Energie in der Schweiz - Ausgabe Herbst 2020 - Wie robust ist unser Versorgungssystem? - Avenergy Suisse

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Energie in der Schweiz - Ausgabe Herbst 2020 - Wie robust ist unser Versorgungssystem? - Avenergy Suisse
Ausgabe Herbst 2020

Energie in der Schweiz
Wie robust ist unser Versorgungssystem?
Energie in der Schweiz - Ausgabe Herbst 2020 - Wie robust ist unser Versorgungssystem? - Avenergy Suisse
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                                             Schenkt man Medien und Politikern Glauben, kommt die Energiewende unauf-
                                        haltsam auf uns zu. Es koste zwar einige Anstrengungen, eine Wirtschaft ohne fossile
                                        Energieträger zu gestalten, mit etwas Sparen und dem Zubau von Photovoltaik­-
                                        anlagen auf den Hausdächern müsste die Umstellung jedoch gelingen.
                                             So oder ähnlich lauten die Argumente. Diese Denkweise geht davon aus, dass der
                                        Einsatz fossiler Energieträger graduell zurückgefahren werden könnte und dennoch
                                        genügend Energie zur Verfügung stünde, wenn es auf dem Weg zur Energiewende zu
                                        ­Verzögerungen kommen sollte – etwa durch hinderliche Bauvorschriften.
                                             Dabei geht vergessen, dass unsere heutige Energieversorgung weltumspannend
                                         und über Jahrzehnte aufgebaut wurde. Ein Ersatz dieses Systems ist zwar möglich,
                                         benötigt aber Zeit und vor allem sehr viele Investitionen in die Erschliessung neuer
                                         Energieträger sowie in die Speicherung und Verteilung der mit Sonnen- und
                                         Windkraft erzeugten Energie. Sonnen- und Windenergie sind derzeit die einzigen
                                         «natürlichen» Energieformen, die weltweit in genügender Menge zur Verfügung
                                         stehen würden, um allen Menschen zumindest theoretisch ausreichend klimaneutrale
                                         Energie bereit zu stellen. Diese steht heute aber noch in zu geringem Mass zur Ver­
                                         fügung. Darum ist es gefährlich, die fossilen Energieträger durch Zwangsmassnahmen
                                         aus der Welt schaffen zu wollen.
                                             Verlieren die fossilen Energieträger für Investoren ihre Attraktivität, bevor ein
                                         alternatives Energiesystem aufgebaut ist, könnten wir sehr rasch mit Energie unter­
                                         versorgt sein. Das heutige System, das zuverlässig funktioniert und mit genügend
                                         Puffer für Situationen mit eingeschränkten Lieferketten ausgestattet ist, würde infrage
                                         gestellt. Wohlstand und soziale Stabilität wären unverhofft gefährdet. Soziale Ungleich­
                                         gewichte und Spannungen würden den Frieden in unserer Gesellschaft massiv
                                         gefährden – auch in der Schweiz.
                                             Die Mineralölbranche ist sich ihrer Verantwortung für das Wohlergehen unseres
                                         Landes bewusst. Wir müssen deshalb dafür kämpfen, dass die Rahmenbedingungen
                                         das Wirtschaften mit fossilen Energieträgern solange attraktiv gestalten, bis alternative
 «Wir müssen dafür kämpfen, dass         Energieformen in genügender Menge bereitstehen. Es geht dabei nicht nur um eine

 die Rahmenbedingungen das Wirt­         wirtschaftliche Frage, sondern auch um das soziale Gefüge unserer Gesellschaft.
                                             So steht das Thema Resilienz im Zentrum der vorliegenden Ausgabe unseres
schaften mit fossilen Energieträgern     Magazins Avenue. Auf den folgenden Seiten erfahren Sie unter anderem von Bundes-

  solange attraktiv gestalten, bis       rat Guy Parmelin, wo der Bund Schwachstellen ortet, wie die Mineralölwirtschaft
                                         die Versorgungssicherheit garantiert und warum aus Sicht der Schweizer Gasversorger
    alternative Energieformen in         die unterschiedlichsten Energieträger mit einbezogen werden müssen. Sie lesen auch,

 genügender Menge bereitstehen.»         welche Herausforderungen in den Bereichen Strom- und Wasserversorgung auf
                                         die Schweiz zukommen – und wie wir sie meistern können. Ich wünsche Ihnen viel
                   Daniel Hofer
            Präsident Avenergy Suisse    Vergnügen bei der Lektüre dieses «Nachschlagewerks» zum Thema Resilienz.
Energie in der Schweiz - Ausgabe Herbst 2020 - Wie robust ist unser Versorgungssystem? - Avenergy Suisse
4                                                                                                                            2018 mit den entsprechenden Konse­
                                                                                                                             quenzen für die Versorgung der
                                                                                                                             Schweiz.
                                                                                                                                                                       auch teilweise mit Verzögerungen. Zu­
                                                                                                                                                                       dem werden mit der Energie- und der
                                                                                                                                                                       Landwirtschaftspolitik die Vorausset­
                                                                                                                                                                                                                  standsfähige Gesellschaft zum Nullta­
                                                                                                                                                                                                                  rif zu haben ist. Wir werden uns in
                                                                                                                                                                                                                 ­Zukunft an den Gedanken gewöhnen
                                                                                                                                                                                                                                                           5
                                                                                                                                                                       zungen geschaffen, eine ausreichen­        müssen, dass Krisenvorsorge ihren
                                                                                                                             Welche Abhängigkeiten bestehen            de Autonomie bezüglich der Versor­        Preis hat. Das kann zu Massnahmen
                                                                                                                             gegenüber dem Ausland?                    gung aufrecht zu erhalten. Die             führen, welche für Bund und Wirt­
                                                                                                                             Die Versorgung der Schweiz ist heut­      Pflichtlagerhaltung stellt sicher, dass    schaft Kosten zur Folge haben. Ich
                                                                                                                             zutage bei allen Grundversorgungs­        kurz- bis mittelfristige Versorgungs­      denke hier u.a. an die Informations-
                                                                                                                             gütern in hohem Mass vom Ausland          störungen überbückt werden können.         und Kommunikationstechnologien,
                                                                                                                             abhängig. So importieren wir die ge­      Als Mitglied bei der IEA (International   welche mitunter das Rückgrat für Wirt­
                                                                                                                             samten fossilen Energieträger, rund       Energy Agency), welche sich um die         schaft und Gesellschaft bilden und be­
                                                                                                                             40 Prozent der Nahrungsmittel, einen      Sicherstellung der Verfügbarkeit von       reits heute vorsorglich geschützt wer­
                                                                                                                             grossen Teil der lebenswichtigen Me­      Energie-Produkten in Mangellagen           den müssen. Störungen breiten sich in
                                                                                                                             dikamente und Medizinprodukte so­         kümmert, ist die Schweiz zudem bei         diesen Netzen so rasch aus, dass sich
                                                                                                                             wie der landwirtschaftlichen Produk­      internationalen Mangellagen in Not­        nachhaltige Schäden kaum mehr ver­
                                                                                                                             tionsmittel wie Saatgut und Dünger.       standspläne und Gemeinschaftsaktio­        hindern lassen. Eine solche Vorsorge
                                                                                                                             Bei den genannten Produkten muss­         nen eingebunden, die die Versorgung        kann auch bedeuten, einmal bewusst
                                                                                                                             ten jedoch während der Pandemie           in Regionen mit Mineralölknappheit         auf kostenminimierende Lösungen zu
                                                                                                                             keine Pflichtlager angezapft werden.      sicherstellen.                            verzichten. Auch wird man überlegen
                                                                                                                             Die Abhängigkeiten wurden somit                                                      müssen, ob sensible Güter nicht wie­
                                                                                                                             nicht erst durch die COVID-19-Pande­      Wo sehen Sie noch Verbesserungs­           der von diversen Anbietern und allen­
                                                                                                                             mie sichtbar: In den letzten zehn Jah­    bedarf in punkto Resilienz, und wie        falls auch bei uns hergestellt werden
                                                                                                                             ren hat sich z.B. die Situation bei An­   kann die Widerstandsfähigkeit des          müssten, auch wenn die Produktion
                                                                                                                             tibiotika und Impfstoffen drastisch       Landes in Krisensituationen noch           etwa in Asien kostengünstiger erfolgen
                                                                                                                             zugespitzt. Die Anfänge dieser Ent­       verstärkt werden?                          kann. Selbstverständlich sind solche
                                                                                                                             wicklung sind in den späten 1990er        Die Widerstandsfähigkeit unseres Sys­      Massnahmen immer kritisch zu prüfen
                                                                                                                             Jahren zu suchen. Aufgrund der inter­     tems verleitet zum Glauben, dass eine      und das Kosten/Nutzen-Verhältnis ist
                                                                                                                             nationalen Arbeitsteilung und der         gegen Krisen geschützte und wider­         zu berücksichtigen. Momentan sind
                                                                                                                             grossen Rohstoffabhängigkeit dürften
                                                                                                                             es heute nur noch wenige Güter sein,
                                                                                                                             die sich von A bis Z ohne importierte
                                                                                                                             Komponenten in der Schweiz herstel­
                                                                                                                             len lassen. Die COVID-Krise verdeut­
                                                                                                                             lichte diese Abhängigkeit insbesonde­
                                                                                                                             re bei Einweg-Schutzmaterial – also
                                                                                                                             Masken, Untersuchungshandschu­
                                                                                                                             hen, Schutzbrillen.

                                                                                                                             Was unternimmt die Schweiz, um
                                                                                                                             bei den für das Land kritischen Gü­

    «Nicht zum Nulltarif»
                                                                                                                             tern die Auslandabhängigkeit zu re­
                                                                                                                             duzieren?
                                                                                                                             Die schweizerische Wirtschaft ist –
                                                                                                                             wie bereits erwähnt – stark in die in­
                                                                                                                             ternationalen Liefer- und Produkti­
                                                                                                                             onsketten eingebunden. Dies erlaubt
                                                                                                                             ihr, sich auf die Herstellung spezifi­
    «Wir werden uns in Zukunft an den Gedanken gewöhnen müssen,                                                              scher Güter und Dienstleistungen zu
                                                                                                                             spezialisieren und preiswerte Vorpro­
    dass Krisenvorsorge ihren Preis hat», sagt der Schweizer Volks­                                                          dukte aus dem Ausland zu beschaffen.

    wirtschaftsminister, Bundesrat Guy Parmelin.                                                                             Die guten Beziehungen der Schweiz
                                                                                                                             zu ihren Handelspartnern sowie die
                                                                                                                             internationale Zusammenarbeit im
    Herr Bundesrat Guy Parmelin, wel­     der wirtschaftlichen Landesversor­        die Schwachstellen nicht beim Trans­     Rahmen von internationalen Wirt­
    che besonderen Herausforderun­        gung wie ein Land mit Meereszugang.       port auf den Meeren liegen, sondern      schaftsorganisationen und bilatera­
    gen stellen sich einem Binnenland     So funktionieren die meisten versor­      in den internationalen Logistikketten    len Freihandelsabkommen tragen we­
    wie der Schweiz in Bezug auf die      gungsrelevanten Systeme wie die           bei der Beförderung auf dem europäi­     sentlich dazu bei, die Versorgung
    Resilienz in der wirtschaftlichen     Logis­tik überall ähnlich. Ein offen­     schen Festland und der Verteilung in     sicherzustellen. So konnten die Un­
    Landesversorgung?                     sichtlicher Unterschied ist die Direkt­   der Schweiz. Beispiele dafür sind der    ternehmen in der Schweiz auch wäh­
    Ein Binnenland hat heute in weiten    versorgung aus Übersee. Dazu hält         Unterbruch der Rheintalschienenstre­     rend der COVID-19-Pandemie alle be­
    Teilen die gleichen Herausforderun­   jedoch­ein Bericht meines Departe­        cke bei Rastatt 2017 oder der Niedrig­   nötigten Güter und Dienstleistungen
    gen bezüglich Widerstandsfähigkeit    ments aus dem Jahr 2016 fest, dass        wasserstand des Rheins im Herbst         aus dem Ausland beziehen – wenn
Energie in der Schweiz - Ausgabe Herbst 2020 - Wie robust ist unser Versorgungssystem? - Avenergy Suisse
6                                                                                                                                                                                                                                                               7
                                                                                                                                                        «Wir sollten sehr grundsätzlich
                                                                                                                                                        prüfen, ob es nicht besser wäre,
                                                                                                                                                        wenn gewisse Produkte wieder
                                                                                                                                                          vermehrt in der Schweiz oder
                                                                                                                                                         in Europa hergestellt würden.»

                                                                                                                                überprüft und angepasst. Unsere           über eine eigene Raffinerie, welche        keit überprüft und falls nötig ange­
                                                                                                                                ­ rfahrungen und Lehren aus der
                                                                                                                                E                                         Rohöl in Fertigprodukte verarbeiten        passt. Das Bundesamt für wirtschaft­
                                                                                                                                ­COVID-19 Pandemie werden in diese        kann und rund 25 Prozent der Inland­       liche Landesversorgung analysiert die
                                                                                                                                Arbeiten einfliessen. Gleichzeitig        nachfrage deckt.                           Gefährdung regelmässig zusammen
                                                                                                                                 müssen wir aber auch strukturpoliti­                                                mit dem Bundesamt für Bevölke­
                                                                                                                                 sche Überlegungen anstellen. Wir         Welche Verwerfungen oder Krisen            rungsschutz BABS und nutzt neben
                                                                                                                                 sollten sehr grundsätzlich prüfen, ob    könnten dem Land ernsthaften               anderen Quellen die vom BABS er­
                                                                                                                                 es nicht besser wäre, wenn beispiels­    Schaden zufügen – und wie wapp­            stellte Risikoanalyse als Grundlage.
                                                                                                                                weise gewisse Produkte wieder ver-        nen wir uns, bzw. wie löst die             Eine Strommangellage sowie eine
                                                                                                                                 mehrt in der Schweiz oder in Europa      Schweiz die sich daraus ergeben­           Pandemie haben sich dabei als gröss­
                                                                                                                                hergestellt würden. Wenn wir das          den Herausforderungen?                     te Risiken erwiesen. Es sind zwei Ge­
                                                                                                                                wollen, dann müssen wir die hiesigen      Leider lassen sich Krisen, die die wirt­   fähr­dungen, die auch enorme Heraus­
                                                                                                                                Marktbedingungen entsprechend ge­         schaftliche Landesversorgung betref­       forderungen für die wirtschaftliche
                                                                                                                                 stalten. Und wir müssen dafür sorgen,    fen, selten im Detail voraussehen und      Landesversorgung mitbringen. Das
                                                                                                                                 dass die Beziehungen mit den Nach­       planen. 100% Versorgungssicherheit         haben wir bei der momentanen Pan­
                                                                                                                                barländern gut und die Handelswege        gibt es nicht. Gleichzeitig sind Vorbe­    demie ja bereits erlebt.
                                                                                                                                 offen sind.                              reitungsarbeiten zwingend, um
                                                                                                                                                                          schwere Mangellagen angemessen             Eine persönliche Frage: Haben Sie
    wir auch daran, die verwaltungsinter­    Wie sehen die während der Krise ge­      ausländischen Produktionsstand­           Welche Rolle spielt die Mineralöl­        und rechtzeitig überwinden zu kön­         angesichts der Herausforderungen
     ne Krisenorganisation im Licht der      zogenen langfristigen Konsequen­         orten, liegt es in erster Linie an der    wirtschaft im Rahmen der Stärkung         nen. Die wirtschaftliche Landesver­        in Bezug auf die wirtschaftliche
    ­COVID-19 Pandemie zu evaluieren. In     zen aus?                                 Wirtschaft, die notwendigen Vorkeh­       der Resilienz der Schweiz in Krisen­      sorgung beobachtet und analysiert          Landesversorgung in Krisenzeiten
     meinem Departement habe ich bereits     Die Pandemie hat bestätigt, dass wir     rungen zu treffen. Dort, wo die An­       situationen?                              deshalb ständig die Versorgungssitu­       manchmal auch schlaflose Nächte?
    vor Ausbruch der Krise eine Administ­    nicht erst im Krisenfall, sondern wei­   strengungen der Wirtschaft jedoch         Der Schweizer Bedarf an Erdöl beträgt     ation und die Marktverhältnisse und        Schlaflose eher nicht, aber kurze
     rativuntersuchung zur Führungsorga­     terhin bereits vorgängig Massnahmen      nicht genügen und die Versorgung          rund 2 Promille des weltweiten Erdöl­     bereitet Massnahmen für den Inter­         Nächte sehr wohl. Die Belastung war
     nisation der Wirtschaftlichen Landes­   treffen müssen, um die Versorgungs­      des Landes deshalb ernsthaft in Frage     bedarfs. Der Mineralölbedarf ist in       ventionsfall bestmöglich vor. Inter­       physisch und psychisch sehr gross.
    versorgung, d. h. Zusammenarbeit,        systeme des Landes zu stärken. Nur       gestellt ist, ist der Bund gefordert,     den letzten Jahren stetig leicht gesun­   ventionsmassnahmen werden mit al­
    Aufgabenteilung und Verantwortlich­      so können wir die Widerstandsfähig­      entsprechende Vorgaben zu machen.         ken und liegt aktuell auf dem Niveau      len Anspruchsgruppen (Wirtschaft,
    keiten zwischen dem Amt und der Mi­      keit gegen Versorgungsstörungen er­      Wenn es nicht anders geht, müssen         von 1970. In den letzten 20 Jahren hat    andere Bundesstellen, Kantone) auf
    lizorganisation, in Auftrag gegeben.     höhen. Besteht bei lebenswichtigen       Vorkehrungen angeordnet werden.           sich beispielsweise der Bedarf an         ihre Wirksamkeit und Praxistauglich­
    Daraus gilt es die richtigen Schlüsse    Gütern eine zu grosse Abhängigkeit       Die Pflichtlagerhaltung ist eine solche   Heizöl halbiert. Mit einem Anteil von
    zu ziehen.                               von internationalen Lieferketten oder    Vorkehrung. Diese wird regelmässig        knapp 50% am Endenergieverbrauch
                                                                                                                                ist Erdöl jedoch immer noch der men-
                                                                                                                                genmässig wichtigste Energieträger
                                                                                                                                der schweizerischen Energieversor­
                                                                                                                                                                                                                      Guy Parmelin
                        «Die Pandemie hat bestätigt, dass                                                                       gung. Die Versorgung der Schweiz mit
                                                                                                                                                                                                                      Bundesrat, Vorsteher WBF

                                                                                                                                Erdöl erfolgt aus diversifizierten Be­                                                Guy Parmelin wurde 2003 in den Natio­
                        wir nicht erst im Krisenfall, sondern                                                                   zugsquellen sowohl in Form von Mi­                                                    nalrat gewählt. 2015 wurde er in den
                                                                                                                                                                                                                      Bundesrat gewählt. Seit dem 1. Januar
                                                                                                                                neralölprodukten als auch von Rohöl.
                            weiterhin bereits vorgängig                                                                         Diese Diversifikation und unter­
                                                                                                                                schiedliche Transportwege reduzie­
                                                                                                                                                                                                                      2019 ist er Vorsteher des Eidgenössi­
                                                                                                                                                                                                                      schen Departements für Wirtschaft, Bil­
                                                                                                                                                                                                                      dung und Forschung (WBF). Guy Par­
                         Massnahmen treffen müssen, um                                                                          ren das Risiko eines längerfristigen
                                                                                                                                Versorgungsengpasses. Viele Impor­
                                                                                                                                                                                                                      melin wuchs als Bauernsohn in Bursins
                                                                                                                                                                                                                      auf und liess sich zum Landwirt und

                        die Versorgungssysteme zu stärken.»                                                                     teure und Händler führen zu einer gu­
                                                                                                                                ten Marktabdeckung und Konkurrenz­
                                                                                                                                                                                                                      Winzer ausbilden. Bis zu seiner Wahl
                                                                                                                                                                                                                      in den Bundesrat führte er zusammen
                                                                                                                                                                                                                      mit seinem Bruder den väterlichen Hof.
                                                                                                                                situation. Zudem verfügt die Schweiz
Energie in der Schweiz - Ausgabe Herbst 2020 - Wie robust ist unser Versorgungssystem? - Avenergy Suisse
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    Immer versorgt –                                                                                                                                                                                                                                                                     9

    mit Sicherheit!
    Erdöl ist der wichtigste Energieträger der Schweiz.
    Darum ist die Versorgungssicherheit entscheidend.
    Diese wird durch ein ausgeklügeltes System er­
    reicht. Die wichtigsten Pfeiler sind Import, Handel,
    Verteilung, Logistik, Eigenproduktion und die
    Pflichtlagerhaltung.

                                                                                                                                           Erdölprodukte – wie z.B. Heizöl als Hauptenergieträger im Wärmemarkt – sind in der Schweiz stets verfügbar. Dies gilt auch in Krisenzeiten.

    Wir tanken jederzeit bequem unser Auto auf. Wir geniessen            langen rund 6,8 Prozent der Erdölprodukte via Tanklastwa­         Problemen, kann kurzfristig auf einen anderen Importweg                rem Ausmass auch aus Algerien). Rund 28,7 Prozent wurden
     im Winter die behagliche Wärme, welche unsere Heizung lie­          gen in unser Land. Ein weiterer Teil der Produkte fliesst durch   ausgewichen oder im Inland die Produktion erhöht werden.               2019 aus Kasachstan importiert und weitere 10,5 Prozent aus
     fert, während es draussen eisigkalt ist. Wir wissen, dass die       eine Pipeline via Vernier in die Schweiz. Und Rohöl wird von                                                                             den USA. Nur geringe Anteile lieferten Russland (1,1%) und
    Regale in den Läden stets gut gefüllt sind, weil tausende Last­      Marseille aus durch eine Pipeline nach Cressier in die dortige    Verteilung und Lagerung sichern Versorgung                             Aserbaidschan (0,1%).
    wagen den Nachschub mit Lebensmitteln und Produkten für              Raffinerie transportiert, wo es zu den benötigten Produkten       Auf der Schiene und der Strasse werden die Produkte im gan­                Für die Versorgungssicherheit in der Schweiz ist diese Di­
     den täglichen Bedarf garantieren. Diese Annehmlichkeiten            verarbeitet wird: Heizöl für den Brennstoffmarkt, Benzin und      zen Land verteilt und schweizweit in die Produktelager trans­          versifikation der Handelspartner in aller Welt entscheidend.
     sind in der Schweiz selbstverständlich. Mit anderen Worten:         Diesel für die Mobilität auf der Strasse, Kerosin und Flugben­    portiert. Mit Tanklastzügen werden die Treibstoffe an die              Dies schafft Flexibilität. Sollte einmal ein Handelspartner
    Wir sind es uns gewohnt, dass Energie, gerade auch aus fos­          zin für die Luftfahrt.                                            mehr als 3600 Tankstellen geliefert, die Brennstoffe gehen an          ausfallen, können die Schweizer Importeure jederzeit kurz­
     silen Energieträgern, jederzeit und in ausreichendem Mass               Alleine die Tatsache, dass Erdölprodukte über die unter­      die lokalen Heizöllieferanten.                                         fristig auf andere Lieferanten ausweichen.
    verfügbar ist.                                                       schiedlichsten Wege in die Schweiz gelangen, trägt wesent­            Die Betriebe sowie die Konsumentinnen und Konsumen­
         Erdöl ist der mit Abstand wichtigste Energieträger in der       lich zur Versorgungssicherheit in allen Situationen bei. Fällt    ten schliesslich können ihre Fahrzeuge jederzeit an der Tank­          Selbstversorgung dank eigener Raffinerie
     Schweiz. Mit einem Anteil von 49,3 Prozent am gesamten              ein Transportweg aus oder kommt es auf einzelnen Routen zu        stelle betanken und sich das Heizöl nach Hause liefern las­            Während rund drei Viertel der Erdölprodukte bereits in ihrer
    Energieverbrauch stehen Mineralölprodukte deutlich an der                                                                              sen. Dieses Netz von Lagern der Mineralölbranche, tausenden            gebrauchsfertigen Form in die Schweiz importiert werden, bei­
     Spitze. Zum Vergleich: Der Anteil an elektrischem Strom be­                                                                           Tankstellen und zehntausenden privaten Heizöltanks trägt               spielsweise in Form von Benzin, Diesel, Kerosin oder Heizöl,
     trägt lediglich 25 Prozent, jener von Gas liegt bei 13,5 Prozent.
    Kohle, Holz, Industrieabfälle, Fernwärme und übrige erneu­
                                                                         Mit einem Anteil von 49,3%                                        dazu bei, dass in der Schweiz stets genügend Mineralölpro­
                                                                                                                                           dukte verfügbar sind.
                                                                                                                                                                                                                  trägt die Raffinerie von Varo im neuenburgischen Cressier ei­
                                                                                                                                                                                                                  nen Anteil von rund 25 Prozent des Volumens aller im Inland
     erbare Energien machen zusammen 12,1 Prozent aus.
         Aufgrund der grossen Bedeutung von Erdöl für die Ener­
                                                                            am Energieverbrauch                                            Unterschiedliche Handelspartner
                                                                                                                                                                                                                  verkauften Raffinerieprodukte bei. Die Raffinerie verkauft ihre
                                                                                                                                                                                                                  Produkte hauptsächlich in der Schweiz. Damit leisten die rund
    gieversorgung der Schweiz ist es für die Bevölkerung und die
    Wirtschaft des Landes entscheidend, dass die Versorgungs­            steht Erdöl in der Schweiz                                        Was für die Vielfalt der Importwege gilt, findet beim Handel
                                                                                                                                           ein Pendant, denn die Schweizer Mineralölbranche bezieht
                                                                                                                                                                                                                  270 Angestellten einen wesentlichen Beitrag zur Versorgungs­
                                                                                                                                                                                                                  sicherheit des Landes mit flüssigen Brenn- und Treibstoffen.
     sicherheit mit Mineralölprodukten jederzeit gewährleistet ist                                                                         ihre Produkte von unterschiedlichsten Handelspartnern. Die
    – auch und insbesondere in Krisensituationen. Dies wird auf           klar an der Spitze. Garan­                                       gegen 8,2 Millionen Tonnen Fertigprodukte gelangen zu ei­              Pflichtlager – für alle Fälle
    verschiedene Arten erreicht.                                                                                                           nem grossen Teil via Deutschland in die Schweiz (2019:                 Weil Erdöl der wichtigste Energieträger der Schweiz ist, sichert
                                                                             tierte Versorgungs­                                           46,8%). Die Niederlande steuerten im selben Jahr 16,5 Pro­             sich unser Land auch für Krisensituationen ab. Verantwortlich
    Diverse Importwege schaffen Ausweichmöglichkeiten                                                                                      zent bei, Frankreich 13,6, Belgien 13,4, Italien 8,0 und übrige        dafür ist die 1932 gegründete Organisation CARBURA. Sie ist
    Erdölprodukte werden auf vier Wegen in die Schweiz trans­              sicherheit ist deswegen                                         EU-Länder 1,1 Prozent. Ein geringer Teil der Fertigprodukte            ein privatrechtlicher Verein, dessen Statuten vom Bund geneh­
    portiert. Per Schiff gelangen rund 26,2 Prozent der Produkte                                                                           wurde überdies aus Afrika, Asien/Ozeanien sowie aus den                migt werden und welcher der Oberaufsicht durch das Bundes­
    via Rhein in unser Land. Mit der Bahn werden auf der Schie­
    ne hauptsächlich via Schaffhausen und Kreuzlingen rund
                                                                                entscheidend.                                              USA importiert.
                                                                                                                                               Das in die Schweiz importierte Rohöl stammte zu 59,7 Pro­
                                                                                                                                                                                                                  amt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) untersteht.
                                                                                                                                                                                                                  Für Benzin, Diesel und Heizöl reicht der Vorrat für 4 ½ Mona­
    32,3 Prozent importiert. Via den Grenzübergang Chiasso ge­                                                                             zent aus Afrika (vor allem aus Nigeria und Libyen, in kleine­          te. Für Flugbenzin reicht der Vorrat für 3 Monate.
Energie in der Schweiz - Ausgabe Herbst 2020 - Wie robust ist unser Versorgungssystem? - Avenergy Suisse
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          Versorgungs-                                                                                                                                                                                                                                                                                                               4
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     11
                                                                                                                                                                                                         Die Versorgungssicherheit wird in der Schweiz
                                                                                                                                                                                                                auf mehrere Arten gewährleistet.

          sicherheit                                                                                                                         50 %
                                                                                                                                                                                                               Unterschiedliche Importwege und Handelspartner

                                                                                                                                                                     Fällt einmal ein Handelspartner aus, können die Schweizer Importeure                    Die wichtigsten Handelspartner der
                                                                                                                                                                     jederzeit auf andere Lieferanten ausweichen. Diese Flexibilität ist für die             Schweiz sind Deutschland, Frankreich,
                                                                                                                                      des Energieverbrauchs wird
                                                                                                                                                                     Versorgungssicherheit entscheidend.                                                     Italien, Belgien und die Niederlande.           per Bahn
                                                                                                                                     durch Erdölprodukte gedeckt.                                                                                                                                           über Schaff-
             Fernwärme                               Industrieabfälle                                Kohle                          Deswegen muss die Versorgung                                                                                                                                            hausen und
             2,3 %                                   1,3 %                                           0,5 %                               mit diesen jederzeit
                                                                                                                                            gesichert sein.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                            Kreuzlingen

                                                                                                                                                                                                                                                                               Kreuzlingen
                                                                                                                                                                                                                                                            Schaffhausen
                                                                                                                                                                                per
                                                                                                                                                                                                                                          Basel
                                                                                                                                                                               Schiff
             übrige erneuerbare Energien                                                                                                                                      auf dem
                                                                                                                                                                               Rhein
             3,4 %
                                                                                                                                                                                           Weiterverteilung
                                                                                                                                                                                           per Bahn                          Cressier
                                                                                                                                              Erdölprodukte

                                                                            830 880 TJ           *                                            49,3 %                            Rohöl
                                                                                                                                                                             fliesst via
             Holzenergie
                                                                        Energieverbrauch in der Schweiz                                                                     Pipeline zur
             4,6 %                                                               im Jahr 2018                                                                                Raffinerie
                                                                                                                                                                            in Cressier
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    mit dem
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     LKW
                                                                                                                                                                                                                                                                     Chiasso

                                                                                                                                                                     Gibt es Probleme auf einem Importweg, kann der Import über andere Wege kurzfristig
             Gas                                                                                                                                                     erhöht werden, oder es wird im Inland mehr produziert.
             13,5 %                          Elektrizität

                                             25 %                                                            * TJ = Terajoule                                                                Verteilung und Lager                                                                Die Raffinerie in Cressier
                                                                                                               1 Terajoule sind 1 000 000 000 000 Joule. Joule ist
                                                                                                               eine Grundeinheit der Energie. Ein Joule entspricht
                                                                                                               ungefähr der Energie, die das menschliche Herz für
                                                                                                               einen Schlag braucht.

                                                                                                                                                                                 Züge und
                                                                                                                                                                                Lastwagen
                                                                                                                                                                               verteilen die
                                                                                                                                                                              Erdölprodukte
  Pflichtlager                                                                                                                                                                 in die Lager.
                                                                                                                                                                                                                              Mit Tanklastern werden
Erdöl ist der wichtigste Energieträger der                                                     Die Kosten der obligatorischen Pflichtlager-                                                                                 die Treibstoffe an die mehr
Schweiz. Darum sichert sich das Land mit                                                       haltung werden durch Garantiefonds getragen.                                                                               als 3600 Tankstellen geliefert,
Pflichtlagern ab.                                                                                                                                                                                                              die Brennstoffe gehen
                                                                                               Diese werden durch Beiträge aus lager-                                                                                              an die lokalen
Für Benzin, Diesel und Heizöl reicht der                                                       pflichtigen Gütern finanziert.                                                                                                    Heizöllieferanten.
Vorrat für 4 ½ Monate, beim Flugbenzin
sind es 3 Monate.                                                                              Im Durchschnitt bezahlt jeder Einwohner
                                                                                               der Schweiz auf diese Weise jährlich rund
                                                                                               12 Franken für die wirtschaftliche Landes-
                                                                                               versorgung (Stand: 1. November 2019).
                                                                                                                                                                                      Die Konsumenten
                                        Verantwortlich für die Pflichtlagerhaltung
                                                                                                                                                                                  lassen sich schliesslich
                                        dieser Produkte ist die 1932 gegründete                                                                                                                                                                                   Die Produktion der Raffinerie von VARO macht rund 25 % des Volumens
                                                                                                                                                                                   das Heizöl nach Hause
                                        Organisation CARBURA.                                                                                                                                                                                                               aller im Inland verkauften Raffinerieprodukte aus.
                                                                                                                                                                                   liefern oder betanken
                                                                                                                                                                                       ihr Auto an der
                                        Bei Versorgungsengpässen bewilligt der                                                                                                                                                                                       Die rund 270 Angestellten leisten einen wesentlichen Beitrag zur
                                                                                                                                                                                         Tankstelle.
                                        Bundesrat die Freigabe bestimmter                                                                                                                                                                                         Versorgungssicherheit des Landes mit flüssigen Brenn- und Treibstoffen.
                                        Produktemengen.
Energie in der Schweiz - Ausgabe Herbst 2020 - Wie robust ist unser Versorgungssystem? - Avenergy Suisse
12                                                                                                                                                                                                             13
                                                                                                                                                                  vor das mengenmässig wichtigste Seg­
                                                                                                                                                                  ment der Schweizerischen Rheinhä­
                                                                                                                                                                  fen», heisst es weiter. Jeder dritte Liter
                                                                              Hier werden die Mineralölprodukte                                                   Mineralöl werde über die Rheinhafen­
                                                                                                                                                                  terminals abgewickelt.
                                                                                  gelagert, bevor sie per Last-                                                    Umweltfreundlicher Transport
                                                                              wagen und auf der Schiene weiter-                                                   «Der Transport auf dem Schiff ist mit
                                                                                                                                                                   Sicherheit die umweltfreundlichste

                                                                                     transportiert werden.                                                        Variante», sagt Olivier Waldner. «Lei­
                                                                                                                                                                   der sehen das viele Leute nicht», führt
                                                                                                                                                                   der TAU-Geschäftsführer aus und
                                                                                                                                                                   erläutert: «Der Energieverbrauch ist
                                                                                                                                                                   ­
                                                                                                                                                                   beim Schiff sehr günstig. Mit fünf
                                                                                                                                                                  ­Litern Dieselöl befördert es eine Tonne
                                                                            Eingebettet zwischen dem Rhein und          die Produkte nach der Befüllung in die     über 500 Kilometer weit. Die Bahn
                                                                            dem Hardwald in Muttenz befindet            Region.                                    fährt mit dem gleichen Energieeinsatz
                                                                            sich einer der raren direkten Logistik­                                                nur 300 Kilometer, ein Lastwagen
                                                                            zugänge der Schweiz zum Meer. Es            530'000 m³ Kapazität in Muttenz            knapp 100 Kilometer.»
                                                                            handelt sich um eines der zwei Tankla­      Die Zahlen der Rheinhäfen untermau­
                                                                            ger der Schweizerischen Rheinhäfen.         ern die Bedeutung der Mineralölbran­      Investitionen für künftige Produkte
                                                                                Auf dem Gelände der TAU Tankla­         che. In den beiden Anlagen in den         Bei der TAU Tanklager Auhafen AG
                                                                            ger Auhafen AG in Muttenz zeugen 134        Schweizer Rheinhäfen stehen rund 1        handelt es sich um ein Joint Venture
                                                                            Tanks unterschiedlichster Grösse von        Million Kubikmeter Tankraum für die       von BP und AVIA. Das Unternehmen
                                                                            der Bedeutung des Energieträgers Erd­       Lagerung und den Umschlag von Mi­         wurde 2012 gegründet und beschäftigt
                                                                            öl für die Schweiz. Zwischen 500 und        neralölprodukten zur Verfügung. In        heute 28 Mitarbeitende – «Handwer­
                                                                            14'500 Kubikmeter fassen die imposan­       den Anlagen der TAU sind es mit           ker, Leute aus dem nautischen Bereich,
                                                                            ten Tanks.                                  530’000 Kubikmetern rund die Hälfte       Techniker», sagt Olivier Waldner.
                                                                                Hier werden die Mineralölprodukte       davon.                                        Und es wird in die Zukunft inves­
                                                                            gelagert, bevor sie per Lastwagen und           «Mit einer Steigerung von beinahe     tiert: «Die Tanklager in Muttenz ent­
                                                                            auf der Schiene weitertransportiert         60 Prozent erreichte der Import der Mi­   halten mit jedem Jahr mehr Biotreib­
                                                                            werden. Hier befindet sich auch ein         neralölerzeugnisse 2019 ein Total von     stoffe wie FAME, Ethanol oder HVO,
                                                                            Teil der Pflichtlager für den Krisenfall.   2,8 Millionen Tonnen», vermelden die      und wir sind auch bereit für neue Pro­
                                                                            Gelagert werden Heizöl Extraleicht,         Rheinhäfen in ihrem Jahresbericht         dukte wie zum Beispiel Power-to-­
                                                                            Ökoheizöl schwefelarm, Dieselöl, B7,        2019. Gegenüber dem Vorjahr wurde         liquid», sagt der TAU-Geschäftsführer.
                                                                            Benzin Bleifrei 95 und 98 sowie E5. In      demnach 1 Million Tonnen mehr                 Damit steht fest: Die Versorgungs­
                                                                            den vergangenen Jahren hat der Anteil       umgeschlagen.                             sicherheit mit flüssigen Brenn- und
                                                                            an biogenen Produkten mehr und                  Die grosse Zunahme der Importe        Treibstoffen ist auch in Zukunft gesi­
                                                                            mehr zugenommen.                            geht auf den niedrigen Rheinpegel         chert, wenn die bisherigen fossilen
                                                                                                                        2018 zurück, als man deutlich weniger     Produkte mehr und mehr durch
                                                                            Bis zu 100 Lastwagen pro Tag                Produkte via den Rhein importieren        CO2-neutrale Erzeugnisse ergänzt bzw.
                                                                            Die modernen Tankschiffe mit Abmes­         konnte. Dieser Rückstand wurde 2019       ersetzt werden. Dies gilt sowohl

     Anschluss ans Meer
                                                                            sungen von 110 bis 125 Metern und ei­       wieder aufgeholt. «Die Gütergruppe        für normale Zeiten als auch für
                                                                            nem Fassungsvermögen von bis zu 3,5         Mineralölerzeugnisse bleibt nach wie      Krisensituationen.
                                                                            Millionen Litern gehören auf dem
                                                                            Rhein bei Muttenz zum alltäglichen
                                                                            Bild. An insgesamt sieben sogenann­
                                                                            ten Schifflöschstellen werden die
                                                                            Tankschiffe in Muttenz entladen.
                                                                                                                              «Der Transport auf dem Schiff
     Mehr als acht Millionen Tonnen Mineralölprodukte importiert die
     Schweiz jedes Jahr. Davon gelangt ein Drittel auf Schiffen ins Land.
                                                                               «Die TAU hat die Möglichkeit bis zu
                                                                            sieben Schiffe gleichzeitig zu löschen»,
                                                                                                                                  ist mit Sicherheit die
     Dem Tanklager in Muttenz (TAU) kommt damit eine entscheidende
                                                                            sagt Olivier Waldner, Geschäftsführer
                                                                            der TAU Tanklager Auhafen AG.                     umwelt­freundlichste Variante.»
     Rolle bei der Versorgungssicherheit zu.                                    Drei Bahnfüllstellen und elf Cami­                                        Olivier Waldner
                                                                            onfüllstellen garantieren, dass die                              Geschäftsführer TAU Tanklager Auhafen AG
                                                                            Produkte zu den Abnehmern gelangen.
                                                                            Bis zu 100 Lastwagen befahren das Ge­
                                                                            lände Tag für Tag und transportieren
Energie in der Schweiz - Ausgabe Herbst 2020 - Wie robust ist unser Versorgungssystem? - Avenergy Suisse
14                                                                                                                                                                                                                                                                  15
     Pflichtlager in der
     Schweiz: Kluger
     Rat, Notvorrat!
                                                                                                                                         «Es sind also die Mitglieder der CARBURA, welche die
                                                                                                                                      Versorgung des Landes mit flüssigen Brenn- und Treibstof­
                                                                                                                                      fen nicht nur in normalen Zeiten, sondern auch in Krisensi­
                                                                                                                                      tuationen sicherstellen», betont Andrea Studer. Es handelt
                                                                                                                                      sich um alle Importeure von Erdölprodukten mit Einfuhren
                                                                                                                                      von mehr als 3'000 m³ pro Jahr. Sie müssen mit dem Bund
                                                                                                                                      einen entsprechenden Pflichtlagervertrag abschliessen.
                                                                                                                                          Entscheidend ist bei der Beurteilung der Versorgungsla­
     Die Nachfrage nach Energie wird in der Schweiz rund zur Hälfte mit                                                               ge stets die Frage, ob der Markt jederzeit und überall ver­
                                                                                                                                      sorgt werden kann. Die Strategie der «Wirtschaftlichen Lan­
     flüssigen Treib- und Brennstoffen gedeckt. Damit es in Krisen­                                                                   desversorgung» sieht vor, dass drohende oder eingetretene

     zeiten nicht zu Versorgungsengpässen kommt, besteht landesweit                                                                   Mangellagen zuerst durch Freigaben aus Pflichtlagern kom­
                                                                                                                                      pensiert werden. Sollten sich Versorgungsengpässe
     ein Netz an Pflichtlagern für Mineralölprodukte. Verantwortlich                                                                  abzeichnen, bewilligt der Bundesrat die Freigabe einer be­
                                                                                                                                      stimmten Produktemenge. Dies geschieht auf dem

                                                                                                                                                                                                       © Chunyip Wong/istockphoto.com
     ist die «Schweizerische Pflichtlagerorganisation für flüssige Treib-                                                             Verordnungsweg.
                                                                                                                                          Bei länger dauernden und schweren Versorgungseng­
     und Brennstoffe», die CARBURA.                                                                                                   pässen würde ergänzend der Verbrauch eingeschränkt.
                                                                                                                                      Falls nötig setzt der Bundesrat auf Antrag der Milizorganisa­
                                                                                                                                      tion «Wirtschaftliche Landesversorgung» (WL) entspre­
                                                                                                                                      chende Massnahmen in Kraft.

                                                                                                                                                                                                       Dies stellte insbesondere die Mineralölbranche vor grosse
                                                                                                                                        Fachleute aus der Privat­                                      logistische Herausforderungen, da normalerweise etwa ein
                                                                                                                                                                                                       Viertel aller Importe via die Basler Rheinhäfen in die
                                                                                                                                           wirtschaft stellen                                          Schweiz gelangt.
                                                                                                                                                                                                           Aufgrund der Probleme auf dem Rhein wurde zudem die
     «Kluger Rat, Notvorrat.» Dieser bereits mehr als 50 Jahre alte
     Slogan, der in der Schweiz das Verständnis ganzer Generati­
                                                                      mittel wie Zucker oder Reis. Hinzu kommen grundlegende
                                                                      Produkte wie Medikamente, Getreide, Dünger sowie Futter­
                                                                                                                                        dem Bund ehrenamtlich                                          Bahn im grenznahen Ausland stark ausgelastet, da auch die
                                                                                                                                                                                                       Nachbarländer Deutschland und Frankreich mit dem nied­
     onen geprägt hat, könnte das Motto der Schweizer Pflichtla­
     gerorganisationen sein. Während es aber für die Bevölke­
                                                                      mittel für die Tiere, aber auch Kunststoffvorräte. Im Bereich
                                                                      Energieversorgung stehen flüssige Brennstoffe (Heizöl) und
                                                                                                                                            Fachwissen und                                             rigen Wasserstand zu kämpfen hatten und vermehrt auf
                                                                                                                                                                                                       Schienentransporte für Mineralölprodukte setzten. Mehrim­
     rung früher darum ging, für längere Krisenzeiten über einen
     Vorrat an lebensnotwendigen Gütern zu verfügen, ist das
                                                                      Treibstoffe (Benzin, Diesel, Kerosin) im Fokus.
                                                                                                                                       Arbeitszeit zur Verfügung.                                      porte in die Schweiz mit diesem Verkehrsträger waren ent­
                                                                                                                                                                                                       sprechend kaum möglich. Im Oktober erreichte der Pegel
     Ziel heute eher die Überbrückung kurzfristiger Versorgungs­      Lager reichen für mehrere Monate                                                                                                 des Rheins schliesslich noch nie dagewesene, historische
     engpässe auf nationaler Ebene.                                   «Sollte es bei den flüssigen Brenn- und Treibstoffen zu ei­                                                                      Tiefstwerte, und der Schiffsverkehr kam fast vollständig
         Gemäss dem Bundesamt für wirtschaftliche Landesver­          nem Totalausfall kommen, reichen die Pflichtlager zur Ab­          Bei der WL handelt es sich um eine öffentlich-private         zum Erliegen.
     sorgung (BWL) umfassen die Pflichtlager darum Nahrungs­          deckung des Bedarfs von Benzin, Diesel und Heizöl               Partnerschaft. Dabei stellen Fachleute aus der Privatwirt­           In Anbetracht der Versorgungssituation gab der Bundes­
                                                                      während viereinhalb Monaten, bei geringeren Versorgungs­        schaft dem Bund ehrenamtlich Fachwissen und Arbeitszeit          rat das OK für begrenzte, temporäre Pflichtlagerbezüge.
                                                                      störungen deutlich länger. Die Pflichtlager mit Flugpetrol      zur Verfügung, erarbeiten Bewirtschaftungsmassnahmen,            Zwischen Oktober 2018 und Mitte Januar 2019 wurden so in
          Im Bereich Energie                                          reichen für eine Dauer von drei Monaten», sagt Andrea Stu­
                                                                      der, Direktorin von CARBURA, der für die Durchführung der
                                                                                                                                      beurteilen die Versorgungslage und stellen Anträge auf
                                                                                                                                      Massnahmen.
                                                                                                                                                                                                       mehreren Schritten rund 259’000 m³ an Dieselöl-, Benzin-
                                                                                                                                                                                                       und Flugpetrol-Pflichtlager durch die Mineralölbranche

     stehen flüssige Brennstoffe                                      Pflichtlagerhaltung für Mineralölprodukte verantwortlichen
                                                                      Organisation.                                                   Pflichtlagerfreigaben sind nur selten notwendig
                                                                                                                                                                                                       bezogen.
                                                                                                                                                                                                          «Dank dieser Massnahme konnte die Versorgung mit

        (Heizöl) und Treibstoffe                                          Der privatrechtliche Verein wurde 1932 als Selbsthilfe-
                                                                      Organisation der Importeure flüssiger Treib- und Brennstof­
                                                                                                                                      Zu Pflichtlagerfreigaben kommt es nur selten. Im Spätherbst
                                                                                                                                      2018 war dies das letzte Mal im grösseren Umfang nötig. Tro­
                                                                                                                                                                                                       Treibstoffen an allen Tankstellen und den Landesflughäfen
                                                                                                                                                                                                       zu 100% gesichert werden», sagt Andrea Studer. Die Bevöl­
                                                                      fe gegründet. Die Oberaufsicht liegt beim BWL. Der Bund         ckenes und sonniges Wetter führten im Herbst 2018 zu ext­        kerung musste zu keiner Zeit irgendwelche Einschränkun­
       (Benzin, Diesel, Kerosin)                                      legt jedoch lediglich die Rahmenbedingungen fest, wäh­          rem tiefen Rheinpegeln. Bereits seit Mitte Juli konnten Schif­   gen in Kauf nehmen. Dank der CARBURA ist die Versorgung
                                                                      rend die eigentliche Pflichtlagerhaltung eine Aufgabe der       fe mit Destination Basel nur noch zur Hälfte beladen werden.     der Schweiz mit Mineralölprodukten immer gesichert –
               im Fokus.                                              Wirtschaft ist.                                                 Ab Mitte August sank die Beladungskapazität auf unter 25%.       auch in Krisenzeiten.
Energie in der Schweiz - Ausgabe Herbst 2020 - Wie robust ist unser Versorgungssystem? - Avenergy Suisse
16                                                                          Mächtig ragen die Destillations-Kolon­
                                                                            nen der Raffinerie Cressier neben dem
                                                                            Zihlkanal in die Höhe. Die 75 Hektaren
                                                                                                                        den Umweltschutz zu gewährleisten»,
                                                                                                                        sagt Daniel Märki.
                                                                                                                            «Unsere Mitarbeitenden haben sich
                                                                                                                                                                                                               17
                                                                            umfassende Anlage, die jährlich rund        in dieser für alle schwierigen Situation
                                                                            drei Millionen Tonnen Rohöl verarbei­       vorbildlich verhalten. Ihnen ist be­
                                                                            tet, zeugt von der Robustheit der           wusst, dass die Raffinerie für die Ener­
                                                                            Schweizer Energieversorgung. Ein            gieversorgung des Landes systemrele­
                                                                            Viertel aller fossilen Produkte wie Ben­    vant ist.»
                                                                            zin, Diesel, Heizöl und Kerosin für den
                                                                            Schweizer Markt werden hier produ­          Flexibilität in der Produktion
                                                                            ziert.                                      Auch aufseiten Produkte erweist sich
                                                                                Damit ist die Anlage für die Schwei­    VARO als krisenresistent. So brach die
                                                                            zer Versorgungssicherheit unentbehr­        Nachfrage nach Kerosin für die Flugin­
                                                                            lich. Der Betrieb steht damit auch für      dustrie aufgrund der sanitären Situati­
                                                                            die Resilienz und Anpassungsfähig­          on regelrecht ein. Raffinerien leiden
                                                                            keit der Schweizer Mineralölbranche.        im Allgemeinen unter dieser Situation,
                                                                            Dies gilt sowohl in normalen Zeiten als     jedoch war Cressier aufgrund seiner
                                                                            auch in Krisensituationen.                  Konfiguration und Produktionsflexibi­
                                                                                Ein Beispiel für diese Flexibilität     lität nur geringfügig davon betroffen.
                                                                            sind die Massnahmen der Raffinerie­             Die Raffinerie bewies exemplarisch,
                                                                            betreiberin VARO Energy während der         wie krisenresistent die gesamte Mine­
                                                                            Corona-Krise. Dank ausgereifter Si­         ralölbranche ist, denn man fuhr nach
                                                                            cherheitsvorkehrungen und einer             dem Zusammenbruch der Nachfrage
                                                                            frühzeitigen Anpassung der Organisa­        nach Kerosin die Produktion auf unter
                                                                            tion im Betrieb konnte die Produktion       ein Prozent hinunter und stellte ver­
                                                                            in Cressier jederzeit sichergestellt wer­   mehrt Produkte her, welche noch über
                                                                            den. «Wir haben die Operationsteams         einen Absatzmarkt verfügten. Dazu
                                                                            geteilt, damit im Fall einer Infektion      zählt insbesondere Heizöl.
                                                                            eines Mitarbeitenden nicht die ganze            Für VARO bedeutet Belastbarkeit
                                                                            Produktion heruntergefahren werden          auch, dass die Produktion im Falle ei­
                                                                            muss», sagt Daniel Märki, Human-­           ner Unterbrechung der Rohölversor­
                                                                                                                                                                   Neue Pre-Flash-Kolonne in Cressier.
                                                                            Resources-Manager.                          gung über die Marseille-Pipeline für ei­
                                                                                                                        nen kurzen Zeitraum fortgesetzt werden
                                                                            Arbeitsroutinen hinterfragt                 könnte. Mit Hilfe des in der Pipeline      heitskleidung tragen, einschliesslich
                                                                            «In der Raffinerie gibt es einen eigenen    verfügbaren Rohöls und der vorhande­       Stahlkappenschuhe, Overalls, Helm,
                                                                            Firmenarzt und die Kontakte zum Kan­        nen Lagerkapazität ist die Produktion      Schutzbrille und Handschuhe.
                                                                            tonsarzt und zu den Behörden wurden         für einige Zeit gesichert. Um die Konti­       Zum Teil dank dieser Sicherheits­
                                                                                                                                                                   massnahmen wurde die Verletzungs­
                                                                                                                                                                   gefahr für die Arbeitnehmer erheblich
                                                                               Die Produktionsanlage in Cressier                                                   verringert, dies gilt auch für das Risiko
                                                                                                                                                                   der Stilllegung von Produktionen. All

     Krisenresistent: Die
                                                                                      ist für die Schweizer                                                        dies trägt dazu bei, die Solidität und
                                                                                                                                                                   Regelmässigkeit des Beitrags von Cres­
                                                                               Energie­versorgung systemrelevant.                                                  sier zu einer zuverlässigen Versorgung
                                                                                                                                                                   der Schweiz mit Erdölprodukten zu

     Raffinerie in Cressier
                                                                                                                                                                   erhöhen.
                                                                            intensiviert», erläutert Daniel Märki.      nuität der Versorgung im Allgemeinen
                                                                            Frühzeitig hinterfragte VARO Energy         zu gewährleisten, sollten die Einheiten    Neue, moderne Anlagen
                                                                            die Arbeitsroutinen und nahm ent­           so selten wie möglich abgeschaltet wer­    Die regelmässige Inbetriebnahme mo­
                                                                            sprechende Anpassungen vor.                 den. «Aus diesem Grund wird auf die        derner Anlagen verbessert die Wider­
                                                                                Die Raffinerie hat proaktiv Mass­       vollständige Einhaltung der Sicher­        standsfähigkeit einer Raffinerie. Dies
                                                                            nahmen ergriffen, die über die von den      heits- und Zuverlässigkeitsmassnah­        erhöht die Fähigkeit zur Anpassung an
     Die Raffinerie von VARO im neuenburgischen Cressier ist mit einem      Behörden erlassenen Richtlinien hin­        men durch alle Beteiligten grosses Ge­     Marktschwankungen, die, wie im Fall
                                                                            ausgehen (z.B. systematische Tempe­         wicht gelegt», sagt Daniel Märki.          von Corona, extrem sein können. Das
     Anteil von 25 Prozent aller Erdölprodukte in der Schweiz ein Pfeiler   raturerfassung aller Personen, die den                                                 Beispiel der Pre-Flash-Kolonne ist in­
                                                                            Standort betreten, Schliessung von          Sicherheit geniesst hohe Priorität         sofern ausgezeichnet, als diese neue
     der landesweiten Energieversorgung. Kein Wunder, stehen die            Gemeinschaftsbereichen,      Trennung       Die Besuchenden erwartet vor dem Be­       Anlage es ermöglicht, die Produktion
     Themen Resilienz und Flexibilität in Krisen bei der einzigen Schwei­   der Umkleideräume usw.). «Diese
                                                                            Massnahmen sind äusserst wichtig,
                                                                                                                        treten der Anlage ein zehnminütiger
                                                                                                                        Einführungsfilm und ein darauffolgen­
                                                                                                                                                                   besser auf die Marktanforderungen
                                                                                                                                                                   auszurichten oder eine grössere Viel­
     zer Raffinerie besonders stark im Fokus – wie das Unternehmen          weil wir eine Mindestzahl von Mitar­        der zweiseitiger Multiple-Choice-Test      falt an Rohölsorten zu verarbeiten –
                                                                            beitern benötigen, um die Sicherheit        zum Thema Sicherheit. Darüber hin­         dies verbunden mit einer Reduktion
     während der Corona-Krise eindrücklich unter Beweis gestellt hat.       von Menschen und Betrieben sowie            aus müssen alle angemessene Sicher­        der CO2-Emissionen.
Energie in der Schweiz - Ausgabe Herbst 2020 - Wie robust ist unser Versorgungssystem? - Avenergy Suisse
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         Vom                                                                     Rohölförderung
                                                                                                                                                                        Erste Reinigung
                                                                                                                                                                                                                                 2 738 910 t
                                                                                                                                                                                                                                                                                                 19

         Rohöl
                                                                                                                                                               Direkt an der Lagerstätte wird das
                                                                                                                                                             Rohöl von Sand und Wasser gereinigt.                                Rohöl wurden 2019 in die Schweiz importiert.
                                                                                                    0m
                                                                                                                                                                                                                                 Förderländer
                                                                                                                                                                                                                                 Nigeria 34,2 %            Algerien 3,3 %
                                                                                                                                                                       Rohölreinigung                                            Kasachstan 28,7 %         Russland 1,1 %

         zum
                                                                                                                                                                                                                                 Libyen 22,3 %             Aserbaidschan 0,1 %
                                                                                                                                                                                                                                 USA 10,5 %

         Produkt
                                                                                              2000 m
                                                                                                                                                                         Entsalzung                                  Transport

                                                                                                                                                                 Durch die anschliessende Ent-                                                  Das Rohöl kommt per Pipeline vom
                                                                                                            Rohöl wird mit Tiefbohrungen erschlossen. Die       salzung wird der Salzgehalt des                                                  südfranzösischen Marseille, vom
                                                                                                            Art der Förderung hängt von der Konsistenz des     Rohöls reduziert, um Korrosionen                                                Seehafen Fos-sur-Mer, nach Cressier.
                                                                                                            Öls und vom Druck in der Lagerstätte ab.             in den Anlagen zu verhindern.

                                                                                                                                                             Atmosphärische Destillation
                                                                                                                   Rohölverarbeitung                         Das Rohöl wird unter normalem Druck im Fraktionsturm destilliert.
                                                                                                                                                             Dieser Vorgang trennt die Kohlenwasserstoffe des Rohöls nach
 Raffinerie                                                                                                         in der Raffinerie                        Molekülgrösse auf. Die Temperaturen in der Anlage nehmen nach                                                             Alle Teile des
  Cressier                                                                                                                                                   oben hin ab. Es entstehen Gas, Flüssiggas, Rohbenzin und Mittel-                                                         Rohöls werden
                                                                                                                                                             destillat. Am Boden bleibt der atmosphärische Rückstand zurück.                                                              genutzt.

                                                                                                                                                                                                                                                       Flüssiggas
                                                                                                                                                             Fraktionsturm

                                                                                                                     Rohöltank

                                                                                                                                                                                                                                                           Benzin

                                                                                                                                        Röhrenofen
                                                                                                                                         Hier wird
                          Krisenresistent dank Resilienz                                                                               das Rohöl auf
                                                                                                                                      350 bis 400 °C
                                 und Flexibilität                                                                                         erhitzt.                                                                                                   Flugtreibstoff

                                                                                                                                                                                                                                                      Heizöl leicht

                                  Schutz- und                      Anpassung an die
Eigener Firmenarzt
                              Hygienemassnahmen                  Produktionsnachfrage                                                                                                                                                             Dieseltreibstoff

                            In geschlossenen Räumen tragen     Wenn die Nachfrage für ein Produkt
                            alle Mitarbeitenden eine Schutz-   nachlässt, kann von einem anderen
                            maske, und der Betrieb führte      mehr produziert werden.
                            weitere Hygienemassnahmen ein.
                                                                                                                                                                                                                                                   Heizöl schwer

           Innovation/Investition                                      Sicherheit

         Regelmässige Inbetriebnahme von                             Alle Besucher müssen einen Ein-
         modernsten Anlagen. Die Anpassungen                         führungsfilm zum Thema Sicherheit
         an Marktschwankungen, die Verarbeitung                      schauen, einen zehnminütigen
         grösserer Vielfalt an Rohölsorten und die                   Multiple-Choice-Test ausfüllen sowie                                                                                                                                       Atmosphärischer
         Reduktion der CO2 -Emissionen können so                     Schutzkleidung tragen.                                                                                                                                                        Rückstand
         gewährleistet werden.
20
     «Ein Technologie­                                                                                                                                                                                                                                            21

     verbot führt uns
     nicht zum Ziel»
     «Die Schweiz wird auch in Zukunft auf gasförmige sowie flüssige
     Brenn- und Treibstoffe angewiesen sein», sagt Daniela Decurtins,
     Direktorin des Verbands der Schweizerischen Gasindustrie VSG,
     im Gespräch mit Roland Bilang, Geschäftsführer von Avenergy
     Suisse. «Nur mit einem Mix unterschiedlicher Energieformen sind
                                                                                                                              Verlegung einer Gasleitung.
     die Klimaziele zu erreichen.» Gefordert sei die Politik.
                                                                                                                              Technologien sind allesamt bereits vorhanden. Ich spreche       ist. Schon deshalb kann die einseitige Konzentration auf die
                                                                                                                              von Wärmekraftkoppelung, Power-to-Gas, Power-to-Liquids,        Elektrifizierung nicht die Lösung sein. Ich bin überzeugt,
                                                                                                                              aber auch von der Elektro- und der Gasmobilität.                dass sowohl gasförmige als auch flüssige Brenn- und Treib­
                                                              Roland Bilang: Frau Decurtins, die Energiepolitik in der
                                                                                                                                                                                              stoffe ihren Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten
                                                              Schweiz steht vor bedeutenden Umbrüchen. Was be­
                                                                                                                              Wo sehen Sie den Vorteil der von Ihnen postulierten             können. Dazu müssen sie langfristig jedoch CO2-neutral
                                                              deutet dies aus Ihrer Sicht für die Versorgungssicher­
                                                                                                                              Sektorkoppelung?                                                sein.
                                                              heit mit Gas und ganz generell mit Energie?
                                                                                                                              Sektorkopplung ermöglicht es, erneuerbare Energien opti­
                                                              Daniela Decurtins: Der Verband der Schweizerischen Gasin­
                                                                                                                              mal ins Gesamtsystem einzubinden, die Flexibilität des Ge­      Welche Lösungsansätze bietet die Gaswirtschaft?
                                                              dustrie VSG bekennt sich zu den von der Politik geforderten
                                                                                                                              samtsystems zu erhöhen und den CO2-Ausstoss zu senken.          Alle erneuerbaren Energien und deren Infrastrukturen bil­
                                                              Klimazielen. Bei der Umsetzung haben wir aber Fragezei­
                                                                                                                              Mit der Gasinfrastruktur – wir verfügen über ein 20'000 Ki­     den gemeinsam die Basis für die Energiezukunft. Nur mit­
                                                              chen. Bei allen Anstrengungen zur Verminderung des CO2-
                                                                                                                              lometer umfassendes Gasnetz – stehen uns ausgezeichnete         hilfe von Wasserstoff können wir die Klimaziele erreichen.
                                                              Ausstosses dürfen wir nicht die von Ihnen angesprochene
                                                                                                                              Puffermöglichkeiten für erneuerbare Energien zur Verfü­         Die Gasnetze sind schon heute zu einem gewissen Grad was­
                                                              Versorgungssicherheit aus den Augen verlieren. Wir laufen
                                                                                                                              gung. Diese brauchen wir dringend, denn eine weitestge­         serstofftauglich. Der Wasserstoff kann zudem methanisiert
                                                              Gefahr, die Resilienz aufs Spiel zu setzen.
                                                                                                                              hende Elektrifizierung, die der heutigen Energiepolitik zu­     und ins Gasnetz eingespeist werden. Die Gasinfrastruktur
                                                                                                                              grunde liegt, scheint mir riskant.                              mit den riesigen Speicherkapazitäten in Europa kann ent­
                                                              Wo sehen Sie die Probleme?
                                                                                                                                                                                              scheidende Unterstützung leisten, indem sie so Stromüber­
                                                              Versorgungssicherheit kann es nur unter Einbezug unter­
                                                                                                                                                                                              schüsse aus erneuerbaren Quellen aufnimmt und wieder
                                                              schiedlicher Energieträger geben: Strom, Gas und auch flüs­
                                                                                                                                                                                              zur Verfügung stellt. Gefordert ist nun die Politik. Wie ge­
                                                              sige Brenn- und Treibstoffe. Doch seit einigen Jahren geht
                                                              der Trend eindeutig in Richtung Elektrifizierung. Dies be­
                                                                                                                                «Die entsprechenden                                           sagt: Die einseitige Förderung der Elektrifizierung bringt
                                                                                                                                                                                              uns nicht weiter, wir brauchen eine integrierte Energie- und
      «Versorgungssicherheit                                  trifft sowohl den Bereich der Mobilität als auch den Wärme­
                                                              markt. Mit einer einseitigen Konzentration auf die Elektrifi­
                                                                                                                               Technologien sind alle­                                        Klimapolitik. Und ein Technologieverbot führt uns schon
                                                                                                                                                                                              gar nicht zum Ziel.
     kann es nur unter Einbezug                               zierung besteht das Risiko, dass man das Gesamtsystem aus
                                                              den Augen verliert, das Potenzial des Zusammenspiels der        samt bereits vorhanden.»
         unterschiedlicher                                    Infrastrukturen und Energieträger und damit auch die Ziele                                                                        Daniela Decurtins
                                                              einer sicheren, wirtschaftlichen und klimaneutralen Ener­                                                                         Direktorin Verband der Schweizerischen Gasindustrie (VSG)
                                                              gieversorgung. Da und dort spricht man bereits vom Rück­        Inwiefern?
       Energieträger geben.»                                  bau der Netzinfrastruktur im Gassektor. Dies ist natürlich in   Viele Politikerinnen und Politiker gehen davon aus, dass die
                                                                                                                                                                                                Daniela Decurtins studierte Geschichte, Volkswirtschaft und
                                                                                                                                                                                                Politische Wissenschaften an der Universität Zürich. In den
                                                              ihrer absoluten Formulierung weder ökonomisch noch öko­         Schweiz auch künftig genügend Strom aus dem Ausland im­           1990er Jahren schrieb sie als Journalistin für den Tages-Anzei­
                         Daniela Decurtins                    logisch zielführend, da die Gasnetze auch für erneuerbare       portieren kann. Das ist aber alles andere als gesichert, denn     ger mit den Schwerpunkten Wirtschaft und Politik. Mit ihrem
        Direktorin Verband der Schweizerischen Gasindustrie   Gase genutzt werden können.                                     auch im Ausland findet ein Umbau der Energieversorgung            2002 erschienenen Buch «Siemens, Anatomie eines Unterneh­
                                                                                                                              statt. Deutschland steigt aus der Atom- und der Kohlekraft        mens» widmete sie sich der deutschen Wirtschaftsgeschichte.
                                                                                                                                                                                                Daniela Decurtins war von 2002 bis 2012 stellvertretende Chef­
                                                              Welche Strategie wäre aus Ihrer Sicht zielführend?              aus und setzt auf erneuerbare Energien, deren Produktion
                                                                                                                                                                                                redaktorin des Tages-Anzeigers und führt seit 2012 den Ver­
                                                              Ich plädiere klar für einen Mix verschiedener Energieträger.    starken Schwankungen ausgesetzt ist. Hinzu kommt, dass            band der Schweizerischen Gasindustrie (VSG) als Direktorin.
                                                              Das Stichwort lautet Sektorkoppelung. Die entsprechenden        importierter Strom keinesfalls ausschliesslich CO2-neutral
22        Regulierungsbehörde                                                                                                                 23
                        warnt: Netz­stabilität auf
                        der Kippe
                        Das Schweizer Elektrizitätsnetz wird von Jahr zu Jahr instabiler.
                        Im Winter könnte der Strom künftig zeitweise knapp
                        werden. Die Eidgenössische Elektrizitätskommission zeigt
                        sich besorgt.

                        Die Signale der Eidgenössischen Elektrizitätskommission El­        Regelfall miteinander zusammengeschalteten Stromkreise in
                        Com sind alarmierend: «Mit zunehmendem Alter der Kern­             Umspannwerken und Schaltanlagen abgetrennt werden.
                        kraftwerke nimmt die Wahrscheinlichkeit von technisch oder         Wenn auf diese Weise einzelne hoch belastete Stromkreise ge­
                        wirtschaftlich bedingten unvorhergesehenen Ausserbetrieb­          zielt entlastet werden, spricht man von «Entmaschung» (das
                        nahmen zu», schreibt die für den Elektrizitätsbereich zustän­      Gegenteil davon ist die «Kopplung»).
                        dige unabhängige staatliche Regulierungsbehörde in ihrem
                        Bericht «Stromversorgungssicherheit der Schweiz 2020». Mit         Ausfall-Kaskade nach Erdbeben
                        den bislang erzielten Zubauraten für die Produktion aus er­        In ihrem Bericht verweist die ElCom auf einen Vorfall im
                        neuerbarer Energie sei es «nicht möglich, innert nützlicher        Herbst 2019: «Im November musste nach einem Erdbeben in
                        Zeit einen angemessenen Anteil der im Winterhalbjahr weg­          Südfrankreich aufgrund einer Ausfall-Kaskade die Netzan­
                        fallenden Winterproduktion aus Kernkraft (rund 14 TWh) zu          bindung der Romandie entmascht werden, so dass diese zeit­
                        ersetzen».                                                         weise nur noch via Frankreich versorgt werden konnte.» Laut
                            Ein für alle Lebensbereiche so zentrales System wie die        ElCom dürften sich solche Probleme im Zuge der fortschrei­
                        Stromversorgung sollte «nicht über längere Zeit am Limit be­       tenden Kopplung der europäischen Stromgrosshandelsmärk­
                        trieben werden», heisst es in dem Bericht weiter. Insbesonde­      te (Market Coupling) noch zuspitzen: «Da auch gleichzeitig in
                        re im Winterhalbjahr besteht laut der Regulierungsbehörde          den umliegenden Ländern der Anteil an stochastischer Pro­
                        Handlungsbedarf. Da zusätzliche Kapazitäten nicht von heu­         duktion ansteigt, ist mit einer weiteren Zunahme der Volatili­
                        te auf morgen geschaffen werden können, empfiehlt die Kom­         tät im Systembetrieb zu rechnen.»
                        mission ein rechtlich verbindliches Zubauziel für Erzeu­                Die ElCom ortet Handlungsbedarf bei der Optimierung
                        gungskapazitäten im Winterhalbjahr zwischen fünf und zehn          der Kapazitätsbereitstellung und beim Einsatz von Re­
                        Terawattstunden bis 2035. Mit anderen Worten: Ohne zusätz­         dispatch, also der kurzfristigen Änderung des Kraftwerks­
                        liche Produktion, könnte die Stromversorgung zum Problem           einsatzes auf Geheiss der Übertragungsnetzbetreiber. Im
                        werden. Deswegen seien «geeignete gesetzliche Massnah­             Weiteren legt die Regulierungsbehörde einen Schwerpunkt
                        men» zu ergreifen, um das Ausbauziel zu erreichen. Gefor­          bei der Weiterentwicklung des internationalen Vertragswerks
                        dert ist der Bundesrat.                                            zur Regelung des Verbundbetriebs.
                                                                                                Die Warnungen der ElCom sind ernst zu nehmen. Die
                        Stromnetz immer stärker belastet                                   Kommission ist laut Stromversorgungsgesetz für die Über­
                        Nicht nur bei der Stromproduktion ortet die ElCom Schwach­         wachung der Versorgungssicherheit zuständig. Wenn sich
                        stellen. Auch der Ausbau des Übertragungsnetzes bleibe eine        mittel- oder langfristig eine erhebliche Gefährdung der inlän­
                        Herausforderung. Sogar Verstärkungen des Netzes auf beste­         dischen Versorgungssicherheit abzeichnet, unterbreitet die
                        henden Trassen – die ElCom nennt explizit die Leitungen Bi­        ElCom dem Bundesrat entsprechende Massnahmen. Mit
                        cken-Chippis sowie Bassecourt-Mühleberg – können dem­              ihrem­Bericht vom Juli 2020 ist dies geschehen. Es bleibt zu
                        nach nur nach langwierigen Verfahren realisiert werden. Die        hoffen, dass die zuständigen politischen Gremien beim Bund
                        Folge: Der Trend zu einer höheren Belastung der Netze setzt        die Konsequenzen ziehen.
                        sich fort. Hintergrund ist die Zunahme an Strom aus erneuer­
                        baren Quellen wie Sonne und Wind («stochastische Strom­            Wasserstoff und Synfuels als Beitrag zur Problemlösung
© clu/istockphoto.com

                        produktion»). Im Gegensatz zu Fluss- oder Kernkraftwerken          Die Mineralölbranche bietet Hand. Ein Beitrag zur Lösung
                        ist stochastische Stromproduktion stark schwankend.                des Problems ist sicherlich die Produktion von Wasserstoff
                             Diese Volatilität ist problematisch. Sie kann die Netze in­   und künftig synthetischen Treib- und Brennstoffen mit dem
                        nert Sekunden an den Rand des Zusammenbruchs bringen.              temporären «überschüssigen» Strom, der aufgrund von Wind-
                        Kommt es zu einem entsprechenden Vorfall, müssen die im            und Solarkraft die Stabilität der Stromnetze gefährdet.
24
                                 «Das Wasser                                                                                                                      Dr. David Volken
                                                                                                                                                                  Dr. David Volken findet als Experte und Berater zu Fragen der
                                                                                                                                                                  Klima- und Gletscher­veränderung Beachtung in nationalen und
                                                                                                                                                                  internationalen Medien und wird als Fachreferent für zahlrei­
                                                                                                                                                                  che Veranstaltungen im In- und Ausland engagiert.
                                                                                                                                                                                                                                  25

                                 wird knapp»
                                                                                                                                                                  Er hat sich an der ETH Zürich in Hydrologie, Klimatologie und
                                                                                                                                                                  Glaziologie spezialisiert und an der Abteilung Erd­
                                                                                                                                                                  wissenschaften zum Thema «Meso­klimatische Temperatur­
                                                                                                                                                                  verteilung im Rhone- und Vispertal» promoviert. Seit dem Jahr
                                                                                                                                                                  2017 sitzt er für die CVP im Kantonsparlament des Kantons
                                                                                                                                                                  Wallis und ist Präsident der CVP des Bezirks Visp.

                                                                                                  «Ich denke, dass wir mit                                      Warum?
                                 Die Schweiz muss in ein koordiniertes Wassermanagement und                                                                     Mit dem Rückgang der Gletscher reduzieren sich in den Al­

                                 die entsprechende Infrastruktur investieren. Andernfalls kann        vereinten Kräften,                                        pen die natürlichen Wasserreservoire der Schweiz. Das wird
                                                                                                                                                                für die Wasserversorgung längerfristig zu einer Herausfor­

                                 in Zukunft eine Wasserknappheit drohen, sagt der Klimaexperte   Forschung und Entwicklung                                      derung. Davon sind die unterschiedlichsten Bereiche, Bran­
                                                                                                                                                                chen und Bevölkerungsgruppen betroffen. Das geht von der
                                                                                                                                                                Landwirtschaft über den Tourismus über die Stromversor­
                                 Dr. David Volken.                                                 die Herausforderungen                                        gung bis hin zur Industrie und nicht zuletzt zur Schifffahrt
                                                                                                                                                                auf dem Rhein. Es ist damit zu rechnen, dass sich die Rhein­
                                                                                                  in den Griff bekommen.»                                       pegel bei längeren Trockenperioden länger als bisher auf
                                                                                                                                                                tiefen Ständen bewegen. Für den Import von Produkten –
                                                                                                                       Dr. David Volken                         und insbesondere auch von Mineralölprodukten über den
                                                                                                                 Klima- und Gletscherexperte,                   Rhein – sind das sicher keine guten Nachrichten. Auch für
                                                                                                          Grossratssuppleant, Parlament Kanton Wallis           die Trinkwasserversorgung dürften sich künftig grössere He­
                                                                                                                                                                rausforderungen ergeben.

                                                                                                                                                                Wo sehen Sie Handlungsbedarf?
                                                                                                 Herr Volken, kann man den Rückgang der Gletscher in            Ich denke, wir müssen in vier Bereichen ansetzen: Erstens
                                                                                                 den vergangenen Jahren in Zahlen fassen?                       sollten wir dazu übergehen, die bestehenden Staumauern
                                                                                                 Ja, der Volumenverlust der Gletscher in der Schweiz ist sig­   und Stauseen in den Alpen vermehrt multifunktionell aus­
                                                                                                 nifikant. Im Jahr 2017 hat der Volumenverlust 2,9 Prozent      zurichten. Heute werden die Anlagen ja hauptsächlich zur
                                                                                                 betragen, 2018 waren es 2,6 Prozent und im vergangenen         Stromerzeugung verwendet. Zweitens müssen wir darum
                                                                                                 Jahr gingen die Volumen der Gletscher um 2 Prozent zurück.     die Kapazitäten ausbauen, sprich: Wir sollten wo immer
                                                                                                 Je nach Szenario wird auch die Gletscherfläche in der          möglich die Staumauern erhöhen. Drittens sind in den Sei­
                                                                                                 Schweiz im Jahr 2050 noch rund einen Viertel der Fläche um     tentälern neue Barragen und Stauseen zu schaffen, um das
                                                                                                 1850 betragen. Und im Jahr 2100 dürfte das Wasservolumen       Wasser aus der Schneeschmelze möglichst umfassend auf­
                                                                                                 der Gletscher noch 15 Prozent des Wasservolumens um 1850       zufangen und zu speichern. Und viertens sollte die Grund­
                                                                                                 entsprechen.                                                   wasseranreicherung ausgebaut und eine noch bessere Ver­
                                                                                                                                                                netzung der Wassernetze zur Trinkwasserversorgung und
                                                                                                 Welche Schlüsse ziehen Sie aus diesen Zahlen?                  für die landwirtschaftliche Bewässerung erreicht werden.
                                                                                                 Der Rückgang der Gletscher ist ein sichtbares Zeichen eines
                                                                                                 klaren Trends. Er macht sichtbar, dass es immer wärmer          Wer ist gefordert?
                                                                                                 wird. Das belegen auch die Messdaten. Die Durchschnitts­        Im Grundsatz betrifft die Herausforderung mit dem Wasser
                                                                                                 temperatur liegt heute in der Schweiz rund 2 Grad über je­      uns alle. Gefordert ist aber erst einmal die Politik. Entspre­
                                                                                                 ner von vor 150 Jahren.                                         chende Vorstösse sind beim Bund und auch im Kanton
                                                                                                                                                                ­Wallis hängig.
                                                                                                 Was sind die Folgen?
                                                                                                 Die Auswirkungen sind vielfältig. Dies gilt naturgemäss ins­   Wie optimistisch sind Sie für die Zukunft?
                                                                                                 besondere in Bezug auf das Wasser. Wir beobachten heute        Ich bin sehr optimistisch und denke, dass wir mit vereinten
                                                                                                 ein starkes Gletscherschmelzen im Gebirge mit gewaltigen       Kräften, Forschung und Entwicklung die Herausforderun­
                                                                                                 Wassermengen, die via Rhone in Richtung Süden fliessen.        gen beim Thema Wasser in den Griff bekommen. Und es ist
                                                                                                 Anders sieht es im Mittelland aus. Hier nehmen die Wetterex­   ja auch nicht so, dass höhere Temperaturen ausschliesslich
© burakyalcin/shutterstock.com

                                                                                                 treme zu. Ich rede von tendenziell mehr Niederschlag im        negative Folgen nach sich ziehen. Für den Weinbau – im
                                                                                                 Winter und heftigeren Gewittern im Sommer. In Zukunft zei­     Wallis ein wichtiger Wirtschaftsfaktor – sind wärmere
                                                                                                 gen uns die Klimamodelle eine weitere Niederschlags­           Zeiten positiv. Die Qualität der Walliser Weine hat sich in
                                                                                                 zunahme im Winter und eine Abnahme im Sommer. Deshalb          den vergangenen Jahren markant verbessert. Als Hobby-
                                                                                                 kommt es im Sommer und Frühherbst zu mehr Trocken­             Weinbauer kann ich den höheren Durchschnittstemperatu­
                                                                                                 perioden mit entsprechend wenig Abfluss im Mitteland und       ren zumindest in dieser Hinsicht auch positive Aspekte
                                                                                                 Jura. Dies kann zu einem ernsthaften Problem werden.           abgewinnen.
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