FLUGPOST 20 JAHRE ALBATROS

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FLUGPOST 20 JAHRE ALBATROS
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Mitteilungen der Hospiz-Gruppe »Albatros« Augsburg e.V.

                                     Ausgabe September 2010

20 JAHRE
     ALBATROS
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                                                                             GRUSSWORT
                                                                             ... für die Festschrift zum 20-jährigen Bestehen der
                                                                             Hospiz-Gruppe »Albatros« Augsburg e.V.

                                                                             Die Hospiz-Gruppe »Albatros« Augsburg feiert
    Inhalt:                                                                  in diesem Jahr ihr 20-jähriges Bestehen. Dazu
                                                                             möchte ich alle Mitgliedern, Freunde und För-
    20 JAHRE HOSPIZARBEIT                                    Seite 3         derer beglückwünschen und ihnen für ihre
                                                                             Arbeit im Dienste der Mitmenschlichkeit von
    VOM ARBEITSKREIS ZUR                                                     ganzem Herzen danken.
    GEMEINNÜTZIGEN GMBH                                      Seite 6
                                                                             »Hospiz« wird im Duden als »Beherbergungs-
    FÜREINANDER                                                              betrieb mit christlicher Hausordnung« defi-
    UND MITEINANDER                                          Seite 8         niert. Das Hospiz war ursprünglich eine christ-
                                                                             liche Herberge für Reisende, insbesondere für
    EINE VÖLLIG                                                              Pilger und Mönche. Die Mitglieder dieser Hos-
    UNGEPLANTE »KARRIERE«                                    Seite 9         pizgruppe verstehen sich daher auch als Reisebegleiter für Menschen auf ihrem
                                                                             schweren Weg vom Leben in den Tod. Und als Begleiter der vom Sterben und
    TOD – TRAUER –                                                           vom Tod eines Angehörigen Betroffenen.
    TRAUERBEGLEITUNG                                         Seite 10
                                                                             Sie wirken in einem Bereich, in dem die öffentliche Hand nichts mehr zu su-
    RUNDER TISCH IM DIAKO                                    Seite 11        chen hat: Weil wir uns hier – trotz des Wortes von Seneca »Das Leben ward uns
                                                                             gegeben mit der Bedingung des Sterbens, es ist ein Gang zum Tode« – in einer
    MEINE BEGEGNUNG                                                          Tabu-Sphäre befinden, in die nur noch unmittelbare menschliche Anteilnah-
    MIT STERBEN UND TOD                                      Seite 12        me eindringen darf. Der Staat und die Kommunen können – und müssen – für
                                                                             bestmögliche medizinische Betreuung sorgen. Aber trotz des aufopfernden Ein-
                                                                             satzes unseres Pflegepersonals kann dieses nicht immer jene persönliche, indi-
                                                                             viduelle Zuwendung aufbringen, wie sie gerade Schwerkranke und Sterbende
                                                                             – aber auch deren Angehörige – brauchen.

                                                                             Solchen Beistand leisten die Helferinnen und Helfer der Hospiz-Gruppe
                                                                             »Albatros«. Allein schon die Tatsache, dass sich zahlreiche Menschen zu einem
                                                                             derartigen Dienst am Mitmenschen bereit finden, zeugt erfreulicherweise da-
                                                                             von, dass sich in unserer Gesellschaft keineswegs nur der Egoismus durchge-
                                                                             setzt hat, dass es gerade heute viele Menschen gibt, denen es Freude macht und
                                                                             Erfüllung bringt, für andere in besonders schwierigen Lebensphasen da zu sein.

                                                                             Solche Pflege der Mitmenschlichkeit lässt sich nicht delegieren und sie lässt
                                                                             sich nicht verstaatlichen. Jeder einzelne ist gefordert, sie in seinem Lebensum-
                                                                             feld zu praktizieren und denen hilfreich zur Seite zu stehen, die sich allein ge-
                                                                             lassen fühlen.

                                                                             Das Wirken der Mitglieder, Freunde und Förderer der Augsburger Hospiz-
                                                                             Gruppe »Albatros« ist beispielhaft für solche Mitmenschlichkeit. In 20 Jahren
                                                                             ist hier eine Gemeinschaft gewachsen, die sich den Zielen der Humanität ver-
                                                                             pflichtet weiß. Ihr Wappenvogel ist der Albatros. Dieser Sturmvogel mit seiner
                                                                             großen Flügelspannweite soll in der Lage sein, Schiffbrüchige ans rettende Ufer
                                                                             zu bringen. Und der Albatros fliegt, dem Sturm und dem Meer trotzend, der
                                                                             Sonne entgegen, ist zum Symbol der Hoffnung geworden. Stark ist auch die Ge-
                                                                             meinschaft der Augsburger Albatrosse. Sie ist in den 20 Jahren stetig gewachsen,
                                                                             und ich kann Ihnen zu Ihrem Jubiläum nur wünschen, dass sie weiter so wächst.
    Impressum:                                                               Ich danke Ihnen allen für Ihr Engagement, für Ihren Mut und für Ihre Kraft.
    Herausgeber: Hospiz-Gruppe »Albatros« Augsburg e.V., Völkstraße 24,
    86150 Augsburg, Telefon 08 21/3 85 44, Telefax 08 21/15 88 78, verant-
                                                                             Gerade letztere braucht es, um Schwerkranken, Sterbenden und Trauernden
    wortlich i. S. d. P.: Renate Flach, Doris Schneller                      auf ihrem Weg etwas von dieser Kraft zu geben. Solche Kraft wünsche ich Ih-
                                                                             nen auch für die Zukunft.

                                                                             Dr. Kurt Gribl
                                                                             Oberbürgermeister der Stadt Augsburg
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20 JAHRE HOSPIZARBEIT
Unser Motto: Füreinander und Miteinander im Leben und Sterben

20 Jahre Hospizarbeit, eine lange Zeit    Künstlers Hans-Jürgen Conrad und         Schmerztherapie und Symptomkon-
– Zeit zum Innenhalten und Nach-          zwölf Sätzen, einprägsame Worte von      trolle haben und wissen auch nichts
denken, zum Rückbesinnen und zur          Menschen, deren Lebensende nah ist.      über die hilfreichen Besuche und
Freude.                                   Die Wünsche und Bedürfnisse der Be-      Sitzwachen der Hospizhelferinnen
                                          troffenen bestimmen unser Handeln        und Hospizhelfer – und sie wissen
Gegründet am 4. September 1990 unter      und daraus ergeben sich die Richtli-     auch nicht, dass eine ambulante Be-
der Führung von Gertrud Pöllmann.         nien unserer Arbeit.                     gleitung viele Wochen, Monate oder
Mit hoher Motivation und unglaub-                                                  auch noch länger bestehen kann.
lichem ehrenamtlichen Engagement          1. Durch Öffentlichkeitsarbeit am-
wurde etwas Neues geschaffen. Hos-        bulante Hospizarbeit möglichst vie-      2. Die Warum-Frage annehmen und
pizarbeit und Sterbebegleitung wa-        len Menschen bekannt machen.             achten.
ren damals nahezu unbekannt. Heute
kaum noch vorstellbar und daran se-       »Wenn Sie vom Hospiz kommen, muss        »Warum gerade ich, ich bin doch noch
hen wir auch, welch große Entwick-        ich ja sterben.«                         so jung?«
lung wir durchlebt haben. Mit Höhen
und Tiefen, guten Zeiten voller Elan      sagte ein schwerkranker Patient, den     Eine 38-jährige Frau stellte diese Fra-
und Inspiration und manchmal auch         wir im Krankenhaus besuchten, um         ge, fassungslos über ihre fortschrei-
schweren Zeiten mit Sorgen und Pro-       die Entlassung nach Hause zu unter-      tende Erkrankung und deren schlech-
blemen. Wir stehen auf einer soliden      stützen. Die Angst, dass der Tod schon   ter Prognose. Wir alle kennen diese
Basis. Aus der anfangs rein ehrenamt-     sehr nahe ist, wird mit dem Wort Hos-    Warum-Fragen und wir, die in der
lichen Arbeit hat sich nach einigen       piz verbunden und letztendlich ist es    Hospizarbeit tätig sind, hören sie oft.
Jahren auch Hauptamtlichkeit als          ja auch so. Doch herrscht auch häufig    Wir wollen uns diesen Fragen stellen
sinnvoll erwiesen. Somit kam durch        eine unklare Vorstellung bzw. keine      und ihnen begegnen – in dem Wissen,
die Hospizschwestern Fachqualifika-       Vorstellung wie das ambulante Hos-       dass wir die Antworten nicht haben,
tion hinzu und es hat sich bis heu-       piz zu Hause zur Seite stehen kann.      dass es die Antwort nicht gibt. Die
te ein sehr gutes Miteinander von         Viele Menschen wissen nicht, dass die    Erfahrung aus den vielen Gesprächen
Haupt- und Ehrenamt entwickelt.           Hospizschwestern gute Kenntnisse in      zeigt auch, dass die Menschen nicht
Auch die Zahlen sind interessant an-
zuschauen. Um ein paar Beispiele zu
nennen: im Jahr 1991 haben wir 15
Menschen begleitet, 1996 waren es
59, 2001 stieg die Zahl auf 116, 2006
auf 196 und im letzten Jahr, also 2009,
waren es 229 Personen.

Eine schöne Entwicklung, obwohl
ich an dieser Stelle anmerken möchte,
dass die Zahlen für uns stets zweitran-
gig waren und sind. Wirklich wichtig
ist die Qualität der Begleitung und
vor allem die HALTUNG! Meine
Idee von Haltung ist: »Geh zu den
Menschen und leg ihnen ein weißes
Blatt auf den Tisch. Darauf dürfen sie
schreiben was sie brauchen und was                                                                   IMMER WÄHRENDER
ihre Nöte sind. Und wir dürfen ihnen                                                                 KALENDER
sagen was möglich ist.«

Aus dieser Haltung heraus hat sich
auch die Idee entwickelt, zu unserem
Jubiläum einen immer währenden Ka-
lender zu gestalten (kann man bei uns
käuflich erwerben) mit wunderschö-
nen Bildern von Holzskulpturen des

                                                                                                                             3
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    irgendwelche fertigen Antworten von        4. Die Akzeptanz, dass die Ster-           6. Die Einsamkeit lindern und mit-
    uns erwarten, sondern sie wollen sich      benden uns schon ein Stück voraus          tragen.
    austauschen, verstehen, erahnen, da-       sind.
    rüber nachsinnen was das Schicksal                                                    »Sie wissen nicht, wie es mir wirklich
    ihnen auferlegt hat. Die Antworten         »Sie haben gut reden, sie sind ja nicht    geht.«
    trägt jeder in sich selbst, ab und zu      krank.«
    darf es sein, dass sie gefunden wer-                                                  Ein 75-jähriger Mann, ein Künstler,
    den. Wenn wir gefragt werden nach          Das war die Aussage einer 54-jährigen      feinsinnig und gebildet, sagte diese
    unserer Meinung und Überzeugung,           Patientin nach Beratung durch Pfle-        Worte. Er lebte mit seiner Ehefrau,
    auch nach unserem Glauben, dann            gedienst und Hospiz. Vieles wurde          sie waren schon über 50 Jahre verhei-
    dürfen und sollen wir natürlich ant-       angesprochen: Pflege, Schmerzthera-        ratet. Beide fühlten sich sehr allein
    worten (aber in der Ich-Form). Ein         pie, Ernährung, Besuch vom Hospiz-         gelassen, auch von Freunden und Be-
    Grundsatz der Hospizbewegung ist           helfer? Wichtige und richtige Fragen       kannten, eine Erfahrung die uns nicht
    es, nicht zu missionieren.                 und ein vom Patienten gewünschtes          fremd ist. Freunde und Angehörige
    Wichtig ist, den Menschen in seinem        Gespräch und doch – diese Aussage          wenden sich ab, wenn Sterben, Tod
    Weltbild und in seinem Glauben zu          lässt uns nachdenklich werden und          und Trauer nahe sind. Unsicherheit
    lassen. Vor Gott ist nichts verloren.      rückbesinnen auf eine wesentliche          und Angst etwas falsch zu machen
                                               Erfahrung im Hospizbereich. Wenn           herrschen vor und so sind die Betrof-
    3. Die Akzeptanz, dass Leben wie           wir genau hinhören, uns selbst zu-         fenen oft alleine.
    Sterben nicht planbar oder vorher-         rücknehmen und achten, dass der            Eine große Hilfe und Unterstützung
    sehbar ist.                                Kranke schon ein Stück Weg gegan-          sind die ehrenamtlichen Hospizhel-
                                               gen ist den wir nicht kennen, nur          fer. Sie besuchen die Kranken und
    »Das Licht geht aus – das Zepter fällt.«   dann werden wir einen guten gemein-        ihre Angehörigen regelmäßig. Durch
                                               samen Weg finden. Ohne Hierarchie          ihr Zuhören, Annehmen und Da-
    Vier Stunden vor ihrem Tod sprach          – etwas, das auch in der Versorgung        sein schenken sie den Betroffenen
    eine 70-jährige Frau diesen Satz. Eine     und Begleitung Sterbender nicht            ihre Zeit und begegnen mit ihnen
    große Unruhe, ja Panik hatte sie er-       selbstverständlich ist. Oft meinen wir     der Einsamkeit. Erstaunlich schnell
    fasst. Wir haben diese Patientin über      zu wissen was der Andere braucht –         erzählen uns die Menschen Tieflie-
    viele Wochen begleitet. Sie sagte, sie     vom Pflegebett bis zur Beichte, vom        gendes, Schweres und auch Schönes
    könne gut von dieser Welt gehen,           Loslassen-müssen bis zur Versöhnung        aus ihrem Leben. In einem intensiven
    war gefestigt im Glauben, hatte kei-       mit Angehörigen. Begegnung ohne            Gespräch fiel der obige Satz.
    ne Schmerzen. Auch war sie gebor-          Hierarchie, gewollt und verinner-          Innehalten, darüber nachdenken, ja
    gen und umsorgt von Familie und            licht, ist ein Übungsfeld und eine         auch ein bisschen Erschrockensein
    Freunden. Wir vom Hospiz erlebten          große Herausforderung für uns alle im      und Erstaunen war die Reaktion
    diese Begleitung als sehr ruhig. In        Hospiz- und Palliativbereich Tätigen.      und eine Erkenntnis, wichtig für die
    den letzten Stunden – wir wurden                                                      Hospizarbeit und auch für jede Be-
    notfallmäßig gerufen – war alles ganz      5. Die Begleitung der Angehörigen          gegnung mit Menschen: wir können
    anders. Panik, Angst, extreme Unruhe       und Freunde ist genauso wichtig wie        und sollen uns in den Anderen nur
    der Kranken, die auch auf die Ange-        die Begleitung der Kranken.                bedingt einfühlen, wir spüren nicht
    hörigen übergriff, bestimmte das Bild.                                                seinen Schmerz und seine Einsam-
    Medikamente, die inzwischen vor Ort        »Ich habe eigentlich mit dem Leben ab-     keit, das muss uns klar sein in der Be-
    waren und die Unruhe bekämpfen             geschlossen, aber für meine Frau wird es   gleitung. Aber wir können einen Weg
    sollten, halfen auch in höheren Dosen      sehr schlimm, wenn ich nicht mehr bin.«    miteinander, nebeneinander gehen
    wenig. Die Zugewandtheit von Ange-                                                    – voller Empathie und so ein Zeichen
    hörigen und Hospizmitarbeitern, Ge-        Das war einer der ersten Sätze eines       setzen für unsere Gesellschaft.
    bete, beruhigen versuchen durch Be-        59-jährigen Patienten beim ersten Be-
    rührung – alles half kaum. So lernen       such zu Hause. Der Kranke war sehr         7. Jeder stirbt seinen eigenen Tod.
    wir, dass wir manchmal nichts wissen       ruhig, schmerzfrei und gelassen. Sei-
    und wenig tun können. Den Grund            ne Ehefrau dagegen, die ihn liebevoll      »Andere haben Angst vor dem Tod, aber
    kennen wir nicht. Wir müssen das Le-       umsorgte, konnte es fast nicht aushal-     ich freue mich darauf.«
    ben und Sterben manchmal nehmen            ten, weinte viel, war unruhig, konnte
    wie es ist und dürfen ab und zu auch       nicht schlafen und wollte das Haus         Soweit wir es wahrnehmen können
    hadern mit Gott und der Welt – unser       nicht mehr verlassen.                      sterben manche Menschen »ganz
    Herrgott kann das aushalten.               Es ist keine seltene Erfahrung von uns,    leicht« ohne große, erkennbare Not
    Das Sterben nicht zu idealisieren,         dass Angehörige sehr viel Kraft in         oder mit den Worten eines Ehe-
    sondern auch zu lernen manches zu          die Versorgung einbringen und sich         mannes gesagt: »Sie ist ganz leise
    akzeptieren wie es eben ist, ist ein       selbst ganz vergessen. Zuhören, trös-      davongeflogen, wie ein kleiner Vo-
    großer Lernprozess, gerade und be-         ten, unterstützen und stärken tut ih-      gel«. Seine Frau war es auch, die den
    sonders für die Hospizarbeit.              nen gut. In dieser Situation war es für    obigen Satz gesagt hat. Sie war ganz
                                               das Ehepaar wichtig zu erfahren: auch      gelassen und gefestigt. Sie konnte das
                                               in der Zeit nach dem Sterben lassen        Leben lassen. Andere Menschen »ster-
                                               wir die Trauernden nicht allein, son-      ben schwer«, der Prozeß des Leidens
                                               dern begleiten sie weiter.                 braucht viel Zeit. »Der kann nicht
                                                                                          loslassen« hören wir dann manchmal,
                                                                                          nicht selten mit dem Zusatz – weil ...
                                                                                          Dürfen wir uns das anmaßen, wissen
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wir das? Wir sehen unsere Aufgabe         er diesen Satz. Wir machten im Laufe         die Magensonde eher geschadet als
darin, Menschen auf dem Weg zu            der folgenden Monate die Erfahrung,          genutzt. Ständige Übelkeit, häufiges
begleiten, Leiden zu lindern aber den     dass sich Sichtweisen verändern kön-         Erbrechen waren Begleitsymptome,
Prozess in seinem Ablauf nicht verän-     nen und dürfen. Als der Patient nicht        bei Absetzen der Ernährung ging es
dern zu wollen, oder meinen verän-        mehr arbeiten konnte, entdeckte              ihm deutlich besser – und doch, er
dern zu müssen.                           er andere Dinge die sein Leben be-           wollte noch leben, das Leben war für
                                          reicherten und sogar als er fast völlig      ihn schön und die Schwelle noch zu
8. Miteinander Linderung suchen           pflegebedürftig war, sagte er einmal:        hoch.
und so dem psychischen, physischen,       »Manchmal ist das Leben trotzdem
spirituellen und sozialen Leid zu be-     noch schön«.                                 Für uns gilt, nicht zu werten oder den
gegnen.                                   Eine wichtige Erkenntnis für uns,            Weg und die Entscheidungen verän-
                                          auch bezüglich der aktiven Sterbehil-        dern zu müssen, sondern – soweit wie
»Mir ist alles egal, ich kann eh`nichts   fe, die die Hospizbewegung ablehnt.          möglich – mit-zu-gehen in der Ach-
machen.«                                  Ein gesunder, oder noch relativ sta-         tung vor dem Sein des Anderen.
                                          biler Mensch hat meist eine ganz an-
Ein Gefühl des völligen Ausgeliefert-     dere Einstellung als die Menschen,           12. Kinder in den Prozess des Ster-
seins ließ eine 75-jährige Frau diesen    die wir im Sterben begleiten. Das mag        bens und der Trauer miteinbeziehen.
Satz sagen. Sie lebte allein und fühlte   uns zu denken geben.
sich von allen allein gelassen, hatte                                                  »Das Schlimmste ist, zu wissen wieviel
Schmerzen, viele Ängste plagten sie.      10. Den Anderen da abholen wo er             Leid ich meinen kleinen Kindern und
Schmerz und Leid auf vielen Ebenen        gerade steht.                                meiner Frau zufüge, weil ich sterben
– the total pain – der totale Schmerz.                                                 muss.«
Ein Begriff den Cicely Saunders           »Wissen Sie, es ist egal wann es einen
prägte, eine englische Ärztin und die     trifft, ob mit 40, 60 oder 80 – es ist im-   Das sagte ein krebskranker junger
Begründerin der weltweiten Hospiz-        mer ein ungünstiger Augenblick.«             Mann, 32 Jahre, der von der Klinik
bewegung. Cicely Saunders war es                                                       zum Sterben nach Hause entlassen
auch, die wesentliche Grundsätze der      Mit einem feinen Lächeln und einem           war. Er wollte bei seiner Familie sein
modernen Tumorschmerztherapie ge-         guten Stück Humor gewürzt wurde              und die Ehefrau wollte ihn bei sich
schaffen hat.                             dieser Satz ausgesprochen von einer          haben. Die Kinder waren drei und
Nur miteinander können wir dem            81-jährigen Patientin, drei Wochen           fünf Jahre alt. Was zu allem Leid da-
totalen Schmerz begegnen. Der Haus-       bevor sie starb. Darf das überhaupt          zukam, war soviel ungelebtes Leben,
arzt mit einer guten, ausreichenden       sein, geht das zusammen – Hospizar-          soviel zerstörte Zukunftsträume.
Schmerztherapie in Zusammenarbeit         beit und Humor? Natürlich geht das,          Wir haben die Kinder – altersgemäß
mit uns als Hospiz und einem pallia-      so wie Humor zum Leben gehört und            und wie sie wollten und konnten – die
tiven Pflegedienst. Dieses Gefühl, völ-   vieles leichter macht, so kann er auch       Situation miterleben lassen. Immer in
lig ausgeliefert zu sein verbunden mit    zum Sterben gehören. Viele Höhen             Übereinstimmung und Gesprächen
dem Erkennenmüssen, dass ich meine        und Tiefen hat diese Frau in ihrem           mit ihrer Mutter. Natürlich war es
Körperfunktionen nicht mehr unter         langen Leben erlebt und Humor hat            schwer und traurig, aber wir machen
Kontrolle habe, verursacht größtes        ihr über einiges hinweg geholfen.            die Erfahrung, dass Kinder oft ohne
Leid. Diese Menschen brauchen gute        Nicht der schwarze oder der derbe            Berührungsangst und ganz natürlich
ärztliche Versorgung, sensible Pflege     Humor ist gemeint sondern Humor              mit den Kranken umgehen und es ist
und ganz wesentlich die Zuwendung         im wahrsten Sinne des Wortes: die            unsere Überzeugung, dass wir Kinder
der ehrenamtlichen Hospizhelferin-        Fähigkeit eines Menschen, viele Le-          nicht ausgrenzen dürfen.
nen und Hospizhelfer, die durch ihre      benssituationen mit Heiterkeit und           Doch nicht nur unsere Überzeugung
Besuche die Einsamkeit schmälern          einer gelassenen Grundstimmung zu            bestärkt uns in unserem Handeln,
und den Kranken Zeit, Aufmerksam-         bewältigen. Nicht nur das Schwere,           sondern auch die Rückmeldungen der
keit und Zuneigung schenken.              Traurige gehört zur Hospizarbeit,            Angehörigen wie gut und sinnvoll es
Wir können Dunkles und Leid nicht         nein, es darf auch Lachen, Humor             war, die Kinder den Weg mitgehen zu
von der Welt nehmen – aber wir kön-       und Freude sein. In einem achtsamen          lassen – immer kindgerecht, behütet,
nen ein Licht anzünden.                   Miteinander können wir voneinan-             achtsam und begleitet.
                                          der lernen und wir können durch die
9. Sterben als Prozess betrachten und     Lebenserfahrung der Menschen, die
Veränderungen in der Einstellung          wir begleiten, reifer werden.
akzeptieren.
                                          11. Den Weg mit den Kranken und
»Wenn ich nicht mehr arbeiten kann,       Angehörigen mitgehen.                        Renate Flach
will ich nicht mehr leben.«                                                            1. Vorsitzende
                                          »Das Leben ist so schön, ich komm nicht
Ein 49-jähriger Mann, selbständig,        drüber – über die Schwelle.«
nicht verheiratet, keine Kinder. Seine
Erfüllung, sein Lebensinhalt, war sein    Ein Patient, 75 Jahre alt, mit fortge-
Beruf. Dort konnte er kreativ sein        schrittener Krebserkrankung. Wir
und seine Gaben leben. Wir lernten        hatten ihn schon viele Wochen be-
ihn kennen, als es ihm noch relativ       gleitet, sein Zustand verschlechterte
gut ging. Seine Erkrankung war noch       sich ständig und wie oft am Lebens-
nicht weit fortgeschritten. Da sagte      ende hat ihm die Ernährung durch
                                                                                                                                5
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                  VOM ARBEITSKREIS ZUR
                  GEMEINNÜTZIGEN GMBH ...
                  ... vielleicht aber auch einfach nur eine kleine Geschichte vom Miteinander

                  Liebe Renate,                             stellten, dass uns die neue, damals seit    Kontext dieser Regionalgeschichte
                                                            April gesetzlich bestehende Versor-         auf und luden sie alle zu unseren of-
                  gerne komme ich Deiner Bitte nach,        gungsform »Spezialisierte ambulante         fenen Round Table Gesprächen ein,
                  zu Eurem 20-jährigen Jubiläum einige      Palliativversorgung« (SAPV), die nun        an deren Ende – nicht zuletzt weil
                  Worte über dieses noch kurze Stück        in aller Munde ist, beunruhigte. Kei-       es immer mehr wurden, die hier die
                  gemeinsamen Wegs zu schreiben, das        ner von uns wusste damals, was das          Möglichkeit des Austausch nutzen
                  wir die letzten drei Jahre zurückge-      denn eigentlich sein sollte und was         wollten – die Gründung unseres ge-
                  legt haben. Wobei ich allerdings zu-      das bedeuten könnte. Aus meiner             meinsamen Vereins stand. Ich war
                  erst einmal von Herzen gratulieren        Sicht war diese »gemeinsame« Furcht         übrigens auch an diesem Tag im März
                  möchte – es ist schon eine gewaltige      vor dem Neuen, dem Unbekannten,             2009 ziemlich aufgeregt, weil wir so
                  Leistung, die Ihr seit 1990 vollbracht    das vielleicht die viele Arbeit der letz-   sehr versucht hatten, ein Miteinan-
                  habt und weiterhin vollbringt.            ten Jahre in den jeweiligen Orten und       der trotz der Konkurrenzen, Wert-
                  Ich kann mich noch ziemlich gut an        Organisationen verändern würde,             schätzung statt Abwehr, Ehrlichkeit,
                  den Moment – genau genommen ei-           der eigentliche Geburtstermin der           Offenheit und viele andere Werte in
                  gentlich Zufall – im Jahr 2007 erin-      Augsburger Hospiz- und Palliativver-        unserer Satzung und im Vereinsmitei-
                  nern, als sich Michael Strauß vom St.     sorgung e.V., an deren aktuellem Mei-       nander unterzubringen.
                  Vinzenz-Hospiz, Margarethe Beck           lenstein unsere neue gemeinnützige          Inzwischen glaube ich, dass uns das,
                  vom Caritasverband, Du vom Alba-          Tochtergesellschaft, die alleine der        was wir damals erhofften, tatsäch-
                  tros und ich vom Klinikum Augsburg        AHPV gehört, die SAPV als ergänzen-         lich schon ein gut Teil gelungen ist:
                  in Friedrichshafen auf dem zweiten        des Angebot nicht nur zu Euch, son-         Wir sind unser Stück gemeinsamen
                  Palliative Care Kongress an einem         dern auch zu allen anderen erbringen        Wegs nicht nur nebeneinander ge-
                  Pausentisch trafen und alle vier fest-    möchte.                                     gangen, sondern mieinander (mit
                                                            Aber der Reihe nach. An jenem Tisch         unserer Vereinsstruktur und den
                                                            in Friedrichshafen vereinbarten wir,        regelmäßigen Treffen, mit unseren
                                                            uns ab nun regelmäßig zusammen-             Fortbildungen und nun auch mit der
                                                            zusetzen und auszutauschen – noch           Gründung unserer gemeinsamen
                                                            mit einem gehörigen Respekt und             Tochtergesellschaft des Vereins, der
                                                            Mißtrauen zueinander. Vertrauen             Augsburger Palliativversorgung ge-
                                                            muss langsam wachsen: das gilt auch         meinnützige GmbH).
                                                            in Organisationen und Netzwerken.           Als wir uns am 5. Juli 2010 beim No-
                                                            Da wir uns nicht nur lose zu Kaf-           tar trafen, um die Gründungsurkunde
                                                            feekränzchen treffen wollten, ver-          der gemeinnützigen GmbH zu zeich-
                                                            suchten wir quasi vom ersten Augen-         nen – Margarethe Beck und Du als
                                                            blick an, eine Arbeitsgemeinschaft zu       Vertreterinnen des Vereins, Michael
                                                            gründen, was am 16. Oktober 2007            Strauss und ich als zukünftige Ge-
                                                            mit der »Arbeitsgemeinschaft für            schäftsführer – fiel uns auf, dass wir
                                                            Sektorenübergreifende Hospiz- und           vier uns schon wieder an einem Tisch
Gestern (2007): Margarethe Beck, Irmtraud Hainsch-          Palliativversorgung Augsburg« auch          trafen, um etwas zu beginnen: Die
Müller, Michael Strauß, Christa Tischer, Eckhard Eichner,   Realität werden durfte. Übrigens ein        Augsburger Palliativversorgung ge-
Renate Flach (v.l.n.r.) ...                                 schrecklicher Name im Nachhinein,           meinnützige GmbH wird bei Druck
                                                            finde ich, aber was Besseres fiel uns       dieser Flugpost im Handelsregister
                                                            nicht ein, um das auszudrücken, was         eingetragen, die Menschen, die dort
                                                            wir ausdrücken wollten: das Mitei-          arbeiten, benannt, die Autos bestellt
                                                            nander von Hospizarbeit und Palli-          und die Büroräume angemietet sein.
                                                            ativversorgung (nicht Palliativmedi-        Und wieder – wie schon 2007 und
                                                            zin!) über alle Grenzen hinweg …            2009 – beginnt ein neuer Wegesab-
                                                            Von Anfang an war uns klar, dass wir        schnitt. Sicher ist wohl nur, dass auch
                                                            nicht die Einzigen in Augsburg und          dieser nicht der Letzte sein wird.
                                                            Umgebung sind, die sich mit diesem          Ich bin mir aber auch sicher, dass Ihr
                                                            Thema beschäftigen. Viele Menschen          als Hospiz-Gruppe »Albatros«, wenn
                                                            hatten schon viele Jahre hart dafür ge-     Ihr nun im Rahmen Eurer Feiern auf
                                                            arbeitet, gelitten und gelebt, dass das     Eure eigenen 20 Jahre zurückblickt,
                                                            Sterben in unserer Region zu einem
... und heute (2010)                                        Leben und nicht zu einem Leiden
                                                            bis zuletzt wird. Wir brachen 2007
                                                            nur – wie erwähnt quasi zufällig – im
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viele Meilensteine auf Eurem eigenen   nur die guten Dinge überwiegen kön-     hungen, die palliative Versorgung von
Weg finden werdet: Erinnerungen        nen.                                    und die hospizliche Fürsorge für ster-
an gute wie auch schlechte gemein-     Ich wünsche Euch in jedem Falle und     bende Menschen in unserer Region
same Tage im Verein, an Herausfor-     von Herzen alles Gute auf Euren         gemeinsam zu gestalten.
derungen, Glücksmomente oder auch      nächsten 20 Jahren, freue mich – auch   In diesem Sinne herzlichen Glück-
Enttäuschungen. Wobei ich mir si-      ganz egoistisch – auf das weitere       wunsch.
cher bin, dass bei einem Verein wie    Stück Wegs mit Euch allen, des Mit-
der Hospiz-Gruppe »Albatros«, die      einanders von ehrenamlichen und
inzwischen mit ihren 20 Jahren »er-    hauptberuflichen Helfern und der
wachsen« geworden ist, eigentlich      weiteren Entwicklung unserer Bemü-
                                                                               Eckhard Eichner

                                                            Mondnacht

                                                            Es war, als hätt´der Himmel
                                                            Die Erde still geküsst,
                                                            Dass sie im Blüten-Schimmer
                                                            Von ihm nun träumen müsst´.

                                                            Die Luft ging durch die Felder,
                                                            Die Ähren wogten sacht,
                                                            Es rauschten leis die Wälder,
                                                            So sternklar war die Nacht.

                                                            Und meine Seele spannte
                                                            Weit ihre Flügel aus,
                                                            Flog durch die stillen Lande,
                                                            Als flöge sie nach Haus.

                                                            Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff

                                                                                                                        7
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                    FÜREINANDER
                                                                                                         Aufnahme nicht mehr aktiv blutend.
                                                                                                         Jeder wusste aber, dass das nächste
                                                                                                         Blutungsereignis zum Tode führen

                    UND MITEINANDER
                                                                                                         könnte.
                                                                                                         Herr H. wollte nach Hause und so
                                                                                                         wurde gemeinsam mit der Ehefrau,
                                                                                                         dem ambulanten Pflegedienst, dem
                    Von der Palliativstation in die häusliche Versorgung –                               Hospizdienst und dem Hausarzt ge-
                                                                                                         plant, wie die häusliche Versorgung
                    »Ich will nach Hause«
                                                                                                         aussehen kann.
                                                                                                         Viele Gespräche waren notwendig,
                                                              • Zuwendung, Besuche und das Ge-           die Ehefrau wurde angeleitet in die
                                                              fühl, nicht allein sondern zu Hause        Versorgung, ein Notfallplan wurde
                                                              zu sein.                                   verfasst. Für den Sohn wurde ver-
                                                                                                         sucht eine gute kindgerechte Beglei-
                                                              Die letzten Lebensmonate sind viel-        tung zu initiieren.
                                                              fach von sich verändernden Beschwer-       Zur Akutintervention für zu Hause
                                                              den, unabhängig von der letztlich zum      nicht beherrschbare Krisen wurde die
                                                              Tode führenden Grundkrankheit, ge-         erneute stationäre Einweisung be-
                                                              kennzeichnet. Diese machen nicht sel-      sprochen.
                                                              ten eine intensive medizinische und        Der Notfallplan war für ihn so etwas
                                                              pflegerische Betreuung erforderlich.       wie ein Rettungsanker. Ein ehrenamt-
                                                              Wir alle wissen, wie sehr sich der Ster-   licher Hospizhelfer und zwei haupt-
                                                              beprozess in den letzten Jahrzehnten       amtliche Hospizschwestern waren
                                                              verändert hat, wie lange Sterbepro-        regelmäßig vor Ort. Neben der Beglei-
                                                              zesse dauern können. Das Sterben in        tung des Patienten war erwartungsge-
                                                              unserer heutigen Zeit kann künstlich       mäß die Begleitung der Angehörigen
                                                              um Wochen und Monate, manchmal             das Schwierigste. Sehr gelitten hat
                                                              sogar um Jahre verlängert werden.          der 10-jährige Sohn unter der Situa-
                                                              Die Versorgung geht für Angehörige         tion, und ein Nicht-mehr-aushalten-
Herr P. auf dem Weg Wer kann das nicht verstehen. Wer         häufig über jedes Maß an Kraft. Trotz      können war dann auch der Grund für
von der Palliativsta- hat den Satz von schwer erkrankten      aller Liebe und Fürsorge der Ange-         die erneute stationäre Einweisung,
tion nach Hause.      Patienten nicht schon oft gehört. Un-   hörigen ist ein begleitendes Umfeld        zuerst ins Krankenhaus und von dort
                      heilbar erkrankte, sterbende Men-       (Netzwerk) nötig.                          ins Hospiz, wo er verstarb.
                      schen wünschen sich in weit über-       Die Palliativstationen verstehen sich
                      wiegender Mehrheit so viel Zeit wie     als ein Teil dieser Versorgungskette.      Oder ein anderer Fall.
                      irgend möglich zu Hause verbringen      Zu uns kommen die Patienten, die           Herr P. 80 Jahre, kam stationär zur
                      zu dürfen.                              keine Option auf eine kurative The-        Einstellung der Schmerzen und zur
                                                              rapie mehr haben, Patienten für die        Behandlung seiner zunehmenden
                     Patienten wissen, oft besser als wir     man »nichts mehr tun« kann.                Schwäche. Er hat von palliativen Be-
                     Behandler, dass die Zeit die bleibt,     Das Hauptziel ist die gute Symptom-        strahlungen und der Krankengymna-
                     nur noch kurz bemessen ist.              kontrolle mit den gebotenen medizi-        stik sehr profitiert und konnte wieder
                     »In der Nähe des Todes wird das Le-      nischen Möglichkeiten und dann die         nach Hause entlassen werden, wo er
                     ben immer sehr deutlich«, schreibt       Entlassung des Patienten dorthin wo        über Wochen stabil war. Die Hospiz-
                     Henning Mankell in einem seiner          er sich wohl fühlt, also zumeist nach      helfer haben locker Kontakt gehalten
                     Bücher.                                  Hause.                                     und wurden erst gerufen als sich sein
                                                                                                         Zustand verschlechterte.
                     Was brauchen sterbende Menschen          »Die größte Tragödie ist nicht ein         In der Nacht seines Todes war dann
                     am nötigsten?                            schmerzvoller Tod, sondern Verlas-         über Handybereitschaft die Hospiz-
                     Cicely Saunders sagte, dass Sterbende    sensein«. Mutter Teresa (1910-1997)        schwester vor Ort und konnte Bei-
                     an körperlichen, psychischen, spiritu-   indische Ordensschwester.                  stand leisten.
                     ellen und sozialen Schmerzen leiden.
                     Sie hat diese ganzheitlichen Bedürf-     Wie z. B. Herrn H., 70 Jahre, Mund-        Das ist eine Erfahrung, die oft ge-
                     nisse Sterbender in dem Begriff des      bodenkrebs, mit einem Tracheostoma         macht wird. Familien leisten unglaub-
                     »Totalen Schmerzes« zusammenge-          versorgt, verheiratet, ein Sohn 10 Jah-    lich viel für die schwerkranken An-
                     fasst. Zur Linderung dieses »Totalen     re. Er wurde auf die Palliativstation      gehörigen aber das »akute Sterben«
                     Schmerzes« brauchen Sterbende:           eingewiesen, da er wiederholt massiv       macht Angst. Ohne eine ambulante
                     • die gute Pflege des Körpers, die       aus dem Mund geblutet hatte. Eine          hospizliche Begleitung ist die Verle-
                     auch die Behandlung der Schmerzen        operative Sanierung war nicht mehr         gung von der Palliativstation nach
                     und der Symptome beinhaltet              möglich, die Blutung war jetzt mit         Hause häufig gar nicht möglich.
                     • Gesprächsangebote zur Bewältigung      einer Tamponade versorgt und bei           Viele Menschen stellen sich eine Pal-
                     vergangener und aktueller Krisen                                                    liativstation oder eine hospizliche
                     • Gesprächsangebote zur Sinnfindung                                                 Einrichtung als einen eher düsteren
                     in ihrem Leben                                                                      Ort vor. Wenn das Sterben so nah und

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gegenwärtig ist, muss die Grundstim-      Voraussetzungen für eine gute Zu-          Ich habe die Hoffnung und wünsche
mung doch melancholisch und trau-         sammenarbeit (Vernetzung). Zusam-          uns, dass dadurch eine Veränderung
rig sein, meint man.                      menarbeit bzw. Vernetzung braucht:         in unserer Gesellschaft möglich ist,
Und immer wieder sind Besucher,           • Formen konstruktiver Auseinander-        dass das Sterben, der Tod und die
Angehörige und neue Patienten über-       setzung (Aufarbeitung, Arbeitskreise)      Trauer wieder mehr und mehr als
rascht, wenn sie dann auf ein sehr        • ein Gleichgewicht im Geben und           Teil des Lebens wahrgenommen und
lebendiges Haus treffen – mit einem       Nehmen                                     nicht ausgegrenzt werden, dass wir
ganz normalen Alltag, mit Humor           • Eigenständigkeit aller Netzwerk-         unseren Kindern einen würdevollen
und Lachen und allem, was zu einem        partner                                    Umgang mit Sterben, Tod und Trauer
solchen Alltag gehört. Geborgenheit       • nicht doppelt zu leisten, sondern        mit auf den Weg geben können und
entsteht gerade durch eine solche         doppelt gut zu leisten                     dass wir den Mut und die Kraft haben
Normalität im Tagesablauf, ohne kli-      • Tragfähigkeit (das Netz so zu knüp-      uns damit auseinanderzusetzen.
nischen Charakter, mit originellen        fen, dass es auffängt, trägt und hält)     Ich möchte schließen mit einem Ge-
und eigenwilligen Menschen, mit           • Stärkung und Unterstützung klei-         danken von Vaclav Havel: „Hoffnung
vielen Gesprächen, Auseinanderset-        nerer bestehender Netze                    ist nicht Optimismus. Es ist nicht die
zungen über alltäglichen Kleinkram,                                                  Überzeugung, dass etwas gut ausgeht,
Annäherungen und auch Animosi-            Lassen Sie uns aufeinander zugehen         sondern die Gewissheit, dass etwas
täten zwischen Einzelnen, witzigen        und ein Netz knüpfen, in dem die           Sinn hat, ohne Rücksicht darauf, wie
Dialogen, viel Lachen und Humor.          Hilfeangebote für schwerstkranke           es ausgeht.
                                          sterbende Menschen miteinander
Prof. Dr. phil. Werner Burgheim           verbunden sind. Durch gegenseitige
schreibt in seinem Buch »Qualifizier-     Hilfe entsteht Kraft und Stärke. Im        Irmtraud Hainsch-Müller
te Begleitung von Sterbenden« über        Füreinander und Miteinander kann           Palliativmedizinerin
                                          dies gelingen.

EINE VÖLLIG UNGEPLANTE »KARRIERE«
1986 entdeckte ich die Bücher von         brauchte auch keine Krankenschwes-         Die Hospiz-Gruppe hatte nun einen
Elisabeth Kübler-Ross und war sehr        ter zu sein um mitarbeiten zu kön-         guten Boden und entwickelte sich
beeindruckt von ihrer Arbeit. Auch        nen. Allerdings, aber das war ja selbst-   stetig weiter. Das hatte natürlich auch
von Cicely Saunders, die in England       verständlich, musste man eine Aus-         Auswirkungen auf die Mitgliederver-
das erste Hospiz eröffnete, las ich. So   bildung zur Hospizhelferin machen.         waltung und das Aufzeichnen der Be-
sehr mich diese Hospizarbeit auch         Ein entsprechendes Seminar war be-         gleitungen. Das Einzimmerbüro war
interessierte, beide Frauen waren         reits in Vorbereitung und man konn-        zu klein, die Arbeit rein ehrenamtlich
schließlich Krankenschwestern bzw.        te sich auch gleich anmelden. Obwohl       nicht mehr zu schaffen und für die
Ärztinnen, also für »normale Leute«       ich sonst eher nicht so spontan bin        Seminare kein geeigneter Raum vor-
wie mich gab es da sicher nichts zu       und lieber noch mal überlege, sagte        handen. Deshalb wurden neue Räume
tun.                                      ich hier sofort zu. Selten war ich so      und hauptamtliche Mitarbeiterinnen
                                          überzeugt das Richtige zu tun. Und         gesucht. Mein jüngster Sohn war in-
Doch dann war da im Herbst 1990 ein       so wurde ich nach der Ausbildung           zwischen 16 Jahre alt und so schien       Doris Schneller
Artikel in der Zeitung: Hospiz-Grup-      also Hospizhelferin und Mitglied der       mir der Zeitpunkt geeignet, etwas
pe »Albatros« in Augsburg gegründet       Hospiz-Gruppe »Albatros«.                  Neues zu beginnen. Ich bewarb mich
– Interessierte werden gesucht. Eine                                                 um eine Stelle und wurde im Okto-
Veranstaltung im Zeughaus sollte In-      Sie können sich vorstellen, in einem so    ber 1992 Teilzeitkraft in der neuen
formationen über die neue Gruppe,         jungen Verein tat sich natürlich stän-     Geschäftsstelle in der Völkstraße. Der
die Arbeit und Antworten auf die Fra-     dig etwas Neues und deshalb gab es         »Geburtstagskalender« war schon vor-
gen der Zuhörer geben. Da musste          mehrmals im Jahr Versammlungen,            her mehr oder weniger unleserlich
ich natürlich hin! Vielleicht gab es ja   um über die aktuellen Entwicklungen        geworden und mein Mann hatte mir
doch eine Möglichkeit auf diesem Ge-      zu informieren. Auf einer solchen Ver-     einen Computer verordnet. Das war
biet tätig zu werden.                     sammlung wurde auch die Idee gebo-         nicht unpraktisch, denn diese Kennt-
                                          ren, den Mitgliedern Geburtstagsgrü-       nisse konnte ich jetzt gut gebrau-
Es war ein sehr guter und informa-        ße zu schicken. Alle begrüßten dies,       chen. Es folgte eine aufregende, fas-
tiver Abend. Die Hospiz-Gruppe            aber es fand sich niemand der die          zinierende Zeit. Hospizhelferin war
»Albatros« war zwar noch sehr jung        Glückwünsche schreiben wollte. Also        ich übrigens immer noch und lernte
(vier Wochen) aber man hatte dort         meldete ich mich, denn bei ca. 40 Mit-     durch die Begleitungen Menschen
schon ganz konkrete Pläne und was         gliedern konnte das ja nicht so auf-       kennen, die einen tiefen, bleibenden
für mich ganz wichtig war, es waren       wändig sein. Nun hatte ich also öfter      Eindruck hinterließen.
tatsächlich ganz »normale Leute«, die     mit dem Büro zu tun, um über die
sich riesig über das große Interesse      »Geburtstagskinder« auf dem Laufen-        Es war Herbst 1997 als wieder eine
an der Hospizarbeit freuten. Meine        den zu sein.                               Neuerung anstand. Der Vorstand be-
Fragen durfte ich alle stellen und man                                               schloss, dass ein Verein von dieser
                                                                                     Größe (inzwischen 265 Mitglieder)
                                                                                                                                            9
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           nun eine Geschäftsleitung haben          Ich sollte diesen Entschluss nie be-      haben uns in Augsburg und darüber
           sollte, die bestimmte Aufgaben wie       reuen und bin nun seit 13 Jahren die      hinaus durch unsere Arbeit einen aus-
           Förderanträge, Jahresberichte, Sta-      Geschäftsleiterin der Hospiz-Gruppe       gezeichneten Ruf erworben und es
           tistik und später die elektronische      »Albatros«. Nie hätte ich mir das 1990    ist ein schönes Gefühl, ein Teil dieser
           Gehaltsabrechnung und die Spenden-       vorstellen können. Ich glaube (und        nun großen und bekannten Einrich-
           abwicklung übernehmen sollte. Ich        hoffe) ich bin eben am »richtigen«        tung zu sein.
           wurde gefragt, ob ich mir diese er-      Platz und deshalb fügte sich alles so
           weiterte Tätigkeit vorstellen könnte.    wunderbar ineinander.
           Das überlegte ich mir gut, es bedeu-                                               Doris Schneller
           tete auch große Verantwortung. Aber      In den 20 Jahren seit der Gründung
           schließlich gab die Freude an der Ar-    hat sich vieles entwickelt und ver-
           beit und die ganz besondere Kollegia-    ändert. Zahlreiche Projekte wurden
           lität untereinander den Ausschlag zur    ins Leben gerufen, neue Kontakte
           Zustimmung.                              und Verbindungen geschaffen. Wir

           TOD – TRAUER – TRAUERBEGLEITUNG
Bedenkt, den eigenen Tod den stirbt man nur, doch mit dem Tod des anderen muss man leben.
												                                                                     Mascha Kaléko

           »... mit dem Tod des anderen muss        Draußen im »Alltag« ist dafür oft we-     Aus diesem Angebot können Trau-
           man leben«                               nig Platz, sowie manchmal auch we-        ernde sich das für sie Passende aus-
                                                    nig Verständnis und viel Hilflosigkeit.   suchen und nach eigenem Wunsch
           Dass dies eine große Herausforderung     »Das Leben muss ja weitergehen!«          kombinieren. Trauerwege sind so
           ist, erfahren Trauernde sehr schnell                                               individuell wie die trauernden Men-
           und ebenso, dass ihnen diese Lebens-     So entstand die Idee, im Hospiz ein       schen. Diese Individualität gilt auch
           leistung niemand abnehmen kann.          geschütztes Umfeld für Trauernde an-      für die Zeit. Manche Trauernde kom-
           Auch wir vom Hospiz können dies          zubieten. Seit den Anfangsjahren der      men bald nach dem Tod eines nahe-
           nicht. Trauernde auf ihrem oft stei-     Hospizarbeit gibt es                      stehenden Menschen, manche erst
           nigen Weg begleiten bedeutet eher:       • Einzelbegleitung durch speziell aus-    nach Jahren, manchmal sogar nach
           Da-Sein, zuhören, geschützten Raum       gebildete Ehrenamtliche und einen         Jahrzehnten. Und wenn Sie jetzt nach
           anbieten für sehr unterschiedliche,      • Trauergesprächskreis, in dem beson-     dem Alter fragen, so ist auch dies breit
           manchmal nur noch als chaotisch          ders der Austausch unter den Betrof-      gefächert. Naturgemäß sind ältere
           empfundene Gefühle, einen Platz,         fenen ermöglicht werden soll.             Menschen öfter vom Tod eines An-
           wo all das Unfassbare, Unsagbare                                                   gehörigen betroffen, aber auch junge
           vielleicht doch zumindest teilweise      Im Laufe der Jahre kamen dazu             Menschen müssen sich mit dem Ver-
           ausgesprochen, ausgelebt werden          • Gedenkgottesdienste                     lust auseinandersetzen: die jüngste
           kann. Trauer hat ganz viele Gesichter,   • Meditation (in der Gemeinschaft         Witwe war gerade mal zwanzig Jahre
           die oft unvermittelt schnell wechseln    fällt es meist leichter zur Ruhe und zu   alt und Eltern sterben nicht immer
           können: Trauer, Wut, Verzweiflung,       sich zu kommen)                           erst im hohen Alter.
           Enttäuschung, Nicht-glauben-wollen,      • Tagesseminare und Begegnungen, so-
           Nicht-verstehen-können, gute und         wie das                                   Christine Seifried
           weniger gute Erinnerungen, Träume,       • Trauercafe gegen Vereinsamung und       Familientherapeutin und
           Dankbarkeit, Weinen, Lachen (ja auch     für neue gesellige Kontakte (»Allein      Trauerbegleiterin
           Lachen!), Vorwürfe (sich selbst, ande-   gehe ich nicht ins Cafe«) und
           ren und/oder dem/der Verstorbenen        • Qigong (sanfte körperliche Übun-
           gegenüber), tausend Fragen, immer        gen, die dem Körper helfen aus der Er-
           wieder dieses »warum«, erzählen wol-     starrung wieder in lebendige und en-
           len, wieder leben wollen, und ...        ergievolle Beweglichkeit zu kommen).

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RUNDER TISCH IM DIAKO
»Mit dir erstürme ich Wälle, mit meinem Gott überspringe ich Mauern.«
										                                                                                               Psalm 18,30

Um ehrlich zu sein, am Anfang gab        sen mit erheblich verkürzter Auf-        Wie geht es weiter? Der Austausch
es durchaus Mauern. Mauern in den        enthaltsdauer im Krankenhaus sind        von Informationen und deren Do-
Köpfen und auch in den Herzen von        unsere Möglichkeiten begrenzt. Über      kumentation im Rahmen der Hos-
uns Mitarbeitenden im diako – die        die akute Therapie hinaus müssen         pizbesprechung bedarf laufender
stadtklinik. »Was will die Hospiz-       häufig rasch weitreichende Entschei-     Weiterentwicklung, auch über den
Gruppe bei uns – was kann sie leis-      dungen getroffen werden. Dies be-        internistischen Bereich hinaus. Zu-
ten, was wir nicht auch können –         trifft die medizinische, pflegerische,   dem planen wir, gemeinsam mit Al-
brauchen wir jemanden von außen,         psychologische und seelsorgerische       batros, die Kontaktaufnahme mit den
der uns und unsere Arbeit vielleicht     Betreuung des Patienten zu Hause,        Hospizgruppen der näheren Umge-
sogar kritisch beäugt?« Aller Anfang     aber nicht weniger wichtig auch die      bung. Vereinzelt fanden auch bisher
ist nicht leicht, und leicht haben wir   Begleitung seines sozialen Umfeldes,     bereits Überleitungen statt, dies soll
es den haupt- und ehrenamtlichen         seiner Familie. Dies bedarf eines kom-   nun durch persönliche Begegnung in-
Hospizhelfern auch nicht immer ge-       petenten Partners, der um die statio-    tensiviert werden. Als drittes wäre die
macht. Vor acht Jahren begann die Zu-    nären Entscheidungsprozesse weiß,        Schulung der Angehörigen über ei-
sammenarbeit mit zwei regelmäßigen       den nahtlosen Übergang nach Hause        nen breit gefächerten Themenbereich
Besuchen pro Woche auf Station. Die      mit gestaltet und dort weiterhin mit     zu nennen, dies wurde ärztlicherseits
sympathische Art und Weise dieser        Rat und Tat zur Seite steht. Im Hospiz   angeregt und ist für nächstes Jahr an-
Begegnungen, das persönlich offene       haben wir diesen für alle Beteiligten    gedacht.
und warmherzige, verbindliche und        so wichtigen Partner in idealer Weise
doch unaufdringliche Verhalten der       gefunden.
Hospizhelfer »der ersten Stunde« hat
das Eis gebrochen, dafür gesorgt, dass   Die      gesammelten     Erfahrungen
unsere – unausgesprochenen – Mau-        mündeten vor zwei Jahren in der
ern überwunden wurden. Aus einem         Einführung einer wöchentlichen
ersten vorsichtigen Abtasten wurde       Hospizbesprechung auf unserer Sta-
eine enge Zusammenarbeit, die bis        tion, initiiert von der onkologisch
zu einzelnen persönlichen Freund-        belegärztlichen Praxis im diako, Dres.
schaften reicht.                         Slawik/Oetzel/Plath. Der Teilneh-
                                         merkreis umfasst dabei neben dem
In den ersten Jahren gestalteten sich    Belegarzt die zuständigen Bereichs-
die Kontaktaufnahmen wenig koordi-       pflegekräfte, eine Mitarbeiterin der
niert und reflektiert, wir Schwestern    Hospizgruppe (wechselnd Renate
und Pfleger auf Station entschieden      Flach und Romana Frommelt), die
häufig »aus dem Bauch heraus«, für       evangelische und die katholische
welchen Patienten eine Begleitung        Krankenhausseelsorgerin, sowie die
durch das Hospiz in Frage käme. Das      Case-Managerin (regelt auf Station
Wissen um den Wert der Hospiz-           die Überleitung bei Entlassung). Hier    »Rudern zwei ein Boot,
arbeit musste bei uns erst wachsen       wird jeder Patient, der dem Bereich      der eine kundig der Sterne,
und reifen. Zu Beginn war man eher       Palliative Care zugeordnet werden        der andere kundig der Stürme,
zögerlich mit der Nennung von Pa-        kann, umfassend besprochen, wobei        wird der eine führen durch die Sterne,
tienten, beschränkte sich auf letzte     ein Schwerpunkt auf der frühzeitigen     wird der andere führen durch die Stürme,
Lebensphasen, empfand das Hospiz         Kontaktaufnahme durch die Hospiz-        und am Ende, ganz am Ende,
wohl auch als ein »mit der Tür ins       gruppe liegt. Gemeinsam mit dem          wird das Meer in der Erinnerung blau sein.«
Haus fallen – jetzt geht es zu Ende«.    Case-Manager können Szenarien für                                    Reiner Kunze
Mit der Zeit lernten wir dazu, lernten   zu Hause entwickelt und den Pati-
auch die Grenzen unserer eigenen         enten und seinen Angehörigen Wege
Arbeit richtig einzuschätzen, und        eröffnet werden. Gerade das baldige      Nach wie vor ist gelegentlich Sand im
dass das Hospiz keine Konkurrenz,        Gespräch und die Einbringung der         Getriebe. Das Hospiz ermutigt uns
sondern eine wertvolle Ergänzung         Erfahrung des Hospizes erleichtert       dabei, den Blick über den Tellerrand
unseres Tuns darstellt. In einem sich    den Übergang nach Hause. Die Rück-       immer wieder neu zu wagen. In die-
rasch verändernden Gesundheitswe-        meldung über ambulant betreute           ser wohltuenden und verlässlichen
                                         Patienten bereichert wiederum un-        Partnerschaft erstürmen wir Wälle,
                                         sere stationäre Arbeit und erweitert     zum Wohle der Menschen, die uns
                                         unseren Erfahrungsschatz. Es ist zu      gemeinsam anvertraut sind.
                                         Hause oft viel mehr möglich – und
                                         gut möglich – als wir uns das auf Sta-   Jürgen Gäßler
                                         tion vorstellen können.                  Stationsleitung

                                                                                                                                11
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     MEINE BEGEGNUNG
     MIT STERBEN UND TOD
                                                Meine Begegnung mit der Hospiz-Gruppe »Albatros«

                                                Im März diesen Jahres sollte ich eine    Mit diesem Gefühl ging ich nach
                                                Erfahrung machen, die so manche          Hause und hatte den Wunsch, das
                                                Veränderung in mein Leben brachte.       was ich erlebte, fühlte, zu malen. So
                                                                                         entstand mein Bild Aliza – geboren
                                                Aliza                                    um wieder zu gehen.
                                                Aliza – ein Baby wurde geboren.
                                                Aliza kommt aus dem Hebräischen          »Aliza – dein Licht wird ewig strah-
                                                und bedeutet Glück und Freude.           len; es mag irgendwann leichter wer-
                                                Ihre Eltern erfuhren bereits in der      den, aber es wird nie ganz erlöschen.
                                                28. Schwangerschaftswoche, dass ihr      Du hast uns gezeigt, was möglich ist.
                                                Kind durch eine schwere Missbildung      Du hast uns berührt und Menschen
                                                nur eine minimale Lebenserwartung        zusammengeführt. Du bist in unseren
                                                von einem Tag haben werde.               Gedanken, du lebst in meinem Bild
                                                Trotz dieser aussichtslosen Diagnose     und wirst damit noch viele Eltern
     Angst und Freude                           durfte Aliza auf die Welt kommen.        berühren, ganz besonders Mütter mit
                                                                                         einem ähnlichen Schicksal. Deine
     Vielleicht können Sie beim Betrach-                                                 Seele lässt uns eine Weisheit ahnen,
     ten meines Bildes auch ein wenig da-                                                die uns wieder einfach werden lässt.
     von spüren – Leichtigkeit, Hoffnung,                                                Du hast gekämpft und gewonnen.
     Schmerz darf sich auflösen – eine Ah-                                               Gewonnen die Liebe der Menschen,
     nung von Licht und Frieden.                                                         die sie in Erinnerung an dich weiter-
                                                                                         geben werden.«

                                                                                         Diese Erfahrung mit Alizas Sterben
                                                                                         hat in mir den Wunsch geweckt,
                                                                                         Kontakt mit der Hospiz-Gruppe
                                                Aliza                                    »Albatros« aufzunehmen. Ich wollte
                                                                                         mehr erfahren, andere Facetten des
                                                Ja und dann geschah das Wunder –         Sterbens kennenlernen. So beschloss
                                                Aliza erblickte das Licht der Welt und   ich, die Grundausbildung zur Hos-
                                                blieb 31 Tage mit ihren Eltern zusam-    pizhelferin zu machen. Ein Kurs
                                                men.                                     den ich über mehrere Wochen besu-
                                                Eine kleine Familie war entstanden –     chen konnte. Viele neue Eindrücke
                                                viele Gefühle – ganz nah beieinander     – liebenswerte, kraftvolle Menschen
                                                – durften sie erleben – das Wunder       kennenlernen – gemeinsam Gefühle
                                                einer Geburt, Liebe, Traurigkeit und     erleben, erfahren, wie sie jeder beim
     Dunkelheit und Licht                       Abschied.                                Tod eines lieben Menschen durch-
                                                In dieser Zeit entstanden viele neue     lebt. Eine Gruppe wächst, wächst
     Als ich es malte, spürte ich die Dunkel-   Beziehungen, sicherlich auch Freund-     zusammen, man freut sich auf die
     heit als etwas, was auch beschützend       schaften – Aliza hat viele Menschen      gemeinsamen Stunden, auch wenn es
     wirken kann, gar nicht bedrohlich.         bereichert – auch mich.                  um so ernste und traurigen Themen
                                                Ich durfte sie kennenlernen, als sie     wie das Sterben geht. Verständnis ent-
     Über Malkreiden drücke ich intuitiv        bereits gestorben war.                   steht und am Ende des Kurses ist klar
     die Energien aus, die ich erspüre. So                                               – wir machen miteinander weiter.
     durfte ich erfahren, dass manche Men-      Ein unbeschreibliches Gefühl der         Vielleicht gelingt es dem einen oder
     schen über meine Bilder Zugang zu          Ruhe, ja eine gewisse Erhabenheit ging   anderen, den Gedanken und die Ar-
     ihren (manchmal alten, teilweise unbe-     von diesem Kind aus – ich spürte die     beit der Hospiz-Gruppe »Albatros«
     wussten) Gefühlen bekommen und da-         tiefe Verbundenheit der Eltern zu ih-    mitzutragen.
     mit Erkenntnisse und Veränderungen         rem Kind; es war sehr beeindruckend      Mit dieser Erfahrung habe ich wäh-
     möglich werden.                            für mich, diese Größe zu erleben, die    rend unserer Ausbildung versucht, Ge-
     Vielleicht kann der/die eine oder ande-    vielen liebevollen Gesten, die Alizas    fühle von Sterbenden zu malen.
     re über meine Bilder auch einen leich-     letzten Weg begleiteten. Menschen
     teren Zugang zu den Themen Sterben         fanden sich durch dieses Kind – ich
     und Tod bekommen; vielleicht kann          war tief berührt.                        Christa Beck
     dadurch eine Begegnung mit Ster-
     ben und Tod stattfinden, die zu einer
     Begegnung mit der Hospiz-Gruppe
12   »Albatros« führt. Es würde mich freuen.
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