Fakten, Fakten, die Schweiz und der Kaffee - ZHAW
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to go Fakten, Fakten, die Schweiz und der Kaffee Text: Ernst Knuchel Über 4,5 Milliarden Franken erwirtschaftet die Schweiz mit Kaffee – das ist ein Fakt. Unser Autor Ernst Knuchel ging für uns auf die Suche nach der Bedeutung des Kaffees für die Schweizer Wirtschaft. MANCHE DINGE SIND für „Herrn analysiert und quantifiziert, das wollte portgut der Schweiz geworden, noch vor und Frau Schweizer“ ganz selbstver- ich ändern,“ erklärt Dr. Chahan Yeret- Schokolade oder Käse. Die Schweiz ist ständlich, zum Beispiel die tägliche Tasse zian sein Interesse an der Bachelorarbeit zudem in der Kaffeemaschinenherstel- Kaffee am Morgen nach dem Aufstehen. von Regula Heiniger. Das wichtigste Re- lung im Bereich Vollautomaten führend. Doch wie wichtig ist der Kaffee, neben sultat vorweg: Die Wertschöpfung von Und was den Kaffeekonsum betrifft, sind dem Genuss, für eine Nation? Dr. Cha- Kaffee beträgt in der Schweiz knapp ein die Schweizer spitze. Mit neun kg Kaffee han Yeretzian von der Zürcher Hoch- Prozent des Bruttoinlandproduktes. Was pro Kopf und Jahr liegen sie auf Platz schule für Angewandte Wissenschaften nach einer einfachen und schnellen Ant- zwei des weltweiten Kaffeekonsums. in Wädenswil (ZH) wollte es genau wis- wort klingt, hat in Tat und Wahrheit viel sen. In Zusammenarbeit mit der Schwei- Recherchierarbeit erfordert. Die auf- Bei ihrer Bachelorarbeit ist Regula Hei- zerischen Hochschule für Landwirtschaft wändige Studie wurde im Rahmen einer niger von drei besonders wichtigen Be- SHL in Zollikofen (BE) initiierte er die Bachelorarbeit realisiert, die den Ab- reichen der Wertschöpfungskette in der Bachelorarbeit „Wirtschaftsfaktor Kaf- schluss eines dreijährigen Studiums dar- Schweiz ausgegangen. Es sind dies die fee“. Regula Heiniger, Absolventin des stellt sowie einen zweimonatigen Au- Rohkaffeehändler, die Kaffeeröstereien Bachelorstudiengangs „Food Science & fenthalt in Nicaragua mit einschliesst. und die Kaffeemaschinenhersteller. Management“, hat die Arbeit geschrie- ben und damit als Erste die Wertschöp- Um den Stellenwert des Schweizer Kaf- BEI DEN ROHKAFFEEHÄNDLERN ist fungskette des Kaffees in der Schweiz er- feemarktes besser zu verstehen, hier ei- es besonders interessant, wenn man die forscht. Ihre Resultate, die auch dank der nige Fakten: 70 bis 80 Prozent des welt- Schweiz auf der Landkarte betrachtet Unterstützung der SCAE Schweiz zu- weiten Handels mit Rohkaffee, das ent- und die Standorte der Firmen etwas ge- stande gekommen sind, sind verblüffend. spricht mehr als 130 Millionen Sack, wer- nauer unter die Lupe nimmt. Würde den über die Schweiz abgewickelt. Effek- man alle besuchen, ergäbe dies eine „Die Schweiz ist bekannt für ihre hoch- tiv importiert die Schweiz davon knapp „Tour de Suisse der Rohkaffeehändler“. wertige Kaffeeindustrie und die innovati- 1,8 Millionen Sack, wovon etwas mehr als Von Winterthur (Volcafé) führt die Reise ven Produkte, doch noch nie hat jemand 600.000 Sack wieder exportiert werden. zu den Giganten in Zug (Bernhard Rot- die Wertschöpfungskette grundlegend Damit ist der Kaffee zum wichtigsten Ex- hofs Intercafé, Taloca und Strauss), um 48 crema Magazin Schweiz
Rohstoffhändler Gehandelte Menge; in 1.000 in Tonnen /Jahr Tonnen Bernhard Rothfos Intercafé AG, Zug 750.000 (50 % in CH) 600 bis 800 Volcafé Ltd (ED & F Man), Winterthur 720.000 Taloca (Kraft Foods), Zug 660.000 Ecom Trading, Pully 630.000 Nestlé, Vevey 600.000 Decotrade (Sara Lee), Zug 480.000 100 bis 599 Louis Dreyfus Commodities, Genf 420.000 Strauss Commodities, Zug 192.000 Sucafina, Genf 180.000 Starbucks, Lausanne 150.000 Cofiroasters (Segafredo Zanetti), Genf 90.000 20 bis 99 Blaser Trading AG, Bern 37.500 Walter Matter SA, Genf 37.500 Deubler, Zürich 37.500 Kopp, Luzern 37.500 dann in Richtung Bern weiter zu fahren ofen. An diesen drei (Blaser Trading). Von Bern geht es weiter Standorten rösten Nes- in die Westschweiz nach Pully (Ecom) presso (über 40.000 Ton- und Vevey (Nestlé), bevor man einen nen), Delica (14.000 Ton- letzten Abstecher nach Genf macht. Dort nen) und die Schweizeri- trifft man auf Sucafina und Louis Drey- schen Kaffeeröstereien fus. Die Gründe für die überragende und (10.000 Tonnen) ihre dominante Rolle der Schweiz im Bereich Rohkaffeebohnen. Wobei Röster Verarbeitete Menge in Tonnen Kaffeetrading dürften folgende sein: Oft sich in jeder Region eine Rohkaffee Tonnen/Jahr wird gesagt, dass es steuerrechtliche etwas grössere Kaffeerös- Nespresso, Paudex ca. 40.000 10.000 bis 40.000 Gründe sind. Dies mag stimmen, aber terei etabliert hat: Im Tes- Delica AG (Migros), Birsfelden ca. 14.000 die Infrastruktur und die exzellenten Ar- sin „Chicco d’Oro“, in der Schweizerische Kaffeeröstereien AG, Zollikhofen ca. 10.000 Haco, Gümligen ca. 3.000 bis 8.000 3.000 bis 9.999 beitsbedingungen, die Nähe zu den Ban- Westschweiz „La Semeu- ken, Versicherungen, Reedereien und se“, im Zentrum der Nestlé, Orbe (Dolce Gusto, Nescafé) ca. 3.000 bis 8.000 Spediteuren, sind weitere wichtige Argu- Schweiz (Bern) „Blaser“. Caffè CHICCO D’oro, Balerna ca. 3.000 bis 6.000 mente. Und da man von der Schweiz aus Zudem gibt es minde- Blaser Cafè AG, Bern ca. 1.000 bis 2.000 400 bis 2.999 La Semeuse, La Chaux-de-Fonds 1.000 am Morgen mit Asien, am Nachmittag stens 40 kleine Rös- Illycafé, Thalwil 600 mit Amerika und den ganzen Tag mit tereien, die im Wallis, im Rast Kaffee, Ebikon ca. 600 Afrika handeln kann, ist der Standort Bündnerland und in den Kolanda AG, Allschwil ca. 500-1000 Schweiz für viele Kaffeetrader perfekt. Regionen Bern, Basel, Cafés Cuendet Torréfaction SA, Crissier ca. 400 bis 600 Zürich, St. Gallen und Carasso-Bossert SA, Satigny (inkl. Cafipro) ca. 400 bis 600 Der zweite wichtige Bereich bei der Glarus verteilt sind. Hemmi & Baur AG, Zürich ca. 400 bis 600 Wertschöpfungskette in der Schweiz Welch gigantische Men- Hochstrasser AG, Littau ca. 400 bis 600 sind die Kaffeeröstereien. Wer hier einen gen in der Schweiz ge- LA Maison du Café Trottet SA, Meyrin ca. 400 bis 600 Blick auf die Landkarte wirft, stellt fest: röstet werden, wird ei- Moka Efti, Mendrisio ca. 400 bis 600 Die Röstereien sind dicht über die ganze nem bewusst, wenn man O. Aeberhard AG, Bern ca. 400 bis 600 Schweiz verteilt. Und es gibt drei ganz die Produktionsmenge Turm Handels AG, St. Gallen (inkl. Bogen) ca. 400 bis 600 grosse: Paudex, Birsfelden und Zollik- des „crema Röster des crema Magazin Schweiz 49
to go Kaffeemaschinenhersteller Gesamtumsatz in Mitarbeiter Klassifizierung Mio. CHF in CHF Professionelle Kaffeemaschinen Franke Kaffeemaschinen AG, Aarburg 160 210 > 150 Mio. CHF Schaerer, Zuchwill ca. 100 270 > 100 bis 150 Mio. CHF Thermoplan, Weggis ca. 100 170 Cafina (Melitta), Hunzenschwil > 1 bis 99 Mio. CHF Egro Coffee Systems, Niederrohrdorf – > 90 HGZ Maschinenbau, Zürich 26 ca. 80 Haushaltskaffeemaschinen 482 > 150 Mio. CHF Eugster/Frismag AG, Amriswil 1.100 Jura, Niederbuchsiten 373, 51 (nur CH) CH: 282 Saeco, Oensingen 445,2 ca. 2.000 insges. Nespresso, Paudex 220 – Jahres 2010“, Rast Kaffee in Ebikon, be- drei grössten Anbieter sind „Franke Kaf- FAKTOR stellt nun der Kaffee in der trachtet. „Rast“ gehört zu den erfolg- feemaschinen AG“, mit einem geschätz- Schweiz effektiv dar? Wenn man einzig reichsten Kleinröstern unseres Landes ten Umsatz von 160 Millionen Franken die reine Wertschöpfung betrachtet, so und verarbeitet geschätzte 600 Tonnen im Jahr, „Schaerer AG“ mit rund 100 erwirtschaften die Banken gemäss einer Kaffee im Jahr. Daraus lassen sich pro Millionen und „Thermoplan“ mit eben- Studie der „Credit Suisse“ aus dem Jahre Tag rund 75.000 Tassen Kaffee zuberei- falls rund 100 Millionen Umsatz im Jahr. 2009 circa neun Prozent und die Phar- ten. Im Vergleich dazu röstet Nespresso Bei den Haushaltskaffeemaschinen fällt maindustrie rund vier Prozent davon. Die nochmals 65-mal mehr. auf, dass „Nespresso“ mit rund einer Nahrungsmittelindustrie (ohne Kaffee) Million verkaufter Geräte im Jahr und ei- erwirtschaftet ihrerseits knapp 1,5 Pro- BEI DEN KAFFEEMASCHINENHER- nem Umsatz von 220 Millionen trotz al- zent. Wird jedoch die ganze Kette vom STELLERN, die zum dritten grossen Be- lem nur auf Platz vier liegt. „Jura“ mit Rohkaffeehandel bis zum Absatz an den reich der Wertschöpfungskette von Kaf- 373 Millionen, „Saeco“ mit 445 Millionen Endkonsumenten berücksichtigt, so sind fee in der Schweiz zählen, hat vor allem und die „Eugster/Frismag AG“ mit 482 es rund 4,67 Milliarden Franken, welche die vor rund 40 Jahren entwickelte Voll- Millionen Umsatz im Jahr verzeichnen die Kaffeebranche, gemäss der 60-seiti- automatentechnologie für Furore ge- deutlich höhere Umsatzzahlen. Rein gen Bachelorarbeit von Regula Heiniger, sorgt. In den 90er Jahren mündete das geografisch sind die meisten Firmen üb- in der Schweiz erwirtschaftet. Eine ein- Ganze gar in einen wahren Espresso- rigens entlang der Strecke Zürich – Bern drückliche Zahl, die immerhin einem Boom und einen entsprechend hart um- angesiedelt. Fast schon wie Perlen an ei- knappen Prozent des gesamten Brutto- kämpften Markt. Dafür sind die hiesigen ner Kette sind diese an der Autobahn inlandproduktes der Schweiz entspricht. Kaffeemaschinenhersteller nach wie vor aufgereiht. Was dazu führt, dass man in den Bereichen Marketing, Design und sich in dieser Branche gut kennt. Manch Die Kaffeebranche dürfte aufgrund die- Entwicklung von Kaffeemaschinen welt- einer hat in seiner beruflichen Laufbahn ser erstmals eruierten Zahlen eine der weit führend. Swissness ist in vielen Ex- schon für mehr als eine der Firmen ent- am meisten unterschätzten Branchen der portländern zudem ein wichtiges Ver- lang der Autobahn gearbeitet. Daneben Schweiz sein. Was sich auch darin zeigt, kaufsargument und so wundert es nicht, gibt es weitere Unternehmungen in der dass Bund und Kantone sich im Verhält- dass Firmen wie Starbucks, McDonalds, Umgebung von Zürich und in der Nähe nis zur Wertschöpfung, den Kaffee in der Burger King, Subway und auch grössere des Bodensees. Schweiz generiert, nur in bescheidenem Hotelketten ihre Kaffeemaschinen aus Umfang an Aus- und Weiterbildungen in Schweizer Produktion beziehen. Die DOCH WELCHEN WIRTSCHAFTS - der Branche beteiligt. Hier besteht jedoch 50 crema Magazin Schweiz
grosser Bedarf. Zwar behauptet die Gold wert: Der Kaffee ist ein wichtiger Wirtschaftssektor der Schweiz und Schweizer Kaffeebranche die internatio- stellt inklusive der Maschinen etwa ein Prozent des Bruttoinlandproduktes. nale Spitzenposition im Moment noch, doch der Abstand der Wettbewerber wird kleiner. Ein Beispiel dazu: 2008 wurde die Schweizer Firma „Egro Coffee Sys- tems“ von der italienischen Firma Ranci- lio gekauft. Nun wird die Produktionsstät- te nach Italien verlegt und das Schweizer Know-how ins Ausland exportiert. Will die Schweiz auch künftig eine Spitzenpo- sition einnehmen, sind top ausgebildete Fachkräfte und Hochschulabsolventen im Bereich Kaffee dringend nötig. Es braucht bestausgebildete Arbeitskräfte und Forschung, um die Innovationen aufrechtzuerhalten sowie die Unterstüt- zung von Bund und Kantonen um die Attraktivität der Branche in der Schweiz zu erhöhen. Umso bewusster wird einem dies, wenn man realisiert, dass Kaffee ein deutliches Wachstumspotential besitzt. Denn die Nachfrage in Schwellenländern wie China, Indien und Russland nach Kaffeemaschinen, Kapselkaffee, Kaffee- Extrakten und löslichem Kaffee wird wei- ter zunehmen. Dazu Dr. Chahan Yeret- zian: „Die Kaffeebranche wird wachsen. Die Schweiz ist heute global in einer Spit- zenposition und bestens positioniert auch weiterhin ein sehr wichtiger Akteur dieses Wachstumssektors zu bleiben. Jetzt gilt es, die gute Ausgangssituation zu nutzen und nicht zu verspielen.“ Spannende Fakten zum Schweizer-Kaffeemarkt • 70 bis 80 Prozent des weltweit exportierten Rohkaffees werden über die Schweiz gehandelt. • Die Schweizer Gas- tronomie erwirtschaftet pro Jahr rund 2 Milliarden Franken mit Kaffee. • Das Pflichtlager, das eingeführt wurde, um die Landes- versorgung im Falle des Eintritts von Krieg, Naturkatastrophen und anderen Krisen sicherzustellen umfasst im Moment rund 13.500 Tonnen Rohkaffee. • „Herr und Frau Schweizer“ trinken ausser Haus: 35 Prozent Café Crème, 21 Prozent Espresso, 20 Prozent Cappuccino/Schale, 14 Prozent Latte macchiato und 10 Prozent Übrige. • Herkunft des Rohkaffees: 32 Prozent Brasilien, 18 Prozent Südamerika (ohne Brasilien), 21 Prozent Nord-/Zentralamerika, 21 Prozent Asien und Ozeanien, 7 Prozent Afrika und 1 Prozent Diverse. • Der grösste Kaffeeröster in der Schweiz ist Nespresso mit 40.000 Tonnen im Jahr. • Den grössten Umsatz mit professionellen Kaffeemaschinen generiert die Franke Kaffeemaschinen AG mit 160 Millionen Franken. crema Magazin Schweiz 51
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