Forschungsthema des Monats Juli 2020: Topic 6 Modellierung und Verständnis extremer meteorologischer Ereignisse
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Juli 2020 REKLIM News und Forschungsthema des Monats Seite 1 Forschungsthema des Monats Juli 2020: Topic 6 Modellierung und Verständnis extremer meteorologischer Ereignisse Atmosphärische Zirkulation und (extreme) Zyklonen den Ergebnissen der Klimasimulationen kommt. So herrscht der mittleren Breiten unter glazialen Klimabedingungen beispielsweise eine deutliche Diskrepanz zwischen dem in Europa mit Hilfe von Pollen-Daten rekonstruierten und mit Klima- Zyklonen (oder auch Tiefdruckgebiete) sind ein allgegenwär- modellen simulierten Jahresniederschlag in Teilen Europas tiges Phänomen der mittleren Breiten und für einen großen (Ludwig et al., 2016). Hier hilft eine Analyse der (regionalen) Teil der täglichen Wettervariabilität verantwortlich. Das atmosphärischen Zirkulation in Klimamodellen (anhand der Auftreten von Tiefdruckgebieten ist meist durch Nieder- PMIP3-Läufe des MPI-ESM; Erdsystemmodell des Max- schlag, Wind und klassische Bewölkungsstrukturen entlang Planck-Instituts für Meteorologie). Beispielsweise lässt sich der Fronten gekennzeichnet. Primär tragen Tiefdruckgebiete anhand einer Wetterlagenklassifikation der Einfluss der zum Energietransport zwischen den Tropen und polaren atmosphärischen Dynamik auf die Niederschlagsmuster Regionen bei, indem warme Luftmassen auf der Tiefdruck- verdeutlichen. Die mit Hilfe der Druckverteilung am Erdbo- Vorderseite nach Norden und kalte Luftmassen auf der den klassifizierten Wetterlagen liefern dabei einen guten Rückseite nach Süden transportiert werden. Aufgrund der Überblick über die vorherrschenden Windrichtungen in saisonal unterschiedlichen Einstrahlung in den polaren Re- Zentraleuropa und zeigen deutliche Unterschiede zwischen gionen sind die Temperaturkontraste zwischen den Tropen dem heutigen und dem LGM Klima (Abb. 1). und polaren Regionen im Winter am stärksten und somit ist Anhand der Häufigkeitsverteilung einzelner Wetterlagen auch die zyklonale Aktivität im Winterhalbjahr am deutlichs- zeigt sich zum einen eine Verschiebung von im heutigen ten ausgeprägt. Vor allem schwere Winterstürme wie z.B. Klima dominanten westlichen hin zu östlichen Wetterlagen Lothar in 1999, Kyrill in 2007 oder Xynthia in 2013 haben zu während des LGMs. Dabei lässt sich die Zunahme der östli- verheerenden sozioökonomischen Auswirkungen in Europa chen Wetterlagen mit der Existenz eines semi-permanenten geführt, sobald diese auf bewohnte Regionen getroffen waren. Kältehochs über dem Europäischen Eisschild erklären. Übersichtsstudien zu Zyklonen der mittleren Breiten im heu- Weiterhin sieht man eine deutliche Zunahme zyklona- tigen und für das zukünftige Klima sind weit verbreitet. Da- hingegen gibt es nur sehr wenige Studien, die sich mit der zyklonalen Aktivität in der Vergangenheit beschäftigen (z.B. Raible et al., 2018). In einer aktuellen Studie am KIT wurden jetzt die Eigenschaften von (extremen) Winterstürmen im Nordatlantikraum unter glazialen Bedingungen untersucht (Pinto und Ludwig, 2020). Während des Letzten Glazialen Maximums (LGM; vor ca. 21.000 Jahren) waren große Teile Nordamerikas und Europas mit teils mehreren Kilometer mächtigen Eisschilden bedeckt, was einen um etwa 120 m tieferen Meeresspiegel zur Folge hatte. Diese geänder- ten Randbedingungen hatten Einfluss auf das globale und regionale Klima sowie auf die atmosphärische Zirkulation. Abschätzungen über das Klima in der Vergangenheit lassen sich dabei sowohl anhand von Proxy-Daten (natürliche Kli- maarchive wie z.B. Eisbohrkerne, Sedimentschichten – u.a. Löss –, Pollendaten, Tropfsteine) als auch mit Hilfe globaler Klimamodellierung durchführen. Eine Rekonstruktion der Temperaturen und des Niederschlags während des LGMs auf Basis von Pollen-Daten (Bartlein et al., 2011) weisen auf deutlich kältere und trockenere Klimabedingungen im Vergleich zu heute hin. Die globale Temperatur während des LGMs war demnach im Jahresmittel etwa 6°C kälter und der Jahresniederschlag war im Mittel etwa 200 mm niedri- ger. Die Klimaveränderungen wurden auch im Rahmen der Abb. 1: Übersicht über die Häufigkeitsverteilung einzelner Wetter- lagen (S(üd), O(st), N(ord), W(est)) im heutigen (PI, gelb) und glazi- Modellvergleichsstudie PMIP3 (Paleomodel Intercomparison alen Klima (LGM, blau) basierend auf täglichen Bodendruckdaten Project Phase 3, https://pmip3.lsce.ipsl.fr/) untersucht des MPI-ESM für Mitteleuropa (50°N, 10°E).. A: antizyklonale, und liefern vergleichbare Ergebnisse, wobei es regional Z: zyklonale Wetterlagen, ∑O: Summe der östlichen Wetterlagen. (Vgl. Tabelle 2 aus Schaffernicht et al., 2020) durchaus zu Abweichungen zwischen den Proxy-Daten und
Juli 2020 REKLIM News und Forschungsthema des Monats Seite 2 Abb. 2: Zugbahndichte von Zyklonen im LGM (a) und deren Differenz zum heutigen Klima (b) für das Winterhalbjahr (ONDJFM) über dem Nordatlantik und Europa. Schwarze Kontouren in (a): Windgeschwindigkeit [m/s] in 300 hPa; blaue Linien in (a), (b): Grenzen der Eisschilde im LGM; gestrichelte Linie in (b): Grenze der jährlichen Meereis- bedeckung größer 40% Eiskonzentration. Graue Flächen: Topographie mit einer Höhe von mehr als 1000m (aus Pinto und Ludwig, 2020). ler Wetterlagen im LGM, was auf eine erhöhte Anzahl an Atlantik, dass diese sowohl stärkere Vertiefungsraten als Zyklonen über Europa hindeutet. Eine detaillierte Analyse auch eine höhere Intensität im Vergleich zu den Kennzahlen der Zyklonenzugbahnen zeigt ebenfalls eine Zunahme der für Zyklonen im heutigen Klima aufweisen. zyklonalen Aktivität über Europa (Pinto und Ludwig, 2020). Um einen detaillierteren Einblick in die Strukturen extremer Hierfür wurden für jeweils 30 Jahre der MPI-ESM PI (prä- Zyklonen im LGM zu erlangen, wurden mit Hilfe des Regio- industriell) und LGM Simulationen einzelne Zyklonen mit nalmodells WRF Simulationen für die 30 stärksten Stürme Hilfe eines Tracking-Algorithmus identifiziert und verschie- innerhalb des 30-jährigen betrachteten Zeitraums über dene statistische Kennzahlen zum Vergleich der beiden dem östlichen Atlantik (nahe der Europäischen Küsten) mit unterschiedlichen Klimazustände ermittelt. Hierzu gehören hoher Auflösung (12.5 km Gitterweite) durchgeführt. Als beispielsweise die Zugbahndichte, die Vertiefungsraten, Antriebsdaten wurden hierfür die oben genannten PI- und sowie Zyklogenese- und Zyklolyseregionen. Im LGM zeigt LGM-Simulationen des MPI-ESM genutzt. Die Unterschiede sich eine deutlich höherer Zugbahndichte sowohl über dem zwischen den simulierten (extremen) LGM- und PI-Zyklonen Nordatlantik, als auch über weiten Teilen Europas (Abb. 2) können mit Hilfe von sogenannten Komposit-Abbildungen im Vergleich zum heutigen Klima. Entlang des westlichen anschaulich dargestellt werden. Für die Komposit-Dar- Randes des Europäischen Eisschildes sieht man eine Auf- stellung werden zunächst die Zeitpunkte der maximalen spaltung der Zyklonenzugbahnen in Richtung der Norwegi- Intensität jedes einzelnen Sturms bestimmt. Danach wird schen See sowie in Richtung Zentraleuropa. Der Eisschild jede Zyklonenzugbahn derart rotiert, dass die Zugbahnen mit einer Mächtigkeit von bis zu zwei Kilometern wirkt somit der einzelnen Zyklonen jeweils in Ost-West-Richtung ausge- als eine natürliche Barriere und lenkt die Zyklonen im LGM richtet sind. Dies erlaubt schlussendlich einen kohärenten sowohl nach Norden als auch in Richtung Mitteleuropa ab. Vergleich der Strukturen der LGM- und PI-Zyklonen. Abbil- Zusätzlich kommt es über dem westlichen Europa zu einer dung 3 zeigt Komposits für den vertikal integrierten Wasser- Zunahme der Zyklogenese während des LGMs (Pinto und gehalt, den Niederschlag und die Windgeschwindigkeit in Ludwig, 2020). Hier spielt die erhöhte Baroklinität (gegen- 925 hPa (etwa 760 m Höhe) für die 30 stärksten LGM- und einander geneigte Druck- und Temperaturflächen, die zu PI-Zyklonen. Es zeigt sich, dass der Wassergehalt im LGM horizontalen Strömungen führen) aufgrund des horizontalen aufgrund der niedrigeren Temperaturen in der Atmosphäre Temperaturgradienten zwischen dem Eisschild und dem (Clausius-Clapeyron-Gleichung) deutlich niedriger ist (Abb. wärmeren Mittelmeerraum eine wichtige Rolle. Des Weite- 3 a, b). Dies wiederum führt zu einer Abnahme des Nieder- ren zeigt sich in der Analyse der LGM-Zyklonen über dem
Juli 2020 REKLIM News und Forschungsthema des Monats Seite 3 Abb. 3: Komposit-Abbildungen (a, b) des vertikal integrier- ten Wassergehalts (IWV), (c, d) des Niederschlags (RR) und (e, f) der Windgeschwindigkeit in 925 hPa der jeweils 30 stärksten simulierten (WRF) PI (linke Spalte) und LGM-Zyk- lonen (rechte Spalte). Die Werte auf der x-/y-Achse geben den Abstand zum Zyklonenzentrum in ° an (aus Pinto und Ludwig, 2020). schlags bei den LGM-Zyklonen (Abb. 3 c, d). Die stärkeren an den Rändern des Eischildes, waren durch sehr trockene Vertiefungsraten und Intensivierung der LGM-Zyklonen Verhältnisse gekennzeichnet, und spielen somit ebenfalls über dem Nordatlantik führt dagegen zu einer Zunahme der eine wichtige Rolle für die Emission und den Transport von Windgeschwindigkeit (Abb. 3 e, f). Die Betrachtung sowohl Sedimenten zu deren Ablagerungsstätten (Schaffernicht et dynamischer (Änderungen der regionalen atmosphärischen al., 2020). Hinweise auf die Relevanz der östlichen Wetter- Zirkulation) als auch thermodynamischer Prozesse (Abnah- lagen auf den Staubtransport während des LGMs finden me des Wassergehalts durch niedrigere Temperaturen im sich beispielsweise in den Sedimenten des Dehner Maars LGM) mit Hilfe von Modellsimulationen liefern somit einen (Römer et al, 2016) und im Harzvorland (Krauß et al, 2016). wertvollen Beitrag für die Interpretation der simulierten Nie- Auch in Zukunft sind weitere paläoklimatische Betrach- derschlagsmuster im LGM. Die Abnahme des Niederschlags tungen auf der regionalen Skala im Verbund mit anderen aufgrund thermodynamischer Prozesse wird hierbei zum Teil REKLIM-Partnern (HZG, AWI) geplant. So wurde bereits eine durch die Zunahme der Zyklonenhäufigkeit kompensiert. Studie über den Mehrwert regionaler Paläoklimamodel- Die Analyse der LGM-Zyklonen liefert überdies einen wert- lierung in einer gemeinsamen Publikation zwischen KIT vollen Beitrag für Kurzbiografie die Interpretation REKLIM des glazialen Staub- Nachwuchswissenschaftler und HZG beschrieben (Ludwig et al., 2019). Auch besteht zyklus in Europa. Während des LGMs kam es in Europa zu aktuell durch eine Kooperation mit dem AWI (Bremerhaven) mächtigen Löss-Ablagerungen durch äolische Verlagerung die Möglichkeit, auf globale Paläoklimasimulationen des von Sedimentmaterial aus den Schwemmfächern am Rande AWI-ESM zurückzugreifen, welche die Antriebs- und Rand- der Eisschilde (Skandinavien und Alpen). Die äolische bedingungen für regionale Simulationen und somit weitere Verfrachtung fand dabei sowohl durch Zyklonen als auch spannende Forschungsvorhaben am KIT und im REKLIM- durch anhaltende Ostwetterlagen statt (Schaffernicht et Verbund bereitstellen. al., 2020). Wie oben erwähnt, waren die LGM-Zyklonen durch weniger Niederschlag und stärkere Windgeschwin- digkeiten gekennzeichnet. Beide Faktoren wirken sich somit positiv auf den möglichen Staubtransport durch einzelne Ansprechpartner: Sturmereignisse aus. Die oben beschriebene Zunahme der Ostwetterlagen stellt eine weitere wichtige Komponente des Dr. Patrick Ludwig regionalen Staubzyklus im LGM dar. Die Ostwetterlagen, Institut für Meteorologie und Klimaforschung, Karlsruher in Verbindung mit katabatischen Winden (kalte Fallwinde) Institut für Technologie
Juli 2020 REKLIM News und Forschungsthema des Monats Seite 4 Referenzen: Pinto, J. G. and Ludwig, P.: Extratropical cyclones over the Bartlein, P. J., et al.: Pollen-based continental climate recon- North Atlantic and western Europe during the Last Glacial structions at 6 and 21 ka: A global synthesis, Clim. Dyn., 37, Maximum and implications for proxy interpretation, Clim. 775-802, doi:10.1007/s00382-010-0904-1, 2011. Past, 16, 611–626, https://doi.org/10.5194/cp-16-611- 2020, 2020. Krauß, L., Zens, J., Zeeden, C., Schulte, P., Eckmeier, E., and Lehmkuhl, F.: A Multi-Proxy Analysis of two Loess-Paleosol Raible, C.C., Messmer, M., Lehner, F., Stocker, T.F., Blen- Sequences in the Northern Harz Foreland, Germany, Palaeo- der, R.: Extratropical cyclone statistics during the last mil- geogr. Palaeocl., 461, 401–417, https://doi.org/10.1016/j. lennium and the 21st century. Clim. Past, 14, 1499-1514, palaeo.2016.09.001, 2016. doi: 10.5194/cp-14-1499-2018., 2018. Ludwig, P., Schaffernicht, E.J., Shao, Y., and Pinto, J.G.: Re- Römer, W., Lehmkuhl, F. and Sirocko, F.: Late Pleistocene gional atmospheric circulation over Europe during the Last aeolian dust provenances and wind direction changes Glacial Maximum and its links to precipitation, J. Geophys. reconstructed by heavy mineral analysis of the sediments Res. Atmos., 121, 2130-2145, doi:10.1002/2015JD024444, of the Dehner dry maar (Eifel, Germany). Global Planet. 2016. Change, 147, 25– 39, 2016. Ludwig, P., Gómez-Navarro, J. J., Pinto, J. G., Raible, C. Schaffernicht, E. J., Ludwig, P., and Shao, Y.: Linkage C.,Wagner, S., and Zorita, E.: Perspectives of regional between dust cycle and loess of the Last Glacial Maximum paleoclimate modeling, Ann. NY Acad. Sci., 1436, 54–69,ht- in Europe, Atmos. Chem. Phys., 20, 4969–4986, https:// tps://doi.org/10.1111/nyas.13865, 2019. doi.org/10.5194/acp-20-4969-2020, 2020. Kurzbiografie REKLIM Wissenschaftler Dr. Patrick Ludwig, Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Patrick Ludwig schloss seine Promotion am Institut für Geophysik und Meteorologie an der Universität Köln zum Thema „Regionale Modellierung Europäischer Winterstür- me“ im Jahr 2014 ab. Bei der anschließenden Anstellung im Rahmen des „SFB806 - Our way to Europe“ wurden die bisher gesammelten Erfahrungen im Bereich der regionalen Modellierung um den Aspekt der regionalen Paläoklima- modellierung erweitert. Der Fokus lag hier auf dem Zeit- raum des Letzten Glazialen Maximums (LGM, vor ca. 21.000 Jahren) in Europa. In dieser Zeit erweist sich besonders die Verknüpfung unterschiedlicher Disziplinen (Meteorologie / Klimaforschung, Geographie, Geologie, Archäologie) für die Beantwortung paläoklimatischer Fragestellungen als äußerst wertvoll. Seit August 2017 ist Patrick Ludwig Teil der Arbeitsgruppe „Regionales Klima und Wettergefahren“ am Institut für Meteorologie und Klimaforschung (IMK) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Der Schwerpunkt liegt hier weiterhin auf der regionalen (Paläoklima-) Model- lierung und dem Verständnis extremer meteorologischer Ereignisse. „Das REKLIM-Thema 6 bietet vielfältige Möglich- keiten, diese beiden Schwerpunkte miteinander zu ver- knüpfen und durch den interdisziplinären Austausch neue Impulse für zukünftige Forschungsthemen zu erhalten“, be- schreibt Patrick Ludwig den Mehrwert für seine Forschung durch REKLIM.
Juli 2020 REKLIM News und Forschungsthema des Monats Seite 5 Carlo Licciulli erhält Graham Cogley Award für beste Veröffentlichung eines Nachwuchswissenschaftlers Der ehemalige REKLIM-Doktorand Carlo Licciulli wurde dem Fließmodell wurden präzise Rückwärtstrajektorien von mit dem 2020 Graham Cogley Award der International existierenden Bohrlokationen berechnet. Diese werden für Association for Cryospheric Sciences und der International eine verbesserte Interpretation der zugehörigen Eiskernzeit- Glaciological Society für die beste Publikation im Zeitraum reihen benötigt. Mit dem Fließmodell wurde außerdem die 02/2018 – 01/2020 ausgezeichnet. Der IACS-IGS Graham dreidimensionale Eisaltersverteilung des Gletschers berech- Cogley Award wurde 2019 zum Gedenken an Professor net, was zur Unterstützung von experimentellen Methoden Graham Cogley ins Leben gerufen, der wesentliche und zur Eiskerndatierung diente. Am Forschungsprojekt haben nachhaltige Beiträge zur Glaziologie geleistet hat, insbeson- Institutionen aus Deutschland, Frankreich, Schweiz und dere zum Verständnis und zur Quantifizierung der Massen- Österreich mitgewirkt. Die Ergebnisse der Arbeit veröffent- veränderung von Gletschern. Graham Cogley wird auch lichte Carlo im Journal of Glaciology: „Licciulli C, Bohleber für seine nachhaltigen und herausragenden Verdienste um P, Lier J, Gagliardini O, Hoelzle M & Eisen O (2020) A die breitere glaziologische Gemeinschaft anerkannt, unter full Stokes ice-flow model to assist the interpretation of anderem als IGS-Chefredakteur zwischen 2016 und 2018. millennial-scale ice cores at the high-Alpine drilling site Mit dem Graham Cogley Award werden herausragende Leis- Colle Gnifetti, Swiss/Italian Alps. Journal of Glaciology tungen in der glaziologischen Forschung von studentischen 66(255), 35-48. https://doi.org/10.1017/jog.2019.82“, Wissenschaftlern geehrt. Der Preis wurde von der Familie für das er nun aus 70 berücksichtigten Veröffentlichungen Cogley initiiert und großzügig gesponsert und wird von der für den Graham Cogley Award ausgewählt wurde. International Glaciological Society (IGS) und der Internatio- Seit zwei Jahren arbeitet Carlo als Nachwuchswissenschaft- nal Association of Cryospheric Sciences (IACS) gemeinsam ler (PostDoc) an der Bayerischen Akademie der Wissen- vergeben, wobei die IGS und die IACS den Preis in abwech- schaften in der Gruppe Erdmessung und Glaziologie. Dort selnden Jahren vergeben. beschäftigt er sich weiterhin mit numerischen Eis-Fließmo- Carlo führte seine Doktorarbeit im Rahmen von REKLIM dellen, allerdings mit verstärktem Fokus auf der Kopplung am Institut für Umweltphysik (IUP) der Universität Heidel- zwischen Klima und Gletscherdynamik auf regionaler Skala. berg im Bereich Alpine Glaziologie in Kooperation mit der REKLIM: Carlo, herzlichen Glückwunsch zu dieser Auszeich- Sektion Glaziologie am AWI, betreut durch Prof. Olaf Eisen, nung für dein Paper! Was bedeutet dir diese Auszeichnung durch. In seiner Arbeit adaptierte er ein numerisches Full- für deine wissenschaftliche Laufbahn? Stokes Eis-Fließmodell für den hochalpinen Gletschersattel Colle Gnifetti, Monte Rosa Massiv. Der Gletschersattel Colle Carlo: Wenn ich einen Kollegen zitieren darf, diese Aus- Gnifetti ist aufgrund seiner jahrtausendalten Eiskernzeit- zeichnung bedeutet als erstes, dass meine Doktorarbeit „so reihen mitten in Europa von besonderem Interesse. Mit falsch nicht gewesen sein kann“. Wenn man aber weniger Carlo Licciulli bei der glaziologischen Ver- messung auf dem Colle Gnifetti, Monte Rosa Massiv, Italien (Foto: C. Licciulli)
Juli 2020 REKLIM News und Forschungsthema des Monats Seite 6 minimalistisch denkt, die Bedeutung der Auszeichnung ist REKLIM: Hat die Arbeit im REKLIM-Verbund deine For- mit Sicherheit mehr Mut und Selbstvertrauen für zukünftige schung beeinflusst und was kannst du rückblickend auf die Forschung zu haben, sich trauen innovativer zu sein, die Zeit als Doktorand in REKLIM sagen? Latte höher zu legen, keine Angst zu haben neue Aufgaben Carlo: Während meiner Doktorarbeit habe ich regelmäßig zu übernehmen sowie neue Veröffentlichungen und For- REKLIM-Meetings besucht. Ich habe Vorträge gehalten, schungsanträge zu schreiben. an Diskussionen über zukünftige Forschungsprojekte und REKLIM: Was ist derzeit Schwerpunkt deiner Forschungsar- Kooperationen teilgenommen und mich mit jungen sowie beit und wie sehen deine weiteren Pläne aus? auch etablierten Wissenschaftlern ausgetauscht. Es gab immer Zeit für nette und lehrreiche Gespräche. Egal ob Carlo: Die Untersuchung der Interaktion zwischen Klima bei einer Postersession, beim Abendessen oder bei einem und Gletscherdynamik bleibt das Leitmotiv meiner Arbeit. Ausflug. Egal ob nah oder entfernter von meinem eigenen In diesem Zusammenhang, als Mitarbeiter der Bayerische Forschungsgebiet. In Kürze: REKLIM-Meetings sind eine Akademie der Wissenschaften, ist es selbstverständlich, sehr gute Schule für eine erfolgreiche wissenschaftliche sich mit dem Vernagtferner in den Ötztaler Alpen zu be- Karriere! schäftigen. Der Vernagtferner ist seit mehr als einem Jahrhundert der „Hausgletscher“ der Akademie. Die erste REKLIM: Nochmals unseren herzlichen Glückwunsch und Karte des Gletschers wurde schon im Jahr 1889 durch ein alles Gute für deinen weiteren beruflichen Weg! Akademiemitglied erstellt und zahlreiche andere glaziologi- sche Parameter werden seit Jahrzehnten an diesem Glet- scher vermessen. Das bietet uns die einmalige Möglichkeit, gekoppelte Gletschermodelle auf längeren Zeitskalen zu testen und eine solide Basis für Projektionen zu legen. Der Vernagtferner ist für uns wie ein Versuchslabor, um Erfah- rung zu sammeln und Methoden zu testen, die wir später auf einer regionalen Skala auf hunderte von Gletschern gleichzeitig übertragen möchten.
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