EU Digital Services und Digital Markets Act - Wie die EU die Internet-Ökonomie regulieren will - ARD-Werbung
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Media 292 Perspektiven 5/2021 Wie die EU die Internet-Ökonomie regulieren will EU Digital Services und Digital Markets Act Von Jürgen Burggraf, Christine Gerlach und Jan Wiesner* Mit ihren Verordnungsvorschlägen für einen Digital jüngere Menschen, immer präsenter, dort erwartet Services Act (DSA) (1) und einen Digital Markets Act es auch die ARD mit ihren Angeboten. (DMA) (2) vom 15. Dezember 2020 entwickelt die Europäische Kommission die Regulierung des digi- Kurz und knapp talen Binnenmarkts in der EU weiter. Damit setzt sie ihre Arbeit fort, die sie unter anderem mit der Revi- • Mit dem Digital Services Act (DSA) und dem Digital Markets Act sion der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (DMA) entwickelt die Europäische Kommission die Regulierung des (AVMD-Richtlinie) (3), der sogenannten P2B-Verord- digitalen Binnenmarkts weiter. nung (4) sowie der Urheberrechtsrichtlinie (5) schon • Ziel des DSA ist es, einheitliche Regelungen für verschiedene in der letzten Legislaturperiode geleistet hat. Nun Online-Intermediationsdienste zu schaffen. geht es der Kommission einerseits mit dem Digital • Der DMA hat zum Ziel, den fairen und offenen Wettbewerb in Märkten Services Act (DSA) um weitere Regeln für Betreiber des digitalen Sektors sicherzustellen. von Online-Intermediationsplattformen – dies in Über- • Eine umfangreiche und kontroverse Debatte der Vorschläge ist arbeitung und Fortentwicklung der Regeln der noch zu erwarten. und auch künftig weiter fortbestehenden Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (6) – und andererseits mit dem Digital Markets Act (DMA) um Digital Services Act Binnenmarktregeln für sehr große Plattformbetreiber, Beim DSA als künftiger horizontal wirkender Verord- EU-Kommission die auf der Basis sogenannter Netzwerkeffekte erheb- nung geht es um harmonisierende Regeln für das schlägt Regeln für liche Marktmacht entwickeln und Gatekeeping- Erbringen digitaler Vermittlungsdienste im europä digitale Vermittlungs- Positionen einnehmen. ischen Binnenmarkt. Der Gesetzesvorschlag legt also dienste vor Regeln für Plattformen und andere Internetdienste Beide neuen Regelwerke sind horizontal ausgerich- in ganz unterschiedlichen Bereichen fest: von Cloud- tet, das heißt, dass sie zunächst einmal einheitliche Diensten über Buchungsplattformen und Online- Regeln für alle möglichen Online-Intermediations- Marktplätze bis zu Social Media; er umfasst sowohl dienste aufstellen sollen. Spezifische Vorschriften, physische Güter als auch Dienstleistungen. Die Vor- etwa für Mediendienste, sind nicht intendiert. Allen- schriften sind entsprechend abstrakt, und welche falls beabsichtigt die Kommission, das Wechselver- Auswirkungen sie genau haben werden, ist vor die- hältnis zwischen den horizontalen Vorschriften von sem Hintergrund nicht immer ganz einfach abzu- DSA und DMA sowie spezifischen Regelwerken, etwa schätzen und wird sich oft erst in der Anwendung der AVMD-Richtlinie, zu definieren. zeigen. Ein zentrales Thema bei der Regulierung von Internetdiensten ist und bleibt die Frage der Haftung. Der vorliegende Beitrag betrachtet DSA und DMA Deshalb befassen sich auch die vorliegenden Vor- aus der Perspektive der Interessen der ARD und des schläge mit der Frage, wann und wie die Anbieter (nationalen und europäischen) Medienrechts. bestimmter Onlinedienstleistungen dafür haften müssen, wenn über ihre Plattformen Inhalte verbrei- Plattformen spielen heute eine Schlüsselrolle dabei, tet werden, die gegen geltendes Recht verstoßen. ob und wie Bürger und Bürgerinnen auf Medien Bei der Haftungsbefreiung der Anbieter von Online- inhalte im Internet zugreifen. Sie besitzen einen Vermittlungsdiensten soll der bestehende Rahmen erheblichen Einfluss auf Informationszugang und weiterentwickelt werden. Etabliert werden sollen zu- Meinungsbildung, die freie Meinungsäußerung und dem allgemeine Sorgfaltspflichten für alle von der damit auf den gesellschaftlichen und demokratischen Verordnung erfassten Dienste (Online-Vermittlungs- Diskurs. Aus Sicht der öffentlich-rechtlichen Anbieter dienste) und besondere Pflichten für bestimmte An- wie der ARD sind insofern EU-Regeln für Onlineplatt- bieter sowie Regeln für die Um- und Durchsetzung formen unerlässlich. Öffentlich-rechtliche Medien der Verordnung durch mitgliedstaatliche Regulie- produzieren eine Vielzahl von Inhalten und verbreiten rungsbehörden, einschließlich eines Rahmens für diese auf ihren eigenen vertrauenswürdigen digita- die grenzüberschreitende Koordination und Koope- len Diensten ihren Nutzer und Nutzerinnen. Darüber ration dieser Behörden. Mit der Verordnung verbun- hinaus müssen sie aber in Erfüllung ihres spezifischen dene Ziele sind das reibungslose Funktionieren des Funktionsauftrages ihre Inhalte auch auf Drittplatt- Binnenmarktes und das Schaffen einheitlicher Re- formen anbieten. Dort ist das Publikum, insbesondere geln für ein „sicheres, vorhersehbares und vertrau- enswürdiges Onlineumfeld, in dem Grund- und * ARD-Verbindungsbüro Brüssel. Bürgerrechte wirksam geschützt werden“. (7)
EU Digital Services und Digital Markets Act Media Perspektiven 293 5/2021 Umgang mit illegalen Die Verordnung wird nach Vorstellungen der Kom- Abbildung Abbildung111 Abbildung Inhalten im Fokus mission die bestehende Richtlinie über den elektro- Für Fürwelche Für welcheAnbieter welche Anbieterder Anbieter derDSA der DSAgilt DSA gilt gilt nischen Geschäftsverkehr nicht in Gänze ersetzen – im Gegenteil, diese bleibt weiterhin grundsätzlich Vermittlungsdienste Vermittlungsdienste Vermittlungsdienste gültig –, allerdings werden ihre Artikel 12 bis 14, die das noch bestehende System der Providerhaftung regeln, zugunsten neuer Bestimmungen gestrichen. Hosting HostingDienste Hosting Dienste Dienste Der DSA behandelt allein den Umgang mit illegalen Inhalten, ansonsten schädliche Inhalte bleiben außen vor. Die Verordnung behält das Ursprungslandprinzip Onlineplattformen Onlineplattformen Onlineplattformen der bestehenden E-Commerce-Richtlinie als Grund- lage der Regelungen unverändert bei. Es bewirkt, dass Anbieter von Diensten der Informationsgesell- sehr sehrgroße sehr große große Onlineplattformen Onlineplattformen Onlineplattformen schaft, die die Gesetze in ihrem Niederlassungsstaat innerhalb der EU befolgen, ihr Geschäft ohne weitere Einschränkungen im gesamten EU-Binnenmarkt be- treiben können. Die Verordnung gilt für alle Anbieter von Vermittlungsdiensten, die im EU-Binnenmarkt Quelle: Quelle:Quelle: Quelle: Quelle:Europäische Quelle: EuropäischeKommission. Europäische Kommission. Kommission. tätig sind, unabhängig davon, ob sie in der EU nieder- Faktenblatt FaktenblattDSA: Faktenblatt DSA:Ein DSA: EinEuropa Ein Europafür Europa fürdas für dasdigitale das digitale digitale gelassen sind oder nicht. Zeitalter – was sich für Plattformen Zeitalter Zeitalter––was wassich sichfür Plattformenändert. fürPlattformen ändert. ändert. Als Vermittlungsdienste gelten in Übereinstimmung die Verordnung bestimmte Informations- und Trans- mit der bestehenden E-Commerce-Richtlinie Dienste parenzpflichten. Kernbestand ist dabei, dass sie in der reinen Durchleitung (Mere Conduit), Zwischen- ihren Terms & Conditions Nutzungsbedingungen klar speicherungsdienste (Caching) sowie Hosting- darlegen, die Regeln von Content-Moderation, algo- Dienste. Diese Kategorien umfassen beispielswiese rithmischer Steuerung sowie menschlicher Aufsicht Internet-Service-Provider, Content-Delivery-Networks klar beschreiben und dies „unter angemessener Be- (CDN) oder Cloud-Dienste. Für diese Anbieter gilt rücksichtigung der Interessen aller involvierten Par- das bestehende System der bedingten Befreiung teien einschließlich der anwendbaren Grundrechte von der Providerhaftung fort. Insbesondere sollen der Empfänger der Dienste“. (8) Hosting Service Hosting-Dienstanbieter, sofern sie keine Kenntnis Provider einschließlich Onlineplattformen müssen zu- von illegalen Inhalten auf ihren Plattformen haben sätzlich einen sogenannten Notice and Take Down- oder nach allgemeinem Dafürhalten nicht haben (aber nicht Stay Down-)Mechanismus installieren. können und sie bei Kenntnis unverzüglich für deren Dabei geht es darum, dass die Plattformen ein auf Sperrung oder Herunternahme sorgen, auch weiter- gesetzlichen Regeln beruhendes Verfahren einrichten hin haftungsfrei bleiben. Zudem wird auch künftig müssen, das festlegt, wie Nutzer und Nutzerinnen den Anbietern keine allgemeine Überwachungspflicht Inhalte melden können (flaggen) und nach welchen auferlegt. Wenn sie sich eigeninitiativ bemühen, ille- Regeln, d.h. in welchen Schritten und mit welchen gale Inhalte zu finden, zu identifizieren und mit ihnen Fristen die Plattformen dann solche Inhalte sperren, umzugehen, etwa in Bezug auf ihre Verfügbarkeit, unzugänglich machen oder herunternehmen oder Sichtbarkeit oder Zugänglichkeit, können sie im gegebenenfalls auch wieder zugänglich machen Prinzip weiterhin von der Haftungsbefreiung profitie- müssen. Dieses Prinzip galt auch schon im Kontext ren. Diese Regelung wird gemeinhin als Good Sama- der E-Commerce-Richtlinie, wird nun aber detailliert ritan Clause bezeichnet und liegt ganz im Interesse ausgestaltet. Auf einer nächsten Stufe werden Be- der Provider, aber offenbar auch des Gesetzgebers. treiber von Onlineplattformen darüber hinaus ver- Maßstab des Handelns sind dabei die AGBs der Pro- pflichtet, interne Beschwerdeverfahren und außer- vider. Ob dieser Ansatz stets im Interesse der Ge- gerichtliche Streitschlichtungsmechanismen vorzu- schäftskunden und Nutzer der Plattformen liegt, halten. Sie haben auch mit Trusted Flaggers zusam- wird kontrovers diskutiert. Es kann durchaus kritisch menzuarbeiten. Die Meldungen solcher vertrauens- hinterfragt werden, ob damit Haftungspflichten nicht würdigen Hinweisgeber müssen die Plattformen sogar noch abgeschwächt werden, sofern dieser vorrangig und unverzüglich bearbeiten und über sie Ansatz nicht von klaren Regeln und Transparenz für entscheiden. Der Status als Trusted Flagger wird auf Überprüfbarkeit des Tuns ausgestaltet wird (vgl. Ab- Antrag von den Digital Services Coordinators (siehe bildung 1). unten) zuerkannt, wenn Bedingungen wie besondere Sachkenntnis oder Kompetenz und die Vertretung Der Verordnung liegt das Prinzip der abgestuften Re- kollektiver Interessen erfüllt sind. Ferner müssen sie gelungsdichte zugrunde, das heißt, je größer und sicherstellen, dass die Identität der Händler, die auf wichtiger die Plattform, desto mehr und strengere ihren Plattformen Handel betreiben, nachvollzogen Regeln gelten für sie. Für alle Intermediäre etabliert werden kann. Dies wird, auch von weiten Teilen der
Jürgen Burggraf/Christine Gerlach/Jan Wiesner Media 294 Perspektiven 5/2021 Abbildung 2 Abgestufte Regelungsdichte: welche Anforderungen für welche Plattformen sehr große Vermittlungs- Hosting Online- Online- dienste Dienste Plattformen Plattformen Transparenzberichte ● ● ● ● Verpflichtung zur angemessenen Berücksichtigung der Grundrechte in ● ● ● ● Nutzungsbedingungen Auf Anweisung Zusammenarbeit mit nationalen Behörden ● ● ● ● Kontaktstellen und – falls erforderlich – rechtlicher Vertreter ● ● ● ● Melde-, Abhilfe- und Informationspflichten gegenüber Nutzern ● ● ● Beschwerde- und Rechtsbehelfsmechanismen sowie außergerichtliche ● ● Streitbeilegungsverfahren Vertrauenswürdige Hinweisgeber ● ● Maßnahmen gegen missbräuchliche Meldungen und Gegendarstellungen ● ● Prüfung der Vertrauenswürdigkeit von Drittanbietern ● ● Transparenz von Onlinewerbung zugunsten der Nutzer ● ● Meldung von Straftaten ● ● Verpflichtung zu Risikomanagement und Compliance-Beauftragter ● Externe Risikoprüfungen und öffentliche Rechenschaftspflicht ● Transparenz der Empfehlungssysteme und Wahlmöglichkeiten der Nutzer beim ● Zugang zu Informationen Datenaustausch mit Behörden und Forschenden ● Verhaltenskodizes ● Zusammenarbeit in Krisen ● Quelle: Europäische Kommission. Faktenblatt DSA: Ein Europa für das digitale Zeitalter – was sich für Plattformen ändert. Kultur- und Kreativwirtschaft, als ein wirksames Ins- Betreiber sehr großer Onlineplattformen werden trument zur Bekämpfung der Produktpiraterie im auch verpflichtet, die wesentlichen Parameter der Internet gesehen, sofern es richtig ausgestaltet ist. Steuerung ihrer Empfehlungssysteme transparent zu machen. Das gilt gleichermaßen für Optionen, die Schließlich sollen besondere Regeln und Pflichten privaten Nutzern ihrer Dienste dabei zur Verfügung für Betreiber „sehr großer Online-Plattformen“ gel- stehen, diese Parameter zu modifizieren bzw. zu be- ten. Als „sehr groß“ gelten im DSA Plattformen, die einflussen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, monatlich mindestens 45 Millionen aktive Nutzer die Definition für Empfehlungssysteme im Auge zu und Nutzerinnen ihrer Dienste verzeichnen können. behalten. (10) Diese werden umschrieben als „voll- Welche Plattformen in diese Kategorie fallen, wird ständig oder teilweise automatisiertes System, das die Anwendung der Verordnung zeigen. Erste Ein- von einer Onlineplattform verwendet wird, um den schätzungen gehen jedoch davon aus, dass nicht Empfängern des Dienstes in seiner Online-Ober- mehr als rund zehn Unternehmen, also die wirklichen fläche bestimmte Informationen vorzuschlagen, auch Internetriesen wie Facebook, Google, Amazon usw. als Ergebnis einer vom Empfänger initiierten Suche erfasst sein werden. Insbesondere werden diese oder auf eine andere Weise, die die relative Reihen- Plattformen auf ein Risikomanagement verpflich- folge oder Hervorhebung („prominence“) der ange- tet. (9) Ihnen wird auferlegt, „systemische Risiken“, zeigten Informationen bestimmt“ (vgl. Abbildung 2). die sich aus dem Funktionieren und Nutzen ihrer (11) Dienste ergeben, zu identifizieren und gegen sie vor- zugehen. Als systemisch sollen gemäß Kommissions- Im Bereich der Anwendung und Durchsetzung der vorschlag die Verbreitung illegaler Inhalte, negative Vorschriften werden die Mitgliedstaaten in die Pflicht Effekte für die Ausübung der Grund- und Bürger- genommen. Der DSA-Ansatz sieht vor, dass die Mit- rechte, insbesondere auch für Meinungsäußerungs- gliedstaaten eine oder mehrere Behörden für die und Informationsfreiheit, sowie die absichtsvolle Anwendung und Durchsetzung des Regelwerks in Manipulation der Dienste gelten. Die Kommission ihren nationalen Zuständigkeitsbereichen zuständig behält sich vor, zu diesen Regelungen konkretisie- machen können. Zugleich sollen sie jedoch eine Be- rende Rechtsvorschriften zu erlassen. hörde als sogenannte Digital Services Coordinator
EU Digital Services und Digital Markets Act Media Perspektiven 295 5/2021 (DSC) einsetzen. Dieser soll für alle Fragen im Zu- seitig und oft ohne weitere Erklärung über die Mo- sammenhang mit der Anwendung und Umsetzung deration von Inhalten, unter anderem durch Sperren, der DSA-Regeln im jeweiligen Mitgliedstaat zustän- Löschen oder andere Eingriffe in Medieninhalte auf dig sein, es sei denn, der jeweilige Mitgliedstaat hat der Grundlage ihrer eigenen Standards. selbst Aufsichtsbehörden mit diesen Aufgaben be- traut. Bei der Betrauung mehrerer Behörden mit Es ist darüber hinaus nicht akzeptabel, Intermediären spezifischen Aufgaben übernimmt der Digital Service die Entscheidung zu überlassen, ob und wie Inhalte Coordinator eine Koordinationsfunktion und sorgt für genutzt werden können, die bereits europäische und die konsistente Rechtsanwendung und -durchset- nationale Medienregeln erfüllen, für die ein Medien- zung. Die Einzelbehörden werden auf Kooperation dienstanbieter die redaktionelle Verantwortung trägt mit dem DSC verpflichtet. und die einer effektiven Aufsicht unterstehen. Welche Behörde welches Mitgliedstaats für einen An- Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten, die auch ARD fordert: bieter zuständig ist, richtet sich vorrangig nach dem Mediendienste vermitteln, unterliegen keinen medi- Nichteinmischung Ort seiner Hauptniederlassung. Für Fälle der Rechts- enrechtlichen und journalistischen Standards und in Inhalte und anwendung und -durchsetzung im grenzüberschrei- sind nicht verantwortlich oder rechenschaftspflichtig Dienste von Medien- tenden Kontext werden die Aufsichtsbehörden auf für die Inhalte Dritter, die sie auf ihren Plattformen dienstanbietern Kooperation verpflichtet, sowohl im Hinblick auf die anbieten. Anders ist die Sachlage bei Anbietern von Zusammenarbeit auf der nationalen Ebene als auch Mediendiensten wie der ARD: Sie werden auf euro- auf europäischer Ebene. Ist also ein Anbieter eines päischer und mitgliedstaatlicher Ebene reguliert, Vermittlungsdienstes von einem DSC zu belangen und unterliegen unabhängiger Aufsicht und sind für ihr hat dieser Anbieter seine Hauptniederlassung nicht Handeln haftbar. Dieser Unterschied muss sich im im Mitgliedstaat jenes DSC, so soll er den zuständi- zukünftigen DSA angemessen widerspiegeln. Die ARD gen DSC im Niederlassungsstaat um Untersuchung fordert, redaktionelle Inhalte, die als rechtmäßig an- und letztlich Abhilfe des beanstandeten Problems zusehen sind und für die ein Mediendienstanbieter ersuchen. Zur Behandlung solcher Fälle sieht der verantwortlich und haftbar ist, sollten nicht durch DSA mehrere Ansätze vor, unter anderem gemein- Anbieter von Vermittlungsdiensten noch einmal kon- same Untersuchungen durch mehrere DSC, vermit- trolliert werden. Es liegt im öffentlichen Interesse, telnde Interventionen der Europäischen Kommission die redaktionelle Freiheit und Unabhängigkeit der und Beratung durch den European Board for Digital Mediendienstanbieter sowie Pluralismus und Vielfalt Services (EBDS). der Medien auch auf Onlineplattformen zu sichern. Daher sollten Anbieter von Vermittlungsdiensten in Auch der Digital Services Act basiert auf dem Ur- keiner Weise in redaktionelle Inhalte eingreifen – es sprungslandprinzip, das auch schon für die E-Com- sei denn, sie werden durch einen Gerichtsbeschluss merce-Richtlinie gilt, die fortbesteht und in Teilen dazu verpflichtet. Die Mitgliedstaaten sollten anhand zum neuen Regelwerk in Beziehung gestellt wird. bestimmter Auswahlkriterien bestimmen, welche Damit bleiben auch die Gründe für Abweichungen Mediendienstanbieter von diesem Recht auf Freiheit vom Ursprungslandprinzip der E-Commerce-Richt- von einer Intervention durch Online-Plattformbetrei- linie im neuen Rechtsrahmen gültig. Problemfälle in ber profitieren sollen. Dies sollte mit einer Pflicht zur diesem Kontext, etwa solche mit grenzüberschrei- Notifzierung entsprechender Listen bei der Europä tender Wirkung, werden in die Koordination und Ko- ischen Kommission einhergehen, die dann im ge- operation der DSC verwiesen. samten Binnenmarkt gelten. Einschätzung Grundsätzlich ist der DSA-Vorschlag der Europä Es ließe sich argumentieren, dass dieser Ansatz die der ARD ischen Kommission zu begrüßen. Er hat das Potenzial, Geschäftsfreiheit für Anbieter von Online-Vermitt- moderne und zukunftssichere EU-Regeln zu setzen, lungsdienstleistungen unangemessen einschränken die angemessen auf den Einfluss globaler Vermitt- könnte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Bereits heute lungsdienstleister auf die heutige Lebensweise re- gibt es sowohl kartellrechtliche Entscheidungen als agieren und dazu beitragen können, das Vertrauen auch gesetzliche Vorgaben (z. B. Regulierung zur der Öffentlichkeit in Informationen im Internet zu Förderung von Fairness und Transparenz für gewerb- stärken – vorausgesetzt, der vorgeschlagene Ansatz liche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten – so wird im anlaufenden Gesetzgebungsprozess sinn- genannten P2B-Regulierung; Richtlinien zum Ver- voll fortentwickelt. Auch wenn die globalen Anbieter braucherschutz usw.), die AGB sowie vergleichbare von Vermittlungsdiensten sicherlich innovativ sind, Standards aus Gründen übergeordneter Interessen bringen ihre Angebote und Geschäftspraktiken kri- der Allgemeinheit einschränken. Mehr noch: Man tische Herausforderungen mit sich, die es zu bewäl- könnte dem entgegenhalten, dass Anbieter von Ver- tigen gilt. Sie werden von Akteuren angeboten und mittlungsdiensten die Geschäftsfreiheit von Medien- betrieben, die in einem weitgehend unregulierten dienstanbietern durch Eingriffe in deren Dienste un- Umfeld agieren. Diese Intermediäre entscheiden ein- zulässig einschränken. Ein Verbot zur Begrenzung
Jürgen Burggraf/Christine Gerlach/Jan Wiesner Media 296 Perspektiven 5/2021 dieser Eingriffe wäre ein fairer Ausgleich zwischen schränkung mitgliedstaatlicher Handlungsmacht in der unternehmerischen Freiheit der Intermediäre der Mediengesetzgebung. und der unternehmerischen Freiheit der Medien- dienstanbieter. Gleichzeitig wären diese Vermitt- Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass Nicht-Umgehen lungsdienste-Anbieter für solche Inhalte weder ver- Anbieter von Vermittlungsdiensten die Regeln des der Regeln antwortlich noch haftbar, was ihrer grundsätzlichen DSA nicht durch vertragliche Vereinbarungen um- Forderung nach Aufrechterhaltung des (Nicht-)Haf- gehen. Dies ist im europäischen Recht bereits Stan- tungsprivilegs entgegenkommen würde. dard, so etwa in der Portabilitätsverordnung und in der DSM-Richtlinie zum Copyright. (12) Im Kontext Klärung der Der Kommissionsansatz kollidiert mit medienregu- des DSC-Ansatzes muss auf die fortwährende Hand- Zuständigkeiten latorischen Vorrechten der Mitgliedstaaten. Deshalb lungsautonomie der mitgliedstaatlichen Medienauf- der Mitgliedstaaten muss klargestellt werden, dass sektor- und medien- sichtsbehörden hingewirkt werden. im Medienrecht spezifische Regeln Vorrang vor den horizontalen Regeln des DSA haben. Diese Entwicklung war ab- Digital Markets Act sehbar. Schon in ihrer Bewertung der Bestimmun- Der Digital Markets Act (DMA) hat zum Ziel, fairen gen des neuen deutschen Mediendienste-Staats- und offenen Wettbewerb in Märkten im digitalen vertrags, insbesondere mit Blick auf die Regeln für Sektor sicherzustellen, die durch die Anwesenheit Medienintermediäre, hatte die Europäische Kom- sogenannter Gatekeeper gekennzeichnet sind. Diese mission ihre Absicht verdeutlicht, den Mitglied- Plattformen haben nach Ansicht der Kommission er- staaten dort mit dem DSA Grenzen aufweisen zu hebliche Auswirkungen auf den Binnenmarkt, die- wollen, wo diese beabsichtigten, Intermediäre me- nen als wichtige „Torwächter“, über die gewerbliche dienrechtlichen Vorgaben zu unterstellen. Aus- Anbieter ihre Kunden erreichen, und nehmen – der- druck dessen ist Erwägung 9 des DSA-Vorschlags. zeit und wahrscheinlich auch künftig – eine gefes- Dort heißt es: „Diese Verordnung sollte die Vor- tigte und dauerhafte Position im Markt ein. Dadurch schriften, die sich aus anderen Rechtsakten der können sie so mächtig werden, dass sie als private Union zur Regelung bestimmter Aspekte der Be- Unternehmen selbst Regeln setzen können, wäh- reitstellung von Vermittlungsdiensten ergeben, er- rend sie für Unternehmen und Verbraucher als Ver- gänzen, deren Anwendung jedoch unberührt lassen; mittler unumgänglich sind. Es wird geschätzt, dass dies gilt insbesondere für die Richtlinie 2000/31/ unter den DMA nur höchstens ein Dutzend großer EG [AVMD-Richtlinie], mit Ausnahme der mit dieser Plattformen fallen werden, vor allem, wie auch beim Verordnung eingeführten Änderungen, […]. Diese DSA (siehe oben) die sogenannten GAFA (Google, Verordnung berührt daher nicht diese anderen Apple, Facebook, Amazon sowie Microsoft) und ihre Rechtsakte, die in Bezug auf den in dieser Verord- entsprechenden zentralen Plattformdienste. nung festgelegten allgemein anwendbaren Rah- men als lex specialis gelten. Die Vorschriften dieser Der DMA enthält insbesondere harmonisierte Vor- Verordnung gelten jedoch für Fragen, die von den schriften zu Definition und Verbot unlauterer Praktiken genannten anderen Rechtsakten nicht oder nicht von Gatekeepern und sieht einen Durchsetzungs- vollständig behandelt werden, und Fragen, in de- mechanismus vor, der auf Marktuntersuchungen nen diese anderen Rechtsakte den Mitgliedstaaten beruht. Er ersetzt nicht das europäische Wettbe- die Möglichkeit lassen, bestimmte Maßnahmen werbsrecht, vielmehr soll er ergänzende Funktion auf nationaler Ebene zu ergreifen“ (Hervorhebung haben. Der DMA setzt auf den Vorschriften der P2B- durch die Verf.). Verordnung auf, die allerdings horizontal für alle digi- talen Plattformen gilt und nicht nur – wie der DMA – Einschränkung Damit wird deutlich, dass die Kommission beabsich- für die wenigen, sehr großen Gatekeeper. nationaler tigt, mitgliedstaatliches Handeln bei der Erfassung Handlungsmacht von Intermediären durch spezifisches Medienrecht Die Regeln des DMA sollen offenbar eine Vollharmo- in der Medien zugunsten europäisch harmonisierter Regeln einzu- nisierung für Gatekeeper bewirken, um ein Durch- gesetzgebung droht engen. Der Vorrang medien- und sektorspezifischen einander – im schlimmsten Fall 27 – unterschied Handelns der Mitgliedstaaten vor europäischem Re- licher nationaler Gesetzgebungen für Gatekeeper zu gelwerk wird damit von der Kommission mit Blick verhindern. Gleichzeitig ist aber nach wie vor das auf Online-Intermediäre zumindest bezweifelt, wenn Wechselspiel von nationalen Vorschriften und DMA nicht gar negiert. Aus dem Notifizierungsverfahren unklar. Mit dem DMA will die Kommission den Mit- zum Mediendienste-Staatsvertrag ist bekannt, dass gliedstaaten untersagen, Gatekeepern weitere wett- die Kommission für solches mitgliedstaatliches Vor- bewerbsrechtliche Verpflichtungen aufzuerlegen, gehen auf Grundlage des Unionsrechts besondere wenn solche Pflichten aus dem Gatekeeper-Status Begründungs- und Rechtfertigungspflichten vor- selbst hergeleitet würden. Gleichwohl heißt es, der sehen will. Stellen sich die Mitgliedstaaten, aber DMA ließe Regelwerke „unberührt“, die andere auch das Europäische Parlament, dem Ansinnen der legitime Ziele in Verwirklichung des öffentlichen Kommission nicht wirksam entgehen, droht die Ein- Interesses verfolgten.
EU Digital Services und Digital Markets Act Media Perspektiven 297 5/2021 Abbildung 3 Verbote und Gebote für Gatekeeper - Was bedeutet das für die Gatekeeper? Die Änderungen bedeuten Pflichten für Gatekeeper - Verbote und Gebote, an die sie sich im Geschäftsalltag zu halten Beispielsweise müssen Gatekeeper künftig: Dritten in bestimmten Situationen die Zusammenarbeit mit ihren eigenen Diensten erlauben, es ihren gewerblichen Nutzern ermöglichen, auf die Daten zuzugreifen, die sie bei der Nutzung der Gatekeeper-Plattform generieren, den Unternehmen, die auf ihrer Plattform Werbung betreiben, die Instrumente und Informationen zur Verfügung stellen, die sie brauchen, um eine eigene, unabhängige Überprüfung ihrer Werbung auf der Gatekeeper-Plattform vornehmen zu können, es ihren gewerblichen Nutzern ermöglichen, ihr Angebot zu bewerben und Verträge mit ihren Kunden außerhalb der Gatekeeper- Plattform abzuschließen. Das dürfen Gatekeeper-Plattformen künftig nicht mehr: x Dienstleistungen und Produkte, die der Gatekeeper selbst anbietet, gegenüber ähnlichen Dienstleistungen oder Produkten, die von Dritten auf der Plattform des Gatekeepers angeboten werden, in puncto Reihung bevorzugt behandeln, x Verbraucher/innen daran hindern, sich an Unternehmen außerhalb ihrer Plattformen zu wenden, x Nutzer/innen daran hindern, vorab installierte Software oder Apps zu deinstallieren, wenn sie dies wünschen. Quelle: Europäische Kommission. Faktenblatt DMA: Das Gesetz über digitale Märkte: für faire und offene digitale Märkte. Als Gatekeeper werden in Akteure definiert, die Sinne des DMA? Wenn ja, wurde die Plattform als – signifikanten Einfluss auf den Binnenmarkt haben Gatekeeper eingestuft? Nur wenn beide Fragen po- (was als erfüllt gilt, wenn sie mindestens 6,5 Mrd sitiv beantwortet werden können, finden die Ge- und Euro Jahresumsatz in den jeweils letzten drei Jahren Verbote des DMA Anwendung. im Europäischen Wirtschaftsraum generiert haben oder im letzten Geschäftsjahr mindestens 65 Mrd Die Gatekeeper-Einstufung muss alle zwei Jahre von Euro Marktkapitalisierung aufgewiesen haben), der Kommission überprüft werden, wobei sie ihre – einen Core Platform Service (siehe unten) betrei- Einstufung zu jedem Zeitpunkt ändern kann. Die ben, der als wichtiger Zugang von Unternehmen zu Kommission gibt sich auch die Möglichkeit, die ihren Endkunden dient (was als erfüllt gilt, wenn sie Ex-ante-Ge- und Verbote, die den Gatekeepern auf- damit mindestens 45 Millionen monatliche aktive erlegt werden, durch Beschluss zu ändern, sofern Nutzer oder mindestens 10 000 jährliche aktive Ge- sie vorher eine Marktuntersuchung vorgenommen hat. schäftskunden in der EU haben), – eine verfestigte und dauerhafte Marktposition ge- Hat ein Akteur Gatekeeper-Status, muss er die Ge- nießen bzw. in absehbarer Zeit genießen werden und Verbote des DMA befolgen (Art. 5 und 6 DMA). (was als erfüllt gilt, wenn die Akteure die oben ge- Das ist grundsätzlich begrüßenswert. Solche Ge- nannten Werte in den letzten drei Geschäftsjahren und Verbote sind zum Beispiel: jährlich erreicht haben). – Verbot, personenbezogene Daten von zentralen Die Definitionskriterien müssen also kumulativ erfüllt Plattformdiensten und von anderen Plattformdiens- sein. ten des Gatekeepers oder Dritter zu kombinieren und zusammenzuführen; Die Core Platform Services werden abschließend in – Verbot der Nutzung von Daten, die durch Dienste Artikel 2. Absatz 2 DMA-Vorschlag definiert: Online- Dritter auf dem zentralen Plattformdienst angefal- Intermediationsdienste, Online-Suchmaschinen, So- len sind, um mit diesen Diensten Dritter zu konkur- ziale Netzwerkdienste, Video-Sharing-Plattformen, rieren; nummernunabhängige interpersonelle Kommunika- – Verbot der Selbstbevorzugung eigener Leistungen tionsdienste, Betriebssysteme, Cloud-Computing- beim Ranking; Dienste und Werbedienste (also Dienstleistungen im – Gebot des fairen und diskriminierungsfreien Ran- Bereich der Werbung von Onlineplattformen für z. B. king-Angebots im Allgemeinen; Werbetreibende und Verlage). – Gebot der kostenlosen (Echtzeit-)Zugangsermög- lichung zu aggregierten und nicht-aggregierten Da- Jedoch fallen nicht alle diese Core Platform Services ten, die im Kontext der Nutzung der Dienste gewerb- automatisch unter die Regeln des DMA, sondern nur licher Nutzer auf den Plattformen entstehen oder zur sofern die Plattform als Gatekeeper eingestuft wurde. Verfügung gestellt werden, sowie zu persönlichen Das bedeutet, dass hier eine zweistufige Prüfung Daten auf Grundlage der Einwilligung der Datensub- erfolgt: Ist ein Dienst ein Core Platform Service im jekte (vgl. Abbildung 3).
Jürgen Burggraf/Christine Gerlach/Jan Wiesner Media 298 Perspektiven 5/2021 Die Kommission schafft sich im DMA zudem das nimmt, Verpflichtungen, wie zum Beispiel den Zu- Instrument der Marktuntersuchung, um mehr Flexi- gang zu Daten, auch für „kleinere“ Anbieter von bilität und Ermessensspielräume zu schaffen (u.a. Kernplattformdiensten, festzulegen. Da Probleme bei der Einstufung als Gatekeeper, bei der Erweite- auch bei kleineren Plattformen auftreten, ist es ent- rung der Liste der zentralen Plattformdienste und scheidend, dass die Mitgliedstaaten – wenn nötig – bei Pflichten der Gatekeeper sowie bei deren Durch- auch diese Plattformen regulieren können, um wett- setzung). Die Kommission kann bei Verstößen gegen bewerbsfähige Märkte zu gewährleisten und eine die Ex-ante-Regeln Bußgelder von bis zu 10 Prozent wettbewerbsfördernde europäische digitale Wirt- des weltweiten Umsatzes eines Gatekeepers ver- schaft zu schaffen. hängen und im Extremfall auch strukturelle Abhilfe- maßnahmen anordnen und Zwangsgelder erlassen. Es ist wichtig, dass die Definitionen der Kernplatt- Definitionen sollten Schließlich müssen Gatekeeper der Kommission ge- formdienste in Artikel 2 zukunftssicher und umfas- zukunftssicher und plante Zusammenschlüsse mit anderen Anbietern send sind. Es sollte klargestellt werden, dass „On- umfassend sein zentraler Plattformdienste oder anderer digitaler line-Vermittlungsdienste“, die unter diese Verordnung Dienste melden (unabhängig von Fusionskontroll- fallen, auch Sprachassistenten (wie Siri oder Alexa) verfahren). sowie Smart-TVs umfassen. Dies ist wichtig, um eine technologieneutrale Regulierung zu gewähr- Einschätzung: Die DMA-Regeln werden potenziell nur einige wenige, leisten. Sprachassistenten spielen bereits heute eine Nur sehr wenige sehr große Kernanbieter von Plattformdiensten im wichtige Rolle in der Plattformlandschaft und kön- Kernanbieter Binnenmarkt betreffen. Entscheidend sind hier die in nen aufgrund der Art ihres Dienstes besondere Her- betroffen Artikel 3 formulierten Anforderungen. Gleichzeitig ausforderungen mit sich bringen (z. B. in Bezug auf heißt es in Artikel 1 Absatz 5: „Die Mitgliedstaaten die Darstellung von Inhalten, Ranking-Entscheidun- erlegen den Torwächtern keine weiteren Verpflich- gen, Voreinstellungen oder Markenzuordnung). Ähn- tungen durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften liche Bedenken ergeben sich in Bezug auf Anbieter auf, um wettbewerbsfähige und faire Märkte zu ge- von Smart-TVs und IPTV. währleisten“. In Erwägungsgrund 9 wird ferner her- vorgehoben, dass der DMA darauf abzielt, eine Zer- Die im DMA festgelegten qualitativen Kriterien für Benennung der splitterung des Binnenmarktes zu verhindern, indem die Benennung von Gatekeepern lassen der Kom- Gatekeeper: Weiter die Mitgliedstaaten daran gehindert werden, natio- mission einen weiten Ermessensspielraum bei der Ermessensspielraum nale Vorschriften anzuwenden, die für die von der Bestimmung des persönlichen Anwendungsbereichs für die Kommission Verordnung erfassten Arten von Unternehmen und der Verordnung. Mit dem Entwurf des Artikels 3 Ab- Diensten spezifisch sind. Der Erwägungsgrund satz 1 und Absatz 6 hat die Kommission prinzipiell unterstreicht, dass eine einheitliche und wirksame die richtigen Ansatzpunkte vorgeschlagen. Jedoch Anwendung der den Gatekeepern im Rahmen des verlagern die Schwellenwerte für die Vermutung der DMA auferlegten Verpflichtungen im Binnenmarkt Erfüllung der Voraussetzungen für die Benennung von zentraler Bedeutung ist. Infolgedessen wirft der eines Gatekeepers in Artikel 3 Absatz 2 den primä- vorliegende Vorschlag der Kommission viele Fragen ren Fokus weg von qualitativen hin zu quantitativen auf, die sein Zusammenspiel mit bestehenden und Kriterien. künftigen (sektorspezifischen) Regelungen auf euro- päischer und nationaler Ebene betreffen, die sich Da die quantitativen Schwellenwerte in Artikel 3 Auch kleinere mit zentralen Plattformdiensten befassen, die aus Absatz DMA sehr hoch angesetzt sind, ist zu be- Plattformen können anderen Gründen einen strategischen Marktstatus fürchten, dass „kleinere“ Kernplattformdienste trotz relevant sein haben und unterhalb der Schwellenwerte von Artikel 3 ihres mitgliedstaatenübergreifenden strategischen liegen. Marktstatus nicht von der zukünftigen Verordnung erfasst werden. Sie sollten jedoch auch als wichtige Unklarheit über Es ist grundsätzlich anzuerkennen, dass der Vor- Gateways für den Zugang zu Inhalten betrachtet Spielraum schlag diese Fragen berücksichtigt. (13) Letztlich werden, obwohl ihre Nutzerbasis oder ihr jährlicher für nationale bleibt aber unklar, wo genau die Grenze zwischen EWR-Umsatz/durchschnittliche Marktkapitalisierung/ Regulierungsziele harmonisierter Regulierung durch den DMA und ver- äquivalenter Marktwert nicht in der gleichen Grö- bleibendem Spielraum im Interesse spezifischer ßenordnung liegen wie bei einigen der derzeitigen nationaler Regulierungsziele verläuft. Daher muss Techgiganten. Nichtsdestotrotz können diese „klei- unmissverständlich klargestellt werden, dass der neren“ Plattformen wichtig sein, etwa um demo- DMA keine bestehende oder künftige (sektorspezi- grafische Zielgruppen oder Marktsegmente zu er- fische) Regulierung auf europäischer oder nationaler reichen, und sie sind notwendig oder sogar unver- Ebene berührt, die sich aus anderen Gründen und zichtbar für die Ausspielung von Inhalten zur Erfül- auch unterhalb der Schwellenwerte des Artikels 3 lung des Auftrags der öffentlich-rechtlichen Medien. mit dem marktstrategischen Status von Kerndiens- ten beschäftigt. So muss sichergestellt werden, dass Darüber hinaus unterstützt die ARD die Idee, die der DMA den Mitgliedstaaten nicht die Möglichkeit Position der gewerblichen Nutzer zu stärken und das
EU Digital Services und Digital Markets Act Media Perspektiven 299 5/2021 Wissen und die Erfahrung der Beteiligten zu nutzen, beispielsweise von geschäftlichen Nutzern verlangt indem ein formelles Recht für Organisationen und werden, dass sie ihre Dienste auch auf einem abon- Verbände, die ein berechtigtes Interesse an der Ver- nementbasierten Plattformdienst anbieten müssen, tretung gewerblicher Nutzer oder Verbraucher ha- um ihre Dienste auf einem frei nutzbaren Plattform- ben, eingeführt wird, die Durchführung einer Markt- dienst anbieten zu können. untersuchung durch die Kommission u.a. gemäß Artikel 15 zu beantragen. Dies würde sicherstellen, Fazit dass auch unterhalb der Schwellenwerte von Arti- Mit ihren Vorschlägen für einen Digital Services Act Großer Schritt kel 3 Absatz 2 die Besonderheiten verschiedener und einem Digital Markets Act macht die Europä in Richtung digitaler Sektoren sowie das Auftreten „neuer“ Gate- ische Kommission einen großen Schritt bei der Re- Regulierung der keeper angemessen berücksichtigt werden können. gulierung der Internet-Ökonomie im europäischen Internet-Ökonomie Binnenmarkt. Da mit beiden Vorhaben teils tief in Ex-ante-Regeln: Die in Artikel 5 und 6 DMA festgelegten Ex-ante- Geschäftsmodelle von Marktakteuren interveniert Grundsätzlich guter Regeln für Gatekeeper sind grundsätzlich ein guter werden soll bzw. profunde Interessen unterschied- Ansatz für fairen Ausgangspunkt für die Gewährleistung eines faire- lichster Parteien tangiert sind, ist eine sehr kontro- Wettbewerb in ren Wettbewerbs in digitalen Märkten. Insbesondere verse und zeitaufwändige öffentliche Debatte zu er- digitalen Märkten das Verbot der Bündelung von Diensten und der warten. Welche politische Bedeutung den Kommis- Selbstreferenzierung sowie die Verpflichtungen für sionsvorschlägen beikommt, lässt sich auch daran Gatekeeper, Zugang zu Daten zu gewähren, sind ermessen, dass wichtige Ausschüsse des Europä wichtig, da diese für den Mediensektor insbeson- ischen Parlaments über Kompetenz- und Aufgaben- dere in Bezug auf vertikal integrierte Plattformen verteilungen sowie Beteiligungsrechte stritten. We- zunehmend Probleme darstellen. Diese Regeln be- gen des horizontalen Ansatzes, aber auch weil es dürfen allerdings aus Sicht des öffentlich-recht um Gesetzgebung geht, die die Internet-Ökonomie in lichen Rundfunks noch einer Anpassung. der EU möglicherweise für Jahrzehnte prägen wird, hatten zahlreiche Ausschüsse ihr Interesse an den Der DMA-Vorschlag beschränkt das Verbot der Selbst- Dossiers angemeldet. Schließlich wurde dem Binnen- referenzierung auf das Ranking. Der DMA sollte je- marktausschuss die Federführung zugesprochen. doch der Tatsache Rechnung tragen, dass Self-Pre- ferencing verschiedene Formen annehmen kann. Erste Zeitplanungen laufen darauf hinaus, dass Be- EU-Institutionen Ranking ist eine Praxis, die viele Plattformen, ein- richtsentwürfe zu DSA und DMA im Mai/Juni 2021 derzeit mit Entwürfen schließlich Video-Sharingplattformen, die „Kern- vorliegen und Änderungsanträge dazu noch vor der befasst dienste“ anbieten, anwenden. Es ist mittlerweile parlamentarischen Sommerpause eingereicht werden allgemein anerkannt, dass das Ranking den Konsum sollen. Die Abstimmungen im federführenden Aus- von Inhalten beeinflusst. Folglich muss die Definition schuss könnten dann Richtung Spätsommer bzw. des Begriffs „Ranking“ offen genug sein, um alle Herbst angepeilt werden. Über den Winter 2021/22 Kerndienste von Plattformen zu erfassen, die auf di- und in das Frühjahr kommenden Jahres hinein könnte gitalen Märkten eine immer wichtigere Rolle spielen. dann gegebenenfalls der Trilog der EU-Institutionen laufen. Der DMA muss zudem sicherstellen, dass Medien- organisationen Zugang zu aussagekräftigen Daten Bei den Mitgliedstaaten im Rat sind die Beratungen Französische in Bezug auf ihre eigenen Inhalte und Dienste haben, dagegen formal schon weiter fortgeschritten. Hier Präsidentschaft zielt die auf Plattformen erscheinen. Die Nutzung von wurde das Ziel formuliert, unter französischer Präsi- auf Einigung 2022 Daten und der Zugang zu Daten ist für ARD von gro- dentschaft in der ersten Jahreshälfte 2022 zu einer ßer Bedeutung, um den öffentlich-rechtlichen Auf- Position, ja vielleicht schon zu einer Einigung mit trag zu erfüllen und um online überzeugende Ange- dem Europäischen Parlament zu kommen. Die fran- bote auch für unterschiedliche Zielgruppen machen zösische Regierung verspricht sich von einer solchen zu können. Der Vorschlag, geschäftlichen Nutzern Entwicklung offenbar nützliche Wirkungen im Hin- einen solchen Zugang zu gewähren, ist daher grund- blick auf die Präsidentschaftswahl im Mai 2022. sätzlich zu begrüßen. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass es keine Schlupflöcher gibt, die es Plattformen ermöglichen, sich der Verpflichtung zur Anmerkungen: Datenweitergabe zu entziehen. 1) Vgl. Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Binnenmarkt für Schließlich deckt der DMA-Vorschlag derzeit die digitale Dienste (Gesetz über digitale Dienste) und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG COM/2020/825 final; Bündelungspraxis ab, bei der sich (geschäftliche) https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid= Nutzer bei einem Dienst registrieren müssen, um 1608117147218&uri=COM%3A2020%3A825%3AFIN einen anderen Dienst nutzen zu können. Der DMA (abgerufen am 23.4.2021). 2) Vgl. Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen muss jedoch auch gegen andere unfaire Bünde- Parlaments und des Rates über bestreitbare und faire lungspraktiken von Plattformen vorgehen. So kann Märkte im digitalen Sektor (Gesetz über digitale Märkte)
Jürgen Burggraf/Christine Gerlach/Jan Wiesner Media 300 Perspektiven 5/2021 COM/2020/842 final; https://eur-lex.europa.eu/legal- 6) Vgl. Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments content/de/TXT/?qid=1608116887159&uri=COM%3A20 und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte recht 20%3A842%3AFIN (abgerufen am 23.4.2021) liche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, 3) Vgl. Richtlinie (EU) 2018/1808 des Europäischen insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Änderung der Richtlinie 2010/13/EU zur Koordinierung Geschäftsverkehr“). In: Amtsblatt der Europäischen bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Gemeinschaften L 178/1 vom 17.7.2000. Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller 7) Vgl. Art. 1 DSA-Vorschlag (Anm. 1). Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Medien- 8) Vgl. Art. 12 DSA-Vorschlag (Anm. 1). dienste) im Hinblick auf sich verändernde Marktgegeben- 9) Vgl. Art. 26 ff. DSA-Vorschlag (Anm. 1). heiten. In: Amtsblatt der Europäischen Union L 303/69 10) Vgl. Schmidt, Jan-Hinrik/Jannick Sørensen/Stephan vom 28.11.2018. Vgl. auch Wiesner, Jan: Die Revision der Dreyer/Uwe Hasebrink: Wie können Empfehlungssysteme AVMD-Richtlinie. Maßvolle Anpassung der europäischen zur Vielfalt von Medieninhalten beitragen? Regeln im Zeichen der Konvergenz. In: Media Perspektiven Perspektiven für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten. 11/2017, S. 567-580. In: Media Perspektiven 11/2018, S. 522-532. 4) Vgl. Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen 11) Vgl. Art. 29 DSA-Vorschlag (Anm. 1). Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur 12) Vgl. Verordnung (EU) 2017/1128 des Europäischen Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten. In: Amtsblatt grenzüberschreitende Portabilität von Online-Inhalte- der Europäischen Union L 186/57 vom 11.7.2019. diensten im Binnenmarkt. Amtsblatt der Europäischen 5) Vgl. Richtlinie (EU) 2019/790 des Europäischen Parlaments Union L 168/1 vom 30.6.2017 sowie Richtlinie (EU) und des Rates vom 17. April 2019 über Urheberrecht 2019/790 des Europäischen Parlaments und des Rates und verwandte Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt vom 17. April 2019 (Anm. 5). und zur Änderung der Richtlinien 96/9/EG und 2001/29/ 13) Vgl. Artikel 1 Absätze 5 und 6 und Erwägungsgründe 9 EG. In: Amtsblatt der Europäischen Union L 130/92 vom bis 11 des DMA Vorschlags (Anm. 2). 17.5.2019.
Sie können auch lesen