Forum Regierungsviertel 2023 - Geschichte - Bestand - Analyse
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Vorwort Forum Regierungsviertel - Forum Schloss? Wie soll das neue Forum genannt werden? Diese rungen an Beteiligung haben all diese Entwicklun- Frage stellt sich eigentlich nicht, da die Aufgaben- gen Einfluss auf das neue Verfahren, welches 2023 stellung die Aufwertung und Neuinterpretation des durchgeführt werden soll. Regierungsviertels von Rheinland-Pfalz genauso um- fasst, wie die Revitalisierung des Schlossumfelds. Das Jahr 2022 bleibt nicht nur aufgrund der ak- tuellen Ukraine- und Energiekrise in Erinnerung, Bereits 2008 hat die Landeshauptstadt Mainz ge- sondern auch wegen des außergewöhnlich heißen meinsam mit Vertreter:innen des Landes Rheinland- und trockenen Sommers, der uns den Klimawandel Pfalz zu einem Forum Regierungsviertel geladen, um schmerzlich vor Augen führte. mit der Stadtgesellschaft - den Mainzerinnen und Mainzern - über die Entwicklung des Regierungsvier- Diese Erfahrung wie auch die intensive Auseinander- tels zu beraten. setzung mit klimaökologischen Aspekten im Zuge der Bewerbung zur Landesgartenschau 2027 ver- Schlussendlich verabschiedete damals das Forum deutlichten, dass sich auch die Landeshauptstadt Empfehlungen, die in einen Freianlagenwettwerb Mainz in einem tiefgreifenden Transformationspro- münden sollten, der dann aus finanziellen Gründen zess befindet. Vielfältige ökologische Aspekte einer leider nicht realisisiert werden konnte. nachhaltigen Stadtentwicklung müssen mit den ge- stalterischen, sozialen und wirtschaftlichen Quali- Heute, beinahe 15 Jahre später, soll das Forum erneut täten und Anforderungen in eine neue Balance ge- zusammenfinden, wobei sich wesentliche (stadt-) bracht werden. gesellschaftliche Fragestellungen und Herausforde- rungen neu darstellen. Alleine die Fragestellungen, Der Klimaschutz, die Energiewende, die Zukunft der die mit der Klimaentwicklung zusammenhängen, Mobilität, die Bewahrung von Biodiversität und von sorgen bei vielen Akteuren, die zu beteiligen sind, natürlichen Ressourcen sind beispielgebend für die für neue Denkansätze, Wünsche und Vorstellungen. gegenwärtigen Herausforderungen in der Stadtent- wicklung. Nach zahlreichen Krisen, neuen gesellschaftlichen Entwicklungen und Herausforderungen, veränder- ten finanziellen Möglichkeiten und neuen Anforde-
Mainz braucht zukunftsweisende Konzepte zur Stär- Auch das Regierungsviertel weist deutliche Defizi- kung der städtischen Freiräume. Eine zunehmend te auf. Insbesondere in den wichtigsten Bereichen diversifizierte Stadtgesellschaft bringt neue Prioritä- des Freiraumsystems, dem Ernst-Ludwig-Platz mit ten und Nutzungsansprüche hervor, die sich im An- Helmut-Kohl-Platz, Platz der Mainzer Republik und gebot von Plätzen, Parkanlagen, Sport- und Spielflä- Deutschhausplatz konnten Erneuerungsmaßnah- chen wiederfinden müssen. Darüber hinaus werden men, wenn überhaupt, nur fragmentarisch umgesetzt die Ökosystemleistungen von begrünten Freiräumen werden. Darüber hinaus fehlt es den Straßenräumen wieder verstärkt als ebenso wichtige Faktoren von und Plätzen an Aufenthaltsqualität, Begrünung und städtischer Lebensqualität wahrgenommen. Das Repräsentativität. Hierunter leiden zentrale Funktio- Freiraumangebot gehört damit zur zentralen Infra- nen wie die Wohn- und Lebensqualität, das Image struktur der Stadt. und die Attraktivität des Stadtbildes sowie die stadt- ökologische Situation. In der hochverdichteten Mainzer Innenstadt zeigen sich die Defizite an der grünen Infrastruktur am deut- Das Römisch-Germanische Zentralmuseum hat den lichsten. Dieses Manko beeinträchtigt viele städti- Umzug in das neue Leibniz-Zentrum für Archäolo- sche Funktionen wie die Qualität des Wohnens, die gie gerade abgeschlossen. Die lange geplante Sa- Identität, das Stadtbild, die Biodiversität und die nierung des Kurfürstlichen Schlosses kann endlich Klimaresilienz. beginnen. Mit Abschluss der Arbeiten in den kom- menden Jahren wird das Schloss, seiner Bedeutung Dabei spielt die Ertüchtigung der bestehenden Frei- gebührend, eine erste Adresse für Kongresse und räume eine entscheidende Rolle. Die Verbesserung Veranstaltungen sein. des Bestandes hinsichtlich Nutzbarkeit und Vernet- zung, ökologischer Qualität und kulturhistorischer Die zukünftige Gestaltung und Qualität der öffentli- Ausstrahlung ist gerade in Mainz von eminenter Be- chen Flächen sollen dann einen würdigen Rahmen deutung. bieten und dem Regierungsviertel von Rheinland- Pfalz ein neues Image und eine eigene Identität ver- leihen. Vielfältige Interessen sind auszuloten und miteinan- der in Einklang zu bringen. Durch das Forum und be- gleitende umfassende Öffenlichkeitsbeteiligungen soll die Stadtgesellschaft mehr denn je eingebunden und Mainzer:innen zu Wort kommen. Hierzu lade ich Sie herzlich ein. Marianne Grosse Dezernentin für Bauen, Denkmalpflege und Kultur der Landeshauptstadt Mainz
Inhaltsverzeichnis 1. Anlass 6 2. Historie - Forum Regierungsviertel 7 2.1 Ablauf 7 2.2 Empfehlungen 7 3. Verfahren 10 3.1 Forum Regierungsviertel 2023 10 3.2 Veränderte Aufgabenstellung – Beteiligung der Stadtgesellschaft 10 3.3 Erneuerung eines prominenten Stadtraums – nachhaltige Stadtentwicklung 11 3.4 Förderung des Klimaschutzes und der Klimaresilienz 11 4. Bearbeitungsgebiet 12 4.1 Abgrenzung 12 4.2 Eigentumsverhältnisse 13 5. Historische Entwicklung 14 5.1 Historische Entwicklung ab dem Mittelalter 14 5.2 Mainz wird Landeshauptstadt 22 5.3 Entwicklungen im Regierungsviertel 24 5.4 Baumaßnahmen der letzten 30 Jahre 30 6. Neuere Planungshistorie 32 6.1 Regierungsviertel 32 6.2 Sonderfall Ernst-Ludwig-Platz 35 7. Baustruktur und bauliche Nutzungen 38 7.1 Status quo 38 7.2 Verlagerungsabsichten 40 7.3 Denkmalzonen und Einzeldenkmäler 40 7.4 Kunstwerke und Skulpturen im Bearbeitungsgebiet 43 7.5 Naturhistorisches Museum 46 7.6 Stand der Sanierungsarbeiten im Kurfürstlichen Schloss, Freiraumgestaltung des Innenhofs 50 7.7 Anforderungen 50 8. Freiräume und Freiraumnutzungen 51 8.1 Status quo 51 8.2 Sondernutzungen und Veranstaltungen 55 8.3 Anforderungen 56 9. Verkehr 58 9.1 Motorisierter Individualverkehr 58 9.2 Ruhender Verkehr 59 9.3 Öffentlicher Personennahverkehr 59 9.4 meinRad 61 9.5 Carsharing 61 9.6 Fuß- und Radverkehr 64 9.7 Anforderungen 65
10. Beleuchtung 66 10.1 Beleuchtungskonzept Mainz Innenstadt 66 10.2 Straßenbeleuchtung 66 10.3 Beleuchtete Gebäude und Objekte 68 10.4 Kommerzielles Licht 68 10.5 Anforderungen 68 11. Schwerpunktbetrachtung 70 11.1 Ernst-Ludwig-Platz / Helmut-Kohl-Platz 72 11.2 Parkplatz Schloss 74 11.3 Innenhof und Umfeld Schloss 76 11.4 Vorfeld Kirche St. Peter / Allianzhaus 78 11.5 Parkplatz Petersstraße 80 11.6 Platz der Mainzer Republik / Deutschhausplatz und Vorfläche Landtag 82 11.7 Mitternacht / Naturhistorisches Museum 84 I. Quellen 86 II. Abbildungsverzeichnis 87 III. Tabellenverzeichnis 89
1. Anlass Die großen Freiflächen des Regierungsviertels, der Das Forum Regierungsviertel, welches zuletzt 2009 Ernst-Ludwig-Platz, Helmut-Kohl-Platz, Platz der getagt hatte, soll neu gegründet werden und sich mit Mainzer Republik, Deutschhausplatz und Parkplatz der Entwicklung des Regierungsviertels unter Betei- Schloss prägen, gemeinsam mit den historischen ligung der Bürgerschaft befassen. Gebäuden, dem Kurfürstlichen Schloss, Deutsch- haus, Altes und Neues Zeughaus, Kirche St. Peter Die Erkenntnisse aus der Machbarkeitsstudie zur und dem ehemaligen Großherzoglichen Landgericht Landesgartenschau Rheinland-Pfalz sollen für die (heute Sitz des Justizministeriums und des Landes- zukünftige Entwicklung des Regierungsviertels ge- sozialgerichts) das Regierungsviertel von Rheinland- nutzt werden, um auch einen Beitrag gegen den Kli- Pfalz. Das Regierungsviertel ist die politische Schalt- mawandel zu leisten. zentrale von Rheinland-Pfalz. Nach Auszug des Römisch-Germanischen Zentral- Die Gestaltung und die Nutzung der städtischen Plät- museums (RGZM) werden die Sanierungsarbeiten ze werden ihrer geschichtlichen, funktionalen und im Kurfürstlichen Schloss wieder aufgenommen. In stadtstrukturellen Bedeutung kaum gerecht. Dem diesem Kontext soll das Umfeld des Kurfürstlichen öffentlichen Raum fehlt repräsentativer Charakter. Schlosses aufgewertet und über die Große Bleiche hinweg mit dem Landtag von Rheinland-Pfalz, dem Die Landeshauptstadt Mainz beabsichtigt durch Deutschhausplatz und dem Platz der Mainzer Repu- eine intensive Einbindung der Stadtgesellschaft die blik stärker als bisher verknüpft werden. Grundlage eines Wettbewerbsverfahrens zur Neuge- staltung der öffentlichen Räume im Regierungsvier- Die unterschiedlich gestalteten Straßen und Plätze tel zu schaffen. Ziel ist eine deutliche Aufwertung des Regierungsviertels besitzen vielfältige Defizite, des gesamten Quartiers zwischen Kurfürstlichem allen voran einen hohen Versiegelungsgrad. Bezüge Schloss, Landtag und Staatskanzlei sowie Naturhis- zwischen den einzelnen Teilflächen sind nicht vor- torischem Museum. handen. Der Sanierungsbedarf ist erheblich. Abb 1: Schrägluftaufnahme des Regierungsviertels Rheinland-Pfalz 2022 6
2. Historie - Forum Regierungsviertel 2.1 Ablauf besondere Lagegunst der Stadt Mainz und des Re- gierungsviertels am Rhein berücksichtigt werden. 2008 beauftragte der Stadtrat das Baudezernat der Das Forum Regierungsviertel empfiehlt, geeignete Landeshauptstadt Mainz, für das Regierungsviertel Maßnahmen zu ergreifen, um eine intensivere Ver- von Rheinland-Pfalz das sogenannte „Forum Regie- knüpfung des Rheinufers mit dem Regierungsviertel rungsviertel“ durchzuführen. über die Peter-Altmeier-Allee hinweg zu gewährleis- ten. Ziel von insgesamt fünf Forensitzungen, die in den Jahren 2008 und 2009 durchgeführt wurden, war die IV. Eine weitgehende Attraktivitätssteigerung des Festlegung städtebaulicher Parameter für die weitere öffentlichen Raumes und eine funktionale Verknüp- Entwicklung und Gestaltung des Regierungsviertels. fung der Plätze über die Große Bleiche hinweg wird Eine neue Struktur und Gestaltung der öffentlichen angemahnt. Das Forum Regierungsviertel empfiehlt, Plätze sollte die Identität des Regierungsviertels von durch geeignete Maßnahmen die städtebauliche Rheinland-Pfalz schärfen und ein positives eigen- Barriere Große Bleiche zu entschärfen und die Que- ständiges Image verleihen. Darüber hinaus sollte rungsmöglichkeiten zu verbessern. die Aufenthaltsqualität des öffentlichen Raums ver- bessert und das innenstadtnahe Wohnumfeld auf- V. Das Forum Regierungsviertel empfiehlt die Schaf- gewertet werden. fung einer öffentlich wirksamen Nutzung und eine attraktive Gestaltung der Plätze und, je nach Mög- In den öffentlichen Foren wurden unter Beteiligung lichkeit, der angrenzenden Gebäude. Insgesamt soll von 50 Vertreter:innen aus Politik, Verwaltung und eine eigenständige Identität und eine hohe Aufent- gesellschaftlichen Gruppierungen Empfehlungen haltsqualität geschaffen werden. Hierzu wird auch zur städtebaulichen Entwicklung verabschiedet, die eine Verlagerung des ruhenden Verkehrs für notwen- anschließend von den politischen Gremien der Lan- dig erachtet. deshauptstadt Mainz bestätigt wurden. VI. Der Freiraum des Regierungsviertels besitzt keine Eine Hauptempfehlung war die Durchführung eines eindeutige Struktur und geht teilweise diffus inein- Ideen- und Realisierungswettbewerbes für das Re- ander über. Hierdurch verliert er an eigener Kraft und gierungsviertel. kann keine eigenständige Identität entwickeln. Das Forum regt an, durch raumbildende Maßnahmen (Bebauung, Bepflanzungen, Wasserflächen etc.), den Freiraum stärker als bisher zu strukturieren. Hierbei sind die Blick- und Wegebeziehungen zu be- 2.2 Empfehlungen 2009 achten. Hauptempfehlungen VII. Die zukünftige Nutzung der öffentlichen Räume wie auch der angrenzenden Gebäude - allen voran I. Das Regierungsviertel besitzt für die Stadt Mainz des Kurfürstlichen Schlosses - sind von entscheiden- und für das Land Rheinland-Pfalz eine besondere der Bedeutung für das Image, die Identität und die Bedeutung. Daher müssen die Stadträume mit sehr Attraktivität des Regierungsviertels. Das Forum Re- hoher Qualität gestaltet und genutzt werden. Das gierungsviertel empfiehlt dringend ein umfassendes Forum empfiehlt einen städtebaulichen Wettbewerb und nachhaltiges Nutzungskonzept im Vorfeld des mit dem Ziel durchzuführen, dem Regierungsvier- Wettbewerbes zu entwickeln. Hierbei soll eine Nut- tel durch eine nachhaltige Umgestaltung ein neues zungsmischung bzw. publikumsattraktive Nutzun- Image und eine neue Identität zu verleihen. Dabei gen angestrebt werden. sollen die Prinzipien des Gender Mainstreamings beachtet werden. II. Das Ergebnis des städtebaulichen Wettbewerbes soll zeitnah realisiert werden, wobei der Deutsch- Empfehlungen im Einzelnen hausplatz mit Priorität umgestaltet werden soll. Nach Neugestaltung des Deutschhausplatzes sollen Gestaltung zeitnah die weiteren Bereiche des Regierungsvier- tels im Sinne eines Gesamtkonzeptes qualitätvoll 1. Alle Maßnahmen im Regierungsviertel, die Ein- realisiert werden. fluss auf die Gestaltung des öffentlichen Raumes ausüben, sollen dem übergeordneten Ziel der Image- III. Bei Entwicklung eines ganzheitlichen Gestal- verbesserung und einer neuen Identität unterliegen. tungskonzeptes für das Regierungsviertel soll die 7
2. Die Plätze Deutschhausplatz, Ernst-Ludwig-Platz streaming gestaltet sein. Der öffentliche Raum soll und Schlossplatz bilden das Grundgerüst des öf- im Sinne der Gleichstellung barrierefrei sein. fentlichen Raumes im Regierungsviertel. Das Forum empfiehlt, die Plätze durch raumbildende Maßnah- 12. Eine attraktive Beleuchtung der öffentlichen men stärker voneinander abzugrenzen. Räume und Gebäude im Regierungsviertel trägt er- heblich zum Imagegewinn bei. Eine umfassende 3. Im Zuge des Wettbewerbes empfiehlt das Forum Lichtplanung auf Grundlage des städtischen Be- die raumbildende Kanten an der Diether-von-Isen- leuchtungskonzeptes für die Mainzer Innenstadt ist burg-Straße und der Ernst-Ludwig-Straße wie auch erforderlich. die städtebauliche Kante „Rheinfront“ zu überprü- fen. 13. Die Orientierung soll verbessert, Angsträume vermieden und die Transparenz und Übersichtlich- 4. Im Rahmen eines städtebaulichen Wettbewerbes keit gewährleisten sein. sollten für die einzelnen Plätze Gestaltungskonzep- te entwickelt werden, die durch Alleinstellungsmerk- 14. Die Verwendung hochwertiger Materialien, Ober- male eigene Identitäten erzeugen, z.B. repräsen- flächen, Möbeln etc. ist zwingend erforderlich um tativer Deutschhausplatz - Ernst-Ludwig-Platz mit der herausgehobenen Bedeutung des Regierungs- Erholungsfunktion -repräsentativer Schlossplatz mit viertels für die Stadt Mainz und das Land Rheinland- Aufenthaltsqualität. Pfalz gerecht zu werden. 5. Das Forum empfiehlt die Aufenthaltsfunktion der 15. Das Naturhistorische Museum ist ein wichtiger Plätze generell zu erhöhen. Die Gestaltung der Frei- Bestandteil an der Nahtstelle zwischen Regierungs- flächen soll dazu beitragen, dass die Plätze belebt viertel und Altstadt. Diese Institution soll noch stär- werden. ker als bisher im öffentlichen Raum dargestellt wer- den. 6. Die Lagegunst des an den Landschaftsraum Rhein angrenzenden Regierungsviertels soll zukünftig stär- ker genutzt werden. Das Forum regt an, das Regie- rungsviertel stärker mit dem Rheinufer zu verknüp- Nutzung fen. 1. Ein Nutzungskonzept für das Kurfürstliche Schloss 7. Eine stärkere Präsenz der Martinsburg im Stadt- ist von besonderer Bedeutung für die weitere Pla- bild als Beitrag zur erlebbaren Geschichte der Stadt nung und Entwicklung des Regierungsviertels. Öf- Mainz ist sinnvoll und soll bei einer Neugestaltung fentlichkeitswirksame Nutzungen im Zusammen- des Schlossvorfeldes berücksichtigt werden. hang mit der Funktion Regierungsviertel werden für notwendig erachtet. Eine zeitnahe Konzeption wird 8. Das Schlossvorfeld kann durch eine Neugestal- dringend empfohlen. tung mit Aufenthaltsfunktion zur Belebung des Are- als beitragen. Denkbar ist z. B. die Anordnung von 2. Nutzungskonzepte für die einzelnen Stadtplätze Sitzstufen. sind als Basis der weiteren Entwicklung und Gestal- tung des Regierungsviertels von entscheidender Be- 9. Die Kunst im öffentlichen Raum im Regierungs- deutung. Die Aufenthalts- und Erholungsfunktion viertel bedarf einer Neuordnung. Ein behutsamer sollen verstärkt werden und Stadtfeste nur im be- Umgang mit Kunst im öffentlichen Raum wird ange- schränkten Maße zugelassen werden. Ein multifunk- mahnt. Bei der Neu-Präsentation künstlerischer Bei- tional nutzbarer „harter“ Stadtplatz Ernst-Ludwig- träge wie Skulpturen etc. soll auch an die Geschichte Platz ist nicht gewünscht. der Frauen und weibliche Persönlichkeiten erinnert werden. 3. Ein verstärktes Angebot gastronomischer Nutzun- gen bzw. eine stärkere Nutzungsmischung soll zur 10. Sicht- und Wegebeziehungen können span- Belebung des Regierungsviertels beitragen. Emp- nungsreich die einzelnen Plätze, Freiflächen und fohlen wird eine ausgewogene Nutzungsmischung Gebäude verbinden. Sie zu bewahren und wieder- aus Kultur, Events und Gastronomie, die den öffent- herzustellen soll ein wesentlicher Bestandteil des lichen Raum beleben soll. Wettbewerbsverfahrens sein. Insgesamt soll eine differenzierte Platzfolge angestrebt werden. 4. Der öffentliche Raum soll grundsätzlich nach den Prinzipien des Gender-Mainstreamings, also auch 11. Das Regierungsviertel muss repräsentativ für alle für Mädchen und Jungen nutzbar gestaltet werden. Bevölkerungsgruppen im Sinne von Gender Main- 8
5. Der Deutschhausplatz sollte seinen Platzcharak- 6. Die Ein- und Ausfahrten und die Zugänge der Tief- ter beibehalten. Er sollte städtische Freifläche blei- garagen stören erheblich die betroffenen Plätze. ben, mit der Folge, dass die Sicht auf den Landtag Eine stärkere gestalterische Einbindung wird emp- und die Staatskanzlei nicht verstellt wird. Der Platz fohlen. einschließlich Zufahrtsweg sollte ansprechend und repräsentativ gestaltet sein (Besucher, Staatsgäste). 7. Das Forum empfiehlt, ein Parkraumkonzept (auch Es sollte zudem möglich sein, dass Veranstaltungen für Busstellplätze) für das Regierungsviertel zu ent- im Landtagshof und im Hof der Staatskanzlei im Be- wickeln. darfsfall auch auf den Bereich vor dem Tor auf dem Deutschhausplatz erstreckt werden können (z. B. Mainz, 2009 Verfassungsfest, Kinderfest des Ministerpräsiden- ten, Tag der Offenen Tür etc.). 6. Eine Gestaltung des Ernst-Ludwig-Platzes sollte im Ergebnis das Open-Air-Festival ebenso wenig ver- hindern wie das Verfassungsfest, das durchaus zu besonderen Anlässen auch den Platz vor dem Land- tag (Grünfläche) beanspruchen kann. Eine stärkere Orientierung als Veranstaltungsfläche ist aber nicht erforderlich. D. h. der Platz sollte nicht als Veran- staltungsfläche hergestellt werden, er sollte aber die oben genannten Veranstaltungen weiter ermög- lichen. Verkehr / Ruhender Verkehr 1. Der Ruhende Verkehr dominiert wesentliche Be- reiche des Regierungsviertels. Eine Verlagerung des Ruhenden Verkehrs vom Schlossplatz, Deutsch- hausplatz und aus der Großen Bleiche in die vorhan- denen Tiefgaragen führt zu einer deutlichen Entlas- tung des Ortsbildes und eröffnet Optionen für neue attraktive Nutzungen. 2. Der Individualverkehr auf dem Deutschhausplatz steht den Zielen einer stärkeren Verknüpfung des Regierungsviertels und der Schaffung eines reprä- sentativen Deutschhausplatzes teilweise entgegen. Basierend auf einem Verkehrskonzept soll das Ziel, den Individualverkehr vom zukünftig repräsentativ gestalteten Deutschhausplatz zu verlagern, verfolgt werden. 3. Das Forum empfiehlt, die Funktion der Großen Bleiche für den Individualverkehr und den Öffentli- chen Personennahverkehr (ÖPNV) aufrechtzuerhal- ten. Dies trägt zur Belebung des gesamten Quartiers bei. 4. Eine bessere Querungsmöglichkeit der Peter-Alt- meier-Allee würde das Regierungsviertel noch bes- ser als bisher mit dem Rheinufer verbinden. 5. Der Landtag und die Staatskanzlei werden täglich von Reisebussen aus ganz Rheinland-Pfalz angefah- ren. Ausreichende Busparkplätze für Besucher des Landtags und der Landesregierung in erreichbarer Nähe sind wünschenswert. Dabei soll darauf geach- tet werden, dass die Busse nicht das Ortsbild stören. 9
3. Verfahren 3.1 Forum Regierungsviertel 2023 Ziel der Foren ist die Aktualisierung der Empfehlun- gen aus dem Jahr 2009. Diese sollen wie damals Das Forum „Regierungsviertel 2023“ orientiert sich den politischen Gremien der Landeshauptstadt zur in seiner Vorgehensweise und Struktur an den Foren, Bestätigung vorgelegt werden und als Basis eines die bereits 2008 durchgeführt wurden. zukünftigen Freianlagenwettbewerbs dienen. Das Forum soll in drei Sitzungen zusammenkommen. Um einen breiten Konsens in der Stadtgesellschaft herzustellen, soll das Forum um breit angelegte, er- Beteiligungsschritte: gänzende Beteiligungsformate erweitert werden. Schritt 1: I. Forum Regierungsviertel 2023 – Mögliche zeitlich begrenzte Aktionen und Interven- UPDATE tionen / Beteiligungsformate können sein: Schritt 2: Breite Bürger:innenbeteiligungen in • Zeitlich begrenzte Herausnahme des Durch- Präsenz und online: Bürgerinnen gangsverkehrs in der Großen Bleiche und Bürger haben das Wort • Außenwohnzimmer – Neue Qualitäten auf dem Schritt 3: II. Forum Regierungsviertel 2023 Parkplatz Schloss und dem Ernst-Ludwig-Platz Schritt 4: Entwicklung erleben: Aktionen, • Wasserinstallationen für Klima-, Luft- und Auf- Interventionen, Spaziergänge, enthaltsqualität Kinder- und Jugendbeteiligung, Blockseminare etc. • Nacht- und Sicherheitsspaziergang für Mädchen und Frauen Schritt 5: III. Forum Regierungsviertel 2023 – Empfehlungen • Schulbeteiligung zur Erfassung der Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen • Kulturelle Pop-up Veranstaltungen, Streetfood Mit dem Forum sollen folgende Ziele erreicht wer- etc. den: Eine genaue Definition erfolgt im Laufe des Verfah- • Umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit rens. • Empfehlungen und Zielaussagen für die weitere Planung und Entwicklung des Gebietes Der gesamte Prozess wird von einer Lenkungsgrup- • Möglichst breiter Konsens pe gesteuert und unterstützt, die zur Vorbereitung • Sensibilisierung für das Thema der jeweiligen Schritte des Prozesses und zur Be- • Empfehlungen als Grundlage eines zukünftigen ratschlagung über die jeweiligen Ergebnisse zusam- Freianlagenwettbewerbs für das Regierungsvier- mentritt. tel Abb 2: Verfahrensablauf Forum Regierungsviertel 2023 10
3.2 Veränderte Aufgabenstellung – Darüber hinaus werden die Ökosystemleistungen Beteiligung der Stadtgesellschaft von begrünten Freiräumen wieder verstärkt als eben- so wichtige Faktoren von städtischer Lebensqualität Wesentliche (stadt-)gesellschaftliche Fragestellun- wahrgenommen. Das Freiraumangebot gehört damit gen und Herausforderungen stellen sich beinahe zur zentralen Infrastruktur einer Stadt. 15 Jahre nach dem ersten Forum neu dar. Alleine die Fragestellungen, die mit der Klimaentwicklung In der hochverdichteten Innenstadt von Mainz zei- zusammenhängen, sorgen bei vielen Akteuren, die gen sich die Defizite bei der grünen Infrastruktur zu beteiligen sind für neue Denkansätze, Wünsche am deutlichsten. Dieses Manko beeinträchtigt vie- und Vorstellungen. Nach zahlreichen Krisen, neuen le städtische Funktionen wie die Qualität des Woh- gesellschaftlichen Entwicklungen und Herausforde- nens, die Identität des Stadtbildes, die Biodiversi- rungen, veränderten finanziellen Möglichkeiten und tät und die Klimaresilienz der Stadt. Dabei spielt neuen Anforderungen an Beteiligung haben all die- die Ertüchtigung der bestehenden Freiräume eine se Entwicklungen Einfluss auf die Konzeption des entscheidende Rolle. Die Verbesserung des Bestan- Forums Regierungsviertel 2023 und des kommen- des hinsichtlich Nutzbarkeit und Vernetzung, ökolo- den Planungsprozesses. gischer Qualität und kulturhistorischer Ausstrahlung ist gerade in Mainz von eminenter Bedeutung. 3.3 Erneuerung eines prominenten Stadtraums – nachhaltige Stadtentwicklung Auch das Regierungsviertel weist deutliche Defizi- te auf. Insbesondere in den wichtigsten Bereichen Wie bereits in der Bewerbung zur Landesgarten- des Freiraumsystems, dem Ernst-Ludwig-Platz mit schau dargelegt, steht Mainz vor einem umfas- Helmut-Kohl-Platz, Platz der Mainzer Republik und senden Veränderungsdruck: Der Klimaschutz, die Deutschhausplatz konnten notwendige Erneue- Energiewende, die Zukunft der Mobilität, die Bewah- rungsmaßnahmen bisher, wenn überhaupt, dann rung von Biodiversität und von natürlichen Ressour- nur fragmentarisch umgesetzt werden. Darüber hin- cen sind nur einige Schlagworte zur großen Band- aus fehlt es den Straßenräumen und Plätzen an Auf- breite der gegenwärtigen Herausforderungen in der enthaltsqualität, Begrünung und Repräsentativität. Stadtentwicklung. Diese projizieren sich insbeson- Hierunter leiden zentrale Funktionen wie die Wohn- dere auf die Freiräume als die „grüne Infrastruktur“ und Lebensqualität, das Image und die Attraktivität von Mainz. des Stadtbildes sowie die stadtökologische Situa- tion. Mainz braucht zukunftsweisende Konzepte zur Stär- kung der städtischen Freiraumausstattung. Eine 3.4 Förderung des Klimaschutzes und der zunehmend diversifizierte Stadtgesellschaft bringt Klimaresilienz neue Prioritäten und Nutzungsansprüche hervor, die sich im Angebot von Plätzen, Parkanlagen, Sport- Die Beteiligungsveranstaltungen im Zuge der Be- und Spielflächen wiederfinden müssen. werbung zur Landesgartenschau zeigten deutlich, wie akut die Bürgerschaft unter der zunehmenden sommerlichen Überhitzung der dicht bebauten In- nenstadt leidet. Auch außerhalb kommunalpoliti- scher Parteien ist der Klimaschutz in Mainz in Form von bürgerschaftlichen Initiativen außerordentlich präsent. So bestimmt die Anpassung an den Klima- wandel als Querschnittsaufgabe alle Disziplinen der Stadtentwicklung. Seit 1993 ist Mainz Mitglied im Klimabündnis und seit 1994 wirkt ein Mainzer Klimaschutzbeirat. 2016 beteiligte sich die Landeshauptstadt am Förder- programm „Masterplan 100 % Klimaschutz“, einer Exzellenzinitiative des Bundesumweltministeriums. Nach dem Beschluss des Stadtrates zum „Klimanot- stand“ von 2019 besteht die Absicht, bis zum Jahr 2035 klimaneutral zu sein. So könnte auch eine Um- gestaltung des Regierungsviertels wichtige Beiträ- ge zur Anpassung der Stadt- und Freiräume an den Klimawandel und zur Förderung der Klimaresilienz liefern. Abb 3: Konzeption der „Bänke“ zu den Foren „Regierungsvier- tel“ 11
4. Bearbeitungsgebiet 4.1 Abgrenzung Das Bearbeitungsgebiet umfasst das „Regierungs- viertel“ von Rheinland-Pfalz, begrenzt von Rhein- uferpromenade, Diether-von-Isenburg-Straße, Ernst- Ludwig-Straße, Große Bleiche, Flachsmarktstraße, Reichklarastraße und Zeughausgasse und ist somit identisch mit dem Untersuchungsgebiet aus den Jahren 2008 und 2009. Abb. 4: Plangebiet mit Darstellung des Bearbeitungsgebietes 12
4.2 Eigentumsverhältnisse Abb. 5: Plangebiet mit Darstellung der Eigentumsverhältnisse im Bearbeitungsgebiet 13
5. Historische Entwicklung 5.1 Historische Entwicklung ab dem Mittelalter 1580 1478 - 1480 Unter Kurfürst Daniel von Brendel (1555 bis 1582) wird die Martinsburg wiederher- Bau der Martinsburg durch den Kurfürsten und Erz- gestellt und in der Nachbarschaft Hofkanz- bischof Diether von Isenburg (1412 - 1482), im nörd- lei und Schlosskirche St. Gangolph erbaut. lichen Teil der Stadt (noch innerhalb der Mauern). Zusammen bilden sie das Residenz- und Verwal- Hier residierten bevorzugt die Erzbischöfe. Bis zur tungszentrum der Kurfürsten. Stadterweiterung der Neustadt wird die Martinsburg die nordöstliche Stadtgrenze markieren. Von der Martinsburg sind nur noch Teile des Fundamentes erhalten, die im Graben des Schlosses sichtbar sind. 1604 - 1605 Der „Sautanz“ - das Alte Zeughaus wird durch Kur- fürst Johann Adam von Bicken (1564 - 1604) und 1552 - 1554 seinem Nachfolger Johann Schweikhard von Cron- berg (1553 - 1626) zur Lagerung des Kriegsgerätes Zweiter Markgrafenkrieg. Die Martinsburg wird ge- errichtet. Der Name rührt von einer früheren Schwei- plündert und zerstört. nehaltung an diesem Platz. 1618 - 1648 Dreißigjähriger Krieg Abb. 6: Die Martinsburg, die mit dem Kurfürstlichen Schloss lange Zeit eine Einheit bildete 1633 14
1627 1647 Der Bau des Kurfürstlichen Schlosses (Ostflügel) Johann Philipp von Schönborn wird neuer Kurfürst. unter Erzbischof Georg Friedrich von Greiffenklau Zum Aufbau der Stadt wirbt er Juden und nordita- (1573 - 1629) wird begonnen, der Rheinflügel je- lienische Handwerker an. Mainz wird schnell wie- doch erst 1687 vollendet. Aufgrund des Dreißigjäh- der eine wichtige Festung des Reiches und barocke rigen Krieges sowie des Pfälzischen Erbfolgekrieges Residenzstadt, in der zahlreiche Adelshöfe errichtet wurde der Bau mehrmals verzögert beziehungswei- werden. Die kulturelle Blüte zeigt sich am Ausbau se die möglicherweise geplante Vier-Flügel-Anlage der Universität, die um einige Fakultäten erweitert nicht umgesetzt. Vermutlich blieb deshalb auch die wird. Unter Johann Philipp von Schönborn entsteht Martinsburg zunächst - bis 1807 - erhalten. die Neuanlage des Bleichenviertels auf den Bleich- wiesen. Dabei war die Große Bleiche von Anfang an als Prachtstraße geplant. 1631 1729 - 1732 König Gustav Adolf von Schweden (1594 - 1632) be- Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg war Kurfürst und zieht die Martinsburg und macht Pläne für Mainz als Hochmeister des Deutschen Ordens. Unter ihm „evangelische Hauptstadt“ Deutschlands. beginnt 1730 in Nachbarschaft des Schlosses der repräsentative Bau des Deutschhauses durch Bau- direktor Anselm Freiherr von Ritter zu Groenes- teyn (1692 - 1765). Kurfürst Philipp Karl von Eltz (1665 - 1743) vollendet den Bau 1737 nach dem frü- hen Tod seines Vorgängers. Abb. 7: Die Martinsburg mit Kurfürstlichen Schloss und (Reichs-)kanzlei 15
1738 - 1740 1789 - 1799 Oberbaudirektor und Festungsbaumeister Johann Französische Revolution. Viele aristokratische Emig- Maximilian von Welsch (1671 - 1745) errichtet das ranten flüchten nach Kurmainz. Neue Zeughaus, das sich im Stil am benachbarten Deutschhaus orientiert und mit ihm die kurfürstliche Rheinfront schließt. 1792 Kriegserklärung Frankreichs an das Deutsche Reich. 1749 Der letzte Kurfürst Karl Josef von Erthal (1719 - 1802) flieht nach Aschaffenburg (Kurfürstliche Zweitresi- Johann Friedrich Karl von Ostein (1689 - 1763) gibt denz). den Anstoß zum Neubau der Kirche St. Peter, die auf das ehemalige, nördlich der Stadt gelegene Stift aus dem zehnten Jahrhundert zurückgeht. Der Architekt Johann Valentin Thomann (1695 - 1777) errichtet bis 1793 1756 den spätbarocken Bau, der in der Franzosen- zeit auch als französischer Pferdestall dient. Die Revolutionsarmee zieht mit 20.000 Soldaten in Mainz ein, wobei General Custine im Kurfürstlichen Schloss seine Unterkunft bezieht. Es sind die kurzen Tage der „Mainzer Republik“ (März bis Juli 1793), 1752 welche als erste Demokratie auf deutschem Boden gilt. Das Deutschhaus diente als Sitz des Rheinisch- Die Schlosserweiterung ist durch den Bau des Nord- Deutschen Nationalkonvents (das erste auf demo- flügels im gleichen Stil weitgehend abgeschlossen. kratischem Wege zustande gekommene Parlament Die Bauarbeiten ruhten während der französischen der deutschen Geschichte), welcher als Parlament Besatzungszeit. Erst Kurfürst Johann Friedrich Karl für die von Frankreich besetzten linksrheinischen von Ostein (1689-1763) vollendet den durch Kur- Gebiete fungieren soll. fürst Franz von Ingelheim (1622 - 1695) begonnenen Bau. 1793 1756 - 1763 Preußische und österreichische Truppen erobern nach Belagerung und Beschießung Mainz zurück. Jo- Siebenjähriger Krieg. hann Wolfgang von Goethe, Heinrich von Kleist und viele Schaulustige der Umgebung nehmen an dem monatelangen „Spektakel“ teil. Mainz bleibt links- rheinische Grenzstadt. 1794 und 1796 wird Mainz 1766 - 1767 erneut belagert, die Belagerung jedoch nach kurzer Zeit abgebrochen. Unter Kurfürst Emmerich Joseph von Breitbach-Bür- resheim (1707 - 1774) wird in direkter Nachbarschaft der Peterskirche der Marstall, die Golden-Roß-Kaser- ne mit Reitschule gebaut, in dem sich seit 1937 das Landesmuseum befindet. Abb. 8: Historisch geschlossene Rheinfront, um 1800 wurden Martinsburg, Schlosskirche St. Gangolph und Hofkanzlei durch Napoleon abgerissen 16
Abb. 9: Mainz 1784 (Ausschnitt des Bearbeitungsgebietes) 1797 1807 Mit dem Frieden von Campo Formio übergibt der Mit Errichtung der Steinhalle (ehem. Zollmagazin) deutsche Kaiser Franz II. (1768 - 1835) Napoleon findet der letzte historische Neubau im Planungsge- Bonaparte (1769 - 1821) die linke Rheinseite und biet statt. Damit erhält das Schloss einen weiteren die Stadt Mainz, die 1798 in die Französische Repu- Flügel und wird bis 1842 als Warenmagazin umfunk- blik als Hauptstadt des Departements Mont-Tonner- tioniert. re (Donnersberg) für 16 Jahre eingegliedert wird. Zwar wird ein reger Wiederaufbau nach den Zerstö- 1798 - 1814 rungen durch die vielen Belagerungen in „Mayence“ betrieben, aber die Zeit ist zu kurz für die großen Die Martinsburg, die Hofkanzlei und die Schlosskir- Stadtneubaupläne als zweite Residenz Napoleons. che St. Gangolph werden unter französischer Besat- Er quartiert sich im Deutschhaus ein und plant eine zung abgerissen, wodurch bis heute die geschlosse- Verbindung von Deutschhaus und Kurfürstlichem ne Rheinfront zwischen Kurfürstlichem Schloss und Schloss durch vorgelagerte Terrassen zum Rhein hin, Deutschhaus geöffnet wurde. die jedoch nicht verwirklicht werden. 17
1813 Der Siegeszug Napoleons in Europa wird durch die 1870 - 1871 Leipziger Völkerschlacht gestoppt. Deutsch-Französischer Krieg. Das Deutsche Reich entsteht. 1814 - 1815 Der Wiener Kongress ordnet Europa neu. Mainz 1873 - 1918 wird 1816 dem Großherzogtum Hessen zugespro- chen, welches als Residenz das Deutschhaus über- Mainz nennt sich Reichsfestung, verliert aber zu- nimmt. Der Kongress beschließt mit den Anrainern nehmend an militärischer Bedeutung. Gleichwohl Baden, Hessen, Frankreich, Niederlande, Bayern erhöht sich stetig der Bevölkerungsdruck. Sind es und Preußen die Rheinschifffahrtskonvention, die um 1800 noch 22.000 Einwohner, wohnen 1890 als „Mainzer Akte“ eine Rheinregulierung auf 500 bereits 64.000 Einwohner im engen Festungsgürtel, Meter durchgängiger Breite vorsieht und bis heute der jetzt restlos bebaut ist. Mit dem Versailler Ver- Gültigkeit besitzt. trag von 1918 endet die 300-jährige Geschichte von Mainz als Festungsstadt. Mainz ist nun Bundesfestung mit Österreichischer, Preußischer und Hessischer Besatzung, die 20 % der Bevölkerung ausmacht. Zusätzlich verhindert die mi- litärische Bedeutung des Festungsgürtels um Mainz eine Erweiterung der Stadtfläche, obwohl Mitte des 19. Jahrhunderts allmählich die Industrialisierung einsetzt. Abb. 10: „Neuer Plan der Stadt Mainz“, Ausschnitt Bearbeitungsgebiet, gezeichnet und lithographiert von J. Lehnhardt 1844 18
1865 1914 - 1918 Seit 1865 ist Eduard Kreyßig (1830 - 1897) Stadt- Erster Weltkrieg baumeister. Er lässt sich 1867 durch den Besuch der Pariser Weltausstellung von den neuen großzügigen Boulevards, Plätzen und Bauten inspirieren und legt einen Entwurf zur Mainzer Stadterweiterung vor. 1918 Der Erste Weltkrieg endet mit der französischen Be- setzung des Rheinlandes. Mainz wird Hauptstadt 1872 der kurzlebigen „Rheinischen Republik“ (1923). Der Stadtrat nimmt die von Kreyßig konzipierte Stadterweiterung Neustadt an. 1873 wird mit dem Schleifen der Festungswälle begonnen. Kreyßigs Werk in Mainz umfasst unter anderem den Bau des Prachtboulevards Kaiserstraße, des Win- terhafens und des Zoll- und Binnenhafens, die Auf- schüttung des Rheinufers, die Verlegung der Eisen- bahntrasse vom Rhein an die Hangkante im Süden und Westen der Stadt, den Bau des Hauptbahnhofes und der Christuskirche und mehr. Abb. 11: Luftaufnahme des Rheinufers und der Stadthalle um 1929 19
1956 Das Alte und Neue Zeughaus werden zur rheinland- pfälzischen Staatskanzlei aus- und umgebaut. Die Staatskanzlei bezieht die neuen Gebäude 1960. 1962 Zur Zweitausendjahrfeier sind auch das Kurfürstli- che Schloss und die Peterskirche vollständig restau- riert, sodass Mainz mit dem Regierungsviertel wie- der einen repräsentativen Eingang zur Stadt besitzt. Allerdings kam die Stadtplanung nur schleppend in Gang. Die schweren Zerstörungen schienen in Mainz großartige Stadtneuplanungen zu rechtfer- tigen, schließlich hatte 1933 die Charta von Athen eine neue, idealistische Stadtplanung propagiert. Traditionalisten und progressive Kräfte stritten um den Denkansatz der Entmischung der Stadtfunktio- nen. Zwar gab es nach dem Krieg bereits französi- sche Wiederaufbauplanungen, aber einander wider- sprechende Planungsauffassungen verhinderten ein übergreifendes Konzept auch nach der Gründung der Bundesrepublik. Verschiedene Architekten müh- ten sich, aber auch 1956 lag die Innenstadt noch weitgehend am Boden. Dr. Hans Jacobi wird neuer Baudezernent und legt einen Zehnpunkte-Plan vor, der bis heute nachwirkt (zum Beispiel Ausbau der Altstadt als Fußgängerzone, Mainzer Ring als Alt- stadtumgehung). 20
Abb. 12: Große Bleiche und Regierungsviertel um 1977 21
5.2 Mainz wird Landeshauptstadt Verordnung vom 30. August 1946 zur Vorbedingung gemacht. Inzwischen hatte zwischen Koblenz und Am 30. August 1946 legte die französische Besat- Mainz ein regelrechter „Hauptstadtstreit“ begonnen. zungsmacht fest, dass Mainz zur Landeshauptstadt Koblenz verwies darauf, die Rolle als Regierungssitz von Rheinland-Pfalz wurde: „Als Hauptstadt dieses bereits vier Jahre gut auszufüllen, während Mainz Landes wird Mainz bestimmt, wo die Regierung auf seinem historischen und moralisch verbrief- ihren Sitz haben wird, sobald die entsprechenden ten Recht bestand. Dabei waren in Mainz bis dahin wohnlichen Voraussetzungen geschaffen werden.“ weder genug Wohnungen noch ausreichend Büros (Artikel 2 der Verordnung Nummer 57). für die Ministerien vorhanden. Das gerade wieder- hergestellte Kurfürstliche Schloss wollte die Stadt Im Nachgang war dies der wichtigste Impuls der Mainz dem Land nicht überlassen. So wurde am Nachkriegszeit für die Stadt. Die Mainzer Bevölke- 4. April 1950 der Antrag zum Umzug nach Mainz mit rung war eher desinteressiert, auch als der „Haupt- einem Patt von 43 zu 43 Stimmen abgelehnt. stadtbeschluss“ am 11. und 12. September 1946 vom französischen Militär mit Feuerwerk und Para- Peter Altmeier war es schließlich, der (obwohl Ko- den gefeiert wurde. blenzer) alles daran setzte den Umzug nach Mainz zur Stabilisierung des Landes möglichst schnell zu Aufgrund der starken Zerstörungen waren die wohn- beschliessen. Offen war noch immer die Wohnraum- lichen Voraussetzungen nicht so schnell zu erfül- frage (Zuzug von 800 Landesbediensteten bei circa len. Darüber hinaus hatte Mainz, vor allem nach Er- 10.000 Wohnungssuchenden), die Unterbringung öffnung der Universität, keinerlei Kapazitäten frei. der Ministerien sowie die des Landtages. Doch aus Mainz war auf die „Hauptstadtfunktion“ nicht vor- landespolitischen Gründen zeichnete sich ein Erfolg bereitet. Deshalb war man froh, dass die provisori- für Mainz ab. sche Landesregierung ihren Sitz zunächst in Koblenz nahm. Hier gab es die baulichen, wie auch personel- Am 16. Mai 1950 wurde schließlich dem Umzug len Voraussetzungen, denn Koblenz war 120 Jahre nach Mainz zugestimmt. Im Herbst oder Winter 1950 lang Hauptstadt der großen preußischen Rheinpro- oder 1951 zogen fast alle Ministerien nach Mainz vinz gewesen. (unter anderem in die Arbeiter-Baracken am „Ju- densand“). Der Landtag konnte sich zu Beginn sei- Allerdings bestand die Gefahr, dass aus dem Provi- ner zweiten Legislaturperiode am 18. Mai 1951 im sorium ein Dauerzustand werden würde, was die Ko- Deutschhaus konstituieren, welches seit Juni 1950 blenzer gern gesehen hätten. In Mainz dagegen kam mit Besatzungsmitteln wiederhergestellt wurde. Fast keine Begeisterung für das neue Land und die Rolle fünf Jahre hatte es gedauert, bis nach dem Erlass der als Hauptstadt auf. Die Themen Ernährung, Wohn- Franzosen 1946 Mainz wirklich zur Landeshaupt- raum, der wirtschaftliche Aufbau sowie die Rückkehr stadt wurde. der rechtsrheinischen Gebiete waren sowohl für die Bevölkerung wie auch für die Stadtverwaltung we- Mehrere Ministerien waren noch lange Jahre in sentlich präsenter und wichtiger. den Baracken am „Judensand“ untergebracht. Die Staatskanzlei musste bis 1960 warten, ehe sie in Bewegung kam in die „Hauptstadtfrage“ als 1949 das wiederaufgebaute Neue Zeughaus einziehen die Bundesrepublik Deutschland in Bonn gegründet konnte. wurde. Rheinland-Pfalz reichte zwar an die provi- sorische Bundeshauptstadt heran, war aber durch Artikel 29 des Grundgesetztes gefährdet. Der er- möglichte durch Volksbegehren und Volksabstim- mungen eine Neugliederung des Bundesgebietes, unter Umständen auch durch Auflösung ganzer Län- der. Der Landtag hätte jetzt durch den Beschluss des Umzuges nach Mainz ein Zeichen setzen müssen, doch wurde das Thema am 29. November 1949 ver- tagt. Lediglich eine Kommission wurde eingesetzt, die sich vor Ort über die Unterbringungsmöglichkei- ten überzeugen sollte. Aufgrund zahlreicher Pannen in Mainz fielen hier die Berichte nicht sonderlich gut aus. Die Franzosen verkündeten jedoch am 23. Januar 1950 den Umzug von Koblenz nach Mainz. Da die Regierung und der Landtag sich nicht länger von der Besatzungsmacht bevormunden las- sen wollten, wurde die Aufhebung von Artikel 2 der 22
Abb. 13: Aufbau des Regierungsviertels 1961: Rechts St. Peter, davor das „Allianzhaus“ 23
5.3 Entwicklungen im Regierungsviertel Erst nach dem Zweiten Weltkrieg gab man dem Deutschhausplatz mit den Neubauten eine annä- Deutschhausplatz hernd rechteckige Form. Er zeigte sich nun erheblich größer als vor 1945. Die nach dem Bau der Tiefga- Das Anwesen des alten Mainzer Deutschordenshau- rage erfolgte Platzgestaltung nahm allerdings auf ses wurde ursprünglich im Westen von schmalen die wiederhergestellten Bauten des Deutschhauses Gässchen begrenzt. Mit dem Neubau des „Deutsch- keinerlei Rücksicht. So legte man eine Grünfläche hauses“ unter Kurfürst Franz-Ludwig von Pfalz-Neu- mit einem Waschbeton-Hochbeet unmittelbar vor burg erweiterte man das Deutschordensgelände zum den nördlichen Pavillon, der ursprünglich eine Ka- Rhein hin, um sich an der Bauflucht des Kurfürstli- pelle beherbergte und dessen Eingang sich in der chen Schlosses zu orientieren. Dies bot gleichzeitig Westfassade befand. Senkrecht zur Fassade des die Möglichkeit, vor den beiden neu errichteten Pa- südlichen Pavillons wurde in linearer Ausrichtung villons eine Freifläche bis zu den auf der Westseite ebenfalls ein Waschbetonhochbeet angelegt, dass der ursprünglich vorhandenen Gassen stehenden den dahinter liegenden Parkplatz abgenzen sollte. Häusern zu schaffen. Damit war das der Bedeutung des Deutschhauses angemessene Vorfeld zergliedert und unübersicht- Ein solcher Platz war unverzichtbar für das Repräsen- lich geworden. Die ursprünglichen Bezüge zwischen tationsbedürfnis des Kurfürsten. Die neu geschaffe- Platz und Pavillons ließen sich nicht mehr erkennen. ne Freifläche hätte sicher eine größere Ausdehnung erfahren, wenn es seinerzeit gelungen wäre, die be- Ein vom Stadtplanungsamt 1990 in Auftrag ge- treffenden Privatgrundstücke zügig aufzukaufen. So gebenes Gutachten des Büros Mediastadt behielt der Deutschhausplatz für Jahrhunderte eine (Dipl.-Ing. Wolfgang Christ) empfahl deshalb, vor unregelmäßige Kontur. den Pavillons und dem Ehrenhof die Platzfläche von jeglichen Einbauten freizuhalten. Abb. 14: Das Deutschhaus während der ersten allgemeinen Industrieausstellung 1842. Im Hof ein Pavillon. Zeichnung Josef Laske 24
Abb. 15: Deutschhausplatz 1936 Abb. 16: Deutschhausplatz um 1900 25
Abb. 17: Rheinlandräumung 1930. Abzug der Franzosen. Einholen der Trikolore vom Deutschhausplatz am 30. Juni 1930 Das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch den Schlossplatz und Ernst-Ludwig-Platz Landesbetrieb Liegenschafts- und Baubetreuung (LBB), gestaltete, basierend auf einer Planung des Auch nach Erschließung und Bebauung der Neustadt Mainzer Büros Bierbaum.Aichele.Landschaftsar- blieb das Gebiet zwischen Bleichenviertel, Schloss, chitekten, 2007 das Vorfeld und die Zufahrt zur Kaiserstraße und Rheinallee aus dem städtebauli- Staatskanzlei. Hierbei wurde eine Grundstücksre- chen Gesamtzusammenhang ausgeklammert. Der gulierung durchgeführt, bei der sich ein geldwerter vor dem Kurfürstlichen Schloss gelegene Schloss- Überschuss des Landes an die Stadt Mainz ergab. platz war seit 1816 dem Militär als Paradeplatz Zwischen Stadt Mainz und LBB wurde vereinbart, überlassen worden. Die Nordseite des Areals wurde die Mittel für den Rückbau der Waschbeton-Hoch- durch die 1840-1844 errichtete Schlosskaserne ab- beete auf dem Deutschhausplatz einzusetzen. Die geriegelt. Flächen sollten dabei in einem ersten Schritt stadt- gestalterisch verträglich wiederhergestellt werden. 1899 begann man mit Instandsetzungsarbeiten Von Seiten des Stadtplanungsamtes wurde eine am Schloss, welches bis dahin vernachlässigt und ganzheitliche und nachhaltige Neugestaltung des durch die Zollbehörde genutzt wurde. Auch seine Deutschhausplatzes angeregt. Abb. 18: Deutschhausplatz mit Hochbeeten vor 2007 Abb. 19: Deutschhausplatz nach Rückbau der Hochbeete 2007 26
Umgebung sollte in Zusammenhang mit dem Aus- wollte. Die örtliche Architektenschaft forderte einen bau einer repräsentativen Rheinfront neu gestaltet Bebauungsplan für die Schlossumgebung sowie die werden. Hierzu wurden verschiedene Planungen Schaffung eines neuen städtischen Zentrums an der diskutiert. Nahtstelle zwischen Alt- und Neustadt. Das wachsende Interesse an der Wiederherstellung Der Verzicht von Seiten des Militärs auf die Kaserne des Schlosses und seiner Umgebung führten zu star- und den Schlossplatz brachte das Gelände in den ken Protesten gegen Pläne der Militärverwaltung, Besitz der Stadt (1899). Bereits 1900 wurde für das die die Schlosskaserne ausbauen und vergrößern Areal westlich des Schlosses ein Wettbewerb für Abb. 20: Umfeld Kurfürstliches Schloss mit Steinlager und der alten Halle aus Zeiten des Freihafens 1878 27
einen Bebauungsplan ausgeschrieben. Der Wett- Preisträgers (Felix Genzmer und Ludwig Euler, Wies- bewerbsbereich erstreckte sich von der heutigen baden) hinzugefügt: zwei schräg das Gelände durch- Kaiser-Friedrich-Straße, der Rheinallee, der Großen ziehende Straßenzüge, die heutige Albini- und die Bleiche bis zur Kaiserstraße. Untergebracht werden Greiffenklaustraße. Die Bauanlage des Justizgebäu- sollten ein neues Stadthaus, ein Gebäude für die Bi- des war von Pützer ebenfalls vorgesehen, allerdings bliothek und Sammlungen, eine Schule sowie Wohn- weiter westlich an der Bauhofstraße. häuser. 1902 begann man mit der Bebauung der Schlossum- Friedrich Pützer, Architekt, Städtebauer und Denk- gebung an der Kaiserstraße. Nach dem Abbruch der malpfleger aus Darmstadt gewann den Wettbewerb. Schlosskaserne 1904 wurden in kurzer Zeit alle Bau- Sein Entwurf sah einen repräsentativ gestalteten blöcke mit Wohnhäusern besetzt. Die Bebauung der Schlossplatz im Mittelpunkt vor, der von öffentli- Rheinfront zog sich bis zum Ersten Weltkrieg hin. chen Gebäuden umgeben war. Pützer plante reizvol- le Durchblicke und altdeutsch-malerische Architek- Erst nach 1900 entstanden die vorgesehenen öf- tur mit bekrönendem Rathausturm, Giebeln, Erkern fentlichen Gebäude: 1908 wurde das großher- und Arkaden. Die Plätze sollten mit Denkmälern zogliche Gericht mit Gewahrsam (Ernst-Ludwig- ausgestattet werden. Bei der ausgeführten Erschlie- Straße 3) eingeweiht, 1914 das Realgymnasium ßung wurde dem Plan Pützers ein Detail des dritten (Greiffenklaustraße 2), 1906 entstand für Samm- Abb. 21: Wettbewerbsentwurf von Friedrich Pützer zur Neubebauung des Schlossplatzes 1900 28
lungen die Stadtbibliothek mit Gutenbergmuseum platz wurde ein eigener „Jubiläumsbrunnen“ instal- (Rheinallee 3b) und 1924 ein städtisches Verwal- liert und an der unteren Großen Bleiche entstand mit tungsgebäude (Ernst-Ludwig-Straße 7). modern-funktionalen Ministerialbauten ein echtes Regierungsviertel, als Ausdruck dafür, dass Mainz Die ursprünglich von Pützer vorgesehene durchge- inzwischen die Rolle als Landeshauptstadt wirklich hende Erschließung von der Kaiserstraße zur Großen übernommen und seine Zugehörigkeit zu Rheinland- Bleiche ist heute durch die Gestaltung der Flächen Pfalz akzeptiert hatte. südlich der Diether-von-Isenburg-Straße nur für Fuß- gänger erlebbar. Während der Platz zwischen Gericht Das 1950 wiedereröffnete RGZM im Kurfürstlichen und Schloss als Parkplatz dient, riegeln der Pavillon- Schloss, wurde 1961 um eine Restaurierungswerk- bau des RGZMs sowie die aus Abgüssen zusammen- statt erweitert. gesetzte Nachbildung des Dativius-Victor-Bogens den Schlossplatzbereich gegen den heutigen Ernst- Im Jahr 1962 wurde anlässlich der 2.000-Jahr-Fei- Ludwig-Platz ab. er der Stadt Mainz der Ernst-Ludwig-Platz und der Schlosshof nach einem Wettbewerb auf Grundlage Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden erst im Vorfeld eines Freiflächenplanes vom Wiesbadener Land- der Zweitausendjahrfeier (1962) deutliche Fort- schaftsarchitekt Wolfgang Walter neu gestaltet. schritte in punkto Wiederaufbau und Stadtbild ge- macht. Die traditionelle Stadtsilhouette entstand bis Im gleichen Jahr eröffnete das Naturhistorische Mu- Ende 1961 fast ganz neu: Im Regierungsviertel be- seum im ehemaligen Reichklarakloster. kam St. Peter seine Zwiebeltürme, auf dem Schloss- Abb. 22: Wettbewerbsentwurf von Friedrich Pützer zur Neubebauung des Schlossplatzes 1900 29
5.4 Baumaßnahmen der letzten 30 Jahre 1998 1992 Erweiterungsbau für das Ministerium der Finanzen, Kaiser-Friedrich-Straße 5 (Architekt: Dipl.-Ing. Tho- Naturhistorisches Museum - „Turm der Gezeiten“; mas Lahmé, Kaiserslautern. Bauherr: Land Rhein- Mitternacht / Reichklarastraße; (Architekt INFRA Ge- land-Pfalz) sellschaft für Umweltplanung, Mainz. Bauherr: Stadt Mainz) 1999 1995 Abgeordneten- und Ministerialdienstgebäude Mainz, Kaiser-Friedrich-Straße 1-3 (Archtiekt: Profes- Platzgestaltung Mitternacht (Architekt: INFRA Ge- sor Heinz Mohl, Karlsruhe. Wettbewerb 1995. Bau- sellschaft für Umweltplanung, Mainz. Bauherr: Stadt herr: Land Rheinland-Pfalz) Mainz mit Carl-Zeiss-Stiftung) Abb. 23: Wettbewerbsentwurf von Friedrich Pützer zur Neubebauung des Schlossplatzes 1900 30
2004 2023 Rheinufergestaltung zwischen Kaisertor und Hotel Bis Ende 2022 zieht das Römisch-Germanische Zen- Hilton (Erster Bauabschnitt). (Landschaftsarchitekt: tralmuseum (RGZM) aus dem Kurfürstlichen Schloss Bierbaum.Aichele.Landschaftsarchitekten, Mainz. in den neuen Standort in der Neutorstraße ein. Das Bauherr: Stadt Mainz) Museum wird ab 2023 den Namen „Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA)“ tragen. 2004 2023 Bau der Tiefgarage Rheinufer (Planungsgemein- schaft IBC Ingenieurbau Consult GmbH, Mainz, Ar- Nach Auszug des RGZM beginnen die Sanierungs- chitekturbüro Planquadrat, Darmstadt, Bierbaum. planung und Sanierungsarbeiten im Kurfürstlichen Aichele.Landschaftsarchitekten, Mainz. Bauherr: Schloss durch die Gebäudewirtschaft Mainz sowie MAG, Mainz), BDA-Preis Rheinland-Pfalz 2006 die Entwicklung eines Nutzungskonzeptes. 2007-2008 Gestaltung Außenanlagen Staatskanzlei RLP. (Bier- baum.Aichele.Landschaftsarchitekten, Mainz. Bau- herr: LBB RLP) 2007-2009 Umbau und Renovierung Landtag 2007-2009 Umbau und Renovierung Landesmuseum (Architekt: Jourdan und Müller PAS, Frankfurt. Bauherr: LBB RLP); Umbau des Neuen Zeughauses. 2014 Architektenwettbewerb zur Sanierung des denkmal- geschützten Deutschhauses und Ergänzung eines Anbaus für die Landtagskantine. Erster Preis: as|h Architekten Ludwigshafen 2021 Einweihung des sanierten Landtagsgebäudes und des neuen Kantinenanbaus. Mit dem Neubau der Landtagskantine wurde die Grünfläche zwischen Landtag und Großen Bleiche verkleinert und umge- staltet. Hier wurde das Kunstwerk „Drei Farben“ des Berliner Künstlers Michael Sailstorfer errichtet. 31
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