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Flexibilität: Eine wichtige Säule der Energiewende. Flexible Lösungen aus und für Nordrhein-Westfalen
Inhaltsverzeichnis Einleitung und Überblick 4 Der Cluster EnergieForschung.NRW 6 Das Netzwerk Energiewirtschaft – Smart Energy 7 Die Bedeutung von Flexibilitätsoptionen für die Umsetzung der Energiewende 8 Technische Lösungsansätze und ihre Flexibilitätspotentiale 9 Flexibilität durch Batteriespeicher 9 Mit Wasserstoff zur bedarfsgerechten und sauberen Energieversorgung 11 Aufgabe der Kraftwerke im Erzeugungsmix 14 Die Bedeutung von Virtuellen Kraftwerken zur Koordination unterschiedlicher Flexibilitätsoptionen 17 Neue Flexibilität durch Sektorenkopplung 19 FlexKWK – Strom-Wärme-Kopplung neu denken 21 Flexibilisierung von Lasten für die Energiewende 23 Power-to-X – Flexible Nutzung erneuerbarer Ressourcen 26 Flexible Netze 28 Intelligente Netze für mehr Effizienz 28 Gleichspannung – Intelligente Flexibilität für die elektrischen Netze der Zukunft 30 Modellprojekt in NRW zur Gestaltung einer proaktiveren Rolle des Verteilnetzbetreibers 32 Flexibilität im Strommarkt 34 Flexibilität aus volkswirtschaftlicher Sicht 34 Fünf- bis sechsstellige Zusatzerlöse durch die Vermarktung von Flexibilität 36 Happy Power Hour: Chancen für (Flexible) Industrieunternehmen 38 Betrieb und Wirtschaftlichkeit von Speichertechnologien in einem unsicheren Marktumfeld 41 Praxisbeispiele 43 Flexibilisierung und deren Zielkonflikte 43 Aluminiumelektrolyse als virtuelle Batterie 45 Hybrid-Rekuperator – Flexible Nutzung von Erneuerbaren Energien zur Stabilisierung der Stromnetze und zur Einsparung von fossilen Energieträgern 48 Schwankende Energieversorgung und energieintensive Produktionsprozesse 50 Forschung als Schlüssel für ein nachhaltiges Energieversorgungssystem 52
4 Einleitung und Überblick Nordrhein-Westfalen ist nicht nur das bevölkerungsreich- den Beitrag zum Gelingen der Energiewende und zum ste Bundesland, sondern hat als Industriestandort Num- Erhalt der Systemstabilität leisten. mer 1 auch den bundesweit höchsten Stromverbrauch. Daher ist die Aufrechterhaltung der Versorgungssicher- Die vorliegende Broschüre zeigt Ihnen aktuelle Beispiele heit und -qualität auf dem heutigen Niveau ein wichtiger von innovativen Technologien, Lösungsansätzen und Standortfaktor, sowohl für die hier ansässigen Unterneh- Geschäftsmodellen aus der nordrhein-westfälischen men als auch für die Sicherung von Arbeitsplätzen. Die Wirtschaft und Wissenschaft. Flexibilisierung des Stromsystems kann einen bedeuten- Vorab die Themen in Kürze: Versorgungssicherheit durch Vielfalt Energieversorgung neu denken! „Es wird nicht die eine Lösung geben, mit der sich die „Um erneuerbaren Energien zu einer möglichst tiefen Vorhaben der Energiewende umsetzen lassen und mit der Durchdringung unseres Energiesystems zu verhelfen, sich auf die vielzähligen neuen und weitaus komplexeren muss Energieversorgung neu gedacht werden. Ein viel- Anforderungen der „neuen“ Stromversorgung reagieren versprechender Ansatz ist die intelligente Kopplung der lässt.“ Sektoren Strom, Gas und Wärme.“ Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick Dr. Johannes Schaffert, Prof. Dr.-Ing. Klaus Görner Flexibilität durch Speicher Sektorenkopplung dank Wärmespeicher „Batteriespeichern können dem System schnell abrufbare „KWK-Anlagen sind in Verbindung mit Wärmespeichern Leistung bieten, jedoch ist dieses Potential bis heute sehr flexibel einsetzbar und können optimal auf die aufgrund fehlender Vergütungsstrukturen noch weitest- Situation an den Energiemärkten reagieren.“ gehend ungenutzt.“ Dipl.-Ing. Carsten Beier Julia Badida, Kai-Philipp Kairies, Stefan Nykamp, Prof. Dr. Dirk Uwe Sauer Markt und Nutzer „Die tatsächlichen Chancen und Perspektiven für den Flexibilität durch Power-to-Gas DSM Einsatz von geeigneten flexiblen Lasten hängt nicht „Da eine direkte Speicherung elektrischer Energie im er- zuletzt maßgeblich auch von einer Reihe an nicht-techni- forderlichen Ausmaß aus heutiger Sicht nicht möglich ist, schen Faktoren ab, die vor allem durch den Markt und das bietet sich die Nutzung überschüssigen Stroms zur Erzeu- Nutzerverhalten geprägt werden.“ gung von Wasserstoff mithilfe der Wasserelektrolyse an.“ Frank Merten Dr. Bernd Emonts, Dr. Thomas Grube, Dr. Alexander Otto, Dr. Martin Robinius, Prof. Dr. Detlef Stolten Flexible Nutzung erneuerbarer Ressourcen „Power-to-X“-Technologien beinhalten eine direkte Ver- Fossile Kraftwerke sichern Zukunft knüpfung zwischen energetischer und stofflicher Wert- „Durch eine konsequente Erweiterung des Produktportfo- schöpfungskette und haben damit gleichzeitig ein beson- lios – weg vom alleinigen Produkt Strom und hin zu Koppel- deres Potenzial für die Verringerung des Einsatzes von produkten wie Wärme, Gase, Kraftstoffe und/oder chemi- fossilen Rohstoffen in den für den Wirtschaftsstandort sche Produkte – haben fossile Kraftwerke eine Zukunft.“ Deutschland essentiellen Sektoren Energiewirtschaft, Prof. Dr.-Ing. Klaus Görner Transport/Verkehr und Chemie. Prof. Dr. Rüdiger-Albert Eichel, Severin Foit, IKT-Technologien gestalten Energiewende Lambertus G.J. de Haart „Durch die Kombination der Bausteine Virtuelle Kraft- werke, Smart Grids und regionale Flexibilitätsmärkte wird die Grundlage für das Energiesystem der Zukunft geschaffen.“ Jan Meese, Dr.-Ing. Marcus Stötzel, Prof. Dr.-Ing. Markus Zdrallek
5 Betriebskonzepte koordinieren Flexibilität Regulation erschwert Potentiale „Die Entwicklung neuer, innovativer Betriebskonzepte zur „Ausgewählte Produktionsanlagen lassen sich - soweit Ausnutzung von Flexibilitätspotenzialen erfordert eine prozesstechnisch und wirtschaftlich möglich - flexibel im spannungsebenen-übergreifende Koordination der Flexibi- Rahmen der Teilnahme am Sekundärregelmarkt fahren. litäten, um den Wechselwirkungen zwischen Verteilungs- Das heutige regulatorische Umfeld erschwert jedoch die und Übertragungsnetz Rechnung zu tragen.“ Umsetzung weiterer Potentiale.“ Prof. Dr.-Ing. Armin Schnettler Dipl.-Ing. Christian Hein Netze brauchen Intelligenz Speicher wirtschaftlich sinnvoll betreiben „Zukünftige Netze müssen intelligent sein, Informationen „Für eine wirtschaftlich sinnvolle Betriebsweise von über Erzeugungspotential und Anpassungspotential der Speichern sind die aktuellen Speicherfüllstände, die Nachfrage auswerten und den optimalen Ausgleich prognostizierten Nachfrage- bzw. Preisniveaus entschei- zwischen Erzeugern und Verbrauchern (vorab) gewähr- dend. Dabei müssen Nachfrage- und Preisunsicherheiten leisten.“ ebenso berücksichtigt werden wie die Vermeidung von Dr.-Ing. Peter Lürkens, Prof. Dr. ir. Rik W. De Doncker vorzeitiger Batteriealterung.“ Prof. Dr. Christoph Weber, Dipl.-Ing. Benjamin Böcker Information und Kommunikation „Das optimale Zusammenwirken von „Smart Grid“ und Effizienz durch Innovation „Smart Market“ ergibt sich durch ein vollumfängliches, „Effizienz und Flexibilität verfahrenstechnischer Prozesse zustandsbasiertes und spannungsebenenübergreifendes bilden zwar betrieblich betrachtet einen Zielkonflikt, die Last-, Erzeugungs- und Informationsmanagement für systemische Effizienz eines Energieversorgungssystems Verteilnetze.“ hingegen wird durch die Flexibilisierung von Produktions- Dr. Robert Lorenz prozessen deutlich verbessert.“ Roman Düssel Das Strommarktdesign ist ausschlaggebend „Nur ein unverzerrter Wettbewerb zwischen den unter- Industrielle Heizprozesse flexibel gestalten schiedlichen Optionen der Stromverwendung und Bereit- „Flexibilität bei der Beheizung von industriellen Prozess- stellung von Flexibilität kann eine effiziente Entwicklung feuerungen unterstützt die Stabilisierung des Stromnet- des Energiesystems unterstützen.“ zes bei volatiler Einspeisung von Strom aus erneuerbaren PD Dr. Dietmar Lindenberger Energiequellen.“ Dr.-Ing. Wolfgang Bender Lasten wirtschaftlich nutzbar machen „Bei fünf- bis sechsstelligen Zusatzerlösen pro Jahr haben Energiewende als Chance für die Industrie Gewerbe- und Industriekunden einen guten Grund, sich „Die energetische Flexibilisierung von Industrieprozessen mit der wirtschaftlichen Nutzung ihrer Lasten zu beschäf- ist für die deutsche Industrie eine große Chance, sich zum tigen.“ internationalen Vorreiter und zukünftigen Leitanbieter für Bastian Baumgart Flexibilitätslösungen zu entwickeln.“ Dipl.-Wirtsch.-Ing. Stefan Seifermann, Preissignale für systemdienliches Verhalten nutzen Dipl.-Wirtsch.-Ing. Philipp Schraml, „Durch dynamische Stromtarife können bereits heute Prof. Dr.-Ing. Eberhard Abele schon vorliegende Flexibilitätspotentiale in industriellen Unternehmen nutzbar gemacht werden und somit Strom- bezugskosten reduziert werden.“ Benedikt Dahlmann, Jan Meese, Prof. Dr.-Ing. Markus Zdrallek, Andy Völschow
6 Der Cluster EnergieForschung.NRW Der von der EnergieAgentur.NRW gemanagte Cluster Zudem fungiert CEF.NRW als Transferstelle zu den EnergieForschung.NRW (CEF.NRW) arbeitet im Auftrag energiebezogenen Aktivitäten auf Seiten der EU und des Ministeriums für Innovation, Wissenschaft und For- des B undes sowie zu gesellschaftlichen Initiativen. schung des Landes Nordrhein-Westfalen an der Umsetzung der energiewirtschaftlichen und klimapolitischen Zielvor- Ansprechpartner: gaben der Landesregierung im Bereich der Energiefor- schung. Dabei stellt CEF.NRW das komplexe Energiever- Dr. Frank-Michael Baumann sorgungssystem als Ganzes in den Fokus seiner inter- und Clustermanager transdisziplinären Aktivitäten. Aufbauend auf den für die Energiewende relevanten Prozessen der Primärenergie- Georg Unger, M.A., MBA, M.Sc. konversion im erneuerbaren und fossilen Bereich werden Fossile Energieumwandlung und Energienetze, Flexibilitätsoptionen sowie Speichertech- Transformationsforschung nologien als Tätigkeitsfeld gesehen. Dr. Stefan Rabe Die zum Klimaschutz zwingend notwendige Dekarbonisie- Energienetze und -speicher, energetische rung unseres heutigen Wirtschaftssystems bzw. den Nutzung von Biomasse und Bioökonomie bereits eingeleiteten Transformationsprozess des Energie- versorgungssystems in Richtung Nachhaltigkeit gilt es Dr. Benedikt Rösen wissenschaftlich zu begleiten. Hier setzt CEF.NRW mit Brennstoffzelle und Wasserstoff, Solarenergie dem Ziel an, technologische und sozioökonomische und W indenergie Erkenntnisfortschritte zu entwickeln und schneller als bisher auf den Weg in die Anwendung zu bringen. Dazu Sabine Michelatsch initiiert der Cluster Forschungs- und Entwicklungspro- Kommunikation jekte in der koordinierten Zusammenarbeit von For- schungseinrichtungen mit Wirtschaft und Gesellschaft. www.cef.nrw.de Sozialverträglichkeit Elektrolyse Erneuerbare Energien Wirtschaftlichkeit CO2-Nutzung Energieeffizienz Power to X Fossile Kraftwerkstechnologien Transformation Energiespeicher Wasserstoff Governance Flexibilitätsoptionen Marktdesign Energienutzung Der Mensch im Mittelpunkt Umweltverträglichkeit Rebound Energienetze Denkweisen Wärme- und Kältetechnologien Virtuelle Kraftwerke Konversionstechnologien Brennstoffzellen Partizipation Digitalisierung Versorgungssicherheit
7 Das Netzwerk Energiewirtschaft – Smart Energy Zu Beginn des Jahres 2015 wurde auf Initiative des Ministe- von IT-basierten dezentralen Versorgungsstrukturen und riums für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und bei der Entwicklung von Flexibilisierungsoptionen für Ver- Handwerk des Landes Nordrhein-Westfalen das Netzwerk sorgungsunternehmen und Verbraucher. Da die Transfor- Energiewirtschaft – Smart Energy gegründet. Im Fokus des mation des Energiesystems und die damit einhergehende von der EnergieAgentur.NRW organisierten Netzwerkes Komplexität eine Koordinierung durch automatisierte und steht die Verbesserung der Geschäftschancen nordrhein- digitale Strukturen erfordert, widmet sich das Netzwerk westfälischer Unternehmen aus den Bereichen Energie- Energiewirtschaft – Smart Energy verstärkt dem Thema erzeugung, -verteilung und -versorgung. Dabei werden die Digitalisierung und engagiert sich diesbezüglich mit einer Kompetenzen der nordrhein-westfälischen Akteure am Fachgruppe zum Thema. Energiemarkt, wie u. a. Versorgungsunternehmen, Netz- betreiber, wissenschaftliche Institute, Energiedienstleis- Mit knapp 600 Mitgliedern bietet das Netzwerk eine gute ter, Finanzdienstleister, Landesinstitute, Anlagenbauer Möglichkeit, gemeinsam die Herausforderungen der und Zulieferer, gebündelt. Die Aktivitäten sind entlang der Energiewende anzugehen und thematische Schnittstellen gesamten Wertschöpfungskette ausgerichtet und fokus- synergetisch zu nutzen. sieren sowohl die Angebots- als auch die Verbrauchsseite. Entsprechend finden ebenso Haushalte, Industriebetriebe Ansprechpartner: sowie kleine und mittelständische Unternehmen in Hin- blick auf eine kosteneffiziente Nutzung der bereitgestellten Dr. Eckehard Büscher Energie Berücksichtigung in den Aktivitäten des Netzwerkes. Leiter Netzwerke Bergbau- und Energiewirtschaft In den Arbeitsgruppen Indra Theisen Bereichsleitung Energiewirtschaft n AG 1: Zukunftsfelder für Stadtwerke und EVU, n AG 2: Flexibilitätsoptionen für Industrie und Gewerbe, Janwillem Huda n AG 3: Internationalisierungsstrategien Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation unterstützt das Netzwerk Energiewirtschaft – Smart www.energieagentur.nrw/netzwerk-energiewirtschaft Energy Unternehmen der Energiebranche bei der Ausrich- tung auf die Energiemärkte der Zukunft, beim Ausbau von Internet of Things Geschäftsfeldern im In- und Ausland, bei der Entwicklung Start-ups Energiesystem Smart Services Innovation der Zukunft Geschäftsmodelle Gewerbe Infrastruktur Lastvariable Tarife Sektorenkopplung Flexibilisierung Energiemarktakteure Energiewende Data Mining Digitalisierung Netzwerk Energiewirtschaft – Smart Energy Smart Meter Strommarkt 2.0 Digitalisierung Europäischer Batteriespeicher Energiemarkt Energiedienstleistungen Flexibilisierung Konventionelle Kraftwerke Flexibilitätsoptionen Datensicherheit Internationale Energiemärkte Demand Side Management Big Data Regulierung Regelenergiemarkt Lastmanagement Intelligente Netze Zukunftsfelder Verbraucher Industrie Dezentrale Export Erzeugung Stadtwerke Erneuerbare Gateway Administrator Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende Energien
8 Die Bedeutung von Flexibilitätsoptionen für die Umsetzung der Energiewende Autor: Prof. Dr. Ing. Manfred Fischedick, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH Für die Umsetzung der Vorgaben des internationalen und Windenergie mehr Strom bereitstellen, als für die Klimaschutzabkommens von Paris (Paris Agreement 2015) klassischen Stromanwendungen gebraucht werden. Statt müssen die klimapolitischen Anstrengungen deutlich den Ausbau erneuerbarer Energien zu drosseln ist es erhöht werden. Das setzt eine stärkere Integration der zukünftig erforderlich, den Umstieg von einem zentralem, erneuerbaren Energien in unser gesamtes Energieversor- fossilen und nuklearen Energiesystem hin zu einem gungssystem voraus. Denn erneuerbare Energien, vor dezentralen, auf erneuerbaren Energien basierenden Sys- allem Strom aus erneuerbaren Energien, bieten gemein- tem, durch eine flexiblere Erzeugung und einen stärker sam mit Einsparungs- und Effizienzmaßnahmen die größ- sektorübergreifenden Ansatz zu flankieren. Intelligente ten Potenziale, unsere Energieversorgung klimaneutral technische Lösungen stehen hierfür bereits bereit, die und nachhaltig zu bewerkstelligen. Schaffung der dafür notwendigen rechtlichen Rahmenbe- dingungen steht demgegenüber noch aus. Erneuerbare Energien können und müssen nicht nur zur Dekarbonisierung der Stromerzeugung beitragen, sie sind Die Transformation des Energiesystems verändert nicht auch der Schlüssel für eine schrittweise klimaverträgliche nur die Erzeugungslandschaft, auch die Nutzung von Aufstellung der Wärmeversorgung, der Mobilität und der Energie ist im Wandel und muss sich erhöhten Flexibilitäts- Industrie. Darüber hinaus bieten sowohl die direkte als ansprüchen stellen. Die meisten – und heute billigsten – auch indirekte (Power to X) Nutzung von Strom zum Hei- Flexibilitätsoptionen zielen auf eine Optimierung des zen und zur Fortbewegung sowie für die Bereitstellung Kraftwerkseinsatzes und das Lastmanagement, also des von Ausgangsprodukten für die Industrie volkswirtschaft- gezielten Einsatzes, von flexiblen Erzeugern oder Ver- lich sinnvolle Chancen mit Erzeugungsspitzen der regene- brauchern ab. Daneben entwickeln sich aber zusehends rativen Energien umzugehen. Denn je erfolgreicher Ener- (teilweise neue) Varianten der Stromspeicherung und der gieeffizienzbemühungen und je höher der Anteil der Stromumwandlung. Es wird daher nicht die eine Lösung erneuerbaren Energien am Versorgungsmix, desto häufiger geben, mit der sich die Vorhaben der Energiewende werden Situationen auftreten, in denen vor allem Sonnen- umsetzen lassen und mit der sich auf die vielzähligen neuen und zukünftig weitaus komplexeren Anforderun- gen der „neuen“ Stromversorgung reagieren lässt. Viel- mehr muss es einen ausgewogene Mix aus verschiedenen Flexibilitätsoptionen geben, mit dem auch in Zukunft eine hohe Versorgungssicherheit gewährleistet werden kann. Viele spannende Projekte zeigen, dass Nordrhein-West- falen schon heute hierzu einen innovativen Beitrag leistet und sich perspektivisch als Energiesystemdienstleis- tungsstandort durch das gezielte Angebot von (sektor- übergreifenden) Flexibilitätsoptionen etablieren kann.
9 Technische Lösungsansätze und ihre Flexibilitätspotentiale Flexibilität durch Batteriespeicher Autoren: Julia Badeda, Kai-Philipp Kairies, Stefan Nykamp, Prof. Dr. Dirk Uwe Sauer, Institut für Stromrichtertechnik und Elektrische Antriebe (ISEA), RWTH Aachen University In einem Stromnetz mit zunehmend fluktuierender Erzeu- gung ergeben sich neue Herausforderungen, um die Netz stabilität und damit Versorgungssicherheit zu gewährleis- ten. In Netzabschnitte mit hoher Durchdringung von PV- oder Windkraftanlagen können bereits heute unzulässige Spannungsanhebungen und Überschreitungen von Belas- tungsgrenzen der Netzbetriebsmittel auftreten. Speicher bieten im Kanon der Flexibilitätsoptionen eine technische Einheit, die solchen Herausforderungen begegnen kann. Bereits heute werden Batteriespeicher für Spitzenkap- pung1 und Verbrauchs- bzw. Erzeugungsverschiebung2 von verschiedenen Nutzern im Endverbrauchersegment verwendet. Aktuell sind außerdem rund 85 Megawatt (MW) Batteriespeicher für die Frequenzhaltung in Deutschland im Einsatz. Ein Beispiel dafür ist der an der RWTH Aachen im September in Betrieb genommene 5 MW Speicher „M5BAT“. Batteriespeicher können durch die eingesetzte Leistungselektronik auch Spannungshaltung und Blind- leistung gewährleisten. Dieses Potential ist bis heute Die Dimensionierung der Speicher richtet sich immer nach aufgrund fehlender Vergütungsstrukturen noch weitest- dem primären Zweck der Anlage. Heimspeichersysteme gehend ungenutzt. Eine besondere Eigenschaft von Bat- werden beispielsweise je nach PV-Anlagengröße und Haus- teriespeichern ist ihre unmittelbare Verfügbarkeit, welche haltsverbrauch skaliert. Die Leistungs- und Kapazitäts schnell abrufbare Leistung für das System bietet. werte aktueller Anwendungen sind in Tab. 1 aufgeführt. Tab. 1: Typische Anlagenparameter bei aktuellen Anwendungen von Batteriespeichern Aktuell im System Anwendung Leistungs Kapazität in kWh Anzahl Leistung in MW anschlussin kW PV-Heimspeicher 2,5 6 Ca. 45.000 112,5 Elektromobil 3–22 20** Ca. 25.500*** 76,5 Primärregelleistung Min. 1,000* 1,300–1,500 17 30 *Steigerung in Inkrementen von 1 MW ** Andere Modelle wir Tesla Model S mit 85 kWh haben auch höhere Kapazitäten ***voll Elektrische Fahrzeuge nach Kraftfahrt Bundesamt 1 Ebenfalls bezeichnet als „Peak shaving“ 2 Auch bekannt als „Peak shifting“
10 stationäre Speicher betrieben oder es werden durch intelligentes Lademanagement lokale Bedarfs- und Erzeugungsspitzen geglättet. In jedem Fall liefern diese für einen primären Zweck installierten Batteriespeicher einen zusätzlichen Nutzen während der ersten Nutzungsphase, was betriebs- und volkswirtschaftliche Vorteile hebt. Zukünftige Szenarien sehen Batteriespeicher als Teil von virtuellen Kraftwerken (virtual power plant, VPP) oder als sogenannten Schwarmspeicher, der aus vielen vernetzten Kleinspeicheranlagen besteht. Das Potential solcher Kon- zepte ist groß. Nimmt man an, dass 10 % der rund 12 Mio. Einzelwohnungsgebäuden in Deutschland einen Speicher installieren würden, so käme man bei einer genutzten Anschlussleistung von 2,5 kW auf eine nutzbare Leistung von 3 GW3. Bereits heute gibt es erste Pilotprojekte, wie beispielsweise von caterva oder Lichtblick, die einen sol- chen Zusammenschluss von Batterien vermarkten wol- len. Eine Alternative zur virtuellen Verbindung dezentraler Kleinspeicher besteht in der Errichtung größerer Batte- rien auf Netzstrangebene. Ein solcher Quartiersspeicher wird z. B. in einem gemeinsamen Projekt der N-ERGIE und der TU München als „EEBatt“ oder von MVV als „strom- bank“ betrieben. Der Verbreitung solcher Konzepte steht heute aber die bestehende Regulierung von Abgaben und Je nach tatsächlich abgefragter Leistung ergeben sich für Steuern entgegen, sofern die Nutzung der Speicherkapa- Batteriespeicher damit Nutzungsdauern im Bereich von zität mit der Nutzung des öffentlichen Netzes einhergeht. Minuten bis wenige Stunden. Eine größere Dimensionie Dabei wird der Aspekt vernachlässigt, dass die Regelung rung macht aus ökonomischer Perspektive heute und einer großen Speichereinheit auf Netzstrangebene unter auch in Zukunft nur in Ausnahmefällen Sinn. Berücksichtigung von Netzrestriktionen einen Vorteil auch für die Verteilnetzbetreiber bieten kann. In den aufgezeigten Anwendungen unterliegt die Batterie einer kalendarischen und zyklischen Alterung. Im Regelfall Für die Hebung des vollen Potentials von Speichern als unter den gängigen Belastungsprofilen erreicht die Batterie Flexibilität wird die Digitalisierung im Strommarkt und die häufiger ihr kalendarisches als ihr zyklisches Lebensende, Installation von Smart Metern für die Steuerungen mit weswegen die Anwendung in einem sogenannten multi- variablen Stromsignalen eine entscheidende Rolle spie- use-case sinnvoll ist. So werden z. B. Elektromobile in len. Preissignale sollten dabei lokale Netzgegebenheiten der sogenannten vehicle-to-grid bzw. grid-to-vehicle und den Beitrag zur Systemsicherheit einpreisen, damit Betrachtung als zusätzliche Flexibilitätsoptionen diskutiert. Batteriespeicher ihren vollen Nutzen für eine Senkung der Dabei werden die Batterien in Standphasen entweder wie Systemkosten ausspielen können. 3 Diese Leistung entspricht der von drei Großkraftwerken und übertrifft das aktuelle gemeinsame Leistungs-Volumen der ausgeschriebenen Primär- und Sekundärregelleistung.
11 Mit Wasserstoff zur bedarfsgerechten und sauberen Energieversorgung Autoren: Dr. Bernd Emonts, Dr. Thomas Grube, Dr. Alexander Otto, Dr. Martin Robinius, Prof. Dr. Detlef Stolten, Institut für Elektrochemische Verfahrenstechnik (IEK-3), Forschungszentrum Jülich GmbH Die Nutzung regenerativ erzeugten Stroms zur Herstellung Energiespeicher und leistungsfähige Netze eine herausra- von Wasserstoff mithilfe großtechnischer Elektrolyseanla gende Rolle. Da eine direkte Speicherung elektrischer gen wird als Flexibilisierungsoption Power-to-Gas (PtG) Energie im erforderlichen Ausmaß aus heutiger Sicht derzeit intensiv diskutiert. Umfassende Analysen des nicht möglich ist, bietet sich die Nutzung überschüssigen IEK-3 machen deutlich, dass der massive Ausbau der Stroms zur Erzeugung von Wasserstoff mithilfe der Was- Windenergienutzung und der H2-Einsatz im Straßenver- serelektrolyse an. Die anschließende Wasserstoffspeiche- kehr in erheblichem Maß zur Minderung des Ausstoßes rung kann in großvolumigen Salzkavernen erfolgen, für von Treibhausgasen (THG) beitragen werden. Dem stehen die bereits langjährige Einsatzerfahrungen bei der saiso- erhebliche Investitionen in den Umbau der Versorgungs- nalen Erdgasspeicherung vorliegen. Eine Übersicht über infrastruktur gegenüber. diese und weitere Prozessketten der Nutzung fluktuieren- der, erneuerbarer Energien (FEE) unter Einbeziehung von Einführung und Ausgangslage Wasserstoff gibt Abbildung 1. Zur systematischen Minderung der THG-Emissionen spie- len erneuerbare Energien, Elektromobilität, großtechnische Abb. 1: Nutzungspfade für Wasserstoff als Speicher regenerativ erzeugten Stroms. Die Darstellung orientiert sich an spezifischen Gegebenheiten von NRW und ist im Rahmen der Plattform Wasserstoff des N etzwerks Brennstoffzelle und Wasserstoff entstanden. Zentral: Transport, Umwandlung, Dezentral: Nutzung Erzeugung Speicherung Erzeugung / Verteilung Übertra Strom Verteilnetz gungsnetz Haushalte (REG) REG- „Strom“- Strom speicher Strom (fossil) Rückstrom- CO2 versorgung Elektrolyse Elektrolyse Industrie CO2- Biogenes CO2 Trans- H2 port Biogenes Metha- nisierung H2 - CH4 Speicher Industrie H2 Power-to-gas Industrie- H2 - H2-Distri H2 Verkehr Transport bution Erdgas- speicher Erdgas Erdgas- Energie Erdgas (BHKW) transport distribution
12 Durch die in Abbildung 1 dargestellte Kopplung von Strom genutzt. Zur Festlegung der Gesamtleistung der kostenin- und Gas erlaubt PtG die vorteilhafte Vernetzung der bis- tensiven Elektrolyseure auf einen Wert von 28 GWe wurde her separaten Sektoren für Stromerzeugung und Verkehr. deren H2-Produktionsrate begrenzt und deren Mindest- volllaststundenzahl mit 1.000 pro Jahr angenommen. Die Konzept und Kosten als Residuallast bezeichnete Unterdeckung der Netzlast Es wird ein Energiekonzept vorgeschlagen, das von einem wird ausschließlich durch Erdgas-Kraftwerke (Gas und starken Ausbau der installierten Windkraftleistung von Dampf, GuD) gedeckt. Die dafür notwendige Kraftwerks- 170 GWe für onshore- und von 59 GWe für offshore-Wind- leistung wurde bereits für eine Vorstudie mit 65 GWe anlagen ausgeht. Die installierte Leistung der Photovoltaik- ermittelt. Abbildung 2 zeigt das konzipierte Technologie- anlagen wurde auf dem Stand von 2013 belassen, ebenso szenario im Gesamtzusammenhang mit dem Energie- die der Anlagen zur Wasserkraft und Biomassenutzung. management, verantwortlich für die Sicherstellung einer Die Nutzung fossiler Energie in der Stromerzeugung wird bedarfsgerechten Energieversorgung der Sektoren Strom ausschließlich auf Erdgasbasis angenommen und der Erd- und Pkw-Verkehr. gasverbrauch in Haushalten durch verbesserte Wärme- dämmung halbiert angesetzt. Für die Einbringung von großen H2-Mengen in den Verkehrs- sektor sind langfristig die Speicherung in Salzkavernen Für die Berechnungen wurden zeitabhängige Daten zur und der Transport über Pipelines von gasförmigem Was- elektrischen Netzlast sowie zur Einspeisung aus erneuer- serstoff am wirtschaftlichsten. Daher wurde zur Ermitt- barer Energie verwendet. In Zeiträumen, in denen die FEE lung der Kosten mithilfe eines Geoinformationssystems Einspeisung die Netzlast übersteigt, wird die überschüssige ein Pipelinenetz für Deutschland entworfen. Für den elektrische Leistung für die Produktion von Wasserstoff Transport einer Gesamtproduktionsmenge von 2,93 Mio. t Abb. 2: Zusammenspiel von Technologieszenario und Energiemanagement Szenario Energiemanagement Installierte Leistung Erdgas Erdgasnez GuD-Kraftwerk „Residuallast“ 170 GW Onshore Wind 59 GW Offshore Wind 55 GW PV „Überschußlast“ Stromsektor 7 GW Bio 6 GW Hydro 65 GW GuD-Kraftwerke Elektrolyse Wasser- Kavernen- Pipeline Verkehrs- 84 GW Elektrolyse stoff speicher netz sektor
13 H2 pro Jahr wurde ein Transport- und Verteilnetz mit 42.000 km ermittelt. Darüber hinaus wurde bei Fest legung der nominalen Abgabemenge je Tankstelle von 800 kg pro Tag die Gesamtzahl der Tankstellen mit rund 10.000 festgelegt, die als ausreichend für eine flächen‑ deckende Kraftstoffversorgung gilt. Schließlich wurde der H2-Speicherbedarf zum Ausgleich kurz- und langfristiger Schwankungen der H2-Einspeisung für eine Pkw-Flotte von 33 Mio. Fahrzeugen und unter Berücksichtigung einer 60-Tagereserve in Höhe von 48 TWh bestimmt. Mithilfe der ermittelten Auslegungsdaten wurde ein Investitions- bedarf für neue Infrastruktur von insgesamt 61 Mrd. € abgeschätzt. Dieser Wasserstoff wird als Kraftstoff für hoch effiziente Für den Bereich der stationären Nutzung von Wasserstoff Brennstoffzellen-Fahrzeuge verwendet. Besonderes oder Methan auf Basis von erneuerbarem Strom lässt Merkmal dieses Konzepts ist die Integration erneuerbarer sich eine Wirtschaftlichkeit aus heutiger Sicht kaum dar- Energie in den Verkehrssektor und gleichzeitig die Ver- stellen, da die Referenzkosten in diesem Falle mit heutigen dopplung der energetischen Nutzungseffizienz. Letzteres Erdgaskosten von 4 ct/kWh angegeben werden müssen. führt zu einem um 50 % verringerten Energiebedarf im Die Wasserstoffkosten liegen mit 15 ct/kWh knapp viermal Vergleich zu benzinbetriebenen Fahrzeugen. Für die wirt- höher als die Referenzkosten; im Falle von Methan sogar schaftliche Betrachtung der H2-Kosten wurden Referenz- knapp sechsmal höher. kosten auf Basis von Angaben zu heutigem Benzin vor Steuern von 8 ct/kWh ermittelt. Aufgrund des oben Auswirkungen und Ausblick genannten doppelten Wirkungsgrades von Pkw mit Durch die grundlegende Substitution fossil- und nuklear- Brennstoffzellen gegenüber Pkw mit Ottomotor können die basierter Kraftwerke durch den Ausbau der Windkraft mit 16 ct/kWh verdoppelten Benzinkosten als Referenz- sowie konventioneller Pkw durch Brennstoffzellen-Pkw kosten für Wasserstoff als Kraftstoff zugrunde gelegt wird eine CO2-Minderung von 20 %-Punkten für die öffent- werden. Bei einer weiteren deutlichen Effizienzsteigerung liche Stromversorgung und 6 %-Punkte für den Pkw- von 1 kg/100 km auf 0,7 kg/100 km sind bis zu 22 ct/kWh Verkehr erreicht. Durch zusätzliche Maßnahmen bei der für eine Kraftstoff-Kostenparität möglich. Wasserstoff, Wärmedämmung von Bestandsbauten sowie bei der bis der durch das vorgestellte Energiekonzept bereitgestellt 2009 vollzogenen Sanierung der ostdeutschen Infrastruk- und der eingesetzte Strom mit 6 ct/kWh vergütet wird, tur ist eine Gesamtminderung für den CO2-Ausstoß in kommt auf Gestehungskosten von 20 ct/kWh. Bei Höhe von 55 % erreichbar. Annahme von 9 ct/kWh liegen die Wasserstoffkosten mit 24 ct/kWh nur geringfügig oberhalb der Referenzkosten Eine darüber hinaus gehende CO2-Minderung wird sich von 22 ct/kWh. durch die Einführung erneuerbarer Energie in den Bereich der Kraftstoffnutzung durch Lkw, Flugzeuge, Bahnen und Schiffe, der industriellen Rohstoff- und Chemikalienpro duktion und der Wärmebereitstellung darstellen lassen. Die Ermittlung der damit verbundenen technologischen Entwicklungen und Investitionsaufwendungen stellen die Arbeitsinhalte der kommenden Jahre dar.
14 Aufgabe der Kraftwerke im Erzeugungsmix Autor: Prof. Dr.-Ing. Klaus Görner, Lehrstuhl für Umweltverfahrenstechnik und Anlagentechnik der Universität Duisburg-Essen In der Vergangenheit wurde der in Deutschland eingespeiste dass die zeitliche Verfügbarkeit der Einspeisung nicht mit Strom nahezu vollständig über zentrale Kraftwerke erzeugt. dem Verbrauch korreliert. Der Zeitraum, in dem zu viel Über das gesamte Jahr sind dies fast 600 TWh. Die blaue Strom – Überschussstrom – erzeugt wird, wird deutlich Linie in Abbildung 1 verdeutlicht dies anhand der geord- zunehmen. Andererseits wird zu vielen Zeitpunkten, an neten Jahresganglinie. Die grüne Linie gibt die im gleichen denen kein erneuerbarer Strom erzeugt werden kann – Jahr erzeugte Strommenge aus Wind und Sonne wider. Dunkelflaute –, ein erheblicher Bedarf an sogenannter Die gelbe, orange und rote Linie verdeutlichen den weiteren Residuallast bestehen. Die Residuallast kann entweder Ausbau der Erneuerbaren mit den Faktoren 2, 3 und 6. In durch eine zeitliche Verschiebung – d.h. durch Zwischen- dieser Darstellung wird klar, dass der weitere Ausbau der speicherung – oder durch eine hochflexible und disponible Erneuerbaren kein Mengenproblem darstellt, sondern Erzeugung mit Kraftwerksbestandsanlagen erfolgen. Abb. 1: Geordnete Jahresganglinie für die Stromerzeugung bzw. den Stromverbrauch in 2012 350 gesamte Stromerzeugung, 2012 6 x (Strom aus PV + Wind) 300 3 x (Strom aus PV + Wind) 2 x (Strom aus PV + Wind) 250 Strom aus PV + Wind, 2012 Über- Leistung [GW] schuss- 200 Strom Verschiebung durch Flexible, 150 Speicherung disponible Erzeugung 100 50 Residuallast 0 0 2.000 4.000 6.000 8.000 Anzahl an Stunden [-]
15 Anforderungen an Kraftwerke in der Zukunft Der Kraftwerksbetrieb in der Zukunft wird geprägt sein durch Einsatzszenarien, wie sie in Tabelle 1 schematisch dargestellt sind. Tab. 1: Einsatzszenarien für flexible Kraftwerke Szenario Grenzszenario Regelfall Grenzszenario Es weht kein Wind und es Dazwischen wird sich ein Wind und Sonne erzeugen scheint keine Sonne Kraftwerkseinsatz ergeben, ausreichend oder gar mehr der geprägt ist durch: Strom als benötigt Anforderungen an d ie Stromerzeugung g eringe Residuallasten K raftwerke werden nicht flexible Kraftwerke durch Erneuerbare ist sehr (kleinere Leistungen und gebraucht und herunter- niedrig – nur Wasserkraft, damit größere Teillasten gefahren. Biomasse u.ä.liefern für die Anlagen), Strom und decken nur ca. 10 % des Bedarfes ab. s chnellere Laständerungs- geschwindigkeiten (Kraft- K raftwerke müssen dann werke müssen sehr also ca. 90 % des Strom- schnell zwischen Mindest- bedarfes (ca. 60.000 bis und Voll-Last hin- und her- 80.000 MW) abdecken. gefahren werden können), Dafür muss eine entspre- chende Kraftwerks- sehr geringe Mindestlas- kapazität vorgehalten ten der einzelnen Anlagen, werden. um die Anlagen z. B. über Nacht nicht abstellen zu müssen, sondern sie sehr schnell aus einen warmen Zustand hochfahren zu können). Da Kraftwerksanlagen eher für einen Grundlastbetrieb Leistungsmerkmale von Kraftwerken (Braunkohleanlagen) oder einen Mittellastbetrieb (Stein- Um in einem elektrischen Netz den Strombedarf und die kohleanlagen) ausgelegt wurden, besteht für Bestandsan- Stromerzeugung zu jedem Zeitpunkt im Gleichgewicht zu lagen ein gewisser Nachrüstbedarf. Eine solche Nachrüs- halten, wurden, zeitlich abgestuft Anforderungen an deren tung ist kein grundsätzlich technisches Problem, aber sie Primär- Sekundär- und Minuten-Regelreserve gestellt (vgl. rechnet sich unter den derzeitigen Marktbedingungen Abbildung 2). Grundsätzlich waren Kraftwerke schon wirtschaftlich nicht. immer darauf konzipiert, diese an sie gestellten Anforde- rungen zu erfüllen. Deutlich erhöht haben sich Anzahl und Leistungsbreite (absolute Laständerung in MW) dieser Regelleistungen. Dadurch werden Kraftwerke deutlich stärker beansprucht und erfahren einen deutlich höheren
16 Lebensdauerverbrauch. Zu verglichen ist dies mit einem KFZ, das nicht mehr mit nahezu konstanter Geschwindig- keit von A nach B fährt, sondern versucht ständig die Spur zu wechseln und immer das aktuelle Geschwindigkeits- optimum anstrebt, nicht unter Verbrauchs- und Ver- schleißgesichtspunkten, sondern von einen externen Impuls getrieben. Abb. 2: Netzanforderungen an Kraftwerke zur Primär-, Sekundär- und Minuten-Regelleistung Primär- Sekundär-Regel-Leistung Regel- Leistung Leistung Stunden-Reserve Minuten-Regel-Leistung 0 5s 30 s 5 min 15 min 1h Zeit seit Systemanforderung Zukünftige Anforderungen und Lösungen Um die Flexibilität von Kraftwerke noch weiter zu erhöhen, selbst zu relativ leicht speicherbaren Produkten wie können eine Reihe von Maßnahmen ergriffen werden: Gas, Kraftstoffen oder Chemikalien zu „verarbeiten“ und hierdurch die Wirtschaftlichkeit des Kraftwerks zu A ustausch von besonders trägen Einzelkomponenten verbessern. wie Sammler, die sehr dickwandig sind und daher bei Verstärkte Orientierung hin zu einer besseren Sektoren- Temperaturänderungen sehr stark beansprucht werden. kopplung mit Branchen wie Chemie, Eisen/Stahl, Verbesserte Betriebsweise von Kraftwerkskomponen- Aluminium, Glas, Keramik, Papier und anderen. ten mit dem Ziel höherer Laständerungsgeschwindig- keiten und vielleicht nur leicht erhöhtem Lebensdauer- Schlussfolgerung verbrauch (z. B. möglich bei Dampfturbinen). Kraftwerke müssen noch geraume Zeit eine ganz wichtige Integration von Speichern in den Kraftwerksprozess, Aufgabe zur Sicherstellung der Stromversorgung erfüllen, um damit kleinere Energiemengen zwischen zu spei- müssen jedoch andererseits unter sehr schwierigen chern und in Summe damit flexibler zu sein. Marktbedingungen arbeiten. Einsatz von Power-to-Heat-Anlagen (z. B. Elektrokes- sel), um bei KWK-Anlagen die Stromkennzahl – also Durch eine konsequente Erweiterung des Produktport- das Verhältnis von erzeugtem Strom und Wärme – folios – weg vom alleinigen Produkt Strom und hin zu noch breiter verschieben zu können. Koppelprodukten wie Wärme, Gase, Kraftstoffe und/oder Einsatz von Power-to-X-Technologien (P2G – Power-to- chemische Produkte – haben Kraftwerke eine technisch Gas; P2F – Power-to Fuel; P2C – Power-to-Chemical) wie wirtschaftlich begründete Zukunft. im Kraftwerk, um Überschussstrom im Kraftwerk
17 Die Bedeutung von Virtuellen Kraftwerken zur Koordination unterschiedlicher Flexibilitätsoptionen Autoren: Jan Meese, Dr.-Ing. Marcus Stötzel, Prof. Dr.-Ing. Markus Zdrallek, Lehrstuhl für Elektrische Energieversorgungstechnik, Bergische Universität Wuppertal Der enorme Zubau an Stromerzeugungsanlagen aus er- Unter Flexibilitätsoptionen werden sowohl Stromerzeuger, neuerbaren Energien, hauptsächlich dargebotsabhängige die ihre Einspeisung auf ein externes Signal anpassen Photovoltaik- und Windkraftanlagen, führt zu einem können, als auch direkte und indirekte Speicher wie Batte- grundlegenden Umbau des Energiesystems. An die riespeicher oder Pumpspeicherkraftwerke sowie flexible Stelle weniger, gut disponierbarer Großkraftwerke tritt Verbraucher verstanden (Abbildung 1). Insbesondere die eine immense Anzahl von Anlagen größtenteils kleiner Flexibilisierung des Verbrauches, beispielsweise über die Leistungsklassen, mittlerweile über 1,5 Millionen Anlagen1. Nutzung von Power2Heat und Power2Gas-Anlagen sowie die Einbindung von flexiblen Industrieprozessen bietet die Diese speisen den Strom nicht orientiert am Bedarf der Möglichkeit, das zu jedem Zeitpunkt erforderliche Gleich- Verbraucher, sondern basierend auf dem hauptsächlich gewicht von Erzeugung von Verbrauch sicherzustellen. mit dem Wetter fluktuierenden Dargebot ein. Bei einem steigenden Anteil erneuerbarer Energien, über die aktuel- Bislang werden Virtuelle Kraftwerke hauptsächlich dazu len ca. 30 % hinaus, wird die Nutzung und Koordination eingesetzt, um mit einem Verbund dezentraler Anlagen aller möglichen Flexibilitätsoptionen erheblich an Bedeu- Regelleistung für das Transportnetz zu erbringen. In ersten tung gewinnen. Pilotprojekten werden die vernetzten Anlagen bereits Abb. 1: Flexibilitätsoptionen: Stromerzeuger, Speicher und Verbraucher E rzeuger S peicher V erbraucher Photovoltaik Haushalte Speicher E-Mobility 1001 1001 Gewerbe Windenergie 100110100 Industrie Smart Grid Operator Smart Grid Operator KWK 100111 100111 Wärmepumpe 1001101001100100101001 10011010011001001110001 Laufwasser Koordinator Virtuelles Kraftwerk Power2Gas 10011 Biomasse E-Mobility E rlösmögl ichkeiten / Ziele BHKW Power2Heat Trading Spot/Intraday Regelleistungsmarkt Bilanzkreisoptimierung 1 Bundesnetzagentur (BNetzA), EEG in Zahlen 2014, Bonn
18 genutzt, um Preisunterschiede im Großhandel auszunutzen. So können zum Beispiel Verbraucher mit Flexibilitätspoten- tial vermehrt zu Zeiten günstiger Strompreise betrieben werden. Damit können nicht nur die Unternehmen ihre Stromkosten reduzieren, sondern das Stromsystem wird durch diese teilweise Umkehr des Paradigmas „Erzeugung folgt Verbrauch“ ebenfalls unterstützt. Ein erstes dynami- sches Strompreisprodukt für Industriekunden entsteht derzeit im Projekt „Happy Power Hour“ in Wuppertal und wird demnächst von den Stadtwerken angeboten. Die dafür notwendige Steuerungslogik sitzt bei den bisher realisierten Pilotprojekten an zentraler Stelle, im Leitsystem des Virtuellen Kraftwerks. Künftig wird diese Aufgabe ver- mutlich von einzelnen Anlagen (wie Elektrofahrzeugen, Wärmepumpen oder Industrieprozessen) selbst übernom- men. Dabei wird es, durch die zunehmende Automatisie- dung 2). Die grüne Phase bedeutet dabei, dass es keinerlei rung und die sinkenden Kosten für Kommunikationstechnik, Restriktionen durch das Netz gibt – alle Marktaktivitäten möglich, immer kleinere Anlagen auf dynamische Strom- sind möglich. Die rote Ampelphase wird aufgerufen, wenn preise reagieren zu lassen. Auch das Speichermanagement der lokale Netzzustand akut gefährdet ist. Der Netzbetreiber von PV-Batteriesystemen könnte sich mit sehr geringem kann daraufhin Zwangsmaßnahmen, wie beispielsweise Aufwand um einen strompreisgeführten Betrieb erweitern die Abregelung einer Photovoltaikanlage, veranlassen. Die lassen. Mit der kommenden Einführung von intelligenten gelbe Ampelphase, die dazwischen angesiedelt ist, organi- Messsystemen („Smart Metern“) wird die notwenige siert über einen regionalen Flexibilitätsmarktplatz die Grundlage zur Nutzung dynamischer Stromtarife für erforderlichen Leistungsänderungen, um den Netzzustand weitere Benutzergruppen geschaffen. in die grüne Phase zurück zu führen. Je mehr Anlagen sich am Virtuellen Kraftwerk beteiligen, Durch die Kombination der Bausteine Virtuelle Kraftwerke, desto wichtiger ist die Verknüpfung mit dem lokalen Netz Smart Grids und regionale Flexibilitätsmärkte wird die zustand. Sobald eine große Anzahl von Anlagen auf die Grundlage für das Energiesystem der Zukunft geschaffen. gleichen Preisanreize reagiert, hat das starke Auswirkungen Eine steigende Anzahl von Anlagen wird dabei intelligent auf die lokale Netzsituation im Verteilnetz. Überlastungen vernetzt und agiert zeitweise als Virtuelles Kraftwerk, von Betriebsmitteln und unzulässige Spannungsbandver- zeitweise als „Virtueller Verbraucher“. Auswirkungen auf letzungen sind unbedingt zu vermeiden.Anderseits kann den Systemzustand und den lokalen Netzzustand werden das Virtuelle Kraftwerk aber gerade hier helfen, in dem es durch Smart Grids koordiniert. Durch dieses Zusammen- in kritischen Situationen gezielt Flexibilität für den Verteil- spiel kann die immer weiter s teigende Komplexität des netzbetreiber bereitstellt. künftigen Energiesystems zuverlässig gemanagt werden. Durch Smart Grid-Systeme – wie das in Wuppertal mit mehreren Industriepartnern entwickelte und inzwischen Abb. 2: Konzept der Netzkapazitätsampel in zahlreichen Verteilnetzen eingesetzte iNES-System – kann der lokale Netzzustand jederzeit überwacht werden Regulierter/netzdominierter Bereich um bei drohenden Grenzwertverletzungen Gegenmaß- Der Netzzustand ist kritisch. Der Netzbetreiber greift nahmen treffen zu können. So können die „Sicherheitsre- steuernd ein. Das Marktgeschehen wird ausgesetzt. serven“ deutlich kleiner ausfallen und das Netz muss Netzorientierter Bereich mit marktgetriebenen nicht bis auf die letzte Kilowattstunde ausgebaut werden. Prozessen Netzbetreiber fragt in Abhängigkeit von der Netzsituation Ein vielversprechender Ansatz zur Koordination von Markt lokale und zeitlich eingeschränkte Flexibilität nach und Netz stellt das Konzept der Netzkapazitätsampel im Marktgetriebener Bereich (Wettbewerb) Rahmen Regionaler Flexibilitätsmärkte (RegioFlex) dar2. Der Netzzustand ist unkritisch. Alle Kunden können frei Aufbauend auf einem Smart Grid System wird der lokale am Markt agieren Verteilnetzzustand in drei Ampelphasen eingeteilt (Abbil- 2 ETG Task Force RegioFlex, „Regionale Flexibilitätsmärkte – Marktbasierte Nutzung von regionalen Flexibilitätsoptionen als Baustein zur erfolgreichen Integration von erneuerbaren Energien in die Verteilnetze“, Frankfurt am Main, 2014
19 Neue Flexibilität durch Sektorenkopplung Autoren: Dr. Johannes Schaffert, Prof. Dr.-Ing Klaus Görner, Gas- und Wärme-Institut Essen e. V. (GWI) Um erneuerbaren Energien zu einer möglichst tiefen Wertschöpfungskette an. Sie umfasst Methan, das als Durchdringung unseres Energiesystems zu verhelfen, muss erneuerbares Substitut für Erdgas genutzt werden kann Energieversorgung neu gedacht werden. Das Stromange- (Power-to-Gas). Darüber hinaus bietet sich eine große bot aus Erneuerbaren ist groß, folgt aber nicht der Nach- Vielfalt von Treibstoffen und chemischen Grundstoffen frage – Flexibilität ist gefragt. Die unter anderen Vorzeichen an, die im Mobilitäts-Sektor und in der Industrie die heute entstandenen Strukturen bedürfen einer intelligenten dominierenden fossilen Energieträger ersetzen können Weiterentwicklung, welche die Ziele des energiepolitischen (Power-to-Fuels, Power-to-Chemicals). Im stromseitigen Dreiecks Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit Nutzungszweig stehen unter anderem mit Wärmepumpen und Bezahlbarkeit gleichrangig verfolgt. und anderen flexiblen Wärmeerzeugern (Power-to-Heat) Optionen bereit, um im kleinen wie im großen Maßstab Ein vielversprechender Ansatz ist die intelligente Kopplung Überschussmengen erneuerbarer E nergie zu nutzbar zu der Sektoren Strom, Gas und Wärme. Dabei werden den machen. Insbesondere wird eine ihren Strombezug weiter drei Energiesektoren ganz unterschiedliche und zum Teil flexibilisierende Industrie (Lastmanagement) ein erhebli- völlig neuartige Aufgaben zuteil. Abbildung 1 zeigt eine ches zusätzliches Flexibilitätspotential beisteuern. mögliche zukünftige Vernetzung der Versorgungsstruktu- ren. Strom aus erneuerbaren Quellen wird zu Zeiten der Diese tiefe Durchdringung aller großen Energieverbrauchs- Überproduktion durch Elektrolyse in Wasserstoff umge- sektoren verspricht die Möglichkeit, auch ambitioniert setzt und somit stofflich speicherbar gemacht. Daran formulierte Klimaschutzziele tatsächlich zu erreichen. schließt sich eine lange und weit verzweigte Produkt- und Abb. 1: Netzdiagramm der Stoff- und Energieströme in einem flexibilisierten Energiesystem.
20 In Nordrhein-Westfalen wurde ein Virtuelles Institut Anlagen. In der Experimentalgruppe werden Umwand- Strom zu Gas und Wärme1 gegründet, das sich den F or- lungstechnologien in den Laboren der Partner schungsaufgaben stellt, die zur Realisierung der Flexibili weiterentwickelt und parallel dazu eine gemeinsame tätsoptionen beantwortet werden müssen. Es vereint die Demonstrationsanlage am GWI in Essen errichtet. Kompetenzen sieben führender Forschungsinstitute2 und wird vom Ministerium für Innovation, W issenschaft und Auf Bundesebene beschäftigt sich eine Reihe weiterer Forschung gefördert. In der Systemanalysegruppe wird Verbundprojekte wie KonstGas, MuSeKo, Integranet oder derzeit an den Wechselwirkungen zwischen Energiemärk- Disgnetz mit Flexibilitätsoptionen im Energiesystem und ten, Erneuerbaren, einem zukunftsfähigen Technologie- auch die europäische Forschungsförderung in Horizon portfolio und den regionalen Gegebenheiten in NRW 2020 greift mit Projekten wie STORE&GO3 die Thematik geforscht. Es werden Potentiale für Flexibilitäten in Haus- auf. In diesen und vielen weiteren Projekten übernehmen halten, Industrie und Verkehr ermittelt und ökologische Institute aus NRW Verantwortung und bauen den Energie- Bilanzen bewertet. Darüber hinaus beschäftigt sich die lau- forschungsstandort NRW weiter aus. fende Arbeit mit der Standortsuche für Power-to-Gas- 1 http://strom-zu-gas-und-waerme.de 2 Gas- und Wärme-Institut Essen e. V. (GWI, Koordination), Energy R esearch & Scenarios gGmbH (ewi, Ko-Koordination), Forschungszentrum Jülich: Institut für Energie- und Klimaforschung – Elektrochemische Verfahrenstechnik (IEK-3) und Systemforschung und Technologische Entwicklung (IEK-STE), Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH (WI), Fraunhofer UMSICHT, Ruhr Universität Bochum, Lehrstuhl für Technische Chemie (RUB), Zentrum für Brennstoffzellentechnik (ZBT) 3 http://www.storeandgo.info
21 FlexKWK – Strom-Wärme-Kopplung neu denken Autor: D ipl.-Ing. Carsten Beier, Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- undEnergietechnik UMSICHT, Oberhausen Warum KWK neu denken? Die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) ist eine wichtige Säule sich die Energiepreise entwickeln, fällt schwer. Sicher ist, der Energiewende. Allerdings kann sie diese Rolle nur dass sich die Energiemärkte gravierend verändern werden, übernehmen, wenn sie anders eingesetzt und betrieben wenn der überwiegende Teil des Stromverbrauchs über wird als bisher. regenerative Energien gedeckt wird. Vor diesem Hinter- grund besteht das Risiko, dass sich in Grundlast betriebene KWK-Anlagen dienen bisher nur der effizienten Energie- KWK-Anlagen wirtschaftlich nicht mehr rentieren. versorgung: ein Motor oder eine Turbine erzeugt Strom, die entstehende Abwärme wird zu Heizzwecken genutzt. Doch was im ersten Moment als Risiko erscheint, ist bei Dadurch kann der Primärenergieaufwand im Vergleich zur genauerer Betrachtung eine Chance für die Kraft-Wärme- herkömmlichen Versorgung über fossile Großkraftwerke Kopplung: KWK-Anlagen sind in Verbindung mit Wärme- sowie Erdgas- und Heizölkessel deutlich reduziert wer- speichern sehr flexibel einsetzbar und können optimal auf den. Um KWK-Anlagen wirtschaftlich betreiben zu kön- die Situation an den Energiemärkten reagieren. Ein großer nen, wurde bisher eine hohe Auslastung von mehr als Vorteil gegenüber Großkraftwerken. Wärmespeicher sind 5.000 Vollbenutzungsstunden pro Jahr angestrebt. zudem deutlich günstiger und technisch robuster als Zukünftig wird sich dies ändern. Stromspeicher. Ein weiterer Vorteil für flexible KWK-Kon- zepte. Durch eine geänderte Konzeption und Betriebs- Das zukünftige Energiesystem wird von erneuerbaren weise können KWK-Anlagen zukünftig effizient Strom und Energien bestimmt werden. Das wird sich insbesondere Wärme liefern und gleichzeitig als Reservekapazität die auf die Marktpreise auswirken. Schon heute reagieren die Stromversorgung sicherstellen, wenn nicht ausreichend Energiemärkte auf die schwankende Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenenergie zur Verfügung stehen. Und: Wind- und Solarenergie. Dabei kommt es zunehmend zu über die Nutzung von Biogas kann die Energieversorgung der Situation, dass deutlich mehr Strom erzeugt werden auf regenerative Energien umgestellt werden. Gerade in kann als verbraucht wird. Negative Strompreise sind die der Wärmeversorgung ist die Nutzung von regenerativen Folge: wer Strom erzeugt, muss dafür bezahlen. Und was Energien ein großes Problem und könnte ein weiteres Plus heißt das für die Zukunft der KWK? Eine Prognose, wie für KWK-Systeme darstellen.
22 Das Erreichen der KWK-Ausbauziele ist somit von großer Bedeutung für das Gelingen der Energiewende. Damit die Kraft-Wärme-Kopplung ihre neue Rolle in der Energiever- sorgung übernehmen kann, ist ein Umdenken erforderlich. Basis dafür sind neue Versorgungskonzepte, Betriebswei- sen und Geschäftsmodelle, die parallel zur Umsetzung der Energiewende fortlaufend entwickelt und angepasst werden müssen. FlexKWK – ein erster Ansatz Einen ersten Ansatz, wie KWK-Anlagen zukünftig optimal eingesetzt werden können, liefert das Forschungsprojekt FlexKWK: ein BHKW versorgt in Verbindung mit einem großen Wärmespeicher ein typisches Nahwärmenetz mit 150 Wohneinheiten. Die Dimensionierung und der Betrieb der Anlagen orientieren sich dabei an den Energiemärkten. Der Wärmespeicher sorgt für die erforderliche Flexibilität, um optimale Erlöse durch den Stromverkauf zu erzielen und gleichzeitig die Wärmeversorgung zu gewährleisten. Wohngebiete wie im Projektgebiet mit statischer Heizung und thermischer Trinkwarmwasserversorgung könnten auf diese Weise trotz einer geringen Anlagenauslastung zukünftig für eine KWK-Versorgung wirtschaftlich inter- essant werden. Nach der Inbetriebnahme erfolgt in den nächsten drei Jahren der Demonstrationsbetrieb, um fun- dierte Praxiserfahrungen zu sammeln und mit Hilfe der Messdaten KWK-Konzepte unter unterschiedlichen Markt- bedingungen bewerten zu können. Im Rahmen des Über- tragungskonzeptes sollen erfolgversprechende Standorte und günstige Randbedingungen identifiziert werden, um weitere Projekte umzusetzen. Das Projekt wird vom Bundeswirtschaftsministerium BMWi gefördert und von der Energieversorgung Ober- hausen AG umgesetzt. Die Entwicklung, Optimierung und Bewertung der FlexKWK-Konzepte erfolgt im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung durch das Fraunhofer- Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT.
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