Expertise für die Pharmaindustrie - Titelthema Siemens-Technologie in Mikro-Fabrik der Zukunft

 
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Expertise für die Pharmaindustrie - Titelthema Siemens-Technologie in Mikro-Fabrik der Zukunft
Das Magazin
für die Prozessindustrie
                                                                                  02.2016 | siemens.com/magazin

                     Titelthema                 Fallstudie                        Lösung
 Expertise für die   Siemens-Technologie in     Digitalisierung bringt            Mit Simatic IT eBR zu
 Pharmaindustrie     Mikro-Fabrik der Zukunft   personalisierte Therapien voran   Operational excellence
Expertise für die Pharmaindustrie - Titelthema Siemens-Technologie in Mikro-Fabrik der Zukunft
„Flexibilität
		und Modularität
 sind die derzeit aktuellen
			Trends in der
Pharmaindustrie.“
Expertise für die Pharmaindustrie - Titelthema Siemens-Technologie in Mikro-Fabrik der Zukunft
Sehr geehrte
Leserinnen

                                                                                                            Siemens AG
und Leser,

befasst man sich mit den aktuellen Trends in der Pharmaproduktion, fallen
immer wieder zwei Begriffe: Flexibilität und Modularität. Nahezu jedes große
Pharma­u nternehmen hat eines oder mehrere Projekte, die sich mit der
Einführung entsprechender Technologien auseinandersetzen. Flexibilität und
Modularität sind wichtige Hebel, um Wirkstoffe besser auf die Anforderungen
des Patienten abzustimmen oder Fertigungn dorthin zu verlagern, wo die
Medikamente benötigt werden. Sie tragen auch dazu bei, Kapazitäten anhand
des tatsächlichen Bedarfs zu planen – alles wichtige Faktoren, um in der
Pharmaindustrie nachhaltig erfolgreich zu sein.

Als langjähriger Partner der Pharmaindustrie hat Siemens das eigene Portfolio
an Produkten und Lösungen entsprechend weiterentwickelt, damit unsere
Kunden von den Möglichkeiten der Digitalisierung profitieren und ihre Position
im Wettbewerb stärken können, sei es durch integriertes Engineering, mithilfe
der Simulation oder durch Cloud-basierte Lösungen.

Schon heute nutzen Pharmaunternehmen Simatic IT eBR für die elektronische
Chargendokumentation und können so die Qualität ihrer Produkte mit erheblich
weniger Aufwand nachweisen und ihre Prozesse einfacher optimieren. So
vertraut zum Beispiel auch BioNTech bei der Herstellung eines individualisierten
Impfstoffes gegen Krebs auf unsere Innovationskraft und nutzt unsere MES-
Lösung sowie unser umfassendes Prozess- und Pharma-Know-how im Aufbau
volldigitaler und flexibler Produktionsprozesse. In unserer Titelstory erfahren
Sie zudem, wie GSK von unseren innovativen Produkten und unserer Pharma­
expertise in einer strategischen Partnerschaft profitiert. Diese und weitere
Beispiele zeigen, wie moderne Technologien dazu beitragen können, auch in
Zukunft die Sicherheit und Verfügbarkeit von Medikamenten zu gewährleisten.

Dr. Hartmut Klocker
Vice President Business Segment Pharma
Siemens AG

                                                                  02.2016 | siemens.com/magazin/industrie                3
Expertise für die Pharmaindustrie - Titelthema Siemens-Technologie in Mikro-Fabrik der Zukunft
Sergey Nivens - Fotolia

                                                                                                                                                 Marc Dietenmeier
           Digitalisierung bringt                                                                      Simulationen für virtuelle
     14    personalisierte Therapien voran                                                        24   Inbetriebnahme und Training mit Simit 9

                                                                                                                                                 Publicis Pixelpark - Fotolia

          Fermentationsprozesse benötigen                           Dem Veränderungsprozess in einem schnelllebigen
                                              Siddharth Siva

    30    hochpräzise Messungen                                50   Markt immer einen Schritt voraus

4   siemens.com/magazin/industrie | 02.2016
Expertise für die Pharmaindustrie - Titelthema Siemens-Technologie in Mikro-Fabrik der Zukunft
Inhalt
3 Editorial | 47 Impressum

     Titelthema

06 Die Machbarkeit des Möglichen                           26 Virtualisierung auf dem Vormarsch
		 Siemens-Technologie bei GSK im                          		 Wartungsfreundliches Automatisierungs- und IT-System
   IIM‑Digitalisierungslabor                                  verringert Life-Cycle-Kosten
                                                           42 Integration der Spitzenklasse
     Pharmaindustrie                                       		 Simatic IT eBR unterstützt Umsetzung und Management
14 Krebs im Fadenkreuz                                        elektronischer Chargenberichte noch besser
		 Papierlose Produktion für die effiziente Herstellung
   eines personalisierten Impfstoffs bei BioNTech              Engineering

17 Auf lange Sicht                                         44 Ohne Probleme
		 Modernes Technikum bei Boehringer Ingelheim als         		 Signifikante Zeitersparnis mit in Comos PQM integriertem
   Investition in die Zukunft                                 Dokumentenmanagement und Engineering

20 Gelungener Projektfahrplan                                  Prozessanalytik
		 Die Planung und Migration von moderner Prozess­         30 Damit sich Bakterien wohlfühlen
   leittechnik bei der Bayer Pharma AG in Bergkamen        		 Optimales Zellwachstum durch hochpräzise
28 Verlässliche Daten                                         Messungen während der Fermentation
		 Datenintegrität sichert die Qualität pharmazeutischer
   Produkte                                                    Prozessinstrumentierung

32 Kraftakt über Weihnachten                               46		 Sauberer Prozess
		 Umrüstung auf die aktuelle Version von Simatic PCS 7    		 Kunden profitieren von einer engen Kooperation
   in der Herstellung von Humaninsulin bei Sanofi               zwischen OEM und Zulieferern

36 Von der Zelle zum Organ                                 48 Ultraschall bringt Vorteile
		 Integrierte Automatisierungslösung unterstützt          		 Genauere Durchflussmessung mit Ultraschall-
   Forschung zu regenerativen Therapien                       Durchflusstechnologie

38 Starke Partnerschaft                                    49 Genauigkeit ist gefragt
		 Eine robuste und skalierbare Automatisierungslösung     		 Neue Erkenntnisse bezüglich Messgenauigkeit
   unterstützt modularisierte Pharmaproduktion in Texas       bei der Übertragung von Prozessvariablen

40 Perfekt koordiniert                                         Energiemanagement
		 Automatisierung der Gebäudetechnik über Simatic PCS 7   34 Verborgenes Potenzial aufdecken
   für pharmazeutischen Produktionsbereich                 		 Transparenter Energieverbrauch durch effektives
50 Pioniere des Wandels                                       Energiedatenmanagement
		 Interview mit Helen Jiang, DSM, zur Rolle des
   Unternehmens im chinesischen Markt                          Chemische Industrie
                                                           52 Weltweit agieren
     Industriesoftware                                     		 Bessere weltweite Unternehmensabläufe dank einer
24 Simulieren statt ausprobieren                              integrierten IT-Infrastruktur
		 Simulationssoftware Simit 9 als effiziente Lösung für
   Herausforderungen der heutigen Industrie

                                                                                  02.2016 | siemens.com/magazin/industrie   5
Expertise für die Pharmaindustrie - Titelthema Siemens-Technologie in Mikro-Fabrik der Zukunft
Expertise für die Pharmaindustrie - Titelthema Siemens-Technologie in Mikro-Fabrik der Zukunft
Die Machbarkeit des Möglichen
Das IIM-Digitalisierungslabor liegt etwas abseits des eigentlichen Standorts
von GSK in Stevenage, England, und ist von außen eher unscheinbar.
Nichtsdestotrotz stellt das Unternehmen dort die Weichen für die Zukunft
der Pharmaproduktion.

                                                                               GSK / Tim Pope
Expertise für die Pharmaindustrie - Titelthema Siemens-Technologie in Mikro-Fabrik der Zukunft
Titelthema

                 E        in Lagerhaus, ein schmaler, dunkler Gang und
                          dann eine Mischung aus Google Labs und Pharma­
                          produktion, mit ein paar Effekten à la Hollywood:
                                                                                Wandel sichtbar machen
                                                                                Was im Labor nicht „normal“ ist, zeigt sich schon in der
                                                                                Mitarbeiter-Schleuse vor der Produktion. Hier ziehen die
                 ein durchgestyltes Areal mit offenen Besprechungs­             Operatoren Überschuhe, Mantel, Handschuhe, Schutz-
                 zimmern, großen Touch-Displays und Mitarbeitern, die           brillen und Haarnetze an – eine Routine, die üblicher-
                 Daten analysieren. Willkommen im IIM-Digitalisierungs­         weise über Arbeitsanweisungen festgelegt und eingeübt
                 labor, wo GSK, wie Patrick Hyett erklärt, „kurz gesagt,        wird. Im IIM gibt es dafür ein interaktives System, das
                 die Zukunft der Pharmaproduktion realisieren will. Wir         jeden einzelnen Mitarbeiter bei der korrekten Ausführung
                 wollen zeigen, was möglich und machbar ist.“                   unterstützt und ihm über einen Bildschirm ein optisches
                    Hyett leitet das IIM-Digitalisierungslabor. Das „Labor“     Feedback gibt, ob er alle Teile richtig angezogen hat. So
                 soll sich bewusst von den üblichen Pharmaproduktionen          wird aus der Routine des Umziehens für die Mitarbeiter
                 globaler Pharmaunternehmen unterscheiden. „Wir                 ein wichtiger Prozess, der immer korrekt und immer
                 möchten eher wie ein Start-Up wirken“, so Hyett.               gleich abläuft. Das ist genau die Art von neuem Den-
                 „Schließlich arbeiten wir hier daran, Innovationen zu          ken, die hier gefördert werden soll.
                 identifizieren, auszuprobieren und weiter­z utreiben,
                 damit wir sie möglichst schnell für unsere Pharma-             Fabrik der Zukunft im Mikromaßstab
                 produktionen nutzen können. Dazu gehört, dass wir              Die Produktion selbst besteht aus einem Reinraum mit
                 Besuchern und Mitarbeitern ein Umfeld bieten, in dem           einer Tablettenpresse sowie verschiedenen Neben- und
                 sie einen anderen Blick auf Prozesse wie Produkt­              Hilfsanlagen – eine komplette für die Pharmaindustrie
                 entwicklung, Markteinführung und Produktion von                typische Anlage im Kleinformat. Hier lassen sich alle
                 Wirkstoffen und Medikamenten entwickeln können. In             wichtigen Prozesse von Design und Entwicklung über
                 einer normalen Produktion, mit normalen Mitteln würde          Technologietransfer bis hin zur Markteinführung abbil-
                 das nicht so gut funktionieren.“                               den. „Auch dabei möchten wir eine neue Sichtweise eta-
                                                                                blieren“, erklärt Hyett weiter. „Pharmaanlagen können
                                                                                von neuen Systemen sehr profitieren, um die Produk-
                                                                                tion zu verwalten, die Effizienz zu steigern, Qualität
                                                                                und Compliance zu verbessern – und nicht zuletzt, um
                                                                                robuste und zuverlässige Prozesse für neue Produkte zu
                                                                                entwickeln. Im IIM-Labor nutzen wir verschiedene
                                                                                Technologien, um die Daten, die entlang des gesamten
GSK / Tim Pope

                                 »Wir werden dabei weiterhin mit unseren
                                   strategischen Partnern wie Siemens
                                   zusammenarbeiten, und ich bin gespannt,
                                  wie sie uns zukünftig bei diesem Projekt
                                  unterstützen werden.«
                                   Patrick Hyett,
                                   Leiter des IIM-Digitalisierungslabors, GSK

                 8   siemens.com/magazin/industrie | 02.2016
Expertise für die Pharmaindustrie - Titelthema Siemens-Technologie in Mikro-Fabrik der Zukunft
Das IIM-Digitalisierungslabor
                                                                Die Idee des IIM-Digitalisierungslabors ist es, aus dem
                                                                technisch Möglichen Lösungen zu entwickeln, die
                                                                in einem realen Produktionsumfeld in der Pharma­
                                                                industrie sinnvoll und machbar sind. Besucher und
                                                                Anwender sollen erleben können, welche Chancen
                                                                Automatisierung, Manufacturing-Execution-Systeme

                                                                                                                                   GSK / Tim Pope
                                                                (MES), Analytik und Informatik bieten. Das Labor
                                                                soll zeigen, dass sich moderne Systeme und Tech­
                                                                nologien so in einer Fertigungsumgebung ein­
                                                                setzen und kombinieren lassen, dass die Pharma­
                                                                industrie das Potenzial der Digitalisierung nutzen
                                                                kann – und damit dem zentralen Ziel von GSK
Produktlebenszyklus entstehen, automatisch zu erfas-
                                                                dienen: Patienten in aller Welt einen besseren
sen, zu strukturieren sowie mit dem richtigen Kontext
                                                                Zugang zu Medikamenten zu ermöglichen.
zu verknüpfen und in Form von aussagekräftigen Infor-
mationen zu präsentieren. Auf dieser Basis können wir
dann die Prozesse optimieren. Die Designphase be-
kommt eine klarere Struktur und wir erhöhen das Ver-
trauen in experimentelle Daten. Alle Informationen ste-         Als Beispiel führt er die Akzeptanz durch das Bedien-
hen in Echtzeit zur Verfügung, was dazu beitragen            personal an: „Ein Ingenieur, insbesondere ein Automa-
kann, die Zeit bis zur Markteinführung zu verkürzen.         tisierungsingenieur, hält andere Informationen auf dem
In der Produktion können wir Modelle auf Unit-Basis          Bildschirm für wichtig und sinnvoll, als es das Personal
entwickeln und Prozesse optimieren oder für verwandte        in der Anlage tut. Deswegen haben wir intensiv Feed-
Produkte adaptieren, oder wir entwickeln komplexe Mo-        back von den eigentlichen Anwendern eingeholt – und
delle für ein spezifisches Produkt. Die Modellierung ist     am Ende die Oberfläche für die Anzeige der elektroni-
ein wichtiger Baustein, um alle Prozesse kontinuierlich      schen Chargenberichte komplett neu gestaltet. Die
zu testen und zu verbessern.“                                Engine für den Workflow ist die gleiche, aber die Bedie-
                                                             nung und Darstellung des Systems sind völlig anders
Fähigkeiten gut kombinieren                                  und orientieren sich jetzt an den Informationen, die der
Auf dem Papier erschien das ganz einfach – für die Pro-      Bediener für den aktuellen Prozessschritt und die nach-
jektumsetzung waren aber völlig neue Ansätze erfor-          folgenden Operationen und Events wirklich braucht.“
derlich, wie Hyett erläutert: „Wir mussten viele verschie-
dene Disziplinen beherrschen: Geschäftsprozesse in der       Mehr als nur clevere Technik
Entwicklung und Produktion, Prozessautomatisierung,          Hyett betont, dass es um weit mehr geht als um eine
Manufacturing-Execution-Systeme, IT, Datenaufberei-          neue Optik und Showeffekte: „Als wir die Idee für das
tung – alles zusammen brauchten wir, um aus dem, was         IIM-Labor hatten, wollten wir beweisen, dass wir viele
technisch möglich ist, eine sinnvolle Lösung für unsere      moderne Technologien dazu nutzen können, dass GSK
Geschäftsherausforderungen zu entwickeln.“                   vom Potenzial der Digitalisierung profitiert, und viele

                                                                                     02.2016 | siemens.com/magazin/industrie   9
Expertise für die Pharmaindustrie - Titelthema Siemens-Technologie in Mikro-Fabrik der Zukunft
Titelthema

»Aktuell sehen wir, wie neue Technologien
  andern­orts ganze Branchen revolutio­
 nieren. Wir müssen in der Lage sein,
  diese Innovationen schnell im Hinblick
  auf unser Geschäft zu bewerten. Denn
 nur wenn die richtige Technologie für
  ein passendes Bedürfnis genutzt wird,
 kann unser Geschäft davon profitieren.«
   Patrick Hyett

                                                                                        GSK / Tim Pope
                  der Herausforderungen lösen können, die wir in der
                  Produktion haben. Wir können schwerlich auf eine Refe-
                  renzanlage verweisen, in der bereits ein so umfassen-
                  des ­Modell zur Digitalisierung realisiert ist, das wir als
                  Beispiel für vernetzte Produktionsstandorte nutzen
                  können. Im Prinzip sind zwar viele Menschen der Mei-
                  nung, dass eine durchdachte Architektur für die Digita-
                  lisierung in vielen Bereichen wertvoll ist – zum Beispiel
                  bei Themen wie Operational Efficiency, Robustheit von
                  Produkten oder Compliance –, aber wir mussten diese
                  Systeme und die erforderlichen Veränderungen erleb-
                  bar machen, auch anhand einer echten Produktions­
                  anlage. Man muss die Technologien sehen und anfassen
                  können, um zu verstehen, was dahinter steckt und was
                  sie bedeuten. Und deswegen haben wir dieses Labor
                  ­gebaut.“
                     Im IIM-Labor werden in allen Bereichen Daten mit
                   dem entsprechenden Kontext erfasst und zur Steuerung
 GSK / Tim Pope

                   der Abläufe genutzt, für eine lückenlose Dokumentation
                   von Proben, Experimenten und Chargen, um Workflows

                                         02.2016 | siemens.com/magazin/industrie   11
Titelthema

      mit elektronischen Systemen zu unterstützen (ohne          selbst stoppen, bevor es zu Fehlern oder Störungen
      Dokumente in Papierform) und um Daten so zu virtuali-      kommt. Der Mensch kann sich in so einem Umfeld auf
      sieren und zu vernetzen, dass sie ohne manuelle Opera-     das konzentrieren, was er ausgezeichnet kann: Ausnah-
      tionen genutzt werden können. Dabei verwendete das         men handhaben, Zusammenhänge analysieren und die
      Team einen ziemlich radikalen Ansatz: Anstatt bereits      Daten mit Intuition und eigener Wahrnehmung ergän-
      vorhandener Werkzeuge nutzte man Innovationen in           zen, um die richtigen Entscheidungen zu treffen.
      anderen Industriebereichen, darunter völlig neuartige         Dank interaktiver Bildschirme und moderner Kom-
      Werkzeuge, die die Pharmaproduktion grundlegend            munikationsmittel kann dazu auch die Intuition Dritter
      verändern könnten.                                         genutzt werden. „Aktuell sehen wir, wie neue Technolo-
                                                                 gien andernorts ganze Branchen revolutionieren. Wir
      Aus Daten werden Informationen                             müssen in der Lage sein, diese Innovationen schnell im
      Da die entsprechenden Modelle für die Pharmaindustrie      Hinblick auf unser Geschäft zu bewerten. Denn nur
      erst entwickelt werden müssen, wandte sich das Team        wenn die richtige Technologie für ein passendes
      an Partner wie Siemens, die bereits auf anderen Gebie-     Bedürfnis genutzt wird, kann unser Geschäft davon
      ten Erfahrungen bei der Verknüpfung von Daten und          profitieren“, betont Hyett. „Warum sollten Mitarbeiter
      dem entsprechenden Kontext haben und schon Lösun-          an verschiedenen Standorten nicht sozusagen virtuell
      gen für die Datenerfassung und -steuerung, für Manu-       mithilfe von Videos, Teilen von Bildschirminhalten und
      facturing-Execution-Systeme (MES), für die Produktpla-     Daten der Prozesssteuerung zusammenarbeiten? Und
      nung und die Workflow-Ausführung anbieten. „Eine der       schon haben wir weitere Informationen, die wir mit den
      wichtigsten Erkenntnisse, die wir im Laufe dieses Pro-     Chargendaten in Verbindung bringen können – Audio-
      jekts gewonnen haben – und die Zusammenarbeit mit          und Videodaten. Darauf aufbauend können neue
      Siemens war dabei sehr wertvoll –, besteht darin, wie      Methoden für die Online-Kontrolle, die vorbeugende
      wir Daten auf verschiedenen Ebenen unseres Unterneh-       Qualitätssicherung und den technischen Support ent-
      mens verfügbar machen können“, sagt Hyett und fügt         stehen – und das alles noch während des auffälligen
      hinzu: „Es ist entscheidend, dass das Management ein-      Zustands in der Produktion.“
      fach die Informationen erhält, die es braucht, und dabei      Dieses Konzept erstreckt sich auch über die Produkti-
      hat uns die Expertise von Siemens sehr geholfen.“          onsumgebung hinaus. Im Korridor des IIM-Labors vor
                                                                 der Tablettenproduktion wird auf Displays der laufende
      Intelligenz in der Produktion                              Fertigungsprozess in Echtzeit visualisiert, mit konfigu-
      Das Resultat ist eine intelligente Produktionsumge-        rierbarer Detailtiefe: von einer Übersicht über den Pro-
      bung, in der Menschen mit modernster Technologie und       zess über Anweisungen für den Operator bis hin zu
      auf Basis von Daten arbeiten. Die zentrale Herausforde-    Plots mit aktuellen und modellierten Prozessdaten.
      rung besteht darin, die Daten so aufzubereiten und zu      Außerdem können Informationen über den Standort
      präsentieren, dass das Personal in der Produktion Situa-   und Status von Mitarbeitern, Equipment und Materia-
      tionen leicht einschätzen und stets aufmerksam bleiben     lien in der Produktion per RFID erfasst und angezeigt
      kann, und zugleich auch die Produktionsumgebung zu         werden. Anhand dieser Daten lässt sich der Status der
      einem aktiven Part bei der Produktion von Medikamen-       einzelnen Räume im IIM-Labor bestimmen – zum Bei-
      ten zu machen, um so Situationen und Zustände zu           spiel „in Produktion“, „Intervention nötig“, oder „fertig
      identifizieren, die für den Menschen nicht auf Anhieb      und bereit zur Reinigung“.
      erkennbar sind, zum Beispiel Probleme bei der Leistung
      einer Linie. Dann kann sich die Produktion sozusagen
                                                                   Anwendungen mit Technologie von Siemens
                                                                   ◾   Prozesssteuerung mit Simatic PCS 7

 Das IIM-Digitalisierungs-                                         ◾   Performanceanalyse mit XHQ
 labor befindet sich in
 einem renovierten
                                                                   ◾   Produktionsplanung mit Preactor
 Lager – eine
 geschmackvolle
                                                                   ◾   Elektronische Chargendokumentation
 Einrichtung mit                                                        mit Simatic IT eBR
 großen Bildschirmen
 in Arbeitskabinen
 lässt auf den ersten
 Blick nicht auf ein
„Labor“ schließen. Vor
 den Bildschirmen
 sitzen Mitarbeiter­
 teams, die geschäftig
 Daten analysieren
                             GSK / Tim Pope
Titelthema

Von der Idee zum fertigen Labor                             systemneutrale Anforderungen zu definieren, damit die
Auch in vielen anderen Bereichen setzte das Team auf        neuen Technologien im industriellen Umfeld umgesetzt
völlig neue Ideen, die teilweise in Zusammenarbeit mit      werden können. Des Weiteren gibt es immer wieder spe-
Spezialfirmen entwickelt wurden. „Wir haben Experten        zifische Anfragen zu Lösungen für priorisierte Aufga-
für Computerspiele, User Experience Designer sowie          ben an einzelnen Standorten. Und dann steht natürlich
Fachleute aus der IT und der Automatisierung mit ins        die Aufgabe an, die Lösungen so weiterzuentwickeln,
Boot geholt und in bestimmten Bereichen komplett neue       dass sie in „echten“ Investitionen als vollständig digita-
Lösungen selbst entwickelt“, berichtet Hyett. „Gleichzei-   lisierte Fertigungsprozesse eingesetzt werden können.
tig mussten wir die Lösung so einfach wie möglich hal-      „Wir werden dabei weiterhin mit unseren strategischen
ten und die Anzahl der für die gewünschte Funktionali-      Partnern wie Siemens zusammenarbeiten, und ich bin
tät notwendigen Anwendungen auf ein Mindestmaß be-          gespannt, wie sie sich zukünftig bei diesem Projekt ein-
schränken – IIM muss schließlich auch in einem              bringen werden“, sagt Hyett. IIM hat für ihn bereits zu
Industriekontext noch handhabbar sein.“                     einem Umdenken geführt, und zwar nicht nur im Hin-
   Bei der Auswahl der Projektpartner legten Patrick        blick auf die Produktion: „Technologie ist das eine, aber
Hyett und sein Team vor allem auf eines Wert: Teamgeist     wir arbeiten für und mit Menschen. Ein großer Teil un-
und die Bereitschaft, gemeinsam zu lernen. „Darunter        serer Arbeit steckt in der Datenarchitektur, aber wir
sind Partner wie Siemens, die auch ein strategischer        wollen unser Labor testen, zusammen mit Wissen-
Partner von GSK bei der Fertigungsautomatisierung           schaftlern, die Formulierungen entwickeln, mit Anla-
und damit ein bevorzugter Automatisierungslieferant         genbedienern, Produktionsplanern, Experten für die
für die Produktionsanlagen von GSK und die F&E-             Qualitätssicherung und anderen Fachleuten. Nur so
Standorte in aller Welt sind“, erklärt Hyett. „Sie haben    können wir herausfinden, ob die Informationen, die wir
erkannt, dass sie gemeinsam mit uns ihr Angebot für         zur Verfügung stellen, auch wirklich für den jeweiligen
die Pharmaindustrie verbessern und erweitern können.        Anwender nützlich sind, und ihn dabei unterstützen,
Und genau dieser Team-Gedanke unterscheidet einen           mit wenig Aufwand richtige Entscheidungen zu treffen.
strategischen Partner von einem (bevorzugten) Liefe-        Dabei ist es wichtig, dass die Menschen auf einfache
ranten. Außerdem brachten sie auch viel branchen-           Weise mit der Technik interagieren können. Ich habe
übergreifendes Know-how mit ein: Wenn man wie bei           eines gelernt: Man konzipiert nicht einfach eine Maschine
IIM Geschäftsprozesse auf Daten aufbauen will, braucht      oder eine Steuerung, sondern man schafft auch eine Um-
man die passenden Modelle. Siemens hat bereits in           gebung, in der sich die Anwender zurechtfinden müs-
anderen Branchen einige sehr fortschrittliche Lösungen      sen. Unsere Anwender sind unsere ersten und wichtigs-
für die prädiktive Modellierung entwickelt, zum Bei-        ten Kunden. Sie zu überzeugen, ist genauso wichtig, wie
spiel um Windturbinen effizient zu warten. Möglicher-       die technischen Vorgaben zu erfüllen.“
weise können wir solche Modelle auch für unsere Pro-           Dem IIM-Team ist das offensichtlich sehr gut gelungen:
zesse nutzen.“                                              „Wir haben ausgezeichnete Rückmeldungen von wich-
                                                            tigen Stakeholdern bei GSK bekommen. Sie sind vom
Die nächsten Schritte                                       Ergebnis genauso begeistert wie wir“, sagt Hyett. „So
Das IIM-Labor wurde in sehr kurzer Zeit entwickelt, ge-     vieles ist schon heute möglich. Man muss nur kreativ
baut und in Betrieb genommen – und hilft jetzt dabei,       sein und die Technologie, die es schon gibt, nutzen.“
neue Technologien bei GSK schneller einführen zu kön-
nen. Währenddessen arbeitet das IIM-Team bereits an          siemens.de/pharma
den nächsten Schritten: entsprechende Software- und          ronny.mus@siemens.com

                                                                                                                         GSK / Tim Pope
Pharmaindustrie
Sergey Nivens - Fotolia

                          Krebs im Fadenkreuz
                          Mit einem individualisierten Impfstoff leistet BioNTech Pionier­
                          arbeit im Kampf gegen Krebs. Damit dieser personalisierte
                          Wirkstoff schneller in größeren Mengen hergestellt werden kann,
                          setzt das Unternehmen auf eine komplett papierlose Produktion
                          mit Simatic IT eBR und Preactor.
                          14   siemens.com/magazin/industrie | 02.2016
Pharmaindustrie

                                                                      Biotechnologie-Unternehmen den Aufbau seiner IVAC®
                                                                      Mutanome-Plattform (Individualized Vaccines Against
                                                                      Cancer) voran, mit der personalisierte Krebstherapien
                                                                      rasch und zu erschwinglichen Preisen hergestellt und
                                                                      allgemein verfügbar gemacht werden sollen.
                                                                         „Die Herstellung des individualisierten Impfstoffs
                                                                      IVAC® Mutanome basiert auf einem standardisierten
                                                                      Prozess, der es ermöglicht, maßgeschneiderte Produkte
                                                                      herzustellen, die sich aufgrund der individuellen Pati-
                                                                      entenmerkmale in ihrer Zusammensetzung stark unter-
                                                                      scheiden“, erläutert Ugur Sahin, CEO von BioNTech. Dies
                                                                      leitet einen Paradigmenwechsel in der klinischen Ent-

                                                              »Die Herstellung des individualisierten
                                                               Impfstoffs IVAC® Mutanome basiert auf
                                                                einem standardisierten Prozess, der
                                                                es ermöglicht, maßgeschneiderte
                                                               Produkte herzustellen, die sich in ihrer
                                                               Zusammensetzung stark unterscheiden.«
                                                BioNTech AG

                                                               Prof. Dr. Ugur Sahin,
                                                               CEO, BioNTech AG

                                                                      wicklung ein: Im Vordergrund steht nicht mehr das
                                                                      Endprodukt als solches, sondern vielmehr der gesamte
                                                                      Herstellungsprozess des individuell auf den jeweiligen
                                                                      Patienten zugeschnittenen Medikaments, was mit
                                                                      neuen konzeptionellen, regulatorischen, technologi-
                                                                      schen und klinischen Herausforderungen verbunden
                                                                      ist. Die Immuntherapie mit IVAC® Mutanome basiert
                                                                      darauf, das individuelle Mutationsmuster des Tumors
                                                                      jedes einzelnen Krebspatienten zu entschlüsseln. Auf
                                                                      das Profil der Mutationen werden für jeden Patienten
                                                                      dann passgenau die entsprechenden synthetischen
                                                                      RNA-Impfstoffe hergestellt.

                                                                      Erfahrener Partner im digitalen Business
                                                                      Um diese neuartigen Therapien in umfangreichen

D       ie Entwicklung individualisierter Therapien galt
        lange Zeit als gewagtes Experiment, das mit gro-
        ßen Herausforderungen verbunden ist – nicht
                                                                      Studienprogrammen zu erproben und ihre Wirksamkeit
                                                                      nachzuweisen, gibt es zwei wesentliche Voraussetzun-
                                                                      gen: Zum einen muss die Herstellung der personali-
nur in wissenschaftlicher Hinsicht, sondern auch was                  sierten Impfstoffe beschleunigt werden, zum anderen
die Produktionskosten und -zeiten betrifft. Insbeson-                 müssen sie in größeren Mengen verfügbar sein. Eine
dere in der Onkologie hat sich in den vergangenen Jah-                höhere Kapazität lässt sich durch Parallelisierung und
ren jedoch gezeigt, dass personalisierte Therapien die                Beschleunigung der Herstellungsprozesse erreichen.
Krebsbehandlung in absehbarer Zeit revolutionieren                    Hierfür ist eine papierlose Produktion notwendig.
könnten.                                                              Bei der Optimierung der Herstellungszeit und der Pro-
                                                                      duktionskosten arbeitet BioNTech seit 2015 gemein-
Personalisierte Therapie zu erschwinglichen Kosten                    sam mit Siemens als Partner am Aufbau eines vollau-
Die BioNTech AG in Mainz arbeitet an maßgeschneider-                  tomatisierten, papierlosen und digitalen Herstellungs-
ten Medikamenten und entwickelt neuartige, individu-                  prozesses, da Siemens bereits viel Erfahrung im
alisierte Immuntherapien gegen Krebs und andere                       Bereich Digitalisierung vorweisen kann. Ugur Sahin
schwere Krankheiten. Zu diesem Zweck treibt das                       erklärt: „Unser Ziel ist es, bereits in weniger als fünf

                                                                                           02.2016 | siemens.com/magazin/industrie   15
Pharmaindustrie

Jahren hunderttausenden Patienten individuell für sie
hergestellte Arzneimittel bereitstellen zu können.                 BioNTech AG, Mainz
Dazu ist die Entwicklung und Zusammenführung von
Innovationen aus verschiedenen Zukunftsfeldern nötig               BioNTech ist eine Holding mit mehreren
wie Big Data, künstliche Intelligenz, vollautomatisierte           Tochterunternehmen, die alle für die
Analytik und Produktionsanlagen. Diese werden zu-                  Forschung, klinische Entwicklung und
künftig volldigitalisiert und miteinander vernetzt in              Vermarktung notwendigen Technologie­
verzahnten Prozessen zusammenarbeiten. Siemens                     plattformen und Kompetenzen unter einem
hat unserer Ansicht nach das entsprechende Know-                   Dach vereint. Diese Tochtergesellschaften
how, um uns hierbei optimal zu unterstützen.“ Da­                  fokussieren sich auf unterschiedliche,
rüber hinaus schätzt BioNTech das umfangreiche Port-               komplementäre Biopharmazeutika- und
folio und den großen Mitarbeiterstamm von Siemens,                 Diagnostik-Plattformen bzw. auf die
die es ermöglichen, auch solche großen Projekte                    Herstellung von Arzneimitteln für die
schnell und zuverlässig zu bewältigen.                             Anwendung am Menschen.
                                                                   Dabei verfolgt das Unternehmen die Strategie,
Hohe Qualität durch Automatisierung                                neue Technologien zu entwickeln und
Für die papierlose Herstellung werden die MES-                     Innovationen zusammenzuführen, um
Lösungen Simatic IT eBR und Preactor eingesetzt.                   individualisierte Behandlungsansätze mit
Damit können von allen Produktionsabläufen die not-                einem einzigartigen medizinischen Potenzial
wendigen Informationen abgerufen und anschließend                  zu entwickeln und zu vermarkten. BioNTech
analysiert, archiviert und reportet werden. So lässt               hat sich dadurch in den vergangenen Jahren
sich eine „regulierte“ Flexibilität schaffen, die gerade           eine Vorreiterrolle im Bereich der perso­
aus der Pharmaproduktion heute nicht mehr wegzu-                   nalisierten Krebsimpfstoffe erarbeitet. Da jeder
denken ist. Zeitraubende manuelle Prozesse werden                  Krebs von Patient zu Patient unter­schiedliche
durch diese Lösung fast vollständig eliminiert – ob im             Merkmale aufweist, profitieren im Durch­
Labor, in der Produktion, in der Logistik oder in der              schnitt nur 15–30 Prozent der Krebs­patienten
Qualitätssicherung. Durch die vollständige Automati-               mit einem fortgeschrittenen Tumor von den
sierung kann das Personal optimal eingesetzt, Pro-                 gängigen medikamentösen Behandlungs­
zessschritte können korrekt ausgeführt und Freigaben               ansätzen.
eingehalten werden. Das ist wichtig für die Qualität
der Dokumentation und damit für das Erfüllen aller                  Durch eine auf den Krebs und den Patienten
internen und behördlichen Anforderungen.                            maßgeschneiderte Behandlung erwartet man
                                                                    sich einen deutlich größeren Therapieerfolg
Durchgängiger Prozess                                               und eine bessere Chance auf Heilung.
Da bei der Herstellung der IVAC® Mutanome Impfstoffe
über einen Zeitraum von mehreren Wochen eine Kette
von Prozessschritten durchlaufen werden muss,
ist eine präzise Einsatzplanung unabdingbar. Die
ganzheitliche MES-Lösung aus Simatic IT eBR und
Preactor verbindet zwei örtlich voneinander getrennte
Betriebsstandorte zu einem durchgängigen Prozess –         stellung auf dem besten Weg, die Behandlung von Krebs
von der (Produktions-)Planung über die Analyse bis         durch individualisierte mRNA-basierte Immuntherapien
zum fertigen personalisierten Medikament in Los-           grundlegend zu revolutionieren. „Diese Pionierarbeit
größe 1. Siemens hat im Vorfeld erfolgreich eine Kon-      stellt uns immer wieder vor nie dagewesene Herausfor-
zeptstudie durchgeführt und anschließend die funkti-       derungen und fordert ständig neue Ideen und Ansätze,
onalen Spezifikationen in der Blueprint-Phase erstellt.    um adäquate Lösungen zu finden“, betont Sahin. Dank
Bestens bewährt haben sich dabei das umfassende            der globalen Präsenz von Siemens und der Einbindung
Prozess- und Pharma-Know-how sowie die Einbindung          eines internationalen Teams wurden alle Voraussetzun-
eines erfahrenen Projektteams und hochkarätiger            gen erfüllt, um das von BioNTech geplante globale Roll-
Experten. Im Auftragsumfang sind außerdem der FAT          out der Produktion in Angriff zu nehmen. Die erste
und SAT sowie die Erzeugung der Dokumente zur              Marktzulassung des neuen Impfstoffs ist für das Jahr
Qualifizierung enthalten.                                  2021 geplant.

Pionierrolle als Herausforderung
BioNTech ist durch seine Pionierrolle sowohl in der For-    siemens.de/pharma
schung als auch in der klinischen Testung und der Her-      bjoern.kloke@biontech.de

16   siemens.com/magazin/industrie | 02.2016
Ceat peles dio este possint ipsus net aut doluptatur? Molorum ut et aut qui beatiissus conem

     Auf lange Sicht                                                                                                                          Boehringer Ingelheim

Seit Dezember 2014 betreibt Boehringer Ingelheim an
seinem größten Forschungs- und Entwicklungs­standort
in Biberach eine neue Anlage zur Herstellung von Wirk­
stoffen und deren Vorstufen. Das Technikum K 62 ist
das Ergebnis einer intensiven und erfolgreichen Projekt­
abwicklung über alle Phasen hinweg.

                                                                                               02.2016 | siemens.com/magazin/industrie   17
Pharmaindustrie

B      ei der Entwicklung neuer Arzneimittel steigt der
       Mengenbedarf bis zur Zulassung stetig an. In
       frühen Forschungsphasen sind oftmals Subs-
                                                              Implementierung mit den neuesten Produkten
                                                              Die hohe Flexibilität von on/off ermöglichte es, wäh-
                                                              rend der Implementierung der Systeme einige Anpas-
tanzmengen im Milligramm-Bereich ausreichend. Für             sungen vorzunehmen, um geeignete aktuelle Pro-
die im weiteren Verlauf erforderlichen toxikologischen        dukte aus dem Siemens-Portfolio einzubinden. So
und pharmazeutischen Untersuchungen erhöht sich der           wurden beispielsweise die ursprünglich vorgesehenen
Bedarf dann schnell auf zwei- bis dreistellige Kilo-          CPU-Typen der Simatic S7-400 – CPU 414-3 und 414-H –
gramm-Mengen.                                                 kurzfristig gegen den neuen Controller Simatic PCS 7
   Am weltweit größten Forschungs- und Entwicklungs­          CPU 410-5H getauscht.
standort von Boehringer Ingelheim im oberschwäbischen            Die umfangreiche, aber einheitliche Hardware-Basis
Biberach findet ein Großteil der eigenen Entwicklung statt.   in Verbindung mit der High-End-Ausführung bezüglich
                                                              Arbeitsspeicher, Kommunikations- und Rechenleis-
Neues innovatives Technikum                                   tung sowie die Skalierbarkeit hat den Betreiber über-
Um ausreichende Mengen der neu entwickelten Arznei-           zeugt. Insgesamt wurden elf neue Controller eingesetzt,
mittel für die klinischen Studien mit ihren ständig stei-     zwei davon als redundantes Automatisierungssystem
genden Patientenzahlen bereitstellen zu können, wurde         konfiguriert. Ergänzt durch weitere Simatic PCS 7-
2011 ein Neubau des Technikums mit einem Investi­             Komponenten wie je einen redundanten Batch-, OS-,
tionsvolumen von rund 50 Millionen Euro geplant, der          Maintenance- und Engineering-Server, zwei Enginee-
den Vorgängerbau ablösen sollte. In der neuen Pilot­          ring-Clients, einen Process-Historian-Server sowie ins-
anlage sollten Wirkstoffmengen für pharmazeutische            gesamt 26 mit Batch-Client-Lizenzen ausgestattete OS-
­Präparate von 10 bis 100 Kilogramm hergestellt werden        Clients, überzeugte das Gesamtsystem den Betreiber
 können. Der geplante langfristige Anlagen-Lebens­            durch seine vielfältigen Möglichkeiten und vor allem
 zyklus wurde während der Projektvorstellung im               durch seine Usability bereits zur ersten Teilabnahme.
 Siemens Competence Center Pharma in Karlsruhe vom
 Projektteam noch um weitere Punkte ergänzt: das
 ­V irtualisieren von Client- und Server-Applikationen
  sowie die Nutzung von Profinet sowohl für den Anlagen-
  als auch für den Feldbus.

Anlagenkonzeption mit drei Ebenen
Im Unterschied zu einer großtechnischen Produktions-
anlage ist die Nutzung des Technikums durch ständig
wechselnde Synthesereaktionen und Produkte sowie
durch Aufarbeitungsmethoden geprägt. Deshalb ging
es nicht darum, den Produktionsprozess spezieller
Wirkstoffe zu optimieren. Vielmehr sollte das instal-
lierte Equipment ein Höchstmaß an Flexibilität bieten,
um eine Vielzahl verschiedener Wirkstoffe und Zwi-
schenprodukte herzustellen.
   Die Anlagenkonzeption sah dazu drei Produktions-
ebenen vor: zwei Reaktorebenen und eine Isolation-­
Area. Auf der obersten Reaktorebene sollten zusätzlich
Hydrierreaktoren integriert werden. Bei der gesamten
Planung wurden die Anforderungen der cGMP (Current
Good Manufacturing Practice) berücksichtigt. Um die
Reaktoren untereinander möglichst flexibel kombinieren
zu können, wurden die Reaktorräume kaskadenförmig
konzipiert. Durch räumliche Trennung der Produktions-
bereiche wird die gleichzeitige, kontaminationsfreie
Herstellung von mehreren Wirkstoffen ermöglicht.
   Das ursprüngliche Systemkonzept wurde im Zuge der
Projektbearbeitung kontinuierlich durch den Siemens
Solutions Partner on/off engineering GmbH und Siemens
selbst weiterentwickelt und an die Vorstellungen des
Betreibers angepasst. Simatic Batch, Profinet, Scalance
                                                                 Boehringer Ingelheim

und Maintenance-Station wurden anhand der Funktio-
nalitäten der aktuellsten Simatic PCS 7-Version präsen-
tiert und Fragen des Kunden in Live-Meetings beant-
wortet. Die Umsetzung des Projekts begann Ende 2012                                     Die neue Anlage von Boehringer Ingelheim zu Herstellung von
durch die on/off engineering GmbH.                                                      Wirkstoffen wurde an die Anforderungen des Betreibers angepasst

18   siemens.com/magazin/industrie | 02.2016
Konfiguration in virtueller Umgebung
Die Umsetzung des gesamten Systems in einer virtuel-
len Umgebung war eine besondere Herausforderung
und wurde zum Highlight dieses Projekts. Dazu wurden
fünf ESXi-Hosts eingesetzt, ergänzt um einen weiteren
für Cold Standby. Diese Konfiguration war bis dato in
der PCS 7-Umgebung noch nicht realisiert worden und
wurde in diesem Projekt zum ersten Mal umgesetzt.
Hierbei waren die hohe technische Kompetenz und die

                                                                Boehringer Ingelheim
Erfahrung der Firma on/off von Vorteil. Ein redundanter
Feldbus sollte mittels MRP und Systemre­dundanz die
Verfügbarkeit steigern. Mittels Advanced ES konnten die
Programme zeit- und kosteneffizient mit hoher Qualität                                 Das Technikum K 62 in Biberach bietet insgesamt
umgesetzt werden. Die Verwendung der APL-Bibliothek                                    über 2.700 m2 Nutzfläche
in Verbindung mit qualifizierten CMT-Bausteinen von
on/off stellte einen hohen Standardisierungsgrad und
eine GMP-gerechte Umsetzung sicher. Der Betreiber
wurde dabei sukzessiv an die umfangreichen Möglich-
keiten des Systems herangeführt. Beispielsweise wurde
eine Handebene zur direkten Bedienung der Batch-Pha-
sen aus der Visualisierung implementiert. Die Vorteile       tiger Erfolgsfaktor war, dass in der Zeit von Januar bis
sowohl für tägliche Aktivitäten als auch für die Repro-      Oktober 2013 die Zusammenarbeit zwischen Projektbe-
duzierbarkeit von Workflows waren für den Betreiber          teiligten und Stammhaus intensiviert wurde. In dieser
bereits in dieser Phase unverkennbar.                        Zeit wurden Problemstellungen im Projekt gezielt ver-
                                                             folgt und in einem Maßnahmenkatalog dokumentiert.
Gemeinsam zum Erfolg                                         Daraus resultierten detaillierte Vorgaben für die Konfi-
Seit Dezember 2014 ist das neue Technikum in Betrieb.        guration der ESXi-Server als Visualisierungsplattform
Auf einer Nutzfläche von rund 2.700 m2 befinden sich Syn-    und für die Vor-Ort-Begleitung der Erst-Installation
theselaboratorien, in denen die Prozessübertragung vom       aller Softwarekomponenten. In einem Workshop zu
Labor- auf den Technikumsmaßstab bearbeitet wird,            Simatic Batch wurden individuelle Fragen beantwortet,
sowie die komplexen Pilotanlagen, in denen der neuent-       bisherige Erfahrungen bewertet und für weitere Opti-
wickelte pharmazeutische Wirkstoff hergestellt wird.         mierungen eine jährliche Wiederholung vereinbart.
   Die Zielsetzung für dieses Projekt war für alle Betei-       Nicht zuletzt unterstützten on/off und Siemens auch
ligten – Kunde, Solution Partner und Systemlieferant –       bei der Risikominimierung im Zusammenhang mit der
ganz einfach: „Gemeinsam das Projekt zum Erfolg              Übernahme neuer Funktionalitäten. So wollte der
führen!“ Und das hat sehr gut geklappt. Nach Abschluss       Betreiber beispielsweise noch vor der Inbetriebnahme
des Projekts stellte Siemens für Boehringer Ingelheim        auf die Version 8.1 von PCS 7 updaten, um selektiv ein-
über das Standardangebot hinaus einen Ansprech­              zelne CFC-Pläne laden zu können. Durch die detaillierte
partner vom Simatic Systems Support Process Automa-          Update-Planung mit allen Beteiligten wurde dieses Ziel
tion zur Verfügung, der den Betreiber in allen technischen   erreicht.
Fragen auch weiterhin unterstützt. Ein weiterer wich-
                                                             Investition in die Zukunft
                                                             Dr. Fridtjof Traulsen, heute Head of Corporate Division
                                                             Development, betonte bei der Eröffnung: „Die Anforde-
                                                             rungen der Behörden an die Entwicklungs- und Zulas-
  onoff-group.de                                             sungsprozesse von innovativen Arzneimitteln steigen
  Die on/off engineering gmbh wurde 1988 als                 stetig. Das neue Technikum sichert die Wirkstoffversor-
  produkt- und systemunabhängiges Ingenieurbüro für          gung der präklinischen Entwicklungsstufen und der
  Automatisierungstechnik in Hannover gegründet und          ­k linischen Studien in den kommenden Jahren.“ Und zu-
  hat sich zu einem führenden Dienstleister im Bereich        sammenfassend betonte Professor Dr. Dr. Andreas
  der Prozessautomatisierung entwickelt und ist               ­Barner, damals Vorsitzender der Unternehmensleitung
  Solution Partner Certified Industry Pharmaceutical.          von Boehringer Ingelheim: „Das neue Technikum ist für
  Das Unternehmen ist nach DIN ISO 9001 zertifiziert           Boehringer Ingelheim eine Investition in die Zukunft.“
  und arbeitet im Rahmen seiner Dienstleistungen nach
  den GMP-Richtlinien oder GAMP 5. Als aktive Partner
  des Siemens Solution Partner-Netzwerkes und im
  Rahmen anderer Kooperationen sind die Mitarbeiter
  der on/off group immer auf dem neuesten Stand der
  Technik.                                                    siemens.de/pcs7
                                                              ulrich.neu@siemens.com

                                                                                                          02.2016 | siemens.com/magazin/industrie   19
Pharmaindustrie

Gelungener
Projektfahrplan
Es ist ein Vorhaben mit einer Laufzeit wie man sie sonst eher aus dem
Straßen- oder Schienenbau kennt: Acht Jahre umfasst die Planung und
Umsetzung der Migration der Prozessleittechnik von insgesamt sechs
Anlagen der Bayer Pharma AG in Bergkamen. Als strategischer Partner wird
Siemens das Projekt im Rahmen einer Migrationsallianz unterstützen.

Von der Leitwarte aus werden die Produktionsanlagen überwacht

20   siemens.com/magazin/industrie | 02.2016
Pharmaindustrie

G        ut 110 Hektar umfasst der
         Bergkamener Bayer-Stand-
         ort – viel Platz für die Pro-
                                         Christoph Krampe verantwortlich
                                         für die Migrationsprojekte in Berg-
                                         kamen, beschreibt die Herausforde-
                                                                                   Das Migrationsprojekt
duktion von Wirkstoffen in den           rungen: „Wir werden insgesamt             im Überblick
­u nterschiedlichsten Therapie- und      sechs Produktionsanlagen prozess-         Die Bayer AG wird bis 2021 gemein-
 Anwendungsfeldern, von Röntgen-         leittechnisch auf den neuesten            sam mit Siemens sechs Produktions-
 kontrastmitteln bis hin zu Hormo-       Stand bringen und dabei durchgän-         anlagen mit neuer Prozessleittechnik
 nen für die „Pille“. Rund ein Zehntel   gig eine weitestgehend standardi-         ausstatten. Im Endausbau werden
 des Konzernumsatzes hängt mit den       sierte Lösung einsetzen. Vom ers-         rund 30.000 Messstellen mit
 hier gefertigten Produkten zusam-       ten Projekt 2013 bis zur letzten Mi-      ca. 50.000 E/A auf Simatic PCS 7
 men, was Bergkamen zu einem             gration haben wir eine Roadmap            migriert. Dabei nutzt Siemens unter
 wichtigen Produktionsstandort der       von acht Jahren aufgesetzt, nach          anderem die Open-AS-Plattform zur
 Bayer AG macht. Weitblick und eine      der wir die einzelnen Anlagen mig-        toolgestützten Migration, virtuelle
 klare Vision sind in Bergkamen          rieren. Es gibt nicht viele so lang-      Systeme und Simulationswerkzeuge.
 nicht nur bei neuen Wirkstoffen ge-     fristig und detailliert geplante Pro-     Ziel ist es, eine über den gesamten
 fragt, sondern insbesondere bei die-    jekte, bei denen man gleichzeitig         Standort hinweg standardisierte
 sem so ehrgeizigen Projekt, wie es      grundlegende Weichen für die Zu-          Lösung zu implementieren, die ein
 Bayer Bergkamen in den letzten Jah-     kunft der Produktion stellen kann.“       hohes Maß an Investitionssicherheit
 ren selten in Angriff genommen hat.                                               bietet. Die Lösung umfasst:
 Gerd Schmidtke, gemeinsam mit           Auf dem Weg zur Digitalisierung
                                         Im Zuge der Modernisierung der
                                                                                   ◾    imatic PCS 7 mit AS410 Controllern
                                                                                       S
                                         Prozessleittechnik implementiert              in F- und H-Ausführung, Peripherie-
                                         Bayer in Bergkamen gleich meh-                systeme Simatic ET 200M/ET 200iSP,
                                         rere neue Konzepte, die eine Basis            Siwarex U und FTA Wägetechnik
                                         für die Digitalisierung und Integra-      ◾    imatic Batch und Process Historian/
                                                                                       S
                                         tion der Prozesse bilden werden:              Information Server
                                         Virtualisierte Systeme ermöglichen
                                         eine optimale Nutzung der System-
                                                                                   ◾   Simatic IT eBR
                                         ressourcen, ein Process Historian         ◾   Software-Standards auf Basis der
                                         erleichtert den schnellen, konsis-            APL mit SFC-Typen
  Bayer in Bergkamen                     tenten Zugriff auf Prozessdaten für
                                         die Analyse und Optimierung der
                                                                                   ◾   Simatic PDM
    Bergkamen ist ein
                                         Anlagenperformance, und mit               ◾   Asset Management
    wichtiger Produktions­
                                         Simatic IT eBR bereitet Bayer den
    standort der Bayer AG. Hier                                                    ◾   Simatic Management Console (SMC)
                                         Umstieg auf die elektronische
    werden mit chemischen
                                         Chargendokumentation vor. „Wir                siemens.de/pcs7
    und mikrobiologischen
                                         haben ordentlich zu tun“, lautet
  Verfahren ­insgesamt rund
                                         auch das erste Fazit von Christoph
  ­6 0 verschiedene Wirkstoffe
                                         Krampe. Damit die eigentliche Pro-
  für zahlreiche Medika­
                                         jektausführung möglichst rei-           nen die Anlagen in Bergkamen teil-
    mente hergestellt. Diese
                                         bungslos verläuft, haben sich die       weise seit vielen Jahren in- und
    Produktionsanlagen sind
                                         Verantwortlichen bei Bayer für eine     auswendig. „Wir arbeiten sehr eng
    überwiegend als Viel-
                                         langfristige und strategische Zu-       und konstruktiv zusammen, so-
  zweckanlagen ausgelegt.
                                         sammenarbeit mit einem Partner          dass die meisten Themen zielge-
    Daneben gibt es mehrere
                                         entschieden und kooperieren daher       richtet auf der operativen Ebene
   ­A nlagen zur Ver- und Ent­
                                         bei allen Migrationen mit Siemens.      behandelt werden. Dank der Migra-
    sorgung der Produktion
                                            Derzeit arbeiten zwei operative      tionsallianz haben wir die Sicher-
    und der Einrichtungen des
                                         Teams bei Bayer daran, die beste-       heit, dass Siemens uns mit seinem
    gesamten Werkskomplexes
                                         henden Rezeptursteuerungen – ei-        Team nicht nur hier vor Ort, son-
    in Bergkamen.
                                         nige davon auf Systemen, die seit       dern auch mit Spezialisten aus den
                                         über 20 Jahren in Betrieb sind – auf    für die Prozessleittechnik wichti-
                                         Simatic PCS 7 und Simatic Batch zu      gen Standorten Köln und Karlsruhe
                                         übertragen, die neuen Funktionali-      unterstützt. Schon jetzt, drei Jahre
                                         täten zu implementieren und alle        nach dem ersten Projekt, zeigt sich,
                                         Systeme nach einem ziemlich straff      dass die Synergien und Lerneffekte
                                         getakteten Projektfahrplan in Be-       sowohl bei uns als auch bei Siemens
                  Bayer HealthCare

                                         trieb zu nehmen. Die Projektteams       genau so eintreten, wie wir es er-
                                         von Siemens können dabei auf            wartet haben. Damit erreichen wir
                                         einen fundierten und breiten Wis-       einen wichtigen KPI im Projekt –
                                         sensschatz zurückgreifen und ken-       den Engineering-Aufwand von

                                                                                   02.2016 | siemens.com/magazin/industrie   21
Pharmaindustrie

­ rojekt zu Projekt zu reduzieren.
P                                                 „Moderne Prozessleitsysteme sind                           die Validierung, die die Systeme in
Und natürlich sorgen die kurzen                   sehr mächtige Werkzeuge und wir                            Bergkamen durchlaufen müssen,
Wege am Standort für ein offenes                  haben die Entscheidung getroffen,                          da so alle Projekte gleich umge-
Projektklima, bei dem alle Beteilig-              dass wir hier eine Plattform für                           setzt werden können.
ten an einem Strang ziehen“, erläu-               möglichst alle Anlagen und Pro-
tert Christoph Krampe.                            zesse haben wollen, um die Tech-                           Gute Basis für Optimierung
                                                  nik auch mit der notwendigen tech-                         Dass die langfristige Zusammenar-
Konstanz schafft Synergien                        nischen Tiefe wirtschaftlich sinn-                         beit mit Siemens gut funktioniert,
Er nennt Synergien und schlankere                 voll betreuen zu können. Siemens                           haben bereits andere Migrations-
Prozesse als zwei wesentliche                     unterstützt diesen Ansatz mit einer                        projekte innerhalb des Bayer-Kon-
Gründe für die Migrationsallianz,                 umfassenden Lösung, innerhalb                              zerns gezeigt. „Wir konnten teil-
nicht nur auf der technischen                     derer wir verschiedene Systeme                             weise vorhandene Spezifikationen
Ebene: „Natürlich kann man ein                    und Komponenten einsetzen kön-                             und Vertragsbausteine überneh-
solches Projekt auch in Teilen mit                nen. Gleichzeitig nutzen wir das                           men – was wiederum den Start in
verschiedenen Partnern umsetzen.                  Wissen von Siemens, um sicherzu-                           das Projekt vereinfacht hat.“ Ein
Allerdings darf man dabei den                     stellen, dass die Standards auch                           großer Unterschied zu früheren
kaufmännischen und technischen                    gut umgesetzt werden, die Projek-                          Projekten ist jedoch, dass Bergka-
Aufwand nicht unterschätzen –                     tierung für gleiche Aufgaben auch                          men als Pharmabetrieb unter GMP-
Spezifikationen, Liefer- und Leis-                über alle Anlagen gleich aussieht                          Auflagen produziert: „Daher haben
tungsumfänge müssen dann je-                      – ein wichtiges Kriterium im Hin-                          wir Siemens in Köln als Projekt-
weils getrennt für jedes Teilprojekt              blick auf die spätere Systempflege                         partner auditiert.“
verhandelt werden, denn jedes wird                und Modernisierung.“ Ein Instru-                              Auch in technischer Hinsicht ist
einzeln kalkuliert. Wir können nun                ment, mit dem Siemens die Stan-                            Bergkamen einzigartig, da sich die
Leistungen und Kosten mehr oder                   dardisierung unterstützt, ist die                          Verantwortlichen für eine Virtuali-
weniger als Projektbausteine aus-                 toolgestützte Migration der beste-                         sierung der Automatisierungslö-
wählen. Das entlastet den Einkauf                 henden Projektierung über die                              sung entschieden haben. Die
und die Projektplanung erheblich.“                Open-AS-Plattform. Damit sparen                            virtuellen Maschinen lieferte die
Für Gerd Schmidtke kommt noch                     die Projektteams nicht nur Engi-                           IT-Abteilung bei Bayer, die entspre-
ein weiterer Vorteil hinzu: Ein Part-             neeringzeit, sondern können auch                           chende Software wurde von
ner – wie in diesem Fall – unter-                 eine einheitliche und konstant                             Siemens implementiert. Dadurch
stützt auch die Standardisierung                  hohe Qualität der Programmierung                           können die Projektteams die Auto-
der Systeme, die Bayer im Zuge der                sicherstellen. Diese Einheitlichkeit                       matisierungssoftware vorab auf
Migration erreichen will.                         hat auch Vorteile im Hinblick auf                          Herz und Nieren testen und so die
                                                                                                             Inbetriebnahme sowie die damit
                                                                                                             verbundenen Beeinträchtigungen
                                                                                                             der Produktion minimieren und
                                                                           Siemens AG / Publicis Pixelpark

                                                                                                             den eng gesteckten Terminrahmen
                                                                                                             für die Migrationen einhalten. „Wir
                                                                                                             bekommen ein durchaus positives
                                                                                                             Feedback aus der Produktion – und
                                                                                                             in meinem Fall heißt das: Ich höre
                                                                                                             wenig“, kommentiert Krampe mit
                                           »Damit erreichen                                                 einem leichten Augenzwinkern:
                                                                                                             „Wenn etwas nicht funktionieren
                                            wir einen wichtigen                                              würde, würde ich das sofort mitbe-
                                                                                                             kommen, denn die Produktion hat
                                            KPI im Projekt –                                                 oberste Priorität.“
                                             den Engineering-                                                   Die Migration schafft für Bayer
                                                                                                             auch die Gelegenheit, bestehende
                                            Aufwand von                                                      Prozesse auf eine modernere Basis
                                                                                                             zu stellen, ergänzt Schmidtke. „Mit
                                            Projekt zu Projekt                                               dem Process Historian und der
                                                                                                             elektronischen Chargendokumen-
                                             zu reduzieren.«                                                 tation haben wir jetzt die Möglich-
                                                                                                             keit, Prozessdaten einfacher als bis-
                                               Christoph Krampe,
                                                                                                             her sauber zu dokumentieren und
                                               verantwortlich für die Migrations-
                                                                                                             zu analysieren. Damit entsprechen
                                               projekte bei Bayer in Bergkamen
                                                                                                             wir zum einen den Anforderungen
                                                                                                             der zuständigen Behörden, zum an-
                                                                                                             deren können wir die Stabilität und

22   siemens.com/magazin/industrie | 02.2016
Pharmaindustrie

                                                                                                                        echter, belastbarer Anlagendaten
                                                                    »Siemens unterstützt                               einfach zu optimieren“, so die Ein-
                                                                                                                        schätzung von Christoph Krampe.
                                                                      diesen Ansatz mit                                 Auch für Gerd Schmidtke bringt
                                                                                                                        der Systemwechsel ein Umdenken
                                                                      einer umfassenden                                 im positiven Sinne mit sich: „Noch
                                                                                                                        vor einigen Jahren gab es oft den
                                                                     Lösung, innerhalb                                  Wunsch, dass die Automatisie-
                                                                      derer wir                                         rungslösung idealerweise genauso
Siemens AG / Publicis Pixelpark

                                                                                                                        lange laufen sollte wie die Anlage
                                                                     verschiedene                                       – und das können in unserem Fall
                                                                                                                        durchaus 30 Jahre sein. Aus Pro-
                                                                     Systeme und                                        duktions- und Validierungssicht ist
                                                                                                                        dieser Gedanke vielleicht verständ-
                                                                     Komponenten                                        lich, doch das Resultat wäre eine
                                                                      einsetzen können.«                                inhomogene und nur schwer zu
                                                                                                                        wartende Systemlandschaft. Mit
                                                                       Gerd Schmidtke,
                                                                                                                        der Modernisierung und Standar-
                                                                       verantwortlich für die Migrations-               disierung haben wir jetzt auch eine
                                                                       projekte bei Bayer in Bergkamen                  Strategie für die kontinuierliche
                                                                                                                        Pflege der Leitsysteme über den ge-
                                                                                                                        samten Lebenszyklus, mit planba-
                                                                                                                        ren Intervallen für Updates und
                                  Performance unserer Prozesse effi-       zess zu überwachen und den Be-               Hardwaremodernisierung. Damit
                                  zienter sicherstellen und weiter ver-    trieb zu optimieren – und das wird           leisten wir einen wichtigen Beitrag
                                  bessern. Damit leistet die Migration     sicher einen positiven Beitrag zur           zum Investitionsschutz und zur
                                  auch einen Beitrag zur Operational       Produktivität und Effizienz der An-          Verfügbarkeit der Anlagen.“ Daher
                                  Excellence am Standort.“                 lagen leisten.“                              ist Schmidtke auch sehr positiv ge-
                                     Die elektronische Chargendoku-                                                     stimmt, was das Ergebnis der Mig-
                                  mentation mit Simatic IT eBR wird        Schritt für Schritt zum Ziel                 rationsallianz angeht.
                                  auch dazu beitragen, den Anlagen-        Aktuell wird die erste Anlage mit
                                  fahrer in der Leitwarte zu entlas-       Simatic IT eBR ausgerüstet, weitere
                                  ten. Krampe erläutert: „Aktuell          sollen folgen. „Ich denke, wir wer-
                                  nimmt die Erfassung der Chargen-         den schnell sehen, dass sich die In-
                                  dokumentation einen erheblichen          vestition in diesem Bereich aus-
                                  Teil der Arbeitszeit ein. In Zukunft     zahlt. Wir haben jetzt die Tools, um
                                  werden die Mitarbeiter in der Leit-      Maßnahmen wie Instandhaltung                  siemens.de/pcs7
                                  warte mehr Zeit haben, den Pro-          und Asset Management anhand                   peter.thorhauer@siemens.com

                                    Virtualisierung und Simulation
                                    Um die Modernisierung der Prozessleittechnik möglichst          In einem nächsten Schritt soll dann der gesamte Pro-
                                    reibungslos und mit nur minimalen Stillstandzeiten zu         zess – vom HMI über die Automatisierung, die Prozess­
                                    gestalten, setzen die Projektteams in Bergkamen virtu­        signale bis hin zum eigentlichen Produktionsprozess –
                                    elle Systeme ein: Das gesamte Simatic PCS 7-System            simuliert werden. Im Simulator werden das original
                                    inklusive Controller, Operator Stations und Batch Server      HMI und die original Automatisierung verwendet.
                                    wurde virtualisiert. Die migrierte Rezeptstruktur durch­      Simit wird dabei sowohl für die Simulation der Auto-
                                    läuft vor der Inbetriebsetzung einen Test mit Simit VC        matisierung als auch für die Simulation der Produktions-
                                    (Virtual Controller). Auf diese Weise kann das Projekt­       prozesse eingesetzt. Die Simulationslösungen ­lassen
                                    team vorab prüfen, ob die bestehenden Rezepte                 sich zudem für das Operatortraining nutzen. Auf diese
                                    fehlerfrei in das neue System übertragen werden. Auch         Weise kann Bayer in Bergkamen sowohl die Produktion
                                    die erforderlichen Anpassungen an der Batchsteuerung          als auch die Instandhaltung und Modernisierung seiner
                                    können so in einer sicheren Umgebung getestet werden.         Anlagen effektiver gestalten.
                                    Dies trägt zum einen dazu bei, die Qualität und Funktio­
                                    nalität der Programmierung zu verifizieren, zum anderen
                                    kann die eigentliche Inbetriebnahme so in deutlich
                                    kürzerer Zeit erfolgen.                                          siemens.de/simit

                                                                                                                          02.2016 | siemens.com/magazin/industrie   23
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