Europäische Einlagensicherung richtig konstruiert?

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ÖGfE Policy Brief 23’2017
Europäische Einlagensicherung richtig
konstruiert?
Von Christian Keuschnigg
Wien, 11. Oktober 2017
ISSN 2305-2635

Handlungsempfehlungen
   1. Es braucht klare Regeln für die Finanzierung des Einlagenschutzes, damit
      die Glaubwürdigkeit der Einlagensicherung und das Sparervertrauen auch in
      Krisensituationen erhalten bleiben.

   2. Altlasten aus der Finanzkrise sind vor der Teilnahme an einer gemeinsamen
      Einlagensicherung abzubauen.

   3. Eine europäische Einlagensicherung soll nach dem Rückversicherungsprinzip mit
      rückzahlbaren Krediten gestaltet sein. Damit ist gegenüber nationalen Systemen ein
      Vielfaches an Sicherheit ohne regionale Umverteilung möglich.

Zusammenfassung
Die Einlagensicherung soll die Sparer schützen,                    (i) Die Finanzkapazität reicht für den „Normalbe-
ihr Vertrauen in die Banken erhalten und Finanz-                   trieb“, aber nicht für große Finanzkrisen. (ii) Eine
krisen weniger wahrscheinlich und folgenschwer                     Versicherung kann nur zukünftige und nicht ver-
machen. Indem sie den Sparern das Risiko ab-                       gangene Risiken versichern. Es besteht die Gefahr,
nimmt und den Banken eine günstige Refinan-                        dass Länder mit großen nicht aufgearbeiteten Alt-
zierung ermöglicht, kann sie auch risikoerhöhend                   lasten EDIS schwer vorbelasten. (iii) Es besteht auch
wirken. Es braucht vorbeugende Maßnahmen wie                       langfristig die Gefahr einer erheblichen regionalen
z.B. effektive Aufsicht, Abwicklungsmechanismus                    Umverteilung. Eine europäische Einlagensicherung
sowie Kapital- und Liquiditätsvorgaben. Neben                      nach dem Rückversicherungsprinzip könnte Umver-
Vorteilen weist der Vorschlag der Europäischen Ein-                teilung ausschließen und dennoch ein Vielfaches an
lagensicherung EDIS auch erhebliche Risiken auf:                   Sicherheit bieten.

Österreichische Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) | Rotenhausgasse 6/8-9 | A-1090 Wien | europa@oegfe.at | oegfe.at | +43 1 533 4999                               1
ÖGfE Policy Brief 23’2017

                                        Europäische Einlagensicherung richtig
                                        konstruiert?
                                           Die Banken im Euroraum finanzieren 66% ihrer Ge-              greifender Risikoausgleich, wie bei einer internatio-
                                        schäfte mit Spareinlagen, und die Haushalte halten               nalen Rückversicherung von seltenen Großrisiken.
                                        31% ihres Finanzvermögens als täglich fällige Spar-
                                        einlagen.1 Die Einlagensicherung schafft Vertrauen                      „Die Einlagensicherung kann das Vertrauen
                                        und macht Spareinlagen zu einer stabilen Finanzie-                    der Sparer auch in extremen Situationen erhal-
                                        rungsquelle für Banken. Sie soll die Wahrscheinlich-                  ten und einen Bankensturm verhindern.“
                                        keit und das Ausmaß von Finanzkrisen mindern.
                                                                                                            Weil eine Finanzkrise die Kapazität auch einer gut
                                                  1. Warum braucht es eine                               dotierten Einlagensicherung bei weitem überfordert,
                                                     Einlagensicherung?                                  braucht es einen ‚Kreditgeber letzter Instanz‘.2 So
                                                                                                         kann die Einlagensicherung das Vertrauen der Spa-
                                           Normal sind Spareinlagen sehr stabil. Die Abhe-               rer auch in extremen Situationen erhalten und einen
                                        bungen der einen heben sich mit den Neueinlagen                  Bankensturm verhindern. Selbst Staaten stoßen in
                                        der anderen auf. Dafür ist das Vertrauen in die Si-              Krisen an die Grenzen ihrer Zahlungsfähigkeit. Dann
                                        cherheit entscheidend. Wenn aber eine Bank we-                   muss die Zentralbank einspringen, notfalls mit einer
                                        nig Kapital hat und Verluste im Handelsgeschäft                  Ausweitung der Geldmenge. Mit der Einführung des
                                        oder hohe Kreditausfälle bekannt werden, ist das                 Euro ist diese Aufgabe an die EZB übergegangen und
                                        Vertrauen schnell verloren. Fürchten die Sparer um               muss durch Regeln für EZB-Notkredite und durch
                                        ihr Geld, wollen sie es in Sicherheit bringen. Der               eine zentrale Rückversicherung ersetzt werden.
                                        Vertrauensschwund verwandelt ein stabiles Anle-
                                        gerverhalten in eine kollektive Hysterie, bei der alle              Wie alle Versicherungen hat auch die Einlagen-
                                        gleich handeln. Das kann vermeidbare Insolvenzen                 sicherung mit Negativauswahl und moralischem
                                        herbeizwingen.                                                   Risiko zu kämpfen. Je besser die Versicherten ge-
                                                                                                         schützt sind, desto eher mangelt es an Vorsicht.
                                            Ist das Insolvenzrisiko statistisch unabhängig,              Das moralische Risiko lässt die Häufigkeit der Scha-
                                        kann die Einlagensicherung die Verluste abdecken.                densfälle ansteigen. Die Sparer müssen nicht mehr
                                        Im Normalbetrieb reichen die Einnahmen, um den                   groß auf die Reputation einer Bank achten und da-
                                        Schaden zu ersetzen. Das Versicherungsprinzip ist                rüber nachdenken, wem sie ihre Ersparnisse anver-
                                        aber außer Kraft, wenn mehrere oder gar alle Ban-                trauen. Damit geht Marktdisziplin verloren.
                                        ken gleichzeitig betroffen sind. Wie bei Katastro-
                                        phen oder Epidemien wird der Schaden so groß,                       Moralisches Risiko ist reduzierbar: (i) Um das Risiko-
                                        dass er nicht mehr finanzierbar ist. Selbst die zeit-            bewusstsein zu schärfen, sollen die Anleger einen Teil
                                        liche Streckung hilft nicht, wenn in der Krise weder             des Risikos selber tragen. Diesem Zweck dient die Be-
                                        die Einlagensicherung noch der Staat Zugang zum                  grenzung des Einlagenschutzes, ähnlich wie ein Selbst-
                                        Kapitalmarkt haben. Es bleibt aber ein länderüber-               behalt. (ii) Eine Differenzierung der Beiträge nach dem
                                                                                                         Risiko fördert eine vorsichtige Geschäftspolitik, mit der
                                                                                                         die Banken ihre Prämienbelastung mindern können.
                                        1) Ausführliche Quellenangaben und eine umfangreichere Be-
                                        sprechung der Ergebnisse empirischer Forschung finden sich in
                                        Keuschnigg, C. und H. Winterberg (2017), Welche Europäische      2) Zur Aufgabe von Zentralbanken als ‘lender of last resort’ vgl.
                                        Einlagensicherung? Analyse Nr. 15, WPZ Wien - St. Gallen, ab-    Bordo, M. D. (2014), Rules for a Lender of Last Resort: A Histo-
                                        rufbar auf www.wpz-fgn.com. Dieser Beitrag ist eine sehr stark   rical Perspective, Journal of Economic Dynamics and Control
                                        gekürzte Fassung davon.                                          49, 126-134.

2                               Österreichische Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) | Rotenhausgasse 6/8-9 | A-1090 Wien | europa@oegfe.at | oegfe.at | +43 1 533 4999
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 (iii) Risikoabhängige Kapital- und Liquiditätsvorgaben                2. Die Europäische Einlagensicherung
 senken das Ausfallrisiko. (iv) Das Verfahren zur Banken-
 abwicklung soll eine umfassende Gläubigerbeteiligung                      Die europäische Einlagensicherung ist nicht iso-
 vorsehen, damit die Belastung der Einlagensicherung                   liert, sondern als Teil der Bankenunion und der Ka-
 geringer wird. (v) Um Schaden abzuwenden, soll die                    pital- und Liquiditätsvorgaben nach Basel zu verste-
 Bankenaufsicht frühzeitig Probleme aufdecken und                      hen. Die Bankenunion besteht aus drei Pfeilern, aus
 Auflagen zur Beseitigung von Risiken beschließen.                     der zentralisierten Aufsicht durch die EZB, dem Ab-
                                                                       wicklungsmechanismus, und einer harmonisierten
     Manche Banken verfolgen eine vorsichtige Ge-                      Einlagensicherung. Die Harmonisierung soll einen
 schäftspolitik und bauen hohe Kapitalpuffer auf,                      einheitlichen Schutz der Sparer unabhängig vom
 andere operieren an der Untergrenze. Risikobehaf-                     Heimatland ermöglichen, eine destabilisierende
 tete Banken sind an einer Einlagensicherung sehr                      Umschichtung von Ersparnissen zwischen Ländern
 interessiert. Solide Banken wollen sich nicht an-                     mit geringem Einlagenschutz zu solchen mit hohem
 schließen, weil die Präsenz der schadensanfälligen                    Standard verhindern, und somit Wettbewerbsver-
 Konkurrenten die Beiträge schlicht zu teuer macht.                    zerrungen auf dem EU Binnenmarkt beseitigen.4
 Diese Negativauswahl verhindert eine Marktlösung,                     Konkret sieht die EU Richtlinie aus dem Jahr 2014
 d.h. eine selbst organisierte Einlagensicherung                       folgende Maßnahmen vor:5
 der Banken. Die Lösung ist eine Versicherungs-
 pflicht aller Institute. Um Quersubventionierung von                     • Die Deckungssumme wird auf 100‘000 Euro
 schlechten durch gute Risiken zu reduzieren, sind                     pro Person und Bank vereinheitlicht.
 Prämien nach dem Ausfallrisiko zu differenzieren.
                                                                         • Die Entschädigungsfristen sind auf maximal 7
   „Der ernüchternde Befund ist, dass die Ein-                         Tage zu verkürzen.
lagensicherung das systemische Risiko so-
gar erhöhen kann, wenn Vorkehrungen gegen                                 • Die Einlagensicherung ist mit risikogerechten
moralisches Risiko fehlen.“                                            Bankbeiträgen vorzufinanzieren und soll bis 2024
                                                                       mindestens 0,8% der gedeckten Einlagen seiner
    Die Forschung zeigt, dass sowohl Sparer als auch                   Mitglieder erreichen. Fällt die Finanzierungskapazität
 Banken deutlich auf die Einlagensicherung reagie-                     darunter, leben die Beitragszahlungen wieder auf.
 ren. Die Sparer lassen Vorsicht und Marktdisziplin
 vermissen, wenn sie großzügig abgesichert sind.                         • Die Beiträge der Banken bemessen sich an
 Die Banken verschulden sich mehr und kurzfristiger,                   der Höhe ihrer gedeckten Einlagen und proportional
 und wählen riskantere Geschäftsstrategien. Der er-                    zum Risiko ihrer Geschäftstätigkeit.
 nüchternde Befund ist, dass die Einlagensicherung
 das systemische Risiko sogar erhöhen kann, wenn                         • Wenn die Finanzmittel für die Entschädigung
 Vorkehrungen gegen moralisches Risiko fehlen.3                        der Sparer nicht ausreichen, sind nachträgliche
                                                                       Sonderbeiträge pro Jahr von maximal 0,5% der ge-
                                                                       deckten Einlagen zu entrichten.
 3) Zu diesem Schluss kommen z.B. Cecchetti, S. G. (2008), De-
 posit Insurance, in: S. N. Durlauf und L. E. Blume (Hrsg.), The New
 Palgrave Dictionary of Economics, 2nd ed., online, und Calomiris,
 C.W. und M. Jaremski (2016), Deposit Insurance: Theories and
 Facts, NBER WP Nr. 22223. Die Einlagensicherung erhöht ten-           4) Vgl. Europäische Kommission, COM(2017)291, Reflexions-
 denziell die Wahrscheinlichkeit von Bankenkrisen, wobei die Ef-       papier zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion,
 fekte in Ländern mit umfassenderem Versicherungsschutz stär-          Brüssel.
 ker sind, vgl. Demirguc-Kunt, A. und E. Detragiache (2002), Does
 Deposit Insurance Increase Banking System Stability? An Empiri-       5) Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und
 cal Investigation, Journal of Monetary Economics 49, 1373-1406.       des Rates vom 16. April 2014 über Einlagensicherungssysteme.

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                                            • Die Sicherungsfonds bleiben national, aber die             legt. Das schafft Unsicherheit und wirkt in der Krise
                                         Mitgliedstaaten können auf freiwilliger Basis eine ge-          destabilisierend.
                                         genseitige Kreditgewährung der Systeme ermöglichen.
                                                                                                                 „Mit der Währungsunion haben die Eurostaa-
                                            Der Vorteil der Vorfinanzierung ist, dass eine in-                ten die Aufgabe eines „Kreditgebers letzter In-
                                         solvente Bank den Schaden wenigstens teilweise mit                   stanz“ der EZB übertragen, aber keine Regeln
                                         ihren vorherigen Beitragszahlungen selbst mitfinan-                  für die Finanzierung ihrer Einlagensicherungen
                                         ziert. Österreich hat bisher die Kosten im Nachhinein                in einer systemischen Krise festgelegt.“
                                         finanziert und muss nun vollständig auf eine Vorfinan-
                                         zierung umstellen. Die Zusatzbelastung der Banken                   Die Haftungsreihenfolge könnte wie folgt sein. An
                                         in der Aufbauphase beträgt knapp 1,4 Mrd. Euro.                 erster Stelle stehen die Banken und ihre Kapitalge-
                                                                                                         ber, dann die nationale Einlagensicherung, danach
                                         „Der Vorteil der Vorfinanzierung ist, dass                      die europäische Rückversicherung, und zuletzt eine
                                      eine insolvente Bank den Schaden wenigs-                           fiskalische Garantie zusammen mit Regeln für EZB-
                                      tens teilweise mit ihren vorherigen Beitrags-                      Notkredite an illiquide, aber noch solvente Banken.
                                      zahlungen selbst mitfinanziert.“                                   Die fiskalische Garantie wäre von den Nationalstaa-
                                                                                                         ten zu gewährleisten, die bei Überforderung den
                                             Der Kommissionsvorschlag für eine europäische               ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) in An-
                                         Einlagensicherung EDIS (European Deposit Insu-                  spruch nehmen können. Die Kredite des ESM sind
                                         rance System) knüpft an die bestehende EU Richt-                rückzahlbar und konditional, d.h. an ein Programm
                                         linie an und sieht den Aufbau eines gemeinsamen                 mit zwingenden Reformauflagen gebunden.
                                         Einlagensicherungsfonds in drei Schritten vor:
                                                                                                            Der Vorschlag der EU Kommission für EDIS hat
                                            • Rückversicherung: Von 2017 bis 2019 nimmt                  wenigstens drei weitere Probleme. Erstens kann
                                         EDIS die Funktion einer Rückversicherung ein. Sie               eine Versicherung nur zukünftige und nicht bereits
                                         wird schlagend, sobald einer der nationalen Fonds               eingetretene Risiken versichern. Daher müssen die
                                         die betroffenen Einleger nicht mehr selbst entschä-             Sanierung der vielen Problemkredite und die Kos-
                                         digen kann. EDIS stellt nur begrenzt Mittel bereit              ten einer Bankenabwicklung, die ihre Ursache in der
                                         (20% des Liquiditätsdefizits).                                  Vergangenheit haben, von den betroffenen Staaten
                                                                                                         selbst gelöst und finanziert werden, notfalls unter In-
                                             • Mitversicherung: Ab 2020 leistet EDIS einen               anspruchnahme des ESM-Rettungsschirms. Sonst
                                         steigenden Teil der Auszahlungen an die Einleger                müssen robust aufgestellte Banken in stabilen Staa-
                                         und der Kosten von Bankenabwicklungen. Der An-                  ten für die Altlasten der Krisenstaaten zahlen.
                                         teil von EDIS steigt bis 2024 auf 100% an.
                                                                                                            Zweitens sollte EDIS auch langfristig eine Quer-
                                            • Vollversicherung: Ab 2024 ersetzt EDIS die na-             subventionierung vermeiden. Diese würde die Wett-
                                         tionalen Sicherungssysteme.                                     bewerbsneutralität unterlaufen. Zwar sieht die Kom-
                                                                                                         mission vor, dass die Bankenbeiträge sich an ihrem
                                                     3. Chancen und Risiken                              Risikoprofil orientieren. Länderrisiken werden dabei
                                                                                                         nicht berücksichtigt. Eine vergleichbare Bank mit
                                            Vor dem Euro haben die Nationalstaaten und ihre              denselben Kennzahlen kann aber je nach makro-
                                         Notenbanken die Aufgabe eines ‚Kreditgebers letz-               ökonomischem Umfeld ein ganz anderes Ausfallrisi-
                                         ter Instanz‘ erfüllt. Mit der Währungsunion haben               ko aufweisen. Diese Unterschiede lassen sich grob
                                         die Eurostaaten diese Aufgabe der EZB übertragen,               für börsennotierte Banken angeben. Das Ausfallri-
                                         aber keine Regeln für die Finanzierung ihrer Einla-             siko ist in Italien mit 6,8% und in Belgien mit 5,3%
                                         gensicherungen in einer systemischen Krise festge-              mehr als zehnmal so hoch wie in Österreich mit

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0.5%. Die Aufarbeitung der Eurokrise wird diese Un-                      4. Eine europäische
terschiede zwar reduzieren, aber nicht beseitigen.               Einlagensicherung ohne Umverteilung

    Bei derart großen Unterschieden in den Länder-                  In einer Versicherung sollen sich Aus- und Ein-
risiken und im Pro-Kopf-Einkommen ist es schwer                 zahlungen auf lange Sicht ausgleichen. Alles andere
vorstellbar, dass ein einheitlicher Garantiebetrag              ist Umverteilung. In einer Bankenkrise hat ein Land
von 100‘000 Euro und eine einheitliche Deckungs-                Zugang zu den Mitteln der zentralen Einlagensiche-
summe von 0,8% der gedeckten Einlagen für alle                  rung, in normalen Zeiten zahlt es mit Beiträgen wie-
Mitgliedsländer gleich richtig ist. Der Garantiebetrag          der zurück. Exakt dasselbe leisten Kredite, die in
macht in Estland das 7.8-Fache des Pro-Kopf-BIPs                schwierigen Zeiten gewährt und in normalen Zeiten
aus, in Griechenland das 6.1-Fache, im Durchschnitt             zurückgezahlt werden. Diese Überlegungen legen
der Eurozone das 3.2-Fache, aber in Deutschland                 ein zweistufiges System mit nationalen Einlagensi-
und Österreich nur das 2.5-Fache. Länderrisiken                 cherungen und zentraler Rückversicherung nahe:6
lassen sich allein mit der Berechnung risikoadjus-
tierter Beiträge nach den Kennzahlen einzelner Ban-                •    Wie in EDIS zahlen die Banken bis 2024
ken wohl kaum richtig erfassen. Die Einlagensiche-              Beiträge ein, bis ein Volumen von 0.8% der gedeck-
rung EDIS wird also auch nach Aufarbeitung der                  ten Spareinlagen erreicht ist. Die Hälfte der Bei-
Altlasten regional erheblich umverteilen. Kohäsion              tragseinnahmen geht an EDIS.
und Konvergenz sollen gezielt mit der Regional- und
Strukturpolitik und mit einem Finanzausgleich, und                  •    Die nationalen Fonds müssen die Sparer
nicht versteckt über die Einlagensicherung erfolgen,            zuerst aus eigenen Mitteln entschädigen, wenn die
und die Kosten sollen fair verteilt und nicht selektiv          Gläubigerbeteiligung nicht reicht. Erst wenn die Mit-
den Banken, ihren Kunden und den Sparern aufge-                 tel aufgebraucht sind, können sie einen rückzahlba-
bürdet werden.                                                  ren Kredit in der Höhe des 5-fachen der getätigten
                                                                Einlage bei EDIS aufnehmen.
   Ein drittes Problem ist die regulatorische Bevor-
zugung von Staatsanleihen. Banken müssen weni-                    •     Nach einem Schadensfall leben im betroffe-
ger Eigenkapital bilden, wenn sie Staatsschulden                nen Land die Beiträge der Banken neu auf, um die
erwerben anstatt Kredite vergeben. Gerade in Kri-               Rückzahlung an EDIS zu finanzieren und die Fonds
senländern enthalten die Staatsanleihen hohe Ri-                wieder aufzufüllen.
sikoprämien, werfen gute Zinsen ab und sind für
die Banken attraktiv, weil sie die Anleihen nicht mit               •     In einer extremen Bankenkrise stehen kon-
teurem Eigenkapital unterlegen müssen. Indem sie                ditionelle Notkredite der EZB an grundsätzlich sol-
stärker in Staatsanleihen investieren, werden sie ge-           vente Banken gegen Sicherheiten zur Verfügung.
genüber dem staatlichen Insolvenzrisiko verwund-                Reichen die Mittel der Einlagensicherung nicht aus,
bar. Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass Banken in              muss ein Land den Einlagenschutz aus dem Staats-
den Krisenländern zu einem Schadensfall für EDIS                haushalt gewährleisten. Wenn es keinen Zugang
werden. Umso größer ist die Gefahr, dass zur regio-             zum Kapitalmarkt mehr hat, stehen Notkredite beim
nalen Umverteilung verkommt, was eine faire Versi-              Rettungsschirm ESM bereit.
cherung sein sollte.

                                                                6) Vgl. Auch Gros, D. (2013), Principles of a Two-Tier European
                                                                Deposit (Re-) Insurance System, CEPS Policy Brief 287, Brüssel.

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                                         „Ein System EDIS nach dem Rückversiche-                          einen maximalen Kredit von 4,2 Mrd. bei EDIS auf-
                                       rungsprinzip kann ein Vielfaches mehr an Ent-                      nehmen. Das ist das 5-fache der Einlage von 840
                                       schädigung leisten als ein rein nationales System.“                Mio., also nur ein Teil des 19 Mrd. Fonds von EDIS,
                                                                                                          welcher auch für andere Länder da ist. Damit sind
                                              Ein System EDIS nach dem Rückversicherungs-                 5,04 Mrd. Euro zur Entschädigung der heimischen
                                          prinzip kann ein Vielfaches mehr an Entschädigung               Sparer möglich. Eine isolierte Einlagensicherung
                                          leisten als ein rein nationales System. Österreichs             könnte nur 1,68 Mrd. (0,8% der gedeckten Einlagen)
                                          Banken müssen 1,68 Mrd. Euro ansparen. Je 840                   leisten. Die Rückversicherung mit EDIS ermöglicht
                                          Mio. würden in den nationalen und zentralen Fonds               also eine dreimal so hohe Entschädigungssumme,
                                          fließen. Im Krisenfall kann die Einlagensicherung               ohne den Steuerzahler zu belasten.
                                          840 Mio. aus dem nationalen Fonds entnehmen und

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Über den Autor
Dr. Christian Keuschnigg ist Professor für Nationalökonomie an der Universität St. Gallen
und Leiter des Wirtschaftspolitischen Zentrums Wien - St. Gallen.

Kontakt: Christian.Keuschnigg@unisg.ch

Über die ÖGfE
Die Österreichische Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) ist ein parteipolitisch unabhän-
giger Verein auf sozialpartnerschaftlicher Basis. Sie informiert über die europäische In-
tegration und steht für einen offenen Dialog über aktuelle europapolitische Fragen und
deren Relevanz für Österreich. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Bezug auf die
Förderung einer europäischen Debatte und agiert als Katalysator zur Verbreitung von eu-
ropapolitischen Informationen.

ISSN 2305-2635                                                         Impressum

Die Ansichten, die in dieser Publikation zum Ausdruck                  Österreichische Gesellschaft für Europapolitik
kommen, stimmen nicht unbedingt mit jenen der ÖGfE                     Rotenhausgasse 6/8-9
oder jenen, der Organisation, für die der Autor arbeitet,              A-1090 Wien, Österreich
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                                                                       Verantwortlich: Christoph Breinschmid, M.A.

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