Öffentliche Hand und ihre Unternehmen Mandanteninformation März 2016
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Informationen zu aktuellen Rechtsentwicklungen Vergaberecht Vergaberechtsreform 2016: Die wichtigsten Neuerungen im Überblick 3 Neue Standardformulare für EU-Bekanntmachungen 4 Vorsicht bei nachträglich geforderten Unterlagen! 4 EuGH: Vergabespezifischer Mindestlohn ist europarechtskonform 5 Geheimhaltungsbedürfnis kann isoliert Rechtsschutz gegen Akteneinsicht begründen 6 Auftragswertberechnung bei Architekten- und Ingenieursleistungen 7 Informationszugangsrecht/Vergaberecht Auskunftsanspruch für Ausschreibungsinformationen 8 Unbeschränkter Zugang zu Verwaltungsinformationen? 9 Kartellrecht Konzessionsvergabe für kommunale Alarmübertragungsanlagen 10 Beihilfenrecht Bundesverfassungsgericht rüffelt Bundesverwaltungsgericht in Sachen Zweckverband Tierkörperbeseitigung 11 Kommunale Förderung von Fahrradverleihsystemen – Ein Fall für „Brüssel“? 12 Compliance Korruptionsrisiko Schulfotograf 13 Organisationsrecht Die Kommunalanstalt – Jetzt auch in Baden-Württemberg möglich! 14 Umweltrecht Ist die Zeit für Präklusionsvorschriften abgelaufen? 15 In eigener Sache Mit Vergaberecht-Award ausgezeichnet 16 Vorträge und Veranstaltungen 17 Veröffentlichungen 19 Presseschau 19
Vergaberecht Vergaberechtsreform 2016: Die wichtigsten Neuerungen im Überblick Ab 18. April müssen die neuen Regelungen angewendet werden Die Novelle des Vergaberechts bringt zahlreiche Änderun- genommen. Die Regelungen der VOL/A, 1. Abschnitt blei- gen und Neuerungen mit sich. Vor allem für Vergabever- ben hingegen (vorerst) unverändert bestehen. fahren oberhalb der EU-Schwellenwerte sind mit Inkraft- treten der neuen Gesetze und Verordnungen zahlreiche Elektronische Kommunikation Veränderungen verbunden. Künftig muss ein Vergabeverfahren in der Regel über eine Online-Plattform geführt werden. Ab April muss zunächst Neue systematische Struktur nur die Veröffentlichung der Bekanntmachung und der Das Vergaberecht erhält in weiten Teilen eine neue Struktur. Vergabeunterlagen online erfolgen. Spätestens bis Okto- Bislang waren im 4. Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbs- ber 2018 müssen Vergabestellen für EU-weite Vergaben beschränkungen (GWB) vor allem allgemeine Grundsätze, auf vollständig elektronische Kommunikation inklusive Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Vergaberechts elektronischer Angebotsabgabe umstellen. Die Vergabe- sowie Details zu Vergabenachprüfungsverfahren geregelt. unterlagen müssen den Interessenten künftig frei zugäng- Diese Vorschriften für Vergabeverfahren oberhalb der EU- lich (ohne Registrierung) online zur Verfügung gestellt Schwellenwerte wurden um zahlreiche detaillierte Rege- werden. Vergabestellen haben hierdurch also zunächst lungen zur Inhouse-Vergabe und interkommunalen Zusam- keinen Überblick, welche Unternehmen sich für das Ver- menarbeit, zur Eignung, zur Auftragsänderungen nach gabeverfahren interessieren. Vertragsschluss und ähnlichem erweitert. Zuschlagskriterien und Bietereignung Auch bei den einzelnen Verordnungen gibt es Änderun- Vergabestellen haben mit den geänderten Regelungen gen: Die Regelungen der VOL/A sind für Vergaben ober- teilweise neue Möglichkeiten bei der Gestaltung eines Ver- halb der Schwellenwerte vollständig entfallen. Die ent- gabeverfahrens. So kann beispielsweise künftig frei zwi- sprechenden Regelungen für die Vergabe von Liefer- und schen dem offenen Verfahren und dem sog. nichtoffenen Dienstleistungen finden sich nunmehr insbesondere in der Verfahren gewählt werden. Damit kann im Bedarfsfall der VgV. Gleiches gilt für die Regelungen der VOF, die bisher Kreis der Unternehmen, die zur Angebotsabgabe aufge- vor allem bei der Vergabe von Architekten- und Ingeni- fordert werden, durch einen vorausgehenden Teilnahme- eursleistungen relevant waren. Für Bauaufträge sind die wettbewerb auf z.B. fünf Unternehmen begrenzt werden. entsprechenden Regelungen hingegen weiterhin über- Gleichzeitig wurden die Voraussetzungen, unter denen wiegend in der VOB/A zu finden. Teilweise muss jedoch – ausnahmsweise ein Verhandlungsverfahren zulässig ist, beispielsweise im Zusammenhang mit der Ermittlung des etwas erweitert. Auftragswerts – auch die VgV herangezogen werden. Auch bei der Ausgestaltung von Zuschlagskriterien bie- Hinzu kommt eine neue Vergabeverordnung für Konzessi- ten sich erweiterte Möglichkeiten. Soziale und umwelt- onen, die erstmals einheitliche Regelungen für die Verga- bezogene Zuschlagskriterien müssen sich bei der Wirt- be von Bau- und Dienstleistungskonzessionen trifft. schaftlichkeitsbetrachtung nicht mehr zwangsläufig auf den eigentlichen Leistungsgegenstand beziehen. Auch die Für Aufträge unterhalb der Schwellenwerte wurden hin- Qualifikation von Personen, die in die Leistungserbrin- gegen lediglich im Bereich der VOB/A Anpassungen vor- gung einbezogen werden, darf unter bestimmten Voraus- Menold Bezler Rechtsanwälte – Öffentliche Hand und ihre Unternehmen, März 2016 3
setzungen als Zuschlagskriterium ausgestaltet werden. rungen bringen dabei neue Handlungsmöglichkeiten aber auch Fallstricke im Verfahren mit sich. Die Regelungen zur Eignung der Unternehmen haben sich teilweise gravierend geändert. Eine wesentliche Änderung Dr. Beatrice Fabry, Rechtsanwältin ist die Einführung der sog. Einheitlichen Europäischen Ei- Dr. Frank Meininger, Rechtsanwalt generklärung, die künftig bisher als vorläufiger Nachweis der Eignung dient. Damit sollen Bieter zunächst mit Ange- Veranstaltungshinweis: botsabgabe nicht verpflichtet sein, detaillierte Nachweise Das Vergaberecht-Team von Menold Bezler stellt Ih- vorzulegen. Die Eignungsprüfung im Detail kann dadurch nen die wichtigsten Änderungen und Neuerungen vor: im offenen Verfahren regelmäßig auf das für die Zuschlags- 7. April 2016, ab 9.30 Uhr, Stuttgarter Vergabe- erteilung vorgesehene Unternehmen beschränkt werden. rechtstage: Das neue Vergaberecht Sparkassen-Akademie-Stuttgart Vergabestellen und Bieter müssen sich bei Vergabeverfah- ren, die nach dem 18. April 2016 eingeleitet werden, auf Weitere Informationen zum Programm und zur Anmeldung zahlreiche Neuerungen einstellen. Nicht nur die Gesetzes- erhalten Sie von Andrea Müller (public@menoldbezler.de). struktur, sondern auch eine Vielzahl von kleineren Ände- Vergaberecht Neue Standardformulare für EU-Bekanntmachungen Bei Auftragsbekanntmachungen zu beachten Die bisherige Verordnung Nr. 842/2011, die die Stan- Eine Übersicht mit alten und neuen Formularen befindet sich unter dardformulare für EU-Bekanntmachungen regelt, wird http://simap.ted.europa.eu/web/simap/standard-forms-for- aufgehoben. Ab dem 18. April 2016 gelten neue Stan- public-procurement dardformulare für die Veröffentlichung von Vergabebe- kanntmachungen für öffentliche Aufträge. Danach sind Lena Zeiger, Rechtsanwältin öffentliche Auftraggeber verpflichtet, die Formulare aus- schließlich elektronisch mittels der Online-Anwendung eNOTICES oder mittels TED-eSender zu übermitteln. Vergaberecht Vorsicht bei nachträglich geforderten Unterlagen! Vergabekammer sieht keinen Spielraum für Nachforderung Zu den umstrittensten Fragen im Vergaberecht gehört Pfalz kam zu einem interessanten Ergebnis. das Nachforderungsrecht. Nicht nur bei Erklärungen und Nachweisen, die in dem Teilnahmeantrag oder dem Ange- Die europaweite Bekanntmachung einer Ausschreibung bot eines Bieters fehlen, ist die Rechtslage im Einzelfall oft nach VOB/A enthielt im entschiedenen Fall eine Liste der kompliziert. Vor allem im Anwendungsbereich der VOB/A Unterlagen, die zum Nachweis der wirtschaftlichen und fragt sich auch, wie mit Unterlagen umzugehen ist, deren finanziellen Leistungsfähigkeit eine Liste von Nachwei- Vorlage sich der Auftraggeber vorbehält und die erst nach sen, die gemäß § 6 Abs. 3 EG VOB/A oder auf Anforde- Angebotsabgabe auf gesonderte Anfrage einzureichen rung innerhalb von 6 Kalendertagen vorzulegen waren. sind. Dürfen oder müssen diese noch einmal nachgefor- Da diese Unterlagen dem Angebot eines Bieters nicht dert werden, wenn sie nach einer konkreten Anforderung beilagen, forderte der Auftraggeber ihn auf, diese Nach- nicht vorgelegt werden? Die Vergabekammer Rheinland- weise oder alternativ den Nachweis einer Eintragung in 4 Menold Bezler Rechtsanwälte – Öffentliche Hand und ihre Unternehmen, März 2016
die PQ-Liste nachzureichen. Dabei drohte er jedoch den den Nachforderung ausgehen. Ob diese Entscheidung im Ausschluss des Angebots für den Fall der Nichtvorlage Einklang mit der Spruchpraxis des EuGH steht, ist eben- nicht explizit an. Der Bieter ließ die Frist versehentlich falls fraglich. Zumindest soweit nicht zuvor in den Ver- verstreichen und griff den Ausschluss seines Angebots gabeunterlagen der Ausschluss angedroht wurde, erlaubt mit einem Nachprüfungsantrag an. das Gericht Auftraggebern, Unterlagen nachzufordern, welche die Situation eines Bewerbers beschreiben und die Ohne Erfolg! Aus Sicht der Vergabekammer war das An- nachweisbar bereits vor Fristablauf existierten. gebot zwingend als unvollständig auszuschließen, da es keine Rechtsgrundlage für eine (weitere) Nachforderung Maßgebliche Entscheidungen: der fehlenden Unterlagen gebe. Dies gelte selbst dann, VK Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 10.11.2015 – VK 1-26/15 wenn man die – insoweit unklare Bekanntmachung – so EuGH, Urt. v. 10.10.2013, Rs. C-336/12 auslegte, dass die Nachweise auch erst auf gesonderte Anforderung nach Angebotsabgabe eingereicht werden Dr. Valeska Pfarr, M.L.E, Rechtsanwältin durften. Die Nachforderungspflicht gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 EG VOB/A gelte nämlich nur für Unterlagen, die in- nerhalb der Angebotsfrist vorzulegen sind. Eine analoge Anwendung der Vorschrift lehnte die Vergabekammer un- Fazit: ter Verweis auf eine Entscheidung des OLG Koblenz ab. Öffentlichen Auftraggebern ist zur Vorsicht zu raten – Da die Nachforderung als Ausnahmefall geregelt sei, be- ein vorschneller Ausschluss des Angebots ist vor stehe außerhalb des Anwendungsbereichs auch kein Er- dem Hintergrund der übrigen Spruchpraxis nicht zu messen des Auftraggebers. empfehlen. Vielmehr sprechen gute Argumente da- für, dass auch nach Angebotsabgabe einzureichende Die Vergabekammer ist insoweit strenger als das OLG Ko- Unterlagen erst noch einmal nachgefordert werden blenz. Sie geht auch nicht darauf ein, dass andere Verga- müssen oder insoweit zumindest eine Ermessensent- besenate die analoge Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 3 scheidung getroffen werden muss. EG VOB/A befürworten und sogar von einer verpflichten- Vergaberecht EuGH: Vergabespezifischer Mindestlohn ist europarechtskonform Bieter müssen Mindestentgelterklärungen abgeben Der EuGH hat entschieden, dass ein landesgesetzlich sollten ihrem Angebot eine Mindestentgelterklärung auf festgelegter vergabespezifischer Mindestlohn europa- der Grundlage des einschlägigen Landestariftreuegeset- rechtskonform ist. Vergaberechtlich zulässig ist demnach zes beifügen. Diese Erklärung enthält die Verpflichtung sowohl die Pflicht zur Abgabe sogenannter Mindestent- potenzieller Auftragnehmer, den Beschäftigten in der gelterklärungen als auch der Ausschluss eines Bieters im Vertragsausführungszeit zumindest das jeweilige gültige Falle der Nichtvorlage einer entsprechenden Erklärung. Mindestentgelt zu bezahlen und dem öffentlichen Auf- Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb Postdienstleistun- traggeber beim Einsatz von Nachunternehmern oder gen europaweit im offenen Verfahren aus. Die Bieter Beschäftigten eines Verleihers auch von diesen entspre- Menold Bezler Rechtsanwälte – Öffentliche Hand und ihre Unternehmen, März 2016 5
chende Mindestentgelterklärungen vorzulegen. Das Lan- Maßgebliche Entscheidung: destariftreuegesetz sah für den Fall der Nichtabgabe der EuGH, Urt. v. 17.11.2015 – C-115/14 („RegioPost“) Erklärung den Ausschluss des Angebots vor. Dr. Martin Ott, Rechtsanwalt Der EuGH entschied, dass nationale Bestimmungen, die eine Verpflichtung zur Zahlung eines gesetzlich fest- Fazit: gelegten Mindestlohns vorsehen, als „soziale Aspekte“ Ein vergabespezifischer Mindestlohn ist nach Auf- einzustufen sind, die „zusätzliche Bedingungen für die fassung des EuGH europarechtskonform, weil ein Ausführung des Auftrags“ beinhalten. Eine solche ge- teilweiser Arbeitnehmerschutz, der nur bei öffent- setzliche Vorgabe sei außerdem mit dem Europarecht lichen, nicht jedoch bei privaten Aufträgen zum vereinbar, weil die gesetzlich festgelegte Verpflichtung zur Tragen kommt, die Dienstleistungsfreiheit ein- Zahlung eines Mindestlohns nicht diskriminierend wirke. schränken dürfe. Der EuGH lässt in seinem Urteil Sofern durch die einschlägigen gesetzlichen Vorgaben jedoch ausdrücklich offen, ob ein entsprechender eine Einschränkung der europarechtlich gewährleisteten Arbeitnehmerschutz vor dem Hintergrund des zwi- Dienstleistungsfreiheit bewirkt werde, sei eine solche Ein- schenzeitlich in Kraft getretenen allgemeinen Min- schränkung durch das Ziel des Arbeitnehmerschutzes ge- destlohngesetzes (MiLoG) weiterhin als Rechtfer- rechtfertigt. Die Beschränkung solcher Vorschriften auf tigungsgrund angeführt werden kann. In dem für öffentliche Aufträge ist nach Auffassung des Gerichtshofs die Entscheidung maßgebenden Zeitraum war das darauf zurückzuführen, dass es für das öffentliche Auf- MiLoG noch nicht anwendbar. tragswesen spezielle europarechtliche Regelungen gibt. Vergaberecht Geheimhaltungsbedürfnis kann isoliert Rechtsschutz gegen Akteneinsicht begründen Wirksamer Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Nachprüfungsverfahren Das OLG Jena hat entschieden, dass in Nachprüfungsver- Das OLG Jena hat festgestellt, dass die sofortige Be- fahren in begründeten Einzelfällen isolierter Rechtsschutz schwerde zulässig ist. Nach Auffassung des Oberlandesge- gegen die Gewährung von Akteneinsicht zulässig ist. richts sind Zwischenentscheidungen der Vergabekammer trotz des Beschleunigungsgrundsatzes ausnahmsweise Im vorliegenden Fall hatte die Vergabekammer im Rah- isoliert anfechtbar, wenn die hiermit verbundenen Nach- men eines Nachprüfungsverfahrens dem Antragsteller teile zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr rückgängig Einsicht in die Angebotswertung durch die Vergabestelle, gemacht werden könnten. Dies kann bei der Gewährung darüber hinaus jedoch auch in einzelne Teile der Ange- von Akteneinsicht in Angebote der Fall sein. Das Ober- bote beigeladener Bieter gewährt. Da der Antragsteller landesgericht stellt jedoch klar, dass die Gewährung von geltend machte, dem Beigeladenen fehle die erforderli- Akteneinsicht grundsätzlich Vorrang vor den Interessen che Eignung, war nach Auffassung der Vergabekammer der beigeladenen Unternehmen auf Geheimschutz habe Einsicht in die zum Nachweis der Eignung vorgelegten und daher nur wichtige und erhebliche Geheimhaltungs- Unterlagen zu gewähren. bedürfnisse einer Akteneinsicht entgegenstehen könnten. Das Oberlandesgericht hat die sofortige Beschwerde da- Die hiervon betroffenen Beigeladenen hatten gegen den Be- her im Ergebnis als unbegründet angesehen. schluss der Vergabekammer zur Gewährung von Aktenein- sicht sofortige Beschwerde eingelegt und vorgetragen, Maßgebliche Entscheidung: durch die Akteneinsicht in die Eignungsnachweise würden OLG Jena, Beschl. v. 08.10.2015 – 2 Verg 4/15 ihre Geheimhaltungsinteressen unwiderruflich verletzt, auch sei die Akteneinsicht im vorgesehenen Umfang zur Wahr- nehmung der vergaberechtlichen Rechte nicht erforderlich. Dr. Karsten Kayser, Rechtsanwalt 6 Menold Bezler Rechtsanwälte – Öffentliche Hand und ihre Unternehmen, März 2016
Fazit: Insbesondere dann, wenn im Rahmen eines Vergabe- Betracht ziehen und, zur Vermeidung rechtlicher Nach- verfahrens besonders schutzwürdige Angaben eines teile, die mögliche Einlegung einer entsprechenden Be- Unternehmens vorzulegen sind, kann nach der vom schwerde ankündigen und entsprechende Angebotsbe- Oberlandesgericht Jena vertretenden Auffassung die standteile als geheimhaltungspflichtig kennzeichnen. Gewährung von Akteneinsicht mit isolierter Beschwer- Erfolg wird ein derartiges Vorgehen jedoch regelmäßig de angegriffen werden. Unternehmen sollten dies im nur dann haben, wenn ein über das normale Maß hin- Falle eines Nachprüfungsverfahrens von Anfang an in aus gehendes Geheimhaltungsinteresse besteht. Vergaberecht Auftragswertberechnung bei Architekten- und Ingenieurleistungen EU verlangt Gesamtbetrachtung verschiedener Leistungsbilder Die öffentliche Hand muss Planungsleistungen von Ar- rung des Vergaberechts in Kraft tretende Neuregelung et- chitekten und Ingenieuren ab einem geschätzten Auf- was Klarheit. § 3 Abs. 7 VgV regelt künftig, dass im Zuge tragswert von 209.000 EUR netto im Rahmen eines der Auftragswertschätzung nur die Werte solcher Pla- EU-weiten Vergabeverfahrens vergeben. Wie wird aber nungsleistungen zusammenzurechnen sind, die „gleich- dieser voraussichtliche Auftragswert berechnet? Nicht artig“ sind. Ob jedoch Planungsleistungen verschiedener abschließend geklärt ist, ob bei Vorhaben die geschätz- Leistungsbilder einen solchen technischen Zusammen- ten Honorare für Leistungen verschiedener Leistungsbil- hang aufweisen, dass sie als gleichartig anzusehen sind, der zusammengefasst oder getrennt zu betrachten sind. wird voraussichtlich die Rechtsprechung klären müssen. Diese Frage ist derzeit Gegenstand eines Vertragsver- Maßgebliche Entscheidung: letzungsverfahrens der EU-Kommission gegen Deutsch- Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2015/4228 land. Dem Vertragsverletzungsverfahren liegt ein Fall aus Niedersachsen zugrunde, in welchem eine Stadt für die Dr. Karsten Kayser, Rechtsanwalt Planungen der Sanierung eines Schwimmbads bei der Dr. Alexander Dörr, Rechtsanwalt Schätzung des Auftragswerts die Planungsleistungen getrennt nach den einzelnen Leistungsbildern der HOAI betrachtet hat. Die geschätzten Honorare für Objekt-, Tragwerks- und TGA-Planungen beliefen sich in Summe Fazit: auf rund 450.000 EUR. Getrennt betrachtet überstieg Um rechtliche Risiken zu vermeiden, empfiehlt es jedoch kein Honorar den maßgeblichen Schwellenwert. sich für öffentliche Auftraggeber vorerst, Planungs- Diese Getrenntbetrachtung wurde in der Vergangenheit leistungen verschiedener Leistungsbilder für ein auch von Vergabenachprüfungsinstanzen gebilligt. Leis- einheitliches Bauwerk bei der Ermittlung des Auf- tungen der Objekt-, Tragwerks- und TGA-Planung seien tragswerts gesamthaft zu betrachten. Anderenfalls demnach nicht als einzelne „Fachlose“ der gesamten er- könnten nicht europaweit vergebene Planungsauf- forderlichen Planungsleistungen zu betrachten. Genau träge im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens gegenteilig argumentiert nun die EU-Kommission im an- für unwirksam erklärt werden. Dies hat allerdings hängigen Vertragsverletzungsverfahren. Sie fordert zur zur Folge, dass der maßgebliche Schwellenwert Berechnung des Auftragswerts aufgrund des funktiona- von 209.000 EUR schneller überschritten ist und len Zusammenhangs der Planungsleistungen eine einheit- damit EU-weite Vergabeverfahren zur Vergabe der liche Betrachtung bei der Auftragswertberechnung. Leistungen erforderlich sind. Als Alternative sollten Auftraggeber stets auch eine Generalvergabe in Be- Der Ausgang des Vertragsverletzungsverfahrens bleibt tracht ziehen. abzuwarten. Möglicherweise bringt die mit der Novellie- Menold Bezler Rechtsanwälte – Öffentliche Hand und ihre Unternehmen, März 2016 7
Informationszugangsrecht / Vergaberecht Auskunftsanspruch für Ausschreibungsinformationen Müssen Internetportale alles wissen? In den vergangenen Jahren wurden öffentliche Auftrag- Vorschriften stehen dem geltend gemachten Auskunfts- geber immer wieder von privaten Informationsdienstleis- anspruch nicht entgegen. Die auskunftsbegehrenden Un- tern aufgefordert, nach Auftragsvergabe Informationen ternehmen verlangten nämlich nur Auskunft über solche zu den Ausschreibungsergebnissen für eine Veröffentli- Angaben, die im Rahmen europaweiter Vergabeverfahren chung anzugeben. Im März 2014 hatte der Verwaltungs- ebenfalls bekannt gemacht werden müssen. gerichtshof Baden-Württemberg solchen Auskunfts- ansprüchen von Internetportalen noch einen Riegel Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hatte – vorgeschoben. In einer aktuellen Entscheidung sieht das in Bezug auf denselben Sachverhalt – ein solches jour- Verwaltungsgericht Schwerin einen Presseauskunfts- nalistisch-redaktionell gestaltetes Angebot im März 2014 anspruch zu Informationen über eine Auftragsvergabe abgelehnt, weil die Internetseiten keine publizistische demgegenüber als gerechtfertigt an. Zielsetzung beinhalten. Außerdem werden den Nutzern keine Informationen über abgeschlossene Vergabever- Die Auskunftsbegehren der Unternehmen der Informati- fahren vorenthalten. Nach Auffassung des Gerichtshofs onslogistik zielen zumeist darauf ab, von öffentlichen Auf- sind diese Informationen darüber hinaus nach den ver- traggebern nach der Beendigung von Vergabeverfahren gaberechtlichen Regelungen nicht zu veröffentlichen und Informationen in Bezug auf den Namen und die Adres- daher nicht allgemein zugänglich. se des ermittelten Auftragnehmers, den Auftragswert in Euro und die Anzahl der Bieter übermittelt zu bekommen. Maßgebliche Entscheidungen: Öffentliche Auftraggeber wurden in diesem Zusammen- VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 25.03.2014 – 1 S 169/14 hang dazu aufgefordert, Ausschreibungsinformationen in VG Schwerin, Urt. v. 18.05.2015 – 6 A 75/14 bestimmte Internetportale einzugeben. Den Auskunfts- anspruch stützten die Informationsdienstleister zu- Dr. Martin Ott, Rechtsanwalt meist auf das in dem jeweiligen Bundesland einschlägige Landespressegesetz, das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes oder – falls vorhanden – das entsprechende In- formationsfreiheitsgesetz des jeweiligen Bundeslandes und auf den Rundfunkstaatsvertrag. Fazit: Das Verwaltungsgericht Schwerin hat in seiner Entschei- Auskunftsansprüche der privaten Informations- dung den geltend gemachten Presseauskunftsanspruch dienstleister werden derzeit von den Gerichten un- zu Ausschreibungsinformationen bestätigt. Das Gericht terschiedlich beurteilt. Öffentliche Auftraggeber, stützte seine Entscheidung auf die einschlägigen Vor- die sich entsprechenden Auskunftsansprüchen aus- schriften des Rundfunkstaatsvertrags. Nach Auffassung gesetzt sehen, müssen daher auf die verwaltungsge- des Gerichts betreibt das Internetportal ein journalis- richtliche Rechtsprechung – soweit vorhanden – in tisch-redaktionell gestaltetes Angebot. Auch das erfor- ihrem Bundesland achten. Vor diesem Hintergrund derliche Publikationsinteresse liegt nach Ansicht des Ver- bleibt die weitere Rechtsentwicklung abzuwarten. waltungsgerichts Schwerin vor. Auch vergaberechtliche 8 Menold Bezler Rechtsanwälte – Öffentliche Hand und ihre Unternehmen, März 2016
Informationszugangsrecht / Vergaberecht Unbeschränkter Zugang zu Verwaltungsinformationen? Neues Informationsfreiheitsgesetz in Baden-Württemberg ist in Kraft Der Landtag von Baden-Württemberg hat Ende 2015 das son nicht eingewilligt hat. Im Ergebnis dürften von dieser Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Damit ist auch Ausnahmevorschrift nicht nur Betriebs- und Geschäfts- in Baden-Württemberg der Bruch mit dem bisherigen geheimnisse von natürlichen Personen und Privatunter- System der beschränkten Aktenöffentlichkeit eingeleitet. nehmen betroffen sein, sondern ebenso Betriebs- oder Durch das Gesetz soll jedermann freien Zugang zu den Geschäftsgeheimnisse von kommunalen Unternehmen. bei öffentlichen Stellen vorhandenen Informationen er- Auch diese haben regelmäßig ein Interesse daran, ihre Be- halten. Ein besonderes Interesse an der Auskunftsertei- triebs- und Geschäftsgeheimnisse zu wahren. lung ist nicht erforderlich. Sowohl auf Bundesebene als auch in zahlreichen Bundesländern bestehen derartige Auch mit Blick auf Vergabeverfahren wird das Informa- Informationsfreiheits- bzw. Informationszugangsgesetze tionsfreiheitsgesetz zukünftig eine Rolle spielen. Erfah- mittlerweile seit mehreren Jahren. Die baden-württem- rungen aus anderen Bundesländern haben gezeigt, dass bergischen Normen orientieren sich im Wortlaut in wei- Bieter, interessierte Bürger oder Vertreter der Presse das ten Teilen an diesen bestehenden Gesetzen, insbesondere Informationsfreiheitsgesetz bemühen, um an nähere In- am Hamburgischen Transparenzgesetz. formationen über ein Vergabeverfahren zu gelangen. Doch auch in diesem Fall wird regelmäßig einer der Aus- Der baden-württembergische Gesetzesentwurf sieht ei- nahmegründe einschlägig sein, der die Ablehnung des nen weitreichenden Informationsanspruch für jedermann Anspruchs auf Informationserteilung rechtfertigen kann. gegenüber öffentlichen Einrichtungen vor. Das Landes- Eine Beeinträchtigung des vergaberechtlichen Geheim- informationsfreiheitsgesetz fasst dabei den Begriff der wettbewerbs durch die „Hintertür“ der Informationsfrei- Stellen, welche zur Auskunftserteilung verpflichtet sind, heit haben daher voraussichtlich auch künftig weder Ver- sehr weit. Neben klassischen Behörden des Landes und gabestellen noch Bieter zu befürchten. der Kommunen sind unter anderem auch juristische Per- sonen des Privatrechts, die öffentlich-rechtliche Verwal- Dr. Alexander Dörr, Rechtsanwalt tungsaufgaben wahrnehmen, und dabei der Kontrolle ei- ner öffentlichen Stelle unterliegen, dem Grundsatz nach auskunftsverpflichtet. Dies betrifft insbesondere auch kommunale Unternehmen. Fazit: Der weitgehende Informationsanspruch für jedermann Durch das Landesinformationsfreiheitsgesetz ha- geht jedoch mit zahlreichen Ausnahmevorschriften ein- ben die Landkreise, Städte und Gemeinden in Ba- her, die im Einzelfall eine Versagung der Auskunftsertei- den-Württemberg keine „gläserne Verwaltung“ zu lung rechtfertigen können. Auskunftsverpflichtete Stellen befürchten. Mit dem Anspruch auf Informations- müssen daher nicht befürchten, dass künftig solche Infor- gewährung für jedermann gehen gleichzeitig zahl- mationen, die aus berechtigtem Grund geheimhaltungs- reiche Ausnahmebestimmungen einher, die auch pflichtig sind, über den „Hebel“ des Informationsfreiheits- künftig sehr häufig die Verweigerung von Informa- gesetzes an die Öffentlichkeit gelangen. Daher müssen tionsauskünften gegenüber Bürgern, Verbänden (und dürfen) beispielsweise solche Informationen, die oder Pressevertretern bei geheimhaltungsbedürfti- Gegenstand einer nichtöffentlichen Gemeinderatssitzung gen Sachverhalten rechtfertigen werden. Einzig der sind, auch künftig nicht unter Verweis auf den allgemei- Verwaltungs- und Dokumentationsaufwand wird nen Informationszugangsanspruch offengelegt werden. voraussichtlich für die betroffenen Stellen durch die Gleiches gilt für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, wel- Anzahl der Anfragen auf Informationszugang stei- che in Akten von öffentlichen Stellen enthalten sind. Nach gen. Privatunternehmen ist zu empfehlen, bei der § 6 des Gesetzentwurfs besteht kein Anspruch auf Infor- Übermittlung von Daten Behörden explizit auf Be- mationszugang, sofern die Informationen Betriebs- und triebs- und Geschäftsgeheimnisse hinzuweisen. Geschäftsgeheimnisse beinhalten und die betroffene Per- Menold Bezler Rechtsanwälte – Öffentliche Hand und ihre Unternehmen, März 2016 9
Kartellrecht Konzessionsvergabe für kommunale Alarmübertragungsanlagen Kommunen müssen Grundsätze des Bundeskartellamts beachten Gebietskörperschaften sind, wenn sie Konzessionen für der Alarmübertragung vorsah und stattdessen den Teil- den Betrieb von Alarmübertragungsanlagen für Brand- markt für Übertragungseinrichtungen dem Wettbewerb meldeanlagen vergeben, an kartellrechtliche Vorschrif- öffnete, sah das Bundeskartellamt im konkreten Fall so- ten gebunden. Auch außerhalb des Anwendungsbereichs gar eine sehr lange Laufzeit von zehn Jahren als zulässig an. des Vergaberechts müssen deshalb Konzessionsverträge für Alarmübertragungsanlagen regelmäßig im Rahmen Damit hat das Bundeskartellamt eine längere Laufzeit transparenter und diskriminierungsfreier Verfahren aus- gebilligt als die bisherige Rechtspraxis bei anderen Aus- geschrieben werden. So sah es das Bundeskartellamt schließlichkeitsbindungen. Bei anderen Verträgen, die in einem Musterverfahren gegen die Stadt Düsseldorf Ausschließlichkeitsbindungen begründen, wurde die und Siemens. Dies beruht auf der marktbeherrschenden Laufzeit von den Kartellgerichten je nach Einzelfall auf Stellung der Kommunen als alleinige Anbieter der Kon- maximal fünf Jahre (Rechtsprechung zu den Schilderprä- zessionen in ihrem Zuständigkeitsgebiet der jeweiligen gern) bzw. vier Jahre (Rechtsprechung zu langfristigen Gebietskörperschaft und den daraus resultierenden kar- Gaslieferungsverträgen) begrenzt. tellrechtlichen Vorgaben. Maßgebliche Entscheidung: Neben den Vorgaben zur kartellrechtskonformen Vergabe BKartA, Beschl. v. 24.5.2013 – B 7 – 30/07-1 der Konzessionen setzte sich das Bundeskartellamt auch mit der inhaltlichen Ausgestaltung der Konzessionsver- Fabian Jägerhuber, Rechtsanwalt träge auseinander. Zu einer unzulässigen Wettbewerbs- beschränkung kommt es nach Auffassung der Behörde jedenfalls dann, wenn der Konzessionsvertrag kumulativ sämtliche Teilleistungen für die Alarmübertragung aus Fazit: Brandmeldeanlagen gebündelt dem Konzessionär zum Bei der Vergabe von Konzessionen für Alarmübertra- exklusiven Betrieb überträgt und langjährige Laufzeiten gungsanlagen sind Kommunen an kartellrechtliche mit automatischer Verlängerung vorsieht. Vorschriften gebunden. Nach Ansicht des Bundes- kartellamts sind sie deshalb verpflichtet, diese Ver- In der verfahrensabschließenden Entscheidung hatte das träge regelmäßig, transparent und diskriminierungs- Bundeskartellamt drei Teilleistungen bei der Übertragung frei auszuschreiben. Auch inhaltlich unterliegen von Alarmen an die Leitstellen der Feuerwehr identifi- Konzessionsverträge für Alarmübertragungseinrich- ziert. Von diesen Teilleistungen betrachtete die Kartell- tungen kartellrechtlichen Beschränkungen. Konzes- behörde insbesondere die Einrichtung und den Betrieb sionsverträge können nach Auffassung des Bundes- von Übertragungseinrichtungen in Gebäuden, in denen kartellamts allerdings im Einzelfall für eine Laufzeit Brandmeldeanlagen installiert sind, als einen wirtschaft- von zehn Jahren vergeben werden, wenn nicht sämt- lich bedeutsamen Teilmarkt. Nachdem die Stadt Düssel- liche Teilleistungen der Alarmübertragung von der dorf einen Konzessionsvertrag zugesagt hatte, der keine exklusiven Konzession umfasst sind. exklusive Konzessionierung über sämtliche Teilleistungen 10 Menold Bezler Rechtsanwälte – Öffentliche Hand und ihre Unternehmen, März 2016
Beihilfenrecht Bundesverfassungsgericht rüffelt Bundesverwaltungsgericht in Sachen Zweckverband Tierkörperbeseitigung Die Dinge klar gerückt Die Auseinandersetzung über die Finanzierung des Zweck- Das BVerfG korrigiert nun die „Fehlentscheidung“ des verbands Tierkörperbeseitigung Rheinland-Pfalz entwi- BVerwG. Dabei spielen die eigentlichen beihilfenrechtli- ckelt sich immer mehr zum beihilfenrechtlichen „Krimi“. chen Fragen nur eine untergeordnete Rolle. Das BVerfG Seit dem Jahr 2008 haben sich parallel die mitgliedsstaat- rügt vielmehr mit deutlichen Worten, dass das BVerwG mit lichen Verwaltungsgerichte (VG Trier, OVG Rheinland- seiner Entscheidung die Justizgrundrechte der Kläger aus Pfalz und das Bundesverwaltungsgericht) einerseits so- Art. 19 Abs. 4 GG (Garantie effektiven Rechtsschutzes) wie die Europäische Kommission und das Unionsgericht und Art. 103 Abs. 1 GG (Recht auf richterliches Gehör) 1. Instanz (EuG) andererseits mit dem Vorgang befasst. verletzt habe. Das BVerwG habe das Rechtsschutzziel der Ende des Jahres 2015 hat nun das Bundesverfassungs- Beschwerdeführerinnen verkannt und auch Einzelheiten gericht (BVerfG) – jedenfalls auf nationaler Ebene – ein des Tatsachenvortrags der Beschwerdeführer übergan- Machtwort gesprochen, indem es auf eine Verfassungsbe- gen. Damit habe das BVerwG den Kern und Auslöser des schwerde hin das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Rechtsstreits – die Subventionierung der Marktteilnahme (BVerwG) aus dem Jahr 2010 aufgehoben und die Sache des Zweckverbands (insbesondere) hinsichtlich derjeni- zurückverwiesen hat. gen Materialien, deren Beseitigung auch privaten Unter- nehmen offen stand – ignoriert. Weiter stellt das BVerfG Das BVerwG hatte in dem – nun aufgehobenen – Urteil fest, dass das BVerwG die Feststellung der Europäischen vom 16.12.2010 entschieden, dass die Umlagezahlungen Kommission in ihrem Eröffnungsbeschluss für die Einlei- der Mitglieder des Zweckverbands keine Beihilfe darstell- tung des beihilfenrechtlichen Prüfverfahrens fehlinterpre- ten. Wesentliche Begründung hierfür war, dass mögliche tiert und geradezu in ihr Gegenteil verkehrt habe. Überkapazitäten des Zweckverbands nicht dazu genutzt würden, um wirtschaftliche Tätigkeiten in denjenigen Be- Maßgebliche Entscheidung: reichen auszuüben, die auch anderen Marktteilnehmern BVerfG, Beschl. v. 29. Oktober 2015 – 2 BvR 1493/11 offen stünden. Darüber seien die Kriterien der „Altmark“- Rechtsprechung zu bejahen (jedenfalls im Hinblick auf die Dr. Stefan Meßmer, Rechtsanwalt ersten drei Kriterien, während das 4. „Altmark“-Kriterium in dem vorliegenden Rechtsstreit nicht zu berücksichtigen sei), so dass es an einer Beihilfe fehle. Da es auch keinen Fazit: Markt für die staatlich zu erbringende Aufgaben gäbe, Ein langer Atem zahlt sich manchmal aus. Das gäbe es auch keine Vergleichsmöglichkeit mit Privaten. BVerfG korrigiert die Rechtsprechung des BVerwG. Dieses erhält nun Gelegenheit, Gleichklang mit der Dieses Urteil erfuhr heftige Kritik und wurde als „europa- Entscheidungspraxis der europäischen Behörden rechtswidrig“ bezeichnet. Denn die Europäische Kommis- und Gerichte herzustellen. Für die Praxis wäre das sion hatte zum Zeitpunkt des Urteils des BVerwG bereits wichtig, da vermieden werden muss, dass es zu einer das förmliche Prüfverfahren eingeleitet und darin das Vor- unterschiedlichen Anwendung der beihilfenrecht- liegen einer Beihilfe (vorläufig) bejaht, was dem BVerwG lichen Vorgaben auf europäischer und nationaler auch bekannt war. Schließlich bejahte die Europäische Ebene kommt. Kommission dann im Jahr 2012 das Vorliegen zu Unrecht gewährter Beihilfen an den Zweckverband und forderte die Bundesrepublik Deutschland auf, die Umlagen nebst Zinsen von dem Zweckverband zurückzufordern. Die ge- gen den Beschluss der Europäischen Kommission erhobe- ne Klage des Zweckverbands wies das EuG schließlich im Jahr 2014 ab. Menold Bezler Rechtsanwälte – Öffentliche Hand und ihre Unternehmen, März 2016 11
Beihilfenrecht Kommunale Förderung von Fahrradverleihsystemen – Ein Fall für „Brüssel“? Anforderungen an die beihilfenrechtskonforme Förderung Abhängig von der Art ihrer Finanzierung und Ausgestal- gestellten Verträgen) vorgegeben werden. Dabei sind Me- tung sind viele Fahrradverleihsysteme heute (noch) nicht chanismen zu verankern, dass sich die Zuschusszahlungen wirtschaftlich lebensfähig. Sie werden deshalb von der öf- entsprechend verringern, wenn der Betreiber deutlich höhe- fentlichen Hand auf verschiedene Weise finanziell geför- re Einnahmen als zunächst kalkuliert erwirtschaften kann. dert. Ist ein kostendeckender Betrieb eines Fahrradverleih- systems nicht möglich und wird deshalb ein „Zuschuss“ Soweit der Betreiber sonstige weitere wirtschaftliche Tätig- der öffentlichen Hand gewährt, stellt sich die Frage nach keiten ausübt, muss dieser die Einnahmen und Ausgaben der Anwendbarkeit des Beihilfenrechts. Unterstellt man, im Zusammenhang mit sonstigen Tätigkeiten im Rahmen dass es einen grenzüberschreitenden Wettbewerb im Hin- der Buchhaltung getrennt von den Kosten für die Erbrin- blick auf die Errichtung und den Betrieb von Fahrradver- gung der DAWI ausweisen und zuordnen (sog. „Trennungs- leihsystemen gibt, wären mögliche Zuschusszahlungen der rechnung“). Nur so kann sichergestellt werden, dass im öffentlichen Hand an den Betreiber als Beihilfe im Sinne Bereich der DAWI nicht Kosten angesetzt werden, die bei des europäischen Beihilfenrechts zu bewerten. der Erbringung wirtschaftlicher Tätigkeiten anfallen. Auch wenn der Betreiber im Rahmen einer Ausschreibung In dem Brüsseler Fall ist insbesondere problematisch, ermittelt worden ist, reicht dies für sich genommen nicht dass dem Betreiber des Systems – so jedenfalls der Vor- aus, um eine Beihilfe zu verneinen. Zusätzlich muss sicher- wurf – nach Durchführung der Ausschreibung zusätzliche gestellt werden, dass während der Betriebsphase die bei- Vorteile gewährt wurden (z.B. Befreiung von bestimmten hilfenrechtlichen Vorgaben beachtet werden. Gebühren und Abgaben). Fraglich ist hier insbesondere, wie der Nachweis geführt werden kann, dass keine Über- Aktuell ist ein Fahrradverleihsystem im Stadtgebiet von kompensation zugunsten des Betreibers erfolgt. Brüssel Gegenstand eines Beihilfenprüfverfahrens der Europäischen Kommission (Fall „Villo“). In ihrem Eröff- Maßgebliche Entscheidung: nungsbeschluss geht die Behörde davon aus, dass die Be- Beschl. der Europäischen Kommission v. 24.03.2015, reitstellung eines Fahrradverleihsystems beihilfenrechtlich ABl. C 203/12 v. 19.06.2015 als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Inte- resse (DAWI) eingeordnet werden kann. Ohne staatliche Dr. Stefan Meßmer, Rechtsanwalt Förderung würde ein solches System, das den Bedürfnis- sen der Bürger dient, nicht zu den gleichen Bedingungen angeboten und damit auch nicht in der gleichen Intensität Fazit: genutzt. Eine „Betrauung“ des Systembetreibers ist damit Die Betätigungsfelder der öffentlichen Hand mögen grundsätzlich möglich. sich wandeln, die rechtlichen Spielregeln bleiben gleich. „Neue“ Formen der Mobilität wie Fahrradver- Die Tücken liegen auch hier im Detail. Für die korrekte Um- leihsysteme sind heute vielleicht noch auf Zuschüsse setzung der Betrauung müssen entweder die Vorausset- der öffentlichen Hand angewiesen. Dies kann sich zungen der „Altmark“-Entscheidung des EuGH oder des aber schon morgen ändern. In Abhängigkeit von der sog. „Freistellungsbeschlusses“ der Europäischen Kommis- Entwicklung dieser „Märkte“ ist davon auszugehen, sion erfüllt sein. Hierfür muss insbesondere sichergestellt dass interessierte Wettbewerber die beihilfenrechtli- werden, dass es nicht zu einer Überkompensation für den chen Rechtsschutzmöglichkeiten nutzen werden, um Betreiber kommt. Wesentliche Voraussetzung hierfür ist, gegen eine „verbotene“ Subventionierung solcher Sys- dass die maßgeblichen Parameter für die Berechnung und teme vorzugehen. Deshalb ist es wichtig, bereits heute Gewährung der jährlichen Ausgleichsleistungen bereits im keine beihilfenrechtlichen Angriffspunkte zu bieten. Rahmen der Ausschreibung (und den in den Wettbewerb 12 Menold Bezler Rechtsanwälte – Öffentliche Hand und ihre Unternehmen, März 2016
Compliance Korruptionsrisiko Schulfotograf Annahme von Aufwandsentschädigungen kann strafbar sein Kleine Geschenke können eine große Wirkung entfalten – §§ 332, 334 StGB (Bestechung und Bestechlichkeit) und/ manchmal auch im unerwünschten Sinne. Schulen, oder §§ 331, 333 StGB (Vorteilsgewährung und Vorteils- Schulfördervereine und Elternbeiräte sollten daher drin- nahme) erfüllt. gend auf Zuwendungen jeglicher Art von Schulfotografen verzichten. Anderenfalls kann sich die Schulleitung we- Ein Fotounternehmen ging im Wege des Eilrechtsschut- gen Bestechlichkeit oder Vorteilsnahme bei der Auswahl zes gegen diese dienstlichen Schreiben vor. Es verlangte des Schulfotografen strafbar machen. Der Bayerische vom Ministerium Unterlassung der Äußerung, dass auch Verwaltungsgerichtshof hat geurteilt, dass Zuwendungen die Abwicklung von Zuwendungsflüssen über Förderver- eines Schulfotografen auch dann als Bestechungshand- eine und sonstige Dritte anlässlich einer Schulfotoaktion lung zu werten sind, wenn nicht die Schule, sondern der strafbar sei. Dieses Vorgehen erwies sich jedoch als klas- Förderverein oder Elternbeirat eine „Aufwandsentschä- sisches „Eigentor“: Der Bayerische Verwaltungsgerichts- digung“ eines Fotounternehmens erhält. hof urteilte, dass es auf die Person des Zuwendungsemp- fängers nicht ankomme. Allen Beteiligten sei bewusst, Das Bayerische Kultusstaatsministerium hatte im Juni dass allein die Schulleitung im Rahmen ihrer Dienst- 2013 in mehreren Schreiben an Schulen und Schulämter pflichten eine Ermessensentscheidung zu Gunsten eines darauf hingewiesen, dass eine Entgegennahme von Zu- bestimmen Schulfotografen treffen könne. Wenn ein wendungen im Rahmen von Schulfotoaktionen durch die Fotounternehmen durch die angebotene Zuwendung an Schule, Lehrkräfte oder sonstiges Schulpersonal unter- den Förderverein nicht den organisatorischen Aufwand bleiben müsse und mit straf- und dienstrechtlichen Kon- bei der Durchführung der Fotoaktion vergüten, sondern sequenzen geahndet werden könne. Gleiches gelte auch die Schulleitung zur Betrauung mit der Schulfotoaktion für die Abwicklung von Zuwendungsflüssen über Förder- bewegen wolle, seien die Voraussetzungen des Beste- vereine, Elternbeiräte oder sonstige Dritte. Das Staats- chungstatbestands ohne weiteres erfüllt. Ob das Unter- ministerium begründete dies damit, dass in Bayern keine nehmen schlussendlich beauftragt werde oder nicht, sei verwaltungsrechtliche Grundlage dafür bestehe, von ei- irrelevant. Das Schreiben des Kultusministeriums mit der nem Fotografen für den organisatorischen Aufwand der Aufforderung, keine Zuwendungen von Schulfotografen Schule anlässlich einer Schulfotoaktion eine Vergütung anzunehmen, sei daher rechtmäßig gewesen. zu beanspruchen. Da es sich bei der Auswahl des Schul- fotografen um eine Ermessensentscheidung der Schullei- Maßgebliche Entscheidung: tung handele, seien – entsprechend einer Entscheidung Bayerischer VGH, Beschl. v. 08.07.2015 – 7 CE 15.450 des Bundesgerichtshofs vom 26. Mai 2011 – im Falle ei- ner Zuwendung des Fotografen die Straftatbestände der Dr. Jochen Bernhard, Rechtsanwalt / Compliance Officer (Univ.) Menold Bezler Rechtsanwälte – Öffentliche Hand und ihre Unternehmen, März 2016 13
Fazit: Auch ein Verwaltungsgericht ist befugt, inzident an die Schule selbst, sondern auch „Aufwandsentschä- strafrechtliche Wertungen zu prüfen. Der Bayerische digungen“ an den Förderverein oder Elternbeirat sind Verwaltungsgerichtshof nutzte diese Chance, um unzulässig. Diese Auffassung setzt die bereits bestehen- seine Rechtsauffassung zur Bestechung durch die de restriktive Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Annahme von Zuwendungen eines Schulfotogra- zu Geld- und Sachgeschenken von Schulfotografen fort fen kundzutun. Danach ist der Straftatbestand des und dürfte auch auf die Rechtslage in Baden-Württem- § 334 StGB weit auszulegen. Nicht nur Zuwendungen berg übertragbar sein. Organisationsrecht Die Kommunalanstalt – Jetzt auch in Baden-Württemberg möglich! Neue Gestaltungsmöglichkeiten für die öffentliche Hand Nachdem die Anstalt des öffentlichen Rechts bereits in Die Kommunalanstalt ist für alle Bereiche der kommu- vielen Bundesländern eine zugelassene Rechtsform ist, nalen Daseinsvorsorge eine interessante Option. Sowohl die Kommunen für ihre (wirtschaftlichen und nichtwirt- Pflichtaufgaben als auch freiwillige Aufgaben der Da- schaftlichen) Unternehmen wählen können, sind nun- seinsvorsorge sind als Aufgabengebiet für eine Kommu- mehr auch in Baden-Württemberg die gesetzlichen Wei- nalanstalt denkbar. chen für diese Rechtsform gestellt. Auf der Grundlage des Gesetzes zur Änderung der Gemeindeordnung, des Auf der Ebene der Gemeinden spielt die Anstalt des öf- Gesetzes über kommunale Zusammenarbeit und anderer fentlichen Rechts in der Praxis vor allem in den Bereichen Gesetze vom 09.12.2015 (GBl. 2015, 1147 – 1154) kön- Energie- und Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung, nen künftig auch baden-württembergische Kommunen Alten- und Pflegeheime, Kultur (Theater), Freizeit (Bäder) rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts (im Ge- und städtische Hilfsdienste (z.B. Bauhof, „back office“ für setz „Kommunalanstalt“ genannt) errichten. Beschaffungen) eine Rolle. Bei Stadt- und Landkreisen ist die Anstalt des öffentlichen Rechts insbesondere in den Im Anschluss an § 102 GemO wurden speziell für die Bereichen Krankenhaus, Abfallwirtschaft und ÖPNV eine Kommunalanstalt die §§ 102a bis 102d GemO neu ein- Option, sofern die Stadt- und Landkreise hier ihre Auf- gefügt und darin deren Errichtung, ihre Organe und die gaben über eigene Einrichtungen und Betriebe (teilweise) auch für die Kommunalanstalt geltenden sonstigen Vor- selbst erfüllen. Seit Kommunen durch die Organisation schriften geregelt. Mit der zeitgleichen Änderung des der Flüchtlingsunterbringung stark gefordert sind, könnte Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit (GKZ) die Kommunalanstalt auch in diesem Bereich eine interes- wurde der Anwendungsbereich auch für die interkommu- sante Rechtsform sein. nale Zusammenarbeit eröffnet und in den neuen §§ 24a und 24b GKZ die gesetzliche Grundlage für „gemeinsame Im Vergleich zu den rechtlich unselbstständigen Organi- selbstständige Kommunalanstalten“ gelegt. sationsformen des Regiebetriebs und des Eigenbetriebs 14 Menold Bezler Rechtsanwälte – Öffentliche Hand und ihre Unternehmen,März 2016
erleichtert die rechtliche Selbstständigkeit der Kommu- kein Garant für eine wirtschaftlich solide Unternehmens- nalanstalt eine eigenverantwortliche, unternehmerische führung. Es ist im Einzelfall vielmehr anhand der Ziele Betriebsführung. der Kommune und der konkreten Verhältnisse vor Ort zu prüfen, ob die Gründung oder Überführung eines beste- Gegenüber privatrechtlichen Gesellschaften besteht der henden Unternehmens in eine Kommunalanstalt Vorteile „Charme“ der öffentlich-rechtlichen Kommunalanstalt gegenüber den Organisationsstrukturen im status quo er- vor allem in der warten lässt und welche steuerlichen Folgen die Übertra- weitgehenden Freiheit der Kommune bei der Ausge- gung von Vermögen auf eine Kommunalanstalt hat. staltung der inneren Organisation der Anstalt und der größeren kommunalen Einflussmöglichkeit, Möglichkeit zur ganzen oder teilweisen Übertragung Literaturhinweise: von Aufgaben mit der Festlegung eines Anschluss- und Fabry, Die Kommunalanstalt – Mögliche Rechtsform bald auch in Benutzungszwangs zugunsten der Kommunalanstalt Baden-Württemberg?, VBlBW 2014, 212 ff. sowie der Einräumung von Satzungs- und Gebühren- Fabry/Augsten, Die Kommunalanstalt in Baden-Württemberg – hoheit, Rechtliche und steuerliche Hinweise zur neuen Rechtsform, Möglichkeit, der Kommunalanstalt Satzungshoheit VBlBW 2016, 105 ff. und Gebührenhoheit einzuräumen, und dem Recht, die Abgaben nach den kommunalabgabenrechtlichen Seminarhinweis: Vorschriften festzusetzen, zu erheben und zu vollstrecken, Die Kommunalanstalt, vhw-Seminar am 13.04.2016 in Stuttgart Dienstherrenfähigkeit der Anstalt, die die Beschäfti- gung von Beamten erlaubt, Dr. Beatrice Fabry, Rechtsanwältin fehlenden Insolvenzfähigkeit sowie darin, dass die Kommunalanstalt nicht qua Rechtsform eine Steuerpflicht auslöst. Auf den Punkt gebracht kann man daher die Kommunal- Fazit: anstalt als „öffentlich-rechtliche Gesellschaft“ bezeich- Die gesetzliche Einführung der Kommunalanstalt nen, deren Organisationsstruktur einerseits unterneh- kann von jeder Kommune zumindest zum Anlass merisches Handeln ermöglicht, deren Anstaltscharakter genommen werden, im Sinne einer Organisations- andererseits hoheitliches Handeln erlaubt. Aus Sicht des und Aufgabenkritik zu prüfen, ob ihre vorhandenen kommunalen Trägers einer Kommunalanstalt lässt sich Organisationsstrukturen noch zeitgemäß sind, um diese daher trotz der rechtlichen Selbstständigkeit bei einer die Aufgaben der Daseinsvorsorge auch künftig entsprechenden Ausgestaltung der Satzung besser steu- möglichst effizient, wirtschaftlich, nachhaltig und ern und kontrollieren als privatrechtliche Gesellschaften. sozial erfüllen zu können. Klar ist allerdings auch: allein die Rechtsform ist noch Umweltrecht Ist die Zeit für Präklusionsvorschriften abgelaufen? Europäischer Gerichtshof erweitert Rechtsschutz in Umweltsachen Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Oktober Im konkreten Fall hat das Gericht die Präklusionsvor- 2015 entschieden, dass verwaltungsrechtliche Präklusi- schriften im Planfeststellungsverfahren nach § 73 Abs. onsvorschriften gegen Europarecht verstoßen. Bislang 4 Satz 3 VwVfG sowie nach § 2 Abs. 3 UmwRG für nicht konnten Betroffene bei Klagen gegen behördliche Geneh- mehr anwendbar erklärt. Gleiches dürfte aber für ähnlich migungen regelmäßig nur solche Einwände geltend ma- formulierte Regelungen gelten, die Rechtsschutzmög- chen, die sie bereits gegenüber der Behörde gerügt hat- lichkeiten einschränken, wie etwa § 10 Abs. 3 BImSchG. ten. Die Entscheidung des EuGH wird hier zu deutlichen Kläger können damit künftig Mängel von Genehmigun- Änderungen führen. gen, gegebenenfalls aus taktischen Gründen, auch erst Menold Bezler Rechtsanwälte – Öffentliche Hand und ihre Unternehmen, März 2016 15
im Gerichtsverfahren geltend machen. Eine Einschrän- dann zur Aufhebung einer Genehmigung, wenn der Be- kung lässt der EuGH nur bei missbräuchlichem Verhalten troffene nachweisen konnte, dass die Genehmigung an- zu. Wo die Rechtsprechung hier eine Grenze ziehen wird sonsten nicht in derselben Weise ergangen wäre. Hier oder ob der Gesetzgeber auf das Urteil reagiert, bleibt wird künftig bereits der Verfahrensfehler allein zum Er- abzuwarten. folg eines Rechtsbehelfs führen. Die Entscheidung des EuGH ist zwar sehr deutlich auf Maßgebliche Entscheidungen: Sachverhalte zugeschnitten, die Umweltfragen betreffen. EuGH, Urt. v. 15. Oktober 2015 – C-137/14; Gleichwohl könnte sie auch die praktische Arbeit der VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 15. Oktober 2015 – Kommunen im Rahmen der Aufstellung von Bebauungs- 5 S 2020/13 plänen beeinflussen. Bei der öffentlichen Auslegung der Planunterlagen wird bislang darauf hingewiesen, dass Verena Rösner, Rechtsanwältin, Dipl.-Verwaltungswirtin (FH) eine Normenkontrolle gegen den Bebauungsplan nur zu- Alexander Häcker, Rechtsanwalt lässig ist, wenn zuvor Einwände erhoben wurden. Auch diese Praxis erscheint künftig zweifelhaft, soweit es um umweltbezogene Rügen geht. Die nationale Rechtsprechung hat unmittelbar reagiert und wendet die genannten Präklusionsvorschriften seit- Fazit: dem nicht mehr an. Der VGH Baden-Württemberg nahm Präklusionsvorschriften in Umweltsachen verstoßen in einem Urteil zu einem eisenbahnrechtlichen Planfest- nach einer aktuellen Entscheidung des EuGH gegen stellungsverfahren, an dem unsere Kanzlei erfolgreich Europarecht und sind nicht mehr anwendbar. Dies beteiligt war, bereits am selben Tag Bezug auf die neue könnte auch Einfluss auf das Aufstellungsverfahren für europäische Rechtsprechung. Bebauungspläne haben. Ferner hat eine Rüge wegen unterlassener Umweltverträglichkeitsprüfung künftig Der EuGH hält darüber hinaus noch eine weitere Rege- unabhängig davon Erfolg, ob sich dieser Verfahrens- lung für unionsrechtswidrig. Bislang führte eine fehler- fehler auf das Ergebnis ausgewirkt hat. haft unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung nur In eigener Sache Mit Vergaberecht-Award ausgezeichnet Beim 2. Deutschen Vergabetag des „Deutschen Verga- Wirtschaft, Anwaltschaft und Rechtspflege im Vergabe- benetzwerks“ (DVNW) in Berlin erhielten Dr. Valeska recht. Neben den Internetportalen dvnw.de sowie verga- Pfarr und Dr. Martin Ott als zwei von fünf Preisträgern beblog.de bietet das DVNW Vernetzungsmöglichkeiten in den DVNW-Award 2015. Sie wurden damit für ihre Fach- Regionalgruppen. Regelmäßige Treffen mit Vorträgen und beiträge zu vergaberechtlichen Themen auf der Internet- Diskussionen zu aktuellen Themen finden auch in Stutt- Plattform vergabeblog.de ausgezeichnet. Das DVNW gart statt (siehe unter „Vorträge und Veranstaltungen“). vereint bundesweit Experten aus Verwaltung, Politik, 16 Menold Bezler Rechtsanwälte – Öffentliche Hand und ihre Unternehmen, März 2016
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