INFORMATIK-OFFENSIVE - icom.hsr.ch

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AUSGABE 2 / 2017

                     INFORMATIK-OFFENSIVE
                   Der Kanton St. Gallen bekämpft mit der
                   IT-Bildungsoffensive den Fachkräftemangel in
                   der Informatik. Die HSR ist vorne mit dabei.

                     HOCHWASSERSCHUTZ AUS DEM 3D-DRUCKER
                   Die HSR arbeitet derzeit an einer Evolution im Hoch-
                   wasserschutz. Mit 3D-Scanner und 3D-Drucker werden
                   Modelle in ungekannter Detailtreue entwickelt.

                     UV-LICHT AUS LED GEGEN BAKTERIEN
                   Neuerdings können LEDs energiereiches
                   UVC-Licht emittieren und damit Bakterien
                   und Viren abtöten.

                                                                    www.hsr.ch
                                                                    HSR Magazin 2 / 2017
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INFORMATIK-OFFENSIVE

    Ein Team der HSR rettet an der European Robotics League Menschenleben mit kooperativen Drohnen.                         Illustration: Tobias Leuenberger

    Liebe Magazinleserinnen,                              aber unseren sportlichen Kolleginnen und         dierende anderer Bachelorrichtungen in Data
    Liebe Magazinleser                                    Kollegen im sumpfigen Hochmoor die Puste         Science und Data Engineering oder als For-
                                                          ausging? Dann müssen wir uns so lange mit        schende der HSR Institute. Lassen Sie sich
    In der Umarmung der Informatik                        der Betaversion vergnügen, bis Nachschub         durch die Vielfalt unserer Hochschulprojekte
    «Wir benötigen pro Tag vier Umarmungen                an Vitaminriegeln im Moorgelände ausgelie-       in der ­angewandten Informatik inspirieren.
    zum Überleben, acht Umarmungen zum                    fert worden ist. Wir, die Busreisenden, könn-
    ­Leben, zwölf Umarmungen zum Wachstum»                ten jedoch auch in festes Schuhwerk schlüp-      Viel Spass beim Lesen!
     sagte die US-amerikanische Familienthera-            fen und den Sportskanonen
     peutin Virginia Satir. Gemeint sind Umar-            entgegenkommen. Sie aus dem Wald hinaus-
     mungen von Mensch zu Mensch. Und wie                 führen, damit wir alle vereint auf dem Hori-
     sieht es mit den Umarmungen durch Infor-             zont in der auf­gehenden Sonne den Release
     matik aus?                                           2 sehen, die ­Fahrgastwünsche inklusive.
     Wenn Menschen von der Informatik umarmt              Ganz so romantisch ist das Aufeinandertref-      Eva Tschudi
     werden, können sie sich erdrückt ­fühlen oder        fen von Usern und IT-Spezialistinnen nicht.      Chefredaktorin
     beflügelt. Die Informationstechnologie be-           Was zählt ist die effiziente Zusammenarbeit
     gleitet uns auf Schritt und Tritt, häufig eilt sie   der beiden Gruppen, wobei die User hoch-         P.S. Wenn schon umarmen, dann richtig.
     uns Nutzerinnen und Nutzern voraus und wir           qualifizierte Fachpersonen wie Ärzte, For-       Wenn ich ins Auto steige – egal ob in mein
     fürchten, sie an der nächsten Kreuzung aus           scherinnen, Techniker oder Planerinnen sind,     eigenes oder in ein Sharecar, könnte das Be-
     den Augen zu verlieren. Dann haben wir               die durch neue, automatisierte IT-Anwen-         förderungsmittel mich mit Namen begrüssen
     zwei Möglichkeiten: Entweder wir ziehen              dungen ihre Leistungen schneller oder preis-     und mir eine sichere Reise wünschen. Und
     Weiterbildungsturnschuhe an und passen               werter oder überhaupt erst erbringen kön-        meinen Namen auf der Einstiegsleiste leuch-
     unser Lauftempo der Geschwindigkeit der              nen. Die Umarmung der IT-Möglichkeiten           ten lassen. Ich brauche Zuneigung in der
     technologischen ­Entwicklung an. Oder wir            macht uns ­innovativer und wettbewerbsre-        ­virtuellen Welt.
     warten auf den nächsten Bus und lassen uns           sistenter. Vorausgesetzt wir dämonisieren sie
     zum Ziel ­fahren. Gemeinsam mit vielen ande-         nicht, sondern beziehen sie in unsere Aufga-     N.B. Virginia Satir wirkte zuletzt in Palo Alto
     ren ÖV-Gästen, wobei der Weg nicht das Ziel          ben mit ein. Oder wir lassen uns gänzlich auf    in Kalifornien, wo grosse Tech-Unternehmen
     ist. Den Weg kann nämlich niemand im                 sie ein: als Schülerinnen der neuen Informa-     zuhause sind. Ist es ein Zufall oder war das
     ­Detail beschreiben. Und was passiert, wenn          tikmittelschule in Rapperswil, als Informatik-   Bedürfnis der dortigen Bevölkerung nach
      wir Fahrgäste am Ziel angekommen sind,              studierende in neuen Vertiefungen, als Stu-      Umarmungstherapie so gross?

4   HSR Magazin 2 / 2017
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INHALT
                                                                            10                                       12

                                        14                                  18

                                  38                                      40                                         20
FOKUS                                   THEMEN                                     AKTUELLES

10   Digitale Evolution an der HSR      30   Drucken, tüfteln, testen:             46   Pensionierung, Textilaltro, Agenda
                                             1 Jahr 3D-Lab an der HSR
12   Ein Drohnenteam als vielseitiger                                              47   News
     Ersthelfer                         32   Effizient, leicht, widerstandsfähig
                                                                                   48   Neue Professuren
14   Eine Software schützt              34   HSR Studentin hilft
     Flüsse und Seen                         Spitzensportlern aufs Podest          49   Impressum

16   Algorithmus bestimmt DNA schnell   36   «Mir gönd in Zoo»                     50   Sprungbrett
     und genau
                                        38   Mit UV-Licht aus LED-Lampen
18   HSR Absolventen digitalisieren          gegen Bakterien und Viren
     Baufirmen
                                        40   Videos werden zur Erfahrung
20   Hochwasserschutz aus dem                mit allen Sinnen
     3D-Drucker
                                        42   Der Sonne einen Schritt voraus
22   Weiterbildung für aktuelle
     IT-Kompetenz                       44   HSR arbeitet mit lokalem
                                             Tourismus zusammen
24   So funktionieren lernende
     Algorithmen

                                                                                                             HSR Magazin 2 / 2017   5
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Expertenwissen
    digital verschmelzen
                           Dieser Tage startete die Aufrichtephase unseres zweiten objekt zu produzieren. Bereits während des Aushubs
                           Studentenwohnheims in Rapperswil-Jona, unweit des kann die Produktion des Holzbaus in den Werkhallen be-
                           Campus. Während die Fundamentarbeiten nach minu­ ginnen. Die Maschinen werden vollautomatisch gesteuert
                           tiöser Planung acht Monate in                                                            – mit einer bisher nicht realisierba-
                           ­Anspruch nahmen, wird das Auf-            «DIGITALISIERUNG IST KEIN                     ren Präzision.
                            richten der zwei Obergeschosse                                                          Digitalisierung ist kein Buzzword
                                                                      BUZZWORD MEHR, SONDERN
                            15 Arbeitstage dauern. Beide Bau-                                                       mehr, sondern hat heute tief­
                            phasen setzen eine detaillierte           HAT HEUTE TIEFGREIFENDE REALE                 greifende reale Auswirkungen auf
                            Ausmessung des Geländes nach              AUSWIRKUNGEN AUF GANZE                        ganze Branchen. Die HSR be­
                            Bauplänen voraus und eine Über-           BRANCHEN. »                                   grüsste Anfang September rund
                            tragung der CAD-Daten in eine                                                           220 Unternehmerinnen und Un-
                            automatische Baumaschinensteu-                                                          ternehmer zur Digitalisierungskon-
                            erung. Der Bagger, der Kran und die Säge werden zwar ferenz und liess Praxisbeispiele für sich sprechen. U             ­ nser
                            von Menschen bedient, die Maschinen werden jedoch DigitalLab@HSR realisiert gemeinsam mit Unternehmen
                            durch Daten gesteuert, die der Geometer, die A         ­ r­
                                                                                      chi­
                                                                                         - Digitalisierungsmöglichkeiten – von Start-ups bis zu gros-
                            ­tektinnen und der Bauunternehmer zuvor berechnet und sen Konzernen – und hilft, den Paradigmenwechsel vor-
                             in digitaler Form konsolidiert haben. Alle P­ lanungsschritte anzutreiben.
                             werden in einem digitalen Datenplan zusammengefasst
    Prof. Dr.
    Margit Mönnecke          und exakt abgeglichen. Die Digitalisierung ermöglicht es, Informationstechnologie im Studium
    HSR Rektorin             an verschiedenen Standorten gleichzeitig für ein Bau­ Auch im Unterricht tragen wir dem Wandel durch die
                                                                                           ­Digitalisierung vorausschauend Rechnung. Unser Infor-
                                                                                            matikstudium ist sehr breit aufgestellt und auch alle
                                                                                            anderen Studiengänge beziehen die neuen Möglich­
                                                                                            ­
                                                                                            keiten der Informatik verstärkt in den Unterricht mit ein.
                                                                                            Bereits heute ist der Umgang mit Daten zentral, wenn es
                                                                                            um Auswertungsmethoden, Simulationen, Artificial
                                                                                            Intelligence oder Cyber Security geht. Auch unsere
                                                                                            ­
                                                                                            praxis­orientierte Forschung macht sich das Data Engi-
                                                                                            neering in seinen vielen Formen zunutze, um Menschen
                                                                                            zu helfen, zum Beispiel durch personalisierte Medizin
                                                                                            oder durch das frühzeitige Erkennen von Überschwem-
                                                                                            mungs- oder Murganggefahr. Unsere IT-Kompetenzen
                                                                                            geben wir in der Weiterbildung im Rahmen von Master-
                                                                                            und Zerti­fikatslehrgängen weiter. Die steigenden An-
                                                                                            meldungen in den IT-Lehrgängen belegen, dass sich
                                                                                            auch erfahrene Berufsleute den neuen Informatikmög-
                                                                                            lichkeiten stellen wollen und müssen.
                                                                                            Die HSR ist gut aufgestellt, das breite Spektrum der Infor-
                                                                                            matik sowohl im Unterricht wie in der angewandten
                                                                                            ­Forschung weiter zu geben und zu nutzen. Damit das
                                                                                             auch morgen und übermorgen der Fall ist, planen wir
                                                                                             weiteren Kompetenzausbau beispielsweise in den Be­
                                                                                             reichen Artificial Intelligence und angewandtes Data
                                                                                             ­Engineering.

6   HSR Magazin 2 / 2017
INFORMATIK-OFFENSIVE - icom.hsr.ch
BACHELORSTUDIENGÄNGE
                                                            AN DER HSR
                                                             Bauingenieurwesen
                                                             Elektrotechnik
                                                             Erneuerbare Energien und Umwelttechnik
                                                             Informatik
                                                             Landschaftsarchitektur
                                                             Maschinentechnik | Innovation
                                                             Raumplanung
                                                             Wirtschaftsingenieurwesen

                                                            > hsr.ch/bachelor

 PAIECIHKRE N
                                                    Bachelor-Infotag:
                                                    28. Oktober 2017
                                                    hsr.ch/ infotag
  S       E
ZUEK  UNSTFUTDIUM
MIT INEM
   AN DER             HSR.

DER MASTER
FÜR ANSPRUCHSVOLLE
INGENIEURINNEN UND
INGENIEURE
 Civil Engineering
 Energy and Environment
 Innovation in Products, Processes
  and Materials
 Plastics Technology
 Raumentwicklung
  und Landschaftsarchitektur
 Sensor, Actuator
  and Communication Systems
 Software and Systems

> hsr.ch/master                 Master-Infoabend:
                                24. Oktober 2017
                                hsr.ch/master
INFORMATIK-OFFENSIVE - icom.hsr.ch
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               namhaften Auftraggeber kommen aus dem Maschi-         forderungen
               nen-, Anlagen- und Apparatebau sowie der Medizin-,                                          Individuelle Weiterbildungen
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             Mitdenken. Mitarbeiten. Mitverantworten.

                                                                     80 Mitarbeitende | 6 Standorte    Festanstellung mit fortschrittlichen
                                                                                                               Anstellungsbedingungen
                                                                     Flache Hierarchie – Sie werden
             CH-9401 Rorschach, T: 071 - 858 21 81                   schnell zu einem treibenden Rad                   Zusatzleistungen
             www.EnDes.net/karriere                                  im Getriebe.                                  Dienstwagen oder GA

8   HSR Magazin 2 / 2017
INFORMATIK-OFFENSIVE - icom.hsr.ch
Alle sprechen zurzeit von der Digitalisierung – zu Recht, denn dieses
                  Phänomen ist grundlegend und gilt sogar als Leitmedienwechsel:
                  nach Sprache, Handschrift und Druck dominiert nun die digitale
                  Kommunikation. Sie erfasst die Gesellschaft ganzheitlich, in der
                  ökonomischen Wertschöpfung wie in der kulturellen Entfaltung.
                  Die Digitalisierung ist auch für die Bildung zentral.

Angewandte
Digitalisierung
                  Der Kanton St.Gallen hat gute Voraussetzungen, um den Eine grosse Chance gerade auch für die HSR ist das
                  digitalen Sprung zu meistern: dezentral-autonome ­Kompetenzzentrum für Angewandte Digitalisierung. Es
                  Strukturen, Arbeitswille und Qualitätsbewusstsein so- besteht aus einem Digitalen Campus und forciert den
                  wie Verständnis für die «Bildung                                              Wissens- und Technologie-Trans-
                  als Rohstoff». Auch bei uns sind                                              fer (WTT) zwischen Hochschulen
                                                         «IM ZENTRUM STEHEN
                  aber Anstrengungen nötig, um                                                  und Wirtschaft. Mit dem Digitalen
                  das Beste aus der Digi­ta­lisierung    BILDUNGSINVESTITIONEN FÜR              Campus kann unter anderem eine
                  herauszuholen. Der Kantonsrat          FACHKRÄFTE UND WIRTSCHAFT»             Forderung der Industrie- und
                  hat die Motion «IT-Bildungs­                                                  Handelskammer (IHK) erfüllt wer-
                  offensive» überwiesen. Ende Jahr                                              den: Nach deren ­    Erkenntnissen
Stefan Kölliker   unterbreitet ihm die Regierung die Vorlage für einen besteht im Raum Bodensee-St.Gallen-­Fürstenland eine
                  grossen Sonderkredit. Damit werden Efforts für digitale ungedeckte Nachfrage nach Informatik-Kadern.
                  Quantensprünge auf allen Schulstufen finanziert. Im
                  Zentrum stehen Bildungsinvestitionen für Fachkräfte Alleinstellungsmerkmal festigen
                  und Wirtschaft. Nicht ausser Acht gelassen werden dür- Solche werden an der HSR ausgebildet. Die Lösung: Die
                  fen aber auch Aktivitäten im Schulunterricht zur Förde- HSR baut mithilfe der IT-Bildungsoffensive ihren Infor-
                  rung des «Computational Thinking».                      matik-Studiengang – für den wir im August 2017 den Zu-
                                                                          bringer der technischen Informatikmittelschule (IMS-T)
                                                                          in Rapperswil eröffnet haben – auch für Studierende im
                    GEPLANT SIND VIER SCHWERPUNKTE                        Raum St.Gallen auf. Damit festigt sie ein Alleinstellungs-
                    n Pilotschulen für digitale Unterrichtsformen mit
                                                                          merkmal und wird zum Musterbeispiel für die Stärkung
                       Lead der Pädagogischen Hochschule St.Gallen        aller Schulstandorte in der neuen Fachhochschule im
                    n Forschungs- und Lehrschwerpunkt in Informatik
                                                                          Kanton St.Gallen!
                       und Management an der Universität St.Gallen          Stefan Kölliker, Regierungsrat und Vorsteher des
                   n   Kompetenzzentrum für Angewandte Digitalisie-         Bildungsdepartementes des Kantons St.Gallen
                       rung für die Fachhochschulen
                   n   Vernetzungsplattform für Praktika von Studieren-
                       den in Wirtschaftsbetrieben sowie MINT-Förder-
                       programme für Schülerinnen und Schüler

                                                                                                                   HSR Magazin 2 / 2017   9
INFORMATIK-OFFENSIVE - icom.hsr.ch
Digitalisierung ist das Schlagwort der Stunde. Doch sie kann nicht
                            nur herbeigeredet werden. Für ihre Umsetzung braucht es fundiert
                            ausgebildete IT-Fachleute auf verschiedenen Stufen. Ausgebildete
                            Informatiker, praxisorientierte Informatik-Ingenieurinnen und eine
                            anwendungsorientierte Informatik-Forschung. Im Fahrwasser der
                            ­IT-Bildungsoffensive des Kantons St. Gallen stellt sich die HSR in der
                             Informatik in vier Kernbereichen mit verstärkten Ressourcen auf.

     Digitale Evolution
     an der HSR
                              HSR IT-Profis lehren an der Informatikmittelschule in Rapperswil-Jona

                              Der Kanton St. Gallen will den Fachkräftemangel      Informatikstudium an einer Fachhochschule wie zum
                              in der Informatik mit der Informatikmittelschule     Beispiel der HSR oder für den ­Berufseinstieg als aus-
                              (IMS-T) eindämmen. Die Schule ist mit der Kombina-   gebildete Informatiker.
                              tion des Berufsabschlusses als Informatikerin oder   Das ist i­nsofern wichtig, als die Nachfrage nach In-
                              Informatiker und Berufsmaturität TALS schweizweit    formatik-Ausbildungsplätzen weit höher liegt als das
                              ein Novum. Der ­Abschluss befähigt direkt für ein    Angebot in der Wirtschaft besteht – dem gegenüber
                                                                                   steht ein hoher Bedarf an ausgebildeten Informatike-
                                                                                   rinnen und Informatikern.
                                                                                   Mit dem Abschluss an der Informatikmittelschule wer-
                                                                                   den künftig mehr junge Menschen Zugang zu einer
                                                                                   Informatikausbildung haben und so den Informatik-
                                                                                   Fachkräftemangel dämpfen können.
                                                                                   Die HSR unterstützt die Informatikmittelschule mit
                                                                                   wissenschaftlichen Mitarbeitenden. Sie werden im
                                                                                   Teilzeitpensum ihr Informatik-Know-how an die Ler-
                                                                                   nenden weitergeben.  (MEW)

                                                                                                                     markus.stolze@hsr.ch

10   HSR Magazin 2 / 2017
HSR Studierende behalten mit Data Science die Übersicht im Datenberg

           Daten werden heute überall gesammelt: von         bilder bewerten, wenn eine Maschine schnellere und
             Smartphones, von Produktionsstrassen in         zuverlässigere Diagnosen stellen kann? Oder wieso
              Industriebetrieben, von Websites und On-       sollten Menschen verdächtige Kreditkarten-Buchungen
               lineshops, von Navigationssystemen, von       prüfen, wenn Computer mit Zugriff auf Millionen täg-
                Sensornetzwerken oder von Kameras. Diese     liche Transaktionen die Hinweise auf Betrug viel besser
                oft als Big Data bezeichneten Datenberge     erkennen können?
               auszuwerten und nützliche Erkenntnisse,       Damit Know-how wie dieses seinen Weg in die Wirt-
              Prozessverbesserungen oder Handlungs-          schaft findet, bietet der Studiengang Informatik eine
             empfehlungen daraus abzuleiten ist deshalb      eigene Vertiefung in Data Engineering & Machine Intel-
            zu einer eigenen Disziplin in der ­Informatik    ligence für die angehenden Informatik-Ingenieurinnen
          ­herangewachsen: Data Science. An der HSR          und -Ingenieure an. Mit den Data-Science-Modulen
          beschäftigen sich fast alle der 16 Institute in    Deep Learning, Statistical ­Machine Learning, Parallel-
        der angewandten Forschung und Entwicklung            rechnen und Data Engineering bringen drei renom-
        mit diesem Thema, denn kaum ein Fachbereich          mierte Professoren ihr Praxiswissen aus der Forschung
      kann es sich leisten, den Wettbewerbsvorteil einer     in den Studiengang Informatik an der HSR ein. Ein
professionellen Datenwissenschaft nicht zu nutzen.           Brückenmodul der HSR Mathematiker stellt zudem
Betrugsprävention für Kreditkarten, Predictive Mainte-       sicher, dass die Studierenden mit dem nötigen mathe-
nance, energieeffiziente Routenplanung und diagnos-          matischen Wissen ausgestattet werden, um die kom-
tische Bilderkennung, DNA-Analysen für personalisierte       plexen Auswertungsmethoden anwenden zu können.
Medizin – die Anwendungsfelder für Data Science              Data Science ist nämlich weit mehr als nur Informatik,
sind weitläufig und haben das Potenzial, ganze Be-           sie verschmilzt Expertenwissen unter anderem aus den
rufszweige nachhaltig zu verändern. Zwei Beispiele:          Bereichen Signalverarbeitung, Mathematik und Infor-
Warum sollte ein Arzt jeden Tag Hunderte Röntgen-            matik.  (MEW)

        Cybersicherheit als wichtiger Bestandteil des Informatikstudiums

           Cybersicherheit ist derzeit in aller Munde. Das   und bietet folgende Module an: Netzwerk­sicherheit,
            Schweizer Militär investiert in Cyber Defence,   ­Internetsicherheit, Applikationen im Internet, Cloud-
             Firmen heuern Sicherheitsspezialisten an,        Infrastrukturen und Kryptografie. Durch eine zielge-
              selbst Privatleute verschlüsseln immer kon-     richtete Rekrutierung neuer Dozierender und mithilfe
               sequenter ihre Kommunikation. Nach Viren-      der Professorenschaft ist es dem Studiengang ein Anlie-
                attacken wie WannaCry, Hacker­angriffen       gen, aktuelles Cybersicherheits-Know-how auf hohem
                auf Industriebetriebe wie die Ruag,           Niveau zu vermitteln. Mit zwei auf die Blockchain-Tech-
               Wahlmanipulationen sowie militärischen         nologie fokussierten Professuren und ­erfahrenen ex-
              Hackerangriffen und weltweit steigenden         ternen Dozierenden wie beispielsweise Ivan Bütler von
             staatlichen Überwachungstendenzen ist            der renommierten IT-Sicherheitsfirma Compass Security
            das kein Wunder. Der Bedarf an Fachleuten         nimmt die Cyber Security einen wichtigen Platz in der
           für Cyber Security steigt. Die HSR engagiert       Informatikausbildung an der HSR ein.  (MEW)
sich seit Längerem in der Cyber-Security-Thematik

DigitalLab@HSR digitalisiert die Schweizer Wirtschaft

Das Interesse an der Digitalisierung ist in der Schwei-      des IT-Konzerns Cognizant engagiert. So wird sicherge-
zer Wirtschaft riesig. Immer mehr Unternehmen in-            stellt, dass gute Ideen nicht nur erzeugt, sondern auch
       vestieren in digitalisierte oder teildigitalisiere    auf den Weg gebracht werden, um einen konkreten,
        Prozesse, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu            nachhaltigen Mehrwert zu liefern. Dafür setzt das
         erhalten oder Wettbewerbsvorteile zu erlan-         DigitalLab@HSR auf eine selbst entwickelte Methode,
          gen. Deshalb hat die HSR im Juni 2016 das          die die Prinzipien von «digitalem Denken» mit Mecha-
           DigitalLab@HSR eröffnet. Digitalisierungs-        nismen zur industriellen Skalierung und multidiszipli-
             willige Firmen können so auf die gebün-         närem Know-how kombiniert. Seit der Eröffnung im
              delten ­On-Demand-Kompetenzen aus              Juni 2016 konnte das DigitalLab@HSR mehrere KMU
              den Bereichen Technologie, Prozesse und        und börsenkotierte Unternehmen bei der Digitalisie-
             Change-Management zurückgreifen. Denn           rung in unterschiedlichen Phasen begleiten.  (MEW)
            im DigitalLab@HSR sind mehr als 20 Fach-
          leute der HSR, der Universität St. Gallen und      Weitere Informationen auf www.digitallabathsr.ch.

                                                                                                     HSR Magazin 2 / 2017   11
Unbemannte Drohnen können in Gebieten operieren, die für
                            ­Menschen zu gefährlich sind. Den Praxisbeweis dafür hat das Team
                             «HSR Search and Rescue» des ILT Institut für Laborautomation und
                             Mechatronik in der Notfall-Disziplin der European Robotics League
                             angetreten. In einem Katastrophengebiet galt es, mit einer multi-
                             funktionalen Flugdrohne vermisste Menschen zu finden. Die Drohne
                             wurde mit dem Forschungspartner armasuisse W+T entwickelt.

     Ein Drohnenteam
     als vielseitiger Ersthelfer
                            Ein Erdbeben verwüstet eine Küstenregion, in der ein          Tablet oder wahlweise auch per Funkfernbedienung. Die
                            Atomkraftwerk steht. Kurz darauf trifft ein Tsunami das       gesamte Drohnensoftware basiert auf Open-Source-­
                            Kraftwerk, in dem gerade noch die Evakuierung läuft.          Lösungen und ist grösstenteils durch die Informatiker
                            Mehrere Arbeiter werden vermisst. Es gibt wahrschein-         des HSR Instituts für Software entwickelt worden. «Wir
                            lich Lecks in diversen Pipelines, aus denen radioaktives      haben in der Zusammenarbeit zwischen ILT und IFS ein
                            Material austritt. Einige davon führen direkt ins Meer. Für   perfektes Beispiel für Interdisziplinarität an der HSR ge-
                            Menschen wäre es zu gefährlich, dieses mutmasslich            sehen. Die räumliche Nähe im HSR Forschungszentrum
                            stark verstrahlte Gebiet zu betreten. Deshalb treffen         hat einen flexiblen Austausch der Entwickler jederzeit
                            Notfall-Teams mit Luft-, Boden- und Unterwasser-Droh-         möglich gemacht», sagt der Projektverantwortliche Prof.
                            nen ein. Sie sollen die Lage aufklären, müssen vermisste      Dr. Christian Bermes.
                            Personen finden und retten sowie radioaktive Lecks ent-
                            decken und so schnell wie möglich schliessen.                 Drei Teams, drei Drohnen, eine Mission
                            Was im ersten Moment nach einer futuristischen Version        Bei der European Robotics League ist das HSR Team zu-
                            des Kraftwerksunglücks von Fukushima 2011 klingt, ist         sammen mit Teams der Fachhochschule Kiel und der
                            die Missionsbeschreibung der Emergency Grand Chal-            Fachhochschule Luzern in der Notfall-Dis­ziplin angetre-
                            lenge 2017, die im Rahmen der European Robotics               ten. Kiel steuerte eine Unterwasser-Drohne bei, die Lu-
                            League (ERL) in Piombino in Italien veranstaltet wurde.       zerner brachten ihre Boden-Drohne mit. Um im Wett-
                            Ende September nahm ein Team der HSR mit einer unbe-          kampf alle Aufgaben erfüllen zu können, mussten die
                            mannten Flugdrohne daran teil.                                drei Teams zusammenarbeiten. Drei Aufgaben mussten
                                                                                          kooperativ bewältigt werden: 1. Vermisste Arbeiter des
                             3D-Karten und fliegende Notfallkoffer                        Atomkraftwerks finden; 2. Die Lage im Erdbebengebiet
                             Eine fliegende Drohne bewegt sich mit ihren sechs Roto-      um das Atomkraftwerk aufklären, aktuelle Kartendaten
                             ren blitzschnell von einem Punkt zum nächsten. Sie filmt     erstellen und mit anderen Drohnen teilen; 3. Pipelines in-
                             die Umgebung und verwandelt die Kameradaten in               spizieren sowie mögliche Lecks finden und stopfen.
                             Echtzeit in eine aktuelle 3D-Karte der Umgebung. Sie         Um die Missionen zu bewältigen, mussten die drei Teams
                             teilt die Informationen mit anderen Drohnen, die im          die Stärken ihrer jeweiligen Drohnen kooperativ nutzen.
                             Wasser oder an Land operieren. Wird eine verletzte Per-      Deshalb setzt die HSR Drohnensteuerung auf das Teilen
                             son entdeckt, kann sie sogar einen rund ein Kilogramm        von Informationen. Mit der Flugdrohne war das HSR
                             schweren Notfallkoffer aufnehmen und der verletzten          Team am schnellsten unterwegs und konnte die Lage aus
                            ­Person bringen.                                              der Luft schnell einschätzen sowie umfassende Karten-
                             Die drei HSR Ingenieure des ILT Instituts für Laborauto-     daten für die anderen Teams bereitstellen.
                             mation und Mechatronik sind mit einem schlanken              Per Tablet lassen sich Informationen mit den anderen
                             ­Steuerungs-Setup angetreten, das auch in schwierigem        Teams teilen – ein Druck aufs Display und die Kieler und
                              Gelände schnell per Stativ aufgestellt werden kann. Ge-     Luzerner sahen auf ihren Karten, wo vermisste Personen
                              steuert wird die Drohne per Touch-Steuerung auf einem       liegen oder wo radioaktive Lecks zu stopfen sind.

12   HSR Magazin 2 / 2017
Zivil nutzbares Entwicklungsprojekt                         weniger intensiv geschulte Soldaten Mini-Drohnen si-
Zwei Preise konnte das HSR Team an der ERL gewinnen.        cher steuern können müssen. Deshalb forscht das HSR
In der Disziplin Luft-See reichte es zusammen mit der Un-   Team an einem Mensch-Maschine-Interface, welches
terwasser-Drohne der Fachhochschule Kiel für den drit-      eine sichere und effiziente Bedienung der Kamera-Droh-
ten Platz. Viel wichtiger für das HSR Team war jedoch der   nen mit minimaler Ausbildung der Piloten sowie unter
«Stehaufmännchen-Preis», wie ihn Projektingenieur           widrigen Feldbedingungen zulässt. Der HSR Projektleiter
Sergio Miracco nennt – der «Preseverance Award». Denn       Simon Göldi ist Offizier in der Infanterie und kennt die
der ERL-Wettkampf war gleichzeitig der erste Praxistext     ­militärischen Herausforderungen aus eigener Erfahrung:
für die HSR Drohnensteuerung, die im Rahmen eines            «Der Preseverance Award wurde dafür verliehen, dass
Forschungsprojekts für armasuisse W+T entwickelt wird.       unser Setup während 10 Tagen im Einsatz durch seinen
Das Milizsystem der Schweiz bringt es mit sich, dass auch    modularen Aufbau und die hohe Adaptionsfähigkeit
                                                             einsatzfähig blieb und auch nach Beschädigungen
                                                             schnell wieder in der Luft war.»
                                                             Die Drohnensteuerung besteht aus Tablet, Augmented-
                                                             Reality-Headset sowie einem Controller. Per Controller
                                                             wird die Drohne gesteuert, auf dem Tablet können je
                                                             nach Lagekontext nützliche Funktionen gewählt werden
                                                             und per AR-Headset erhalten der Pilot sowie alle weite-
                                                             ren mit einer AR-Brille ausgerüsteten Soldaten E­ insicht in
                                                             die aktuellen Drohnendaten. Diese Fähigkeiten sollen im
                                                             Sommer 2018 gemeinsam mit der Hochschule Luzern
                                                             und der ETH Zürich in der Schweiz vorgestellt werden.
                                                            (MEW)
                                                            christian.bermes@hsr.ch

                                                            Die Drohne wird primär über ein Touch-Interface sowie Live-Ka-
                                                            merabilder gesteuert (Bild links) – wichtige Informationen kön-
                                                            nen mit Ortsangabe (POI) eingefügt werden. Das Setup ist sehr
                                                            leicht transportierbar (Bild unten) und besteht aus dem Stativ mit
                                                            der Steuerungs-Hardware sowie zwei baugleichen Flugdrohnen.

                                                                                                          HSR Magazin 2 / 2017   13
Bei starken Regenfällen sind Abwasserreinigungsanlagen teils mit
                            den Wassermassen überfordert. Ein Teil des Abwassers gelangt dann
                            ungeklärt in die Umwelt. Die HSR hat zusammen mit Partnern aus
                            Forschung und Industrie ein Regelungssystem entwickelt, das
                            Schweizer Flüsse und Seen mit der vorhandenen Infrastruktur durch
                            intelligente Software-Steuerung besser schützt.

     Eine Software schützt
     Flüsse und Seen
                            Die Abwasserreinigungsanlagen (ARA) in der Schweiz            hand der Vorgaben des Betreibers, wie viel Wasser in die
                            sind darauf ausgelegt, das bei trockenem Wetter anfal-        Regenbecken der ARA weitergeleitet werden soll. Wenn
                            lende Abwasser zu behandeln. Bei mittlerem Regen fällt        ein Regenbecken mit einem dynamischen Abflussregler
                            jedoch so viel Regenwasser aus umliegenden Siedlungen         ausgestattet ist, passt INKA die Weiterleitmengen in
                            an, dass es die ARA teils überlastet. Der Grund dafür ist,    Echtzeit automatisch an sich verändernde Bedingungen
                            dass ARAs für einen wirtschaftlichen Betrieb nicht auf die    an. Der Betreiber hat darüber auf Wunsch jederzeit die
                            seltenen starken Regenfälle ausgelegt werden können.          finale Kontrolle. Das Resultat: Weniger ungeklärtes
                                                                                          ­
                            Deshalb wird der Wasserüberschuss in sogenannten Re-          ­Abwasser und Schmutzstoffe in Flüssen und Seen und
                            genbecken zwischengespeichert und später zur ARA               verbesserter Gewässerschutz – ohne teure Investitionen
                            weitergeleitet. Wenn die Speicherkapazität der Regen-          in neue Betonbecken.
                            becken überschritten wird, gelangt das unbehandelte
                            Schmutzwasser direkt ins Gewässer. Um das Risiko sol-         Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen
                            cher Entlastungen zu minimieren, haben die Gemeinden          Das INKA-System kann nicht nur den aktuellen Zustand
                            viel Geld in Speicherbecken investiert, welche vor allem in   optimieren, sondern auch Einsicht in die grundlegende
                            den 1970er und 1980er Jahren erbaut wurden. Oft wur-          Funktionsweise des Abwassersystems liefern und so
                            den diese nicht mit Mess- und Regeltechnik ausgestattet,      ­Verbesserungspotenzial aufzeigen. Mit aufgezeichneten
                            weil es früher sehr aufwändig und teuer war, die oft ent-      Messdaten von vergangenen Regenereignissen lassen
                            legenen Becken mit Strom zu versorgen und aus der              sich statistische Auswertungen erstellen und die komple-
                            Ferne zu überwachen.                                           xen Zusammenhänge in den Kanalnetzen visualisieren.
                            Mit der weiten Verbreitung der mobilen Kommunikation           Damit Schwächen im Kanalnetz gezielt erkannt werden
                            sind auch die Überwachung und die Funktionsweise der           können, lässt sich jedes Abwassersystem modular nach-
                            Regenbecken in den Fokus gerückt. Zusätzlich ist be-           bauen und mit historischen Messdaten verknüpfen. Ent-
                            kannt geworden, dass bei Speicherbecken, die ein wich-         wickelt wurde INKA zusammen mit Eawag, Unimon, Ste-
                            tiges Element im Gewässerschutz darstellen, die vorhan-        batec, Hunziker Betatech und dem UMTEC Institut für
                            dene Speicherkapazität nicht voll genutzt wird.                Umwelt- und Verfahrenstechnik der HSR. Finanziert
                                                                                           wurde das Projekt vom Bundesamt für Umwelt und den
                            INKA versorgt die ARAs intelligent und                         Projektpartnern. Angehenden Ingenieurinnenn und In-
                            automatisch                                                    genieuren des HSR Studiengangs «Erneuerbare Energien
                            Das neue INKA-Regelungssystem verspricht, diese teuer          und Umwelttechnik» steht das Wissen aus diesem Pro-
                            erkaufte Speicherkapazität besser auszunutzen. Das             jekt und vielen weiteren aus der ­    angewandten For-
                            ­System bekommt aktuelle Sensor-Messdaten aus den              schung und Entwicklung der HSR zur Verfügung.
                             Speicherbecken sowie weitere Information über die                (MEW)
                             ARA, das Kanalnetz und die Wetterlage. Damit berech-                                      michael.burkhardt@hsr.ch
                             net INKA die aktuelle, optimale Nutzung der verfügbaren
                             Speicher- und ARA-Leistung. Das System beurteilt an-

14   HSR Magazin 2 / 2017
Bild oben: Bei starken
Regenfällen gelangen
teilweise ungeklärte
Abwässer in Flüsse und
Seen.

Bild rechts: In Kombi­
nation mit solchen
pneumatischen Ab-
flussreglern kann das
INKA-System durch in-
telligente Steuerung
die Gefahr minimieren,
dass ungeklärte Ab-
wässer in die Umwelt
gelangen.

                         HSR Magazin 2 / 2017   15
Ein Krebs-Tumor verrät durch sein Erbgut (DNA), welche Medika-
                            mente am besten gegen ihn helfen – wenn die DNA schnell und
                            ­exakt bestimmt werden kann. An der HSR wurde ein Verfahren
                             ­entwickelt, das die menschliche DNA schneller und genauer bestim-
                              men kann als alle aktuellen Lösungen weltweit. Fünf Patente w  ­ urden
                              darauf angemeldet. Der HSR Basecaller ist ein grosser Schritt in die
                              Zukunft der personalisierten Medizin.

     Algorithmus bestimmt
     DNA schnell und genau
                            Die Medizin wird derzeit revolutioniert. Die Begriffe      mit dieses Vorgehen auch für die Behandlung anderer
                            «­Präzisionsmedizin» und «personalisierte Medizin» sa-     Krankheiten üblich wird, muss die Analyse der menschli-
                            gen ­bereits, wohin die Reise gehen soll. Heute gibt es    chen DNA exakter, schneller und damit kostengünstiger
                            ­Me­dikamente gegen bestimmte Krankheiten. Künftig         werden. An der HSR wurde von Prof. Dr. Guido Schuster
                             soll es personalisierte Medikamente für jeden Patienten   ein Verfahren entwickelt, das die Grundbausteine der
                             für jedes Krankheitsbild geben – basierend auf der Ana-   menschlichen DNA schneller und genauer bestimmen
                             lyse der menschlichen DNA.                                kann als alle anderen Lösungen, die es weltweit bisher
                             In der Krebsmedizin werden heute bereits teilweise        gibt. Bestätigt wurde das unter anderem vom Broad Ins-
                             DNA-Analysen für eine individuelle und damit wirksa-      titute vom Massachusetts Institute of Technology und
                             mere Bekämpfung von Krebs-Tumoren eingesetzt. Da-         Harvard in Boston, USA.

                                                                                       So sieht DNA mit ihren vier paarweise angeordneten
                                                                                       Basen im Detail aus. Beim Menschen besteht die DNA
                                                                                       aus rund 3,27 Milliarden Basenpaaren.

16   HSR Magazin 2 / 2017
Adenin                                 Thymin                                 Guanin                              Cytosin

Nach 10 Lesezyklen         Die vier Bausteine des Lebens                                   Erkennung der richtigen Base visuell kaum mehr möglich
(Reihe oben) lässt sich    Geschwindigkeit und Präzision sind bei der DNA-Ana-             (siehe Bildvergleich). Das menschliche Auge hätte keine
die dominante (hellste)
Base noch mit blossem      lyse die wichtigsten Faktoren. Für eine komplette Se-           Chance mehr und für einen Computer wird es ebenfalls
Auge erkennen. Nach        quenzierung eines Menschen müssen rund 3,2 Milliar-             sehr schwierig.
100 Lese­zyklen (Reihe     den Basenpaare bestimmt werden – das sogenannte
unten) ist das für einen
Menschen nicht mehr        Basecalling. Denn die DNA besteht aus vier Bausteinen,          Der Computer bringt sich die Analyse selbst bei
möglich.                   den Nukleotiden. Jedes Nukleotid besteht aus Zucker,            Trotzdem haben Prof. Dr. Guido Schuster und sein Team
                           Phosphat und einer von vier verschiedenen Basen: Ade-           eine Lösung gefunden. Dafür haben sie auf Unsuper-
                           nin, Thymin, Guanin und Cytosin. Für die Vision der             vised Machine Learning gesetzt – ein Verfahren, bei dem
                           ­personalisierten Medizin ist es nötig, den Grossteil der       sich ein selbstlernender Algorithmus schrittweise selbst
                            relevanten Basenpaare fehlerfrei und schnell zu bestim-        trainiert. Weil jeder Zyklus dem vorhergehenden bioche-
                            men. Der Teufel steckt hierbei im Detail. Denn die Ana-        misch sehr ähnlich ist, kann das HSR Verfahren zuverläs-
                            lyse basiert auf einem Bildanalyse-Verfahren, das jeweils      sig den nächsten Zyklus prognostizieren. Ausgehend
                            die dominante (hellste) Base erkennen und korrekt zu-          vom ersten Lesezyklus nutzt der Algorithmus also das
                            ordnen muss. Das Problem dabei: Wenigstens 100 Lese-           Konzept des iterativen (schrittweisen) Lernens und ent-
                            zyklen sind für eine medizinisch verwendbare Analyse           wickelt so eine bisher unerreichte Genauigkeit.   (MEW)
                            nötig, jedoch ist bereits nach 20 bis 40 Zyklen die visuelle                                   guido.schuster@hsr.ch

                                                                                                        FUTUR-PREIS
                                                                                                        FÜR HSR BASECALLER
                                                                                                        Der HSR Basecaller wurde Anfang Mai
                                                                                                        2017 mit dem Hauptpreis der Stiftung
                                                                                                        zur Förderung und Unterstützung tech-
                                                                                                        nologieorientierter Unternehmungen
                                                                                                        Rapperswil (kurz: Stiftung FUTUR)
                                                                                                        ausgezeichnet. Der Preis ist mit 10 000
                                                                                                        Franken dotiert und wird jährlich für
                                                                                                        wissenschaftliche Innovationen mit
Prof. Dr. Guido Schuster
erhält den FUTUR-Preis                                                                                  ­gesellschaftlicher Relevanz vergeben.
für den HSR Basecaller.

                                                                                                                                  HSR Magazin 2 / 2017   17
In der Rapperswiler Altstadt arbeitet ein Informatik-Start-up,
                              das aus fünf HSR Absolventen besteht. Die jungen Software-
                              Ingenieure entwickeln die digitale Vernetzung der Schweizer
                              Baubranche. Mit ihrer Software wollen sie die Abläufe auf Bau-
                              stellen ­effizienter und planbarer organisieren. Sie sehen ihre
                              Lösung als Instrument, um den Preisdruck in der Baubranche in
                              produktive Bahnen zu lenken.

     HSR Absolventen
     digitalisieren Baufirmen
                              Moderne Baustellen werden immer komplexer. Egal ob         Nicht wieder auffindbare Informationen, unerledigte
                              Wohnhaus oder Produktionshalle – nicht selten sind 50      Aufgaben und die Unmenge an Mails im Posteingang
                              oder mehr Unternehmen beteiligt. Von der Funda-            lassen die beteiligten Mitarbeiter häufig ohne Über-
                              mentlegung über die Haustechnikinstallation bis zur        blick vor einem Berg Arbeit stehen. Das kostet Zeit und
                              energieeffizienten Selbstversorgung mittels Solaran-       Geld und ist in der Baubranche ein bekanntes Problem.
                              lage und Wärmedämmung ist eine Baustelle heute ein         Deshalb hat der HSR Maschinentechnik-Absolvent
                              Ameisenhaufen voller Spezialisten.                         ­Büsser zusammen mit Sandor Balogh und Georgios
                              Das Software-Start-up BBC Systems AG in Rapperswil-         ­Chaitidis, beide aus der Baubranche, BBC Systems ge-
     Das Team von BBC         Jona hat evaluiert, wie effizient Baustellen heute orga-     gründet. Balogn und Chaitidis, beide Architekten,
     Systems besteht aus      nisiert sind. «Bei grösseren Bauprojekten werden teils       bringen das Know-how zu den Prozessen in der Bau-
     diesen fünf HSR Absol-   mehr als 50 000 Mails mit viel Text, unzähligen Bildern,     branche, Büsser bildet die Schnittstelle zur techni-
     venten sowie zwei
     Mitgründern aus der      PDFs, Plänen, Word- und Exceldateien zwischen allen          schen Entwicklung. Dieses Praxiswissen bringt die
     Baubranche.              Akteuren versendet», sagt Mitgründer Silvio Büsser.          Firma mit den Fähigkeiten von vier direkt von der HSR
                                                                                           rekrutierten Informatik-Absolventen zusammen. Zu-
                                                                                           sammen entwickeln sie derzeit eine Software, die es
                                                                                           Bauherren, Planern, Ämtern und Unternehmern leich-
                                                                                           ter machen soll, den Überblick und die Planungshoheit
                                                                                           über ihre Baustellen zu behalten und gleichzeitig Miss-
                                                                                           verständnisse unter den Unternehmen zu vermeiden.
                                                                                           Im Januar 2018 soll die Smino genannte Lösung auf
                                                                                           der schweizweit grössten Baumesse Swissbau präsen-
                                                                                           tiert werden.

                                                                                          Digitalisierung hat die Branche wachgerüttelt
                                                                                          Büsser schätzt den Zeitpunkt für eine neue Lösung als
                                                                                          günstig ein: «Das Aufkommen der digitalen Bauwerks-
                                                                                          datenmodellierung (BIM) sowie die Digitalisierung von
                                                                                          Baustellen im Ausland hat die Baubranche aufge-
                                                                                          scheucht. Im Fahrwasser dieser Entwicklung suchen
                                                                                          viele Baufirmen derzeit nach effizienten, digitalen
                                                                                         ­Lösungen.»
                                                                                          Eine solche Lösung will BBC Systems mit der Software
                                                                                          Smino anbieten. Die Software ist eine cloudbasierte
                                                                                          Web-Applikation, mit der die gesamte Kommunika-
                                                                                          tion und Planung einer Baustelle zentral koordiniert

18   HSR Magazin 2 / 2017
HEUTE                                                                      MORGEN
                           ohne Smino                                                                    mit Smino

Ineffiziente Prozesse       werden kann. «Bauleitungen sind heute fast nur am            Nähe zur HSR wichtig
(links) sind bei Bau­       Reagieren, also mit administrativen Aufgaben oder Ab-        «Es gibt viele Ansätze aus der Baubranche, aber bisher
projekten ein grosses
Problem. Mit der neuen      klärungen bei Kommunikationsproblemen beschäf-               war die Software-Branche relativ innovationsscheu –
Software soll die Ab-       tigt», sagt Büsser. Mit Smino sollen sie wieder agieren      die Wünsche des Bausektors haben sich bisher nicht in
stimmung aller Akteure      und proaktiv steuern können.                                 ­Lösungen manifestiert», erklärt Büsser. Er rechnet des-
bei einem Bauprojekt
zentral (rechts) gesteu-                                                                 halb damit, dass Smino nach der Präsentation an der
ert und überwacht           Baustellen zentral organisieren und steuern                  Swissbau-Messe einige Aufmerksamkeit erhält. Nicht
­werden können.             Das will die Software über eine zentrale, projekt­           zuletzt deshalb hat BBC Systems seinen Sitz in der Rap-
                            basierte Organisation erreichen. Alle Firmen mit allen       perswiler Altstadt, keine fünf Minuten vom Campus
                            Mitarbeitern, die an einer Baustelle beteiligt sind, wer-    der HSR entfernt. «Wir rechnen mit einem erhöhten
                            den darin erfasst. Bei Bedarf können sie auch entfernt       Personalbedarf nach der Lancierung unserer Software,
                            oder neue hinzugefügt und mit Projektaufgaben ver-           und erhalten deshalb unsere guten Kontakte zur HSR»,
                            knüpft werden. Ebenso haben alle Beteiligten immer           sagt Büsser.
                            Zugriff auf die aktuellen Baupläne, Arbeitspro­tokolle       Ein schneller Zugriff auf gut ausgebildete Informatik-
                            und Material­bestellungen. Auch für grobe Probleme           Ingenieurinnen und Ingenieure ist ein wichtiger Er-
                            wie etwa eine Pleite gegangene, am Projekt beteiligte        folgsfaktor für das junge Start-up. Neben gut ausgebil-
                            Firma, hat Smino eine Lösung: Geht ein Unternehmen           deten Arbeitskräften erhofft sich BBC Systems von der
                            Konkurs, können sämtliche offenen Aufgaben direkt            Nähe zur HSR auch eine vertiefte Zusammenarbeit
                            an ein neu erfasstes Unternehmen übergeben werden            über Studien- und Bachelorarbeiten. «Davon profitiert
                            – inklusive der vollständigen Dokumentation aller bis-       der Studiengang Informatik genauso wie wir», erklärt
                            her geleisteten ­Arbeiten.                                   Büsser. Während die derzeit an der HSR studierenden
                            «Die Idee hinter Smino ist, dass alle an einem Baupro-       Informatikerinnen und Informatiker attraktive, praxis-
                            jekt beteiligten Akteure jederzeit die Kontrolle und die     bezogene Aufgabenstellungen für Studien- und Ba-
                            Übersicht über die Abläufe auf der Baustelle behal-          chelorarbeiten erhalten, kann das junge Start-up Teile
                            ten», erklärt Büsser: «Jeder sieht jederzeit alle relevan-   der Weiterentwicklung seiner Software so vorantrei-
                            ten Daten.» Über ein Berechtigungssystem wird sicher-        ben.
                            gestellt, dass übergeordnete Planungsinstrumente wie         Im Januar 2018, wenn Smino der Baubranche vor­
                            die Baupläne oder Dokumente wie Arbeitseinteilun-            gestellt wird, wird sich zeigen, ob der Optimismus der
                            gen und Zeitpläne beispielsweise nur vom Architekten         jungen Unternehmer auf fruchtbaren Boden fällt.
                            oder der Bauleitung editiert werden können. Ausser-              (MEW)
                            dem wird die komplette Dokumentation der Baustelle                                  silvio.buesser@bbc-systems.ch
                            inklusive aller garantierelevanten Daten für die Bau-
                            herrschaft automatisch im Verlauf der Bauarbeiten
                            ­generiert. Eine aufwändige Abschluss-Dokumentation
                             entfällt.

                                                                                                                                HSR Magazin 2 / 2017   19
Eine Talsperre bricht, Wassermassen rasen innerhalb weniger Sekun-
                                 den durch eine Schlucht in Richtung Bahnschienen und Strassen.
                                 Reicht der Abflusskanal, um das Wasser zu zähmen? Solche Fragen
                                 können an der HSR im Wasserbau-Labor künftig dank 3D-Druck noch
                                 genauer, schneller und günstiger als bisher beantwortet werden.

     Hochwasserschutz
     aus dem 3D-Drucker
                                 Die Kanten, Spalten und Windungen wirken, als wären        Schlucht schlagartig öffnet und so einen Bruch der
                                 sie echt. Eine in der Realität meterhohe, verschlungene    Sperre simuliert, fliessen innerhalb von wenigen Sekun-
                                 Schweizer Schlucht steht im Wasserbau-Labor des IBU        den Zigtausende (simulierte) Kubikmeter Wasser durch
                                 Institut für Bau und Umwelt an der HSR. Nur ist sie hier   die Plastik-Schlucht. Das Wasser fliesst realitätsgetreu
                                 lediglich rund zwei Meter lang, einen halben Meter hoch    durch die Miniatur-Schlucht, bevor es in den Abfluss­
                                 und besteht aus rund 104 im 3D-Drucker erstellten          kanal rast. Der Kanal soll die Flut zähmen und bündeln,
                                 Kunststoff-Bauteilen und unzähligen Schrauben.             damit die Bahnschienen und Strassen im Tal nicht unkon-
                                 Wenn Projektingenieurin Andrea-Kristin Bachmann            trolliert überschwemmt werden.
                                 die massstabsgetreu nachgebildete Talsperre vor der        Mit dem Versuch kann genau vorhergesagt werden,
                                                                                            welche Folgen ein Bruch der Talsperre für die Bevölke-
                                                                                            rung und die Umwelt um die Schlucht hätte. Ebenso lässt
                                                                                            sich untersuchen, ob der Abflusskanal die rasenden
                                                                                            Wassermassen im Notfall ausreichend bündeln und
                                                                                            ­ableiten kann. Zeigt der Versuch, dass ein Bruch der Tal-
                                                                                             sperre eine Gefahr wäre, können präventive Baumass-
                                                                                             nahmen ergriffen werden, bevor ein Notfall eintritt.

                                                                                            Schneller, flexibler, günstiger, realitätsnah
                                                                                            Die Schlucht ist im 3DLab der HSR entstanden (siehe
                                                                                            ­Artikel auf Seite 30/31). Die insgesamt 104 Bauteile wur-
                                                                                             den in rund 1200 Stunden Druckzeit hergestellt. Rund
                                                                                             2,4 Kilometer Kunststoff-Filament mit einem Gewicht
                                                                                             von rund 21 Kilogramm wurden dabei verbraucht. Was
                                                                                             nach viel Aufwand klingt, ist tatsächlich eine enorme
                                                                                             ­Erleichterung und Kostenersparnis im Vergleich zu bishe-
                                                                                              rigen Modellbau-Verfahren im Wasserbau.
                                                                                              «Früher hat man solche Modelle zusammen mit einer
                                                                                              mechanischen Werkstatt nach exakten Plänen hand-
     Simulierter Notfall im                                                                   werklich herstellen müssen – heute können wir mit 3D-
     Kunststoffmodell:                                                                        Scannern eine Schlucht vermessen, die Daten im Com-
     Nachdem die Talsperre
     im Modell gebrochen                                                                      puter in einzelne Bauteil-Pläne umwandeln und das
     ist, ergiessen sich mass-                                                                Ganze einfach im 3D-Drucker ausdrucken», erklärt IBU
     stabsgetreu 23 000 Ku-                                                                   Projektingenieurin Bachmann. Auch der Materialauf-
     bikmeter Wasser durch
     die exakt nachgebil-                                                                     wand ist gesunken. Komplexe Modelle wurden bisher
     dete Schlucht.                                                                           gefräst, teilweise mit Verlusten von zwei Dritteln des

20   HSR Magazin 2 / 2017
Mit Laserscannern wird   Baumaterials. Weil das Schmelzschicht-Verfahren im          Bachmann. So ist das IBU Wasserbau-Labor nicht mehr
die Schlucht zentime-    ­3D-Drucker additiv funktioniert, gibt es keine Material-   von der Kapazität einer Werkstatt abhängig und kann
tergenau vermessen
und in ein Computer-      verluste.                                                  gleichzeitig auch die bisher tote Zeit über Nacht nutzen.
modell umgewandelt        Der grosse Vorteil: 3D-Drucker drucken auch nachts, für
(oben). Diese Daten       das Schlucht-Modell waren die sechs Schmelzschich-         Genauere Ergebnisse
werden so bearbeitet,
dass das realitätsnahe    tungs-Drucker im HSR 3DLab teilweise über das Wo-          Auch wissenschaftlich ist das 3D-Kunststoff-Modell bes-
Modell aus insgesamt      chenende komplett ausgelastet. Ein Teil nach dem ande-     ser als herkömmliche Wasserbau-Modelle. Weil die
104 Einzelteilen im       ren wurde gedruckt. «Mit dem 3D-Druckverfahren ist         Schlucht mit 3D-Scannern zentimetergenau erfasst
3D-Drucker gefertigt
werden kann (unten).      der Aufwand für den Modellbau geringer: Ich bin schnel-    wurde, stimmt jedes Detail des Modells mit der Realität
                          ler, kann alles alleine machen und wenn Änderungen am      überein. «So können wir das Verhalten des Wassers ex-
                          Modell nötig sind oder beschädigte Teile ausgetauscht      akt nachvollziehen und damit steigt die Qualität der Tes-
                          werden müssen, passe ich einfach die Daten der betrof-     tergebnisse», sagt Bachmann.
                          fenen Teile an, drucke sie über Nacht aus und kann am      Derzeit testet das IBU auch andere Anwendungen für
                          nächsten Tag sofort wieder Versuche durchführen», sagt     das 3D-Druck-Verfahren im Wasserbau. So wurden bei-
                                                                                     spielsweise verschiedene Varianten einer Geschiebe-
                                                                                     sperre untersucht, die bei Murgängen die Gemeinden
                                                                                     Brienz, Hofstetten und Schwanden im Kanton Bern vor
                                                                                     angespülten Schlammlawinen und Felsen schützen sol-
                                                                                     len. Der dafür essenzielle Mittelteil der Sperre wurde
                                                                                     vom IBU in acht verschiedenen Varianten im 3D-Drucker
                                                                                     angefertigt und jeweils einzeln in das Modell eingesetzt.
                                                                                     So konnte das IBU in sehr kurzer Zeit ermitteln, welche
                                                                                     Variante den besten Schutzfaktor bietet, ohne bei unge-
                                                                                     fährlichen Murgängen den Abfluss zu stark zu stoppen.
                                                                                     Das IBU will in künftigen Projekten sowie durch Projekt-
                                                                                     arbeiten mit Studierenden mit dem Modell der Schlucht
                                                                                     noch weitere Erfahrungen sammeln und die Vorteile von
                                                                                     Modellen aus dem 3D-Drucker prüfen. Die bisherigen
                                                                                     Versuche deuten an, dass in nicht allzu ferner Zukunft
                                                                                     vor allem Bauteile mit komplexen Geometrien für Was-
                                                                                     serbau-Modelle aus dem 3D-Drucker kommen könnten.
                                                                                       (MEW)
   Computer Mesh                3D-Druck-Modell                         Original
                                                                                                           andrea-kristin.bachmann@hsr.ch

                                                                                                                            HSR Magazin 2 / 2017   21
Es gibt wenige Branchen, in denen Wissen so schnell verjährt wie in
                            der Informatik. An der HSR manifestiert sich das durch eine erhöhte
                            Nachfrage nach Informatik-Weiterbildungen. Entsprechend wird das
                            Angebot laufend angepasst. Das Spektrum reicht vom Tageskurs bis
                            zum dreijährigen Studium.

     Weiterbildung für
     aktuelle IT-Kompetenz
                            Die Bedeutung der Informatik hat in den letzten Jahren    Das Feedback unserer Absolventinnen und Absolven-
                            in allen Bereichen des Lebens sehr stark zugenommen.      ten sowie der aktive Austausch mit Industrievertretern
                            Immer mehr Produkte und Dienstleistungen sind soft-       liefert dabei die nötigen Impulse, um das Angebot
                            wareintensiv geworden. Das beginnt bei der Jura-­         fortlaufend den wechselnden Bedürfnissen anzupas-
                            Kaffeemaschine, die uns heute ungeahnte Möglich-          sen.
                            keiten an Personalisierung und Individualisierung bei
                            den Rezepturen anbietet, und endet bei der Regelung
                            von B ­ eleuchtung, Lüftung und Heizung via Smart-         IT-WEITERBILDUNG AN DER HSR
                            phone in unserem Zuhause.                                  Die Weiterbildung an der HSR umfasst die Bereiche
                            Wir sind an digitale Helfer gewöhnt – für die Organisa-    Technik und Informationstechnologien, Bau- und
                            tion unserer täglichen Aufgaben, zur Budgetkontrolle,      Planungswesen, Energie- und Umwelttechnik sowie
                            zur Einreichung der Steuererklärung, zur Aufzeich-         fachübergreifende Angebote. Die Durchführungen
                            nung und Auswertung unseres Schlafs und unserer            reichen vom Tageskurs bis zum dreijährigen Weiter-
                            Trainingsintervalle und für die Planung unserer Alters-    bildungsstudium.
                            vorsorge. Überall werden wir von Software unter-
                            stützt. Neue, bisher unbekannte Anwendungen ver-           DAS AKTUELLE ANGEBOT IM BEREICH
                            ändern unseren Alltag, unser Verhalten, unsere             INFORMATIK
                            Gewohnheiten: Die Art, wie wir uns fortbewegen             MAS Software Engineering, MAS Human Computer
                            (Carsharing, Taxidienste), die Art, wie wir Musik hören    Interaction Design, CAS Front End Engineering, DAS
                            (Streaming) oder wie wir uns ernähren (Kochportale         Enterprise Application Development, CAS Desktop
                            inklusive Lebensmittel-Onlineshop).                        Application Development, CAS Web Application
                                                                                       Development, CAS Mobile Application Development
                            Nachfrage nach IT-Weiterbildung steigt                     und verschiedene Vertiefungsrichtungen, z.B. in
                            Diese Vielfalt an Informatikanwendungen erfordert          Cloud-Entwicklung, Database Development und
                            spezialisierte Weiterbildungen für unterschiedliche
                            ­                                                          Internet of Things / Industrie 4.0
                            Anspruchsgruppen. Das spürt die HSR auch in der Wei-
                            terbildung. Die Nachfrage nach spezifischen IT-Ange-       FOLGENDE CAS- UND MAS-ANGEBOTE
                            boten hat in den letzten Jahren markant zugenom-           SIND DERZEIT IN PLANUNG
                            men.                                                       Data Engineering und Analytics, Software Testing,
                            Bei der Konzeption von neuen Angeboten orientiert          ALM Application Lifecycle Management, Screen
                            sich die HSR im Wesentlichen an vier Rollen, wie sie       Design, IT Architecture / SW Architecture, Advanced
                            auch in der Arbeitswelt wahrgenommen werden. Die           Themen in Web- und Front-End-Engineering
                            Weiter­bildungen unterscheiden zwischen Beratern,
                            User-Researchern, Interaction-Designern und Soft-          Weitere Informationen: www.hsr.ch/weiterbildung
                            ware-Entwicklern.

22   HSR Magazin 2 / 2017
Das Weiterbildungsangebot orientiert sich dabei ent-             ausserdem neue, bisher nicht dagewesene Möglich-
                    lang der Kernkompetenzen der HSR. Gezielte Koope-                keiten in Beratung, ­Weiterbildung und Technologie-
                    rationen mit anderen Hochschulen und Industriepart-              transfer. Mit dieser gezielten Verbindung von Theorie
                    nern stellen die Inhalte der Weiterbildungen auf eine            und Praxis erreichen wir, dass die angebotenen The-
                    praxisnahe Basis. Mit dem neu gegründeten Digi-                  men den aktuellen und zum Teil auch schon künftigen
                    talLab@HSR und seinem Bezug zum Studiengang                      Bedürfnissen Rechnung tragen.   (PNE)
                    Wirtschaftsingenieur­wesen eröffnen sich für die HSR                                                  peter.nedic@hsr.ch

«Für IT-Spezialisten steigt ab 45 das Risiko, arbeitslos zu werden»
Das Interview mit Peter Nedic führte Willi Meissner, Redaktion

                    Die steigenden Studierendenzahlen der HSR Wei-                   fragt? Welche Wissensbereiche sind im Wandel? Bei der
                    terbildung zeigen, dass auch erfahrene IT-Berufs-                Suche nach der richtigen Weiterbildung empfehle ich un-
                    leute auf neue Kenntnisse angewiesen sind. Ein                   bedingt, die Unterstützung von Profis in Anspruch zu neh-
                    grosser Teil der rund 400 Studierenden nimmt an­                 men, indem man sich an die Personalabteilung wendet,
                    IT-Weiterbildungen teil. Im Interview reflektiert
                    ­                                                                eine öffentliche Berufsberatung oder eine private Lauf-
                    ­Peter Nedic, Leiter Weiterbildung, die Gründe ­dafür.           bahnberatung aufsucht.

                    Herr Nedic, die Weiterbildung an der HSR bereitet                Die Studierenden sind also vor allem auf sich
                    derzeit im Vergleich zu anderen Themen verstärkt                 allein gestellt?
                    neue IT-Angebote vor. Warum?                                     Wir führen regelmässig Informationsveranstaltungen
Peter Nedic,        Peter Nedic: Die Teilnehmerzahlen der HSR Weiterbil-             durch. Damit wollen wir sicherstellen, dass potentielle
HSR Weiterbildung   dung sind ein Beleg dafür, dass die ausgeschriebenen             Studierende und ihre Arbeitgeber über die Informationen
                    Angebote der HSR im Moment den Bedürfnissen des                  verfügen, die für die richtige Weiterbildungswahl aus-
                    Marktes sehr gut entsprechen. Die zusätzlichen Ange-             schlaggebend sind. Wir bieten auch persönliche Studien-
                    bote bereiten wir aufgrund von Rückmeldungen und                 beratung und die Möglichkeit, Probelektionen zu absol-
                    Anfragen unserer Absolventinnen und Absolventen so-              vieren. Unternehmen sollten zudem vor dem Hintergrund
                    wie aus der Wirtschaft vor.                                      des Fachkräftemangels in der IT-Branche eigenen Mit­
                                                                                     arbeitenden Sorge tragen und deren kontinuierliche
                    Wie erklären Sie sich, dass die Nachfrage nach                   ­Weiterbildung unterstützen. Im Arbeitsmarkt sind nicht
                    ­Erwachsenen-Weiterbildung vor allem im                           genügend junge, frisch ausgebildete Arbeitskräfte vor-
                     IT-Bereich so stark steigt?                                      handen, um Vakanzen besetzen zu können.
                     Informationstechnologien sind einem überdurchschnitt-
                     lich starken Wandel unterworfen. Wissen hat hier eine           In welchen Abständen empfiehlt sich eine
                     relativ kurze Halbwertszeit. Die laufende Digitalisierung       IT-Weiterbildung?
                     beschleunigt das noch zusätzlich. Im Vergleich zu ande-         Mitarbeitende sollten alle fünf Jahre eine Neubeurteilung
                     ren Berufsfeldern steigt für IT-Spezialisten ab 45 Jahren       ihrer beruflichen Situation vornehmen und eine substan-
                     das R­ isiko, arbeitslos zu werden. Experten sind sich einig:   zielle Weiterbildung mit einem anerkannten Abschluss ab-
                     ­Weiterbildung ist wichtig, um die Arbeitsmarktfähigkeit        solvieren, um die eigene Arbeitsmarktfähigkeit zu erhalten.
                      zu erhalten.
                                                                                     Warum eine Weiterbildung an der HSR besuchen?
                    Kommen die Studierenden also vor allem aus eige-                 Unsere Studierenden profitieren von der Nähe der Studi-
                    nem Antrieb, um den Anschluss nicht zu verlieren?                engangleitungen und Professoren zur angewandten For-
                    Sowohl Arbeitnehmer auch als Arbeitgeber stehen in               schung und Entwicklung an der HSR. Durch diese Nähe
                    der Verantwortung. Karrieren und Lebensläufe verlau-             entstehen innovative und relevante «State of the Art»-
                    fen heute weniger linear. Laufbahnen sind äusserst indi-         Weiterbildungen. Die Angebote sind berufsbegleitend
                    viduell geworden. Vorgespurte, lineare und ­hierarchische        absolvierbar und richten sich primär an Berufsleute mit ei-
                    Karrieren sind sowohl in grossen wie auch in den klei-           nem Hochschulabschluss sowie an langjährige Berufs-
                    nen, eher familiär geführten Betrieben dabei, zu ver-            praktikerinnen und -praktiker.
                    schwinden. Mitarbeitende sind vermehrt selber für die            Die Freundschaften, die während der Weiterbildungen
                    eigene Laufbahnplanung verantwortlich. Die passende              entstehen, sind sicher ein gutes Argument für eine Wei-
                    Weiterbildung zu finden, ist Teil dieser Verantwortung.          terbildung an der HSR. Sie werden oft auch nach dem
                                                                                     Studium gepflegt. Wir verfolgen mit Spannung, wenn
                    Woher wissen die Studierenden, welche Angebote                   ehemalige Studierende neue spannende Ideen verwirkli-
                    ihnen beruflich wirklich etwas nützen?                           chen. Aktuelle Beispiele sind «Freshjobs», eine Job-Platt-
                    Die Kenntnis der eigenen Kompetenzen ist der Ausgangs-           form für Stellen im Web-Umfeld oder der viermal jährlich
                    punkt, um in der Berufswelt bestehen zu können und für           stattfindende «UX Brunch» und nicht zuletzt «We shape
                    sich den richtigen Platz zu finden. Was kann ich gut? Was        Tech – The Swiss Network for Women in Tech and Inno-
                    ist mir wichtig? Was interessiert mich? Welche Themen            vation». Bei all diesen Initiativen waren unsere Absolven-
                    motivieren mich? Welche Kompetenzen sind künftig ge-             tinnen und Absolventen beteiligt.

                                                                                                                              HSR Magazin 2 / 2017   23
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