www.pszh.ch Visit - Neue Ziele finden Wie sich Menschen nach der Pensionierung neu orientieren und engagieren. Beispiele, die Mut machen und ...

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Visit
Nr. 2   Sommer 2019

Magazin von Pro Senectute Kanton Zürich
www.pszh.ch

                       Neue Ziele finden
                       Wie sich Menschen nach der Pensionierung neu orientieren
                       und engagieren. Beispiele, die Mut machen und inspirieren.
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Im Alter zu Hause leben

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                                                                            Wo eniess age,

                                                                                                        Sommersitz
                                                                                   G       a s s
                                                                           un nPur M ellness
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INHALT

                                                                                        Liebe Leserin, lieber Leser
                                                                                        Eine Erhebung des Bundes kommt zu einem
                                                                                        erfreulichen Befund: Ab 65 steigt die Lebens-
                                                                                        zufriedenheit. Sie ist im Durchschnitt wieder
                                                                                        fast so hoch wie bei 17-Jährigen. Keine beruf-
                                                                                        lichen Verpflichtungen mehr, Zeit für persönli-
                                                                                        che Interessen: Nach der Pensionierung dürfen
                                                                                        wir die selbstbestimmteste Phase unseres Lebens
                                                                                        geniessen. Endlich können wir tun und lassen,
                                                                                        was wir wollen – zumindest in der Theorie!
                                                                                            Die Lebenspraxis präsentiert sich etwas dif-
                                                                                        ferenzierter. Das individuelle Schicksal orien-
                                                                                        tiert sich nicht an allgemeinen Zahlen. Manche
                                                                                        Menschen fallen nach Beendigung ihrer berufli-
                                                                                        chen Aktivität erst einmal in ein «Loch»: Was
                                                                                                                                                  4
                                                                                        sollen sie mit der vielen Zeit nun tun? Andere           Loslassen, zulassen, sich einlassen: Neue Ziele im Alter halten geistig flexibel
                                                                                        haben gesundheitliche Probleme oder kämpfen              und gesund. Doch man muss sich auch auf Neues einlassen können.
                                                                                        mit finanziellen Sorgen. Und Schicksalsschläge
                                                                                        wie der Verlust eines Lebenspartners stellen
                                                                                        jede Zukunftsplanung auf den Kopf.
                                                                                            Gut zu wissen: Pro Senectute Kanton Zürich
                                                                                        ist in jeder Lebenslage für Sie da. Wir setzen
                                                                                        uns in vielfältiger Weise dafür ein, dass Men-
                                                                                        schen im Alter ein selbstbestimmtes und mög-
                                                                                        lichst autonomes Leben führen können. Zum
                                                                                        Beispiel über unsere Sport- und Bildungsange-             18                                            28
                                                                                        bote: Diese stärken die physische und psychi-
                                                                                                                                                 Ziel vor Augen: Wolfgang Herbrich             Matthias Willener (65) engagiert sich
                                                                                        sche Gesundheit, schaffen Zugang zu neuem
                                                                                                                                                 (75) praktiziert die japanische               für Pro Senectute Kanton Zürich als
                                                                                        Wissen und ermöglichen eine Vielzahl schöner
                                                                                                                                                 Bogenschiesskunst Kyudo.                      Ortsvertretungsleiter.
                                                                                        Kontakte. Oder über AvantAge, unsere Fachstelle
                                                                                        Alter und Arbeit: Sie bietet nützliche Seminare
                                                                                        an für die zielgerichtete Vorbereitung auf die
                                                                                        Pensionierung (siehe Interview auf Seite 11).                 LEBENSRAUM                                   LEBENSLUST
                                                                                        Und nicht zuletzt durch die Möglichkeit, sich             4 Neue Ziele im Alter halten geis-           28 Ein Tag im Leben von Matthias
                                                                                        selber für ältere Menschen zu engagieren: Als               tig flexibel. Wer es wagt, wird               Willener, Ortsvertretungsleiter
                                                                                        Freiwillige oder Freiwilliger finden Sie bei uns            belohnt mit sozialen Kontakten                Pro Senectute Kanton Zürich.
                                                                                        viele Möglichkeiten, Ihre Lebenserfahrung und               und Wohlbefinden.                          31 Auf neue Gedanken kommt
                                                                                        Ihr Können einzubringen – für unsere 3800 frei-          11 Wie bereitet man sich auf die                 man auf verschiedene Art. Zum
                                                                                        willig und ehrenamtlich Tätigen eine rundum                 Pensionierung vor? Silvia Kunz                Beispiel mit einer Bergtour.
Foto Titelseite : Daniel Rihs ; Seite 3 : Daniel Rihs / Christian Roth /Renate Wernli

                                                                                        bereichernde und sinngebende Tätigkeit. Wenn                und Lilo Steinmann von Avant-              36 Leseraktionen
                                                                                        Sie mögen, auch schon vor der Pensionierung.                Age geben Antworten.                       38 Visit begleitet die Sonntags-
                                                                                            Zufriedenheit im Alter hat viele Quellen.            15 Die Senioren-Universität ist                  wandergruppe Zürich in den
                                                                                        Die einen sprudeln erfreulich, andere versiegen             beliebt: Ein Augenschein.                     Raum Basel.
                                                                                        plötzlich. Doch manche lassen sich – auch                                                              42 Rätsel
                                                                                        gemeinsam – neu erschliessen. In diesem Visit                                                          44 Marktplatz
                                                                                                                                                      LEBENSART
                                                                                        finden Sie dafür spannende Inspirationen.                                                              45 Impressum
                                                                                                                                                 18 Wolfgang Herbrich: Wie der                 46 Goldene Zeiten:
                                                                                                                                                    Finanz-Experte im Ruhestand                   «Dörfs es bitzeli meh si?»
                                                                                                                                                    Kyudo für sich entdeckt hat.
                                                                                                                                                 24 Hitzige Debatte in der
                                                                                                                                                    «Philo»-Runde
                                                                                                                                                                                                   BEILAGE AKTIV
                                                                                                                                                 26 Tipps zum Thema                            		Agenda mit Veranstaltungen
                                                                                                                                                                                                 und Kursen von Pro Senectute
                                                                                                             Franjo Ambroz                                                                       Kanton Zürich
                                                                                                             Vorsitzender der Geschäftsleitung   Auf dem Titelbild: Lore Zablonier (Seite 8)

                                                                                                                                                                                                       Visit Sommer 2019          3
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LEBENSRAUM

                 Loslassen,
                 zulassen,
                 sich einlassen
                 Neue Ziele im Alter halten geistig flexibel und gesund. Doch man braucht
                 den Willen, sich auf Neues einzulassen und selber etwas mitzugestalten.
                 Wer das wagt, wird reich belohnt: mit sozialen Kontakten und Wohlbefinden.

                 Text: Rita Torcasso   Fotos: Daniel Rihs

                 «Uralt (90) bin ich, und hip möchte ich natürlich      len und ungeduldig werden, falls es nicht klappt».
                 gerne werden. Können Sie mir dazu etwas Support        Sie rät: «Man sollte sich immer wieder vor Augen
                 geben?» Diese Zeilen schrieb Klara Kaiser an den       führen, was man bereits erreicht hat, statt nur da-
                 Tages-Anzeiger mit der Bitte, etwas über ihre Tä-      rauf zu achten, was man noch erreichen will. Letzt-
                 tigkeit zu schreiben. Vor genau 20 Jahren entstand     lich kommt es gar nicht so sehr darauf an, ob wir
                 ihre erste Filzarbeit – mit 70. Sie nannte das Bild    unsere Ziele wirklich erreichen, sondern darauf,
                 «Lebensfreude». Seither entstanden unzählige Bil-      ob uns der Weg dahin Freude bereitet und uns
                 der. Rückblickend rät sie Jüngeren: «Etwas arbei-      erfüllt.»
                 ten, auch wenn es nur ein Hobby ist wie Filzen oder       Und was hilft am meisten bei der Umsetzung?
                 im Sommer einen schönen Sitzplatz gestalten,           Freund: «Man sollte ein Ziel so wählen, dass es mit
                 Blumen ziehen, Stühle blau anstreichen. Dann sagt      den eigenen Werten in Einklang steht und die ei-
                 vielleicht jemand: Ich will die Frau mit den blauen    genen Kräfte und Mittel nicht überschreitet.» Als
                 Stühlen kennen lernen.»* Neue Ziele finden und         Vorteil im Alter bezeichnet die Forscherin die An-
                 umsetzen bedeutet bis ins hohe Alter eine Heraus-      passungsfähigkeit. «Man wird zum Meister der
                 forderung und einen Gewinn.                            Kompensation. Also geht man auf die Lenzerheide
                                                                        statt in den Himalaya, in die Senioren-Wandergrup-
                 Sich aufs Wesentliche konzentrieren                    pe statt in den Leistungssport.»
                 Die Entwicklungspsychologin Alexandra M.
                 Freund erforscht an der Universität Zürich «Ent-       Vom Haben zum Sein
                 scheidungsfindung und Motivation im Alter». Der        Das Wort Ziel ist verwandt mit dem Wort Zeit, das
                 Umgang mit Zielen verändere sich mit den Jahren,       Symbol für Zielstrebigkeit ist die Leiter. «Dann wer-
                 stellt sie fest. «Älteren Menschen gelingt es leich-   de ich ...» denken viele in den Jahren vor der Pen-
                 ter, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren; sie       sionierung. Wer aber als Angestellter selten für
                 wählen eher Ziele aus, die unterstützend zueinan-      sich selber Ziele gesetzt hat, kann das nicht von
                 der stehen, und fokussieren stärker auf den Pro-       einem Tag auf den andern. Umso wichtiger ist es,
                 zess der Zielverfolgung als auf das Endergebnis.»      sich Zeit zu lassen für die Neuorientierung und
                    Als grösste Hürden auf dem Weg zum Ziel nennt       neue Ziele Schritt für Schritt anzugehen (siehe In-
                 die Forscherin die von uns selber geschaffenen –       terview auf Seite 11). Ein Beispiel, wie man ins
                 «wenn wir zu viel in zu kurzer Zeit erreichen wol-     neue Leben finden kann, schildert die TV-Modera-

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Heidi Hug (oben) hat in der Freiwilligentätigkeit für
Pro Senectute Kanton Zürich ihre Erfüllung gefunden;
sie gibt Aqua-Fitness-Kurse. Lore Zablonier (rechts)
engagiert sich in der Klimabewegung.

torin Eva Mezger, die heute 84 Jahre alt ist.** Nach
der Pensionierung hütete sie regelmässig die En-
kelkinder. Bald begann sie nach einer geistigen
Herausforderung zu suchen – und fand sie im Se-
niorInnenrat Zürich, wo sie lange im Vorstand mit-
wirkte.
   Über die schulpflichtigen Enkel kam Eva Mezger
zum Projekt «Senioren im Klassenzimmer» von Pro
Senectute. Sie machte mit, um eine Brücke zur
jungen Generation zu behalten. Nach sechs Jahren
im Ruhestand zog sie für sich Bilanz: «Zuerst los-
lassen, dann zulassen und sich wieder einlassen.»
Und: «Es war eine Zeit, die sich vom Haben zum          landeinsatz, bei der Betreuung von Jugendlichen,
Sein entwickelte: die Gelegenheit, das noch zu tun,     beim Klimaschutz, in der Nachbarschaftshilfe oder
was ich mir früher gewünscht habe, und das auf-         in der Beratung von Organisationen (siehe Porträts
zugeben, was nicht mehr stimmte.»                       auf den folgenden Seiten).
   Welche Ziele streben Frau und Herr Schweizer
nach der Pensionierung an? 2016 leisteten 53 Pro-       Gefordert sein ist gesund
zent der 65- bis 74-Jährigen Freiwilligenarbeit im      Auf unkonventionelle Art erfüllte sich Lotti Frauen-
Rahmen einer Organisation, der grössere Teil in         knecht mit 67 einen Reisetraum. Sie lebte als
Sport-, Freizeit- und Hobby-Vereinen. 43 Prozent        Granny Au Pair drei Monate bei einer Familie in
übernahmen Betreuungs- und Pflegeaufgaben. Für          Südfrankreich, betreute die Kinder, half im Haus-
organisierte Freiwilligenarbeit wendeten sie im         halt, lernte das Land kennen und verbesserte ihr
Schnitt 17 Stunden pro Monat auf, für Betreuung         Französisch. Sie sagt: «Das Schönste für mich war,
und Pflege 26 Stunden.                                  dass ich bald wie selbstverständlich zur Familie
   «Was der Mensch ist, das ist er durch die Sache,     und zu ihrem Freundeskreis gehörte. Und meine
die er zur seinen macht», schrieb der Philosoph         Lebenserfahrung wurde sehr geschätzt.»
Karl Jaspers. Etwas mit Passion machen ist auf vie-        Ein wichtiges Ziel im Alter ist, sich körperlich
le Arten möglich: als Sportleiterin, in einem Aus-      und geistig fit zu halten. Im beiliegenden Aktiv

                                                                                                       Visit Sommer 2019   5
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LEBENSRAUM

                 präsentiert Pro Senectute Kanton Zürich eine           fühl, enge finanzielle Verhältnisse oder körperli-
                 Vielzahl von Kurs- und Freizeitangeboten aller         che Beeinträchtigungen sein. Einsame Menschen
                 Art. Zahlreiche Angebote werden von Freiwilligen       sind schwierig zu erreichen, und noch schwieri-
                 geleitet. Als wichtigste Komponente für Gesund-        ger ist es, sie für neue Ziele zu motivieren. Steiger:
                 heit und Wohlbefinden nennt die Altersforscherin       «Deshalb braucht es aufsuchende Personen – je-
                 Ursula Staudinger, dass man immer wieder mit           manden aus dem Umfeld oder eine Fachperson;
                 neuen Aufgaben konfrontiert wird. «Die meisten         sie ebnen den Weg, damit wieder Vertrauen in
                 Menschen bauen ab, wenn sie sich geistig und           sich selber und andere entstehen kann.» Zusam-
                 körperlich weniger anstrengen, weil sie nicht          men wird erarbeitet, welche Aktivitäten möglich
                 mehr gefordert sind. Das merkt man nicht sofort,       sind und wie man eigene Fähigkeiten einbringen
                 sondern oft erst, wenn man kaum mehr aufholen          kann. Mit geeigneter Unterstützung sei soziale
                 kann.» Sie sagt: «Eine herausfordernde Tätigkeit       Teilhabe bis ins hohe Alter möglich, so die Fach-
                 verringert das Risiko, später an Demenz zu er-         frau. Sie macht klar: «Es ist ein lebenslanges
                 kranken.» Der Zusammenhang von frühem Ruhe-            Grundbedürfnis, Sozialkontakte zu pflegen,
                 stand, fehlender Aktivität im Rentenalter und          selbstständig zu bleiben und gleichzeitig die Si-
                 Krankheiten wie Alzheimer sei in Studien nach-         cherheit zu haben, dass man mit schwindender
                 gewiesen worden.                                       Kraft nicht haltlos wird.»
                    Wäre es also ein Segen für unsere Gesellschaft,        Einen wichtigen Beitrag für gemeinsame Ziele
                 einfach ein paar Jahre länger zu arbeiten, wie es      leisten neue Wohnformen. Als Beispiel nennt Erika
                 viele Politiker fordern? Die heutige Arbeitswelt       Steiger das Wohnzentrum Primavera der Gemein-
                 bietet dafür (noch) wenige altersgerechte Möglich-     de Buttisholz LU, das innerhalb weniger Jahre zum
                 keiten an. Tatsächlich sind heute acht Prozent der     Treffpunkt für die Dorfbevölkerung wurde. Denn
                 Personen im Rentenalter erwerbstätig. Ihnen ste-       es bietet nicht nur Alterswohnungen und Pflege-
                 hen 32 Prozent Frührentner gegenüber, einige von       plätze an, sondern auch Teilhabe am Dorfleben.
                 ihnen wurden durch Arbeitslosigkeit in die Rente       Cafeteria, Mehrzweckraum, Werkraum, Fitness-
                 gezwungen.                                             Training und Gartenanlagen sind öffentlich und
                    Erwerbstätig zu bleiben, scheint aber für eine      können von allen genutzt werden.
                 wachsende Zahl von Pensionierten ein Ziel zu sein:
                 Selbstständige arbeiten oft bis ins hohe Alter, und    Für das eigene Wohlbefinden
                 Plattformen wie Rent a Rentner, wo man als Free-       Die Kunst des Alterns fasst der Philosoph Otfried
                 lancer sein Können anbietet, boomen. Einige kön-       Höffe in die Kurzformel der vier L: Laufen, Lernen,
                 nen wohl auch das Geld brauchen, denn laut einer       Lieben und Lachen. Die Herausforderung im Alter
                 Untersuchung kann jede zehnte pensionierte Per-        bestehe darin, das für sich passende Mass zwischen
                 son, die zuhause lebt, nur mit Ergänzungsleistun-      Tätigsein und Musse zu finden und zu nutzen. Den
                 gen über die Runden kommen.                            vier Personen, die auf den nächsten Seiten von ihren
                                                                        Zielen erzählen, scheint das zu gelingen.
                 Grundbedürfnis Sozialkontakte                             Es sind kleine Dinge des Alltags, die den Bo-
                 Übergänge im Leben sind Zeiten der Anfälligkeit,       den geben, auf dem man aufbauen und nach
                 denn man muss sich mit einschneidenden Verän-          aussen wirken kann. Diese Fähigkeit nimmt mit
                 derungen auseinandersetzen. Dazu gehört einer-         dem Alter zu. Die Forscherin Alexandra M.
                 seits die Neuorganisation als Paar. Auf der anderen    Freund nennt sie «kristalline Intelligenz» und
                 Seite kommen neue Herausforderungen wie eine           meint damit das erfahrungsbasierte Wissen, das
                 altersgerechte Wohnung zu suchen und letzte Din-       man sich in einem langen Leben angeeignet hat.
                 ge zu regeln.                                          «Es hilft, über wesentliche Dinge weiterhin gut
                    Nicht alle schaffen es, sich im Alter noch selber   nachdenken zu können.» Sie erklärt: «Ältere
                 neue Ziele zu setzen und die Teilhabe an der Ge-       Menschen setzen Ziele nicht besser um als an-
                 sellschaft zu behalten. Von den Menschen, die iso-     dere, doch sie tun es so, dass es zum eigenen
                 liert und einsam leben, haben die über 75-Jährigen     Wohlbefinden beiträgt.»
                 den grössten Anteil: Ein Drittel von ihnen gibt an,       Seit Jahrtausenden beschäftigen sich Menschen
                 sich manchmal bis häufig einsam zu fühlen.             mit dem Thema, wie man Ziele findet und umsetzt.
                    Erika Steiger arbeitet als Organisationsberate-     Im Alten China schrieb Konfuzius die weisen Wor-
                 rin im Altersbereich. Sie gibt bei Pro Senectute       te: «Wer das Ziel kennt, kann entscheiden. Wer
                 den Kurs «Kontakte und Beziehungen im Sozial-          entscheidet, findet Ruhe. Wer Ruhe findet, ist si-
                 raum anbahnen und pflegen». Als wichtigste             cher. Wer sicher ist, kann überlegen. Wer überlegt,
                 Ursache für Einsamkeit nennt sie das Fehlen tra-       kann verbessern.»
                 gender Beziehungen. Gründe können negative             * Tages-Anzeiger, 27. Dezember 2018
                 Kontakterfahrungen, ein fehlendes Selbstwertge-        ** Hannelore Rizza, Pensioniert..., Werd Verlag

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»Ich kann Erfahrung weitergeben
und etwas bewirken»
Marianne Payer (70), Zürich

Zweimal war Marianne Payer als Senior      arbeiter und ihre grosse Gastfreund-      Und sie nahm einen Findelhund aus
Expert im Einsatz, beide Male in Skop-     schaft. An den Wochenenden zeigten        Rumänien auf. «Das Ziel, ihn gesell-
je, Nordmazedonien. «Es war genau          sie ihr jeweils das Land.                 schaftsfähig zu machen, brauchte viel
das Richtige für mich», sagt sie.          An der Freiwilligenarbeit gefällt Mari-   Geduld», erzählt sie.
Sie unterstützte zwei Firmen bei der       anne Payer der soziale Gedanke. «Wir      Gerne würde sie weitere Einsätze als
Software-Entwicklung und im Projekt-       haben hier so viel Glück – davon möch-    Senior Expert leisten und wartet auf
management. Seit fünf Jahren ist die       te ich andern etwas abgeben.» Seit        passende Angebote. «Ich brauche
IT-Managerin pensioniert. «Konkrete        acht Jahren unterstützt sie als Mento-    Herausforderungen, denn so entwickelt
Ziele für die Pensionierung hatte ich      rin im Programm Ithaka des Berufs-        man sich weiter.» Kleine Erfolgserleb-
damals nicht, doch ich wollte mich als     informationszentrums BIZ Schüler bei      nisse findet sie auch im Alltag: Sie freut
Freiwillige engagieren.» 2015 stiess sie   der Lehrstellensuche. «Ich wünsche        sich an einem selber renovierten Mö-
auf das Senior Expert Corps. «Hier kann    mir jeweils Jugendliche mit Migrations-   belstück oder einem seltenen Vogel.
ich meine Berufserfahrung weiterge-        hintergrund, um ein Zeichen für Integ-    Das Interesse für Vögel teilt sie mit
ben und etwas bewirken», erzählt sie.      ration und gegen den zunehmenden          dem Sohn, einmal jährlich begleitet sie
«Und es ist ein hervorragendes Gehirn-     Fremdenhass zu setzen.»                   ihn auf eine Vogelfotografie-Reise.
training, denn man ist hundertprozen-      Marianne Payer ist seit 18 Jahren Wit-
tig gefordert.» In Erinnerung blieben      we und lebt allein. An einem Tag pro      www.seniorexpertcorps.org
vor allem der Wissenshunger der Mit-       Woche betreut sie die kleine Enkelin.     www.bizoerlikon.zh.ch (Mentoring Ithaka)

                                                                                                        Visit Sommer 2019         7
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LEBENSRAUM

    «Beim Klimawandel geht es
    um die Zukunft meiner Enkel»
    Lore Zablonier (74), Zürich

    «Ich habe mich schon immer für            und arbeitete in der Suchtberatung.          bewusst einkaufen, nicht fliegen.» Es
    gesellschaftliche Zusammenhänge           Seit ihrer Scheidung 1997 lebt sie al-       gehe ihr vor allem auch um die Zukunft
    interessiert», sagt Lore Zablonier.       lein. Nach der Pensionierung betreute        ihrer Enkel. «Mit der Vereinsarbeit habe
    Sie engagiert sich im Vorstand des Ver-   sie regelmässig die beiden Enkel. Zur        ich viel über nationale Politik gelernt
    eins KlimaSeniorinnen. Der Verein         Freiwilligenarbeit kam sie vor vielen        und darüber, wie man Politik von unten
    klagte 2016 den Staat ein, weil er zu     Jahren über ein Plakat mit einer Klingel     beeinflussen kann. Mein Ziel ist es,
    wenig gegen den Klimawandel unter-        und dem Namensschild «N.Achbar»,             viele Menschen für das Thema zu sen-
    nimmt. Die Klage ist beim Bundesge-       seither ist sie in der Nachbarschaftshilfe   sibilisieren.»
    richt hängig.                             tätig. «Sozial für andere einstehen war      Für sich selber plant sie kaum voraus.
    Zu den KlimaSeniorinnen gehören           für mich seit der Kindheit etwas Selbst-     Sie sei offen für das, was die Zukunft
    heute 1200 Mitglieder. «Wir werden        verständliches», sagt sie.                   bereithalte. Mit Interrail wolle sie dem-
    auch am internationalen Klima-Streik-     Zu den KlimaSeniorinnen führte sie           nächst eine Europareise machen.
    tag der Schüler Präsenz zeigen», sagte    das Unbehagen über den Klimawan-             Zufriedenheit finde sie beim täglichen
    sie damals.                               del. «Wir werden mit der Klage wenn          Spaziergang am See oder bei sich zu
    Lore Zablonier wuchs in Deutschland       nötig bis an den Europäischen Gerichts-      Hause. «Das ist mein Boden, auf dem
    auf, 1970 kam sie mit ihrer eigenen       hof gelangen.» Der Einsatz veränderte        ich aufbauen kann.»
    Familie in die Schweiz. Hier machte sie   auch ihren Alltag: «Ich versuche mög-
    die Ausbildung zur Sozialarbeiterin       lichst klimaneutral zu leben: kein Auto,     www.klimaseniorinnen.ch

8        Visit Sommer 2019
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«Wasser und Musik sind meine
Lebenselemente»
Heidi Hug (70), Herrliberg

Im hellen Wohnzimmer mit Blick auf
den See steht ein Konzertflügel. Heidi
Hug sagt: «Wasser und Musik sind mei-
ne Lebenselemente.» Sie unterrichtet
Aqua-Fitness für Pro Senectute Kanton
Zürich und für die Rheumaliga, zweimal
einen halben Tag pro Woche.
2017 starb ihr Mann nach langer Krank-
heit. Er erlitt 2001 einen Hirnschlag. «In
all den Jahren war mein Hauptziel, ihm
das Leben noch lebenswert zu gestal-
ten», erzählt sie. Bei seiner Erkrankung
war sie 52 Jahre alt, das Paar stand mit-
ten in der Planung eines neuen Hauses.
«Ich musste alleine weitermachen und
den Alltag neu organisieren. Eine grosse
Hilfe waren unsere drei Töchter.»
Damals wurde sie von einer Freundin
ermutigt, sich bei der Pro Senectute als
Sportleiterin auszubilden. «Aqua-Fit-
ness wurde für mich zum Lebenselixier;
die Freude der Teilnehmer, dazu Wasser
und Musik – das tut der Seele gut.»
Ein zweites Standbein im Alltag wurde
die Aphasie-Selbsthilfegruppe. «Es war
der Ort, wo ich offen auch über mein
eigenes Befinden reden konnte.» Sie
engagierte sich in der Kerngruppe, wel-
che die Treffen organisiert. «Die Gruppe
ist mir ans Herz gewachsen, deshalb bin
ich heute noch aktiv dabei.»
Nach dem Tod ihres Mannes fiel Heidi
Hug in eine grosse Müdigkeit. «Ich war
froh um die Freiwilligentätigkeiten, sie
gaben mir Alltagsstruktur und regel-
mässige Kontakte.» Nach und nach ka-
men neue Ziele. Sie hütete den jüngsten
der fünf Enkel und begann häufiger
Klavier zu spielen. Heidi Hug: «In die
Zukunft plane ich wenig, denn ich weiss,
wie rasch sich alles verändern kann.»
Am Ende des Gesprächs zeigt sie uns
das öffentliche Badehaus am See. «Hier
finde ich im Sommer beim täglichen
Schwimmen mein Glück.»
www.pszh.ch | www.aphasie.org

                                             Visit Sommer 2019   9
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LEBENSRAUM

     «Schön ist, dass eine fast schon
     familiäre Bindung entsteht«
     Dieter Rolli (72), Horgen

     «Ich freue mich auf das Wiedersehen          Er suchte sich dann eine Freiwilligen-      seine Frau pensioniert wurde. «Wir
     im Kochkurs», sagt Dieter Rolli. Die         tätigkeit, für die er seine Führungser-     haben damals viel über den neuen
     «Expo Transkultur», die interkulturelle      fahrung nutzen konnte. «Bei Innovage        gemeinsamen Alltag geredet», erzählt
     Treffen von Ausländern und Schwei-           kann ich unterstützend wirken. Gleich-      er. Ein Ergebnis davon: «Gemeinsam
     zern organisiert, war eines seiner Pro-      zeitig ist es schön, dass zu vielen Orga-   machen wir jede Woche einen Ausflug
     jekte bei Innovage. Seit sechs Jahren ist    nisationen eine fast schon familiäre        mit dem Zug.» Und gemeinsam betreut
     er bei Innovage als Berater tätig. Zurzeit   Bindung entsteht.» Er erhalte immer         das Paar, das selber keine Kinder hat,
     hat er drei Projekte am Laufen. Immer        wieder Einladungen an Versammlun-           oft den Nachwuchs von Patenkindern.
     zu zweit werden Organisationen in            gen und Feste.                              Seine eigenen Ziele im Alltag widmet
     ihrer Weiterentwicklung und bei der          Der zeitliche Aufwand für Innovage          Dieter Rolli vor allem dem Sport: «Ich
     Umsetzung neuer Strategien betreut.          beträgt heute für ihn drei Projektsitzun-   spiele wöchentlich einen Tennismatch
     «Als ich vor der Pensionierung stand,        gen im Monat. Zusätzlich hat er seit vier   mit Kollegen, gehe joggen und ins
     machte ich mir Sorgen, wie ich wohl          Jahren ein Mandat als Ausbildungs-          Krafttraining.» Besonders grosse Freude
     den Tag verbringen werde», erzählt           experte für technische Bildungsgänge        mache ihm sein Steckenpferd. «Ich ent-
     Dieter Rolli. Er machte damals einen         an einer Höheren Fachschule. «Das for-      wickle jeden Tag Ideen für neue Reisen,
     Vorbereitungskurs. «Als es dann so           dert mich auch heraus, denn ich muss        und einige davon setzen wir dann um.»
     weit war, reiste ich allein für zehn Tage    den neuen Entwicklungen folgen.» Das
     nach New York, um nachzudenken.»             Mandat übernahm er im selben Jahr, als      www.innovage.ch

10        Visit Sommer 2019
«Offene Menschen
haben es einfacher»
Damit man nicht plötzlich in ein «Loch» fällt, ist es von Vorteil, sich
rechtzeitig mit der Pensionierung auseinanderzusetzen. Ein Gespräch
mit Sylvia Kunz und Lilo Steinmann von AvantAge.
Interview: Robert Bösiger

Visit: Plötzlich ist man im Rentenalter – für einige    samkeit zu schenken. Das Thema Gesundheit
ist das rechtzeitig, für andere zu spät und für eini-   beschäftigt alle ebenfalls sehr, aus verständlichen
ge viel zu früh. Was kann man tun, um nicht von         Gründen. Viele Menschen fragen sich auch: Was
einem Tag auf den anderen buchstäblich auf dem          machen wir mit all der vielen freien Zeit, gerade
falschen Fuss erwischt zu werden?                       auch in einer Partnerschaft.
Sylvia Kunz: Besuchen Sie unbedingt bei Avant-
Age, unserer Fachstelle Alter und Arbeit, einen         Gibt es mit der Pensionierung Veränderungen,
Kurs zur Pensionierungsvorbereitung.                    die alle treffen und zu denen sich alle Gedanken
                                                        machen sollten? Oder ist die Ruhestandsplanung
So einfach ist das?                                     von Fall zu Fall, von Mensch zu Mensch unter-
Lilo Steinmann: Ja, die sorgfältige Vorbereitung auf    schiedlich?
die Pensionierung ist ein wichtiger Teil für einen      Kunz: Ganz wenige, die sozusagen auf Rosen gebet-
gelungenen «Ruhestand». Die Frage – wer bin ich,        tet sind, müssen sich tatsächlich nicht um Finanzen
was ist mir wichtig und was möchte ich noch tun – ist   kümmern! Die Mehrheit sollte sich in diesen The-
in jedem Lebensabschnitt von Bedeutung.                 men jedoch seriös vorbereiten. Weitere Themen wie
                                                        Werte und Hobbies, soziales Netz und Wohnsitua-
Ist es falsch, die Dinge einfach mal auf sich           tion beschäftigen die Menschen in unterschied-
zukommen zu lassen – nach dem Motto: «Mein              lichem Masse. Eine Standortbestimmung ist aber
Ruhestand kommt noch früh genug und von                 immer sinnvoll.
ganz alleine»?
Kunz: Nein. Jede und jeder kann für sich entschei-      Man hört immer wieder, Frauen hätten es ein-
den, wie wichtig eine individuelle Vorbereitung ist.    facher, den Übergang in die Pensionierung zu
Wenn man ohne einen persönlichen Plan leben             schaffen, Männern falle es schwerer. Was ist da
kann, dann ist das die eigene Entscheidung, aber        dran?
das können längst nicht alle. Von Seminarteilneh-       Steinmann: Die persönliche Ausgangssituation ist
menden wissen wir, dass sich viele um ihre Zukunft      entscheidend: Frauen, die Vollzeit gearbeitet haben,
sorgen und Respekt haben vor dem «Wie weiter nach       werden es ebenso schwer oder leicht haben wie die
der Pensionierung».                                     Männer. Jene, die schon in Teilzeit tätig waren, ha-
                                                        ben es leichter. Hausfrauen wiederum verfügen oft
Ich könnte mir vorstellen, bei einigen Menschen         über ein grosses soziales Netz und mussten sich
spielt die Angst eine Rolle, nach der Pensionierung     schon früher Gedanken machen, wie sie ihre neue
finanziell nicht (mehr) über die Runden zu kom-         freiere Zeit verbringen wollen. Mit der Aufweichung
men…                                                    der traditionellen Rollenmuster dürften sich sich
Kunz: Diese Angst ist weit verbreitet. Die Seminar-     diese Unterschiede abschwächen.
teilnehmenden stufen den Finanzteil oft als wich-
tigsten Input ein. Kurz vor der Pensionierung lässt     In Medien wird suggeriert, mit 65 Jahren fange
sich bezüglich Finanzen fast nichts mehr ändern.        das Leben erst an und wir könnten so richtig
Spätestens ab Mitte 50 ist Finanzfragen Aufmerk-        durchstarten, könnten endlich tun und lassen,

                                                                                                       Visit Sommer 2019   11
LEBENSRAUM

                                                                                                                             Foto: Robert Bösiger
                    Persönlich
                    Lilo Steinmann (52) ist Seminarleiterin und           Sylvia Kunz (56) ist Leiterin von AvantAge, mit
                    stellvertretende Leiterin von AvantAge. Sie ist       langjähriger Führungserfahrung. Sie ist Psycho-
                    Ausbildnerin mit langjähriger Erfahrung in der        login und Laufbahnberaterin, spezialisiert auf
                    Erwachsenenbildung, Entwicklungspsychologin,          Standortbestimmung und Potentialanalyse.
                    Organisationsentwicklerin und Coach mit               Sylvia Kunz wohnt in Zürich.
                    Schwerpunkt Standortbestimmungen.
                    Lilo Steinmann wohnt in Kappel am Albis.

                  was wir immer wollten. Ist das eine Tatsache           Leben als «Golden Ager» zu führen. Welche Rolle
                  oder wird uns da eine Scheinwelt vorgegaukelt?         spielt aus Ihrer Sicht die finanzielle Situation?
                  Steinmann: So absolut formuliert ist das wenig         Steinmann: Die meisten Leute müssen finanzielle
                  hilfreich. Tatsache ist jedoch: Diese Zeit ist wahr-   Einbussen in Kauf nehmen. Das nimmt zu. Ich
                  scheinlich die selbstbestimmteste Phase in unse-       glaube, dass auch in der Schweiz wieder mehr
                  rem Leben. Wir sind nicht mehr durch vorgege-          Rentnerinnen und Rentner für Geld arbeiten
                  bene Arbeit und Verpflichtungen fremdbestimmt.         möchten.
                  Die volle Selbstbestimmung gibt es im Leben nie.
                  Ebenso wenig, wie es die absolute Fremdbestim-         Man hört oft, dass Paare Respekt oder gar Angst
                  mung durch den Beruf gibt. Auf diese Phase der         davor haben davor, wie der neue Alltag im Ruhe-
                  erhöhten Selbstbestimmung freuen sich die              stand aussehen wird. Solche Veränderungen
                  Menschen im Allgemeinen jedoch sehr. Und die           können Paarsituationen gehörig durcheinander
                  Lebenszufriedenheit, die mit der Pensionierung         schütteln, oder nicht?
                  steigt, untermauert das.                               Kunz: Richtig. Aber es gibt auch viele Paare, die
                                                                         sich auf gemeinsame Aktivitäten freuen, und die
                  Hängt es nicht eher davon ab, ob man es sich           weitgehend schon wissen, wie sie mit der neuen
                  finanziell überhaupt leisten kann, ein erfülltes       Situation umgehen wollen. Es kommt natürlich

12   Visit Sommer 2019
auch darauf an, ob man zusammen in Pension             Wo bietet AvantAge Kurse an – nur im Kanton
geht oder gestaffelt. Vielleicht ist zuhause plötz-    Zürich?
lich jemand anderer der «Chef» oder die «Chefin».      Kunz: Grundsätzlich sind wir, vor allem was firmen-
                                                       interne Seminare betrifft, in der ganzen Deutsch-
In Ihren Kursen werden die Leute auf solche            schweiz aktiv. Weil wir eine Tochtergesellschaft
Situationen und Veränderungen vorbereitet?             sind von Pro Senectute Kanton Zürich und Kanton
Kunz: Ja, wir machen sie auf die wichtigsten Frage-    Bern, sind wir natürlich vorab in diesen beiden Kan-
stellungen aufmerksam. Wir fragen die Leute, wie       tonen tätig. Öffentliche Seminare bieten wir andern-
viel Zeit sie inskünftig gemeinsam verbringen wol-     orts jeweils in Absprache mit den kantonalen
len und wie viel Zeit sie für sich als sogenannte      Pro-Senectute-Organisationen an.
«Eigenzeit» reservieren. Dazu gehört die Frage nach
einem Hobby, das man für sich selber – ohne Part-      Wird im Kurs auch konkret geübt, wie man neue
ner – ausübt. Natürlich weisen wir auch auf mög-       Ziele findet und sie durchsetzt?
liche Konfliktsituationen hin.                         Steinmann: Weniger. Es geht mehr darum heraus-

Liesse sich das, was Sie anbieten, quasi als Crash-
kurs bezeichnen?                                              «Auf diese Phase der erhöhten Selbst-
Kunz: In der Regel sind es zwei Tage, in denen wir
die Fragen vertieft diskutieren. Das ist kein Crash-          bestimmung freuen sich die Menschen
kurs, die Vorbereitung ist damit nicht erledigt. Es           im Allgemeinen sehr.»
reicht aber, um sich eine gute Übersicht zu ver-              Lilo Steinmann
schaffen.
Steinmann: Die Leute kommen sehr unterschiedlich
vorbereitet in den Kurs. Die meisten Teilnehmenden     zufinden, was die Leute gerne möchten und was
aber setzen sich nicht zum ersten Mal mit der Pen-     ihnen wichtig ist. Also: Welche Vorstellungen habe
sionierung auseinander. Vielen geht es um eine         ich? Was möchte ich gerne noch tun oder verwirk-
Bestätigung, worauf sie noch achten müssen.            lichen?

Wie kurz vor der Pension besucht man sinn-             Welche Menschen schaffen es am besten, im
vollerweise einen solchen Vorbereitungskurs?           Ruhestand neue Ziele umzusetzen und zufrieden
Kunz: Am besten ein bis drei Jahre vorher. Die         zu leben?
eigene Finanzsituation sollte man wie bereits er-      Steinmann: Verschiedene Studien haben diese Frage-
wähnt schon früher betrachten.                         stellung schon untersucht. Am besten schaffen es

Kann ein solcher Kurs helfen, nicht in ein «Loch»
zu fallen, wenn plötzlich der Schlüssel zum
Arbeitsbüro abgegeben ist?                               Worauf Sie achten müssten
Kunz: Das ist auch ein Ziel. Gerade weil man sich
                                                         In welchem Alter allerspätestens sollte man sich
schon frühzeitig Gedanken macht, ist die Gefahr
                                                         mit der Pension befassen?
nicht mehr so gross, in das berühmte «Loch» zu
                                                         > Finanziell ab 50, für alle andern wichtigen
fallen.
                                                         Lebensfragen ab 60.
Steinmann: Ein solcher Kurs ist nur eine mögliche
Form, sich vorzubereiten. Mit dem Partner oder mit       Welche Fragen sollte man vor der Pensionierung
Freunden zu sprechen, ist eine andere Art.               lösen bzw. beantworten?
Kunz: Nochmals ein Wort zum Zeitpunkt. Wir von           > Wie sieht mein Budget und meine finanzielle
AvantAge schreiben die Kurse aus und die Firmen          Situation aus? Wie sieht mein soziales Netz vor
ermöglichen ihren Mitarbeitenden, solche Kurse ab        und nach der Pensionierung aus? Was sind
einem bestimmten Alter zu besuchen. Wir führen           meine Interessen und Wünsche? Wie möchte
die Kurse aber auch firmenintern durch, da ergeben       ich mein Leben konkret gestalten?
sich manchmal grössere Altersspannen.
                                                         An wen kann ich mich wenden, wenn ich (vor
                                                         allem in finanzieller Hinsicht) nicht über die
Was tun Sie für jene, die nicht von einer Firma
                                                         Runden komme?
geschickt werden, also für Selbstständige oder
                                                         > Am besten melden Sie sich bei Ihrem zustän-
Freiberufler?
                                                         digen Dienstleistungscenter von Pro Senectute
Steinmann: Wir haben uns schon überlegt, auch für
                                                         Kanton Zürich.
diese Menschen etwas anzubieten. Gewisse The-
men sind tatsächlich ganz anders.

                                                                                                       Visit Sommer 2019   13
LEBENSRAUM

                        Leute, die offen und eher extrovertiert sind. Es sind                   Ruhestand kann man endlich etwas Unerfreuliches
                        Menschen, die flexibel und nicht ängstlich sind.                        hinter sich lassen und ein «neues Leben» beginnen.

                        Und solche, die es sich leisten können?                                 Wie wichtig ist es zu erkennen, dass jemand ein
                        Steinmann: Die Geldfrage ist in diesem Kontext nicht                    Ziel auch nicht (mehr) erreichen kann?
                        so ausschlaggebend. Bei der Pensionierung ist das                       Kunz: Je älter die Menschen werden, desto indivi-
                                                                                                dueller werden sie. Im Alter wird man häufig
                                                                                                auch etwas pragmatischer und gelassener. So
                                                                                                fällt es leichter, ein Ziel, das man nicht (mehr)
          «Der Sinn ist das Wichtigste. Geld kann                                               erreichen kann, notfalls loszulassen. Es ist die
          das Leben höchstens erleichtern.»                                                     Erkenntnis, dass man nicht mehr alle Ziele er-
          Sylvia Kunz                                                                           reichen muss.

                                                                                                Was ist mit jenen Menschen, die am liebsten weiter
                        «Ich» wichtiger. Man kann zwar mit Geld mehr tun                        arbeiten möchten bis 70 oder so?
                        und ausprobieren, aber man kann das Wissen, wer                         Steinmann: Dem soll man nicht im Wege stehen.
                        ich bin, nicht kaufen.                                                  Umso mehr, als viele Menschen im Rentenalter
                        Kunz: Der Sinn ist das Wichtigste. Geld kann das                        körperlich und geistig noch viel fitter sind als frü-
                        Leben höchstens erleichtern. Sinnvolle Dinge müs-                       here Generationen. Dass man auch im Alter noch
                        sen gar nicht immer viel kosten. Interessant ist in                     gebraucht werden und/oder der Gesellschaft etwas
                        diesem Zusammenhang zum Beispiel, dass es ge-                           zurückgeben möchte, ist verständlich. Wir vermit-
                        rade bei Arbeitslosen aufwärts geht, wenn sie pen-                      teln auch entsprechende Kontaktstellen (wie etwa
                        sioniert werden: Weil sie etwas loslassen können,                       www.rentarentner.ch oder www.arbeitsrentner.ch).
                        worunter sie stark gelitten haben.                                      Und natürlich bietet sich ja auch die Freiwilligen-
                        Steinmann: Das gilt übrigens auch für Menschen mit                      arbeit an – für eine Pro-Senectute-Organisation
                        niedrig qualifizierten Jobs. Mit dem Übertritt in den                   oder für andere Institutionen. 

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                                        PLZ/Ort                                            In der Regel findet am ersten Freitag im Monat um 14.00 Uhr eine
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14       Visit Sommer 2019
Drei von gut 2500 Mitgliedern der Senioren-Universität (von links): Nelly Hofstetter, Heinz Lienhart und Josef Cadalbert.

An die Uni, um geistig
fit zu bleiben
Sie sind zwischen 60 und 96 Jahre alt und besuchen Vorlesungen an der Senioren-Universität
Zürich. Einige seit vielen Jahren und mit sichtlicher Begeisterung.

Text: Rita Torcasso    Foto: Renate Wernli

Schon beim Eingang zur Universität             IT-Projektleiter ist geschieden, lebt al-       Männer. Eine akademische Vorbildung
Irchel in Zürich fallen die vielen älteren     lein. Er wurde bei einer Restrukturie-          braucht man nicht, die eine Hälfte der
Frauen und Männer auf. Vor dem gröss-          rung der Firma arbeitlos: «Plötzlich hatte      Besucher hat eine Lehre absolviert, die
ten Hörsaal drängen sich Senioren. An          ich Zeit, das war anfangs schwierig.»           andere eine Matura oder hat einen aka-
den Tischen im Foyer sitzen Studenten
vor ihrem Laptop und nehmen kaum
Notiz vom Ansturm der Rentner.                         «Ich finde die Vorlesungen so spannend, dass ich
   Um 14.15 Uhr beginnt die Vorlesung,                         zweimal in der Woche herkomme.»
fast alle der 600 Plätze sind besetzt.
Heute heisst das Thema «Megatrends:
was kommt auf uns zu?». Die Zukunfts-             Mit der Senioren-Universität seien           demischen Abschluss. Lienhart: «Wenn
forscherin Patricia Wolf stellt zwölf Me-      nun zwei Nachmittage in der Woche fix           ich zurück könnte, würde ich gerne stu-
gatrends vor, die unser Leben langfristig      in seinem Terminkalender eingetragen.           dieren.» Neben der Senioren-Uni möch-
über die nächsten 30 bis 50 Jahre beein-       «Ich bin hier noch ein Frischling, doch         te er, wenn er im August von der Arbeits-
flussen und verändern werden. Nach             will ich auf jeden Fall bleiben. Ich ge-        suche befreit ist, auch an Vorlesungen
einer Pause können die Besucher Fra-           niesse all das spannende Wissen aus             der Volkshochschule oder der Universi-
gen stellen.                                   Bereichen, die ich vorher kaum kann-            tät gehen. Neben dem Geist pflegt er
                                               te.» Er nahm auch schon am Kaffee-Treff         auch den Genuss: Er ist mit andern zu-
Zwei Nachmittage an der Uni                    teil, den die Senioren-Uni neu anbietet,        sammen in einem Kochclub.
Die Gründe, warum Pensionierte die             um den Austausch zu fördern. Lienhart:              Besucher der Senioren-Uni sind viele
Senioren-Uni besuchen, sind vielfältig.        «Das Gehörte mit andern zu diskutie-            seit Jahren. Josef Cadalbert sagt stolz:
Zwei Männer und eine Frau geben Aus-           ren, bringt viel.»                              «Ich bin jetzt im 9. Semester und fehle
kunft. Begeistert sagt Heinz Lienhart:            Die Senioren-Universität Zürich hat          fast nie.» Weil die Vorträge sehr viel Wis-
«Heute war es superspannend.» Der              2460 Mitglieder, etwas mehr Frauen als          sen in kurzer Zeit vermitteln, bereitet er

                                                                                                                Visit Sommer 2019      15
LEBENSRAUM

sich jeweils im Internet auf das Thema               sie allein. Mit 58 wurde sie frühpensi-      andere Sichtweisen interessieren mich.»
vor und liest danach seine Notizen noch-             oniert, fand dann nochmals eine Stelle          Die Senioren-Universität Zürich wur-
mals. Der ehemalige Logistikdisponent                und blieb bis 65. Danach begann sie          de vor 34 Jahren gegründet. Das Pro-
ist verheiratet und lebt in Zürich. Er war           mit der Senioren-Uni. Sie sagt: «Heute       gramm stellt eine Kommission zusam-
bis 70 erwerbstätig. «Ich hatte schon et-            fand ich die Vorlesung sehr anregend.        men, der Vertreter aller Uni-Fakultäten
was Angst, dass ich ohne Arbeit in ein               Ich werde mir im Internet noch an-           und der ETH angehören. Die Vielfalt ist
Loch fallen könnte», erinnert er sich.               schauen, was das Zukunftslabor in Lu-        gross, viel Medizinforschung, dazu Ar-
Sein Sohn habe ihn auf die Senioren-Uni-             zern macht.»                                 chitektur und Technik, Spiritualität, glo-
versität hingewiesen. «Mich interessiert                Am Anfang wählte Nelly Hofstetter         baler Wandel und auch aktuelle Themen
hier alles, man kann immer etwas mit-                vor allem Themen, die sie interessierten.    wie Flüchtlingsrouten. Am begehrtesten
nehmen, das zum Denken anregt», er-                  «Dann merkte ich rasch, dass jede Vorle-     sind die medizinischen Vorträge, die zu-
klärt Cadalbert. Nach all den Jahren                 sung interessant ist und den Horizont        weilen in einen zweiten Hörsaal übertra-
kennt er auch einige der Besucher. «Eine             erweitert.» Etwas mehr wünscht sie sich      gen werden müssen. Im Angebot sind
kleine Gruppe trifft sich jeweils zum Aus-           zu Religion und Philosophie und will nun     auch Sonderveranstaltungen, Städteaus-
tausch.» Neben der Senioren-Uni unter-               dafür auch mal nach Bern reisen. Der         flüge und ein Gedächtnistrainingskurs.
stützt er zusammen mit seiner Frau Ver-              Mitgliederausweis gibt Zutritt zu allen         Viele der Pensionierten schätzen es,
wandte, die Hilfe brauchen.                          Senioren-Universitäten in der Schweiz.       altersmässig unter sich zu sein. Andere
                                                     Sie ist begeistert: «Wo sonst kann ich aus   möchten sich lieber noch mit Jungen
Wissen aus erster Hand                               erster Hand erfahren, was heute er-          messen. Ein grosser Bildungsmagnet ist
Manche der Pensionierten reisen von                  forscht wird und wie sich die Welt wei-      in Zürich die Volkshochschule, die im
weit her an. Nelly Hofstetter lebt in Birr           terentwickelt.» Sie sei ein sehr neugieri-   vergangenen Schuljahr gegen 14 000
AG. «Ich finde die Vorlesungen so span-              ger Mensch und hätte gerne selber            Teilnehmende aller Altersklassen ver-
nend, dass ich zweimal in der Woche                  studiert, sagt sie. Häufig besucht Nelly     zeichnete.
herkomme.» Sie arbeitete früher als                  Hofstetter auch mit dem Museumspass             Einige beginnen im Ruhestand gar
KV-Angestellte, seit der Scheidung lebt              Schweiz Ausstellungen. «Neue Ideen und       noch ein reguläres Studium. An der Uni

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      Bei Vergesslichkeit und
         Konzentrationsmangel

                                                                                      1x
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16       Visit Sommer 2019
Zürich sind 203 Studierende über 60         sei wichtig, betont er. «Denn die Ausein-
Jahre eingeschrieben, 71 davon stehen       andersetzung mit neuen Themen setzt         Bildungsangebote
vor dem Doktorat. Walter Weibel schloss     Neugier, Risikobereitschaft und Engage-
mit 68 ein Theologiestudium mit Dokto-      ment voraus. Und die Vorlesungen tra-       Senioren-Universität Zürich :
rat ab und begann danach als Freiwilli-     gen zu einer differenzierten Weltsicht
ger in der Altersseelsorge zu arbeiten.     bei». Bei der heutigen Flut von Informa-    Jahresprogramm und Anmeldung:
«Das Spannende am Studium war, einem        tionen helfe hochstehendes Wissen auch      www.seniorenuni.uzh.ch
Thema auf den Grund gehen zu können,        dabei, die Qualität und die praktische
und die Zusammenarbeit mit jungen           Anwendbarkeit einer Information besser      Der Jahresbeitrag kostet 120 Fran-
Menschen.»                                  beurteilen zu können.                       ken, ein Einzeleintritt 10 Franken.
                                               Am Ende ihrer Vorlesung zu den «Me-      Der Mitgliederausweis gibt auch
Für eine differenzierte Weltsicht           gatrends» präsentiert Patricia Wolf vier    Zutritt zum Sportprogramm für
Bildung kennt keine Altersgrenzen. An       erhärtete Thesen aus ihrem Fachgebiet:      Senioren am Sportcenter Uni Irchel.
der Senioren-Universität sind 25 Mitglie-   «Es gibt weniger Gewalt und weniger
der über 90 Jahre alt, das älteste ist      Kriege; die Armut nimmt global ab;          Alle Seniorenuniversitäten in der
96-jährig. 134 Mitglieder sind älter als    Demokratien sind nicht am Untergehen,       Schweiz:
85. «Um das Gehirn auf Trab zu halten       sondern es kommen neue hinzu; Ge-           www.uni3.ch
und geistig fit zu bleiben, müssen im       sundheit, Bildung und Umweltqualität
Prinzip zwei Bedingungen erfüllt sein:      haben sich global verbessert.» Zukunfts-
sich selber immer wieder mit Neuem          forschung wolle den Blick auf die Welt      Volkshochschule Zürich:
herausfordern und soziale Kontakte pfle-    «entdrohlichen» und öffnen, sagt sie.
                                                                                        Vorlesungen, Lehrgänge, Kurse und
gen», sagt Mike Martin, Professor am        «Die Zukunft ist zwar nicht vorhersag-
                                                                                        Reisen. Kursprogramm:
Zentrum für Gerontologie.                   bar, doch sie ist gestaltbar!» 
                                                                                        www.vhszh.ch
   Martin ist Präsident der Senioren-Un-
versität. Bildung speziell für Senioren

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      Sonnmatt
      tut gut.

                                                                                 Gesund werden, gesund bleiben,
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18   Visit Sommer 2019
LEBENSART

                                                                               Mein Le
                                                                               Fü
                                                                                       ben
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                                                                                 Auf www.p
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                                                                               finden Sie zh.ch/visit
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                                                                                Generatio             ch
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Leben auf dem
Weg des Bogens
Wolfgang Herbrich (75), Deutscher mit österreichischen Wurzeln, ist vor
Jahren in der Schweiz gelandet. Der pensionierte Finanzfachmann liest viel
und betreibt Kyudo, die japanische Bogenschiesskunst.

Text: Robert Bösiger   Foto: Christian Roth

Drei Katzen sind es, die uns bei unserem Besuch          Gut erinnern kann er sich daran, dass der alte
in Zollikon empfangen. Der Hausherr Wolfgang          Stadtkern von Stuttgart komplett in Trümmern
Herbrich spricht im Verlaufe des Gesprächs ein-       lag. Die baden-württembergische Hauptstadt
mal davon, dass diese Katzen – es sind insgesamt      wurde bei den Luftangriffen im Zweiten Weltkrieg
vier plus Nachbars Tier – «Familienangehörige»        schwer getroffen. Bei 53 Angriffen der Alliierten
sind von ihm und seiner Frau Verena.                  sollen hier über 4500 Menschen getötet worden
                                                      sein.
Kriegs- und Sonntagskind
Wolfgang Herbrich ist ein Sonntagskind: Am 19.        Kaufmännische Laufbahn
März 1944 erblickt er in Stuttgart das Licht der      Wolfgang Herbrich möchte Archäologe werden.
Welt. Es herrscht Krieg: Am Tag seines Geburtstags    «Mit Begeisterung habe ich das Buch ‹Götter, Grä-
besetzen Einheiten der deutschen Wehrmacht Un-        ber und Gelehrte› gelesen.» Doch es kommt an-
garn. Und das Sonderkommando Adolf Eichmann           ders: «Im Gymnasium war ich zu faul, um mich
(der übrigens auf den Tag genau 38 Jahre älter ist    humanistisch bilden zu lassen – und flog raus.»
als Herbrich) beginnt sofort mit der Verfolgung und   Seine Mutter habe dann sinngemäss gesagt: «Du
Deportation der ungarischen Juden.                    hast nun zwei Möglichkeiten, mein Sohn: entwe-
   Die Eltern sind ursprünglich österreichische       der Strassenkehrer oder eine kaufmännische Aus-
Staatsangehörige, die vor Ausbruch des Krieges        bildung. Und weil ich fürs Strassenkehren noch
nach Deutschland gekommen sind. Weil Wien             weniger Talent hatte als für das andere, schlug ich
nach dem Krieg von den Sowjets besetzt ist, bleibt    diese Laufbahn ein.» Nach der Handelsschule ab-
die Familie lieber in Deutschland – und lässt sich    solviert er eine dreijährige Banklehre bei der
einbürgern. Es liegt auf der Hand, dass sich Wolf-    Dresdner Bank.
gang Herbrich nicht an den Krieg selber, sehr            1968 kommt Wolfgang Herbrich in die Schweiz,
wohl aber an die Nachkriegsjahre erinnern kann:       weil er bei der Bankgesellschaft in Zürich ein
«Das Haus, in dem wir wohnten, war eines der          Praktikum absolvieren kann. Da habe das Schick-
wenigen, die noch standen. Für uns Kinder waren       sal seinen Lauf genommen, meint er schmun-
die Ruinen in der nahen Umgebung ein ‹Idealzu-        zelnd: «Ich kam in die Goldhandelsabteilung. Da
stand›, da gab es viel zu entdecken.»                 blieb ich zwölf Jahre hängen.»
                                                                                                      >>

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20         Visit Sommer 2019
LEBENSART

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   Dann wechselt er einige Male innerhalb der           Vor gut zwanzig Jahren kommt Wolfgang Her-
Branche seine Jobs, klettert die Karriereleiter      brich eher zufällig zum Kyudo. Seine Frau findet
hoch. 1984 lernt er Verena Schumacher kennen.        heraus, dass es in Zollikon jemanden gibt, der
Zehn Tage später ziehen sie zusammen und hei-        diese japanische Bogenschiesskunst (siehe Box
raten. Gerade frisch verheiratet, fliegt Herbrich    auf Seite 23) betreibt und der bereit ist, ihn als
für zwei Jahre nach Kuwait, wo er bei der Ahli       «Schüler» aufzunehmen. Wolfgang Herbrich geht
Bank of Kuwait als Devisenhändler arbeitet. Seine    schnuppern – und bleibt hängen.
Frau wohnt derweil in der Schweiz.                      Mittlerweile ist er ein Kyudoka und seit Jahren
   Nach seiner Rückkehr bleibt er der Finanz-        dabei, diese Kunst zu perfektionieren. Befragt
branche treu – bis zur Pension Anfang 2006. Die      man ihn nach dem Warum, sagt er: «Früher habe
letzten Jahre ist er nicht mehr an der Front, son-
dern «in der Linie». Als Risk Manager, im Depart-
ment Head Finance und Head Legal, Compliance                  «Es ist sehr angenehm,
& Administration bei der SLB Commercial Bank
– einem grossen russischen Bankinstitut.
                                                              dass man das Ziel nicht
                                                                   treffen muss.»
Sportliche Kunst mit Pfeil und Bogen
Wolfgang Herbrich fühlt sich in der Schweiz mitt-
lerweile gut akzeptiert. Mittlerweile? «Ja, in den   ich Squash gespielt – schlecht. Dann bin ich Ski
späten 1970er und 1980er Jahren war man als          gefahren – noch schlechter. Ich bin einer der
Deutscher zuweilen schon etwas unwillkommen.»        unsportlichsten Leute. Und ich kann nicht mal
Er habe allerdings nie speziell darunter gelitten,   jassen.»
sagt er. Heute ist Herbrich noch immer deutscher        Aber das Bogenschiessen habe ihm immer ge-
Staatsbürger, «aber die Schweizer Staatsbürger-      fallen – auch weil es nicht kompetitiv sei, also
schaft befindet sich in Kontemplation – also vor-    weder Wett- noch Kampfsport. «Der einzige Geg-
bereitet, aber noch nicht eingereicht.»              ner ist man selber», sagt Herbrich. Und schön sei

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                                                        Der Kurs «mobil sein & bleiben» vermittelt Ihnen, wie Sie gut in-
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                                                        ren und sich sicher im öffentlichen Raum zu bewegen. Die Kurse
                                                        sind kostenlos. Weitere Informationen: www.zvv.ch/mobilsein

          unterwegs!                                    Die nächsten Kurse (*13.30–17.00 Uhr/**8.30–12.00 Uhr)
                                                         6. Juni Bassersdorf**, Bistro pace e bene, Äussere Auenstr. 3
                                                         5. Sept.Zollikerberg*, «Geresaal», Quartiertreff, Binzstr. 10
                                                        19. Sept.Elgg*, Singsaal Primarschule im See, Seegartenstr. 21
                                                        27. Sept.Hinwil*, Alters- und Pflegeheim Hinwil, Haus Schätti,
                                                                 Raum Bachtel, Dürntnerstr. 12
                                                         3. Okt. Bonstetten*, Kath. Kirchgemeindehaus, Stallikerstr. 2
                                                         9. Okt. Dielsdorf/Steinmaur*, Gemeinschaftsraum Senioren-
                                                                 wohnungen, Leuenpungertstr. 3, Dielsdorf
                                                        17. Okt. Marthalen*, Feuerwehrlokal, Im Fleudebüel 10

                                                        Anmeldung (bis 14 Tage vor dem Kurs)
                                                        contact@zvv.ch, 0848 988 988

                                                        Partner:

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gehirntraining

        «TIERISCHES»
      GEHIRNTRAINING
         FÜR SENIORINNEN UND SENIOREN
LEBENSART

Wolfgang Herbrich als junger Finanzfachmann bei
einem Ausflug nach Saint-Tropez (oben) und bei der
Hochzeit mit Verena Schumacher im Dezember 1984
(rechts).

auch, dass man mit Kyudo gut älter werden kann.        willig engagieren kann – unter anderem in Verei-
Zudem: «Es ist sehr angenehm, dass man nicht           nen. Selber hat er es nach seiner Pension getan,
treffen muss.» Viel wichtiger sei der Stil.            als Gutsverwalter in der Kirchenpflege der Evan-
                                                       gelisch-reformierten Kirchgemeinde Zollikon.
Kyudo, Kochen und Katzen                                  Neben Kyudo und dem Kochen sowie der
Wolfgang Herbrich ist zufrieden mit seinem             Betreuung der Katzen liest er gern und viel: Bio-
Leben, wie er sagt. Und: «Wir haben ein unglaub-       grafien, Kunst, vergleichende Religionsgeschichte,
liches Glück, in der Schweiz leben zu können,          Militaria, internationale Literatur… Von sich sel-
obwohl natürlich auch nicht alles Gold ist, was hier   ber sagt er: «Ich bin ein ausgesprochen neugieri-
glänzt.» Schön findet er zudem, dass man sich frei-    ger Mensch.»
                                                          Nun schmiegt sich wieder eine der Katzen um
                                                       die Beine von Wolfgang Herbrich. Er hat diese Tie-
                                                       re gern und sagt über sie: «Sie sind anspruchsvoll,
  Was ist Kyudo?                                       kapriziös und gerne etwas manipulativ. Ohne sie
                                                       gehts auch nicht.»
  Kyudo ist die seit dem 16. Jahrhundert ausge-
  übte Kunst des japanischen Bogenschiessens.
  Übersetzt heisst Kyudo etwa so viel wie «Weg                   INSERAT
  des Bogens». Kyudo hat sich aus den Kriegs-
  künsten des japanischen Adels entwickelt.
  Besonders auffällig sind der langsame Bewe-                        Brockenhaus, Abholungen und
  gungsablauf und die bei Zeremonien traditio-                       Räumungen, Reparatur-Service für
  nelle Bekleidung sowie die asymmetrischen
  Bogen. Geschossen wird meist mit Bogen und
                                                                     Elektro-Geräte, PC-Werkstatt
  Pfeilen, die aus Bambus hergestellt sind. In der                   (Verkauf und Support)
  Schweiz existieren etwa zwanzig Clubs und ein                      Öffnungszeiten: Mo – Fr 10.00 –18.30 Uhr | Sa 10.00 –17.00 Uhr
  nationaler Verband.
  Kyudo können Frauen und Männer von früher
  Jugend bis ins höhere Alter betreiben.
  www.kyudo.ch                                                                  Hohlstrasse 489 | 8048 Zürich
                                                                                Tel. 043 336 30 00 | www.archezuerich.ch

                                                                                                          Visit Sommer 2019           23
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