"ES GIBT MEISTENS IRGENDWO SPIELRÄUME" - BUSINESS Krisenmanagement - Gerloff ...

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"ES GIBT MEISTENS IRGENDWO SPIELRÄUME" - BUSINESS Krisenmanagement - Gerloff ...
BUSINESS                                   Krisenmanagement

„ES GIBT
 MEISTENS
 IRGENDWO
 SPIELRÄUME“
Foto: Gerloff Liebler Rechtsanwälte

       22                             Nr. 9 _ 2021
"ES GIBT MEISTENS IRGENDWO SPIELRÄUME" - BUSINESS Krisenmanagement - Gerloff ...
Kein Insolvenzverwalter bestreitet so viele Verfahren mit Mode-Unternehmen wie
Christian Gerloff. Wie arbeitet der Mann, der gerade in Shutdown-Zeiten im
Mittelpunkt stehen sollte – aber die Öffentlichkeit gerne meidet?

                                                                                    Zufall oder Absicht?
                                                                                    Im Foyer der Gerloff-
                                                                                    Kanzlei in München
                                                                                    findet sich auf der
                                                                                    einen Seite ein Ölbild
                                                                                    mit zahllosen bunten
                                                                                    Linien, die überall
                                                                                    und nirgends hin-
                                                                                    führen....
                                 Fotos: Hagen Seidel

             M
                       it Bademoden hatte Christian        lagen auf seinem Schreibtisch an der Nym-
                        Gerloff bis zu diesem Zeitpunkt    phenburger Straße in München.
                        beruflich noch nie etwas zu tun    An den Flyer und Gerloff erinnerte sich der
             gehabt. Aber irgendwann im Jahr 2006          Richter, der 2006 das Ariella-Verfahren
             wurde die Insolvenz des angeschlagenen        betreute, als er sich wenig später mit der
             Herstellers Ariella Bademoden der erste       Insolvenz von Collection Wolfgang Ley
             Fashion-Fall des jungen Anwalts aus Halle     beschäftigte: Er berief Gerloff auch hier
             an der Saale. Viel retten konnte er bei dem   zum Insolvenzverwalter. Der hatte sein
             Warenhaus-Lieferanten nicht mehr, „das        zweites Mode-Mandat und wenig später
             Unternehmen war mausetot, da konnte           folgte mit Escada ein richtig großer Name.
             man nur noch abwickeln“, sagt er heute.       Wie arbeitet dieser Mann eigentlich? Wie
             Aber tolle Prospekte hatte Ariella Bademo-    tickt er? In Talkshows sieht man den Be-
             den damals. Einen davon legte der Insol-      rufs-Sanierer nicht. Auch wird man bei der
             venzverwalter in die Unterlagen fürs Ge-      Suche nach einem Portrait in Zeitungen
             richt. „Damit sich der Richter ein besseres   oder Zeitschriften wenig Erfolg haben.
             Bild von dem Unternehmen machen konn-         Warum hat ausgerechnet dieser zurück-
             te.“                                          haltende, auf manche gar schüchtern wir-
             Dieser Bikini-Flyer könnte die Basis dafür    kende Jurist von der Kanzlei Gerloff Liebler
             gewesen sein, dass aus Gerloff so etwas       das Vertrauen der oft so sehr auf Glamour
             wie der Top-Rettungsschwimmer für die         und Außenwirkung bedachten Modebran-
             ganz schwierigen Fälle der Modebranche        che gewonnen? Wahrscheinlich genau
             wurde. Kein Insolvenzverwalter-Name ist       deshalb, weil er ist, wie er ist.
             so mit Fashion verbunden wie der Gerloffs,    „Gerloff ist ein virtuoser Künstler, immer
             ganz besonders in der aktuellen Corona-       im Pelz des braven, ruhigen, besonnenen
             Krise: Derzeit ist er Generalbevollmächtig-   und verständnisvollen Insolvenzrechtlers,
             ter bei Adler, daneben Sachwalter bei         der nicht polarisiert, sondern ausgleicht
             Hallhuber. Laurèl, K & L, Gerry Weber,        und damit zum Ziel gelangt“, sagt Andreas
             Wöhrl, gleich zweimal Escada, dazu Rena       Mach, Chef der Nürnberger Kette Wöhrl,
             Lange, Laurèl und Stefanel Deutschland –      als Gerloff dort 2016/2017 Restrukturie-
             alle diese Fälle und noch ein paar mehr       rungs-Vorstand war. Diese zurückhaltende

                                                                                                             Nr. 9 _ 2021   23
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               ....- und auf der anderen Seite ein riesiger Zerrspiegel, der keinen
               klaren Blick auf die Realität zulässt. Ähnlich, könnte man meinen,
               stellt sich die Situation in manchem Insolvenzverfahren dar.

Tour scheint zu funktionieren, das Geschäft          wohl sie teuer und in dieser Situation        seinen Fachkollegen in einem Großraum
mit der Rettung brummt: Längst kommen                nicht jedem zu vermitteln waren: „Darüber     statt in Einzelbüros zusammen – so ginge
immer neue Fälle über das in vielen Jahren           soll der Markt sprechen. Man darf die         der Informationstausch am schnellsten.
aufgebaute Netzwerk zur Kanzlei. Über                Marke nicht ständig mit dem Begriff Insol-    Dieses Tempo lobt Ehling neben der Kom-
Manager, Berater, Banker, Richter.                   venz in Verbindung bringen.“ Dass Mode-       petenz besonders. Mach erinnert sich an
Gerloff, der professionelle Leisetreter im           Unternehmen in schwierigen Zeiten gerne       „sehr gute und auch für Nicht-Juristen
dunklen Anzug – zur Zeit der ersten Esca-            die Marketingausgaben zurückfahren und        verständliche Präsentationen“ der Kanzlei
da-Insolvenz 2009 auch mal in einem                  damit praktisch abtauchen, hält er für        während der Wöhrl-Insolvenz. Nicht un-
solchen aus der HAKA-Null-Linie der Mün-             einen Fehler: „Man muss sich zeigen. Die      wichtig, bei all den juristischen Fachbegrif-
chener Marke: „Damals hätte ich mir jeden            Produkte verkaufen sich selten von selbst.“   fen und Untiefen. Auch von Empathie und
Tag eine Bühne bauen können, so groß war             Mit Blick auf dieses TV-Beispiel meint        der Fähigkeit, zuzuhören und beobachten
das Medien-Interesse an Escada.“ Doch das            Johannes Ehling, während der Insolvenz        zu können, berichten Manager, die mit
wäre falsch gewesen. „Gerade bei Modefir-            CEO bei Gerry Weber und mittlerweile          Gerloff zusammengearbeitet haben.
men, deren wesentliches Asset die Marke              Chef bei Hirmer in München, über seinen       Dazu passt, was der Anwalt über seine
ist, muss ich extrem darauf achten, dass             früheren Verwalter: „Er kippt kein Konzept,   ersten Auftritte vor den zumeist verunsi-
die Marke durch das Insolvenzverfahren               wenn es sinnvoll ist“. Und er begrüßt         cherten Mitarbeitern bei neuen Verfahren
möglichst wenig beschädigt wird.“ Aus der            Gerloffs Arbeitsweise: „Schnell rein ins      sagt: „Aus der Art, wie sich die Mitarbeiter
Öffentlichkeit heraushalten lässt sich eine          Unternehmen und schnell wieder raus, um       geben, wie sie Fragen stellen, ob sie über-
solche Insolvenz nun mal nicht. „Aber ich            möglichst wenig Schaden anzurichten.“         haupt Fragen stellen, kann man oft schon
kann am Anfang ein klares Statement                  Was steht auf seiner To-Do-Liste ganz         viel über den Zustand des Unternehmens
abgeben, das auch in die Medien kommt.               oben, wenn Gerloff ein neues Mandat           und der Führungskultur erfahren.“ Dabei
Dann sollte man möglichst wieder aus der             bekommt? „Unser Team muss sich mög-           dürfe er keine falschen Erwartungen we-
Öffentlichkeit verschwinden.“                        lichst geräuschlos an das Unternehmen         cken, müsse klarmachen, dass Veränderun-
Eine Marke müsse in der Krise ein me-                andocken und sehr schnell Sparrings-          gen anstünden.
diales Gegengewicht schaffen, ist Gerloff            partner des Managements werden und die        In den Betriebsversammlungen von Mode-
überzeugt. Dafür geht der Profi-Sanierer             insolvenzrechtlichen Themen lösen. Wir        unternehmen sei das hohe Maß an Emo-
auch schon mal runter von der Kosten-                sind ja nicht die besseren Geschäftsführer.   tionalität der Mitarbeiter typisch. „In fast
bremse. Etwa, als er in der Gerry Weber-             Je schneller wir als Teil des Teams emp-      allen Fällen besteht eine unglaubliche
Insolvenz die schon länger geplanten Fern-           funden werden, desto besser“. Am liebsten     Loyalität, die ich aus anderen Branchen
seh-Spots für die Marke unterstützte, ob-            arbeitet Gerloff in den Unternehmen mit       nicht kenne. Eine Loyalität, nicht zwingend

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Wenn man die Mitarbeiter bei
                                             der Emotionalität abholt, hat
                                             man die Chance, gemeinsam
                                             etwas zu erreichen. In fast allen
                                             Fällen besteht eine unglaubliche
                                             Loyalität, die ich aus anderen
                                             Branchen nicht kenne. Eine
                                             Loyalität gegenüber der Marke.“

                                                                                     Christian Gerloff

gegenüber dem Unternehmen, aber in             neben Mode- und Krankenhaus-Insolven-           Haken. Jeder will in einem Insolvenz-
jedem Fall gegenüber der Marke.“ An wie        zen auch Krisenfällen in der Automobil-         verfahren seine eigenen Interessen durch-
vielen Sanierungsverfahren er mittlerweile     branche als Schwerpunkte sieht.                 setzen, ob Mitarbeiter, Lieferanten, Ver-
beteiligt war, kann er nicht sagen.            Die Kritik in Medien oder Sozialen Netz-        mieter, Banken, Dienstleister, Finanzämter,
Dabei hatte Gerloff nach dem Abitur im         werken, Insolvenzverwalter seien über-          Sozialversicherungsträger, Alteigentümer
Vor-Wende-Jahr 1988 in Halle / Saale –         bezahlte Krisengewinnler, lässt er an sich      oder mögliche Investoren. Dieses Hauen
seine Herkunft hört man trotz der vielen       abprallen: „Verwalter und Sanierer sind         und Stechen schrecke ihn nicht ab, im
Jahre in München an wenigen Stellen des        nicht die Verursacher einer Krise, genauso      Gegenteil: „Ich habe immer Freude daran
Gespräches noch am Akzent – eines nicht        wie ein Arzt auch nicht für die Krankheit       gefunden, Entscheidungen zu treffen und
werden wollen: Insolvenzverwalter. Was         seines Patienten verantwortlich ist.“ Und       Menschen mitzunehmen. Es gibt meistens
war das überhaupt genau? So etwas hatte        die Honorare richteten sich nach der insol-     irgendwo Spielräume.“
es in der sozialistischen DDR-Wirtschaft       venzrechtlichen Vergütungsverordnung            Trotzdem müsse man „ab und zu mal den
nicht gegeben. Und ein Jura-Studium in         und würden vom Gericht geprüft.                 Kampfanzug anziehen“, sagt Gerloff. Und
der DDR wäre für Gerloff ohnehin nicht         Er mag, was er tut – auch wenn ihm die          mal richtig Druck machen, wenn das Inte-
denkbar gewesen: „Dafür fehlte mir jede        vielen Mandate kaum noch Zeit zum Renn-         resse eines Einzelnen eine fast schon er-
Staatsnähe.“                                   radfahren oder Bergwandern lassen. „Die-        reichte Gesamtlösung auf den letzten
Nach einer Ausbildung zum Maschinen-           ser Beruf ist unglaublich abwechslungs-         Metern doch noch bedroht.
und Anlagen-Monteur und 1989/90 einem          reich, man sieht sehr viel, das macht ihn so    Andreas Mach umschreibt das so: „Seine
Ausflug ins Physikstudium, begann er, an       spannend“, sagt Gerloff. Einen Schriftsatz      Fähigkeit, einen Gläubigerausschuss oder
der Uni Halle-Wittenberg Jura zu studie-       in einem Verfahren für den Bundesge-            eine Gläubigerversammlung zu dem Ergeb-
ren: „Ich wollte eigentlich ganz normaler      richtshof aufzusetzen und ein halbes Jahr       nis zu bringen, das für Gläubiger und
Anwalt werden“, sagt er. Doch über Statio-     auf eine Entscheidung zu warten – das ist       Unternehmen am besten ist, ist bewun-
nen wie die Kanzlei Hermann in Leipzig         nichts für ihn. „Insolvenzverfahren kann        dernswert.“ Auch hört man in der Branche,
und vor allem Ott & Kollegen in München        man nicht allein mit juristischen Mitteln       dass Gerloff bei Bedarf nicht zögert, noch
kam er doch zur Insolvenzverwaltung,           zum Erfolg führen, man muss auch wirt-          Experten ins Verfahren zu holen, die dann
promovierte 2007 an der Uni Köln zu ei-        schaftlich denken und agieren können.“          zufällig just genau seine Position unter-
nem Thema aus diesem Bereich. Bereits          Angesichts unzähliger Einzelinteressen          stützen. „Selbstverständlich verfolgt Gerloff
2006 hatte er mit seinem Kollegen Marco        müsse er zudem ein guter Mediator sein –        in seinen Verfahren seine Agenda. Und
Liebler die Kanzlei Ott & Kollegen über-       gerade hinter diese Fähigkeit machen            meistens bringt er sie auch durch, da ist er
nommen, die jetzt mit 40-köpfigem Team         Modemanager mit Gerloff-Erfahrung einen         ziemlich schmerzfrei“, sagt ein Modemana-

                                                                                                                         Nr. 9 _ 2021    25
BUSINESS                    Krisenmanagement

                                               Ich bin gespannt, wie sich Gerry
                                               Weber entwickeln wird, nachdem
                                               jetzt einige Frauen in Führungspo-
                                               sitionen gekommen sind. Leucht-
                                               türme wie Escada, Strenesse oder
                                               Rena Lange wurden von Frauen
                                               groß gemacht. Vielleicht sollte
                                               man bei Neubesetzungen wieder
                                               öfter an Frauen denken.

                                                                                        Christian Gerloff

ger, der ihn schon lange beobachtet.             300 Kündigungen zu unterschreiben. Aber         tionen gekommen sind.“ Ihn habe immer
Bei Gerry Weber etwa hatte es in der Früh-       wenn man überzeugt ist, man hat ge-             gewundert, dass es in der DOB an den
phase zwei unterschiedliche Sanierungs-          kämpft und alles versucht, dann kommt           Entscheidungspositionen so wenige Frauen
konzepte gegeben – am Ende hatte Gerloff         man damit klar“. Und wenn so etwas              gibt: „Dabei wurden Leuchttürme wie
seinen einstimmigen Beschluss. Ihm sei           notwendig ist, versuche er, den Stellen-        Escada, Strenesse oder Rena Lange von
auch wichtig, „Alteigentümern klarzuma-          abbau in einem Rutsch zu vollziehen. Da-        Frauen groß gemacht. Vielleicht sollte man
chen, dass es nicht darum gehen kann, im         mit die übrigen Mitarbeiter wüssten, dass       im Design wie im Management bei Neu-
Insolvenzverfahren seine Gläubiger mög-          es weitergeht.                                  besetzungen auch wieder öfter an Frauen
lichst günstig loszuwerden. Stattdessen          Bei Hallhuber ist genau das noch nicht          denken.“
muss ihnen klar sein, dass sie sich erneut       gesichert. Dort sorgte Sachwalter Gerloff       Zu seinem aktuellen Verfahren bei Adler
für ihr Unternehmen bewerben und es              unlängst mit einem ungewöhnlichen               will er wenig sagen. Nur so viel: „Adler ist
gegebenenfalls zurückkaufen müssen.“             Schritt für Schlagzeilen, als er den ge-        sehr gut aufgestellt, vor allem digital. Ich
Die meisten von Gerloff betreuten Mode-          samten Geschäftsbetrieb für zwei Monate         bin sehr optimistisch, wir haben da eine
Unternehmen überlebten, wenn auch oft            praktisch eingefroren hat. Die Mitarbeiter      echte Verkaufsstory. Ohne den Lockdown
in geschrumpfter Form. Aber nicht alle:          mussten sich arbeitslos melden. „Es blieb       würde Adler mich überhaupt nicht brau-
„Natürlich haben wir auch Unternehmen            nichts anderes übrig. Das Unternehmen           chen.“ Im Jahr vor Corona hatte das Unter-
beerdigen müssen, weil es keine Chance           hatte im Lockdown nur eine sehr kleinere        nehmen Geld verdient. „Wir müssen jetzt
mehr gab.“ Ausgerechnet Ariella Bademo-          Summe vom österreichischen Staat als            allerdings eine finanzielle Brücke über den
den war so ein Fall, gleich am Anfang. Bei       Unterstützung bekommen und vom deut-            Lockdown bauen. Und keiner kann derzeit
Rena Lange und im zweiten Insolvenz-             schen nichts.“ Die Alternative – die Liqui-     so genau einschätzen, wie lang diese Brü-
verfahren von Laurèl jedoch konnte er nur        dation – soll möglichst vermieden werden.       cke sein muss.“
noch die Markenrechte verkaufen.                 „Hallhuber hat immer noch eine Daseins-         In Corona-freien Zeiten sieht Gerloff für die
„Man kann nicht alle retten, es muss auch        berechtigung am Markt“, glaubt er und           Fashion-Branche generell keine besonde-
mal ein Unternehmen sterben. Das geord-          unterstützt als Sachwalter das Manage-          ren, typischen Insolvenzrisiken. Meist
nete Ausscheiden aus dem Wirtschafts-            ment bei der Suche nach einem Investor.         machten gleich mehrere Fehler den Gang
prozess ist ja auch ein wesentliches Ele-        Beim Blick nach Halle/Westfalen schaut          zum Amtsgericht unausweichlich – strate-
ment des Insolvenzrechtes.“ Doch genau           Gerloff jetzt vor allem auf die Frauen: „Ich    gische Fehler, solche des Managements
wie ein Arzt dürfe ein Sanierer solche           bin gespannt und drücke alle Daumen, wie        und kritische Führungsstrukturen etwa.
Situationen „nicht mit nach Hause neh-           sich Gerry Weber entwickeln wird, nach-         „Manchmal ist es aber auch nur Pech. Die
men. Es ist natürlich nicht leicht, 200 oder     dem jetzt einige Frauen in Führungsposi-        Pandemie hat das ganze Mode-Business in

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Best Buddies: Christian Gerloff (l.), damals Chief Operating Officer bei Wöhrl,
                und Firmenchef Andreas Mach bei einer Pressekonferenz zum Abschluss des
                Insolvenzverfahrens im Mai 2017 in Nürnberg.

eine existenzielle Krise gestürzt, zumal sie          „Wenn ein Unternehmen Insolvenz ange-           und viele Fehler gesehen: etwa die Redu-
bereits zuvor mit starken Marktverände-               meldet hat, höre ich oft: ‚Die sind doch        zierung von Beratungspersonal auf der
rungen zu kämpfen hatte. Für die Lock-                selbst schuld. Denen helfen wir nicht.‘ Dass    Fläche und die Zunahme von Depot-Model-
downs kann sie nichts, sie ist aber gleich-           die Insolvenz möglicherweise wegen des          len, die einen Verlust an Einkaufserlebnis
wohl mit am meisten davon betroffen.                  staatlich verordneten Shutdown gekom-           gebracht habe. „Mode-Händler und Her-
Deswegen muss ihr staatlicherseits be-                men ist, sieht man nicht. Wir brauchen,         steller haben vergessen, in ihr Produkt zu
sonders geholfen werden, wollen wir kei-              wie in den USA, endlich eine Kultur des         investieren. Stattdessen haben sie viele
nen Kahlschlag riskieren. Dass scheint bei            Scheiterns, eine faire zweite Chance.“ Statt-   Nebenkollektionen ausgeweitet, sodass
der Politik aber bisher nicht angekommen              dessen fehlten vielen Unternehmen hier-         man nicht mehr weiß, wofür die Marke
zu sein.“                                             zulande gerade jetzt die Finanzmittel, um       eigentlich steht. Oder sie haben viel zu
Überhaupt ist Gerloff auf die Politik in der          in ihre Chancen zu investieren.                 viele neue Stores aufgemacht.“
Corona-Krise nicht gut zu sprechen. Es                Dieses Denken zusammen mit den immer            Christian Gerloff immerhin, bis vor ein-
komme zu wenig von der versprochenen                  wieder verlängerten Schließungen sei            einhalb Jahren nach eigenen Worten noch
Hilfe im notwendigen Tempo in der Breite              extrem gefährlich für Handel und Innen-         Power Shopper bei den Onlinern, kauft
der Modebranche an, kritisiert er. „Das sind          städte: „Wenn sich der vollständige Lock-       Mode inzwischen fast nur noch stationär:
zumeist Steine statt Brot. Ich vermisse ein           down noch weit in den März ziehen sollte,       „Ich habe vor eineinhalb Jahren ein kleines
aktives Krisenmanagement der Politik zur              befürchte ich ein Blutbad in Form extrem        Kaufhaus in Grafing entdeckt: sensationel-
Unterstützung der Wirtschaft in diesem                steigender Insolvenzzahlen.“ Die Politik        le Marken, die ich selbst in München nicht
Lockdown.“                                            verstehe leider „wenig bis nichts“ von den      bekomme. Mit toller Beratung, es macht
Oft würden Ankündigungen der Minister                 Besonderheiten der Modebranche.                 Spaß, dort einzukaufen. Die kommen auch
von den nachgeordneten Behörden kon-                  Mehr Sonntagsöffnungen müssten her, um          zu mir nach Hause, schauen durch meinen
terkariert. So habe die Bundesanstalt für             die Innenstädte in Konkurrenz zu den            Kleiderschrank und schlagen Stücke zur
Arbeit beschlossen, Unternehmen in Kurz-              Onliner attraktiv zu halten. Die stationären    Ergänzung vor. Beratung und Service“,
arbeit die Sozialversicherungsbeiträge                Händler müssten technisch nachlegen: „In        glaubt Gerloff, „bleiben die großen Vorteile
nicht mehr zu erstatten, wenn sie Insol-              den meisten Multilabel-Häusern ist in den       des stationären Handels“. Und Obermaier
venz angemeldet haben. „Das ist gegen das             vergangenen Jahren doch kaum etwas              Moden ist Anwalts Liebling.
Gesetz“, ärgert sich Gerloff, der Politikern          passiert. Warum gibt es immer noch
und staatlichen Institutionen im Zusam-               Schlangen vor den Kassen, warum kommt                                           HAGEN SEIDEL
menhang mit insolventen Firmen „mittel-               die Kasse nicht zum Kunden?“
alterliches Schuldturmdenken“ vorwirft:               Gerloff hat im Handel schon viel Elend

                                                                                                                               Nr. 9 _ 2021    27
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