Forschungsthema des Monats Juli 2020: Topic 6 Modellierung und Verständnis extremer meteorologischer Ereignisse

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Forschungsthema des Monats Juli 2020: Topic 6 Modellierung und Verständnis extremer meteorologischer Ereignisse
Juli 2020                                                  REKLIM News und Forschungsthema des Monats
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  Forschungsthema des Monats Juli 2020: Topic 6
  Modellierung und Verständnis extremer meteorologischer Ereignisse

  Atmosphärische Zirkulation und (extreme) Zyklonen               den Ergebnissen der Klimasimulationen kommt. So herrscht
  der mittleren Breiten unter glazialen Klimabedingungen          beispielsweise eine deutliche Diskrepanz zwischen dem
  in Europa                                                       mit Hilfe von Pollen-Daten rekonstruierten und mit Klima-
  Zyklonen (oder auch Tiefdruckgebiete) sind ein allgegenwär-     modellen simulierten Jahresniederschlag in Teilen Europas
  tiges Phänomen der mittleren Breiten und für einen großen       (Ludwig et al., 2016). Hier hilft eine Analyse der (regionalen)
  Teil der täglichen Wettervariabilität verantwortlich. Das       atmosphärischen Zirkulation in Klimamodellen (anhand der
  Auftreten von Tiefdruckgebieten ist meist durch Nieder-         PMIP3-Läufe des MPI-ESM; Erdsystemmodell des Max-
  schlag, Wind und klassische Bewölkungsstrukturen entlang        Planck-Instituts für Meteorologie). Beispielsweise lässt sich
  der Fronten gekennzeichnet. Primär tragen Tiefdruckgebiete      anhand einer Wetterlagenklassifikation der Einfluss der
  zum Energietransport zwischen den Tropen und polaren            atmosphärischen Dynamik auf die Niederschlagsmuster
  Regionen bei, indem warme Luftmassen auf der Tiefdruck-         verdeutlichen. Die mit Hilfe der Druckverteilung am Erdbo-
  Vorderseite nach Norden und kalte Luftmassen auf der            den klassifizierten Wetterlagen liefern dabei einen guten
  Rückseite nach Süden transportiert werden. Aufgrund der         Überblick über die vorherrschenden Windrichtungen in
  saisonal unterschiedlichen Einstrahlung in den polaren Re-      Zentraleuropa und zeigen deutliche Unterschiede zwischen
  gionen sind die Temperaturkontraste zwischen den Tropen         dem heutigen und dem LGM Klima (Abb. 1).
  und polaren Regionen im Winter am stärksten und somit ist       Anhand der Häufigkeitsverteilung einzelner Wetterlagen
  auch die zyklonale Aktivität im Winterhalbjahr am deutlichs-    zeigt sich zum einen eine Verschiebung von im heutigen
  ten ausgeprägt. Vor allem schwere Winterstürme wie z.B.         Klima dominanten westlichen hin zu östlichen Wetterlagen
  Lothar in 1999, Kyrill in 2007 oder Xynthia in 2013 haben zu    während des LGMs. Dabei lässt sich die Zunahme der östli-
  verheerenden sozioökonomischen Auswirkungen in Europa           chen Wetterlagen mit der Existenz eines semi-permanenten
  geführt, sobald diese auf bewohnte Regionen getroffen waren.    Kältehochs über dem Europäischen Eisschild erklären.
  Übersichtsstudien zu Zyklonen der mittleren Breiten im heu-     Weiterhin sieht man eine deutliche Zunahme zyklona-
  tigen und für das zukünftige Klima sind weit verbreitet. Da-
  hingegen gibt es nur sehr wenige Studien, die sich mit der
  zyklonalen Aktivität in der Vergangenheit beschäftigen (z.B.
  Raible et al., 2018). In einer aktuellen Studie am KIT wurden
  jetzt die Eigenschaften von (extremen) Winterstürmen im
  Nordatlantikraum unter glazialen Bedingungen untersucht
  (Pinto und Ludwig, 2020). Während des Letzten Glazialen
  Maximums (LGM; vor ca. 21.000 Jahren) waren große Teile
  Nordamerikas und Europas mit teils mehreren Kilometer
  mächtigen Eisschilden bedeckt, was einen um etwa 120
  m tieferen Meeresspiegel zur Folge hatte. Diese geänder-
  ten Randbedingungen hatten Einfluss auf das globale und
  regionale Klima sowie auf die atmosphärische Zirkulation.
  Abschätzungen über das Klima in der Vergangenheit lassen
  sich dabei sowohl anhand von Proxy-Daten (natürliche Kli-
  maarchive wie z.B. Eisbohrkerne, Sedimentschichten – u.a.
  Löss –, Pollendaten, Tropfsteine) als auch mit Hilfe globaler
  Klimamodellierung durchführen. Eine Rekonstruktion der
  Temperaturen und des Niederschlags während des LGMs
  auf Basis von Pollen-Daten (Bartlein et al., 2011) weisen
  auf deutlich kältere und trockenere Klimabedingungen im
  Vergleich zu heute hin. Die globale Temperatur während des
  LGMs war demnach im Jahresmittel etwa 6°C kälter und
  der Jahresniederschlag war im Mittel etwa 200 mm niedri-
  ger. Die Klimaveränderungen wurden auch im Rahmen der           Abb. 1: Übersicht über die Häufigkeitsverteilung einzelner Wetter-
                                                                  lagen (S(üd), O(st), N(ord), W(est)) im heutigen (PI, gelb) und glazi-
  Modellvergleichsstudie PMIP3 (Paleomodel Intercomparison        alen Klima (LGM, blau) basierend auf täglichen Bodendruckdaten
  Project Phase 3, https://pmip3.lsce.ipsl.fr/) untersucht        des MPI-ESM für Mitteleuropa (50°N, 10°E).. A: antizyklonale,
  und liefern vergleichbare Ergebnisse, wobei es regional         Z: zyklonale Wetterlagen, ∑O: Summe der östlichen Wetterlagen.
                                                                  (Vgl. Tabelle 2 aus Schaffernicht et al., 2020)
  durchaus zu Abweichungen zwischen den Proxy-Daten und
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                                                                    Abb. 2: Zugbahndichte von Zyklonen im LGM (a) und deren
                                                                    Differenz zum heutigen Klima (b) für das Winterhalbjahr
                                                                    (ONDJFM) über dem Nordatlantik und Europa. Schwarze
                                                                    Kontouren in (a): Windgeschwindigkeit [m/s] in 300 hPa;
                                                                    blaue Linien in (a), (b): Grenzen der Eisschilde im LGM;
                                                                    gestrichelte Linie in (b): Grenze der jährlichen Meereis-
                                                                    bedeckung größer 40% Eiskonzentration. Graue Flächen:
                                                                    Topographie mit einer Höhe von mehr als 1000m (aus
                                                                    Pinto und Ludwig, 2020).

  ler Wetterlagen im LGM, was auf eine erhöhte Anzahl an         Atlantik, dass diese sowohl stärkere Vertiefungsraten als
  Zyklonen über Europa hindeutet. Eine detaillierte Analyse      auch eine höhere Intensität im Vergleich zu den Kennzahlen
  der Zyklonenzugbahnen zeigt ebenfalls eine Zunahme der         für Zyklonen im heutigen Klima aufweisen.
  zyklonalen Aktivität über Europa (Pinto und Ludwig, 2020).
                                                                 Um einen detaillierteren Einblick in die Strukturen extremer
  Hierfür wurden für jeweils 30 Jahre der MPI-ESM PI (prä-
                                                                 Zyklonen im LGM zu erlangen, wurden mit Hilfe des Regio-
  industriell) und LGM Simulationen einzelne Zyklonen mit
                                                                 nalmodells WRF Simulationen für die 30 stärksten Stürme
  Hilfe eines Tracking-Algorithmus identifiziert und verschie-
                                                                 innerhalb des 30-jährigen betrachteten Zeitraums über
  dene statistische Kennzahlen zum Vergleich der beiden
                                                                 dem östlichen Atlantik (nahe der Europäischen Küsten) mit
  unterschiedlichen Klimazustände ermittelt. Hierzu gehören
                                                                 hoher Auflösung (12.5 km Gitterweite) durchgeführt. Als
  beispielsweise die Zugbahndichte, die Vertiefungsraten,
                                                                 Antriebsdaten wurden hierfür die oben genannten PI- und
  sowie Zyklogenese- und Zyklolyseregionen. Im LGM zeigt
                                                                 LGM-Simulationen des MPI-ESM genutzt. Die Unterschiede
  sich eine deutlich höherer Zugbahndichte sowohl über dem
                                                                 zwischen den simulierten (extremen) LGM- und PI-Zyklonen
  Nordatlantik, als auch über weiten Teilen Europas (Abb. 2)
                                                                 können mit Hilfe von sogenannten Komposit-Abbildungen
  im Vergleich zum heutigen Klima. Entlang des westlichen
                                                                 anschaulich dargestellt werden. Für die Komposit-Dar-
  Randes des Europäischen Eisschildes sieht man eine Auf-
                                                                 stellung werden zunächst die Zeitpunkte der maximalen
  spaltung der Zyklonenzugbahnen in Richtung der Norwegi-
                                                                 Intensität jedes einzelnen Sturms bestimmt. Danach wird
  schen See sowie in Richtung Zentraleuropa. Der Eisschild
                                                                 jede Zyklonenzugbahn derart rotiert, dass die Zugbahnen
  mit einer Mächtigkeit von bis zu zwei Kilometern wirkt somit
                                                                 der einzelnen Zyklonen jeweils in Ost-West-Richtung ausge-
  als eine natürliche Barriere und lenkt die Zyklonen im LGM
                                                                 richtet sind. Dies erlaubt schlussendlich einen kohärenten
  sowohl nach Norden als auch in Richtung Mitteleuropa ab.
                                                                 Vergleich der Strukturen der LGM- und PI-Zyklonen. Abbil-
  Zusätzlich kommt es über dem westlichen Europa zu einer
                                                                 dung 3 zeigt Komposits für den vertikal integrierten Wasser-
  Zunahme der Zyklogenese während des LGMs (Pinto und
                                                                 gehalt, den Niederschlag und die Windgeschwindigkeit in
  Ludwig, 2020). Hier spielt die erhöhte Baroklinität (gegen-
                                                                 925 hPa (etwa 760 m Höhe) für die 30 stärksten LGM- und
  einander geneigte Druck- und Temperaturflächen, die zu
                                                                 PI-Zyklonen. Es zeigt sich, dass der Wassergehalt im LGM
  horizontalen Strömungen führen) aufgrund des horizontalen
                                                                 aufgrund der niedrigeren Temperaturen in der Atmosphäre
  Temperaturgradienten zwischen dem Eisschild und dem
                                                                 (Clausius-Clapeyron-Gleichung) deutlich niedriger ist (Abb.
  wärmeren Mittelmeerraum eine wichtige Rolle. Des Weite-
                                                                 3 a, b). Dies wiederum führt zu einer Abnahme des Nieder-
  ren zeigt sich in der Analyse der LGM-Zyklonen über dem
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                                                                    Abb. 3: Komposit-Abbildungen (a, b) des vertikal integrier-
                                                                    ten Wassergehalts (IWV), (c, d) des Niederschlags (RR) und
                                                                    (e, f) der Windgeschwindigkeit in 925 hPa der jeweils 30
                                                                    stärksten simulierten (WRF) PI (linke Spalte) und LGM-Zyk-
                                                                    lonen (rechte Spalte). Die Werte auf der x-/y-Achse geben
                                                                    den Abstand zum Zyklonenzentrum in ° an (aus Pinto und
                                                                    Ludwig, 2020).

  schlags bei den LGM-Zyklonen (Abb. 3 c, d). Die stärkeren        an den Rändern des Eischildes, waren durch sehr trockene
  Vertiefungsraten und Intensivierung der LGM-Zyklonen             Verhältnisse gekennzeichnet, und spielen somit ebenfalls
  über dem Nordatlantik führt dagegen zu einer Zunahme der         eine wichtige Rolle für die Emission und den Transport von
  Windgeschwindigkeit (Abb. 3 e, f). Die Betrachtung sowohl        Sedimenten zu deren Ablagerungsstätten (Schaffernicht et
  dynamischer (Änderungen der regionalen atmosphärischen           al., 2020). Hinweise auf die Relevanz der östlichen Wetter-
  Zirkulation) als auch thermodynamischer Prozesse (Abnah-         lagen auf den Staubtransport während des LGMs finden
  me des Wassergehalts durch niedrigere Temperaturen im            sich beispielsweise in den Sedimenten des Dehner Maars
  LGM) mit Hilfe von Modellsimulationen liefern somit einen        (Römer et al, 2016) und im Harzvorland (Krauß et al, 2016).
  wertvollen Beitrag für die Interpretation der simulierten Nie-
                                                                   Auch in Zukunft sind weitere paläoklimatische Betrach-
  derschlagsmuster im LGM. Die Abnahme des Niederschlags
                                                                   tungen auf der regionalen Skala im Verbund mit anderen
  aufgrund thermodynamischer Prozesse wird hierbei zum Teil
                                                                   REKLIM-Partnern (HZG, AWI) geplant. So wurde bereits eine
  durch die Zunahme der Zyklonenhäufigkeit kompensiert.
                                                                   Studie über den Mehrwert regionaler Paläoklimamodel-
  Die Analyse der LGM-Zyklonen liefert überdies einen wert-        lierung in einer gemeinsamen Publikation zwischen KIT
  vollen Beitrag für
  Kurzbiografie      die Interpretation
                   REKLIM               des glazialen Staub-
                             Nachwuchswissenschaftler              und HZG beschrieben (Ludwig et al., 2019). Auch besteht
  zyklus in Europa. Während des LGMs kam es in Europa zu           aktuell durch eine Kooperation mit dem AWI (Bremerhaven)
  mächtigen Löss-Ablagerungen durch äolische Verlagerung           die Möglichkeit, auf globale Paläoklimasimulationen des
  von Sedimentmaterial aus den Schwemmfächern am Rande             AWI-ESM zurückzugreifen, welche die Antriebs- und Rand-
  der Eisschilde (Skandinavien und Alpen). Die äolische            bedingungen für regionale Simulationen und somit weitere
  Verfrachtung fand dabei sowohl durch Zyklonen als auch           spannende Forschungsvorhaben am KIT und im REKLIM-
  durch anhaltende Ostwetterlagen statt (Schaffernicht et          Verbund bereitstellen.
  al., 2020). Wie oben erwähnt, waren die LGM-Zyklonen
  durch weniger Niederschlag und stärkere Windgeschwin-
  digkeiten gekennzeichnet. Beide Faktoren wirken sich somit
  positiv auf den möglichen Staubtransport durch einzelne          Ansprechpartner:
  Sturmereignisse aus. Die oben beschriebene Zunahme der
  Ostwetterlagen stellt eine weitere wichtige Komponente des       Dr. Patrick Ludwig
  regionalen Staubzyklus im LGM dar. Die Ostwetterlagen,           Institut für Meteorologie und Klimaforschung, Karlsruher
  in Verbindung mit katabatischen Winden (kalte Fallwinde)         Institut für Technologie
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  Referenzen:                                                        Pinto, J. G. and Ludwig, P.: Extratropical cyclones over the
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  Ludwig, P., Gómez-Navarro, J. J., Pinto, J. G., Raible, C.         Schaffernicht, E. J., Ludwig, P., and Shao, Y.: Linkage
  C.,Wagner, S., and Zorita, E.: Perspectives of regional            between dust cycle and loess of the Last Glacial Maximum
  paleoclimate modeling, Ann. NY Acad. Sci., 1436, 54–69,ht-         in Europe, Atmos. Chem. Phys., 20, 4969–4986, https://
  tps://doi.org/10.1111/nyas.13865, 2019.                            doi.org/10.5194/acp-20-4969-2020, 2020.

  Kurzbiografie REKLIM Wissenschaftler

  Dr. Patrick Ludwig, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

  Patrick Ludwig schloss seine Promotion am Institut für
  Geophysik und Meteorologie an der Universität Köln zum
  Thema „Regionale Modellierung Europäischer Winterstür-
  me“ im Jahr 2014 ab. Bei der anschließenden Anstellung
  im Rahmen des „SFB806 - Our way to Europe“ wurden die
  bisher gesammelten Erfahrungen im Bereich der regionalen
  Modellierung um den Aspekt der regionalen Paläoklima-
  modellierung erweitert. Der Fokus lag hier auf dem Zeit-
  raum des Letzten Glazialen Maximums (LGM, vor ca. 21.000
  Jahren) in Europa. In dieser Zeit erweist sich besonders die
  Verknüpfung unterschiedlicher Disziplinen (Meteorologie /
  Klimaforschung, Geographie, Geologie, Archäologie) für
  die Beantwortung paläoklimatischer Fragestellungen als
  äußerst wertvoll. Seit August 2017 ist Patrick Ludwig Teil
  der Arbeitsgruppe „Regionales Klima und Wettergefahren“
  am Institut für Meteorologie und Klimaforschung (IMK) am
  Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Der Schwerpunkt
  liegt hier weiterhin auf der regionalen (Paläoklima-) Model-
  lierung und dem Verständnis extremer meteorologischer
  Ereignisse. „Das REKLIM-Thema 6 bietet vielfältige Möglich-
  keiten, diese beiden Schwerpunkte miteinander zu ver-
  knüpfen und durch den interdisziplinären Austausch neue
  Impulse für zukünftige Forschungsthemen zu erhalten“, be-
  schreibt Patrick Ludwig den Mehrwert für seine Forschung
  durch REKLIM.
Forschungsthema des Monats Juli 2020: Topic 6 Modellierung und Verständnis extremer meteorologischer Ereignisse
Juli 2020                                                  REKLIM News und Forschungsthema des Monats
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  Carlo Licciulli erhält Graham Cogley Award für beste Veröffentlichung
  eines Nachwuchswissenschaftlers

  Der ehemalige REKLIM-Doktorand Carlo Licciulli wurde            dem Fließmodell wurden präzise Rückwärtstrajektorien von
  mit dem 2020 Graham Cogley Award der International              existierenden Bohrlokationen berechnet. Diese werden für
  Association for Cryospheric Sciences und der International      eine verbesserte Interpretation der zugehörigen Eiskernzeit-
  Glaciological Society für die beste Publikation im Zeitraum     reihen benötigt. Mit dem Fließmodell wurde außerdem die
  02/2018 – 01/2020 ausgezeichnet. Der IACS-IGS Graham            dreidimensionale Eisaltersverteilung des Gletschers berech-
  Cogley Award wurde 2019 zum Gedenken an Professor               net, was zur Unterstützung von experimentellen Methoden
  Graham Cogley ins Leben gerufen, der wesentliche und            zur Eiskerndatierung diente. Am Forschungsprojekt haben
  nachhaltige Beiträge zur Glaziologie geleistet hat, insbeson-   Institutionen aus Deutschland, Frankreich, Schweiz und
  dere zum Verständnis und zur Quantifizierung der Massen-        Österreich mitgewirkt. Die Ergebnisse der Arbeit veröffent-
  veränderung von Gletschern. Graham Cogley wird auch             lichte Carlo im Journal of Glaciology: „Licciulli C, Bohleber
  für seine nachhaltigen und herausragenden Verdienste um         P, Lier J, Gagliardini O, Hoelzle M & Eisen O (2020) A
  die breitere glaziologische Gemeinschaft anerkannt, unter       full Stokes ice-flow model to assist the interpretation of
  anderem als IGS-Chefredakteur zwischen 2016 und 2018.           millennial-scale ice cores at the high-Alpine drilling site
  Mit dem Graham Cogley Award werden herausragende Leis-          Colle Gnifetti, Swiss/Italian Alps. Journal of Glaciology
  tungen in der glaziologischen Forschung von studentischen       66(255), 35-48. https://doi.org/10.1017/jog.2019.82“,
  Wissenschaftlern geehrt. Der Preis wurde von der Familie        für das er nun aus 70 berücksichtigten Veröffentlichungen
  Cogley initiiert und großzügig gesponsert und wird von der      für den Graham Cogley Award ausgewählt wurde.
  International Glaciological Society (IGS) und der Internatio-
                                                                  Seit zwei Jahren arbeitet Carlo als Nachwuchswissenschaft-
  nal Association of Cryospheric Sciences (IACS) gemeinsam
                                                                  ler (PostDoc) an der Bayerischen Akademie der Wissen-
  vergeben, wobei die IGS und die IACS den Preis in abwech-
                                                                  schaften in der Gruppe Erdmessung und Glaziologie. Dort
  selnden Jahren vergeben.
                                                                  beschäftigt er sich weiterhin mit numerischen Eis-Fließmo-
  Carlo führte seine Doktorarbeit im Rahmen von REKLIM            dellen, allerdings mit verstärktem Fokus auf der Kopplung
  am Institut für Umweltphysik (IUP) der Universität Heidel-      zwischen Klima und Gletscherdynamik auf regionaler Skala.
  berg im Bereich Alpine Glaziologie in Kooperation mit der
                                                                  REKLIM: Carlo, herzlichen Glückwunsch zu dieser Auszeich-
  Sektion Glaziologie am AWI, betreut durch Prof. Olaf Eisen,
                                                                  nung für dein Paper! Was bedeutet dir diese Auszeichnung
  durch. In seiner Arbeit adaptierte er ein numerisches Full-
                                                                  für deine wissenschaftliche Laufbahn?
  Stokes Eis-Fließmodell für den hochalpinen Gletschersattel
  Colle Gnifetti, Monte Rosa Massiv. Der Gletschersattel Colle    Carlo: Wenn ich einen Kollegen zitieren darf, diese Aus-
  Gnifetti ist aufgrund seiner jahrtausendalten Eiskernzeit-      zeichnung bedeutet als erstes, dass meine Doktorarbeit „so
  reihen mitten in Europa von besonderem Interesse. Mit           falsch nicht gewesen sein kann“. Wenn man aber weniger

                                                                                   Carlo Licciulli bei der glaziologischen Ver-
                                                                                   messung auf dem Colle Gnifetti, Monte Rosa
                                                                                   Massiv, Italien (Foto: C. Licciulli)
Juli 2020                                                 REKLIM News und Forschungsthema des Monats
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  minimalistisch denkt, die Bedeutung der Auszeichnung ist      REKLIM: Hat die Arbeit im REKLIM-Verbund deine For-
  mit Sicherheit mehr Mut und Selbstvertrauen für zukünftige    schung beeinflusst und was kannst du rückblickend auf die
  Forschung zu haben, sich trauen innovativer zu sein, die      Zeit als Doktorand in REKLIM sagen?
  Latte höher zu legen, keine Angst zu haben neue Aufgaben
                                                                Carlo: Während meiner Doktorarbeit habe ich regelmäßig
  zu übernehmen sowie neue Veröffentlichungen und For-
                                                                REKLIM-Meetings besucht. Ich habe Vorträge gehalten,
  schungsanträge zu schreiben.
                                                                an Diskussionen über zukünftige Forschungsprojekte und
  REKLIM: Was ist derzeit Schwerpunkt deiner Forschungsar-      Kooperationen teilgenommen und mich mit jungen sowie
  beit und wie sehen deine weiteren Pläne aus?                  auch etablierten Wissenschaftlern ausgetauscht. Es gab
                                                                immer Zeit für nette und lehrreiche Gespräche. Egal ob
  Carlo: Die Untersuchung der Interaktion zwischen Klima
                                                                bei einer Postersession, beim Abendessen oder bei einem
  und Gletscherdynamik bleibt das Leitmotiv meiner Arbeit.
                                                                Ausflug. Egal ob nah oder entfernter von meinem eigenen
  In diesem Zusammenhang, als Mitarbeiter der Bayerische
                                                                Forschungsgebiet. In Kürze: REKLIM-Meetings sind eine
  Akademie der Wissenschaften, ist es selbstverständlich,
                                                                sehr gute Schule für eine erfolgreiche wissenschaftliche
  sich mit dem Vernagtferner in den Ötztaler Alpen zu be-
                                                                Karriere!
  schäftigen. Der Vernagtferner ist seit mehr als einem
  Jahrhundert der „Hausgletscher“ der Akademie. Die erste       REKLIM: Nochmals unseren herzlichen Glückwunsch und
  Karte des Gletschers wurde schon im Jahr 1889 durch ein       alles Gute für deinen weiteren beruflichen Weg!
  Akademiemitglied erstellt und zahlreiche andere glaziologi-
  sche Parameter werden seit Jahrzehnten an diesem Glet-
  scher vermessen. Das bietet uns die einmalige Möglichkeit,
  gekoppelte Gletschermodelle auf längeren Zeitskalen zu
  testen und eine solide Basis für Projektionen zu legen. Der
  Vernagtferner ist für uns wie ein Versuchslabor, um Erfah-
  rung zu sammeln und Methoden zu testen, die wir später
  auf einer regionalen Skala auf hunderte von Gletschern
  gleichzeitig übertragen möchten.
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