Es wäre hilfreich, wenn die Zahnmedizin die ihr zustehenden Gelder auch erhielte
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280 GESELLSCHAFT / SOCIETY DGZMK / GSDOM „Es wäre hilfreich, wenn die Zahnmedizin die ihr zustehenden Gelder auch erhielte“ DGZMK-Präsident elect Prof. Frankenberger moniert die Praxis der Mittelvergabe an den Medizinischen Fakultäten/„Junge Menschen für unser Fach zu begeistern, ist meine höchste Motivation“ Es ist ein weites Feld, das die fair. Ich saß damals im Hörsaal und DGZMK (Deutsche Gesellschaft dachte „so wie der will ich auch mal wer- für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde) den“. Lieber Boe – wenn Du das liest: und die ihr angeschlossenen oder asso- Danke! Und das ließ mich dann eigent- ziierten Fachgesellschaften und Arbeits- lich nicht mehr los. Nach meiner Zeit als kreise beackern. Mit über 23.000 Mit- Stabsarzt kehrte ich also an die Univer- gliedern stellt die DGZMK nicht nur die sität zurück und sollte dann auch dort bekanntermaßen älteste, sondern auch bleiben. Aber natürlich ging das nicht die größte nationale wissenschaftliche ohne glückliche Umstände. Mein Gesellschaft im Bereich der ZMK dar, sie C1-Vertrag wäre eigentlich Anfang der gilt als das Flaggschiff einer Flotte von 2000-er Jahre ausgelaufen. Aber da sich Organisationen im Bereich der wissen- ein Akademischer Oberrat unserer Ab- schaftlichen ZMK. Doch wer steht hier teilung mit Anfang 40 noch entschied, am Ruder, wer bestimmt den Kurs und in die Praxis zu gehen, wurde auf einmal wer vertritt die Interessen der Mitglieder vom einen auf den anderen Tag eine von DGZMK und APW? Unter der Rub- Dauerstelle in der Erlanger Kons frei. rik „DGZMK-Köpfe“ stellen wir Ihnen Wäre das nicht passiert, wäre ich heute die handelnden Personen des Geschäfts- sowieso in der Praxis. Das hätte ich mir führenden Vorstands und ihre Aufgaben Abbildung 1 Prof. Dr. Roland Franken- natürlich auch vorstellen können, ich vor. In dieser Ausgabe beantwortet der berger habe immer viel und gerne Patienten be- Präsident elect, Prof. Dr. Roland Fran- handelt (Abb. 2). Aber es wäre klar kenberger (Uni Marburg, Abb. 1), die Plan B gewesen, mein Herz schlug im- Fragen. Er wurde Ende des vergangenen mer für die Universität. Im Hör- oder Jahres auf der Mitgliederversammlung Bundeswehr eröffnete, dass ich im Falle Kurssaal zu stehen und junge Menschen in Frankfurt am Main zum künftigen eines Zahnmedizinstudiums nach der für unser schönes Fach zu begeistern, DGZMK-Präsidenten gewählt. Universität zum Bund gehen könne, war war immer meine größte Motivation. das für mich das Pünktchen auf dem i. Was hat Sie dazu geführt, sich be- Das sieht ein bisschen nach dem „Weg Wenn Sie auf Ihre aktuelle Situati- ruflich der ZMK zu verschreiben? des geringsten Widerstandes“ aus, aber on schauen: Wo sehen Sie wesentli- Gab es da einen Schlüsselmoment? für mich war das schon ein Faktor, die che Ansätze, wie sich die Situation „Das waren in meinem Fall mehrere Bundeswehrzeit sinnvoll in meinem für die Hochschulstandorte ZM in Schlüsselmomente. Zum einen hatte ich späteren Beruf zu verbringen. Deutschland verbessern ließe, was als Kind nicht immer gute Erfahrungen hätte da Priorität? beim Zahnarzt gemacht, dadurch hatte Was gab bei Ihnen den Ausschlag, Als ich in Marburg anfing, hat ein älterer das Thema schon einmal einen gewissen nicht den Weg einer eigenen Pra- Kollege zu mir gesagt: „Du wirst sehen, Raum in meinem Hinterkopf. Zum an- xis einzuschlagen, sondern sich es wird eine tolle Arbeit – aber es wird deren hatte ich einen Freund in unserer der wissenschaftlichen Zahnmedi- auch vom ersten Tag an ein Kampf um Jugendorganisation, der Zahnmedizin zin zu widmen? Geld, Ausstattung und Stellen.“ Wie studierte, wodurch ich schon viel erfah- Wir hatten im ersten Semester in der recht er hatte. Es hilft alles nichts: Die ren hatte und das sehr interessant fand. Propädeutik einen Oberarzt Dr. Boegers- Hochschulmedizin in Deutschland ist Außerdem fand ich den Typen cool, und hausen, der ganz tolle Vorlesungen und unterfinanziert und das ist auch klar be- Vorbilder sind ja sehr motivierend. Als Demonstrationen machte. Er war im- legt. Um Missverständnissen vorzubeu- man mir dann bei der Musterung zur mer voll motiviert, witzig, streng und gen, das hat rein gar nichts mit Gehäl- ■ © Deutscher Ärzteverlag | DZZ | Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift | 2017; 72 (3)
DGZMK / GSDOM 281 tern zu tun, die sind mittlerweile für weggegangen wären, es war also keine meine Mitarbeiter viel besser als noch One-Man-Show. Und trotzdem kann vor zehn Jahren. Auch mein W3-Gehalt ich offen sagen, dass diese Mittagspau- ist absolut in Ordnung, das kann jeder se Anfang Juli 2014 der schönste Mo- in Tabellenform im Internet nachlesen. ment in meinem kompletten Berufs- Aber wenn ich mir mein Budget für For- leben war. Da standen 250 Studierende schung und Lehre betrachte, so beträgt mit Transparenten – auf einem stand dieses ca. 10.000 Euro im Jahr – große „Ohne Dich ist alles doof. Füllung: Sprünge sind da nicht drin. Ein weiterer doof. Endo: doof.“ Wir waren an dem Aspekt ist die sogenannte leistungsori- Tag alle sehr gerührt und glücklich. entierte Mittelvergabe an den Medizini- Und am Ende war es genau diese Akti- schen Fakultäten. Ich habe wirklich on, die für uns alle den Ausschlag für nichts dagegen, wenn Leistung belohnt Marburg gab. wird, aber wir Zahnmediziner konkur- rieren in Publikationen und Drittmit- Forschungsstandort Deutschland teln mit allen Arbeitsgruppen der Medi- und die galoppierende Entwick- zin, also auch Mikrobiologie, Onkolo- Abbildung 2 Prof. Dr. Roland Franken- lung über die Digitalisierung aller gie, Immunologie etc. Und es ist kein berger bei der Behandlung einer Patientin Lebensbereiche – wie gut passt das Geheimnis: Da können Sie sich als Zah- nach Ihrer Auffassung zusam- ni auf den Kopf stellen, an deren Leis- men? tung kommen sie nicht heran, die publi- Das passt ganz hervorragend zusam- zieren in ganz anderen Journals und ha- Studenten demonstrieren gern – men. Aber wie ich vorher schon erwähn- ben z.T. zweistellige Millionenbeträge das war ein geradezu alltägliches te, braucht Forschung auch finanzielle an Drittmitteln, nicht zuletzt auch aus Bild in den 1960-er und 70-er Jah- Unterstützung. Gehen Sie mal durch Stiftungen, die es bei uns nicht gibt. ren. Heute finden solche politi- Deutschland und sehen Sie sich Univer- Ich habe mich in der Forschung im- schen Demos kaum noch statt. sitätsgebäude an. Sie sehen an vielen mer angestrengt und glaube auch, dass Aber als Sie den Ruf an eine andere Standorten einen krassen Investitions- unsere Arbeit international sehr wohl Uni hatten und Marburg verlassen stau, weil einfach viel zu lange nichts ge- sichtbar ist, das ist alleine schon durch wollten, haben die Studierenden macht wurde. Hier in Hessen hat man unsere Zitationsraten belegt. Und Editor Sie per Demo gebeten zu bleiben. aus der Schuldenbremse wirklich ernst oder Mitglied in Editorial Boards wird Wie haben Sie das empfunden? gemacht. Ich finde es natürlich auch man ja nicht nur, weil man nett ist. In Vorausschicken muss man hier, dass es gut, wenn ein Generationenvertrag ein- den meisten Fakultäten wird das aber ge- eine Demo für mehrere Leute war. Mei- gehalten wird – dafür regnet es aber in nauso wenig gesehen wie ordentliche ne Kollegin Korbmacher-Steiner hatte der Anatomie durch die Decke. Noch- Betreuung von Doktoranden. Was mir ebenfalls einen Ruf, und die Demo rich- mal: Ich bin kein Jammerer, ganz im Ge- an diesem System gar nicht gefällt ist die tete sich auch an meine Oberärzte Prof. genteil. Ich gehe jeden Tag gerne in die Tatsache, dass Gelder, die vom Land an Braun und PD Roggendorf, die mit mir Zahnklinik, auch wenn in unserem die Zahnmedizin fließen müssten, erst Kurssaal noch die original Baisch- von der Zentraluniversität teilentfrem- Schränke von 1964 stehen. Aber ich se- det werden und danach noch mal zum he auch nicht ein, zu solchen Missstän- Teil in die Humanmedizin umgeleitet den zu schweigen. werden. Daher ist es heute wichtiger denn je, sich in den Fakultäten zu orga- Wie sehen Sie die Zahnmedizin nisieren und zu engagieren. Nicht zu- von morgen? Werden Faktor letzt deswegen habe ich mich bereit- Mensch und das handwerkliche erklärt, Studiendekan zu werden, als Geschick dann noch gebraucht? man mich darum bat. Seit 2016 bin ich Aber sicher, die Frage ist jedoch, wer es nun Prodekan für Studium und Lehre, noch macht. Wir laufen sehenden Auges und zwar für Medizin, Zahnmedizin genauso wie in der Medizin in einen und Humanbiologie – das sind fast eklatanten Land(zahn)ärztemangel hi- 3000 Studierende. nein. Ich befürchte, dass man in 20 Jah- Aber um die Frage etwas exakter zu be- ren in ländlichen Gebieten bis zu 50 km antworten: Es wäre wirklich hilfreich, zum Zahnarzt fahren muss, wenn der wenn die Zahnmedizin die Gelder, die ihr Trend persistiert. Das hat zwei Ursachen, vom Steuerzahler zustehen, auch wirklich da ist zum einen der beträchtliche Frau- bekäme. Das ist leider an vielen Stand- enanteil von bis zu 80 % in der Medizin orten nicht so und das muss sich ändern. und Zahnmedizin, der zur Folge hat, Es ist längst bewiesen, dass gute For- dass die ländliche Einzelpraxis einfach schung und Lehre nur dann möglich sind, Abbildung 3 Urlaub und Sportarten ver- oftmals eben nicht mehr der Plan A ist. wenn der finanzielle Background stimmt. bringt er gerne gemeinsam mit seiner Frau. Aber auch völlig unabhängig von der © Deutscher Ärzteverlag | DZZ | Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift | 2017; 72 (3) ■
282 DGZMK / GSDOM Frauenquote ist der Run auf die Metro- polregionen unglaublich. Wenn ich bei unseren Examensfeiern die Mediziner und Zahnmediziner frage „und – wo geht es hin?“, höre ich zu 80 % die Na- men großer Städte. Es ist also höchste Zeit, dem entgegenzusteuern. Die Medi- zin versucht dies gerade mit dem Mas- terplan Medizinstudium 2020 – aber auch hier ist es eher fünf nach zwölf als fünf vor zwölf. Wissenstransfer von den Hoch- schulen in die Praxen: Läuft das nach Ihrer Auffassung zufrieden- stellend oder sehen Sie Handlungs- bedarf? Abbildung 4 In seiner Freizeit taucht Prof. Frankenberger u.a. gerne. (Abb. 1-4: privat) Ich finde, das läuft sehr gut. Zum einen bin ich davon überzeugt, dass wir in der Lehre sehr gute Arbeit leisten – ich bin im Staatsexamen in der Regel wirklich und das benutze ich auch täglich. Be- Kunst, Literatur, Musik: Was da- angetan vom Niveau meiner Absolven- sonders mein Laufband finde ich toll, von bedeutet Ihnen am meisten ten. Zum anderen ist die Einbindung der weil ich beim Outdoor-Jogging schon und können Sie sagen, wer Sie da- Wissenschaft in Fort- und Weiterbil- so oft von Hunden gebissen wurde, dass bei besonders beeindruckt? dung bei uns in Deutschland extrem gut ich mich nicht mehr so richtig traue. Das ist ganz klar die Musik. Für Kunst organisiert. Je mehr ich in der DGZMK Nein – die Hunde sind nicht böse. Aber kann ich mich in kleinen Dosen eben- trilateral mit BZÄK und KZBV zusam- ich musste mal als Kind mit ansehen falls begeistern, aber Musik ist viel domi- menarbeite, desto überzeugter bin ich wie mein bester Freund von einem nanter. Wenn ich mir vorstelle, was ein davon. Schäferhund in den Kopf gebissen wur- einziger Song aus den 1980-ern wie auf de, und deshalb merkt jeder Hund so- Knopfdruck an Erinnerungen hervor- Mit dem Ehrenamt des Präsiden- fort, dass ich Angst habe und macht holt, ist schon einzigartig. Und beim ten elect der DGZMK habe Sie Ih- sich einen Spaß daraus, mich zu ärgern. Sport ist Musik ebenfalls der beste Moti- ren ohnehin schon gut gefüllten Im Urlaub favorisiere ich Sportarten, vator, da muss es aber etwas härter sein, Arbeitsalltag noch erweitert. Wo- die ich zusammen mit meiner Frau ma- um die nicht mehr ganz jungen Kno- mit verschaffen Sie sich einen Aus- chen kann (Abb. 3). Das ist zum einen chen nach einem langen Tag nochmals gleich, welchen Hobbies gehen Sie Tauchen (Abb. 4), da haben wir schon in Schwung zu bringen. Gut, dass ich gern nach? viele einzigartige Momente erlebt (wie schon die meisten Konzertbesuche Ich treibe sehr gerne Sport. Während z.B. Käfigtauchen mit weißen Haien), durch habe, die ich im Leben machen ich die ersten 15 Jahre an der Universi- und zum anderen am Wochenende wollte: Huey Lewis, Michael Jackson, tät fast nur gearbeitet habe, merkte ich auch einmal eine Runde Golf, aber das George Michael, Sting, Toto, Take That, mit Anfang 40, dass ich trotz früherer ist in meinem Fall eher als kontrollier- Michael Bublé, Rammstein, AC/DC – intensiver Leichtathletik konditionell tes Versagen zu bezeichnen, denn um und endlich im September einmal Me- und volumentechnisch ganz schön aus besser zu werden fehlt mir einfach die tallica, alle aber in der weichgespülten dem Leim gegangen war. Als ich nach Zeit. Und bei den Sportarten, die ich Version mit Ohrstöpseln. Marburg kam, baute ich mir zu Hause mit meiner Frau mache, ist sowieso im- Das Interview führte Markus Brakel erst einmal ein eigenes Fitnessstudio, mer am Ende sie die Bessere. mit Prof. Dr. Roland Frankenberger ■ © Deutscher Ärzteverlag | DZZ | Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift | 2017; 72 (3)
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