Nahrungsmittelspekulation - Markus Henn Januar 2014 Projektreferent Finanzmärkte, Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung - WEED

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Nahrungsmittelspekulation - Markus Henn Januar 2014 Projektreferent Finanzmärkte, Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung - WEED
Nahrungsmittelspekulation
                          Markus Henn
Projektreferent Finanzmärkte, Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung – WEED
                   Kontakt: markus.henn@weed-online.org

                            Januar 2014
Nahrungsmittelspekulation - Markus Henn Januar 2014 Projektreferent Finanzmärkte, Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung - WEED
Gefährdete Ernährungssicherheit: Unterernährte
    1200

    1000

    800

    600
                     Laut Welternährungsprogramm 2007/08
    400
                   115 Mio. Menschen zusätzlich unterernährt
    200

       0
           1979-1981     1995-1997     2005-2007    2009 (gesch.)
    1969-1971     1990-1992     2000-2002        2008       2010 (gesch.)

2    Quelle: FAO                                        WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Nahrungsmittelspekulation - Markus Henn Januar 2014 Projektreferent Finanzmärkte, Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung - WEED
Entwicklung
Haiti, April 2008
              des weltweiten Hungers

3                                      WEED,
                                        WEED,Nahrungsmittelspekulation,
                                              Nahrungsmittelspekulation,Januar
                                                                         8.4.2011
                                                                               2014
Nahrungsmittelspekulation - Markus Henn Januar 2014 Projektreferent Finanzmärkte, Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung - WEED
FAO Nahrungsmittelpreisindex

180,0
160,0
140,0
120,0
100,0
 80,0
 60,0
 40,0
 20,0
  0,0
        4/1991 10/1993 4/1996 10/1998 4/2001 10/2003 4/2006 10/2008 4/2011
    1/1990 7/1992 1/1995 7/1997 1/2000 7/2002 1/2005 7/2007 1/2010 7/2012

4   Quelle: FAO                                       WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Nahrungsmittelspekulation - Markus Henn Januar 2014 Projektreferent Finanzmärkte, Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung - WEED
Wem schaden oder nützen steigende Nahrungspreise?
• KonsumentInnen wollen
niedrige Preise; in
Entwicklungsländern großer
Ausgabenanteil für
Nahrungsmittel und oft
Nahrungsmittelimporte
• Von steigenden Preisen
profitieren eher Großbauern
und Zwischenhändler
• Schwankende Preise sind
für alle Bauern ein Problem,
deshalb Absicherung nötig

 5                                 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Nahrungsmittelspekulation - Markus Henn Januar 2014 Projektreferent Finanzmärkte, Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung - WEED
Was beeinflusst Nahrungspreise und Hunger? (1)

    Angebot
       - Produktion: Böden, Wetter/Klima, Technik, Produktionsmittel
       - Reserven

    Nachfrage

    Verteilung

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Weltweizenproduktion-, verbrauch und -bestände
1994/95 -
    800
    700
    600
    500
                                     Produktion
    400
                                     Verbrauch
    300                              Bestände
    200
    100
       0
         2001/02 2003/04 2005/06 2007/08 2009/10
    2000/01 2002/03 2004/05 2006/07 2008/09
    Quellen: Oxfam nach USDA-Daten
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Was beeinflusst Nahrungspreise und Hunger? (2)

    Angebot

    Nachfrage
       - Verwendung 2009 global: Lebensmittel 47%, Futtermittel
       35 %, Industrie/Sprit/Energie/Verluste 18%
       - steigende Weltbevölkerung, Essgewohnheiten (v.a. Fleisch)

    Verteilung

8                                                   WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Nahrungsmittelspekulation - Markus Henn Januar 2014 Projektreferent Finanzmärkte, Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung - WEED
Treiben Biotreibstoffe die Nahrungspreise?
    700
                        Biotreibstoffeproduktion*
    600
                        Lebensmittelpreise insgesamt*
    500
                        Pflanzenölpreise*
    400                  *indexiert, Basisjahr 2000

    300

    200

    100

        0
             2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

9   Quellen: FAO, Earth Policy Institute, Welthungerhilfe, eigene Berechnungen   WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Nahrungsmittelspekulation - Markus Henn Januar 2014 Projektreferent Finanzmärkte, Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung - WEED
Was beeinflusst Nahrungspreise und Hunger? (3)

 Angebot

 Nachfrage

 Verteilung
     - Politik: z.B. Abkommen, Preiskontrollen (EU-Agrarpolitik)
     - Märkte:
       M       physischer Handel und Terminhandel

10                                               WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Die Weltbank korrigiert sich...

     „Wir nehmen an, dass Indexfondsaktivität … eine Schlüsselrolle
     bei der Preisspitze von 2008 gespielt hat. Biosprit spielte auch
     eine gewisse Rolle, aber viel weniger, als ursprünglich gedacht.
     Und wir finden keinen Beleg, dass die angeblich gestiegene
     Nachfrage aus Schwellenländern irgendeinen Effekt auf die
     Weltmarktpreise hatte.“ (Herv. MH)
                  Baffes, John / Tassos Haniotis: „Placing the 2006/08
                      Commodity Price Boom into Perspective”. World
                        Bank Policy Research Working Paper, July 2010

11                                                  WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Physische/Kassamärkte (spot/cash markets)

                   Agrarhändler,
                   Multinationale
                   Unternehmen

         Horten,
      Marktmacht

12                                  WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Termingeschäft (forward)

                      Lieferung:
                       Juli 2014

                   Absicherung von
                  Risiken / „Hedging“
              (nur nötig, wenn physischer
              Markt nicht kontrolliert ist)

13                                            WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Warenterminbörsen: Chicago, Dalien, Sao Paolo...
                      Börse: standardisierte Verträge
                    (Futures) mit zentraler Abwicklung
                                 Lieferung
                                  Juli 2014
                       Keine                     Keine
„short“ = sichert   Lieferung                 Lieferung
   sich gegen
                                                                  „long“ = sichert
 fallende Preise
                                                                     sich gegen
                                                                  steigende Preise
                             Spekulation:
  soll Liquidität erhöhen und die Ermittlung des zukünftigen Preises
verbessern; Lieferung wird durch Rückkauf der Futures („Glattstellen“)
    oder Geldfluss ersetzt; allerdings gibt es je nach Terminbörse
    Beschränkungen, z.B. sind in Indien keine Banken zugelassen
   14                                               WEED,
                                                    WEED,Nahrungsmittelspekulation,
                                                          Nahrungsmittelspekulation,Januar
                                                                                     März 2013
                                                                                           2014
Wo wird geliefert? - Varianten des Terminhandels

                    1. Vertrag am
                 physischen Markt,
                ggf. mit zukünftigem
     Physischer Auslieferungsdatum
       Markt
                                            z.B. Eurex: keine
                 2. Future, der nicht   Auslieferung von Futures
                                            WEED, Nahrungsmittelspekulation, 07.03.2013
               ausgeliefert wird, und   möglich, nur Barausgleich
                daneben Vertrag am      auf Konten, MATIF wohl
                  physischen Markt               ähnlich

Terminbörse
                 3. Future, der            z.B. CBoT (Chicago):
                ausgeliefert wird          ca. 2% Auslieferung

15                                          WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Warenterminbörsen: Barausgleich

     1. z.B. Kauf einer short-Position, die
     zum Juli 2014 den heutigen Preis sichert

     1.1.14                      1.7.14

         2. Preis am                      3. Preisdifferenz wird aus
         physischen Markt                 dem Future heraus verdient,
         sinkt                            dadurch wird der Verlust am
                                          physischen Markt
                                          ausgeglichen

16                                                 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Warenterminbörsen Deutschland / Europa (Auswahl)

                      Ort                      Wichtige Produkte
     Hannover: 1998-2009                  (geschlossen)
     Frankfurt (Eurex / DTB,              Schweine, Kartoffeln,
     Deutschland und SOFFEX, Schweiz)     Milchpulver, Butter
     London (Liffe / Nyse Euronext,       Futterweizen, Zucker,
     USA)                                 Kaffee, Kakao u.a.
     Paris (MATIF / Nyse Euronext, USA)   Mahlweizen, Mais, Raps,
                                          Hopfen
     Budapest                              Mais, Weizen, Hopfen

17                                                 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Neue Warenterminbörsen und -märkte

• Europäische Börsen (v.a. Paris und London) wachsen
momentan stark durch Liberalisierung der Gemeinsamen EU-
Agrarpolitik (GAP)
• Börsen in Schwellen- und Entwicklungsländer wachsen stark:
   • Dalien und Shanghai (China)
   • Sao Paolo (Brasilien)
   • Johannesburg (Südafrika)
   • Mumbai (Indien)
   •…
• Initiative von Weltbank und US-Bank J.P. Morgan 2011: bis zu
4 Mrd. US-Dollar Absicherungsinstrumente für
Entwicklungsländer

18                                              WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Enger Zusammenhang Börsenpreise und Lieferpreise
                          250
                          200
Britische Pfund / Tonne

                          150
                          100
                            50
                                                                                                  WEED, Nahrungsmittelspekulation, 07.03.2013

                                0 24.06.2010 16.09.2010 01.12.2010 04.03.2011 10.06.2011 25.08.2011 11.11.2011 31.01.2012
                            17.05.2010 03.08.2010 26.10.2010 26.01.2011 03.05.2011 18.07.2011 06.10.2011 19.12.2011 07.03.2012

                                                                    Liffe    CBoT
                                                                    MATIF    Lieferpreis GB
                          • Terminpreise verändern sich in der Regel vor den Preisen am
                          physischen Markt, laufen quasi voraus
                           19   Quelle der Grafik: Farming Online                                 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Weitere Details, Probleme und Risiken

 • Sicherheitsleistungen („margin“): Einschuss beim Start, ggf.
 Nachschusspflicht bei Preissteigerungen, hat z.B. 2008 in den
 USA vielen realwirtschaftlichen Händlern Probleme bereitet
 • Preisrisiken bei Rückkauf, Glattstellen usw., ggf. noch
 Währungsrisiken bei Handel an Börsen außerhalb des Euroraums
 • Entkopplung der Terminpreise von den physischen Märkten
                                                 WEED, Nahrungsmittelspekulation, 07.03.2013

 („Divergenz“), z.B. in den USA 2008, macht Handelsstrategien
 zunichte
 • Handel in der Regel durch Großhändler (Cargill, Töpfer, BayWa,
 HaGe Nord, usw.) oder über Broker bzw. Spezialfirmen (Kaack, KS
 Agrar, usw.), gegebenfalls zusätzliche Kosten
 • Einfluss der Spekulanten
20                                               WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
21
Neue Akteure 1: Banken
                In den USA wurden ab 1991
                   und dann v.a. um 2000
                     Beschränkungen in
                    Warenterminmärkten
                aufgehoben, die Banken die
                Teilnahme erleichterten und
               vor allem den außerbörslichen
                 Handel (Over the Counter)
                       liberalisierten.

22                                       WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Neue Akteure 2: Hedge Fonds

             Besonders in den letzten
               Jahren sehr aktiv in
                Rohstoffmärkten.

               Der Londoner Hedge
             Fond Armajaro kaufte im
                Juli 2010 fast alle
               verfügbaren Kakao-
              Futures an der Börse.

23                                      WEED,
                                        WEED,Nahrungsmittelspekulation,
                                              Nahrungsmittelspekulation,Januar
                                                                         März 2013
                                                                               2014
Neue Akteure 3: Pensions- und Versicherungsfonds

           Um 2005 wurden die Grenzen in den
            USA weiter aufgeweicht und es gab
              einen neuen Investmenttrend,
           wodurch auch Pensions- und andere
           Fonds groß in den Handel einstiegen.

           In der EU dürfen die meisten Fonds
            nicht in physischen Märkten aktiv
               sein, können aber indirekt in
               Rohstoffmärkte investieren.

24                                          WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Indexfonds
             Index = Kaufempfehlung (z.B. S&P-GSCI Agriculture):
                             Mais        28,60%
                             Weizen      24,00%
                             Soja        15,50%
                             Zucker      14,80%
                             Baumwolle    8,80%
                             Kaffee       6,50%
                             Kakao        1,80%
                    Geld                           Geld
      Sparer /                   Fonds
                   Rendite                        Rendite              Börse
      Investor                   (Bank)
                                                  Future
                    Swap                          (long)

     • 2003: ca. 13 Mrd. USD, 2008: ca. 260 Mrd. USD
     • Auch als börsengehandelte Fonds (ETF) und Zertifikate
     • Ein Anlagegrund: Risikodiversifizierung
25                                                          WEED,
                                                            WEED,Nahrungsmittelspekulation,
                                                                  Nahrungsmittelspekulation,Januar
                                                                                             März 2013
                                                                                                   2014
Rohstoffterminprodukte & Agrarrohstoffpreise
                           500,00

                           400,00

                           300,00
Mrd. USD / Index

                           200,00

                           100,00

                               0,00
                                          Jan 07      Jan 08      Jan 09      Jan 10      Jan 11
                                      Aug 06    Jul 07      Jul 08      Jul 09      Jul 10
                        Index-Swaps (Mrd.         Börsengehandelte              Mittelfristige            Agrarrohstoffpeise
                        USD)                      Produkte (Mrd. USD)           Schuldverschreibun-       (Index)
                                                                                gen (Mrd. USD)

                   26    Quelle: BIS, basierend auf Barclays Capital, eigene Berechnungen             WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Absicherung und Spekulation: Weizenfuture Chicago

                        1998                                                     2008
                             7%
                                  16%
                                                                           31%
                                                                                           41%
                     77%
                                                                            28%

Phys i s che Abs i cherer                Kl a s s i s che Spekul anten            Indexs pekul a nten

   Quelle: Michael W. Masters / Adam Knight, mit Daten von CFTC, Goldman
27 Sachs, Standard & Poor’s, Dow Jones                                       WEED,
                                                                             WEED,Nahrungsmittelspekulation,
                                                                                   Nahrungsmittelspekulation,Januar
                                                                                                              März 2013
                                                                                                                    2014
Ausstehende Verträge (open interest) CBoT Weizen
600000

500000

400000

300000

200000

100000

        0
        27.07.1999 20.08.2002 13.09.2005 07.10.2008 01.11.2011
  13.01.1998 06.02.2001 02.03.2004 27.03.2007 20.04.2010
  28   Quelle: CFTC                         WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Ernten und Futureshandel: EU/USA im Vergleich 2011

                                                                                   Nationale
          5000                                                                     Weizenernte
          4500                          USA
                                                                                   (USA, EU)
          4000                                                                     Als Futures
          3500                                                                     gehandelte
          3000                                                                     physische
Mio. t.

          2500                                                                     Menge
          2000
          1500
          1000
           500                                                                            EU
             0

          Quelle (Graphik): Oxfam auf Grundlage von Daten der CME, Euronext, BSE
    29    und USDA, jeweils die wichtigsten Börsen in USA und EU                      WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Ist Finanzspekulation schädlich: Fragen

     1. Verändern
     (Finanz-)Spekulanten die
     Terminmarktpreise?              Terminmarkt

     2. Beeinflussen
     Terminmarktpreise den
     physischen Markt?

     3. Kaufen
                                   Physischer Markt
     (Finanz-)Spekulanten
     physische Rohstoffe?

30                                        WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Verändern Spekulanten die Terminmarktpreise?

NEIN (aber):
• Terminmärkte Nullsummenspiel (immer short- und long-
Position; Futures unbegrenzt; z.B. Irwin/Sanders, Stoll/Whaley)
• Wo ggf. Einfluss ist, da positiv (Informationen, Liquidität)

JA:
• Auch Terminpreise hängen von Kaufinteressen der Händler
ab: Ann Berg, früher Weizenhändlerin und Direktorin an
Chicagoer Börse: “We used to have a saying when someone
asked 'Why did the price go up?' and it was 'More buyers than
sellers.' In the short run, market orders determine prices. If
there are 50,000 orders to buy (...) and 10,000 orders to sell
(...), the price goes up. It is that simple.” (Email an M. Henn)
31                                                   WEED, Nahrungsmittelspekulation, 10.12.2013
Verändern Spekulanten die Terminpreise? (2)

Prehn / Glauben (IAMO) / Loy (Univ. Kiel) / Pies / Will (Univ. Halle)
(2013): Der Einfluss von Long-only-Indexfonds auf die Preisfindung
und das Marktergebnis an landwirtschaftlichen
Warenterminmärkten: „ein Markteintritt weiterer Long-only-
Indexfonds bzw. die Erhöhung des Einlagevermögens in bestehende
Long-only-Indexfonds (…) [kann] dazu führen, dass sich der
Gleichgewichtspreis nicht nur dem zukünftig erwarteten Kassapreis
annähert, sondern diesen sogar übersteigen kann. (…) Spekulanten,
wie etwa Hedge Fonds, [werden] Verkaufspositionen einnehmen
und auf fallende Marktpreise wetten. Auch dies führt in der
Tendenz zu fallenden Warenterminpreisen.“

Anmerkung: Die Autoren gelten eigentlich als Verteidiger der
Spekulation, aber gestehen selbst Preiswirkungen zu

 32                                                   WEED, Nahrungsmittelspekulation, 10.12.2013
Beeinflussen Terminpreise den physischen Markt?

NEIN (aber):
• Physischer Markt durch Angebot und Nachfrage bestimmt
• Einfluss nur über Lagerhaltung, dann aber ökonomisch sinnvoll

JA:
• Lagerhaltung findet statt: US-Bauer Craig Stewart: „Wenn die
Future-Preise für Mais hoch sind an der Börse, dann lagere ich
ihn in meinen Silos länger. Es ist für mich daher auch völlig klar,
dass die Milliarden der Spekulanten die Preise für Lebensmittel
nach oben treiben.“ (FAZ 10.10.2013); allerdings oft schwierig
festzustellen wegen fehlender Daten
• Preisfindungsmechanismus: Terminpreis als Orientierung für
physischen Handel, wahrscheinlich ohne Lagerhaltung möglich
33                                                     WEED, Nahrungsmittelspekulation, 10.12.2013
Enger Zusammenhang Terminpreise und Lieferpreise
                          250
Britische Pfund / Tonne

                          200
                          150
                          100
                                                                        Liffe   CBoT
                               50                                       MATIF   Lieferpreis GB  WEED, Nahrungsmittelspekulation, 07.03.2013

                                024.06.2010 16.09.2010 01.12.2010 04.03.2011 10.06.2011 25.08.2011 11.11.2011 31.01.2012
                           17.05.2010 03.08.2010 26.10.2010 26.01.2011 03.05.2011 18.07.2011 06.10.2011 19.12.2011 07.03.2012

                           Hernandez/Torero (2010) (IFPRI): Examining the Dynamic
                           Relationship between Spot and Future Prices of Agricultural
                           Commodities: Terminpreise für vier wichtige Agrarrohstoffe
                           laufen physischen Preisen zeitlich vor
                          34        Quelle der Grafik: Farming Online                                   WEED, Nahrungsmittelspekulation, 10.12.2013
Sind speziell Indexfonds ein Problem?

NEIN:
• Bringen Liquidität, füllen Lücke auf long-Seite, sind berechenbar
• keine Korrelation von Indexhändlern und Preisen

JA:
• Preissignal: „Gewicht des Geldes“, long-Positionen von
Indexfonds verstärken Preisdruck nach oben
• Handelsinteressen: Portfoliodiversifizierung (Finanzmarktmotiv)
• Korrelation von Indexhändlern und Preisen, außerdem von
verschiedenen Agrar- sowie von Agrar- und Finanzmärkten (z.B.
Silvennoinen/Thorp 2013), besonders bei indexierten Rohstoffen

35                                                   WEED, Nahrungsmittelspekulation, 10.12.2013
Exzessive Spekulation
US-Senat (2006): The Role of Market Speculation in Rising Oil and
Gas Prices: “The large purchases of crude oil futures contracts by
speculators have, in effect, created an additional demand for oil,
driving up the price of oil to be delivered in the future in the same
manner that additional demand for the immediate delivery of a
physical barrel of oil drives up the price on the spot market.”
US-Senat (2009) : Excessive Speculation in the Wheat Market: “This
Report concludes there is significant and persuasive evidence that
one of the major reasons for the recent market problems is the
unusually high level of speculation in the Chicago wheat futures
market due to purchases of futures contracts by index traders...”

36                                                 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Einfluss der Indexierung auf die Preise
Tang, Ke (Princeton University) / Xiong, Wei (Renmin University)
(2012): Index Investment and the Financialization of Commodities.
Financial Analyst Journal, Vol 68, Number 6, pages 54-74:
„concurrent with the rapid growth of index investment in
commodity markets, prices of non-energy commodities have
become increasingly correlated with oil prices. This trend is
significantly more pronounced for commodities in two popular
indices: the S&P GSCI and the DJ-UBSCI. (...) As a result of the
financialization process, the price of an individual commodity is no
longer determined solely by its supply and demand. Instead, prices
are also determined by the aggregate risk appetite for financial
assets and the investment bebavior of diversified commodity index
investors. This fundamental change ... is likely to persist so long as
commodity index investment remains popular among financial
investors...“
37                                                 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Indexfonds und die Krise von 2007/08

38   Quelle: Michael W. Master, Testimony to US Senate, 20. Mai 2008   WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Indexfonds Investitionen
 140
 120
 100
                                                                                Indexfonds
     80                                                                         Netto-Longpo-
                                                                                sition CBOT*
     60
                                                                                FAO Getrei-
     40                                                                         depreisindex*
                                                                                Vertragsäquiva-
     20                                                                         lente
                                                                    *indexiert, Dez 07 = 100
      0
               Jun 08                  Jun 09            Jun 10             Okt 10
     Dez 07                Dez 08               Dez 09            Aug 10                     Dez 10

39   Quelle: FAO, CFTC, eigene Berechnungen                           WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Indexfonds: nur wenige Jahre alt, aber unverzichtbar?
●
  Indexfonds bis Anfang das Jahrtausends – auch in US-Märkten –
fast nicht aktiv – dennoch funktionierten die Märkte und es gab
nach allem Anschein keine Klagen über zuwenig Liquidität
●
  Indexfonds wurden vonseiten der Banken nur eingeführt, um
den Anlegern Gewinne zu verschaffen – es war also nicht das Ziel,
Liquidität zu schaffen
●
 Publikums-Fonds in der EU ist bis heute nicht gestattet, direkt in
Rohstoffe und Rohstoff-Futures zu investieren (OGAW-Richtlinie)

40                                               WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Liffe (London) Futterweizen Future – Händleranteile
100,0                  Long                         100,0                     Short
     80,0                                               80,0
     60,0                                               60,0
%

                                                    %
     40,0                                               40,0
     20,0                                               20,0
      0,0                                                0,0
           29.11.2011 15.05.2012 30.10.2012                   29.11.2011 15.01.2012 30.10.2012
      06.09.2011 21.02.2012 07.08.2012 22.01.2013        06.09.2011 21.02.2012 07.08.2012 22.01.2013

                                     Producer/Merchant/
                                     Processor/User
                                     Swap Dealers
                                     Managed Money
                                     Other Reportables
41
                                     Non Reportables                  WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Meta-Analysen

• Will e.a. (2012): Literaturüberblick: große Mehrheit der Studien
entlastet Spekulation bzw. Indexfonds

• Henn (2013), Kommentar zu Will e.a. (2012):
  - Unvollständige Auswahl begutachteter Literatur
  - Unvollständige Auswahl grauer Literatur, zweifelhafte Wertung
  - Einseitige Kritik an spekulationskritischen Studien
  - Unkritisch verwendete und beschränkte Methodik
  - Falsche Darstellung der Regulierungsdebatte
• Bass (2013): Kritik an Will e.a. (2012) und auch an den
maßgeblichen Studien von Irwin/Sanders aus den USA

 42                                               WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Meta-Meta-Analyse von Will e.a. (2012)

     Kayvan Bozorgmehr e.a. (2013): Relationship between
     financial speculation and food prices or price volatility:
     applying the principles of evidence-based medicine to current
     debates in Germany. Globalization and Health, 9:44.

43                                                                   WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Hochfrequenzhandel
• Filimonov (ETH Zürich), Bicchetti (UNCTAD), Maystre (UNCTAD /
Univ. Genf), Sornette (Swiss Finance Institute) (2013):
Quantification of the High Level of Endogeneity and of Structural
Regime Shifts in Commodity Markets: „We find an overall increase
of the level of short-term endogeneity since the mid-2000s to
October 2012, with a typical value nowadays around 0.6-0.7,
implying that at least 60-70 per cent of commodity price changes
are now due to self-generated activities rather than novel
information.“
• 2013: Strafe von 2,8 Mio. US-Dollar durch US-Aufsichtsbehörde
für Hochfrequenzhandelsfirma Coscia&Partner, die u.a. mit
Maisfutures gehandelt hatten

44                                             WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Finanzspekulanten kontrollieren physische Rohstoffe

 • Verknappt das reale Angebot und macht Horten möglich,
 allerdings bislang nicht bei Weizen oder Mais bekannt
 • Goldman Sachs, Barclays und JP Morgan kontrollierten 2009
 physische Rohstoffe im Wert von 16 Mrd. Pfund, mehr als drei
 Mal so viel wie 2008; Deutsche Bank hat Allianz mit größtem
 Zuckerhändler der Welt
 • physisch abgesicherte börsengehandelte Produkte nehmen zu
 (Exchange Traded Funds/Notes/Commodties, ETF/ETN/ETC), z.B.
 Kupferfonds der US-Bank JP Morgan, die von der Kupferindustrie
 massiv kritsiert und abgelehnt wurden.

45                                             WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Commodity Markets Oversight Coalition (USA)

2010: Brief mit 80 Unterzeichnern an den US-Kongress, darunter:
Agricultural Retailers Association, American Association of Crop
Insurers, American Cotton Exporters Association, Industrial Energy
Consumers of America, National Association of Convenience
Stores, National Association of Oil Heat Service Managers, National
Farmers Union, Petroleum Marketers Association of America
Unter anderem als Forderungen:
• Limit exchange traded fund investments in physical commodities
and their derivatives;
• Require across-the-board aggregate speculation limits to prevent
traders from taking a controlling position in a commodity by taking
large positions on multiple platforms;

46                                              WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Positionslimits: Chicago, Paris, Dalien, Sao Paolo...

47                                                                      WEED,
                                                                        WEED,Nahrungsmittelspekulation,
                                                                              Nahrungsmittelspekulation,Januar
                                                                                                         März 2013
                                                                                                               2014
     Tabelle: CFTC Positionslimits für US-Terminbörsen, www.cftc.gov.
Nötige Regulierung, v.a. für neue Finanzakteure
 • Handel auf Börsen oder über Clearingstellen, soweit möglich
 • Für außerbörslichen (OTC) Handel hohe Sicherheitsleistungen
 • Berichtspflicht mit öffentlichen Berichten
 • Preisaufsicht und Preislimits
 • Verhinderung exzessiver Spekulation und Positionslimits
 • Verbot oder zumindest starke Beschränkung für
 Rohstofffinanzprodukte und Eigenhandel von Banken
 • Kontrolle der Spekulation der multinationalen Agrarkonzerne
 • Transaktionssteuer auf Rohstoffterminhandel
 • Alternativen zu Terminmärkten stärken, z.B. Preiskontrollen im
 physischen Markt, Versicherungen, (internationale) Abkommen
48                                               WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Die politische Debatte

  G20: Derivate allgemein, Preisvolatilität, Landwirtschaft
  USA: Dodd-Frank Act, Juli 2010: Clearing, Positionslimits
        gestärkt, Eigenhandel beschränkt, Transparenz
  EU: Neue OTC-Derivate-Verordnung, Überarbeite
        Richtlinien zu Finanzinstrumenten und Marktmissbrauch
  Deutschland: momentan eher regulierungsfreundlich

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Vielen Dank für die
 Aufmerksamkeit!

  Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung
  World Economy, Ecology & Development

  www.weed-online.org
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