Erkenntnisse und Hypothesen - COVID-19-Therapie - Deutsches Ärzteblatt

 
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Erkenntnisse und Hypothesen - COVID-19-Therapie - Deutsches Ärzteblatt
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                                                                                                                                           Foto: bearsky23/stock.adobe.com
 Thema       COVID-19-Therapie

Erkenntnisse und Hypothesen
Für manche Ansätze der Therapie von COVID-19-Patienten gibt es erste klinische Hinweise auf eine
Wirkung, für andere bleibt ein Benefit für die Schwerkranken hochspekulativ. Eine Momentaufnahme.

D
       ie Entwicklung neuer, spezi-     SARS-CoV-2 in die Zellzelle hem-            (3). Die Substanz ähnelt dem in der
       fischer Substanzen zur The-      men, sowie Immunmodulatoren,                HIV-Therapie verwendeten Tenofo-
       rapie von COVID-19-Pa-           die den pathogenetisch bedeutsa-            viralafenamid und ist die Prodrug
tienten nimmt Zeit in Anspruch.         men Zytokinsturm mindern sollen.            eines Adenosin-C-Nukleosids. Ur-
Daher haben bereits in anderen In-      Im Folgenden wird die klinische             sprünglich zur Behandlung des
dikationen erprobte Substanzen          Evidenz und Relevanz dieser An-             Ebola-Virus entwickelt, aber nach
Vorrang – insbesondere solche, die      sätze diskutiert.                           enttäuschenden Ergebnissen (4)
sich bei genetisch verwandten Beta-                                                   von Gilead in dieser Indikation
coronaviren wie SARS und MERS           Inhibitoren der viralen                        aufgegeben, wird Remdesivir
als wirksam erwiesen haben. Viele       RNA-Synthese                                    derzeit in 2 großen randomisier-
Vorschläge der letzten Wochen           ● SARS-CoV-2 ist ein einzel-                    ten Phase-III-Studien bei rund
kommen dabei lediglich aus Tier-        strängiges RNA-β-Coronavirus.                  1 000 Patienten mit sowohl mil-
modellen, Zellkulturmodellen oder       Einige nichtstrukturelle Proteine             den bis moderaten als auch
gar virtuellen Modellierungen. Für      wie Proteasen, RNA-Polymerase               schweren COVID-19-Erkrankun-
manche Ansätze gibt es erste klini-     und Helikase, aber auch akzessori-          gen getestet. Bereits Ende April
sche Hinweise, für andere bleibt ein    sche Proteine bieten potenzielle An-        2020 sollen die Studien abgeschlos-
Benefit für die Patienten spekulativ.   griffspunkte.                               sen sein, aktuell rekrutieren auch
Den immensen Forschungsdruck            ● Remdesivir (RDV) ist ein breit            mehrere deutsche Zentren.
                                                                                                                                                                         Fotos: CDC Alissa Eckert, MS; Dan Higgins, MAMS

zeigt ein Blick auf die WHO-Liste       antiviral wirksames Nukleotidana-              Von der WHO wurde Remdesivir
ICTRP zu COVID-19 (1). Sie liste-       logon, das in vitro bereits in submi-       als der vielversprechendste Kandi-
te am 20. März 508 klinische Studi-     kromolaren Konzentrationen die              dat für die Behandlung von CO-
en, davon 244 rekrutierende.            RNA-abhängige RNA-Polymerase                VID-19 eingestuft. Experimentelle
   Mehrere therapeutische Ansätze       (RdRP) und somit die Replika-               Daten aus dem Mausmodell zeigten
sind zu unterscheiden: antivirale       tion verschiedener Coronaviren in           bei MERS eine bessere prophylak-
Substanzen, die entweder Enzym-         Atemwegsepithelzellen         hemmte        tische und therapeutische Wirksam-
systeme oder den Eintritt von           (2). Dies gilt auch für SARS-CoV-2          keit als eine Kombination aus Lopi-

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navir/Ritonavir (siehe unten) und        proteingebundenem Lopinavir zu              berichtete über ermutigende Ergeb-
Interferon Beta. Remdesivir verbes-      niedrig sind, um die Virusreplikati-        nisse bei 340 COVID-19-Patienten
serte die Lungenfunktion und ver-        on zu hemmen. Es bleibt abzuwar-            in Wuhan und Shenzhen. Mit Favi-
ringerte die Viruslast der Lunge und     ten, ob die erreichten Plasmaspiegel        piravir zeigten die Patienten kürze-
pulmonale Schäden (5). Auch der          für die frühe Behandlung milder             re Fieberperioden (2,5 vs. 4,2 Ta-
erste Patient mit SARS-CoV-2 in          Fälle ausreichen.                           gen), eine schnellere Virusclearan-
den USA verbesserte sich nach in-           Für den bei der HIV-Infektion ef-        ce (4 vs.11 Tagen) und eine Verbes-
travenöser Behandlung dramatisch         fektiveren Proteaseinhibitor Daru-          serung der radiologischen Befunde
mit Remdesivir (6).                      navir ist am 18. März in Spanien ei-        (20). Obwohl bislang keine wissen-
   Resistenzen für Remdesivir bei        ne große Studie (CQ4COV19) mit              schaftlichen Daten vorliegen, wur-
SARS wurden in Zellkulturen gene-        geplanten 3 040 Teilnehmern an-               de Favipiravir in China unter dem
riert, sie scheinen aber immerhin die    gelaufen. Dabei werden Patien-                 Handelsnamen Favilavir® (hier-
                                                                                                          ®
Fitness zu reduzieren (7). Ähnliches     ten mit milder Symptomatik                      zulande: Avigan ) eine 5-jähri-
wird auch bei MERS gesehen (8).          unmittelbar nach positivem                      ge Zulassung erteilt – ein wohl
Tiermodelle legen nahe, dass eine ein-   SARS-CoV-2-Test mit Daruna-                    auch in China einmaliger Vor-
mal tägliche Infusion von 10 mg/kg       vir und Chloroquin behandelt. Es              gang.
Remdesivir ausreichen könnte – phar-     gibt zudem Pressemitteilungen zu            ● Ribavirin, langjährig bekannt
makokinetische Daten für Menschen        antiviralen Wirkungen von Daruna-           aus der Hepatitis C-Therapie, ist ein
fehlen freilich. In den beiden großen    vir in Zellkulturen (16). Hersteller        Guanosinanalogon und RNA-Syn-
Phase-III-Studien zu COVID-19 wird       Janssen-Cilag veröffentlichte am            these-Inhibitor, der wahrscheinlich
analog zu den Ebola-Studien mit einer    13. März allerdings ein Schreiben           auch die RdRp hemmt (21). Bei
Initialdosis von 200 mg an Tag 1 be-     an die EMA, dass „Darunavir auf-            SARS und MERS wurde Ribavirin
gonnen, gefolgt von 100 mg für wei-      grund vorläufiger, unveröffentlich-         meist mit Lopinavir/Ritonavir oder
tere 4 oder 9 Tage. Die Verträglich-     ter Ergebnisse eines In-vitro-Expe-         Interferon kombiniert, ein eigener
keit scheint gut zu sein.                riments wahrscheinlich keine signi-         Effekt ist bislang nicht nachgewie-
● Lopinavir und Darunavir: Von           fikante Aktivität gegen SARS-CoV            sen worden (22).
diesen Inhibitoren der HIV-Protea-       aufweisen wird – bei Verabreichung          ● Sofosbuvir ist ein auch in der He-
se wird vermutet, dass sie auch die      in der zugelassenen Dosis zur Be-           patitis-C-Therapie verwendeter Po-
3-Chymotrypsin-ähnliche Protease         handlung von HIV-1-Infektionen“.            lymerase-Inhibitor. Modellierungs-
von Coronaviren hemmen. Lopina-             Diverse weitere Studien zu bei-          studien zeigen, dass die Substanz
vir wurde in China mit Beginn des        den HIV-PIs (und weiteren PIs)              auch die RdRP hemmen müsste
Ausbruchs häufig eingesetzt (9).         sind dennoch angelaufen. Cave:              (21). Sofosbuvir ist in der Regel
Mindestens 3 Fall-Kontroll-Studien       Beide Substanzen dürfen nicht ge-           sehr gut verträglich. Auch die Fix-
zu SARS und MERS (10–12) wei-            mörsert werden, was den Einsatz             kombinationen mit den HCV-Pro-
sen auf eine Wirkung hin, die Da-        bei beatmeten Patienten erschwert.          teasehemmern Velpatasvir und Le-
tenlage ist allerdings ungenügend.       ● Favipiravir ist wie Remdesivir           dipasvir sind interessant, da diese
   Die Viruslast bei SARS scheint        ein breit antiviral wirksamer RNA-          möglicherweise auch die Protease
mit Lopinavir tatsächlich rascher zu     Polymerase-Inhibitor, der in eini-          von SARS-CoV-2 hemmen (23) –
sinken als ohne (11); auch für CO-       gen Ländern für die Influenza A             Studien sind angeblich geplant,
VID-19 sind schon Einzelfälle be-        und B zugelassen ist (17). Favipira-        aber noch nicht offiziell registriert.
schrieben (13).                          vir wird intrazellulär in eine aktive
   In einer kleinen Studie aus Sin-      Form umgewandelt und von der vi-            Antivirale
gapur zeigte Lopinavir keinen Ein-       ralen RNA-Polymerase als Substrat           Entry-Inhibitoren
fluss auf die SARS-CoV-2-Clearan-        erkannt, wodurch die RNA-Poly-              Die meisten Coronaviren docken
ce in nasalen Abstrichen (14). Da-       meraseaktivität gehemmt wird (18).          über ihr Spike-(S-)Protein an zellu-
rüber hinaus fand die erste offen        In einer In-vitro-Studie zeigte diese       läre Rezeptoren an. Mit einer schier
randomisierte Open-Label-Studie          Verbindung keine starke Aktivität           unglaublichen Geschwindigkeit ha-
bei 199 hospitalisierten Erwachse-       gegen ein klinisches Isolat von             ben mehrere Arbeitsgruppen, da-
nen mit schwerer COVID-19-Er-            SARS-CoV-2.                                 runter eine deutsche, innerhalb we-
krankung keinen klinischen Nutzen           Am 14. Februar wurde allerdings          niger Wochen den Eintritt von
mit Lopinavir-Ritonavir über die         in Shenzhen eine Pressemitteilung           SARS-CoV-2 in die Zielzelle auf-
Standardversorgung hinaus (15).          veröffentlicht (19). Danach zeigten         geklärt (24). Ähnlich wie SARS-
Auch der Anteil der Patienten mit        die vorläufigen Ergebnisse einer            CoV benutzt auch SARS-CoV-2 als
nachweisbarer viraler RNA wurde          Studie mit 80 Patienten, dass Favi-         wichtigsten Rezeptor Angiotensin-
nicht beeinflusst, was auf einen feh-    piravir „eine stärkere antivirale           Converting-Enzym 2 (ACE2), ein
lenden antiviralen Effekt hindeuten      Wirkung hatte als Lopinavir/Riton-          Oberflächenprotein, das in diversen
könnte. Es könnte sein, dass die         avir“, zudem wurden signifikant             Organen und auf Lungen-AT2-Al-
durch die in der HIV-Therapie übli-      weniger Nebenwirkungen beobach-             veolarepithelzellen vorkommt.
che Dosierung von 400/100 mg             tet. Eine weitere Pressemitteilung             Die Affinität für diesen ACE2-
BID erreichten Konzentrationen an        von offizieller chinesischer Seite          Rezeptor scheint bei SARS-CoV-2

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höher zu sein als bei anderen Co-                          sein. In einem chinesischen Konsen-      validen Daten. Ob es einen direkten
ronaviren. Unbewiesen bleibt die                           suspapier vom 12. März wird es bei       Effekt bei influenzanegativen Pa-
Hypothese, wonach ACE-Hemmer                               Patienten sowohl mit leichten als        tienten mit COVID-19-Pneumonie
über eine erhöhte Expression des                           auch schweren Pneumonien emp-            gibt, ist mehr als fraglich.
ACE2-Rezeptors schwere COVID-                              fohlen (33). Diverse Studien sind        ● Umifenovir (Arbidol®) ist ein
19-Verläufe begünstigen. Ein Hy-                           geplant, auch zur Prophylaxe.            breit wirksames antvirales Medika-
pertonus war in der bislang größ-                          ● Hydroxychloroquin ist vermut-          ment, das als Membran-Fusions-In-
ten Studie zu 1 099 Patienten mit                          lich wirksamer als Chloroquin (34);      hibitor in Russland und China für
COVID-19 mit einem erhöhten Ri-                            nach In-vitro-Daten wird Hydro-          die Prophyaxe und Behandlung der
siko (24 % vs. 13 %) für schwere                           chloroquin in einer Loading-Dosis        Influenza zugelassen ist. Von chine-
Verläufe verbunden (25). In dieser                         von 400 mg empfohlen, gefolgt            sischen Leitlinien wird es bei CO-
Studie wurde allerdings die Kome-                          von einer Erhaltungstherapie von         VID-19 empfohlen. Einer chinesi-
dikation nicht erfasst; die Fachge-                        200 mg, jeweils 2-mal täglich (34).      schen Pressemitteilung zufolge ist
sellschaften raten vom Absetzen der                        In einem Mini-Review über die Er-        es imstande, die Replikation von
ACE-Hemmer ab (26).                                        gebnisse von mehr als 100 Patien-        SARS-CoV-2 in niedrigen Kon-
    Überdies scheint die Bindung                           ten soll Chloroquinphosphat im-          zentration (10–30 μm) zu hemmen
von SARS-CoV-2 an ACE2 zu ei-                              stande sein, den Krankheitsverlauf       (16).
nem Ungleichgewicht im RAS-                                abzumildern und zu verkürzen (35).          In einer kleinen retrospektiven
System zu führen. Tierstudien ha-                          Da valide klinische Daten fehlen,        und unkontrollierten Studie bei
ben gezeigt, dass dieses durch                             wird diese Hypothese von einigen         leichten bis mittelschweren CO-
ACE-Hemmer im Verlauf einer                                Experten erheblich bezweifelt (36).      VID-19-Fällen wurden 16 Patien-
Pneumonie sogar eher günstig be-                              Ein positiver Effekt von Chloro-      ten, die mit oralem Umifenovir
einflusst werden könnte (27, 28).                          quin, das über Jahrzehnte erfolglos      3 × 200 mg/Tag und Lopinavir/r
● Camostat (Foipan®): Neben der                           bei einer Vielzahl akuter Viruser-       behandelt wurden, jeweils mit 17
Bindung an den ACE2-Rezeptor ist                           krankungen getestet wurde, wäre          Patienten verglichen, die 5–21 Tage
noch ein Priming respektive eine                           der erste dieser Art. Am 17. März er-    Lopinavir/r als Monotherapie erhal-
Ausspaltung des Spike-Proteins                             schien ein vorläufiger Bericht aus       ten hatten (40). Zu Tag 7 (13) wur-
notwendig, was die Fusion viraler                          Marseille (37) über eine kleine          den in der Kombinationsgruppe
und zellulärer Membranen ermög-                            nichtrandomisierte Studie mit 36 Pa-     die Nasopharynxproben in 75 %
licht. SARS-CoV-2 verwendet dafür                          tienten.                                 (94 %) negativ, verglichen mit
die zelluläre Protease-Transmem-                              Am Tag 6 waren 70% der                35 % (53 %) unter Lopinavir/r-Mo-
bran-Protease Serin 2 (TMPRSS2).                           Nasopharynxabstriche virusfrei (so-      notherapie. Thorax-CT-Scans ver-
Substanzen, die diese Protease in-                         gar 100 %, wenn Azithromycin             besserten sich in 69 % gegenüber
hibieren, hemmen somit den Ein-                            zugesetzt wurde), 13 % in der Kon-       29 %, eine nachvollziehbare Erklä-
tritt (29). Der in Japan für die Be-                       trollgruppe. Methodische Mängel          rung boten die Autoren für diesen
handlung chronischer Pankreatiti-                          (nachträglicher Ausschluss von Pa-       erstaunlichen Effekt nicht.
den zugelassene TMPRSS2- Inhi-                             tienten, unklare Behandlungsent-         ● Baricitinib (Olumiant®) ist ein
bitor Camostat blockierte den zel-                         scheidungen, Imbalancen zwischen         für die rheumatoide Arthritis zuge-
lulären Eintritt des SARS-CoV-2-Vi-                        Fällen und Kontrollen) lassen aller-     lassener janusassoziierter Kinase-
rus (24). In Dänemark wird in Kürze                        dings Zweifel an der Validität der       (JAK-)Hemmer. Mithilfe virtueller
eine Phase-IIa-Studie beginnen.                            Daten aufkommen.                         Screeningalgorithmen wurde Bari-
● Chloroquin wird zur Vor-                                      Eine kleine randomisierte Stu-      citinib als eine Substanz identifi-
beugung und Behandlung von                                    die aus China an 30 Patienten         ziert, die die ACE2-vermittelte En-
Malaria eingesetzt und ist als                                zeigte keinerlei klinische oder       dozytose hemmen könnte (41). Wie
Entzündungshemmer bei rheu-                                    virologische Effekte (38).           auch andere JAK-Hemmer (Fedra-
matoider Arthritis und Lupus                                  ● Oseltamivir (Tamiflu®) ist ein     tinib oder Ruxolitinib) könnte Bari-
erythematodes wirksam. Die                                   Neuraminidase-Hemmer, der für          citinib über eine Signalinhibition
potenzielle, breit antivirale Wir-                         die Therapie und Prophylaxe der          eventuell auch die Folgen der er-
kung beruht auf einer Erhöhung                             Influenza zugelassen ist. Wie Lopi-      höhten Zytokinspiegel mindern,
des endosomalen PH-Werts, die                              navir wurde auch Oseltamivir aktu-       die typischerweise bei Patienten
die Virus-Zell-Fusion stört. Auch                          ell häufig in China verwendet (25).      mit COVID-19 beobachtet werden
die Glykosylierung von zellulären                          Möglicherweise ist der Therapiebe-       (42). Studien sind noch nicht regis-
Rezeptoren von SARS-CoV wird                               ginn unmittelbar nach Ausbruch der       triert (Stand 25. März).
gestört (30–32), bei SARS-CoV-2                            Symptome entscheidend. Kontrol-
darüber hinaus möglicherweise auch                         lierte Daten gibt es allerdings nicht.   Immunmodulatoren und
Post-Entry-Schritte (3).                                   Indiziert ist Oseltamivir am ehesten     Immuntherapien
    Neben den antiviralen könnten                          bei begleitender Influenzakoinfek-       Antivirale Medikamente könnten
auch entzündungshemmende Aktivi-                           tion, die bei MERS-Patienten mit         am ehesten verhindern, dass sich
täten für die Wirkung bei CO-                              rund 30 % recht häufig vorkam            leichte COVID-19-Erkrankungen
VID-19-Pneumonie verantwortlich                            (39). Für COVID-19 gibt es keine         verschlechtern. Bei schwerkranken

Deutsches Ärzteblatt | Jg. 117 | Heft 14 | 3. April 2020                                                                          A 713
MEDIZINREPORT

Patienten sind andere, adjuvante        COVID-19-Patienten verringerte               talität hin; die Studienqualität wur-
Strategien notwendig. Coronaviren       Methylprednisolon bei Patienten              de allerdings durchweg als schlecht
induzieren überschießende und           mit ARDS die Mortalität (50).                beurteilt (58). Frisch gefrorenes
aberrante, letztlich unwirksame Im-        Andererseits gibt es Hinweise für         Plasma oder Immunglobulin von
munantworten des Wirts, die mit         eine verzögerte Clearance (51), die          genesenen MERS-Patienten wur-
schweren Lungenschäden verbun-          auch schon bei SARS beobachtet               de diskutiert (59, 22). Genesene
den sind (43). Ähnlich wie bei          wurde (46). In einer Konsensus-Er-           SARS-Patienten entwickeln eine
SARS und MERS entwickeln eini-          klärung der Chinese Thoracic Socie-          neutralisierende Antikörperantwort
ge COVID-19-Patienten ein akutes        ty vom 8. Februar sollten Kortikoste-        gegen das virale Spike-Protein. Ers-
Atemnotsyndrom (ARDS), oft ver-         roide deshalb nur mit Vorsicht, nach         te Ergebnisse deuten darauf hin,
bunden mit einem Zytokinsturm           sorgfältiger Abwägung, in niedriger          dass diese Antwort sich auch auf
(44).                                   Dosis (≤ 0,5–1 mg/kg Methylpredni-           SARS-CoV-2 erstreckt (60). In ei-
   Verschiedene wirtsspezifische        solon oder Äquivalent pro Tag) und           ner kleinen Pilotstudie zeigten
Therapien zielen darauf ab, den         vor allem kurz (≤ 7 Tage) gegeben            5 kritisch kranke, beatmete Patien-
Schaden durch die Dysregulation         werden (52).                                 ten mit COVID-19 und ARDS nach
proinflammatorischer Zytokin- und       ● Tocilizumab (Roactemra®) ist               der Verabreichung neutralisierender
Chemokinreaktionen zu begrenzen         ein monoklonaler Antikörper, der             Antikörper von Rekonvaleszenten
(45). Auch Immunsuppressiva, In-        auf den Interleukin-6-Rezeptor ab-           eine klinische Verbesserung (61).
terleukin-1-Blocker wie Anakinra        zielt. Er ist für die rheumatoide             Am 26. März genehmigte die FDA
oder Januskinase-Inhibitoren kom-       Arthritis zugelassen und weist                  die Verwendung von Plasma von
men infrage (44).                       ein gutes Sicherheitsprofil auf.                 genesenen Patienten zur Be-
   Zu den diskutierten „umfunktio-      Es existieren vorläufige und                      handlung von schwerkranken
nierten“ Arzneimitteln mit hervor-      ermutigende Ergebnisse einer                     Menschen mit COVID-19 (62).
ragenden Sicherheitsprofilen gehö-      unkontrollierten, retrospektiven                    Weitere immunmodulatorische
ren Cholesterinhemmer, Wirkstoffe       Studie bei 20 Patienten mit                    und andere Ansätze in klinischer
gegen Diabetes, Arthritis, Epilep-      schwerer COVID-19-Erkrankung                 Testung sind unter anderem Beva-
sie, Krebs, aber auch Antibiotika.      und erhöhten IL-6-Spiegeln (53).             cizumab, Brilacidin, Cyclosporin,
Sie sollen die Autophagie modulie-      Tocilizumab sollte Patienten mit             Fingolimod, Lenalidomid und Tha-
ren, andere Immuneffektormecha-         schweren Verläufen vorbehalten               lidomid, Sildenafil, Teicoplanin so-
nismen und die Produktion antimi-       bleiben, bei denen andere Thera-             wie diverse monoklonale Antikör-
krobieller Peptide fördern und be-      pien versagt haben. In Italien ist ei-       per (63). Auch zelluläre Therapie-
schädigte Gewebe reparieren.            ne Studie mit Patienten mit CO-              ansätze werden erwogen.
● Kortikosteroide sind in der Pra-      VID-19 und erhöhten IL-6-Spie-                  Es ist zu hoffen, dass das hiesi-
xis gut bekannt. In der bislang         geln angelaufen. In den USA hat              ge Gesundheitssystem ausreichend
größten Beobachtungsstudie von          außerdem ein Phase-II/III-Programm           vorbereitet ist, dem aktuellen Aus-
1 099 COVID-19-Patienten erhiel-        für den IL-6-Rezeptorantagonisten            bruch standhalten wird und die in
ten insgesamt 19 % Kortikosteroi-       Kevzara® (Sarilumab) bei bis zu              dieser Übersicht aufgezeigten Op-
de, bei schweren Krankheitsverläu-      400 Patienten begonnen.                      tionen auch wirklich solche sein
fen fast die Hälfte (25). Gemäß den        Siltuximab (Sylvant®) ist eben-           werden. Ebenso dringlich ist, dass
aktuellen WHO-Leitlinien werden         falls ein gegen IL-6 gerichteter An-         in dieser schwierigen Situation
Steroide außerhalb von Studien          tikörper. Zugelassen für den idiopa-         auch trotz des immensen Drucks
aufgrund bekannter Komplikatio-         thischen multizentrischen Morbus             elementare Grundsätze der Ent-
nen, insbesondere Superinfektionen,     Castleman, bindet sie allerdings di-         wicklung und Erforschung von Me-
dennoch nicht empfohlen. Ein sys-       rekt an IL-6 und nicht wie Tocilizu-         dikamenten nicht außer Kraft ge-
tematischer Review bei SARS (46)        mab oder Sarilumab an den Rezep-             setzt werden. Die Sicherheit der Pa-
erbrachte keinen Benefit und nur        tor. Erste Ergebnisse der italieni-          tienten sollte hierbei stets an erster
Nebenwirkungen (avaskuläre Ne-          schen Pilotstudie SISCO werden in            Stelle stehen
krosen, Psychosen, Diabetes). Al-       Kürze erwartet.                                            Prof. Dr. med. Christian Hoffmann
lerdings wird der Einsatz bei CO-       ● Interferone: Bei MERS blie-                     Infektionsmedizinisches Centrum Hamburg
VID-19 weiter kontrovers disku-         ben Interferone ohne überzeugende                             PD Dr. med. Christoph Spinner
                                                                                              Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II,
tiert (47, 48).                         Wirkung. Trotz hochrangig publi-
                                                                                                 Klinikum rechts der Isar, TU München
   So wurde in einer retrospektiven     zierter Effekte in Zellkulturen (54)
Studie mit 401 SARS-Patienten           zeigte sich in klinischen Studien in
                                                                                     Interessenkonflikt: Die Autoren erklären,
festgestellt, dass niedrige Dosen die   Kombination mit Ribavirin kein               dass kein Interessenkonflikt besteht.
Mortalität senken und die Kranken-      überzeigender Benefit (55–57).
                                                                                     Dieser Artikel unterliegt nicht dem
hausdauer für kritisch Kranke ver-      ● Passive Immunisierung: Eine               Peer-Review-Verfahren.
kürzt – ohne eine Sekundärinfekti-      Metaanalyse von Beobachtungsstu-
on und andere Komplikationen zu         dien zur passiven Immuntherapie
                                                                                     Literatur im Internet:
verursachen (49). In einer retro-       bei SARS und schwerer Influenza              www.aerzteblatt.de/lit1420
spektiven Studie an insgesamt 201       deutet auf eine Abnahme der Mor-             oder über QR-Code.

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MEDIZINREPORT

Zusatzmaterial Heft 14/2020, zu:

COVID-19-Therapie

Erkenntnisse und Hypothesen
Für manche Ansätze der Therapie von COVID-19-Patienten gibt es erste klinische Hinweise auf eine
Wirkung, für andere bleibt ein Benefit für die Schwerkranken hochspekulativ. Eine Momentaufnahme.

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