Nahrungsmittelspekulation - Markus Henn Januar 2014 Projektreferent Finanzmärkte, Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung - WEED
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Nahrungsmittelspekulation Markus Henn Projektreferent Finanzmärkte, Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung – WEED Kontakt: markus.henn@weed-online.org Januar 2014
Gefährdete Ernährungssicherheit: Unterernährte 1200 1000 800 600 Laut Welternährungsprogramm 2007/08 400 115 Mio. Menschen zusätzlich unterernährt 200 0 1979-1981 1995-1997 2005-2007 2009 (gesch.) 1969-1971 1990-1992 2000-2002 2008 2010 (gesch.) 2 Quelle: FAO WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Entwicklung Haiti, April 2008 des weltweiten Hungers 3 WEED, WEED,Nahrungsmittelspekulation, Nahrungsmittelspekulation,Januar 8.4.2011 2014
FAO Nahrungsmittelpreisindex 180,0 160,0 140,0 120,0 100,0 80,0 60,0 40,0 20,0 0,0 4/1991 10/1993 4/1996 10/1998 4/2001 10/2003 4/2006 10/2008 4/2011 1/1990 7/1992 1/1995 7/1997 1/2000 7/2002 1/2005 7/2007 1/2010 7/2012 4 Quelle: FAO WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Wem schaden oder nützen steigende Nahrungspreise? • KonsumentInnen wollen niedrige Preise; in Entwicklungsländern großer Ausgabenanteil für Nahrungsmittel und oft Nahrungsmittelimporte • Von steigenden Preisen profitieren eher Großbauern und Zwischenhändler • Schwankende Preise sind für alle Bauern ein Problem, deshalb Absicherung nötig 5 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Was beeinflusst Nahrungspreise und Hunger? (1) Angebot - Produktion: Böden, Wetter/Klima, Technik, Produktionsmittel - Reserven Nachfrage Verteilung 6 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Weltweizenproduktion-, verbrauch und -bestände 1994/95 - 800 700 600 500 Produktion 400 Verbrauch 300 Bestände 200 100 0 2001/02 2003/04 2005/06 2007/08 2009/10 2000/01 2002/03 2004/05 2006/07 2008/09 Quellen: Oxfam nach USDA-Daten 7 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Was beeinflusst Nahrungspreise und Hunger? (2) Angebot Nachfrage - Verwendung 2009 global: Lebensmittel 47%, Futtermittel 35 %, Industrie/Sprit/Energie/Verluste 18% - steigende Weltbevölkerung, Essgewohnheiten (v.a. Fleisch) Verteilung 8 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Treiben Biotreibstoffe die Nahrungspreise? 700 Biotreibstoffeproduktion* 600 Lebensmittelpreise insgesamt* 500 Pflanzenölpreise* 400 *indexiert, Basisjahr 2000 300 200 100 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 9 Quellen: FAO, Earth Policy Institute, Welthungerhilfe, eigene Berechnungen WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Was beeinflusst Nahrungspreise und Hunger? (3) Angebot Nachfrage Verteilung - Politik: z.B. Abkommen, Preiskontrollen (EU-Agrarpolitik) - Märkte: M physischer Handel und Terminhandel 10 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Die Weltbank korrigiert sich... „Wir nehmen an, dass Indexfondsaktivität … eine Schlüsselrolle bei der Preisspitze von 2008 gespielt hat. Biosprit spielte auch eine gewisse Rolle, aber viel weniger, als ursprünglich gedacht. Und wir finden keinen Beleg, dass die angeblich gestiegene Nachfrage aus Schwellenländern irgendeinen Effekt auf die Weltmarktpreise hatte.“ (Herv. MH) Baffes, John / Tassos Haniotis: „Placing the 2006/08 Commodity Price Boom into Perspective”. World Bank Policy Research Working Paper, July 2010 11 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Physische/Kassamärkte (spot/cash markets) Agrarhändler, Multinationale Unternehmen Horten, Marktmacht 12 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Termingeschäft (forward) Lieferung: Juli 2014 Absicherung von Risiken / „Hedging“ (nur nötig, wenn physischer Markt nicht kontrolliert ist) 13 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Warenterminbörsen: Chicago, Dalien, Sao Paolo... Börse: standardisierte Verträge (Futures) mit zentraler Abwicklung Lieferung Juli 2014 Keine Keine „short“ = sichert Lieferung Lieferung sich gegen „long“ = sichert fallende Preise sich gegen steigende Preise Spekulation: soll Liquidität erhöhen und die Ermittlung des zukünftigen Preises verbessern; Lieferung wird durch Rückkauf der Futures („Glattstellen“) oder Geldfluss ersetzt; allerdings gibt es je nach Terminbörse Beschränkungen, z.B. sind in Indien keine Banken zugelassen 14 WEED, WEED,Nahrungsmittelspekulation, Nahrungsmittelspekulation,Januar März 2013 2014
Wo wird geliefert? - Varianten des Terminhandels 1. Vertrag am physischen Markt, ggf. mit zukünftigem Physischer Auslieferungsdatum Markt z.B. Eurex: keine 2. Future, der nicht Auslieferung von Futures WEED, Nahrungsmittelspekulation, 07.03.2013 ausgeliefert wird, und möglich, nur Barausgleich daneben Vertrag am auf Konten, MATIF wohl physischen Markt ähnlich Terminbörse 3. Future, der z.B. CBoT (Chicago): ausgeliefert wird ca. 2% Auslieferung 15 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Warenterminbörsen: Barausgleich 1. z.B. Kauf einer short-Position, die zum Juli 2014 den heutigen Preis sichert 1.1.14 1.7.14 2. Preis am 3. Preisdifferenz wird aus physischen Markt dem Future heraus verdient, sinkt dadurch wird der Verlust am physischen Markt ausgeglichen 16 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Warenterminbörsen Deutschland / Europa (Auswahl) Ort Wichtige Produkte Hannover: 1998-2009 (geschlossen) Frankfurt (Eurex / DTB, Schweine, Kartoffeln, Deutschland und SOFFEX, Schweiz) Milchpulver, Butter London (Liffe / Nyse Euronext, Futterweizen, Zucker, USA) Kaffee, Kakao u.a. Paris (MATIF / Nyse Euronext, USA) Mahlweizen, Mais, Raps, Hopfen Budapest Mais, Weizen, Hopfen 17 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Neue Warenterminbörsen und -märkte • Europäische Börsen (v.a. Paris und London) wachsen momentan stark durch Liberalisierung der Gemeinsamen EU- Agrarpolitik (GAP) • Börsen in Schwellen- und Entwicklungsländer wachsen stark: • Dalien und Shanghai (China) • Sao Paolo (Brasilien) • Johannesburg (Südafrika) • Mumbai (Indien) •… • Initiative von Weltbank und US-Bank J.P. Morgan 2011: bis zu 4 Mrd. US-Dollar Absicherungsinstrumente für Entwicklungsländer 18 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Enger Zusammenhang Börsenpreise und Lieferpreise 250 200 Britische Pfund / Tonne 150 100 50 WEED, Nahrungsmittelspekulation, 07.03.2013 0 24.06.2010 16.09.2010 01.12.2010 04.03.2011 10.06.2011 25.08.2011 11.11.2011 31.01.2012 17.05.2010 03.08.2010 26.10.2010 26.01.2011 03.05.2011 18.07.2011 06.10.2011 19.12.2011 07.03.2012 Liffe CBoT MATIF Lieferpreis GB • Terminpreise verändern sich in der Regel vor den Preisen am physischen Markt, laufen quasi voraus 19 Quelle der Grafik: Farming Online WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Weitere Details, Probleme und Risiken • Sicherheitsleistungen („margin“): Einschuss beim Start, ggf. Nachschusspflicht bei Preissteigerungen, hat z.B. 2008 in den USA vielen realwirtschaftlichen Händlern Probleme bereitet • Preisrisiken bei Rückkauf, Glattstellen usw., ggf. noch Währungsrisiken bei Handel an Börsen außerhalb des Euroraums • Entkopplung der Terminpreise von den physischen Märkten WEED, Nahrungsmittelspekulation, 07.03.2013 („Divergenz“), z.B. in den USA 2008, macht Handelsstrategien zunichte • Handel in der Regel durch Großhändler (Cargill, Töpfer, BayWa, HaGe Nord, usw.) oder über Broker bzw. Spezialfirmen (Kaack, KS Agrar, usw.), gegebenfalls zusätzliche Kosten • Einfluss der Spekulanten 20 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
21
Neue Akteure 1: Banken In den USA wurden ab 1991 und dann v.a. um 2000 Beschränkungen in Warenterminmärkten aufgehoben, die Banken die Teilnahme erleichterten und vor allem den außerbörslichen Handel (Over the Counter) liberalisierten. 22 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Neue Akteure 2: Hedge Fonds Besonders in den letzten Jahren sehr aktiv in Rohstoffmärkten. Der Londoner Hedge Fond Armajaro kaufte im Juli 2010 fast alle verfügbaren Kakao- Futures an der Börse. 23 WEED, WEED,Nahrungsmittelspekulation, Nahrungsmittelspekulation,Januar März 2013 2014
Neue Akteure 3: Pensions- und Versicherungsfonds Um 2005 wurden die Grenzen in den USA weiter aufgeweicht und es gab einen neuen Investmenttrend, wodurch auch Pensions- und andere Fonds groß in den Handel einstiegen. In der EU dürfen die meisten Fonds nicht in physischen Märkten aktiv sein, können aber indirekt in Rohstoffmärkte investieren. 24 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Indexfonds Index = Kaufempfehlung (z.B. S&P-GSCI Agriculture): Mais 28,60% Weizen 24,00% Soja 15,50% Zucker 14,80% Baumwolle 8,80% Kaffee 6,50% Kakao 1,80% Geld Geld Sparer / Fonds Rendite Rendite Börse Investor (Bank) Future Swap (long) • 2003: ca. 13 Mrd. USD, 2008: ca. 260 Mrd. USD • Auch als börsengehandelte Fonds (ETF) und Zertifikate • Ein Anlagegrund: Risikodiversifizierung 25 WEED, WEED,Nahrungsmittelspekulation, Nahrungsmittelspekulation,Januar März 2013 2014
Rohstoffterminprodukte & Agrarrohstoffpreise 500,00 400,00 300,00 Mrd. USD / Index 200,00 100,00 0,00 Jan 07 Jan 08 Jan 09 Jan 10 Jan 11 Aug 06 Jul 07 Jul 08 Jul 09 Jul 10 Index-Swaps (Mrd. Börsengehandelte Mittelfristige Agrarrohstoffpeise USD) Produkte (Mrd. USD) Schuldverschreibun- (Index) gen (Mrd. USD) 26 Quelle: BIS, basierend auf Barclays Capital, eigene Berechnungen WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Absicherung und Spekulation: Weizenfuture Chicago 1998 2008 7% 16% 31% 41% 77% 28% Phys i s che Abs i cherer Kl a s s i s che Spekul anten Indexs pekul a nten Quelle: Michael W. Masters / Adam Knight, mit Daten von CFTC, Goldman 27 Sachs, Standard & Poor’s, Dow Jones WEED, WEED,Nahrungsmittelspekulation, Nahrungsmittelspekulation,Januar März 2013 2014
Ausstehende Verträge (open interest) CBoT Weizen 600000 500000 400000 300000 200000 100000 0 27.07.1999 20.08.2002 13.09.2005 07.10.2008 01.11.2011 13.01.1998 06.02.2001 02.03.2004 27.03.2007 20.04.2010 28 Quelle: CFTC WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Ernten und Futureshandel: EU/USA im Vergleich 2011 Nationale 5000 Weizenernte 4500 USA (USA, EU) 4000 Als Futures 3500 gehandelte 3000 physische Mio. t. 2500 Menge 2000 1500 1000 500 EU 0 Quelle (Graphik): Oxfam auf Grundlage von Daten der CME, Euronext, BSE 29 und USDA, jeweils die wichtigsten Börsen in USA und EU WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Ist Finanzspekulation schädlich: Fragen 1. Verändern (Finanz-)Spekulanten die Terminmarktpreise? Terminmarkt 2. Beeinflussen Terminmarktpreise den physischen Markt? 3. Kaufen Physischer Markt (Finanz-)Spekulanten physische Rohstoffe? 30 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Verändern Spekulanten die Terminmarktpreise? NEIN (aber): • Terminmärkte Nullsummenspiel (immer short- und long- Position; Futures unbegrenzt; z.B. Irwin/Sanders, Stoll/Whaley) • Wo ggf. Einfluss ist, da positiv (Informationen, Liquidität) JA: • Auch Terminpreise hängen von Kaufinteressen der Händler ab: Ann Berg, früher Weizenhändlerin und Direktorin an Chicagoer Börse: “We used to have a saying when someone asked 'Why did the price go up?' and it was 'More buyers than sellers.' In the short run, market orders determine prices. If there are 50,000 orders to buy (...) and 10,000 orders to sell (...), the price goes up. It is that simple.” (Email an M. Henn) 31 WEED, Nahrungsmittelspekulation, 10.12.2013
Verändern Spekulanten die Terminpreise? (2) Prehn / Glauben (IAMO) / Loy (Univ. Kiel) / Pies / Will (Univ. Halle) (2013): Der Einfluss von Long-only-Indexfonds auf die Preisfindung und das Marktergebnis an landwirtschaftlichen Warenterminmärkten: „ein Markteintritt weiterer Long-only- Indexfonds bzw. die Erhöhung des Einlagevermögens in bestehende Long-only-Indexfonds (…) [kann] dazu führen, dass sich der Gleichgewichtspreis nicht nur dem zukünftig erwarteten Kassapreis annähert, sondern diesen sogar übersteigen kann. (…) Spekulanten, wie etwa Hedge Fonds, [werden] Verkaufspositionen einnehmen und auf fallende Marktpreise wetten. Auch dies führt in der Tendenz zu fallenden Warenterminpreisen.“ Anmerkung: Die Autoren gelten eigentlich als Verteidiger der Spekulation, aber gestehen selbst Preiswirkungen zu 32 WEED, Nahrungsmittelspekulation, 10.12.2013
Beeinflussen Terminpreise den physischen Markt? NEIN (aber): • Physischer Markt durch Angebot und Nachfrage bestimmt • Einfluss nur über Lagerhaltung, dann aber ökonomisch sinnvoll JA: • Lagerhaltung findet statt: US-Bauer Craig Stewart: „Wenn die Future-Preise für Mais hoch sind an der Börse, dann lagere ich ihn in meinen Silos länger. Es ist für mich daher auch völlig klar, dass die Milliarden der Spekulanten die Preise für Lebensmittel nach oben treiben.“ (FAZ 10.10.2013); allerdings oft schwierig festzustellen wegen fehlender Daten • Preisfindungsmechanismus: Terminpreis als Orientierung für physischen Handel, wahrscheinlich ohne Lagerhaltung möglich 33 WEED, Nahrungsmittelspekulation, 10.12.2013
Enger Zusammenhang Terminpreise und Lieferpreise 250 Britische Pfund / Tonne 200 150 100 Liffe CBoT 50 MATIF Lieferpreis GB WEED, Nahrungsmittelspekulation, 07.03.2013 024.06.2010 16.09.2010 01.12.2010 04.03.2011 10.06.2011 25.08.2011 11.11.2011 31.01.2012 17.05.2010 03.08.2010 26.10.2010 26.01.2011 03.05.2011 18.07.2011 06.10.2011 19.12.2011 07.03.2012 Hernandez/Torero (2010) (IFPRI): Examining the Dynamic Relationship between Spot and Future Prices of Agricultural Commodities: Terminpreise für vier wichtige Agrarrohstoffe laufen physischen Preisen zeitlich vor 34 Quelle der Grafik: Farming Online WEED, Nahrungsmittelspekulation, 10.12.2013
Sind speziell Indexfonds ein Problem? NEIN: • Bringen Liquidität, füllen Lücke auf long-Seite, sind berechenbar • keine Korrelation von Indexhändlern und Preisen JA: • Preissignal: „Gewicht des Geldes“, long-Positionen von Indexfonds verstärken Preisdruck nach oben • Handelsinteressen: Portfoliodiversifizierung (Finanzmarktmotiv) • Korrelation von Indexhändlern und Preisen, außerdem von verschiedenen Agrar- sowie von Agrar- und Finanzmärkten (z.B. Silvennoinen/Thorp 2013), besonders bei indexierten Rohstoffen 35 WEED, Nahrungsmittelspekulation, 10.12.2013
Exzessive Spekulation US-Senat (2006): The Role of Market Speculation in Rising Oil and Gas Prices: “The large purchases of crude oil futures contracts by speculators have, in effect, created an additional demand for oil, driving up the price of oil to be delivered in the future in the same manner that additional demand for the immediate delivery of a physical barrel of oil drives up the price on the spot market.” US-Senat (2009) : Excessive Speculation in the Wheat Market: “This Report concludes there is significant and persuasive evidence that one of the major reasons for the recent market problems is the unusually high level of speculation in the Chicago wheat futures market due to purchases of futures contracts by index traders...” 36 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Einfluss der Indexierung auf die Preise Tang, Ke (Princeton University) / Xiong, Wei (Renmin University) (2012): Index Investment and the Financialization of Commodities. Financial Analyst Journal, Vol 68, Number 6, pages 54-74: „concurrent with the rapid growth of index investment in commodity markets, prices of non-energy commodities have become increasingly correlated with oil prices. This trend is significantly more pronounced for commodities in two popular indices: the S&P GSCI and the DJ-UBSCI. (...) As a result of the financialization process, the price of an individual commodity is no longer determined solely by its supply and demand. Instead, prices are also determined by the aggregate risk appetite for financial assets and the investment bebavior of diversified commodity index investors. This fundamental change ... is likely to persist so long as commodity index investment remains popular among financial investors...“ 37 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Indexfonds und die Krise von 2007/08 38 Quelle: Michael W. Master, Testimony to US Senate, 20. Mai 2008 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Indexfonds Investitionen 140 120 100 Indexfonds 80 Netto-Longpo- sition CBOT* 60 FAO Getrei- 40 depreisindex* Vertragsäquiva- 20 lente *indexiert, Dez 07 = 100 0 Jun 08 Jun 09 Jun 10 Okt 10 Dez 07 Dez 08 Dez 09 Aug 10 Dez 10 39 Quelle: FAO, CFTC, eigene Berechnungen WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Indexfonds: nur wenige Jahre alt, aber unverzichtbar? ● Indexfonds bis Anfang das Jahrtausends – auch in US-Märkten – fast nicht aktiv – dennoch funktionierten die Märkte und es gab nach allem Anschein keine Klagen über zuwenig Liquidität ● Indexfonds wurden vonseiten der Banken nur eingeführt, um den Anlegern Gewinne zu verschaffen – es war also nicht das Ziel, Liquidität zu schaffen ● Publikums-Fonds in der EU ist bis heute nicht gestattet, direkt in Rohstoffe und Rohstoff-Futures zu investieren (OGAW-Richtlinie) 40 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Liffe (London) Futterweizen Future – Händleranteile 100,0 Long 100,0 Short 80,0 80,0 60,0 60,0 % % 40,0 40,0 20,0 20,0 0,0 0,0 29.11.2011 15.05.2012 30.10.2012 29.11.2011 15.01.2012 30.10.2012 06.09.2011 21.02.2012 07.08.2012 22.01.2013 06.09.2011 21.02.2012 07.08.2012 22.01.2013 Producer/Merchant/ Processor/User Swap Dealers Managed Money Other Reportables 41 Non Reportables WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Meta-Analysen • Will e.a. (2012): Literaturüberblick: große Mehrheit der Studien entlastet Spekulation bzw. Indexfonds • Henn (2013), Kommentar zu Will e.a. (2012): - Unvollständige Auswahl begutachteter Literatur - Unvollständige Auswahl grauer Literatur, zweifelhafte Wertung - Einseitige Kritik an spekulationskritischen Studien - Unkritisch verwendete und beschränkte Methodik - Falsche Darstellung der Regulierungsdebatte • Bass (2013): Kritik an Will e.a. (2012) und auch an den maßgeblichen Studien von Irwin/Sanders aus den USA 42 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Meta-Meta-Analyse von Will e.a. (2012) Kayvan Bozorgmehr e.a. (2013): Relationship between financial speculation and food prices or price volatility: applying the principles of evidence-based medicine to current debates in Germany. Globalization and Health, 9:44. 43 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Hochfrequenzhandel • Filimonov (ETH Zürich), Bicchetti (UNCTAD), Maystre (UNCTAD / Univ. Genf), Sornette (Swiss Finance Institute) (2013): Quantification of the High Level of Endogeneity and of Structural Regime Shifts in Commodity Markets: „We find an overall increase of the level of short-term endogeneity since the mid-2000s to October 2012, with a typical value nowadays around 0.6-0.7, implying that at least 60-70 per cent of commodity price changes are now due to self-generated activities rather than novel information.“ • 2013: Strafe von 2,8 Mio. US-Dollar durch US-Aufsichtsbehörde für Hochfrequenzhandelsfirma Coscia&Partner, die u.a. mit Maisfutures gehandelt hatten 44 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Finanzspekulanten kontrollieren physische Rohstoffe • Verknappt das reale Angebot und macht Horten möglich, allerdings bislang nicht bei Weizen oder Mais bekannt • Goldman Sachs, Barclays und JP Morgan kontrollierten 2009 physische Rohstoffe im Wert von 16 Mrd. Pfund, mehr als drei Mal so viel wie 2008; Deutsche Bank hat Allianz mit größtem Zuckerhändler der Welt • physisch abgesicherte börsengehandelte Produkte nehmen zu (Exchange Traded Funds/Notes/Commodties, ETF/ETN/ETC), z.B. Kupferfonds der US-Bank JP Morgan, die von der Kupferindustrie massiv kritsiert und abgelehnt wurden. 45 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Commodity Markets Oversight Coalition (USA) 2010: Brief mit 80 Unterzeichnern an den US-Kongress, darunter: Agricultural Retailers Association, American Association of Crop Insurers, American Cotton Exporters Association, Industrial Energy Consumers of America, National Association of Convenience Stores, National Association of Oil Heat Service Managers, National Farmers Union, Petroleum Marketers Association of America Unter anderem als Forderungen: • Limit exchange traded fund investments in physical commodities and their derivatives; • Require across-the-board aggregate speculation limits to prevent traders from taking a controlling position in a commodity by taking large positions on multiple platforms; 46 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Positionslimits: Chicago, Paris, Dalien, Sao Paolo... 47 WEED, WEED,Nahrungsmittelspekulation, Nahrungsmittelspekulation,Januar März 2013 2014 Tabelle: CFTC Positionslimits für US-Terminbörsen, www.cftc.gov.
Nötige Regulierung, v.a. für neue Finanzakteure • Handel auf Börsen oder über Clearingstellen, soweit möglich • Für außerbörslichen (OTC) Handel hohe Sicherheitsleistungen • Berichtspflicht mit öffentlichen Berichten • Preisaufsicht und Preislimits • Verhinderung exzessiver Spekulation und Positionslimits • Verbot oder zumindest starke Beschränkung für Rohstofffinanzprodukte und Eigenhandel von Banken • Kontrolle der Spekulation der multinationalen Agrarkonzerne • Transaktionssteuer auf Rohstoffterminhandel • Alternativen zu Terminmärkten stärken, z.B. Preiskontrollen im physischen Markt, Versicherungen, (internationale) Abkommen 48 WEED, Nahrungsmittelspekulation, Januar 2014
Die politische Debatte G20: Derivate allgemein, Preisvolatilität, Landwirtschaft USA: Dodd-Frank Act, Juli 2010: Clearing, Positionslimits gestärkt, Eigenhandel beschränkt, Transparenz EU: Neue OTC-Derivate-Verordnung, Überarbeite Richtlinien zu Finanzinstrumenten und Marktmissbrauch Deutschland: momentan eher regulierungsfreundlich 49 49
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung World Economy, Ecology & Development www.weed-online.org
Sie können auch lesen