Untersuchungshandschu hen, Schutzbrillen. Was unternimmt die Schweiz, um bei den für das Land kritischen Gü «Nicht zum Nulltarif» tern die Auslandabhängigkeit zu re duzieren? Die schweizerische Wirtschaft ist – wie bereits erwähnt – stark in die in ternationalen Liefer- und Produkti onsketten eingebunden. Dies erlaubt ihr, sich auf die Herstellung spezifi «Wir werden uns in Zukunft an den Gedanken gewöhnen müssen, scher Güter und Dienstleistungen zu spezialisieren und preiswerte Vorpro dass Krisenvorsorge ihren Preis hat», sagt der Schweizer Volks dukte aus dem Ausland zu beschaffen. wirtschaftsminister, Bundesrat Guy Parmelin. Die guten Beziehungen der Schweiz zu ihren Handelspartnern sowie die internationale Zusammenarbeit im Herr Bundesrat Guy Parmelin, wel der wirtschaftlichen Landesversor die Schwachstellen nicht beim Trans Rahmen von internationalen Wirt che besonderen Herausforderun gung wie ein Land mit Meereszugang. port auf den Meeren liegen, sondern schaftsorganisationen und bilatera gen stellen sich einem Binnenland So funktionieren die meisten versor in den internationalen Logistikketten len Freihandelsabkommen tragen we wie der Schweiz in Bezug auf die gungsrelevanten Systeme wie die bei der Beförderung auf dem europäi sentlich dazu bei, die Versorgung Resilienz in der wirtschaftlichen Logistik überall ähnlich. Ein offen schen Festland und der Verteilung in sicherzustellen. So konnten die Un Landesversorgung? sichtlicher Unterschied ist die Direkt der Schweiz. Beispiele dafür sind der ternehmen in der Schweiz auch wäh Ein Binnenland hat heute in weiten versorgung aus Übersee. Dazu hält Unterbruch der Rheintalschienenstre rend der COVID-19-Pandemie alle be Teilen die gleichen Herausforderun jedochein Bericht meines Departe cke bei Rastatt 2017 oder der Niedrig nötigten Güter und Dienstleistungen gen bezüglich Widerstandsfähigkeit ments aus dem Jahr 2016 fest, dass wasserstand des Rheins im Herbst aus dem Ausland beziehen – wenn
6 7 «Wir sollten sehr grundsätzlich prüfen, ob es nicht besser wäre, wenn gewisse Produkte wieder vermehrt in der Schweiz oder in Europa hergestellt würden.» überprüft und angepasst. Unsere über eine eigene Raffinerie, welche keit überprüft und falls nötig ange rfahrungen und Lehren aus der E Rohöl in Fertigprodukte verarbeiten passt. Das Bundesamt für wirtschaft COVID-19 Pandemie werden in diese kann und rund 25 Prozent der Inland liche Landesversorgung analysiert die Arbeiten einfliessen. Gleichzeitig nachfrage deckt. Gefährdung regelmässig zusammen müssen wir aber auch strukturpoliti mit dem Bundesamt für Bevölke sche Überlegungen anstellen. Wir Welche Verwerfungen oder Krisen rungsschutz BABS und nutzt neben sollten sehr grundsätzlich prüfen, ob könnten dem Land ernsthaften anderen Quellen die vom BABS er es nicht besser wäre, wenn beispiels Schaden zufügen – und wie wapp stellte Risikoanalyse als Grundlage. weise gewisse Produkte wieder ver- nen wir uns, bzw. wie löst die Eine Strommangellage sowie eine mehrt in der Schweiz oder in Europa Schweiz die sich daraus ergeben Pandemie haben sich dabei als gröss hergestellt würden. Wenn wir das den Herausforderungen? te Risiken erwiesen. Es sind zwei Ge wollen, dann müssen wir die hiesigen Leider lassen sich Krisen, die die wirt fährdungen, die auch enorme Heraus Marktbedingungen entsprechend ge schaftliche Landesversorgung betref forderungen für die wirtschaftliche stalten. Und wir müssen dafür sorgen, fen, selten im Detail voraussehen und Landesversorgung mitbringen. Das dass die Beziehungen mit den Nach planen. 100% Versorgungssicherheit haben wir bei der momentanen Pan barländern gut und die Handelswege gibt es nicht. Gleichzeitig sind Vorbe demie ja bereits erlebt. offen sind. reitungsarbeiten zwingend, um schwere Mangellagen angemessen Eine persönliche Frage: Haben Sie wir auch daran, die verwaltungsinter Wie sehen die während der Krise ge ausländischen Produktionsstand Welche Rolle spielt die Mineralöl und rechtzeitig überwinden zu kön angesichts der Herausforderungen ne Krisenorganisation im Licht der zogenen langfristigen Konsequen orten, liegt es in erster Linie an der wirtschaft im Rahmen der Stärkung nen. Die wirtschaftliche Landesver in Bezug auf die wirtschaftliche COVID-19 Pandemie zu evaluieren. In zen aus? Wirtschaft, die notwendigen Vorkeh der Resilienz der Schweiz in Krisen sorgung beobachtet und analysiert Landesversorgung in Krisenzeiten meinem Departement habe ich bereits Die Pandemie hat bestätigt, dass wir rungen zu treffen. Dort, wo die An situationen? deshalb ständig die Versorgungssitu manchmal auch schlaflose Nächte? vor Ausbruch der Krise eine Administ nicht erst im Krisenfall, sondern wei strengungen der Wirtschaft jedoch Der Schweizer Bedarf an Erdöl beträgt ation und die Marktverhältnisse und Schlaflose eher nicht, aber kurze rativuntersuchung zur Führungsorga terhin bereits vorgängig Massnahmen nicht genügen und die Versorgung rund 2 Promille des weltweiten Erdöl bereitet Massnahmen für den Inter Nächte sehr wohl. Die Belastung war nisation der Wirtschaftlichen Landes treffen müssen, um die Versorgungs des Landes deshalb ernsthaft in Frage bedarfs. Der Mineralölbedarf ist in ventionsfall bestmöglich vor. Inter physisch und psychisch sehr gross. versorgung, d. h. Zusammenarbeit, systeme des Landes zu stärken. Nur gestellt ist, ist der Bund gefordert, den letzten Jahren stetig leicht gesun ventionsmassnahmen werden mit al Aufgabenteilung und Verantwortlich so können wir die Widerstandsfähig entsprechende Vorgaben zu machen. ken und liegt aktuell auf dem Niveau len Anspruchsgruppen (Wirtschaft, keiten zwischen dem Amt und der Mi keit gegen Versorgungsstörungen er Wenn es nicht anders geht, müssen von 1970. In den letzten 20 Jahren hat andere Bundesstellen, Kantone) auf lizorganisation, in Auftrag gegeben. höhen. Besteht bei lebenswichtigen Vorkehrungen angeordnet werden. sich beispielsweise der Bedarf an ihre Wirksamkeit und Praxistauglich Daraus gilt es die richtigen Schlüsse Gütern eine zu grosse Abhängigkeit Die Pflichtlagerhaltung ist eine solche Heizöl halbiert. Mit einem Anteil von zu ziehen. von internationalen Lieferketten oder Vorkehrung. Diese wird regelmässig knapp 50% am Endenergieverbrauch ist Erdöl jedoch immer noch der men- genmässig wichtigste Energieträger der schweizerischen Energieversor Guy Parmelin «Die Pandemie hat bestätigt, dass gung. Die Versorgung der Schweiz mit Bundesrat, Vorsteher WBF Erdöl erfolgt aus diversifizierten Be Guy Parmelin wurde 2003 in den Natio wir nicht erst im Krisenfall, sondern zugsquellen sowohl in Form von Mi nalrat gewählt. 2015 wurde er in den Bundesrat gewählt. Seit dem 1. Januar neralölprodukten als auch von Rohöl. weiterhin bereits vorgängig Diese Diversifikation und unter schiedliche Transportwege reduzie 2019 ist er Vorsteher des Eidgenössi schen Departements für Wirtschaft, Bil dung und Forschung (WBF). Guy Par Massnahmen treffen müssen, um ren das Risiko eines längerfristigen Versorgungsengpasses. Viele Impor melin wuchs als Bauernsohn in Bursins auf und liess sich zum Landwirt und die Versorgungssysteme zu stärken.» teure und Händler führen zu einer gu ten Marktabdeckung und Konkurrenz Winzer ausbilden. Bis zu seiner Wahl in den Bundesrat führte er zusammen mit seinem Bruder den väterlichen Hof. situation. Zudem verfügt die Schweiz
8 Immer versorgt – 9 mit Sicherheit! Erdöl ist der wichtigste Energieträger der Schweiz. Darum ist die Versorgungssicherheit entscheidend. Diese wird durch ein ausgeklügeltes System er reicht. Die wichtigsten Pfeiler sind Import, Handel, Verteilung, Logistik, Eigenproduktion und die Pflichtlagerhaltung. Erdölprodukte – wie z.B. Heizöl als Hauptenergieträger im Wärmemarkt – sind in der Schweiz stets verfügbar. Dies gilt auch in Krisenzeiten. Wir tanken jederzeit bequem unser Auto auf. Wir geniessen langen rund 6,8 Prozent der Erdölprodukte via Tanklastwa Problemen, kann kurzfristig auf einen anderen Importweg rem Ausmass auch aus Algerien). Rund 28,7 Prozent wurden im Winter die behagliche Wärme, welche unsere Heizung lie gen in unser Land. Ein weiterer Teil der Produkte fliesst durch ausgewichen oder im Inland die Produktion erhöht werden. 2019 aus Kasachstan importiert und weitere 10,5 Prozent aus fert, während es draussen eisigkalt ist. Wir wissen, dass die eine Pipeline via Vernier in die Schweiz. Und Rohöl wird von den USA. Nur geringe Anteile lieferten Russland (1,1%) und Regale in den Läden stets gut gefüllt sind, weil tausende Last Marseille aus durch eine Pipeline nach Cressier in die dortige Verteilung und Lagerung sichern Versorgung Aserbaidschan (0,1%). wagen den Nachschub mit Lebensmitteln und Produkten für Raffinerie transportiert, wo es zu den benötigten Produkten Auf der Schiene und der Strasse werden die Produkte im gan Für die Versorgungssicherheit in der Schweiz ist diese Di den täglichen Bedarf garantieren. Diese Annehmlichkeiten verarbeitet wird: Heizöl für den Brennstoffmarkt, Benzin und zen Land verteilt und schweizweit in die Produktelager trans versifikation der Handelspartner in aller Welt entscheidend. sind in der Schweiz selbstverständlich. Mit anderen Worten: Diesel für die Mobilität auf der Strasse, Kerosin und Flugben portiert. Mit Tanklastzügen werden die Treibstoffe an die Dies schafft Flexibilität. Sollte einmal ein Handelspartner Wir sind es uns gewohnt, dass Energie, gerade auch aus fos zin für die Luftfahrt. mehr als 3600 Tankstellen geliefert, die Brennstoffe gehen an ausfallen, können die Schweizer Importeure jederzeit kurz silen Energieträgern, jederzeit und in ausreichendem Mass Alleine die Tatsache, dass Erdölprodukte über die unter die lokalen Heizöllieferanten. fristig auf andere Lieferanten ausweichen. verfügbar ist. schiedlichsten Wege in die Schweiz gelangen, trägt wesent Die Betriebe sowie die Konsumentinnen und Konsumen Erdöl ist der mit Abstand wichtigste Energieträger in der lich zur Versorgungssicherheit in allen Situationen bei. Fällt ten schliesslich können ihre Fahrzeuge jederzeit an der Tank Selbstversorgung dank eigener Raffinerie Schweiz. Mit einem Anteil von 49,3 Prozent am gesamten ein Transportweg aus oder kommt es auf einzelnen Routen zu stelle betanken und sich das Heizöl nach Hause liefern las Während rund drei Viertel der Erdölprodukte bereits in ihrer Energieverbrauch stehen Mineralölprodukte deutlich an der sen. Dieses Netz von Lagern der Mineralölbranche, tausenden gebrauchsfertigen Form in die Schweiz importiert werden, bei Spitze. Zum Vergleich: Der Anteil an elektrischem Strom be Tankstellen und zehntausenden privaten Heizöltanks trägt spielsweise in Form von Benzin, Diesel, Kerosin oder Heizöl, trägt lediglich 25 Prozent, jener von Gas liegt bei 13,5 Prozent. Kohle, Holz, Industrieabfälle, Fernwärme und übrige erneu Mit einem Anteil von 49,3% dazu bei, dass in der Schweiz stets genügend Mineralölpro dukte verfügbar sind. trägt die Raffinerie von Varo im neuenburgischen Cressier ei nen Anteil von rund 25 Prozent des Volumens aller im Inland erbare Energien machen zusammen 12,1 Prozent aus. Aufgrund der grossen Bedeutung von Erdöl für die Ener am Energieverbrauch Unterschiedliche Handelspartner verkauften Raffinerieprodukte bei. Die Raffinerie verkauft ihre Produkte hauptsächlich in der Schweiz. Damit leisten die rund gieversorgung der Schweiz ist es für die Bevölkerung und die Wirtschaft des Landes entscheidend, dass die Versorgungs steht Erdöl in der Schweiz Was für die Vielfalt der Importwege gilt, findet beim Handel ein Pendant, denn die Schweizer Mineralölbranche bezieht 270 Angestellten einen wesentlichen Beitrag zur Versorgungs sicherheit des Landes mit flüssigen Brenn- und Treibstoffen. sicherheit mit Mineralölprodukten jederzeit gewährleistet ist ihre Produkte von unterschiedlichsten Handelspartnern. Die – auch und insbesondere in Krisensituationen. Dies wird auf klar an der Spitze. Garan gegen 8,2 Millionen Tonnen Fertigprodukte gelangen zu ei Pflichtlager – für alle Fälle verschiedene Arten erreicht. nem grossen Teil via Deutschland in die Schweiz (2019: Weil Erdöl der wichtigste Energieträger der Schweiz ist, sichert tierte Versorgungs 46,8%). Die Niederlande steuerten im selben Jahr 16,5 Pro sich unser Land auch für Krisensituationen ab. Verantwortlich Diverse Importwege schaffen Ausweichmöglichkeiten zent bei, Frankreich 13,6, Belgien 13,4, Italien 8,0 und übrige dafür ist die 1932 gegründete Organisation CARBURA. Sie ist Erdölprodukte werden auf vier Wegen in die Schweiz trans sicherheit ist deswegen EU-Länder 1,1 Prozent. Ein geringer Teil der Fertigprodukte ein privatrechtlicher Verein, dessen Statuten vom Bund geneh portiert. Per Schiff gelangen rund 26,2 Prozent der Produkte wurde überdies aus Afrika, Asien/Ozeanien sowie aus den migt werden und welcher der Oberaufsicht durch das Bundes via Rhein in unser Land. Mit der Bahn werden auf der Schie ne hauptsächlich via Schaffhausen und Kreuzlingen rund entscheidend. USA importiert. Das in die Schweiz importierte Rohöl stammte zu 59,7 Pro amt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) untersteht. Für Benzin, Diesel und Heizöl reicht der Vorrat für 4 ½ Mona 32,3 Prozent importiert. Via den Grenzübergang Chiasso ge zent aus Afrika (vor allem aus Nigeria und Libyen, in kleine te. Für Flugbenzin reicht der Vorrat für 3 Monate.
3 10 Versorgungs- 4 11 Die Versorgungssicherheit wird in der Schweiz auf mehrere Arten gewährleistet. sicherheit 50 % Unterschiedliche Importwege und Handelspartner Fällt einmal ein Handelspartner aus, können die Schweizer Importeure Die wichtigsten Handelspartner der jederzeit auf andere Lieferanten ausweichen. Diese Flexibilität ist für die Schweiz sind Deutschland, Frankreich, des Energieverbrauchs wird Versorgungssicherheit entscheidend. Italien, Belgien und die Niederlande. per Bahn durch Erdölprodukte gedeckt. über Schaff- Fernwärme Industrieabfälle Kohle Deswegen muss die Versorgung hausen und 2,3 % 1,3 % 0,5 % mit diesen jederzeit gesichert sein. Kreuzlingen Kreuzlingen Schaffhausen per Basel Schiff übrige erneuerbare Energien auf dem Rhein 3,4 % Weiterverteilung per Bahn Cressier Erdölprodukte 830 880 TJ * 49,3 % Rohöl fliesst via Holzenergie Energieverbrauch in der Schweiz Pipeline zur 4,6 % im Jahr 2018 Raffinerie in Cressier mit dem LKW Chiasso Gibt es Probleme auf einem Importweg, kann der Import über andere Wege kurzfristig Gas erhöht werden, oder es wird im Inland mehr produziert. 13,5 % Elektrizität 25 % * TJ = Terajoule Verteilung und Lager Die Raffinerie in Cressier 1 Terajoule sind 1 000 000 000 000 Joule. Joule ist eine Grundeinheit der Energie. Ein Joule entspricht ungefähr der Energie, die das menschliche Herz für einen Schlag braucht. Züge und Lastwagen verteilen die Erdölprodukte Pflichtlager in die Lager. Mit Tanklastern werden Erdöl ist der wichtigste Energieträger der Die Kosten der obligatorischen Pflichtlager- die Treibstoffe an die mehr Schweiz. Darum sichert sich das Land mit haltung werden durch Garantiefonds getragen. als 3600 Tankstellen geliefert, Pflichtlagern ab. die Brennstoffe gehen Diese werden durch Beiträge aus lager- an die lokalen Für Benzin, Diesel und Heizöl reicht der pflichtigen Gütern finanziert. Heizöllieferanten. Vorrat für 4 ½ Monate, beim Flugbenzin sind es 3 Monate. Im Durchschnitt bezahlt jeder Einwohner der Schweiz auf diese Weise jährlich rund 12 Franken für die wirtschaftliche Landes- versorgung (Stand: 1. November 2019). Die Konsumenten Verantwortlich für die Pflichtlagerhaltung lassen sich schliesslich dieser Produkte ist die 1932 gegründete Die Produktion der Raffinerie von VARO macht rund 25 % des Volumens das Heizöl nach Hause Organisation CARBURA. aller im Inland verkauften Raffinerieprodukte aus. liefern oder betanken ihr Auto an der Bei Versorgungsengpässen bewilligt der Die rund 270 Angestellten leisten einen wesentlichen Beitrag zur Tankstelle. Bundesrat die Freigabe bestimmter Versorgungssicherheit des Landes mit flüssigen Brenn- und Treibstoffen. Produktemengen.
12 13 vor das mengenmässig wichtigste Seg ment der Schweizerischen Rheinhä fen», heisst es weiter. Jeder dritte Liter Hier werden die Mineralölprodukte Mineralöl werde über die Rheinhafen terminals abgewickelt. gelagert, bevor sie per Last- Umweltfreundlicher Transport wagen und auf der Schiene weiter- «Der Transport auf dem Schiff ist mit Sicherheit die umweltfreundlichste transportiert werden. Variante», sagt Olivier Waldner. «Lei der sehen das viele Leute nicht», führt der TAU-Geschäftsführer aus und erläutert: «Der Energieverbrauch ist beim Schiff sehr günstig. Mit fünf Litern Dieselöl befördert es eine Tonne Eingebettet zwischen dem Rhein und die Produkte nach der Befüllung in die über 500 Kilometer weit. Die Bahn dem Hardwald in Muttenz befindet Region. fährt mit dem gleichen Energieeinsatz sich einer der raren direkten Logistik nur 300 Kilometer, ein Lastwagen zugänge der Schweiz zum Meer. Es 530'000 m³ Kapazität in Muttenz knapp 100 Kilometer.» handelt sich um eines der zwei Tankla Die Zahlen der Rheinhäfen untermau ger der Schweizerischen Rheinhäfen. ern die Bedeutung der Mineralölbran Investitionen für künftige Produkte Auf dem Gelände der TAU Tankla che. In den beiden Anlagen in den Bei der TAU Tanklager Auhafen AG ger Auhafen AG in Muttenz zeugen 134 Schweizer Rheinhäfen stehen rund 1 handelt es sich um ein Joint Venture Tanks unterschiedlichster Grösse von Million Kubikmeter Tankraum für die von BP und AVIA. Das Unternehmen der Bedeutung des Energieträgers Erd Lagerung und den Umschlag von Mi wurde 2012 gegründet und beschäftigt öl für die Schweiz. Zwischen 500 und neralölprodukten zur Verfügung. In heute 28 Mitarbeitende – «Handwer 14'500 Kubikmeter fassen die imposan den Anlagen der TAU sind es mit ker, Leute aus dem nautischen Bereich, ten Tanks. 530’000 Kubikmetern rund die Hälfte Techniker», sagt Olivier Waldner. Hier werden die Mineralölprodukte davon. Und es wird in die Zukunft inves gelagert, bevor sie per Lastwagen und «Mit einer Steigerung von beinahe tiert: «Die Tanklager in Muttenz ent auf der Schiene weitertransportiert 60 Prozent erreichte der Import der Mi halten mit jedem Jahr mehr Biotreib werden. Hier befindet sich auch ein neralölerzeugnisse 2019 ein Total von stoffe wie FAME, Ethanol oder HVO, Teil der Pflichtlager für den Krisenfall. 2,8 Millionen Tonnen», vermelden die und wir sind auch bereit für neue Pro Gelagert werden Heizöl Extraleicht, Rheinhäfen in ihrem Jahresbericht dukte wie zum Beispiel Power-to- Ökoheizöl schwefelarm, Dieselöl, B7, 2019. Gegenüber dem Vorjahr wurde liquid», sagt der TAU-Geschäftsführer. Benzin Bleifrei 95 und 98 sowie E5. In demnach 1 Million Tonnen mehr Damit steht fest: Die Versorgungs den vergangenen Jahren hat der Anteil umgeschlagen. sicherheit mit flüssigen Brenn- und an biogenen Produkten mehr und Die grosse Zunahme der Importe Treibstoffen ist auch in Zukunft gesi mehr zugenommen. geht auf den niedrigen Rheinpegel chert, wenn die bisherigen fossilen 2018 zurück, als man deutlich weniger Produkte mehr und mehr durch Bis zu 100 Lastwagen pro Tag Produkte via den Rhein importieren CO2-neutrale Erzeugnisse ergänzt bzw. Die modernen Tankschiffe mit Abmes konnte. Dieser Rückstand wurde 2019 ersetzt werden. Dies gilt sowohl Anschluss ans Meer sungen von 110 bis 125 Metern und ei wieder aufgeholt. «Die Gütergruppe für normale Zeiten als auch für nem Fassungsvermögen von bis zu 3,5 Mineralölerzeugnisse bleibt nach wie Krisensituationen. Millionen Litern gehören auf dem Rhein bei Muttenz zum alltäglichen Bild. An insgesamt sieben sogenann ten Schifflöschstellen werden die Tankschiffe in Muttenz entladen. «Der Transport auf dem Schiff Mehr als acht Millionen Tonnen Mineralölprodukte importiert die Schweiz jedes Jahr. Davon gelangt ein Drittel auf Schiffen ins Land. «Die TAU hat die Möglichkeit bis zu sieben Schiffe gleichzeitig zu löschen», ist mit Sicherheit die Dem Tanklager in Muttenz (TAU) kommt damit eine entscheidende sagt Olivier Waldner, Geschäftsführer der TAU Tanklager Auhafen AG. umweltfreundlichste Variante.» Rolle bei der Versorgungssicherheit zu. Drei Bahnfüllstellen und elf Cami Olivier Waldner onfüllstellen garantieren, dass die Geschäftsführer TAU Tanklager Auhafen AG Produkte zu den Abnehmern gelangen. Bis zu 100 Lastwagen befahren das Ge lände Tag für Tag und transportieren
14 15 Pflichtlager in der Schweiz: Kluger Rat, Notvorrat! «Es sind also die Mitglieder der CARBURA, welche die Versorgung des Landes mit flüssigen Brenn- und Treibstof fen nicht nur in normalen Zeiten, sondern auch in Krisensi tuationen sicherstellen», betont Andrea Studer. Es handelt sich um alle Importeure von Erdölprodukten mit Einfuhren von mehr als 3'000 m³ pro Jahr. Sie müssen mit dem Bund einen entsprechenden Pflichtlagervertrag abschliessen. Entscheidend ist bei der Beurteilung der Versorgungsla Die Nachfrage nach Energie wird in der Schweiz rund zur Hälfte mit ge stets die Frage, ob der Markt jederzeit und überall ver sorgt werden kann. Die Strategie der «Wirtschaftlichen Lan flüssigen Treib- und Brennstoffen gedeckt. Damit es in Krisen desversorgung» sieht vor, dass drohende oder eingetretene zeiten nicht zu Versorgungsengpässen kommt, besteht landesweit Mangellagen zuerst durch Freigaben aus Pflichtlagern kom pensiert werden. Sollten sich Versorgungsengpässe ein Netz an Pflichtlagern für Mineralölprodukte. Verantwortlich abzeichnen, bewilligt der Bundesrat die Freigabe einer be stimmten Produktemenge. Dies geschieht auf dem © Chunyip Wong/istockphoto.com ist die «Schweizerische Pflichtlagerorganisation für flüssige Treib- Verordnungsweg. Bei länger dauernden und schweren Versorgungseng und Brennstoffe», die CARBURA. pässen würde ergänzend der Verbrauch eingeschränkt. Falls nötig setzt der Bundesrat auf Antrag der Milizorganisa tion «Wirtschaftliche Landesversorgung» (WL) entspre chende Massnahmen in Kraft. Dies stellte insbesondere die Mineralölbranche vor grosse Fachleute aus der Privat logistische Herausforderungen, da normalerweise etwa ein Viertel aller Importe via die Basler Rheinhäfen in die wirtschaft stellen Schweiz gelangt. Aufgrund der Probleme auf dem Rhein wurde zudem die «Kluger Rat, Notvorrat.» Dieser bereits mehr als 50 Jahre alte Slogan, der in der Schweiz das Verständnis ganzer Generati mittel wie Zucker oder Reis. Hinzu kommen grundlegende Produkte wie Medikamente, Getreide, Dünger sowie Futter dem Bund ehrenamtlich Bahn im grenznahen Ausland stark ausgelastet, da auch die Nachbarländer Deutschland und Frankreich mit dem nied onen geprägt hat, könnte das Motto der Schweizer Pflichtla gerorganisationen sein. Während es aber für die Bevölke mittel für die Tiere, aber auch Kunststoffvorräte. Im Bereich Energieversorgung stehen flüssige Brennstoffe (Heizöl) und Fachwissen und rigen Wasserstand zu kämpfen hatten und vermehrt auf Schienentransporte für Mineralölprodukte setzten. Mehrim rung früher darum ging, für längere Krisenzeiten über einen Vorrat an lebensnotwendigen Gütern zu verfügen, ist das Treibstoffe (Benzin, Diesel, Kerosin) im Fokus. Arbeitszeit zur Verfügung. porte in die Schweiz mit diesem Verkehrsträger waren ent sprechend kaum möglich. Im Oktober erreichte der Pegel Ziel heute eher die Überbrückung kurzfristiger Versorgungs Lager reichen für mehrere Monate des Rheins schliesslich noch nie dagewesene, historische engpässe auf nationaler Ebene. «Sollte es bei den flüssigen Brenn- und Treibstoffen zu ei Tiefstwerte, und der Schiffsverkehr kam fast vollständig Gemäss dem Bundesamt für wirtschaftliche Landesver nem Totalausfall kommen, reichen die Pflichtlager zur Ab Bei der WL handelt es sich um eine öffentlich-private zum Erliegen. sorgung (BWL) umfassen die Pflichtlager darum Nahrungs deckung des Bedarfs von Benzin, Diesel und Heizöl Partnerschaft. Dabei stellen Fachleute aus der Privatwirt In Anbetracht der Versorgungssituation gab der Bundes während viereinhalb Monaten, bei geringeren Versorgungs schaft dem Bund ehrenamtlich Fachwissen und Arbeitszeit rat das OK für begrenzte, temporäre Pflichtlagerbezüge. störungen deutlich länger. Die Pflichtlager mit Flugpetrol zur Verfügung, erarbeiten Bewirtschaftungsmassnahmen, Zwischen Oktober 2018 und Mitte Januar 2019 wurden so in Im Bereich Energie reichen für eine Dauer von drei Monaten», sagt Andrea Stu der, Direktorin von CARBURA, der für die Durchführung der beurteilen die Versorgungslage und stellen Anträge auf Massnahmen. mehreren Schritten rund 259’000 m³ an Dieselöl-, Benzin- und Flugpetrol-Pflichtlager durch die Mineralölbranche stehen flüssige Brennstoffe Pflichtlagerhaltung für Mineralölprodukte verantwortlichen Organisation. Pflichtlagerfreigaben sind nur selten notwendig bezogen. «Dank dieser Massnahme konnte die Versorgung mit (Heizöl) und Treibstoffe Der privatrechtliche Verein wurde 1932 als Selbsthilfe- Organisation der Importeure flüssiger Treib- und Brennstof Zu Pflichtlagerfreigaben kommt es nur selten. Im Spätherbst 2018 war dies das letzte Mal im grösseren Umfang nötig. Tro Treibstoffen an allen Tankstellen und den Landesflughäfen zu 100% gesichert werden», sagt Andrea Studer. Die Bevöl fe gegründet. Die Oberaufsicht liegt beim BWL. Der Bund ckenes und sonniges Wetter führten im Herbst 2018 zu ext kerung musste zu keiner Zeit irgendwelche Einschränkun (Benzin, Diesel, Kerosin) legt jedoch lediglich die Rahmenbedingungen fest, wäh rem tiefen Rheinpegeln. Bereits seit Mitte Juli konnten Schif gen in Kauf nehmen. Dank der CARBURA ist die Versorgung rend die eigentliche Pflichtlagerhaltung eine Aufgabe der fe mit Destination Basel nur noch zur Hälfte beladen werden. der Schweiz mit Mineralölprodukten immer gesichert – im Fokus. Wirtschaft ist. Ab Mitte August sank die Beladungskapazität auf unter 25%. auch in Krisenzeiten.
16 Mächtig ragen die Destillations-Kolon nen der Raffinerie Cressier neben dem Zihlkanal in die Höhe. Die 75 Hektaren den Umweltschutz zu gewährleisten», sagt Daniel Märki. «Unsere Mitarbeitenden haben sich 17 umfassende Anlage, die jährlich rund in dieser für alle schwierigen Situation drei Millionen Tonnen Rohöl verarbei vorbildlich verhalten. Ihnen ist be tet, zeugt von der Robustheit der wusst, dass die Raffinerie für die Ener Schweizer Energieversorgung. Ein gieversorgung des Landes systemrele Viertel aller fossilen Produkte wie Ben vant ist.» zin, Diesel, Heizöl und Kerosin für den Schweizer Markt werden hier produ Flexibilität in der Produktion ziert. Auch aufseiten Produkte erweist sich Damit ist die Anlage für die Schwei VARO als krisenresistent. So brach die zer Versorgungssicherheit unentbehr Nachfrage nach Kerosin für die Flugin lich. Der Betrieb steht damit auch für dustrie aufgrund der sanitären Situati die Resilienz und Anpassungsfähig on regelrecht ein. Raffinerien leiden keit der Schweizer Mineralölbranche. im Allgemeinen unter dieser Situation, Dies gilt sowohl in normalen Zeiten als jedoch war Cressier aufgrund seiner auch in Krisensituationen. Konfiguration und Produktionsflexibi Ein Beispiel für diese Flexibilität lität nur geringfügig davon betroffen. sind die Massnahmen der Raffinerie Die Raffinerie bewies exemplarisch, betreiberin VARO Energy während der wie krisenresistent die gesamte Mine Corona-Krise. Dank ausgereifter Si ralölbranche ist, denn man fuhr nach cherheitsvorkehrungen und einer dem Zusammenbruch der Nachfrage frühzeitigen Anpassung der Organisa nach Kerosin die Produktion auf unter tion im Betrieb konnte die Produktion ein Prozent hinunter und stellte ver in Cressier jederzeit sichergestellt wer mehrt Produkte her, welche noch über den. «Wir haben die Operationsteams einen Absatzmarkt verfügten. Dazu geteilt, damit im Fall einer Infektion zählt insbesondere Heizöl. eines Mitarbeitenden nicht die ganze Für VARO bedeutet Belastbarkeit Produktion heruntergefahren werden auch, dass die Produktion im Falle ei muss», sagt Daniel Märki, Human- ner Unterbrechung der Rohölversor Neue Pre-Flash-Kolonne in Cressier. Resources-Manager. gung über die Marseille-Pipeline für ei nen kurzen Zeitraum fortgesetzt werden Arbeitsroutinen hinterfragt könnte. Mit Hilfe des in der Pipeline heitskleidung tragen, einschliesslich «In der Raffinerie gibt es einen eigenen verfügbaren Rohöls und der vorhande Stahlkappenschuhe, Overalls, Helm, Firmenarzt und die Kontakte zum Kan nen Lagerkapazität ist die Produktion Schutzbrille und Handschuhe. tonsarzt und zu den Behörden wurden für einige Zeit gesichert. Um die Konti Zum Teil dank dieser Sicherheits massnahmen wurde die Verletzungs gefahr für die Arbeitnehmer erheblich Die Produktionsanlage in Cressier verringert, dies gilt auch für das Risiko der Stilllegung von Produktionen. All Krisenresistent: Die ist für die Schweizer dies trägt dazu bei, die Solidität und Regelmässigkeit des Beitrags von Cres Energieversorgung systemrelevant. sier zu einer zuverlässigen Versorgung der Schweiz mit Erdölprodukten zu Raffinerie in Cressier erhöhen. intensiviert», erläutert Daniel Märki. nuität der Versorgung im Allgemeinen Frühzeitig hinterfragte VARO Energy zu gewährleisten, sollten die Einheiten Neue, moderne Anlagen die Arbeitsroutinen und nahm ent so selten wie möglich abgeschaltet wer Die regelmässige Inbetriebnahme mo sprechende Anpassungen vor. den. «Aus diesem Grund wird auf die derner Anlagen verbessert die Wider Die Raffinerie hat proaktiv Mass vollständige Einhaltung der Sicher standsfähigkeit einer Raffinerie. Dies nahmen ergriffen, die über die von den heits- und Zuverlässigkeitsmassnah erhöht die Fähigkeit zur Anpassung an Die Raffinerie von VARO im neuenburgischen Cressier ist mit einem Behörden erlassenen Richtlinien hin men durch alle Beteiligten grosses Ge Marktschwankungen, die, wie im Fall ausgehen (z.B. systematische Tempe wicht gelegt», sagt Daniel Märki. von Corona, extrem sein können. Das Anteil von 25 Prozent aller Erdölprodukte in der Schweiz ein Pfeiler raturerfassung aller Personen, die den Beispiel der Pre-Flash-Kolonne ist in Standort betreten, Schliessung von Sicherheit geniesst hohe Priorität sofern ausgezeichnet, als diese neue der landesweiten Energieversorgung. Kein Wunder, stehen die Gemeinschaftsbereichen, Trennung Die Besuchenden erwartet vor dem Be Anlage es ermöglicht, die Produktion Themen Resilienz und Flexibilität in Krisen bei der einzigen Schwei der Umkleideräume usw.). «Diese Massnahmen sind äusserst wichtig, treten der Anlage ein zehnminütiger Einführungsfilm und ein darauffolgen besser auf die Marktanforderungen auszurichten oder eine grössere Viel zer Raffinerie besonders stark im Fokus – wie das Unternehmen weil wir eine Mindestzahl von Mitar der zweiseitiger Multiple-Choice-Test falt an Rohölsorten zu verarbeiten – beitern benötigen, um die Sicherheit zum Thema Sicherheit. Darüber hin dies verbunden mit einer Reduktion während der Corona-Krise eindrücklich unter Beweis gestellt hat. von Menschen und Betrieben sowie aus müssen alle angemessene Sicher der CO2-Emissionen.
18 Vom Rohölförderung Erste Reinigung 2 738 910 t 19 Rohöl Direkt an der Lagerstätte wird das Rohöl von Sand und Wasser gereinigt. Rohöl wurden 2019 in die Schweiz importiert. 0m Förderländer Nigeria 34,2 % Algerien 3,3 % Rohölreinigung Kasachstan 28,7 % Russland 1,1 % zum Libyen 22,3 % Aserbaidschan 0,1 % USA 10,5 % Produkt 2000 m Entsalzung Transport Durch die anschliessende Ent- Das Rohöl kommt per Pipeline vom Rohöl wird mit Tiefbohrungen erschlossen. Die salzung wird der Salzgehalt des südfranzösischen Marseille, vom Art der Förderung hängt von der Konsistenz des Rohöls reduziert, um Korrosionen Seehafen Fos-sur-Mer, nach Cressier. Öls und vom Druck in der Lagerstätte ab. in den Anlagen zu verhindern. Atmosphärische Destillation Rohölverarbeitung Das Rohöl wird unter normalem Druck im Fraktionsturm destilliert. Dieser Vorgang trennt die Kohlenwasserstoffe des Rohöls nach Raffinerie in der Raffinerie Molekülgrösse auf. Die Temperaturen in der Anlage nehmen nach Alle Teile des Cressier oben hin ab. Es entstehen Gas, Flüssiggas, Rohbenzin und Mittel- Rohöls werden destillat. Am Boden bleibt der atmosphärische Rückstand zurück. genutzt. Flüssiggas Fraktionsturm Rohöltank Benzin Röhrenofen Hier wird Krisenresistent dank Resilienz das Rohöl auf 350 bis 400 °C und Flexibilität erhitzt. Flugtreibstoff Heizöl leicht Schutz- und Anpassung an die Eigener Firmenarzt Hygienemassnahmen Produktionsnachfrage Dieseltreibstoff In geschlossenen Räumen tragen Wenn die Nachfrage für ein Produkt alle Mitarbeitenden eine Schutz- nachlässt, kann von einem anderen maske, und der Betrieb führte mehr produziert werden. weitere Hygienemassnahmen ein. Heizöl schwer Innovation/Investition Sicherheit Regelmässige Inbetriebnahme von Alle Besucher müssen einen Ein- modernsten Anlagen. Die Anpassungen führungsfilm zum Thema Sicherheit an Marktschwankungen, die Verarbeitung schauen, einen zehnminütigen grösserer Vielfalt an Rohölsorten und die Multiple-Choice-Test ausfüllen sowie Atmosphärischer Reduktion der CO2 -Emissionen können so Schutzkleidung tragen. Rückstand gewährleistet werden.
20 «Ein Technologie 21 verbot führt uns nicht zum Ziel» «Die Schweiz wird auch in Zukunft auf gasförmige sowie flüssige Brenn- und Treibstoffe angewiesen sein», sagt Daniela Decurtins, Direktorin des Verbands der Schweizerischen Gasindustrie VSG, im Gespräch mit Roland Bilang, Geschäftsführer von Avenergy Suisse. «Nur mit einem Mix unterschiedlicher Energieformen sind Verlegung einer Gasleitung. die Klimaziele zu erreichen.» Gefordert sei die Politik. Technologien sind allesamt bereits vorhanden. Ich spreche ist. Schon deshalb kann die einseitige Konzentration auf die von Wärmekraftkoppelung, Power-to-Gas, Power-to-Liquids, Elektrifizierung nicht die Lösung sein. Ich bin überzeugt, aber auch von der Elektro- und der Gasmobilität. dass sowohl gasförmige als auch flüssige Brenn- und Treib Roland Bilang: Frau Decurtins, die Energiepolitik in der stoffe ihren Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten Schweiz steht vor bedeutenden Umbrüchen. Was be Wo sehen Sie den Vorteil der von Ihnen postulierten können. Dazu müssen sie langfristig jedoch CO2-neutral deutet dies aus Ihrer Sicht für die Versorgungssicher Sektorkoppelung? sein. heit mit Gas und ganz generell mit Energie? Sektorkopplung ermöglicht es, erneuerbare Energien opti Daniela Decurtins: Der Verband der Schweizerischen Gasin mal ins Gesamtsystem einzubinden, die Flexibilität des Ge Welche Lösungsansätze bietet die Gaswirtschaft? dustrie VSG bekennt sich zu den von der Politik geforderten samtsystems zu erhöhen und den CO2-Ausstoss zu senken. Alle erneuerbaren Energien und deren Infrastrukturen bil Klimazielen. Bei der Umsetzung haben wir aber Fragezei Mit der Gasinfrastruktur – wir verfügen über ein 20'000 Ki den gemeinsam die Basis für die Energiezukunft. Nur mit chen. Bei allen Anstrengungen zur Verminderung des CO2- lometer umfassendes Gasnetz – stehen uns ausgezeichnete hilfe von Wasserstoff können wir die Klimaziele erreichen. Ausstosses dürfen wir nicht die von Ihnen angesprochene Puffermöglichkeiten für erneuerbare Energien zur Verfü Die Gasnetze sind schon heute zu einem gewissen Grad was Versorgungssicherheit aus den Augen verlieren. Wir laufen gung. Diese brauchen wir dringend, denn eine weitestge serstofftauglich. Der Wasserstoff kann zudem methanisiert Gefahr, die Resilienz aufs Spiel zu setzen. hende Elektrifizierung, die der heutigen Energiepolitik zu und ins Gasnetz eingespeist werden. Die Gasinfrastruktur grunde liegt, scheint mir riskant. mit den riesigen Speicherkapazitäten in Europa kann ent Wo sehen Sie die Probleme? scheidende Unterstützung leisten, indem sie so Stromüber Versorgungssicherheit kann es nur unter Einbezug unter schüsse aus erneuerbaren Quellen aufnimmt und wieder schiedlicher Energieträger geben: Strom, Gas und auch flüs zur Verfügung stellt. Gefordert ist nun die Politik. Wie ge sige Brenn- und Treibstoffe. Doch seit einigen Jahren geht der Trend eindeutig in Richtung Elektrifizierung. Dies be «Die entsprechenden sagt: Die einseitige Förderung der Elektrifizierung bringt uns nicht weiter, wir brauchen eine integrierte Energie- und «Versorgungssicherheit trifft sowohl den Bereich der Mobilität als auch den Wärme markt. Mit einer einseitigen Konzentration auf die Elektrifi Technologien sind alle Klimapolitik. Und ein Technologieverbot führt uns schon gar nicht zum Ziel. kann es nur unter Einbezug zierung besteht das Risiko, dass man das Gesamtsystem aus den Augen verliert, das Potenzial des Zusammenspiels der samt bereits vorhanden.» unterschiedlicher Infrastrukturen und Energieträger und damit auch die Ziele Daniela Decurtins einer sicheren, wirtschaftlichen und klimaneutralen Ener Direktorin Verband der Schweizerischen Gasindustrie (VSG) gieversorgung. Da und dort spricht man bereits vom Rück Inwiefern? Energieträger geben.» bau der Netzinfrastruktur im Gassektor. Dies ist natürlich in Viele Politikerinnen und Politiker gehen davon aus, dass die Daniela Decurtins studierte Geschichte, Volkswirtschaft und Politische Wissenschaften an der Universität Zürich. In den ihrer absoluten Formulierung weder ökonomisch noch öko Schweiz auch künftig genügend Strom aus dem Ausland im 1990er Jahren schrieb sie als Journalistin für den Tages-Anzei Daniela Decurtins logisch zielführend, da die Gasnetze auch für erneuerbare portieren kann. Das ist aber alles andere als gesichert, denn ger mit den Schwerpunkten Wirtschaft und Politik. Mit ihrem Direktorin Verband der Schweizerischen Gasindustrie Gase genutzt werden können. auch im Ausland findet ein Umbau der Energieversorgung 2002 erschienenen Buch «Siemens, Anatomie eines Unterneh statt. Deutschland steigt aus der Atom- und der Kohlekraft mens» widmete sie sich der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Daniela Decurtins war von 2002 bis 2012 stellvertretende Chef Welche Strategie wäre aus Ihrer Sicht zielführend? aus und setzt auf erneuerbare Energien, deren Produktion redaktorin des Tages-Anzeigers und führt seit 2012 den Ver Ich plädiere klar für einen Mix verschiedener Energieträger. starken Schwankungen ausgesetzt ist. Hinzu kommt, dass band der Schweizerischen Gasindustrie (VSG) als Direktorin. Das Stichwort lautet Sektorkoppelung. Die entsprechenden importierter Strom keinesfalls ausschliesslich CO2-neutral
22 Regulierungsbehörde 23 warnt: Netzstabilität auf der Kippe Das Schweizer Elektrizitätsnetz wird von Jahr zu Jahr instabiler. Im Winter könnte der Strom künftig zeitweise knapp werden. Die Eidgenössische Elektrizitätskommission zeigt sich besorgt. Die Signale der Eidgenössischen Elektrizitätskommission El Regelfall miteinander zusammengeschalteten Stromkreise in Com sind alarmierend: «Mit zunehmendem Alter der Kern Umspannwerken und Schaltanlagen abgetrennt werden. kraftwerke nimmt die Wahrscheinlichkeit von technisch oder Wenn auf diese Weise einzelne hoch belastete Stromkreise ge wirtschaftlich bedingten unvorhergesehenen Ausserbetrieb zielt entlastet werden, spricht man von «Entmaschung» (das nahmen zu», schreibt die für den Elektrizitätsbereich zustän Gegenteil davon ist die «Kopplung»). dige unabhängige staatliche Regulierungsbehörde in ihrem Bericht «Stromversorgungssicherheit der Schweiz 2020». Mit Ausfall-Kaskade nach Erdbeben den bislang erzielten Zubauraten für die Produktion aus er In ihrem Bericht verweist die ElCom auf einen Vorfall im neuerbarer Energie sei es «nicht möglich, innert nützlicher Herbst 2019: «Im November musste nach einem Erdbeben in Zeit einen angemessenen Anteil der im Winterhalbjahr weg Südfrankreich aufgrund einer Ausfall-Kaskade die Netzan fallenden Winterproduktion aus Kernkraft (rund 14 TWh) zu bindung der Romandie entmascht werden, so dass diese zeit ersetzen». weise nur noch via Frankreich versorgt werden konnte.» Laut Ein für alle Lebensbereiche so zentrales System wie die ElCom dürften sich solche Probleme im Zuge der fortschrei Stromversorgung sollte «nicht über längere Zeit am Limit be tenden Kopplung der europäischen Stromgrosshandelsmärk trieben werden», heisst es in dem Bericht weiter. Insbesonde te (Market Coupling) noch zuspitzen: «Da auch gleichzeitig in re im Winterhalbjahr besteht laut der Regulierungsbehörde den umliegenden Ländern der Anteil an stochastischer Pro Handlungsbedarf. Da zusätzliche Kapazitäten nicht von heu duktion ansteigt, ist mit einer weiteren Zunahme der Volatili te auf morgen geschaffen werden können, empfiehlt die Kom tät im Systembetrieb zu rechnen.» mission ein rechtlich verbindliches Zubauziel für Erzeu Die ElCom ortet Handlungsbedarf bei der Optimierung gungskapazitäten im Winterhalbjahr zwischen fünf und zehn der Kapazitätsbereitstellung und beim Einsatz von Re Terawattstunden bis 2035. Mit anderen Worten: Ohne zusätz dispatch, also der kurzfristigen Änderung des Kraftwerks liche Produktion, könnte die Stromversorgung zum Problem einsatzes auf Geheiss der Übertragungsnetzbetreiber. Im werden. Deswegen seien «geeignete gesetzliche Massnah Weiteren legt die Regulierungsbehörde einen Schwerpunkt men» zu ergreifen, um das Ausbauziel zu erreichen. Gefor bei der Weiterentwicklung des internationalen Vertragswerks dert ist der Bundesrat. zur Regelung des Verbundbetriebs. Die Warnungen der ElCom sind ernst zu nehmen. Die Stromnetz immer stärker belastet Kommission ist laut Stromversorgungsgesetz für die Über Nicht nur bei der Stromproduktion ortet die ElCom Schwach wachung der Versorgungssicherheit zuständig. Wenn sich stellen. Auch der Ausbau des Übertragungsnetzes bleibe eine mittel- oder langfristig eine erhebliche Gefährdung der inlän Herausforderung. Sogar Verstärkungen des Netzes auf beste dischen Versorgungssicherheit abzeichnet, unterbreitet die henden Trassen – die ElCom nennt explizit die Leitungen Bi ElCom dem Bundesrat entsprechende Massnahmen. Mit cken-Chippis sowie Bassecourt-Mühleberg – können dem ihremBericht vom Juli 2020 ist dies geschehen. Es bleibt zu nach nur nach langwierigen Verfahren realisiert werden. Die hoffen, dass die zuständigen politischen Gremien beim Bund Folge: Der Trend zu einer höheren Belastung der Netze setzt die Konsequenzen ziehen. sich fort. Hintergrund ist die Zunahme an Strom aus erneuer baren Quellen wie Sonne und Wind («stochastische Strom Wasserstoff und Synfuels als Beitrag zur Problemlösung © clu/istockphoto.com produktion»). Im Gegensatz zu Fluss- oder Kernkraftwerken Die Mineralölbranche bietet Hand. Ein Beitrag zur Lösung ist stochastische Stromproduktion stark schwankend. des Problems ist sicherlich die Produktion von Wasserstoff Diese Volatilität ist problematisch. Sie kann die Netze in und künftig synthetischen Treib- und Brennstoffen mit dem nert Sekunden an den Rand des Zusammenbruchs bringen. temporären «überschüssigen» Strom, der aufgrund von Wind- Kommt es zu einem entsprechenden Vorfall, müssen die im und Solarkraft die Stabilität der Stromnetze gefährdet.
24 «Das Wasser Dr. David Volken Dr. David Volken findet als Experte und Berater zu Fragen der Klima- und Gletscherveränderung Beachtung in nationalen und internationalen Medien und wird als Fachreferent für zahlrei che Veranstaltungen im In- und Ausland engagiert. 25 wird knapp» Er hat sich an der ETH Zürich in Hydrologie, Klimatologie und Glaziologie spezialisiert und an der Abteilung Erd wissenschaften zum Thema «Mesoklimatische Temperatur verteilung im Rhone- und Vispertal» promoviert. Seit dem Jahr 2017 sitzt er für die CVP im Kantonsparlament des Kantons Wallis und ist Präsident der CVP des Bezirks Visp. «Ich denke, dass wir mit Warum? Die Schweiz muss in ein koordiniertes Wassermanagement und Mit dem Rückgang der Gletscher reduzieren sich in den Al die entsprechende Infrastruktur investieren. Andernfalls kann vereinten Kräften, pen die natürlichen Wasserreservoire der Schweiz. Das wird für die Wasserversorgung längerfristig zu einer Herausfor in Zukunft eine Wasserknappheit drohen, sagt der Klimaexperte Forschung und Entwicklung derung. Davon sind die unterschiedlichsten Bereiche, Bran chen und Bevölkerungsgruppen betroffen. Das geht von der Landwirtschaft über den Tourismus über die Stromversor Dr. David Volken. die Herausforderungen gung bis hin zur Industrie und nicht zuletzt zur Schifffahrt auf dem Rhein. Es ist damit zu rechnen, dass sich die Rhein in den Griff bekommen.» pegel bei längeren Trockenperioden länger als bisher auf tiefen Ständen bewegen. Für den Import von Produkten – Dr. David Volken und insbesondere auch von Mineralölprodukten über den Klima- und Gletscherexperte, Rhein – sind das sicher keine guten Nachrichten. Auch für Grossratssuppleant, Parlament Kanton Wallis die Trinkwasserversorgung dürften sich künftig grössere He rausforderungen ergeben. Wo sehen Sie Handlungsbedarf? Herr Volken, kann man den Rückgang der Gletscher in Ich denke, wir müssen in vier Bereichen ansetzen: Erstens den vergangenen Jahren in Zahlen fassen? sollten wir dazu übergehen, die bestehenden Staumauern Ja, der Volumenverlust der Gletscher in der Schweiz ist sig und Stauseen in den Alpen vermehrt multifunktionell aus nifikant. Im Jahr 2017 hat der Volumenverlust 2,9 Prozent zurichten. Heute werden die Anlagen ja hauptsächlich zur betragen, 2018 waren es 2,6 Prozent und im vergangenen Stromerzeugung verwendet. Zweitens müssen wir darum Jahr gingen die Volumen der Gletscher um 2 Prozent zurück. die Kapazitäten ausbauen, sprich: Wir sollten wo immer Je nach Szenario wird auch die Gletscherfläche in der möglich die Staumauern erhöhen. Drittens sind in den Sei Schweiz im Jahr 2050 noch rund einen Viertel der Fläche um tentälern neue Barragen und Stauseen zu schaffen, um das 1850 betragen. Und im Jahr 2100 dürfte das Wasservolumen Wasser aus der Schneeschmelze möglichst umfassend auf der Gletscher noch 15 Prozent des Wasservolumens um 1850 zufangen und zu speichern. Und viertens sollte die Grund entsprechen. wasseranreicherung ausgebaut und eine noch bessere Ver netzung der Wassernetze zur Trinkwasserversorgung und Welche Schlüsse ziehen Sie aus diesen Zahlen? für die landwirtschaftliche Bewässerung erreicht werden. Der Rückgang der Gletscher ist ein sichtbares Zeichen eines klaren Trends. Er macht sichtbar, dass es immer wärmer Wer ist gefordert? wird. Das belegen auch die Messdaten. Die Durchschnitts Im Grundsatz betrifft die Herausforderung mit dem Wasser temperatur liegt heute in der Schweiz rund 2 Grad über je uns alle. Gefordert ist aber erst einmal die Politik. Entspre ner von vor 150 Jahren. chende Vorstösse sind beim Bund und auch im Kanton Wallis hängig. Was sind die Folgen? Die Auswirkungen sind vielfältig. Dies gilt naturgemäss ins Wie optimistisch sind Sie für die Zukunft? besondere in Bezug auf das Wasser. Wir beobachten heute Ich bin sehr optimistisch und denke, dass wir mit vereinten ein starkes Gletscherschmelzen im Gebirge mit gewaltigen Kräften, Forschung und Entwicklung die Herausforderun Wassermengen, die via Rhone in Richtung Süden fliessen. gen beim Thema Wasser in den Griff bekommen. Und es ist Anders sieht es im Mittelland aus. Hier nehmen die Wetterex ja auch nicht so, dass höhere Temperaturen ausschliesslich © burakyalcin/shutterstock.com treme zu. Ich rede von tendenziell mehr Niederschlag im negative Folgen nach sich ziehen. Für den Weinbau – im Winter und heftigeren Gewittern im Sommer. In Zukunft zei Wallis ein wichtiger Wirtschaftsfaktor – sind wärmere gen uns die Klimamodelle eine weitere Niederschlags Zeiten positiv. Die Qualität der Walliser Weine hat sich in zunahme im Winter und eine Abnahme im Sommer. Deshalb den vergangenen Jahren markant verbessert. Als Hobby- kommt es im Sommer und Frühherbst zu mehr Trocken Weinbauer kann ich den höheren Durchschnittstemperatu perioden mit entsprechend wenig Abfluss im Mitteland und ren zumindest in dieser Hinsicht auch positive Aspekte Jura. Dies kann zu einem ernsthaften Problem werden. abgewinnen.
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