Öffentliche Hand und ihre Unternehmen Mandanteninformation März 2016

 
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Öffentliche Hand und ihre Unternehmen Mandanteninformation März 2016
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Öffentliche Hand und ihre Unternehmen
  Mandanteninformation März 2016
Informationen zu aktuellen Rechtsentwicklungen

Vergaberecht
 Vergaberechtsreform 2016: Die wichtigsten Neuerungen im Überblick                                        3
 Neue Standardformulare für EU-Bekanntmachungen                                                           4
 Vorsicht bei nachträglich geforderten Unterlagen!                                                        4
 EuGH: Vergabespezifischer Mindestlohn ist europarechtskonform                                            5
 Geheimhaltungsbedürfnis kann isoliert Rechtsschutz gegen Akteneinsicht begründen                         6
 Auftragswertberechnung bei Architekten- und Ingenieursleistungen                                         7

Informationszugangsrecht/Vergaberecht
 Auskunftsanspruch für Ausschreibungsinformationen                                                        8
 Unbeschränkter Zugang zu Verwaltungsinformationen?                                                       9

Kartellrecht
 Konzessionsvergabe für kommunale Alarmübertragungsanlagen                                                10

Beihilfenrecht
 Bundesverfassungsgericht rüffelt Bundesverwaltungsgericht in Sachen Zweckverband Tierkörperbeseitigung   11
 Kommunale Förderung von Fahrradverleihsystemen – Ein Fall für „Brüssel“?                                 12

Compliance
 Korruptionsrisiko Schulfotograf                                                                          13

Organisationsrecht
 Die Kommunalanstalt – Jetzt auch in Baden-Württemberg möglich!                                           14

Umweltrecht
 Ist die Zeit für Präklusionsvorschriften abgelaufen?                                                     15

In eigener Sache
 Mit Vergaberecht-Award ausgezeichnet                                                                     16
 Vorträge und Veranstaltungen                                                                             17
 Veröffentlichungen                                                                                       19
 Presseschau                                                                                              19
Vergaberecht

Vergaberechtsreform 2016: Die wichtigsten Neuerungen im Überblick
Ab 18. April müssen die neuen Regelungen angewendet werden

Die Novelle des Vergaberechts bringt zahlreiche Änderun-        genommen. Die Regelungen der VOL/A, 1. Abschnitt blei-
gen und Neuerungen mit sich. Vor allem für Vergabever-          ben hingegen (vorerst) unverändert bestehen.
fahren oberhalb der EU-Schwellenwerte sind mit Inkraft-
treten der neuen Gesetze und Verordnungen zahlreiche            Elektronische Kommunikation
Veränderungen verbunden.                                        Künftig muss ein Vergabeverfahren in der Regel über eine
                                                                Online-Plattform geführt werden. Ab April muss zunächst
Neue systematische Struktur                                     nur die Veröffentlichung der Bekanntmachung und der
Das Vergaberecht erhält in weiten Teilen eine neue Struktur.    Vergabeunterlagen online erfolgen. Spätestens bis Okto-
Bislang waren im 4. Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbs-        ber 2018 müssen Vergabestellen für EU-weite Vergaben
beschränkungen (GWB) vor allem allgemeine Grundsätze,           auf vollständig elektronische Kommunikation inklusive
Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Vergaberechts         elektronischer Angebotsabgabe umstellen. Die Vergabe-
sowie Details zu Vergabenachprüfungsverfahren geregelt.         unterlagen müssen den Interessenten künftig frei zugäng-
Diese Vorschriften für Vergabeverfahren oberhalb der EU-        lich (ohne Registrierung) online zur Verfügung gestellt
Schwellenwerte wurden um zahlreiche detaillierte Rege-          werden. Vergabestellen haben hierdurch also zunächst
lungen zur Inhouse-Vergabe und interkommunalen Zusam-           keinen Überblick, welche Unternehmen sich für das Ver-
menarbeit, zur Eignung, zur Auftragsänderungen nach             gabeverfahren interessieren.
Vertragsschluss und ähnlichem erweitert.
                                                                Zuschlagskriterien und Bietereignung
Auch bei den einzelnen Verordnungen gibt es Änderun-            Vergabestellen haben mit den geänderten Regelungen
gen: Die Regelungen der VOL/A sind für Vergaben ober-           teilweise neue Möglichkeiten bei der Gestaltung eines Ver-
halb der Schwellenwerte vollständig entfallen. Die ent-         gabeverfahrens. So kann beispielsweise künftig frei zwi-
sprechenden Regelungen für die Vergabe von Liefer- und          schen dem offenen Verfahren und dem sog. nichtoffenen
Dienstleistungen finden sich nunmehr insbesondere in der        Verfahren gewählt werden. Damit kann im Bedarfsfall der
VgV. Gleiches gilt für die Regelungen der VOF, die bisher       Kreis der Unternehmen, die zur Angebotsabgabe aufge-
vor allem bei der Vergabe von Architekten- und Ingeni-          fordert werden, durch einen vorausgehenden Teilnahme-
eursleistungen relevant waren. Für Bauaufträge sind die         wettbewerb auf z.B. fünf Unternehmen begrenzt werden.
entsprechenden Regelungen hingegen weiterhin über-              Gleichzeitig wurden die Voraussetzungen, unter denen
wiegend in der VOB/A zu finden. Teilweise muss jedoch –         ausnahmsweise ein Verhandlungsverfahren zulässig ist,
beispielsweise im Zusammenhang mit der Ermittlung des           etwas erweitert.
Auftragswerts – auch die VgV herangezogen werden.
                                                                Auch bei der Ausgestaltung von Zuschlagskriterien bie-
Hinzu kommt eine neue Vergabeverordnung für Konzessi-           ten sich erweiterte Möglichkeiten. Soziale und umwelt-
onen, die erstmals einheitliche Regelungen für die Verga-       bezogene Zuschlagskriterien müssen sich bei der Wirt-
be von Bau- und Dienstleistungskonzessionen trifft.             schaftlichkeitsbetrachtung nicht mehr zwangsläufig auf
                                                                den eigentlichen Leistungsgegenstand beziehen. Auch die
Für Aufträge unterhalb der Schwellenwerte wurden hin-           Qualifikation von Personen, die in die Leistungserbrin-
gegen lediglich im Bereich der VOB/A Anpassungen vor-           gung einbezogen werden, darf unter bestimmten Voraus-

                                                     Menold Bezler Rechtsanwälte – Öffentliche Hand und ihre Unternehmen, März 2016   3
setzungen als Zuschlagskriterium ausgestaltet werden.                     rungen bringen dabei neue Handlungsmöglichkeiten aber
                                                                          auch Fallstricke im Verfahren mit sich.
Die Regelungen zur Eignung der Unternehmen haben sich
teilweise gravierend geändert. Eine wesentliche Änderung                  Dr. Beatrice Fabry, Rechtsanwältin
ist die Einführung der sog. Einheitlichen Europäischen Ei-                Dr. Frank Meininger, Rechtsanwalt
generklärung, die künftig bisher als vorläufiger Nachweis
der Eignung dient. Damit sollen Bieter zunächst mit Ange-                     Veranstaltungshinweis:
botsabgabe nicht verpflichtet sein, detaillierte Nachweise                    Das Vergaberecht-Team von Menold Bezler stellt Ih-
vorzulegen. Die Eignungsprüfung im Detail kann dadurch                        nen die wichtigsten Änderungen und Neuerungen vor:
im offenen Verfahren regelmäßig auf das für die Zuschlags-                    7. April 2016, ab 9.30 Uhr, Stuttgarter Vergabe-
erteilung vorgesehene Unternehmen beschränkt werden.                          rechtstage: Das neue Vergaberecht
                                                                              Sparkassen-Akademie-Stuttgart
Vergabestellen und Bieter müssen sich bei Vergabeverfah-
ren, die nach dem 18. April 2016 eingeleitet werden, auf                      Weitere Informationen zum Programm und zur Anmeldung
zahlreiche Neuerungen einstellen. Nicht nur die Gesetzes-                     erhalten Sie von Andrea Müller (public@menoldbezler.de).
struktur, sondern auch eine Vielzahl von kleineren Ände-

Vergaberecht

Neue Standardformulare für EU-Bekanntmachungen
Bei Auftragsbekanntmachungen zu beachten

Die bisherige Verordnung Nr. 842/2011, die die Stan-                      Eine Übersicht mit alten und neuen Formularen befindet sich unter
dardformulare für EU-Bekanntmachungen regelt, wird                        http://simap.ted.europa.eu/web/simap/standard-forms-for-
aufgehoben. Ab dem 18. April 2016 gelten neue Stan-                       public-procurement
dardformulare für die Veröffentlichung von Vergabebe-
kanntmachungen für öffentliche Aufträge. Danach sind                       Lena Zeiger, Rechtsanwältin
öffentliche Auftraggeber verpflichtet, die Formulare aus-
schließlich elektronisch mittels der Online-Anwendung
eNOTICES oder mittels TED-eSender zu übermitteln.

Vergaberecht

Vorsicht bei nachträglich geforderten Unterlagen!
Vergabekammer sieht keinen Spielraum für Nachforderung

Zu den umstrittensten Fragen im Vergaberecht gehört                       Pfalz kam zu einem interessanten Ergebnis.
das Nachforderungsrecht. Nicht nur bei Erklärungen und
Nachweisen, die in dem Teilnahmeantrag oder dem Ange-                     Die europaweite Bekanntmachung einer Ausschreibung
bot eines Bieters fehlen, ist die Rechtslage im Einzelfall oft            nach VOB/A enthielt im entschiedenen Fall eine Liste der
kompliziert. Vor allem im Anwendungsbereich der VOB/A                     Unterlagen, die zum Nachweis der wirtschaftlichen und
fragt sich auch, wie mit Unterlagen umzugehen ist, deren                  finanziellen Leistungsfähigkeit eine Liste von Nachwei-
Vorlage sich der Auftraggeber vorbehält und die erst nach                 sen, die gemäß § 6 Abs. 3 EG VOB/A oder auf Anforde-
Angebotsabgabe auf gesonderte Anfrage einzureichen                        rung innerhalb von 6 Kalendertagen vorzulegen waren.
sind. Dürfen oder müssen diese noch einmal nachgefor-                     Da diese Unterlagen dem Angebot eines Bieters nicht
dert werden, wenn sie nach einer konkreten Anforderung                    beilagen, forderte der Auftraggeber ihn auf, diese Nach-
nicht vorgelegt werden? Die Vergabekammer Rheinland-                      weise oder alternativ den Nachweis einer Eintragung in

4    Menold Bezler Rechtsanwälte – Öffentliche Hand und ihre Unternehmen, März 2016
die PQ-Liste nachzureichen. Dabei drohte er jedoch den        den Nachforderung ausgehen. Ob diese Entscheidung im
Ausschluss des Angebots für den Fall der Nichtvorlage         Einklang mit der Spruchpraxis des EuGH steht, ist eben-
nicht explizit an. Der Bieter ließ die Frist versehentlich    falls fraglich. Zumindest soweit nicht zuvor in den Ver-
verstreichen und griff den Ausschluss seines Angebots         gabeunterlagen der Ausschluss angedroht wurde, erlaubt
mit einem Nachprüfungsantrag an.                              das Gericht Auftraggebern, Unterlagen nachzufordern,
                                                              welche die Situation eines Bewerbers beschreiben und die
Ohne Erfolg! Aus Sicht der Vergabekammer war das An-          nachweisbar bereits vor Fristablauf existierten.
gebot zwingend als unvollständig auszuschließen, da es
keine Rechtsgrundlage für eine (weitere) Nachforderung        Maßgebliche Entscheidungen:
der fehlenden Unterlagen gebe. Dies gelte selbst dann,        VK Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 10.11.2015 – VK 1-26/15
wenn man die – insoweit unklare Bekanntmachung – so           EuGH, Urt. v. 10.10.2013, Rs. C-336/12
auslegte, dass die Nachweise auch erst auf gesonderte
Anforderung nach Angebotsabgabe eingereicht werden            Dr. Valeska Pfarr, M.L.E, Rechtsanwältin
durften. Die Nachforderungspflicht gemäß § 16 Abs. 1
Nr. 3 EG VOB/A gelte nämlich nur für Unterlagen, die in-
nerhalb der Angebotsfrist vorzulegen sind. Eine analoge
Anwendung der Vorschrift lehnte die Vergabekammer un-            Fazit:
ter Verweis auf eine Entscheidung des OLG Koblenz ab.            Öffentlichen Auftraggebern ist zur Vorsicht zu raten –
Da die Nachforderung als Ausnahmefall geregelt sei, be-          ein vorschneller Ausschluss des Angebots ist vor
stehe außerhalb des Anwendungsbereichs auch kein Er-             dem Hintergrund der übrigen Spruchpraxis nicht zu
messen des Auftraggebers.                                        empfehlen. Vielmehr sprechen gute Argumente da-
                                                                 für, dass auch nach Angebotsabgabe einzureichende
Die Vergabekammer ist insoweit strenger als das OLG Ko-          Unterlagen erst noch einmal nachgefordert werden
blenz. Sie geht auch nicht darauf ein, dass andere Verga-        müssen oder insoweit zumindest eine Ermessensent-
besenate die analoge Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 3             scheidung getroffen werden muss.
EG VOB/A befürworten und sogar von einer verpflichten-

Vergaberecht

EuGH: Vergabespezifischer Mindestlohn ist europarechtskonform
Bieter müssen Mindestentgelterklärungen abgeben

Der EuGH hat entschieden, dass ein landesgesetzlich           sollten ihrem Angebot eine Mindestentgelterklärung auf
festgelegter vergabespezifischer Mindestlohn europa-          der Grundlage des einschlägigen Landestariftreuegeset-
rechtskonform ist. Vergaberechtlich zulässig ist demnach      zes beifügen. Diese Erklärung enthält die Verpflichtung
sowohl die Pflicht zur Abgabe sogenannter Mindestent-         potenzieller Auftragnehmer, den Beschäftigten in der
gelterklärungen als auch der Ausschluss eines Bieters im      Vertragsausführungszeit zumindest das jeweilige gültige
Falle der Nichtvorlage einer entsprechenden Erklärung.        Mindestentgelt zu bezahlen und dem öffentlichen Auf-
Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb Postdienstleistun-      traggeber beim Einsatz von Nachunternehmern oder
gen europaweit im offenen Verfahren aus. Die Bieter           Beschäftigten eines Verleihers auch von diesen entspre-

                                                   Menold Bezler Rechtsanwälte – Öffentliche Hand und ihre Unternehmen, März 2016   5
chende Mindestentgelterklärungen vorzulegen. Das Lan-                     Maßgebliche Entscheidung:
destariftreuegesetz sah für den Fall der Nichtabgabe der                  EuGH, Urt. v. 17.11.2015 – C-115/14 („RegioPost“)
Erklärung den Ausschluss des Angebots vor.
                                                                          Dr. Martin Ott, Rechtsanwalt
Der EuGH entschied, dass nationale Bestimmungen,
die eine Verpflichtung zur Zahlung eines gesetzlich fest-                     Fazit:
gelegten Mindestlohns vorsehen, als „soziale Aspekte“                         Ein vergabespezifischer Mindestlohn ist nach Auf-
einzustufen sind, die „zusätzliche Bedingungen für die                        fassung des EuGH europarechtskonform, weil ein
Ausführung des Auftrags“ beinhalten. Eine solche ge-                          teilweiser Arbeitnehmerschutz, der nur bei öffent-
setzliche Vorgabe sei außerdem mit dem Europarecht                            lichen, nicht jedoch bei privaten Aufträgen zum
vereinbar, weil die gesetzlich festgelegte Verpflichtung zur                  Tragen kommt, die Dienstleistungsfreiheit ein-
Zahlung eines Mindestlohns nicht diskriminierend wirke.                       schränken dürfe. Der EuGH lässt in seinem Urteil
Sofern durch die einschlägigen gesetzlichen Vorgaben                          jedoch ausdrücklich offen, ob ein entsprechender
eine Einschränkung der europarechtlich gewährleisteten                        Arbeitnehmerschutz vor dem Hintergrund des zwi-
Dienstleistungsfreiheit bewirkt werde, sei eine solche Ein-                   schenzeitlich in Kraft getretenen allgemeinen Min-
schränkung durch das Ziel des Arbeitnehmerschutzes ge-                        destlohngesetzes (MiLoG) weiterhin als Rechtfer-
rechtfertigt. Die Beschränkung solcher Vorschriften auf                       tigungsgrund angeführt werden kann. In dem für
öffentliche Aufträge ist nach Auffassung des Gerichtshofs                     die Entscheidung maßgebenden Zeitraum war das
darauf zurückzuführen, dass es für das öffentliche Auf-                       MiLoG noch nicht anwendbar.
tragswesen spezielle europarechtliche Regelungen gibt.

Vergaberecht

Geheimhaltungsbedürfnis kann isoliert Rechtsschutz
gegen Akteneinsicht begründen
Wirksamer Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Nachprüfungsverfahren

Das OLG Jena hat entschieden, dass in Nachprüfungsver-                    Das OLG Jena hat festgestellt, dass die sofortige Be-
fahren in begründeten Einzelfällen isolierter Rechtsschutz                schwerde zulässig ist. Nach Auffassung des Oberlandesge-
gegen die Gewährung von Akteneinsicht zulässig ist.                       richts sind Zwischenentscheidungen der Vergabekammer
                                                                          trotz des Beschleunigungsgrundsatzes ausnahmsweise
Im vorliegenden Fall hatte die Vergabekammer im Rah-                      isoliert anfechtbar, wenn die hiermit verbundenen Nach-
men eines Nachprüfungsverfahrens dem Antragsteller                        teile zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr rückgängig
Einsicht in die Angebotswertung durch die Vergabestelle,                  gemacht werden könnten. Dies kann bei der Gewährung
darüber hinaus jedoch auch in einzelne Teile der Ange-                    von Akteneinsicht in Angebote der Fall sein. Das Ober-
bote beigeladener Bieter gewährt. Da der Antragsteller                    landesgericht stellt jedoch klar, dass die Gewährung von
geltend machte, dem Beigeladenen fehle die erforderli-                    Akteneinsicht grundsätzlich Vorrang vor den Interessen
che Eignung, war nach Auffassung der Vergabekammer                        der beigeladenen Unternehmen auf Geheimschutz habe
Einsicht in die zum Nachweis der Eignung vorgelegten                      und daher nur wichtige und erhebliche Geheimhaltungs-
Unterlagen zu gewähren.                                                   bedürfnisse einer Akteneinsicht entgegenstehen könnten.
                                                                          Das Oberlandesgericht hat die sofortige Beschwerde da-
Die hiervon betroffenen Beigeladenen hatten gegen den Be-                 her im Ergebnis als unbegründet angesehen.
schluss der Vergabekammer zur Gewährung von Aktenein-
sicht sofortige Beschwerde eingelegt und vorgetragen,                     Maßgebliche Entscheidung:
durch die Akteneinsicht in die Eignungsnachweise würden                   OLG Jena, Beschl. v. 08.10.2015 – 2 Verg 4/15
ihre Geheimhaltungsinteressen unwiderruflich verletzt, auch
sei die Akteneinsicht im vorgesehenen Umfang zur Wahr-
nehmung der vergaberechtlichen Rechte nicht erforderlich.                 Dr. Karsten Kayser, Rechtsanwalt

6    Menold Bezler Rechtsanwälte – Öffentliche Hand und ihre Unternehmen, März 2016
Fazit:
  Insbesondere dann, wenn im Rahmen eines Vergabe-           Betracht ziehen und, zur Vermeidung rechtlicher Nach-
  verfahrens besonders schutzwürdige Angaben eines           teile, die mögliche Einlegung einer entsprechenden Be-
  Unternehmens vorzulegen sind, kann nach der vom            schwerde ankündigen und entsprechende Angebotsbe-
  Oberlandesgericht Jena vertretenden Auffassung die         standteile als geheimhaltungspflichtig kennzeichnen.
  Gewährung von Akteneinsicht mit isolierter Beschwer-       Erfolg wird ein derartiges Vorgehen jedoch regelmäßig
  de angegriffen werden. Unternehmen sollten dies im         nur dann haben, wenn ein über das normale Maß hin-
  Falle eines Nachprüfungsverfahrens von Anfang an in        aus gehendes Geheimhaltungsinteresse besteht.

Vergaberecht

Auftragswertberechnung bei Architekten- und Ingenieurleistungen
EU verlangt Gesamtbetrachtung verschiedener Leistungsbilder

Die öffentliche Hand muss Planungsleistungen von Ar-         rung des Vergaberechts in Kraft tretende Neuregelung et-
chitekten und Ingenieuren ab einem geschätzten Auf-          was Klarheit. § 3 Abs. 7 VgV regelt künftig, dass im Zuge
tragswert von 209.000 EUR netto im Rahmen eines              der Auftragswertschätzung nur die Werte solcher Pla-
EU-weiten Vergabeverfahrens vergeben. Wie wird aber          nungsleistungen zusammenzurechnen sind, die „gleich-
dieser voraussichtliche Auftragswert berechnet? Nicht        artig“ sind. Ob jedoch Planungsleistungen verschiedener
abschließend geklärt ist, ob bei Vorhaben die geschätz-      Leistungsbilder einen solchen technischen Zusammen-
ten Honorare für Leistungen verschiedener Leistungsbil-      hang aufweisen, dass sie als gleichartig anzusehen sind,
der zusammengefasst oder getrennt zu betrachten sind.        wird voraussichtlich die Rechtsprechung klären müssen.

Diese Frage ist derzeit Gegenstand eines Vertragsver-        Maßgebliche Entscheidung:
letzungsverfahrens der EU-Kommission gegen Deutsch-          Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2015/4228
land. Dem Vertragsverletzungsverfahren liegt ein Fall aus
Niedersachsen zugrunde, in welchem eine Stadt für die        Dr. Karsten Kayser, Rechtsanwalt
Planungen der Sanierung eines Schwimmbads bei der            Dr. Alexander Dörr, Rechtsanwalt
Schätzung des Auftragswerts die Planungsleistungen
getrennt nach den einzelnen Leistungsbildern der HOAI
betrachtet hat. Die geschätzten Honorare für Objekt-,
Tragwerks- und TGA-Planungen beliefen sich in Summe              Fazit:
auf rund 450.000 EUR. Getrennt betrachtet überstieg              Um rechtliche Risiken zu vermeiden, empfiehlt es
jedoch kein Honorar den maßgeblichen Schwellenwert.              sich für öffentliche Auftraggeber vorerst, Planungs-
Diese Getrenntbetrachtung wurde in der Vergangenheit             leistungen verschiedener Leistungsbilder für ein
auch von Vergabenachprüfungsinstanzen gebilligt. Leis-           einheitliches Bauwerk bei der Ermittlung des Auf-
tungen der Objekt-, Tragwerks- und TGA-Planung seien             tragswerts gesamthaft zu betrachten. Anderenfalls
demnach nicht als einzelne „Fachlose“ der gesamten er-           könnten nicht europaweit vergebene Planungsauf-
forderlichen Planungsleistungen zu betrachten. Genau             träge im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens
gegenteilig argumentiert nun die EU-Kommission im an-            für unwirksam erklärt werden. Dies hat allerdings
hängigen Vertragsverletzungsverfahren. Sie fordert zur           zur Folge, dass der maßgebliche Schwellenwert
Berechnung des Auftragswerts aufgrund des funktiona-             von 209.000 EUR schneller überschritten ist und
len Zusammenhangs der Planungsleistungen eine einheit-           damit EU-weite Vergabeverfahren zur Vergabe der
liche Betrachtung bei der Auftragswertberechnung.                Leistungen erforderlich sind. Als Alternative sollten
                                                                 Auftraggeber stets auch eine Generalvergabe in Be-
Der Ausgang des Vertragsverletzungsverfahrens bleibt             tracht ziehen.
abzuwarten. Möglicherweise bringt die mit der Novellie-

                                                   Menold Bezler Rechtsanwälte – Öffentliche Hand und ihre Unternehmen, März 2016   7
Informationszugangsrecht / Vergaberecht

Auskunftsanspruch für Ausschreibungsinformationen
Müssen Internetportale alles wissen?

In den vergangenen Jahren wurden öffentliche Auftrag-                     Vorschriften stehen dem geltend gemachten Auskunfts-
geber immer wieder von privaten Informationsdienstleis-                   anspruch nicht entgegen. Die auskunftsbegehrenden Un-
tern aufgefordert, nach Auftragsvergabe Informationen                     ternehmen verlangten nämlich nur Auskunft über solche
zu den Ausschreibungsergebnissen für eine Veröffentli-                    Angaben, die im Rahmen europaweiter Vergabeverfahren
chung anzugeben. Im März 2014 hatte der Verwaltungs-                      ebenfalls bekannt gemacht werden müssen.
gerichtshof Baden-Württemberg solchen Auskunfts-
ansprüchen von Internetportalen noch einen Riegel                         Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hatte –
vorgeschoben. In einer aktuellen Entscheidung sieht das                   in Bezug auf denselben Sachverhalt – ein solches jour-
Verwaltungsgericht Schwerin einen Presseauskunfts-                        nalistisch-redaktionell gestaltetes Angebot im März 2014
anspruch zu Informationen über eine Auftragsvergabe                       abgelehnt, weil die Internetseiten keine publizistische
demgegenüber als gerechtfertigt an.                                       Zielsetzung beinhalten. Außerdem werden den Nutzern
                                                                          keine Informationen über abgeschlossene Vergabever-
Die Auskunftsbegehren der Unternehmen der Informati-                      fahren vorenthalten. Nach Auffassung des Gerichtshofs
onslogistik zielen zumeist darauf ab, von öffentlichen Auf-               sind diese Informationen darüber hinaus nach den ver-
traggebern nach der Beendigung von Vergabeverfahren                       gaberechtlichen Regelungen nicht zu veröffentlichen und
Informationen in Bezug auf den Namen und die Adres-                       daher nicht allgemein zugänglich.
se des ermittelten Auftragnehmers, den Auftragswert in
Euro und die Anzahl der Bieter übermittelt zu bekommen.                   Maßgebliche Entscheidungen:
Öffentliche Auftraggeber wurden in diesem Zusammen-                       VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 25.03.2014 – 1 S 169/14
hang dazu aufgefordert, Ausschreibungsinformationen in                    VG Schwerin, Urt. v. 18.05.2015 – 6 A 75/14
bestimmte Internetportale einzugeben. Den Auskunfts-
anspruch stützten die Informationsdienstleister zu-                       Dr. Martin Ott, Rechtsanwalt
meist auf das in dem jeweiligen Bundesland einschlägige
Landespressegesetz, das Informationsfreiheitsgesetz des
Bundes oder – falls vorhanden – das entsprechende In-
formationsfreiheitsgesetz des jeweiligen Bundeslandes
und auf den Rundfunkstaatsvertrag.
                                                                              Fazit:
Das Verwaltungsgericht Schwerin hat in seiner Entschei-                       Auskunftsansprüche der privaten Informations-
dung den geltend gemachten Presseauskunftsanspruch                            dienstleister werden derzeit von den Gerichten un-
zu Ausschreibungsinformationen bestätigt. Das Gericht                         terschiedlich beurteilt. Öffentliche Auftraggeber,
stützte seine Entscheidung auf die einschlägigen Vor-                         die sich entsprechenden Auskunftsansprüchen aus-
schriften des Rundfunkstaatsvertrags. Nach Auffassung                         gesetzt sehen, müssen daher auf die verwaltungsge-
des Gerichts betreibt das Internetportal ein journalis-                       richtliche Rechtsprechung – soweit vorhanden – in
tisch-redaktionell gestaltetes Angebot. Auch das erfor-                       ihrem Bundesland achten. Vor diesem Hintergrund
derliche Publikationsinteresse liegt nach Ansicht des Ver-                    bleibt die weitere Rechtsentwicklung abzuwarten.
waltungsgerichts Schwerin vor. Auch vergaberechtliche

8    Menold Bezler Rechtsanwälte – Öffentliche Hand und ihre Unternehmen, März 2016
Informationszugangsrecht / Vergaberecht

Unbeschränkter Zugang zu Verwaltungsinformationen?
Neues Informationsfreiheitsgesetz in Baden-Württemberg ist in Kraft

Der Landtag von Baden-Württemberg hat Ende 2015 das            son nicht eingewilligt hat. Im Ergebnis dürften von dieser
Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Damit ist auch        Ausnahmevorschrift nicht nur Betriebs- und Geschäfts-
in Baden-Württemberg der Bruch mit dem bisherigen              geheimnisse von natürlichen Personen und Privatunter-
System der beschränkten Aktenöffentlichkeit eingeleitet.       nehmen betroffen sein, sondern ebenso Betriebs- oder
Durch das Gesetz soll jedermann freien Zugang zu den           Geschäftsgeheimnisse von kommunalen Unternehmen.
bei öffentlichen Stellen vorhandenen Informationen er-         Auch diese haben regelmäßig ein Interesse daran, ihre Be-
halten. Ein besonderes Interesse an der Auskunftsertei-        triebs- und Geschäftsgeheimnisse zu wahren.
lung ist nicht erforderlich. Sowohl auf Bundesebene als
auch in zahlreichen Bundesländern bestehen derartige           Auch mit Blick auf Vergabeverfahren wird das Informa-
Informationsfreiheits- bzw. Informationszugangsgesetze         tionsfreiheitsgesetz zukünftig eine Rolle spielen. Erfah-
mittlerweile seit mehreren Jahren. Die baden-württem-          rungen aus anderen Bundesländern haben gezeigt, dass
bergischen Normen orientieren sich im Wortlaut in wei-         Bieter, interessierte Bürger oder Vertreter der Presse das
ten Teilen an diesen bestehenden Gesetzen, insbesondere        Informationsfreiheitsgesetz bemühen, um an nähere In-
am Hamburgischen Transparenzgesetz.                            formationen über ein Vergabeverfahren zu gelangen.
                                                               Doch auch in diesem Fall wird regelmäßig einer der Aus-
Der baden-württembergische Gesetzesentwurf sieht ei-           nahmegründe einschlägig sein, der die Ablehnung des
nen weitreichenden Informationsanspruch für jedermann          Anspruchs auf Informationserteilung rechtfertigen kann.
gegenüber öffentlichen Einrichtungen vor. Das Landes-          Eine Beeinträchtigung des vergaberechtlichen Geheim-
informationsfreiheitsgesetz fasst dabei den Begriff der        wettbewerbs durch die „Hintertür“ der Informationsfrei-
Stellen, welche zur Auskunftserteilung verpflichtet sind,      heit haben daher voraussichtlich auch künftig weder Ver-
sehr weit. Neben klassischen Behörden des Landes und           gabestellen noch Bieter zu befürchten.
der Kommunen sind unter anderem auch juristische Per-
sonen des Privatrechts, die öffentlich-rechtliche Verwal-      Dr. Alexander Dörr, Rechtsanwalt
tungsaufgaben wahrnehmen, und dabei der Kontrolle ei-
ner öffentlichen Stelle unterliegen, dem Grundsatz nach
auskunftsverpflichtet. Dies betrifft insbesondere auch
kommunale Unternehmen.
                                                                  Fazit:
Der weitgehende Informationsanspruch für jedermann                Durch das Landesinformationsfreiheitsgesetz ha-
geht jedoch mit zahlreichen Ausnahmevorschriften ein-             ben die Landkreise, Städte und Gemeinden in Ba-
her, die im Einzelfall eine Versagung der Auskunftsertei-         den-Württemberg keine „gläserne Verwaltung“ zu
lung rechtfertigen können. Auskunftsverpflichtete Stellen         befürchten. Mit dem Anspruch auf Informations-
müssen daher nicht befürchten, dass künftig solche Infor-         gewährung für jedermann gehen gleichzeitig zahl-
mationen, die aus berechtigtem Grund geheimhaltungs-              reiche Ausnahmebestimmungen einher, die auch
pflichtig sind, über den „Hebel“ des Informationsfreiheits-       künftig sehr häufig die Verweigerung von Informa-
gesetzes an die Öffentlichkeit gelangen. Daher müssen             tionsauskünften gegenüber Bürgern, Verbänden
(und dürfen) beispielsweise solche Informationen, die             oder Pressevertretern bei geheimhaltungsbedürfti-
Gegenstand einer nichtöffentlichen Gemeinderatssitzung            gen Sachverhalten rechtfertigen werden. Einzig der
sind, auch künftig nicht unter Verweis auf den allgemei-          Verwaltungs- und Dokumentationsaufwand wird
nen Informationszugangsanspruch offengelegt werden.               voraussichtlich für die betroffenen Stellen durch die
Gleiches gilt für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, wel-        Anzahl der Anfragen auf Informationszugang stei-
che in Akten von öffentlichen Stellen enthalten sind. Nach        gen. Privatunternehmen ist zu empfehlen, bei der
§ 6 des Gesetzentwurfs besteht kein Anspruch auf Infor-           Übermittlung von Daten Behörden explizit auf Be-
mationszugang, sofern die Informationen Betriebs- und             triebs- und Geschäftsgeheimnisse hinzuweisen.
Geschäftsgeheimnisse beinhalten und die betroffene Per-

                                                    Menold Bezler Rechtsanwälte – Öffentliche Hand und ihre Unternehmen, März 2016   9
Kartellrecht

Konzessionsvergabe für kommunale Alarmübertragungsanlagen
Kommunen müssen Grundsätze des Bundeskartellamts beachten

Gebietskörperschaften sind, wenn sie Konzessionen für                     der Alarmübertragung vorsah und stattdessen den Teil-
den Betrieb von Alarmübertragungsanlagen für Brand-                       markt für Übertragungseinrichtungen dem Wettbewerb
meldeanlagen vergeben, an kartellrechtliche Vorschrif-                    öffnete, sah das Bundeskartellamt im konkreten Fall so-
ten gebunden. Auch außerhalb des Anwendungsbereichs                       gar eine sehr lange Laufzeit von zehn Jahren als zulässig an.
des Vergaberechts müssen deshalb Konzessionsverträge
für Alarmübertragungsanlagen regelmäßig im Rahmen                         Damit hat das Bundeskartellamt eine längere Laufzeit
transparenter und diskriminierungsfreier Verfahren aus-                   gebilligt als die bisherige Rechtspraxis bei anderen Aus-
geschrieben werden. So sah es das Bundeskartellamt                        schließlichkeitsbindungen. Bei anderen Verträgen, die
in einem Musterverfahren gegen die Stadt Düsseldorf                       Ausschließlichkeitsbindungen begründen, wurde die
und Siemens. Dies beruht auf der marktbeherrschenden                      Laufzeit von den Kartellgerichten je nach Einzelfall auf
Stellung der Kommunen als alleinige Anbieter der Kon-                     maximal fünf Jahre (Rechtsprechung zu den Schilderprä-
zessionen in ihrem Zuständigkeitsgebiet der jeweiligen                    gern) bzw. vier Jahre (Rechtsprechung zu langfristigen
Gebietskörperschaft und den daraus resultierenden kar-                    Gaslieferungsverträgen) begrenzt.
tellrechtlichen Vorgaben.
                                                                          Maßgebliche Entscheidung:
Neben den Vorgaben zur kartellrechtskonformen Vergabe                     BKartA, Beschl. v. 24.5.2013 – B 7 – 30/07-1
der Konzessionen setzte sich das Bundeskartellamt auch
mit der inhaltlichen Ausgestaltung der Konzessionsver-                    Fabian Jägerhuber, Rechtsanwalt
träge auseinander. Zu einer unzulässigen Wettbewerbs-
beschränkung kommt es nach Auffassung der Behörde
jedenfalls dann, wenn der Konzessionsvertrag kumulativ
sämtliche Teilleistungen für die Alarmübertragung aus                        Fazit:
Brandmeldeanlagen gebündelt dem Konzessionär zum                             Bei der Vergabe von Konzessionen für Alarmübertra-
exklusiven Betrieb überträgt und langjährige Laufzeiten                      gungsanlagen sind Kommunen an kartellrechtliche
mit automatischer Verlängerung vorsieht.                                     Vorschriften gebunden. Nach Ansicht des Bundes-
                                                                             kartellamts sind sie deshalb verpflichtet, diese Ver-
In der verfahrensabschließenden Entscheidung hatte das                       träge regelmäßig, transparent und diskriminierungs-
Bundeskartellamt drei Teilleistungen bei der Übertragung                     frei auszuschreiben. Auch inhaltlich unterliegen
von Alarmen an die Leitstellen der Feuerwehr identifi-                       Konzessionsverträge für Alarmübertragungseinrich-
ziert. Von diesen Teilleistungen betrachtete die Kartell-                    tungen kartellrechtlichen Beschränkungen. Konzes-
behörde insbesondere die Einrichtung und den Betrieb                         sionsverträge können nach Auffassung des Bundes-
von Übertragungseinrichtungen in Gebäuden, in denen                          kartellamts allerdings im Einzelfall für eine Laufzeit
Brandmeldeanlagen installiert sind, als einen wirtschaft-                    von zehn Jahren vergeben werden, wenn nicht sämt-
lich bedeutsamen Teilmarkt. Nachdem die Stadt Düssel-                        liche Teilleistungen der Alarmübertragung von der
dorf einen Konzessionsvertrag zugesagt hatte, der keine                      exklusiven Konzession umfasst sind.
exklusive Konzessionierung über sämtliche Teilleistungen

10    Menold Bezler Rechtsanwälte – Öffentliche Hand und ihre Unternehmen, März 2016
Beihilfenrecht

Bundesverfassungsgericht rüffelt Bundesverwaltungsgericht
in Sachen Zweckverband Tierkörperbeseitigung
Die Dinge klar gerückt

Die Auseinandersetzung über die Finanzierung des Zweck-        Das BVerfG korrigiert nun die „Fehlentscheidung“ des
verbands Tierkörperbeseitigung Rheinland-Pfalz entwi-          BVerwG. Dabei spielen die eigentlichen beihilfenrechtli-
ckelt sich immer mehr zum beihilfenrechtlichen „Krimi“.        chen Fragen nur eine untergeordnete Rolle. Das BVerfG
Seit dem Jahr 2008 haben sich parallel die mitgliedsstaat-     rügt vielmehr mit deutlichen Worten, dass das BVerwG mit
lichen Verwaltungsgerichte (VG Trier, OVG Rheinland-           seiner Entscheidung die Justizgrundrechte der Kläger aus
Pfalz und das Bundesverwaltungsgericht) einerseits so-         Art. 19 Abs. 4 GG (Garantie effektiven Rechtsschutzes)
wie die Europäische Kommission und das Unionsgericht           und Art. 103 Abs. 1 GG (Recht auf richterliches Gehör)
1. Instanz (EuG) andererseits mit dem Vorgang befasst.         verletzt habe. Das BVerwG habe das Rechtsschutzziel der
Ende des Jahres 2015 hat nun das Bundesverfassungs-            Beschwerdeführerinnen verkannt und auch Einzelheiten
gericht (BVerfG) – jedenfalls auf nationaler Ebene – ein       des Tatsachenvortrags der Beschwerdeführer übergan-
Machtwort gesprochen, indem es auf eine Verfassungsbe-         gen. Damit habe das BVerwG den Kern und Auslöser des
schwerde hin das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts          Rechtsstreits – die Subventionierung der Marktteilnahme
(BVerwG) aus dem Jahr 2010 aufgehoben und die Sache            des Zweckverbands (insbesondere) hinsichtlich derjeni-
zurückverwiesen hat.                                           gen Materialien, deren Beseitigung auch privaten Unter-
                                                               nehmen offen stand – ignoriert. Weiter stellt das BVerfG
Das BVerwG hatte in dem – nun aufgehobenen – Urteil            fest, dass das BVerwG die Feststellung der Europäischen
vom 16.12.2010 entschieden, dass die Umlagezahlungen           Kommission in ihrem Eröffnungsbeschluss für die Einlei-
der Mitglieder des Zweckverbands keine Beihilfe darstell-      tung des beihilfenrechtlichen Prüfverfahrens fehlinterpre-
ten. Wesentliche Begründung hierfür war, dass mögliche         tiert und geradezu in ihr Gegenteil verkehrt habe.
Überkapazitäten des Zweckverbands nicht dazu genutzt
würden, um wirtschaftliche Tätigkeiten in denjenigen Be-       Maßgebliche Entscheidung:
reichen auszuüben, die auch anderen Marktteilnehmern           BVerfG, Beschl. v. 29. Oktober 2015 – 2 BvR 1493/11
offen stünden. Darüber seien die Kriterien der „Altmark“-
Rechtsprechung zu bejahen (jedenfalls im Hinblick auf die      Dr. Stefan Meßmer, Rechtsanwalt
ersten drei Kriterien, während das 4. „Altmark“-Kriterium
in dem vorliegenden Rechtsstreit nicht zu berücksichtigen
sei), so dass es an einer Beihilfe fehle. Da es auch keinen        Fazit:
Markt für die staatlich zu erbringende Aufgaben gäbe,              Ein langer Atem zahlt sich manchmal aus. Das
gäbe es auch keine Vergleichsmöglichkeit mit Privaten.             BVerfG korrigiert die Rechtsprechung des BVerwG.
                                                                   Dieses erhält nun Gelegenheit, Gleichklang mit der
Dieses Urteil erfuhr heftige Kritik und wurde als „europa-         Entscheidungspraxis der europäischen Behörden
rechtswidrig“ bezeichnet. Denn die Europäische Kommis-             und Gerichte herzustellen. Für die Praxis wäre das
sion hatte zum Zeitpunkt des Urteils des BVerwG bereits            wichtig, da vermieden werden muss, dass es zu einer
das förmliche Prüfverfahren eingeleitet und darin das Vor-         unterschiedlichen Anwendung der beihilfenrecht-
liegen einer Beihilfe (vorläufig) bejaht, was dem BVerwG           lichen Vorgaben auf europäischer und nationaler
auch bekannt war. Schließlich bejahte die Europäische              Ebene kommt.
Kommission dann im Jahr 2012 das Vorliegen zu Unrecht
gewährter Beihilfen an den Zweckverband und forderte
die Bundesrepublik Deutschland auf, die Umlagen nebst
Zinsen von dem Zweckverband zurückzufordern. Die ge-
gen den Beschluss der Europäischen Kommission erhobe-
ne Klage des Zweckverbands wies das EuG schließlich im
Jahr 2014 ab.

                                                   Menold Bezler Rechtsanwälte – Öffentliche Hand und ihre Unternehmen, März 2016   11
Beihilfenrecht

Kommunale Förderung von Fahrradverleihsystemen –
Ein Fall für „Brüssel“?
Anforderungen an die beihilfenrechtskonforme Förderung

Abhängig von der Art ihrer Finanzierung und Ausgestal-                    gestellten Verträgen) vorgegeben werden. Dabei sind Me-
tung sind viele Fahrradverleihsysteme heute (noch) nicht                  chanismen zu verankern, dass sich die Zuschusszahlungen
wirtschaftlich lebensfähig. Sie werden deshalb von der öf-                entsprechend verringern, wenn der Betreiber deutlich höhe-
fentlichen Hand auf verschiedene Weise finanziell geför-                  re Einnahmen als zunächst kalkuliert erwirtschaften kann.
dert. Ist ein kostendeckender Betrieb eines Fahrradverleih-
systems nicht möglich und wird deshalb ein „Zuschuss“                     Soweit der Betreiber sonstige weitere wirtschaftliche Tätig-
der öffentlichen Hand gewährt, stellt sich die Frage nach                 keiten ausübt, muss dieser die Einnahmen und Ausgaben
der Anwendbarkeit des Beihilfenrechts. Unterstellt man,                   im Zusammenhang mit sonstigen Tätigkeiten im Rahmen
dass es einen grenzüberschreitenden Wettbewerb im Hin-                    der Buchhaltung getrennt von den Kosten für die Erbrin-
blick auf die Errichtung und den Betrieb von Fahrradver-                  gung der DAWI ausweisen und zuordnen (sog. „Trennungs-
leihsystemen gibt, wären mögliche Zuschusszahlungen der                   rechnung“). Nur so kann sichergestellt werden, dass im
öffentlichen Hand an den Betreiber als Beihilfe im Sinne                  Bereich der DAWI nicht Kosten angesetzt werden, die bei
des europäischen Beihilfenrechts zu bewerten.                             der Erbringung wirtschaftlicher Tätigkeiten anfallen.

Auch wenn der Betreiber im Rahmen einer Ausschreibung                     In dem Brüsseler Fall ist insbesondere problematisch,
ermittelt worden ist, reicht dies für sich genommen nicht                 dass dem Betreiber des Systems – so jedenfalls der Vor-
aus, um eine Beihilfe zu verneinen. Zusätzlich muss sicher-               wurf – nach Durchführung der Ausschreibung zusätzliche
gestellt werden, dass während der Betriebsphase die bei-                  Vorteile gewährt wurden (z.B. Befreiung von bestimmten
hilfenrechtlichen Vorgaben beachtet werden.                               Gebühren und Abgaben). Fraglich ist hier insbesondere,
                                                                          wie der Nachweis geführt werden kann, dass keine Über-
Aktuell ist ein Fahrradverleihsystem im Stadtgebiet von                   kompensation zugunsten des Betreibers erfolgt.
Brüssel Gegenstand eines Beihilfenprüfverfahrens der
Europäischen Kommission (Fall „Villo“). In ihrem Eröff-                   Maßgebliche Entscheidung:
nungsbeschluss geht die Behörde davon aus, dass die Be-                   Beschl. der Europäischen Kommission v. 24.03.2015,
reitstellung eines Fahrradverleihsystems beihilfenrechtlich               ABl. C 203/12 v. 19.06.2015
als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Inte-
resse (DAWI) eingeordnet werden kann. Ohne staatliche                     Dr. Stefan Meßmer, Rechtsanwalt
Förderung würde ein solches System, das den Bedürfnis-
sen der Bürger dient, nicht zu den gleichen Bedingungen
angeboten und damit auch nicht in der gleichen Intensität                    Fazit:
genutzt. Eine „Betrauung“ des Systembetreibers ist damit                     Die Betätigungsfelder der öffentlichen Hand mögen
grundsätzlich möglich.                                                       sich wandeln, die rechtlichen Spielregeln bleiben
                                                                             gleich. „Neue“ Formen der Mobilität wie Fahrradver-
Die Tücken liegen auch hier im Detail. Für die korrekte Um-                  leihsysteme sind heute vielleicht noch auf Zuschüsse
setzung der Betrauung müssen entweder die Vorausset-                         der öffentlichen Hand angewiesen. Dies kann sich
zungen der „Altmark“-Entscheidung des EuGH oder des                          aber schon morgen ändern. In Abhängigkeit von der
sog. „Freistellungsbeschlusses“ der Europäischen Kommis-                     Entwicklung dieser „Märkte“ ist davon auszugehen,
sion erfüllt sein. Hierfür muss insbesondere sichergestellt                  dass interessierte Wettbewerber die beihilfenrechtli-
werden, dass es nicht zu einer Überkompensation für den                      chen Rechtsschutzmöglichkeiten nutzen werden, um
Betreiber kommt. Wesentliche Voraussetzung hierfür ist,                      gegen eine „verbotene“ Subventionierung solcher Sys-
dass die maßgeblichen Parameter für die Berechnung und                       teme vorzugehen. Deshalb ist es wichtig, bereits heute
Gewährung der jährlichen Ausgleichsleistungen bereits im                     keine beihilfenrechtlichen Angriffspunkte zu bieten.
Rahmen der Ausschreibung (und den in den Wettbewerb

12    Menold Bezler Rechtsanwälte – Öffentliche Hand und ihre Unternehmen, März 2016
Compliance

Korruptionsrisiko Schulfotograf
Annahme von Aufwandsentschädigungen kann strafbar sein

Kleine Geschenke können eine große Wirkung entfalten –      §§ 332, 334 StGB (Bestechung und Bestechlichkeit) und/
manchmal auch im unerwünschten Sinne. Schulen,              oder §§ 331, 333 StGB (Vorteilsgewährung und Vorteils-
Schulfördervereine und Elternbeiräte sollten daher drin-    nahme) erfüllt.
gend auf Zuwendungen jeglicher Art von Schulfotografen
verzichten. Anderenfalls kann sich die Schulleitung we-     Ein Fotounternehmen ging im Wege des Eilrechtsschut-
gen Bestechlichkeit oder Vorteilsnahme bei der Auswahl      zes gegen diese dienstlichen Schreiben vor. Es verlangte
des Schulfotografen strafbar machen. Der Bayerische         vom Ministerium Unterlassung der Äußerung, dass auch
Verwaltungsgerichtshof hat geurteilt, dass Zuwendungen      die Abwicklung von Zuwendungsflüssen über Förderver-
eines Schulfotografen auch dann als Bestechungshand-        eine und sonstige Dritte anlässlich einer Schulfotoaktion
lung zu werten sind, wenn nicht die Schule, sondern der     strafbar sei. Dieses Vorgehen erwies sich jedoch als klas-
Förderverein oder Elternbeirat eine „Aufwandsentschä-       sisches „Eigentor“: Der Bayerische Verwaltungsgerichts-
digung“ eines Fotounternehmens erhält.                      hof urteilte, dass es auf die Person des Zuwendungsemp-
                                                            fängers nicht ankomme. Allen Beteiligten sei bewusst,
Das Bayerische Kultusstaatsministerium hatte im Juni        dass allein die Schulleitung im Rahmen ihrer Dienst-
2013 in mehreren Schreiben an Schulen und Schulämter        pflichten eine Ermessensentscheidung zu Gunsten eines
darauf hingewiesen, dass eine Entgegennahme von Zu-         bestimmen Schulfotografen treffen könne. Wenn ein
wendungen im Rahmen von Schulfotoaktionen durch die         Fotounternehmen durch die angebotene Zuwendung an
Schule, Lehrkräfte oder sonstiges Schulpersonal unter-      den Förderverein nicht den organisatorischen Aufwand
bleiben müsse und mit straf- und dienstrechtlichen Kon-     bei der Durchführung der Fotoaktion vergüten, sondern
sequenzen geahndet werden könne. Gleiches gelte auch        die Schulleitung zur Betrauung mit der Schulfotoaktion
für die Abwicklung von Zuwendungsflüssen über Förder-       bewegen wolle, seien die Voraussetzungen des Beste-
vereine, Elternbeiräte oder sonstige Dritte. Das Staats-    chungstatbestands ohne weiteres erfüllt. Ob das Unter-
ministerium begründete dies damit, dass in Bayern keine     nehmen schlussendlich beauftragt werde oder nicht, sei
verwaltungsrechtliche Grundlage dafür bestehe, von ei-      irrelevant. Das Schreiben des Kultusministeriums mit der
nem Fotografen für den organisatorischen Aufwand der        Aufforderung, keine Zuwendungen von Schulfotografen
Schule anlässlich einer Schulfotoaktion eine Vergütung      anzunehmen, sei daher rechtmäßig gewesen.
zu beanspruchen. Da es sich bei der Auswahl des Schul-
fotografen um eine Ermessensentscheidung der Schullei-      Maßgebliche Entscheidung:
tung handele, seien – entsprechend einer Entscheidung       Bayerischer VGH, Beschl. v. 08.07.2015 – 7 CE 15.450
des Bundesgerichtshofs vom 26. Mai 2011 – im Falle ei-
ner Zuwendung des Fotografen die Straftatbestände der        Dr. Jochen Bernhard, Rechtsanwalt / Compliance Officer (Univ.)

                                                Menold Bezler Rechtsanwälte – Öffentliche Hand und ihre Unternehmen, März 2016   13
Fazit:
     Auch ein Verwaltungsgericht ist befugt, inzident                      an die Schule selbst, sondern auch „Aufwandsentschä-
     strafrechtliche Wertungen zu prüfen. Der Bayerische                   digungen“ an den Förderverein oder Elternbeirat sind
     Verwaltungsgerichtshof nutzte diese Chance, um                        unzulässig. Diese Auffassung setzt die bereits bestehen-
     seine Rechtsauffassung zur Bestechung durch die                       de restriktive Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
     Annahme von Zuwendungen eines Schulfotogra-                           zu Geld- und Sachgeschenken von Schulfotografen fort
     fen kundzutun. Danach ist der Straftatbestand des                     und dürfte auch auf die Rechtslage in Baden-Württem-
     § 334 StGB weit auszulegen. Nicht nur Zuwendungen                     berg übertragbar sein.

Organisationsrecht

Die Kommunalanstalt – Jetzt auch in Baden-Württemberg möglich!
Neue Gestaltungsmöglichkeiten für die öffentliche Hand

Nachdem die Anstalt des öffentlichen Rechts bereits in                     Die Kommunalanstalt ist für alle Bereiche der kommu-
vielen Bundesländern eine zugelassene Rechtsform ist,                      nalen Daseinsvorsorge eine interessante Option. Sowohl
die Kommunen für ihre (wirtschaftlichen und nichtwirt-                     Pflichtaufgaben als auch freiwillige Aufgaben der Da-
schaftlichen) Unternehmen wählen können, sind nun-                         seinsvorsorge sind als Aufgabengebiet für eine Kommu-
mehr auch in Baden-Württemberg die gesetzlichen Wei-                       nalanstalt denkbar.
chen für diese Rechtsform gestellt. Auf der Grundlage
des Gesetzes zur Änderung der Gemeindeordnung, des                         Auf der Ebene der Gemeinden spielt die Anstalt des öf-
Gesetzes über kommunale Zusammenarbeit und anderer                         fentlichen Rechts in der Praxis vor allem in den Bereichen
Gesetze vom 09.12.2015 (GBl. 2015, 1147 – 1154) kön-                       Energie- und Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung,
nen künftig auch baden-württembergische Kommunen                           Alten- und Pflegeheime, Kultur (Theater), Freizeit (Bäder)
rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts (im Ge-                     und städtische Hilfsdienste (z.B. Bauhof, „back office“ für
setz „Kommunalanstalt“ genannt) errichten.                                 Beschaffungen) eine Rolle. Bei Stadt- und Landkreisen ist
                                                                           die Anstalt des öffentlichen Rechts insbesondere in den
Im Anschluss an § 102 GemO wurden speziell für die                         Bereichen Krankenhaus, Abfallwirtschaft und ÖPNV eine
Kommunalanstalt die §§ 102a bis 102d GemO neu ein-                         Option, sofern die Stadt- und Landkreise hier ihre Auf-
gefügt und darin deren Errichtung, ihre Organe und die                     gaben über eigene Einrichtungen und Betriebe (teilweise)
auch für die Kommunalanstalt geltenden sonstigen Vor-                      selbst erfüllen. Seit Kommunen durch die Organisation
schriften geregelt. Mit der zeitgleichen Änderung des                      der Flüchtlingsunterbringung stark gefordert sind, könnte
Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit (GKZ)                          die Kommunalanstalt auch in diesem Bereich eine interes-
wurde der Anwendungsbereich auch für die interkommu-                       sante Rechtsform sein.
nale Zusammenarbeit eröffnet und in den neuen §§ 24a
und 24b GKZ die gesetzliche Grundlage für „gemeinsame                      Im Vergleich zu den rechtlich unselbstständigen Organi-
selbstständige Kommunalanstalten“ gelegt.                                  sationsformen des Regiebetriebs und des Eigenbetriebs

14      Menold Bezler Rechtsanwälte – Öffentliche Hand und ihre Unternehmen,März 2016
erleichtert die rechtliche Selbstständigkeit der Kommu-          kein Garant für eine wirtschaftlich solide Unternehmens-
nalanstalt eine eigenverantwortliche, unternehmerische           führung. Es ist im Einzelfall vielmehr anhand der Ziele
Betriebsführung.                                                 der Kommune und der konkreten Verhältnisse vor Ort zu
                                                                 prüfen, ob die Gründung oder Überführung eines beste-
Gegenüber privatrechtlichen Gesellschaften besteht der           henden Unternehmens in eine Kommunalanstalt Vorteile
„Charme“ der öffentlich-rechtlichen Kommunalanstalt              gegenüber den Organisationsstrukturen im status quo er-
vor allem in der                                                 warten lässt und welche steuerlichen Folgen die Übertra-
   weitgehenden Freiheit der Kommune bei der Ausge-              gung von Vermögen auf eine Kommunalanstalt hat.
   staltung der inneren Organisation der Anstalt und der
   größeren kommunalen Einflussmöglichkeit,
   Möglichkeit zur ganzen oder teilweisen Übertragung            Literaturhinweise:
   von Aufgaben mit der Festlegung eines Anschluss- und          Fabry, Die Kommunalanstalt – Mögliche Rechtsform bald auch in
   Benutzungszwangs zugunsten der Kommunalanstalt                Baden-Württemberg?, VBlBW 2014, 212 ff.
   sowie der Einräumung von Satzungs- und Gebühren-              Fabry/Augsten, Die Kommunalanstalt in Baden-Württemberg –
   hoheit,                                                       Rechtliche und steuerliche Hinweise zur neuen Rechtsform,
   Möglichkeit, der Kommunalanstalt Satzungshoheit               VBlBW 2016, 105 ff.
   und Gebührenhoheit einzuräumen, und dem Recht,
   die Abgaben nach den kommunalabgabenrechtlichen               Seminarhinweis:
   Vorschriften festzusetzen, zu erheben und zu vollstrecken,    Die Kommunalanstalt, vhw-Seminar am 13.04.2016 in Stuttgart
   Dienstherrenfähigkeit der Anstalt, die die Beschäfti-
   gung von Beamten erlaubt,                                     Dr. Beatrice Fabry, Rechtsanwältin
   fehlenden Insolvenzfähigkeit
   sowie darin, dass die Kommunalanstalt nicht qua
   Rechtsform eine Steuerpflicht auslöst.

Auf den Punkt gebracht kann man daher die Kommunal-                  Fazit:
anstalt als „öffentlich-rechtliche Gesellschaft“ bezeich-            Die gesetzliche Einführung der Kommunalanstalt
nen, deren Organisationsstruktur einerseits unterneh-                kann von jeder Kommune zumindest zum Anlass
merisches Handeln ermöglicht, deren Anstaltscharakter                genommen werden, im Sinne einer Organisations-
andererseits hoheitliches Handeln erlaubt. Aus Sicht des             und Aufgabenkritik zu prüfen, ob ihre vorhandenen
kommunalen Trägers einer Kommunalanstalt lässt sich                  Organisationsstrukturen noch zeitgemäß sind, um
diese daher trotz der rechtlichen Selbstständigkeit bei einer        die Aufgaben der Daseinsvorsorge auch künftig
entsprechenden Ausgestaltung der Satzung besser steu-                möglichst effizient, wirtschaftlich, nachhaltig und
ern und kontrollieren als privatrechtliche Gesellschaften.           sozial erfüllen zu können.
Klar ist allerdings auch: allein die Rechtsform ist noch

Umweltrecht

Ist die Zeit für Präklusionsvorschriften abgelaufen?
Europäischer Gerichtshof erweitert Rechtsschutz in Umweltsachen

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Oktober                Im konkreten Fall hat das Gericht die Präklusionsvor-
2015 entschieden, dass verwaltungsrechtliche Präklusi-           schriften im Planfeststellungsverfahren nach § 73 Abs.
onsvorschriften gegen Europarecht verstoßen. Bislang             4 Satz 3 VwVfG sowie nach § 2 Abs. 3 UmwRG für nicht
konnten Betroffene bei Klagen gegen behördliche Geneh-           mehr anwendbar erklärt. Gleiches dürfte aber für ähnlich
migungen regelmäßig nur solche Einwände geltend ma-              formulierte Regelungen gelten, die Rechtsschutzmög-
chen, die sie bereits gegenüber der Behörde gerügt hat-          lichkeiten einschränken, wie etwa § 10 Abs. 3 BImSchG.
ten. Die Entscheidung des EuGH wird hier zu deutlichen           Kläger können damit künftig Mängel von Genehmigun-
Änderungen führen.                                               gen, gegebenenfalls aus taktischen Gründen, auch erst

                                                     Menold Bezler Rechtsanwälte – Öffentliche Hand und ihre Unternehmen, März 2016   15
im Gerichtsverfahren geltend machen. Eine Einschrän-                      dann zur Aufhebung einer Genehmigung, wenn der Be-
kung lässt der EuGH nur bei missbräuchlichem Verhalten                    troffene nachweisen konnte, dass die Genehmigung an-
zu. Wo die Rechtsprechung hier eine Grenze ziehen wird                    sonsten nicht in derselben Weise ergangen wäre. Hier
oder ob der Gesetzgeber auf das Urteil reagiert, bleibt                   wird künftig bereits der Verfahrensfehler allein zum Er-
abzuwarten.                                                               folg eines Rechtsbehelfs führen.

Die Entscheidung des EuGH ist zwar sehr deutlich auf                      Maßgebliche Entscheidungen:
Sachverhalte zugeschnitten, die Umweltfragen betreffen.                   EuGH, Urt. v. 15. Oktober 2015 – C-137/14;
Gleichwohl könnte sie auch die praktische Arbeit der                      VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 15. Oktober 2015 –
Kommunen im Rahmen der Aufstellung von Bebauungs-                         5 S 2020/13
plänen beeinflussen. Bei der öffentlichen Auslegung der
Planunterlagen wird bislang darauf hingewiesen, dass                      Verena Rösner, Rechtsanwältin, Dipl.-Verwaltungswirtin (FH)
eine Normenkontrolle gegen den Bebauungsplan nur zu-                      Alexander Häcker, Rechtsanwalt
lässig ist, wenn zuvor Einwände erhoben wurden. Auch
diese Praxis erscheint künftig zweifelhaft, soweit es um
umweltbezogene Rügen geht.

Die nationale Rechtsprechung hat unmittelbar reagiert
und wendet die genannten Präklusionsvorschriften seit-                       Fazit:
dem nicht mehr an. Der VGH Baden-Württemberg nahm                            Präklusionsvorschriften in Umweltsachen verstoßen
in einem Urteil zu einem eisenbahnrechtlichen Planfest-                      nach einer aktuellen Entscheidung des EuGH gegen
stellungsverfahren, an dem unsere Kanzlei erfolgreich                        Europarecht und sind nicht mehr anwendbar. Dies
beteiligt war, bereits am selben Tag Bezug auf die neue                      könnte auch Einfluss auf das Aufstellungsverfahren für
europäische Rechtsprechung.                                                  Bebauungspläne haben. Ferner hat eine Rüge wegen
                                                                             unterlassener Umweltverträglichkeitsprüfung künftig
Der EuGH hält darüber hinaus noch eine weitere Rege-                         unabhängig davon Erfolg, ob sich dieser Verfahrens-
lung für unionsrechtswidrig. Bislang führte eine fehler-                     fehler auf das Ergebnis ausgewirkt hat.
haft unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung nur

In eigener Sache

Mit Vergaberecht-Award ausgezeichnet
Beim 2. Deutschen Vergabetag des „Deutschen Verga-                        Wirtschaft, Anwaltschaft und Rechtspflege im Vergabe-
benetzwerks“ (DVNW) in Berlin erhielten Dr. Valeska                       recht. Neben den Internetportalen dvnw.de sowie verga-
Pfarr und Dr. Martin Ott als zwei von fünf Preisträgern                   beblog.de bietet das DVNW Vernetzungsmöglichkeiten in
den DVNW-Award 2015. Sie wurden damit für ihre Fach-                      Regionalgruppen. Regelmäßige Treffen mit Vorträgen und
beiträge zu vergaberechtlichen Themen auf der Internet-                   Diskussionen zu aktuellen Themen finden auch in Stutt-
Plattform vergabeblog.de ausgezeichnet. Das DVNW                          gart statt (siehe unter „Vorträge und Veranstaltungen“).
vereint bundesweit Experten aus Verwaltung, Politik,

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