Betriebliche Gesund heits förderung in der Pflege - REPORT 2021 - AOK ...

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Betriebliche Gesund heits förderung in der Pflege - REPORT 2021 - AOK ...
Betriebliche
Gesund­heits­förderung
in der Pflege
   REPORT 2021
Betriebliche Gesund heits förderung in der Pflege - REPORT 2021 - AOK ...
Inhalt
                                   4    Aus Erfahrung lernen
                               5–7      BGM als Erfolgsfaktor
                              8 – 11    Zahlen, Daten, Fakten
                                  12    BGW-Statistik für die Pflegebranche
                                  13    Strukturmodell EinSTEP

                           14 – 24      Aus der Praxis für die Praxis
                                 15     Marienhaus Kliniken GmbH
                                 16     Prävention in der Pflege – PiP
                                 17     Johanniter Seniorenhäuser GmbH
                                 18     Vinzentinerinnen NRW
                                 19     Pflege in Bayern – gesund und gewaltfrei
                            20 – 21     Ambulante Pflege
                                 22     Pflege-Mediathek der AOK
                                 23     CARE4CARE
                                 24     AOK-Online-Angebot für Führungskräfte

                                 25     Wissen teilen
                                 26     Ansprechpersonen
                                 27     Webtipps

Impressum

Herausgeber: AOK-Bundesverband, Geschäftsführungseinheit Versorgung, Abteilung Prävention,
Rosenthaler Straße 31, 10178 Berlin
Analysen: Markus Meyer (WIdO), Klaus Zok (WIdO), BGW
Redaktion: Annette Affhüppe (KomPart), Dr. Michael Drupp (AOK-BV), Otmar Müller (KomPart),
Anja Schnake (KomPart), Maria Sinjakowa (KomPart verantwortlich), Werner Winter (AOK-BV)
Grafik: Sybilla Weidinger (Creative Director), Anna Magnus
Fotos: iStock, S.17 Hoffotografen, S.18 privat, S.23 privat
Umsetzung: KomPart Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Berlin
Druck: Albersdruck GmbH & CO KG, Leichlinger Straße 11, 40591 Düsseldorf

Berichtsjahr: 2020
Publiziert: 2021

Job-Nr: 21-0303
Betriebliche Gesund heits förderung in der Pflege - REPORT 2021 - AOK ...
Liebe Leserin, lieber Leser,
Schichtdienste, Zeitmangel, psychische und physische Be-      Prävention und Gesundheitsförderung. Das Forschungs-
lastungen – Pflegearbeit ist schon in normalen Zeiten ein     projekt CARE4CARE hilft dabei, zeitgemäße Antworten
Knochenjob. Die Coronakrise hat den Druck auf Pflege-         auf aktuelle und künftige Herausforderungen in der Pfle-
rinnen und Pfleger noch erhöht. Sie müssen mehr kranke        ge zu finden.
Menschen versorgen, mehr Aufgaben bei Hygiene, Impfor-
ganisation und Covid-Kontrollen übernehmen, mehr Leid         Konkrete Empfehlungen, wie Projekte zur Prävention und
verarbeiten, mehr trösten und zuhören. Dabei brauchen         Gesundheitsförderung auszugestalten sind, bietet QualiPEP,
sie selbst dringender denn je Entlastung und einen Aus-       Qualitätsorientierte Prävention und Gesundheitsförderung
gleich zu den wachsenden Anforderungen ihres Berufs.          in Einrichtungen der Eingliederungshilfe und Pflege. Die
                                                              praxisnahen QualiPEP-Checklisten helfen dabei, passende
Einen solchen Ausgleich kann die Betriebliche Gesund-         Lösungen zu finden, um die Gesundheit von Bewohnerin-
heitsförderung (BGF) schaffen. Sie trägt dazu bei, Arbeits-   nen und Bewohnern zu fördern, deren Gesundheitskompe-
belastungen zu vermindern, die individuelle Gesundheit        tenz zu stärken und die Betriebliche Gesundheitsförde-
der Pflegefachpersonen zu stärken und die Einrichtungen,      rung in den Einrichtungen weiterzuentwickeln. Vier Jahre
in denen sie arbeiten, gesundheitsgerechter zu gestalten.     lang hat der AOK-Bundesverband im Auftrag des Bundes-
Dabei geht es nicht nur um Stressmanagement von Pfle-         gesundheitsministeriums an den Listen gearbeitet und da-
genden und Führungskräften, sondern auch um konkre-           für wissenschaftliche Daten, erprobte Konzepte und den
te Veränderungen, von der Schichtplanung bis zu gesund-       tatsächlichen Bedarf der Einrichtungen analysiert. Seit Mai
heitsförderlichen Pausenregelungen.                           2021 stehen die sechs Checklisten allen Einrichtungen so-
                                                              wie Kranken- und Pflegekassen zur Verfügung.
Genau darauf zielen die zahlreichen BGF-Angebote der
AOK. Unabhängig davon, ob eine Einrichtung aus einer          Lassen Sie sich einfach von den in diesem Report vorge-
akuten Situation heraus zunächst nur mit einer Maßnahme       stellten Praxis- und Projektbeispielen aus dem Bereich der
starten oder als BGF-erfahrene Institution innovative An-     Betrieblichen Gesundheitsförderung in der Pflege inspirie-
sätze ausprobieren will – die AOK unterstützt alle Betriebe   ren und bleiben SIe gesund.
dabei, ihre individuellen BGF-Lösungen zu entwickeln.

Der vorliegende Report „BGF in der Pflege 2021“ zeigt an-
hand ausgewählter Beispiele, wie Pflege.Kräfte.Stärken.
gelingen kann. So geht die AOK mit ihrer digitalen Lern-
                                                                         Ihre AOK
plattform, der Pflege-Mediathek, neue Wege in Sachen

                                                                                                                            3
Betriebliche Gesund heits förderung in der Pflege - REPORT 2021 - AOK ...
Pflege.Kräfte.Stärken.

          Aus Erfahrung
               lernen
Zu wissen, wo die Herausforderungen in der Pflegebranche
liegen, ist Voraussetzung dafür, um bedarfsorientierte Ange-
bote zur Betrieblichen Gesundheitsförderung zu entwickeln.
Deshalb analysiert die AOK kontinuierlich die Situation in der
Pflege und arbeitet mit Partnern aus Politik, Wissenschaft,
Verbänden und Praxis daran, passende Lösungen zu finden.
Betriebliche Gesund heits förderung in der Pflege - REPORT 2021 - AOK ...
BGM als Erfolgsfaktor

Für gute und gesunde Arbeitsbedingungen in der Pflege

Die Coronapandemie hat die Bedeutung des Pflegeper-           zu halten. Wie dies gelingen kann, haben Bund, Länder
sonals für die Gesundheit und Funktionsfähigkeit unserer      sowie rund 50 Verbände und Interessengruppen, darun-
Gesellschaft deutlich gemacht. Zugleich hat sie wie in        ter auch der AOK-Bundesverband, in einem konsentierten
einem Brennglas die bestehenden Mängel und Probleme           Maßnahmenkatalog festgehalten. Für die fünf zentralen
offengelegt. Menschen, die in der Pflege arbeiten, er-        Themen „Ausbildungsoffensive Pflege“, „Personalma-
bringen in Krisensituationen Höchstleistungen. Gleichzei-     nagement Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung“,
tig haben sie auch Familie und Freunde, Kinder und Eltern,    „Innovative Versorgungsansätze und Digitalisierung“,
die Aufmerksamkeit, Fürsorge und oft selbst Pflege be-        „Pflegekräfte aus dem Ausland“ und „Entlohnungsbe-
nötigen. Diese doppelte Belastung geht an die Substanz        dingungen in der Pflege“ gibt es dort Empfehlungen, wie
und führt dazu, dass viele professionell Pflegende sich er-   sich die Situation verbessern ließe. Im Zuge der KAP haben
schöpft und ausgebrannt fühlen oder sogar krank werden.       sich die Krankenkassen außerdem dazu verpflichtet, die
                                                              erforderlichen Maßnahmen zügig anzugehen und den An-
Hohe Handlungsbedarfe in der Pflege                           teil der Pflegeeinrichtungen, die ein Betriebliches Gesund-
Dabei waren die Handlungsbedarfe in der Pflege weit vor       heitsmanagement (BGM) umsetzen, zu erhöhen. BGM
dem Pandemieausbruch im Frühjahr 2020 bekannt. Auf-           umfasst dabei neben der Betrieblichen Gesundheitsförde-
grund des demografischen Wandels benötigen immer              rung (BGF) auch den Arbeitsschutz und das Betriebliche
mehr Menschen Unterstützung im Alltag. Zwar steigt die        Eingliederungsmanagement. Im Sinne einer Erfolgskontrol-
Zahl beruflich Pflegender ebenfalls. Jedoch nicht im erfor-   le begleitet das BMG die Umsetzung der Selbstverpflich-
derlichen Maße, um die wachsende Zahl Hilfsbedürftiger        tungen mit einem Monitoring-Verfahren. Um die KAP-­
zu betreuen. Schlechte Arbeitsbedingungen, eine im Ver-       Ziele zu erreichen, müssen die angestoßenen Maßnahmen
gleich zu anderen Branchen geringe Bezahlung und be-          vor allem bei den Pflegeeinrichtungen und Krankenhäu-
stehende Unterschiede zwischen den Pflegeteilbranchen         sern vor Ort ankommen. Das ist ein Prozess, der weit über
führen zu Abwanderungen. Hinzu kommen die im Bran-            die Pandemiezeit und damit das Jahr 2021 hinaus andau-
chenvergleich überdurchschnittlich hohen Krankenstände,       ern wird und auch so angelegt ist.
fehlende Anerkennung und die oft mangelhafte digitale
Ausstattung, aber auch Nutzung digitaler Möglichkeiten.
                                                                        70 Mio. Euro
Gute Lösungsansätze für diese Problemfelder liefert die            Seit dem Inkrafttreten des Pflegepersonal-
Konzertierte Aktion Pflege (KAP) der Bundesregierung             Stärkungsgesetzes 2019 stellen Krankenkassen
unter Federführung des Bundesgesundheitsministeriums               für die Gesundheitsförderung in Kranken­
(BMG). Ziel der Aktion ist es, den Pflegeberuf attraktiver        häusern und Pflegeheimen jährlich mehr als
zu machen, mehr Pflegersonal zu gewinnen und im Beruf                  70 Millionen Euro zusätzlich bereit.

                                                                                     Betriebliche Gesundheitsförderung in der Pflege   5
Betriebliche Gesund heits förderung in der Pflege - REPORT 2021 - AOK ...
Unterstützung durch die AOK                                     dig fortzuführen. Dabei arbeitet die AOK mit anderen
    Die AOK verfügt seit mehr als 25 Jahren über umfassen-          Sozialversicherungsträgern zusammen, hilft mit analogen
    de Erfahrungen im BGM in der Pflege, und zwar im ambu-          und digitalen Angeboten und vermittelt bedarfsbezogen
    lanten, stationären und Krankenhausbereich. Die Gesund-         auch Kontakte zu Fachbereichen innerhalb der AOK oder
    heitskasse hat dafür auch pflegebranchenspezifische Tools       verweist auf Unterstützungsmöglichkeiten zu BGM-
    entwickelt. Dazu zählen ein Leitfaden zur Selbstbewertung
    gesundheitsförderlicher Pflege in der stationären Altenhil-
                                                                    In diesen vier Phasen des BGF-Prozesses unterstützt die
    fe oder eine digitale Lernplattform für Pflegeprofis.           AOK unter anderem bei folgenden Schritten

    Die AOK beschäftigt eigene qualifizierte Fachkräfte. Sie                                •   Gesundheitsstand
    beraten und begleiten Pflegeeinrichtungen und Kranken-                                  •   Arbeitssituation
    häuser, die ein professionelles BGM implementieren und                                  •   Arbeitsplatz­begehung
    nachhaltig im Unternehmen verankern wollen. Ziel des                 Analyse            •   Altersstruktur
    BGM ist es, Strukturen und Prozesse zu entwickeln, die Si-                              •   Mitarbeiter­befragung
    cherheit und Gesundheit in Aufbau- und Ablauforganisa-
    tion eines Unternehmens integrieren. Viele Pflegeunter-
    nehmen, vor allem kleinere, tun sich schwer, den auf den
                                                                                            •   Interpretation von Analyseergebnissen
                                                                                                im Steuerkreis
    ersten Blick recht aufwendigen BGM-Prozess zu durchlau-
                                                                                            •   Unterstützung bei der Ableitung von
    fen. In solchen Situationen können sie von der AOK-Ex-            Maßnahmen­                Maßnahmen nach Zielsetzung, Dringlich-
    pertise profitieren. Denn die Fachkräfte der Gesundheits-          planung                  keit, verfügbaren Ressourcen
    kasse unterstützen nicht nur bei der Vorbereitung und
    Durchführung eines Auftakt-Workshops in einer Pfle-
    geeinrichtung oder einem Krankenhaus. Sie analysieren                                   •   Beratung zur gesund­heitsförderlichen
                                                                                                Arbeitsgestaltung (verhältnisbezogene
    auch beispielsweise Fehlzeiten und werten Ergebnisse aus
                                                                                                Maßnahmen)
    Mitarbeiterbefragungen oder Arbeitsplatzbesichtigungen                                  •
                                                                       Umsetzung                Unterstützung bei individuellen
    aus. Sie begleiten die Unternehmen beim BGM-Prozess                                         verhaltensbezogenen Maßnahmen
    von Anfang an, so auch bei der Ableitung von Maßnah-
    men aus den Analyseergebnissen mit erprobten Priorisie-
    rungsverfahren, bei deren Umsetzung und nicht zuletzt                                   •   Bewertung der gesundheitsfördernden
    bei deren Evaluation.                                                                       Strukturen, Prozesse und Ergebnisse
                                                                                            •   Analyse des Gesundheitsstandes
    Die AOK-Beratung und -Unterstützung orientiert sich da-                                 •   Befragungen zu Arbeitszufriedenheit,
                                                                       Evaluation               subjektiver Gesundheit, Einzelmaß­
    bei am GKV-Leitfaden Prävention und folgt dem Prinzip                                       nahmen
    der „Hilfe zur Selbsthilfe“. Das heißt, sie begleitet und be-
    fähigt Unternehmen, den BGM-Prozess später selbststän-
                                                                       Quelle: GKV-Leitfaden Prävention

6   Betriebliche Gesundheitsförderung in der Pflege
Betriebliche Gesund heits förderung in der Pflege - REPORT 2021 - AOK ...
nahen Themen außerhalb der AOK. Der Vorteil der               Auf Bundesebene hat die AOK ihre regionalen Erfahrungen
             AOK-Beratung in der Pflege liegt vor allem in ihrem star-     in einer eigenen Initiative „Pflege.Kräfte.Stärken.“ zusam-
             ken regionalen Bezug. Dieser erlaubt es, passende Maß-        mengeführt, die mit verschiedenen digitalen und hybriden
             nahmen gemeinsam mit Pflegeorganisationen oder Be-            Angeboten zur Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF)
             rufsgenossenschaften vor Ort zu planen und umzusetzen.        speziell Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser adressiert.

                            Pflege. Kräfte. Stärken.

              mit der AOK                                                             Fit für die Pflegeschicht
                                                                                      Beim speziellen Gesundheitstraining für Pflegefachper­
                                                                                      sonen im Schichtdienst liegen die Schwerpunkte auf
                                                                                      Themen wie Stress, Schlaf, Entspannung und körperliche
           CARE4CARE
                                                                                      Aktivitäten. Pflegekräfte können das Training digital,
           Im Fokus des Forschungsprojekts steht die Entwicklung ei-
                                                                                      hybrid oder vor Ort absolvieren.
Seite 23

           nes hybriden Angebots zur Gesundheitsförderung in der be-
           ruflichen Pflege. Erprobt wird es in Kooperation mit dem                      Mehr Informationen unter:
                                                                                         www.aok.de/fk/betriebliche-gesundheit
           AOK-Bundesverband zunächst in drei Regionen. Forschungs-
           partnerinnen sind die Beuth Hochschule für Technik Berlin,
           die Leuphana Universität Lüneburg, die Technische Hoch-                    AOK-Pflege-Mediathek
           schule Lübeck und die Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
                                                                           Seite 22   Die digitale Lernplattform bietet multimediale Schulun-
                                                                                      gen rund um die Themen Pflege, Prävention und BGF.
              Mehr Informationen unter:
              www.aok.de/fk/betriebliche-gesundheit                                   Inzwischen nutzen bundesweit mehr als 2.200 Pflege-
                                                                                      einrichtungen die professionell aufbereiteten Inhalte für
                                                                                      interne Fortbildungen und E-Learnings.
           Haus der wertschätzenden Pflege
           Der Workshop dient als Erstinformation und/oder Einstieg                      Mehr Informationen:
                                                                                         www.pflegemediathek.de
           in ein BGM-Projekt in der Pflege. Er ist digital, hybrid oder
           auch als klassische Präsenzveranstaltung verfügbar.
                                                                                      BGF-Preis Gesunde Pflege
              Mehr Informationen unter:
              www.aok.de/fk/betriebliche-gesundheit                                   Mit dem neuen Preis zeichnet die AOK gezielt Pflege­
                                                                                      institutionen aus, die mit innovativen und nachhaltigen
                                                                                      Ansätzen die Gesundheitsförderung in der Pflege voran-
           QualiPEP
                                                                                      treiben. Der Wettbewerb hat einen jährlich wechselnden
           Sechs Checklisten helfen Einrichtungen der Eingliederungshil-
                                                                                      Schwerpunkt.
           fe und Pflege dabei, Projekte zu entwickeln, die Gesundheit,
           Gesundheitskompetenz und Lebensqualität von Bewohnerin-                       Mehr Informationen unter:
                                                                                         www.aok.de/fk/betriebliche-gesundheit
           nen und Bewohnern sowie Beschäftigten verbessern können.
              Mehr Informationen unter:
              www.aok-qualipep.de
                                                                                                                                                  7
Betriebliche Gesund heits förderung in der Pflege - REPORT 2021 - AOK ...
Zahlen, Daten, Fakten

    Mit Gesundheitsangeboten gegen psychische und physische Belastungen

    Mit unterschiedlichen Angeboten engagiert sich die AOK      darfsgerecht geplant und umgesetzt werden. Zum an-
    in ganz Deutschland für mehr Betriebliche Gesundheits-      deren sollen sie einen Lernprozess ermöglichen, durch
    förderung (BGF) in der Pflegebranche. So war die Ge-        den sich BGF fortlaufend verbessern lässt. Instrumente
    sundheitskasse im Pandemiejahr 2020 bundesweit in über      des Qualitätsmanagements sind unter anderem Bedarfs-
    1.300 Einrichtungen aktiv, die sich um kranke, hilfs- und   ermittlungen, Steuerungsrunden und Erfolgskontrollen.
    pflegebedürftige Menschen kümmern. Mehr als 60 Pro-         So führte die AOK 1.200 Analysen zur Bedarfsermittlung
    zent der Einrichtungen beschäftigen weniger als 100         durch, half den Betrieben dabei, 654 Steuerungsstruk-
    Menschen. Die meisten Unternehmen, die die AOK dabei        turen aufzubauen, und in 223 Einrichtungen fanden Er-
    begleitete, BGF-Maßnahmen zu planen oder umzusetzen,        folgskontrollen statt.
    waren Pflegeheime (62 Prozent). Jede fünfte erreichte
    Einrichtung war ein Krankenhaus und 18 Prozent waren        Abb.11
                                                                Abb.
                                                                Erreichte Einrichtungen nach Pflegeteilbranchen
    im ambulanten Bereich tätig (Abb. 1).

    Ziel der BGF ist es, die Gesundheitspotenziale der Be-
    schäftigten zu stärken, ihr Wohlbefinden am Arbeitsplatz
                                                                                                     18 %
                                                                        834 Pflegeheime     18
    zu verbessern und berufsbedingten Krankheiten vorzu-                                     20%%
                                                                        263 Krankenhäuser
    beugen. Im Jahr 2020 hat die AOK in 673 Pflegeunter-
                                                                        247 Pflegedienste
    nehmen verhaltensbezogene Aktivitäten begleitet, die
    Pflegefachpersonen und Führungskräfte für Gesundheits-                                          62 %
    themen sensibilisieren und ihnen gesunde Verhaltens-
    weisen vermitteln sollen. Aber auch verhältnisbezogene
                                                                Quelle: AOK
    Maßnahmen haben für die Gesundheitsförderung am Ar-
    beitsplatz einen hohen Stellenwert. In 730 Betrieben hat
    die AOK 2020 solche Maßnahmen umgesetzt. Es geht da-
                                                                                       1.344
    bei darum, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass               Im Pandemiejahr 2020 hat die AOK
    sie ein möglichst geringes Risiko für die Gesundheit von        mit ihren BGF-Angeboten 1.344 Einrichtungen
    Beschäftigten darstellen.                                                 der Pflegebranche erreicht.

    Bei ihren BGF-Angeboten setzt die AOK auf Qualität.
                                                                Pflegefachpersonen sind häufiger krankgeschrieben
    Ein wesentliches Merkmal davon ist die Anwendung von
    Qualitätsmanagement-Instrumenten. Diese sollen zum          Um herauszufinden, wie die Arbeits- und Gesundheits-
    einen sicherstellen, dass die Maßnahmen fach- und be-       situation der Pflegenden ist, nimmt die AOK regelmä-

8   Betriebliche Gesundheitsförderung in der Pflege
Betriebliche Gesund heits förderung in der Pflege - REPORT 2021 - AOK ...
ßig die Pflegebranche unter die Lupe. So zeigt die aktuel-                      und damit 6,1 Fehltage (31,6 Prozent) über dem Durch-
   le Analyse der Arbeitsunfähigkeitsdaten aus 2020, die das                       schnitt von 19,3 AU-Tagen je AOK-Mitglied (Abb. 2).
   Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) vorgenommen
   hat, dass die Fehlzeiten in der Pflegebranche im Vergleich                      In pflegenden Berufen sind überproportional viele Frau-
   zu allen Berufen in den vergangenen fünf Jahren über-                           en beschäftigt: Ihr Anteil liegt bei 83,5 Prozent. Die Aus-
   durchschnittlich hoch waren. Im Jahr 2020 lagen diese                           wertungen des WIdO zeigen, dass Frauen in Pflegebe-
   für die knapp 700.000 AOK-versicherten Pflegekräfte bei                         rufen systematisch über alle Altersklassen hinweg einen
   25,4 Arbeitsunfähigkeitstagen (AU-Tage) je AOK-Mitglied                         deutlich höheren Krankenstand als Männer aufweisen
                                                                                   (im Durchschnitt 4,0 Fehltage). Mit zunehmendem Alter
   Abb.
   Abb. 22                                                                         steigt die Anzahl der Fehltage deutlich (Abb. 3).
   Arbeitsunfähigkeitstage – pflegende Berufe und alle
   Berufe im Vergleich                                                             Muskel-Skelett- und psychische Erkrankungen sind
   Arbeitsunfähigkeitstage je AOK-Mitglied (ganzjährig versichert)                 die häufigsten Gründe für Fehlzeiten in der Pflege

                     pflegende Berufe         alle Berufe (ohne Pflege)
                                                                                   Am häufigsten krankgeschrieben waren Beschäftigte in
       30
                                                                                   Pflegeberufen aufgrund von Muskel- und Skeletterkran-
       25
                                                                                   kungen (durchschnittlich 7,7 AU-Tage), gefolgt von psy-
                                                                                   chischen Erkrankungen (5,7 AU-Tage) und Atemwegs­
Tage

       20
                                                                                   erk­rankungen (4,0 AU-Tage). Die Höhe der Fehltage liegt
                                                                                   bei diesen drei Erkrankungsarten im Vergleich zu allen Be-
       15                                                                          rufen deutlich über dem Durchschnitt (Abb. 4).
            2015        2016       2017           2018      2019       2020

                                                                                   Welche Faktoren aber belasten besonders die professio-
   Abb.33
   Abb.                                                                            nell Pflegenden und was kann ihnen das Arbeiten leichter
   Arbeitsunfähigkeitstage in der Pflegebranche 2020
                                                                                   machen? Auskunft darüber können am besten die Pfle-
   nach Alter: Männer und Frauen im Vergleich
                                                                                   gekräfte selbst geben. Deshalb ließ die AOK in den Jah-
   Arbeitsunfähigkeitstage je AOK-Mitglied bei den pflegenden Berufen
   (ganzjährig versichert)                                                         ren 2011 bis 2019 die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in
                                                                                   stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen im Rah-
                                                                                   men des Services „Gesundes Unternehmen“ dazu befra-
       50                 Frauen          Männer
                                                                                   gen. 11.149 Pflegekräfte gaben dabei detailliert Auskunft
                                                                        50,2

       40
                                                                                   über ihren beruflichen Alltag (Abb. 5,6 und 7).
                                                                       43
                                                              36,3

       30
Tage

                                                            30,1

                                                                                   Pflegende fühlen sich weniger gesund
                                                 26,6

       20
                                               21,3
                                    18,9

                                                                                   So stufen mehr als die Hälfte der Befragten ihre eigene
                                   16,6
                         15,5

       10
                        13,8
            13,6
            12,1

                                                                                   Gesundheit als „sehr gut“ oder „gut“ ein (58,6 Prozent),
        0
            bis 19      20 – 29     30 – 39       40 – 49    50 – 59      60 ff.   ein weiteres Drittel (34,6 Prozent) als „teils, teils“. 6,7 Pro-
                                          Alter
   Quelle: WIdO, 2021

                                                                                                            Betriebliche Gesundheitsförderung in der Pflege   9
Betriebliche Gesund heits förderung in der Pflege - REPORT 2021 - AOK ...
Abb. 44
     Abb.
                                                     AOK-
                                                                                   BGF-Angebote können die Gesundheit verbessern
     Hauptdiagnosegruppen für Arbeitsunfähigkeit je AOK-­
     Mitglied: pflegende Berufe und alle Berufe im Vergleich
                                                                                   Um die psychischen und körperlichen Belastungen zu re-
     Arbeitsunfähigkeitstage je 100 Mitglieder (ganzjährig versichert)
                                                                                   duzieren und die Arbeitsbedingungen gesünder zu ge-
                                                                  7,7              stalten, favorisieren die Beschäftigten in der Pflege über
          Muskel/Skelett
                                                        5,9                        alle Geschlechts- und fast alle Altersgruppen hinweg An-
                                                                                   gebote zur Stressbewältigung (56 Prozent) und Entspan-
                   Psyche                              5,7
                                         3                                         nung (51,4 Prozent) sowie arbeitsplatzbezogene Rücken-
                                                                                   schulungen (49,9 Prozent). Frauen machen hier durchweg
         Atmungssystem                           4
                                                                                   häufiger Angaben als Männer. Angebote zum Thema
                                       3,1
                                                                                   Kommunikation und Führung (29 Prozent) werden häufi-
              Infektiöse/
      parasitäre Krankh.
                                1,4                                                ger von Männern genannt.
                                1,1                    pflegende Berufe

               Verdauung        1,3
                                1,1
                                                       alle Berufe (ohne Pflege)
                                                                                   Dass auch in Pandemie-Zeiten Maß-               90 %.
                                                                                   nahmen zur Gesundheitsförderung                    90 Prozent der
                            0                3                6               9
                                                     Tage                          Pflegefachpersonen entlasten und            51 befragten Vertreterin-
     Quelle: WIdO, 2021
                                                                                   den Arbeitsalltag verbessern kön-             nen und Vertreter der
                                                                                                                                  Pflegebranche sehen
     zent der Befragten bezeichnen ihren Gesundheitszustand                        nen, zeigt die AOK-Studie „Arbeits-
                                                                                                                                grundsätzlichen Bedarf
     als „weniger gut“ oder sogar „schlecht“. In repräsentati-                     organisatorische Anpassungen und
                                                                                                                                für BGF-Angebote auch
     ven Bevölkerungsstichproben fallen die Angaben zum Ge-                        ergänzende BGF-Angebote in der                    in Krisenzeiten.
     sundheitszustand im Allgemeinen deutlich positiver aus.                       Pflege in Krisensituationen“ aus dem
     Nach Angaben der Befragten wirken sich vor allem psy-                         Jahr 2020. Danach sehen 90 Pro-
     chische und körperliche Belastungen negativ auf ihre Ge-                      zent der 51 befragten Vertreterinnen und Vertreter der
     sundheit aus. Unter den Top Ten der benannten Faktoren                        Pflegebranche grundsätzlichen Bedarf für BGF-Angebo-
     befinden sich sechs psychische Parameter und vier, die                        te in der Pflege auch in Krisenzeiten. Von Bedeutung ist
     den körperlichen Belastungen zuzuordnen sind.                                 auch laut dieser Studie Unterstützung in den Themenfel-
                                                                                   dern „Stressbewältigung“, „Psychische Gesundheit“ und
     Nahezu die Hälfte der Befragten gaben an, dass sie „im-                       „Resilienzstärkung“. Führungskräfte wünschten sich An-
     mer“ oder „häufig“ muskuloskelettale Beschwerden, und                         gebote in den Bereichen „Gesunde Führung“, „Kollegi-
     zwar vor allem Verspannungen (42,6 Prozent) und Rü-                           aler Austausch“, „Kommunikation mit Mitarbeitenden
     ckenschmerzen (37,4 Prozent) haben. Fast ein Viertel (23                      und Angehörigen“ sowie „Maßnahmen zur Förderung
     Prozent) klagt über Gelenkschmerzen. Jede dritte Pflege-                      der Teamarbeit“. Die Studie zeigt außerdem – wenn auch
     fachperson (33,8 Prozent) berichtet über Symptome wie                         unterschiedlich nach Einrichtungen und Altersgruppen –
     Müdigkeit und Erschöpfung und mehr als ein Fünftel lei-                       dass Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen offen für di-
     det an Schlafstörungen (22,4 Prozent) sowie ständigen                         gitale und hybride Applikationen sind. Für sie steht dabei
     beziehungsweise häufigen Kopfschmerzen (22 Prozent).                          der Nutzen- und Entlastungsaspekt im Vordergrund.

10   Betriebliche Gesundheitsförderung in der Pflege
Abb.
                                                                   Abb. 55
                                                                   Die
                                                                   Die zehn
                                                                       zehn stärksten
                                                                             stärksten Belastungen
                                                                                       Belastungen bei
                                                                                                   bei Beschäftigten
                                                                                                       Beschäftigten
                                                                   in
                                                                   in der
                                                                      der stationären
                                                                          stationären Pflege
                                                                                      Pflege

                                                                   Dies belastet mich stark bis sehr stark:
   Auswertungen
                                                                    Termin- o. Leistungsdruck                                    37
   der AOK-Be­fragungen                                                   Heben und Tragen
                                                                      schwerer Gegenstände                                    36,2
   2011– 2019                                                       Zu große Arbeitsmengen
                                                                     Häufige Störungen oder
                                                                                                                              35,9
    (n=11.149) Nennungen in Prozent                                        Unterbrechungen                                     35
                                                                   Körperlich schwere Arbeit                                 34,9
                                                                        Hohes Arbeitstempo                                  33,3
                                                                   Ständige Aufmerksamkeit/
                                                                              Konzentration                                 33,2
                                                                    Schieben oder Ziehen von
                                                                     schweren Gegenständen                                 31,9
                                                                   Gebückte Haltung, Bücken                              29,2
                                                                        Hohe Verantwortung                            24,5
Abb.
Abb. 66
                                                                                                0      5   10    15     20    25    30   35 40 %
Die
Die zehn
     zehnhäufigsten
          häufigstengesundheitlichen
                     gesundheitlichenBeschwerden
                                      Beschwerden
bei
bei Pflegefachpersonen
    Pflegefachpersonen
Frage: Wie oft haben Sie die folgenden gesundheitlichen
Beschwerden?
                                                                     Abb.
                                                                     Abb. 77
                                                                     Gesundheitsangebote,
                                                                     Gesundheitsangebote, an
                                                                                          an denen
                                                                                             denen Pflegepersonen
                                                                                                   Pflegepersonen
                                                                     interessiert
                                                                     interessiert sind
                                                                                  sind
Diese gesundheitlichen Beschwerden habe ich
häufig bis immer:                                                    Frage: Welche der folgenden Gesundheitsangebote sind für Sie
                                                                     von Interesse?
           Verspannungen/
           Verkrampfungen                            42,6                           Stressbewältigung
                                                                                                                                              56
           Rückenschmerzen                        37,4                               mit Entspannung

 Allg. Müdigkeit, Mattigkeit
                                                                                   Entspannungskurse                                      51,4
          oder Erschöpfung                      33,8                             Arbeitsplatzbezogene
                                                                                         Rückenschule                                    49,9
           Gelenkschmerzen                 23                                       Beratung für einen
                                                                                     gesunden Rücken                       39,2
            Schlafstörungen             22,4                               Gesunde Kantinenangebote
                                                                          Angebote zu Kommunikation
                                                                                                                       29,8
             Kopfschmerzen                22                                              und Führung                   29
                                                                                       Programme zur
              Lustlosigkeit,
           Ausgebranntsein
                                      18,1                                          Gewichtsabnahme                   27,6
          Nervosität, Unruhe        14,7                                               Tägl. Gymnastik
                                                                                       am Arbeitsplatz              23,7
              Hautprobleme         12,8                             Arbeitsgruppe im Unternehmen, die
                                                                     sich mit Gesundheitsschutz befasst            7,9
                 Reizbarkeit       11,5                                          Nichtraucher-Training            6,5
                               0      10   20     30   40   50 %          Angebote zur Suchtberatung            2,7
                                                                                                            0      10    20        30    40   50      60 %

                                                                                                    Betriebliche Gesundheitsförderung in der Pflege          11
BGW-Statistik für die Pflegebranche

     Prävention und Gesundheitsförderung beugen Unfällen vor

     Jeder dritte Arbeitsunfall in der Pflegebranche im Jahr      nen, halten die BGW und die AOK Angebote zur Ge-
     2019 kam durch Stolpern, Rutschen und Stürzen zustan-        waltprävention und zum Deeskalationsmanagement
     de. Solche Unfälle geschahen sowohl bei der Tätigkeit in-    für professionell Pflegende bereit. Daneben bietet die
     nerhalb von Einrichtungen als auch im Außendienst, etwa      AOK-Pflege-Mediathek grundlegende Informationen und
     auf dem Weg zu den pflegebedürftigen Menschen in der         Schulungen an, die Einrichtungen nutzen können, um
     ambulanten Versorgung. Das geht aus der aktuellen Sta-       sich mit dem Thema „Gewalt in der Pflege“ auseinander-
     tistik der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst        zusetzen.
     und Wohlfahrtspflege (BGW) hervor.
                                                                  Ursachen für Arbeitsunfälle in
                                                                                              in der
                                                                                                 der Pflegebranche 2019
                                                                   Meldepflichtige Unfälle bei der betrieblichen Tätigkeit
     Ebenfalls viele Unfälle, etwa 26 Prozent, passierten beim     und auf Dienstwegen
     Umgang mit Menschen und Gegenständen oder beim
     Transport von Menschen und Gegenständen. Aber auch                                                                             26,2 %
                                                                                            30,5 %                                  Unfälle beim
     Übergriffe auf Beschäftigte spielen mit 7,4 Prozent beim                               Stolper-, Rutsch-                       Umgang mit/
                                                                   Unfälle beim             und Sturzunfälle                        Transport von
     Unfallgeschehen 2019 eine nennenswerte Rolle. Insge-          Arbeiten mit                                                     Menschen
                                                                                                                                    und Gegen-
     samt ist die Zahl der Meldungen von Gewalt, Angriffen         Werkzeugen/
                                                                   Bedienen von                                                     ständen
     und Bedrohungen gegen Beschäftigte in der Pflegebran-         Maschinen               4,6 %
     che in den vergangenen Jahren gestiegen.                      Unfälle beim Führen
                                                                                                6,5%
                                                                   von Fahrzeugen
                                                                                                                                    24,7 %
     BGW zufolge erhöhen Zeitdruck im Arbeitsalltag, Stress                                                                         Anderweitige
                                                                                                                                    Unfälle
     und Hektik das Unfallrisiko. Eine hohe Unfallzahl im Un-
     ternehmen deute auch auf eine wenig ausgeprägte Prä-
                                                                                                       7,4 %
                                                                                       Gewalt, Angriff,
     ventionskultur hin. Dabei lassen sich laut BGW die Unfälle                        Bedrohung durch
                                                                                       andere Personen
     durch gezielte und systematische Prävention und Gesund-
     heitsförderung sowie durch organisatorische Veränderun-
     gen reduzieren. So können spezifische Maßnahmen wie                               Entwicklung von Unfällen aufgrund von Gewalt, Angriff,
                                                                                       Bedrohung durch andere Personen in der Pflegebranche
     beispielsweise der Einsatz rutschhemmender Fußboden-
     beläge oder das Tragen haltgebender Schuhe die Rutsch-
                                                                               1.750                                                   7,4 %
     und Sturzgefahr in den Pflegeeinrichtungen und Kranken-
                                                                    Vorfälle

     häusern verringern.                                                       1.500

                                                                               1.250       5,2 %                 5,3 %
     Weil Übergriffe durch andere Personen schwerwiegen-
                                                                               1.000
     de Folgen für das betroffene Pflegepersonal haben kön-                                  2017                  2018                  2019

                                                                  Quelle: BGW, Abteilung Reha-Koordination, 2020

12   Betriebliche Gesundheitsförderung in der Pflege
Strukturmodell EinSTEP

Entbürokratisierung entlastet Einrichtungen

Mitarbeiterorientierte Arbeitszeitmodelle, Betriebliches       versicherung sowie mit den Ländern und Juristen abge-
Gesundheitsmanagement, berufliche Entwicklungsmög-             stimmt und erfolgreich in über 60 Einrichtungen erprobt
lichkeiten, eine moderne Führungskultur und Wertschät-         worden. Inzwischen nutzt über die Hälfte der Pflegeein-
zung von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern gegenüber           richtungen in Deutschland das EinSTEP-System.
ihren Beschäftigten sind für die meisten Pflegefachperso-
                                                                 Mehr Informationen unter
nen die Schlüsselfaktoren für attraktive und gesunde Ar-
                                                                 www.ein-step.de
beitsbedingungen in der Pflege.

Dagegen empfinden viele professionell Pflegende die all-
                                                               Vorteile des Strukturmodells auf einen Blick
tägliche verpflichtende Dokumentation als sehr belastend.
Sie klagen über eine überbordende Bürokratie, die sie
frustriert und demotiviert und dazu führt, dass sie für ihre
eigentlichen Aufgaben weniger Zeit haben. Diese Situati-
                                                                     +       •   Mehr Entlastung und Motivation für
                                                                                 Pflegekräfte durch eine schlanke Pflege-
on verursacht bei vielen Pflegekräften zusätzlichen Stress,                      dokumentation, die fachlichen Kriterien
                                                                                 standhält und gleichzeitig übersichtlich,
der sich negativ auf ihre Gesundheit auswirken kann.                             praxistauglich und zeitschonend ist

Um Pflegefachpersonen bei der Dokumentation zu ent-
lasten und die Attraktivität der Arbeit in der Pflege zu
                                                                     +       •    ehr Zeit für die direkte Pflege und
                                                                                 M
                                                                                 Betreuung hilfe- und pflegebedürftiger
steigern, haben Pflege-Expertinnen und -Experten im                              Menschen

Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums das Struk-
turmodell zur Effizienzsteigerung der Pflegedokumenta-               +       •   Mehr Impulse zur Gesundheitsförderung,
                                                                                 weil die Pflegedokumentation die Kom-
tion, kurz EinSTEP, entwickelt. Es eignet sich sowohl für                        petenz der Pflegekräfte stärkt und nicht
stationäre als auch für ambulante Pflegeeinrichtungen der                        mehr zusätzlicher Belastungsfaktor im
                                                                                 beruflichen Alltag ist
Langzeitpflege sowie für Tages- und Kurzzeitpflegeein-
richtungen. Weil durch den Abbau vom unnötigem Doku-
mentationsaufwand mehr Zeit für die unmittelbare Pflege
und Betreuung sowie Pausen und Erholung zur Verfü-
gung steht, profitieren vom Strukturmodell die Beschäf-
tigten und Pflegebedürftigen gleichermaßen.

Das Modell ist mit den Verbänden der Einrichtungs- und
Kostenträger, dem Medizinischen Dienst der Kranken-

                                                                                        Betriebliche Gesundheitsförderung in der Pflege   13
Pflege.Kräfte.Stärken.

Aus der Praxis
für die Praxis
Ob Krankenhaus, Pflegeheim oder Pflegedienst –
mit zahlreichen, passgenauen Angeboten unterstützt
die AOK Unternehmen aus der Pflegebranche
dabei, die Gesundheit der Beschäftigten zu fördern
und die Arbeitsbedingungen gesund zu gestalten.
Marienhaus Kliniken GmbH

BGM-Projekt sorgt für mehr Zufriedenheit

Schichtdienst, Zeitdruck und eine hohe Arbeitslast – der
Pflegeberuf ist für viele Menschen die Quelle ­von psychi-
scher Belastung und negativ empfundenem Stress. Arbeit-
geber können dem entgegenwirken – und zwar mit Be-
trieblicher Gesundheitsförderung.

Die Marienhaus Unternehmensgruppe, die unter ande-
rem Kliniken in Rheinland-Pfalz und dem Saarland be-
treibt, hat dieses Potenzial erkannt. Gemeinsam mit der
AOK Rheinland-Pfalz/Saarland und der Berufsgenossen-
schaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW)
startete das Unternehmen 2016 das Projekt „Gemeinsam
vernetzt für die Gesundheit der Mitarbeitenden“. Kern des
Projekts ist ein ganzheitlicher Ansatz, der den Arbeits- und
Lebensstil der Beschäftigten und gesundheitsfördernde
Arbeitsbedingungen zusammenführen soll.                        gungen für die operative Umsetzung fest und entwickelt
                                                               entsprechende Maßnahmen. „Um Projektleitende in den
Dafür analysiert das Unternehmen mit Unterstützung der         einzelnen Kliniken bei der Implementierung der Maßnah-
AOK und der BGW die Situation in den Einrichtungen und         men zu unterstützen, haben wir sie zu BGM-Koordinato-
legt konkrete Risikobereiche und typische Belastungs-          rinnen und -Koordinatoren qualifiziert“, erzählt Münch.
schwerpunkte offen. „Kolleginnen und Kollegen aus der          Auch verfolgt das Unternehmen das Ziel, die Führungs-
Pflege sind besonders an Themen wie dem Umgang mit             kräfte besser für BGF-Themen zu sensibilieren.
Stresssituationen und präventiven Maßnahmen, die gegen
körperliche Belastungen wirken, interessiert.“, berichtet      Die jüngste Mitarbeiterbefragung, das Betriebsbarome-
Michaele Münch, Geschäftsbereichsleiterin Betriebliches        ter der BGW, aus 2019 zeigt, dass die Integration von Ge-
Gesundheitsmanagement/Arbeitssicherheit der Unterneh-          sundheitsthemen in die betrieblichen Abläufe und Struk-
mensgruppe.                                                    turen bei den Beschäftigten gut ankommt. Deshalb plant
                                                               das Unternehmen, den Ansatz auf den Altenpflegebe-
Die Ergebnisse greift der strategische Lenkungskreis auf,      reich auszuweiten.
der sich aus Vertretungen der Unternehmensgruppe, der
AOK und der BGW zusammensetzt und das Projekt für
alle Kliniken koordiniert. Er legt auch die Rahmenbedin-

                                                                                     Betriebliche Gesundheitsförderung in der Pflege   15
Prävention in der Pflege – PiP

     Mit System zur Gesunden Organisation

     Die Gesundheit von pflegebedürftigen Menschen und                   zen können. Während des gesamten Prozesses berät und
     die Gesundheit von Pflegefachpersonen hängen unmit-                 begleitet das PiP-Expertenteam die Einrichtungen. „Wir
     telbar zusammen. Denn gesündere Pflegebedürftige kön-               führen die Pflegeheime in das Projekt ein, unterstützen
     nen mehr Alltagsaktivitäten selbst übernehmen und sind              sie dabei, die notwendigen Strukturen wie den Arbeits-
     zufriedener. Das wiederum entlastet die Pflegenden und              kreis Gesundheit aufzubauen, und schulen interne Ge-
     erhöht ihre Arbeitszufriedenheit. Genau darauf zielt das            sundheitsmanagerinnen und -manager“, berichtet Meike
     Projekt „Prävention in der Pflege“, kurz PiP, der AOK Ba-           Müller vom PiP-Expertenteam. „Dabei schauen wir jeweils
     den-Württemberg ab. Es ist individuell auf die Rahmenbe-            genau hin, wo die Bedarfe liegen, und legen gemein-
     dingungen einer Einrichtung abgestimmt und verknüpft                sam Schwerpunkte für die Umsetzung fest.“ Um heraus-
     Bewohnerprävention mit der Betrieblichen Gesundheits-               zufinden, ob und wie PiP in der Praxis wirkt, hat die AOK
     förderung. Um den Gesundheitsförderungsprozess in Pfle-             die AGENON – Gesellschaft für Forschung und Entwick-
     geeinrichtungen nachhaltig zu verankern, gibt die AOK               lung im Gesundheitswesen beauftragt, das Projekt wissen-
     ihnen eine „Werkzeugkiste“ an die Hand. Sie beinhaltet              schaftlich zu begleiten. Die Ergebnisse aus der Studie die-
     ein Handbuch mit acht Modulen, die das gesamte Wis-                 nen dazu, PiP weiterzuentwickeln und seine Qualität zu
     sen zum PiP-Prozess vermitteln, sowie Tools wie Checklis-           sichern sowie den Austausch zwischen allen Beteiligten zu
     ten oder Befragungsinstrumente, die Einrichtungen einset-           fördern. Die Erhebungen laufen noch bis 2022.

     Die acht PiP-Module                                    Pflege und Prävention – neuer Ansatz
                                                            Pflegetheorien, Gesundheits­förderung

                                                                                                         Gemeinsam entscheiden
                                                                                                         Partizipative
               Handlungsfelder                              Was ist zu tun?                              Strukturen schaffen
               Finden und formulieren
                                                            Was ist die Werkzeugkiste
                                                            in der Prävention?                           Geeignete Strategie
                                                            Wie hilft sie Ihnen?                         Bedarfe, Bedürfnisse

               Selbst evaluieren
                                                                                                         Unsere Verbündeten
               Monitoring,
                                                       Systematisch vorgehen                             Koalitionsbildung,
               Berichterstattung
                                                       Planung, Logic Modelling                          Stakeholder-Management

16   Betriebliche Gesundheitsförderung in der Pflege
Johanniter Seniorenhäuser GmbH

Jeden nach seinen Bedürfnissen stärken

Die Johanniter Seniorenhäuser GmbH gehört zu den Un-         gen für den Arbeitsalltag ab. Dazu zählen räumliche Um-
ternehmen, die sich für die Gesundheit ihrer Mitarbeite-     gestaltung und individuelle Gesundheitsangebote, die
rinnen und Mitarbeiter engagieren und dabei von den          Pflegekräften helfen, etwa die körperlichen Fehl- und
umfassenden Erfahrungen der AOK in der Betrieblichen         Überbelastungen zu vermeiden oder den Halte- und Be-
Gesundheitsförderung profitieren. Die GmbH ist Träger        wegungsapparat zu entlasten.
von mehr als 95 stationären Altenpflegeeinrichtungen
deutschlandweit. 2019 hat sich das Unternehmen zusam-        Neben der Schaffung von Steuerkreisen, die sich regelmä-
men mit Vertretern mehrer AOKn auf den Weg gemacht,          ßig darum kümmern, neue gesundheitsförderliche Ange-
ein nachhaltiges Betriebliches Gesundheitsmanagement         bote und Strukturen zu initiieren, setzt sich das Unterneh-
(BGM) einzuführen.                                           men auch stark für die Multiplikatoren-Ausbildung und
                                                             Führungskräfte-Schulungen ein. „Die Verantwortlichen in
Unter der Prämisse „Lokale Gegebenheiten bestimmen die       den Einrichtungen zum Thema BGM zu schulen sehe ich
Maßnahmen!“ startete das Projekt zunächst an fünf Pilot-     als einen wichtigen Erfolgsfaktor im Projekt“, betont Geb-
standorten. Mitarbeiterbefragungen, Auswertungen der         hardt. „Denn wir wollen die Führungskräfte befähigen,
Arbeitsunfähigkeitsdaten und Arbeitsplatzanalysen in den     mit gutem Beispiel voranzugehen.“
jeweiligen Einrichtungen bildeten die Grundlage für die
Entwicklung der passgenauen Gesundheitsmaßnahmen.            Wie sehr sich das Engagement und die passgenauen An-
„Von Anfang an war es unser Ziel, die Betriebliche Gesund-   gebote auf die Motivation und Gesundheit der Beschäf-
heitsförderung auf die Bedürfnisse der Beschäftigten zuzu-   tigten auswirken, wird die anvisierte Evaluation zeigen.
schneiden und das Thema Gesundheit in unseren Einrich-
tungen langfristig zu verankern“, berichtet Lutz Gebhardt,
Geschäftsführer der Johanniter Seniorenhäuser GmbH. So
stand bei den fotogestützten Arbeitsplatzbesichtigungen                                Wir wollen die Füh­
neben der Arbeitsplatzgestaltung und -umgebung vor al-
lem die arbeitstypische Bewegung der Beschäftigten im Fo-
                                                                                       rungs­­kräfte befähigen,
kus. Dabei ging es um individuelle Bewegungsausführun-                                 mit gutem Beispiel
gen, um persönliche Beschreibungen und Erläuterungen zu                                voranzugehen.
den Arbeitsabläufen, -inhalten und -belastungen.

                                                               Lutz Gebhardt
Die Ergebnisse der Analysen werteten die Einrichtungen         Geschäftsführer Johanniter Seniorenhäuser GmbH
gemeinsam mit dem AOK-Expertenteam in den jewei-
ligen Steuerkreisen aus und leiteten daraus Empfehlun-

                                                                                    Betriebliche Gesundheitsförderung in der Pflege   17
Vinzentinerinnen NRW

     Eine Gesundheitspartnerschaft

     Die Gesundheit der Beschäftigten und der Pflegebedürf-               rinnen und Bewohnern anbieten können, um sie körper-
     tigen gleichermaßen zu fördern - dieses Ziel verfolgt die            lich und geistig fit zu halten. Gleichzeitig erfahren sie, wie
     „Gesundheitspartnerschaft“, die die Vinzentinerinnen                 sie den eigenen Rücken bei der Arbeit stärken können.
     2019 mit der AOK Rheinland/Hamburg eingegangen sind.
     Die vor allem in der Altenhilfe engagierte Schwesternge-             In der Coronakrise haben die Partner schnell auf digita-
     meinschaft trägt in NRW acht vollstationäre Einrichtungen            le Angebote umgestellt: „Mit unserer ‚Energietankstelle‘
     mit eingestreuter und solitärer Kurzzeitpflege sowie teil-           können die Beschäftigten durchatmen und Energie tan-
     stationäre Einrichtungen mit 600 Beschäftigten. Von Be-              ken“, berichtet Jasmin Lützerath, Beraterin Pflegepräven-
     ginn an begleiten Fachkräfte der AOK die Einrichtungen               tion beim Institut für Betriebliche Gesundheitsförderung –
     dabei, die Situation vor Ort zu analysieren sowie Bedarfe            BGF GmbH in Köln, einem Tochterunternehmen der
     und Wünsche der Beschäftigten zu erfassen. Steuerkreise              AOK Rheinland/Hamburg, das das Angebot entwickelt
     in den einzelnen Häusern sorgen für passgenaue Umset-                hat. Die kurzen und einfachen Online-Übungen können
     zung und planen zusammen mit der AOK entsprechende                   die Beschäftigten in der Arbeitszeit machen und so ent-
     Aktivitäten. Klare Favoriten sind Seminare und Workshops             schleunigen und regenerieren. Inzwischen bieten auch
     zur Regeneration und körperlichen Entlastung. So zeigen              weitere AOKn Pflegebetrieben in anderen Regionen sol-
     Sportfachkräfte in der Multiplikatoren-Schulung „Mobili-             che Gesundheitspartnerschaften an.
     tätstraining“, welche Übungen Pflegekräfte den Bewohne-

                                                            Gesundheit zu fördern ist ein Qualitätsmerk-
                                                            mal für uns. Mit dem BGF-Institut konnten wir
                                                            einrichtungsbezogene Projekte angehen und
                                                            etwa eine psychologische Hotline für unsere
                                                            Beschäftigten anbieten, um sie im Umgang
                                                            mit zusätzlichen Belastungen zu unterstützen.

                            Maria Erdmann
                            Qualitätsbeauftragte, Zentrales Qualitäts­management der Vinzentinerinnen

18   Betriebliche Gesundheitsförderung in der Pflege
Pflege in Bayern – gesund und gewaltfrei

Wo es sich gut leben und
arbeiten lässt

Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtun-
gen wünschen sich nicht nur eine fachlich gute Pflege –
sie wollen auch sicher sein können, ohne Demütigungen
oder gar Gewalt betreut zu werden. Die Pflegekräfte in
der stationären Langzeitpflege wiederum brauchen Ar-
beitsbedingungen, die sie nicht überfordern oder zu stark
belasten, damit die Motivation im Beruf, die professionel-
le Haltung und die eigene Gesundheit nicht auf der Stre-
cke bleiben.

Die Präventionsinitiative „Pflege in Bayern – gesund und     schärfen. Mit Projektbeginn unterstützen und begleiten
gewaltfrei“ bringt diese beiden Ziele unter einen Hut.       erfahrene Coaches Einrichtungen dabei, Präventionsmaß-
„Das Angebot ist bislang einzigartig“, freut sich Pro-       nahmen zu implementieren und zu verstetigen. Dazu zäh-
jekt-Mitinitiator Werner Winter, der beim AOK-Bundes-        len beispielsweise Trainings zur Deeskalation und Stress-
verband das Fachprojekt „BGF in der Pflege“ koordiniert.     bewältigung oder auf Selbstständigkeit und Mobilität
„Es ist uns erstmals gelungen, ein kranken- und pflege-      angelegte Konzepte zur Begleitung und Lebensgestaltung
kassenübergreifendes Präventionsprojekt zu starten, bei      für Menschen mit Demenz. Außerdem nehmen Einrich-
dem Betriebliche Gesundheitsförderung für die Pflegen-       tungen an Regionalgruppen teil. Dort tauschen sie sich
den mit Präventionsleistungen für die Gepflegten kom-        mit anderen darüber aus, welche Maßnahmen besonders
biniert werden.“ Für eine Laufzeit von drei Jahren finan-    erfolgreich waren, und profitieren so voneinander.
zieren die bayerischen Pflege- und Krankenkassen das
Modellvorhaben des Sozialforschungsinstituts AGP. Sie        Während des Prozesses zeigen anonyme Befragungen, ob
unterstützen auf diese Weise 40 bayerische stationäre        sich die Arbeits- und Lebensbedingungen verbessert und
Einrichtungen dabei, sich zu Orten guten Lebens weiter-      Gewalthandlungen abgenommen haben. Nach erfolgrei-
zuentwickeln und den Beschäftigten attraktive Arbeitsbe-     cher Teilnahme gibt es ein Zertifikat. Es dokumentiert, dass
dingungen zu bieten.                                         sich die Einrichtung der Gesundheitsförderung und der Ge-
                                                             waltvermeidung verpflichtet. Ein Plus, um motivierte Mitar-
Das wissenschaftlich begleitete Projekt greift hierfür auf   beiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten.
erprobte Konzepte und Methoden zurück, um bei Pflege-
bedürftigen und Pflegenden gleichermaßen das Bewusst-
sein für verschiedene Formen von Gewalt in der Pflege zu

                                                                                     Betriebliche Gesundheitsförderung in der Pflege   19
Ambulante Pflege

     Viermal ambulante Pflege, viermal
     individuelle Lösungen

     Ambulante (Alten-)Pflege hat ihre eigenen Herausfor-
     derungen. Immer unterwegs und flexibel zu sein, sich
     schnell auf andere Situationen und Menschen einzustel-
     len, fordert die Pflegefachpersonen körperlich und psy-
     chisch in besonderem Maße. Mit Unterstützung der AOK
     können auch kleinere und mittlere Pflegedienste ihren Be-
     schäftigten individuelle Gesundheitslösungen anbieten.          zuletzt der Fehlzeitenreport 2020 des Wissenschaftlichen
                                                                     Instituts der AOK bestätigt. Das hat auch Ramona Törper
     Digitale Entlastung für die Psyche                              erkannt, die bei SEKURA GmbH die Geschäfte führt. „Wir
     „Gute Leistung kann nur von gesunden und motivierten            sind in 24 Jahren von fünf auf 85 Beschäftigte gewachsen.
     Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erbracht werden“, sagt        Damit haben sich die Anforderungen an die Führungskräf-
     Doris Grenner. Die Geschäftsführerin der Ökumenischen           te sehr verändert“, erzählt Törper. Die SEKURA Kranken-
     Sozialstation Westpfalz e. V. ist für 69 Beschäftigte verant-   und Altenpflege ist an zwei Standorten in Niedersachsen
     wortlich, die in der Pflegeversorgung und der medizini-         aktiv. „Das eigene Verhalten zu reflektieren, die Organisa-
     schen Behandlungspflege tätig sind. Um die Gesundheit der       tionsprozesse und das Betriebsklima zu betrachten, ist für
     Beschäftigten zu fördern und deren Zufriedenheit zu stei-       den Erfolg der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF)
     gern, ging Grenner gezielt auf Partnersuche. Überzeugt hat      enorm wichtig“, betont Törper. Mit Unterstützung von
     sie das flexible Angebot der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland,      BGF-Experten der AOK erfasst das Unternehmen deshalb
     das jährlich neue gesundheitsfördernde Module ermög-            fortlaufend die Arbeitssituation. In strukturierten Grup-
     licht. „Weil sich unsere Beschäftigten gerade in der Coro-      peninterviews zu den Themen wie Arbeitsumgebung, Or-
     napandemie mehr psychische Entlastung wünschen, sel-            ganisation, Zusammenarbeit und Führung geht es darum,
     ten aber zur selben Zeit am selben Ort sind, haben wir          Handlungsbedarfe zu identifizieren und Verbesserungs-
     das Achtsamkeitstraining ‚Lebe Balance‘ online angebo-          vorschläge zu erarbeiten. So konnte SEKURA zum Beispiel
     ten“, so Grenner. Dass das Angebot gut bei den Pflegen-         durch die Planung von doppelt besetzten Diensten schritt-
     den ankommt, belegen die zahlreichen positiven Rück-            weise die Mitarbeiterzufriedenheit steigern.
     meldungen.
                                                                     Erfolgsfaktor Mitarbeiterbeteiligung
     Zufriedener durch gute Planung                                  Dass Größe keine Voraussetzung für professionelles BGM
     Führungskräfte haben Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit      ist, zeigt das Projekt der Sozialstation Sibbesse-Lam-
     der Beschäftigten und damit auf ihre Gesundheit. Das hat        springe-Freden des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Al-

20   Betriebliche Gesundheitsförderung in der Pflege
feld in Niedersachsen. Um passende gesundheitsförder-        und schon Auszubildende dafür zu sensibilisieren ist da-
liche Maßnahmen zu entwickeln, hat die Sozialstation         her die Grundidee des Azubiprojekts des Deutschen Ro-
mit Unterstützung der AOK in sogenannten Arbeitsbe-          ten Kreuzes Emsland mit seinem mobilen Pflegedienst.
wältigungs-Coachings den Bedarf bei der Belegschaft er-      Dem Projekt liegt ein Konzept zugrunde, das die Ausbil-
mittelt. Dabei ging es darum, zu erfahren, was die Pfle-     dungsverantwortlichen gemeinsam mit der AOK entwi-
genden benötigen, um ihre Aufgaben zeitgerecht zu            ckelt haben. Es sieht vor, in jedem Pflegeausbildungsjahr
schaffen. An der Befragung nahmen 24 der 28 Beschäf-         ein Präventionsthema in Workshopform zu platzieren. Das
tigten teil. „Als PDL ist es mir besonders wichtig, Mitar-   Themenspektrum reicht dabei vom rückenschonenden
beiterinnen in neue Prozesse einzubeziehen. Nur wenn         Arbeiten über gesunde Ernährung im Arbeitsalltag bis
dies geschieht, können neue Ziele gefunden und umge-         hin zur Stressbewältigung. Beim sportartübergreifenden
setzt werden“, sagt Pflegedienstleiterin Petra Karstens.     Functional Training lernen die jungen Erwachsenen be-
Die in den Gesprächen ermittelten Anforderungen und          spielsweise zusätzlich Übungen kennen, die sie vor Über-
Ressourcen flossen in den Ergebnisbericht ein, der als Ba-   und Fehlbelastungen bewahren und die sie in ihren Alltag
sis für weitere Projektarbeit im Steuerkreis diente. Ge-     integrieren können.
meinsam mit der AOK hat das Unternehmen dort Hand-
lungsbedarfe priorisiert und Verbesserungsvorschläge
erarbeitet. Dabei hat sich der Steuerkreis als stabile Ar-
beitsplattform etabliert. „Durch die regelmäßige Kom-
munikation der erarbeiteten Vorschläge an das Gesamt-
team haben wir zeitnah Rückmeldung erhalten, was uns
im Steuerkreis beflügelte, weiterzumachen“, berichtet
Karstens. Dass sich die Mühe auszahlt, zeigte der Vor-
her-nachher-Vergleich nach zwei Jahren. So setzten ein-
geleitete Maßnahmen wie das Stressreduktionsprogramm
bei den Beschäftigten Anreize, eigenverantwortlich und
regelmäßig mit den Übungen weiterzumachen und sie in
die Arbeitsabläufe einzubinden.

Junge Pflege für Gesundheit sensibilisieren
Für junge Menschen ist Gesundheit am Arbeitsplatz erst
einmal kein Thema. Sie nehmen zwar die körperlichen Be-
lastungen wahr, sehen diese aber oft als unvermeidlich
an. Allerdings treten häufig schon während der Ausbil-
dungszeit bei angehenden Pflegenden Rückenbeschwer-
den auf. Mit der Gesundheitsförderung früh zu beginnen

                                                                                   Betriebliche Gesundheitsförderung in der Pflege   21
Pflege-Mediathek der AOK

     Einfach gut schulen

     Wie können professionell Pflegende trotz Stress gelassen                      AOK mit zahlreichen Pflegeexperten zusammen und konn-
     bleiben? Wie schützen sie sich vor Infektionen? Wie or-                       te bereits viele Profis für Spezialthemen als Autorinnen und
     ganisieren sich Pflegeinrichtungen gesund? Mit zahlrei-                       Autoren gewinnen. „Auf diese Weise ist ein Produkt ent-
     chen digitalen Schulungen unterstützt die Pflege-Media-                       standen, das in seiner Form ganz sicher einzigartig ist“, so
     thek der AOK Einrichtungen dabei, ihre Mitarbeiterinnen                       Homberg. In einzelnen Modulen und mithilfe von profes-
     und Mitarbeiter fortzubilden und die Organisation ge-                         sionell erstellten Präsentationen, Lehrvideos und Hinter-
     sundheitsgerecht weiterzuentwickeln. Jede Schulung ist                        grundbeiträgen werden fundierte Fachkenntnisse aus den
     als „Rundum-sorglos-Paket“ konzipiert. „Unsere Schulun-                       Bereichen pflegerische Versorgung, Prävention und Be-
     gen enthalten nicht nur PowerPoints, sondern auch einen                       triebliche Gesundheitsförderung (BGF) vermittelt. Speziell
     umfassenden Referentenleitfaden, mit dem sich Schulen-                        für die Führungskräfte hält die Pflege-Mediathek Lernin-
     de optimal vorbereiten können, Wissenstests, um das Ge-                       halte bereit, die ihnen beim Aufbau und der Implementie-
     lernte zu prüfen, Handouts, Teilnahmezertifikate und vieles                   rung gesundheitsfördernder Strukturen helfen. Sie erfah-
     mehr“, erklärt Petra Homberg, die die Pflege-Mediathek                        ren darin auch, wie es gelingen kann, solche Strukturen mit
     im AOK-Bundesverband betreut. Die registrierten Einrich-                      den individuellen Gesundheitsangeboten für Beschäftigte
     tungen können alle Lerninhalte kostenlos herunterladen                        zu verknüpfen. Auch für Themen wie „Gesundheitsgerech-
     und nutzen. Sie können die Pflege-Mediathek auch dazu                         te Führung“ oder „Präventive Hygienemaßnahmen in der
     verwenden, Fortbildungen, auch eigene, zu planen, zu or-                      Pandemie“ bietet die AOK-Lernplattform Schulungen an.
     ganisieren und zu verwalten. Die Inhalte der Schulungen
                                                                                       Mehr Informationen unter
     sind aktuell und multimedial aufbereitet. Dazu arbeitet die                       www.pflegemediathek.de

     Zu diesen Themen bietet die Pflege-Mediathek zahlreiche Schulungen an

                                                                                                                    Pflege
             Prävention
                                                                                                    •   Dekubitus         •   Ernährung
        •   Ernährung                                                BGF                            •
        •
                                                                                                        Schmerz           •   Recht
            Körperliche Aktivität
                                                       •                                            •   Sturz             •   Hygiene
        •   Stärkung kognitiver                            BGF allgemein
                                                                                                    •
            Ressourcen                                 •   Gesundheitsorientiertes Führen               Harninkontinenz   •   Notfall­
        •   Psychosoziale                              •   Ernährung
                                                                                                    •   Wunden                management
            Gesundheit                                 •   Bewegungsförderung                       •   Mobilität         •   Betreuung
        •   Gewalt                                     •   Stressmanagement                         •   Demenz            •   Kommunikation
                                                       •   Suchtmittelkonsum

22   Betriebliche Gesundheitsförderung in der Pflege
CARE4CARE – ein Forschungsprojekt des AOK-Bundesverbandes

                                         „Schutzschirm für die Pflegebranche“

                                         Dr. Antje Ducki
                                         Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie
                                         an der Beuth Hochschule für Technik Berlin.
                                         Antje Ducki koordiniert die Forschungspartner*innen
                                         des Verbundprojekts CARE4CARE.

Was ist CARE4CARE?                                                    Und was haben die Einrichtungen davon?
CARE4CARE ist ein Forschungsprojekt zur Gesundheits-                  Zum einen helfen die Akutangebote wie Resilienz-Training,
förderung, das auf die Pflegebranche zugeschnitten ist.               die schwerbelasteten Pflegekräfte psychisch zu stärken,
Das Besondere ist, dass es digitale Trainings für Beschäftig-         und nehmen so kurzfristig Druck vom Kessel. Zum anderen
te mit Vor-Ort-Angeboten für Führungskräfte und Teams                 trägt CARE4CARE dazu bei, die harten Arbeitsbedingun-
kombiniert und aufeinander abstimmt. Auf diese Weise                  gen in der Pflege positiv zu beeinflussen.
entsteht eine Art Schutzschirm über die ganze Einrichtung.
Die Wirksamkeit der Gesundheitstrainings ist dabei wis-               Was heißt das?
senschaftlich evaluiert. Die Angebote sind flexibel nutzbar           Ein Beispiel: Eine Einrichtung entscheidet sich für das Trai-
und jederzeit von überall abrufbar. Beschäftigte können               ning Organisationskultur, weil es das Thema „Gegenseiti-
sie einzeln, im Team oder als ganze Einrichtung nutzen.               ge Unterstützung“ behandelt. Die Beschäftigten absolvie-
                                                                      ren das Training und sammeln Ideen, die ihnen dabei in
Welche Angebote sind das?                                             den Sinn kommen. Anschließend können sie im Team, in
Das Angebotsspektrum umfasst die individuelle Gesund-                 den sogenannten Themenwerkstätten, diskutieren, wel-
heitsförderung, bei der es beispielsweise um Resilienz                che Verbesserungsideen sich am besten umsetzen lassen.
oder Selbstmitgefühl geht. Andere Trainings zeigen, wie               Davon profitiert die Einrichtung als Ganzes. Der Austausch
sich Strukturen und Arbeitsbedingungen verbessern las-                trägt auch dazu bei, dass die Veränderungen wirksam und
sen, damit sie die Gesundheit unterstützen. Dabei stehen              nachhaltig sind.
Themen wie Arbeitsorganisation oder gute Organisati-
onskultur im Fokus. Alle Themen sind pflegebereichsspe-                   Mehr Informationen unter
                                                                          www.aok.de/fk/betriebliche-gesundheit
zifisch aufbereitet – das heißt für ambulante, stationäre
und Krankenhauspflege. In Coachings und Workshops vor
Ort entwickeln Führungskräfte gemeinsam mit den Teams
Kompetenzen für gesundheitsförderliche Führung.

                                                                                                 Betriebliche Gesundheitsförderung in der Pflege   23
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