FACTSHEET - Informationsstelle Militarisierung (IMI)
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FACTSHEET April 2021 KLIMA & KRIEG Militär, Klima und Krieg Der Klimawandel als eine zentrale, die „Misslingt die Begrenzung der CO2-Emissionen, steht eine Zukunft der Menschheit bedrohende weitere Katastrophe, von der allerdings weitaus weniger die Gefahr, berührt eine ganze Reihe von As- Rede ist, ebenso fest: Auf lange Sicht würde das Versagen pekten. Zu wenig Beachtung wird dabei nicht nur Klimaschocks bewirken, sondern auch weltweit zumeist der problematischen Rolle des Instabilität, Aufruhr und Kriege.“ Militärs geschenkt – sowohl in seiner Michael Klare: All Hell Breaking Loose, New York 2019. Rolle als wichtiger CO2-Emmittent als auch in seiner Funktion, als gewaltsame „Rückversicherung“ der reichen Staaten, „Eine umgehende Überprüfung nationaler wie internationaler die absehbaren Folgen des Klimawandels militärisch zu „bewältigen“, sollten da- Sicherheitsstrategien ist erforderlich, um das Potenzial für Trup- durch ihre Interessen bedroht werden. Zu penreduzierungen auszuloten – und um damit auch CO2-Emis- allem Überfluss verschlingt der militäri- sionen zu reduzieren […]. Dazu sollte gehören […] eine Neu- sche Bereich auch noch Unsummen, die bewertung der Politik aus einer perspektive menschlicher, statt einen wichtigen Beitrag zur Prävention nationaler Sicherheit, die Ressourcen neu auf die Bekämpfung der und zur Bewältigung der Folgen des Kli- Ursachen für Unsicherheit ausrichtet, einschließlich Armut, Un- mawandels beitragen könnten. Eine dras- gleichheit, Gesundheit und Umweltverschmutzung.“ tische Reduzierung oder gar Abschaffung Stuart Parkinson / Linsey Cottrell: Under the Radar: Europe’s des Militärs würde demzufolge auch dem military sectors dodge scrutiny under European Green Deal, Klima in gleich mehrfacher Hinsicht gut CEOBS/SGR/The Left, Februar 2021. tun! Herausgegeben in Kooperation mit: www.imi-online.de www.naturfreunde.de
Eskalationstreiber Klimawandel Klima - Armut - Krieg Der Klimawandel hat erhebliche Auswirkungen auf die Frage von Krieg und Frieden: Selten dürfte er die Die CO2-Sünder der Welt alleinige Ursache bewaffneter Auseinandersetzungen 100.000 t/Jahr Gesamtanteil % t/pro Kopf darstellen, hier spielen v.a. Machtpolitik, Rüstungs- 11535200 31,38 China 8,12 exporte und nicht zuletzt Armut die zentralen Rol- 5107261 13,89 USA 15,52 len. Dies kann aber den gefährlichen Nährboden lie- 2597360 7,07 Indien 1,90 fern, auf dem sich der Klimawandel im schlimmsten 1792015 4,88 Russland 12,45 Fall als Brandbeschleuniger erweisen kann. 1153717 3,14 Japan 9,09 Schon 2007 hat der Wissenschaftliche Beirat der 702600 1,91 Deutschland 8,52 Bundesregierung Globale Umweltveränderungen eine fast 300seitige Studie namens „Sicherheitsrisi- 701986 1,91 Iran 8,51 ko Klimawandel“ veröffentlicht. In ihr wird Armut 651870 1,77 Südkorea 12,70 gleich im doppelten Sinne als zentrales Problem 625663 1,70 Indonesien 2,32 identifiziert: Als wesentlicher Faktor, der zur gewalt- 614607 1,67 Saudi-Arabien 18,00 samen Eskalation von Konflikten beiträgt. Und als 69,32 % der gesamten CO2 -Emissionen Faktor, der Gesellschaften massiv beeinträchtigt, mit 3239480 8,81 Europa ohne Russland und Deutschland den Folgen des Klimawandels umgehen zu können. 1491166 4,06 Südasien ohne Indien Die Lösung liegt für die WBGU-Forscher auf der 1402399 3,82 Afrika Hand: Eine Umschichtung weg von Rüstung hin 1385908 3,77 Naher Osten ohne Saudi-Arabien, Iran zur Armutsbekämpfung! 1159341 3,15 Südamerika „Der Klimawandel wird in vielen Ländern und 621971 1,69 Mi�elamerika Regionen, die bereits heute durch hohes Bevölkerungs- 585383 1,59 Nordamerika ohne USA wachstum, große Bevölkerungsdichte und Armut 496025 1,35 Ozeanien charakterisiert sind, zusätzlich die Ressourcenknapp- 494719 1,35 Zentralasien heit verschärfen und somit die Konfliktgefahr erhöhen. 400175 1,09 Ostasien ohne Japan, China, Südkorea [...] Die Militärhaushalte sollten deutlich zugunsten 30,68 % der gesamten CO2 -Emissionen präventiver Maßnahmen der Entwicklungszusammen- Daten aus: Europäische Komission, Joint Research Center, Fossil CO2 emission of all world countries, Report 2020. arbeit umgeschichtet werden. [...] Dagegen erwartet Daten von 2019. Nicht berücksichtigt sind in der Darstellung der internationale Flug- und Schiffsverkehr die zusammen ca. 3,8 zusätzliche Prozentpunkte bedeuten, womit der Anteil Chinas z.B. auf 30,3% an der Gesamtemission sinken würde. der WBGU im Fall des Scheiterns der Klimaschutz- bemühungen etwa ab 2025–2040 klimainduzierte Sicherheitsrisiken in den Weltregionen.“ Unter den TOP 20! Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung. CO2-Ausstoß des US-Militärs Globale Umweltveränderungen: Welt im Wandel: Sicherheitsrisiko Klimawandel, Berlin 2007 376,6 Mio t Jahr Gesamt Ø 2000-2017 Pentagon Militär: Größter staatlicher davon: US-MILITÄR Klimasünder davon: Rüstungsindustrie Das US-Militär hat zwischen 77 und 80 Prozent des Zum Vergleich: Gesamtausstoß des gesamten Energieverbrauches zu verantworten, der Vereinigten Königreichs 2019: 364 Mio t aus Regierungstätigkeit der US-Zentralregierung (Platz 17 der weltweiten CO2-Emi�enten entsteht. Für andere NATO-Länder mit ähnlich Quelle: Neta C. Crawfort, Pentagon Fuel Use, Climate Change, and the Costs of War, Brown University, 13.9.2019. föderalen Strukturen ist dieser Anteil vergleichbar Ein US-Alleinstellungsmerkmal besteht in den ca. 15% der dortigen In- erschreckend hoch. Für Kanada wurde ein entspre- dustrieproduktion für das Militär und der dementsprechenden wohl auf chender Anteil von 60% ermittelt. Auch in Deutsch- diesem Niveau liegenden CO2-Emissionen. Das Pentagon selbst blies zwi- land ist die größte Institution auf Bundesebene ge- schen 2000 und 2017 im Schnitt 70 Mio. Tonnen CO2 (MtCO2e) in die messen an Personalstärke (militärisch und zivil) die Luft. Dabei ging der Verbrauch in den letzten Jahren zwar auf 59 Mio. Bundeswehr, die auch gemäß Bundeshaushalt etwa Tonnen im Jahr 2017 zurück, was aber immer noch über dem Gesamtni- 50% der „Dienstleistungen“ von Bundesbehörden veau von Industriestaaten wie etwa Schweden liegt. Doch das ist ohnehin erbringt. Damit kann man davon ausgehen, dass nur die Spitze des Eisbergs: Es ist vor allem die Rüstungsindustrie, die mit durchschnittlich grob geschätzt noch einmal über 300 Mio. Tonnen den auch weit über 50% der CO2-Emissionen durch Löwenanteil ausmacht. Zusammengerechnet reihen sich damit US-Militär Bundesinstitutionen von der Bundeswehr und de- und US-Rüstungsindustrie unter den Top 20 der weltgrößten staatlichen ren Verwaltungsorganen verursacht werden. CO2-Emittenten ein.
Klaffende Diskrepanz „Emissionen aus internationalen CO2-Emissionen und das europäische Militär Einsätzen der Bundeswehr unter Angaben gegenüber UNFCCC Realistischere Werte NATO- oder UN-Mandat werden in k.A. Frankreich 8,38 den deutschen Emissionsinventaren 0,75 Deutschland 4,53 nicht erfasst, sondern als Memo-Items 0,34 Italien 2,13 0,15 Niederlande 1,25 als ‚not estimated‘ (NE) vermerkt.“ 0,45 Spanien 2,79 Nationaler Inventarbericht zum 4,52 EU-27 24,82 Deutschen Treibhausgasinventar 2019 Angaben in Mio t CO2. Links UNFCCC-Daten von 2018, rechts Berechnungen einschließlich Einsätzen und Industrie für 2019. Quelle: Stuart Parkinson/Linsey Cottrell: Under the Radar: Europe’s military sectors dodge scrutiny under European Green Deal, CEOBS/SGR/The Left, February 2021. Grafik: IMI 2021 CO2-Emissionen und das Militär: Deutschland und Europa Gemäß der UN-Klimarahmenkonven- geklammert sind aber Emissionen aus von der Bundesregierung beschlossenen tion (UNFCCC) erstellen alle Länder der Rüstungsproduktion und den Aus- Klimaschutzprogramm 2030 die Bun- jährlich eine detaillierte Aufstellung ihrer landseinsätzen, die mittlerweile als das deswehr überhaupt nicht auftaucht. Lei- CO2-Emissionen. Diese sollen jeweils politisch so definierte „Kerngeschäft“ der der müssen verlässlichere Schätzungen mit Hinweisen für angestrebte Reduk- Bundeswehr anzusehen sind. Sie dürften aufgrund der fehlenden Datenlage vie- tionsziele auf nationaler Ebene versehen deshalb deutlich über dem offiziellen les unberücksichtigt lassen. Die bislang werden. Im Falle Deutschlands sind zwar Wert liegen. Auf diese Weise werden wohl beste Annäherung findet sich in Angaben zu den im Inland entstehenden die CO2-Emissionen der Bundeswehr der Studie „Under the Radar“ von Stuart Emissionen des Militärs vorhanden, sie klein gerechnet. Nicht verwunderlich ist Parkinson und Linsay Cottrell. liegen offiziell unter 1 Mio. t CO2. Aus- deshalb auch, dass in dem Ende 2019 Berichtspflichten: „Es ist kein Zufall, dass die militärischen Emissionen der USA in Studien zum Klimawandel eher ‚übersehen‘ werden, da es re- Leerstelle Militär lativ schwierig ist, konsistente Daten vom Pentagon und von den US-Regierungsbehörden zu erhalten, so die Forscher. Tatsächlich bestanden die Vereinigten Staaten sogar auf einer Ausnahmere- „Das wichtigste wäre erst einmal, dass das Militär mehr Daten gelung für die Meldung militärischer Emissionen im Kyoto-Pro- über den Treibstoffverbrauch und die CO2-Emissionen veröf- tokoll von 1997. Dieses Schlupfloch wurde zwar durch das Pari- fentlichen muss. Jede militärische Operation verursacht CO2- ser Abkommen geschlossen, aber mit der Trump-Administration, Emissionen. In der Debatte um Militäreinsätze und Kriege die sich 2020 aus dem Abkommen zurückziehen wird, wird sich müssen dann diese ökologischen Kosten eine große Rolle spielen.“ auch diese Lücke wieder auftun.“ Oliver Belcher, Durham University, NDR, 5.8.2020 Telepolis, 26. Juni 2019
M I L I TÄ R : Die falsche Ausgabe 2021 Nur eine Richtung: Aufwärts! 2020 46,9 Ausgaben für die Bundeswehr 45,2 .€ 2018 Mrd 38,5 2016 34,3 2014 32,5 2010 31,1 2006 2000 27,8 24,3 Angaben in Mrd. €, 2021 inkl. Corona-Beihilfen. Quelle: BMVg. IMI-Grafik 2021, PZH von Quistnix, CC, Wikimedia Klimawandel: Kosten Deutschland verursachte vor der Corona-Pandemie jährlich etwas unter 900 „Noch vor einigen Jahren nahm das Umweltbun- Mio. t CO2. Umgerechnet ergeben diese Emissionen einen Wert von ca. 11 desamt an, dass die Vermeidung von CO2 Deutsch- t CO2 pro Einwohner. Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes verur- land vier Milliarden Euro pro Jahr kosten werde. sacht jede Tonne CO2 Umweltschäden von 180 €, pro Kopf entstehen da- Ex-Weltbank-Ökonom Nicholas Stern glaubt gar, mit jährlich etwa 2000 € Kosten durch CO2-Emissionen. Zum Vergleich: Die dass eine Begrenzung des Temperaturanstiegs nur Rüstungsausgaben von 53 Mrd. € nach NATO-Kriterien im Jahr 2021 verur- möglich sei, wenn die Staaten jährlich zwei Pro- sachen pro Kopf ca. 640 € Kosten. Demgegenüber verblassen die Budgets des zent der Wirtschaftsleistung für Klimaschutz aus- Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU, 2021: geben.“ Wirtschaftswoche 15. April 2013 2,6 Mrd. €) oder des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ, 2021: 12,4 Mrd. €). Literatur Nach Meinung des Ex-Weltbank-Ökonoms Nicolas Stern ist eine Begren- Andres, Jacqueline: Krieg und Klima, IMI- zung des globalen Temperaturanstiegs nur möglich, wenn die Staaten jährlich Analyse 2020/34 zwei Prozent der Wirtschaftsleitung für Klimaschutz ausgeben. Zum Vergleich: Peil, Karl-Heinz: Klimawandel und militäri- Führende deutsche Politiker bekennen sich zum NATO-Aufrüstungsziel auf sche Planungen, IMI-Analyse 2020/04 zwei Prozent der Wirtschaftsleistung. Peil, Karl-Heinz: Das Militär: Tödlich auch für Umwelt und Klima, Die Linke im Bun- destag, Februar 2020 Werner, Marc: Das US-Militär: Auf Kriegs- Bundeshaushalt: Prioritäten gesetzt BMVg fuß mit dem Klima, IMI-Studie 2019/7 BMZ BMU 53 Mrd. € Herausgeber des Factsheets Klima und Krieg sind die Informationsstelle Milita- risierung (IMI) e.V., Hechinger Str. 203, 12,4 Mrd. € 2,6 Mrd. € 72072 Tübingen und die NaturFreun- BMVg: Bundesministerium der Verteidigung de Deutschlands e.V., Warschauer Str. BMZ: Bundesministerium für wirtscha�liche Zusammenarbeit und Entwicklung 58a/59a, 10243 Berlin. BMU: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit Quelle: BMVg nach NATO-Kriterien, BMZ und BMU nach Haushaltsgesetz 2021
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