FRAGT DOCH UNS! schulpraxis 3/ 17 - Bildung Bern

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FRAGT DOCH UNS! schulpraxis 3/ 17 - Bildung Bern
schulpraxis 3/ 17
schulpraxis 1  / 15

             FRAGT DOCH UNS!

                                                niemand
                                        kann genauer sagen,
                                          was er braucht,
                                         als Da
                                             er muss “man
                                                 personlich
                                           ja echt was machen
                              Die Eltern der
                                           und so viel selbst in
                         betreuten Person haben
                                             die Hand nehmen.
                      mich gerühmt und mir Das
                                             gesagt,ist ja richtig
                         dass ich es gut gemachtanstrengend.
                                habe.
                                     Ich finde nicht                  Teilweise
                                       so gut, dass             waren die Rucksäcke
                                      manchmal ein              bis 18 Kilo schwer.
                                     paar mit ihrem                Fürs Wandern
                                     Pultnachbarn                ist das eher viel.
                                         blödeln.

                                 Pädagogische Zeitschrift Bildung Bern
FRAGT DOCH UNS! schulpraxis 3/ 17 - Bildung Bern
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                                                      schulpraxis 3 / 17                                                    schulpraxis 3 / 17

                Junge Ideen
            gegen alte Lösungen
   «Wenn ich jetzt beginnen würde, alles, was mich am Ideenbüro
   fasziniert und was ich bewundere, aufzuschreiben, wäre selbst
    ein AO-Format noch zu klein», schreibt Timo in seinem Beitrag
                         über das Ideenbüro.
                               Seite 4

           L.E.B.E.N in Karlsruhe
  L.E.B.E.N ist ein ungewöhnliches Projektfach. Paul kam im Oktober
neu an die Schule und konnte damit genau nichts anfangen. So etwas
 gab es in seiner alten Schule nicht. Also fragte er ein paar Mitschüle-
                                                                           27. Dezember 2017

                                                                                                                                             Editorial
                 rInnen, die besonders engagiert wirken.                   107. Jahrgang                                Liebe Leserin

                                 Seite 9                                   Eine Beilage der «Berner Schule»              Lieber Leser
                                                                           Für Mitglieder Bildung Bern
                                                                           im Jahres­beitrag inbegriffen
                                                                                                                                             «Wir haben andere Vorstellungen oder haben in ge-
            Fast wie eine Familie:                                         Herausgeber                                                       wissen Bereichen mehr Ahnung. Wir kommen auch
                                                                           Bildung Bern
               die Lerngruppe                                              Monbijoustrasse 36                                                auf Ideen, die Erwachsenen nicht in den Sinn kommen,
 Eine Lerngruppe in Elsau ist ein Zusammentreffen von SchülerInnen         3011 Bern                                                         da wir manchmal auch sehr simpel denken», sagt die
                                                                           Tel. 031 326 47 47
   aus verschiedenen Jahrgängen. Sie tauschen Lernmethoden aus,                                                                              Neuntklässlerin Lara in dieser schulpraxis. Diese Ausga-
                                                                           Fax 031 326 47 48
holen und geben sich gegenseitig Tipps. Die Lerngruppen werden von         www.bildungbern.ch                                                be stellt Kinder und Jugendliche ins Zentrum, die das
                                                                           (Bereich Pädagogik)                                               Besondere ihrer Schule, ihre Art zu lernen, eine be-
     Jugendlichen selber geleitet. Sie fühlen sich fast an wie eine
                          Schulhausfamilie.                                Redaktion                                                         stimmte Unterrichtsmethode oder eines ihrer Projekte
                                Seite 11                                   Franziska Schwab                                                  vorstellen. Sie alle – oder ihre KollegInnen – hätten dies
                                                                           franziska.schwab@bildungbern.ch
                                                                                                                                             eigentlich an der Tagung «Fragt doch uns!» getan. Die
                                                                           Stefan Wittwer
                                                                                                                                             Weiterbildungsveranstaltung musste aber leider – man-
                Das Ganze als                                              stefan.wittwer@bildungbern.ch
                                                                                                                                             gels TeilnehmerInnen – abgesagt werden.
              Gruppe gemeistert
                                                                           Layout / Grafik                                                      Ganz so fraglos wollten wir hingegen nicht aufgeben
                                                                           Anna Katharina Bay-Dübi,
                                                                           annakatharina.bay@bildungbern.ch                                  und die jungen Menschen trotzdem zu Wort kommen
 Eine Gruppe Jungen, die in Münsingen ein Verantwortungs-Projekt
                                                                                                                                             lassen. Daher dieses Heft.
  gemeistert hat, ist stolz, dass sie finanziell nicht im Minus endete,    Korrektorat
                                                                                                                                                Weshalb fragen wir Erwachsenen die Kinder und
    niemand ausstieg und dass sie es ohne Handys geschafft hat.            Renate Kinzl
                                                                                                                                             Jugendlichen eigentlich nicht öfter? Fragen eröffnen
                                 Seite 15                                  Bestellungen und                                                  Räume, die gefüllt werden können.
                                                                           Adressänderungen
                                                                           Ausgaben der «schulpraxis» können
            Menschen zu helfen                                             bei der Geschäftsstelle Bildung Bern
                                                                           oder auf
         ist eigentlich immer gut                                          www.bildungbern.ch/publikationen/
                                                                           schulpraxis/schulpraxis-online für Fr. 8.–
                                                                                                                                                                                    Franziska Schwab

     Alisa wurde von den Kindern mit einer Umarmung begrüsst.              (inkl. MwSt., plus Porto) bestellt werden.
      Die Verbindung war gleich da. Alisa half ihnen zu lernen,
                                                                           Druck und Anzeigenmarketing
           Bilder auszuschneiden und beantwortete Fragen.                  Stämpfli AG
             Das Sozialprojekt Fly ist eine super Erfahrung.
                                Seite 27                                   Bilder
                                                                           Shutterstock, fotolia, zVg
FRAGT DOCH UNS! schulpraxis 3/ 17 - Bildung Bern
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                                       schulpraxis 3 / 17                                                                                                          schulpraxis 3 / 17

Ich würde die Schule zum Ideen-
 Bildungs-Lern-Büro umwandeln
  Timo ist ein Reisefan, Philosoph, Sprücheklopfer, Naturliebhaber,
   Weltverbesserer, Comic-Zeichner und hat jeden Tag 1000 Ideen.
        Nicht zuletzt deshalb ist er auch im Ideenbüro aktiv.
               Warum sonst noch, sagt er im Interview.

                                                            viel zu wenig konfrontiert wird, obschon es
                                                            unglaublich wichtig für unsere Zukunft wäre.
                                                            Im Ideenbüro kann man seiner Fantasie freien
                                                            Lauf lassen, und das gefällt mir.
              niemand
        kann genauer sagen,                                 Was gefällt dir besonders?
          was er braucht,                                   Ich glaube, was mich am Ideenbüro am meis-
                                                            ten fesselt, ist die Tatsache, dass es das glei-
          “ er personlich.
         als                                                che Lebensziel hat wie ich, und zwar anderen
                                                            Menschen zu helfen, ihnen ein Lächeln ins
                                                            Gesicht zu zaubern und damit die Welt ein
                                                            bisschen besser zu machen. Mein grösster
                                                            Wunsch wäre es, die ganze Welt als Freund
         Timo, kannst du uns das Ideenbüro (IB)             zu haben, und ich denke, das IB ist genau der      Timo und Gabriel vom    rat haben zukommen lassen, oder auf unse-          Wem empfiehlst du das Ideenbüro?
         erklären?                                          richtige Weg dazu.                                 Ideenbüro in Biel       ren Vortrag in der La Werkstadt in Biel/Bienne.    Das Ideenbüro ist eine Anlaufstelle für alle
         Der Grundgedanke, der sich hinter diesem                                                              sprechen am Bilingue-      Aber vor allem beeindruckt mich, wie weit       Art von Problemen, von kleinen Zickenstreiten
         Projekt verbirgt, ist ein Programm zur För-        Was passt dir nicht?                               Morgen gegen die        wir bereits gekommen sind, wenn man be-            über mittelgrosse Klassendelikte bis hin zu
         derung von Zusammenarbeit, Gestaltungs-            Das ist eine sehr schwierige Frage, welche         ständige Feindschaft    denkt, dass wir vor ca. 1½ Jahren noch nie         grossen Schulberatungen. Genauso verhält es
         kompetenzen und Selbstverantwortung bzw.           ich eigentlich glaube, nicht beantworten zu        der Welschen und        etwas vom IB gehört hatten.                        sich auch mit den Fragestellern, egal, ob gross
         Partizipation von Jugendlichen und Kindern in      können, da mir wirklich auch nach langem           Deutschen an.                                                              oder klein, jung oder alt, jeder mit Problemen,
         Schulen. Ältere Schüler stehen jüngeren bei        Grübeln nichts einfällt, was mir am Ideenbü-       Briefkastenadresse:     Kannst du uns ein Beispiel eurer                   welche ihm die Lebensfreude verderben, ist
         Problemen zur Seite und beraten sie, sodass        ro nicht passen sollte. Das einzige, was ich       briefkasten@            Arbeit nennen, das dir besonders                   aufgefordert, sich ans IB zu wenden.
         sich dann in gemeinsamer Arbeit kreative Lö-       vielleicht ein ganz klein wenig kritisiere, wo-    ideenbuero.ch           Eindruck gemacht hat?
         sungen entwickeln.                                 für das IB aber eigentlich überhaupt nichts                                Im Zusammenhang mit einem unserer mo-              Wer könnte davon wohl nicht
            Wichtig: Das IB ist ein Freiraum – des Ver-     kann, ist, dass es in manchen Schulen nicht                                mentan grössten Projekte, dem Bilingue-            profitieren?
         trauens und der Offenheit –, also nicht obli-      zur Schulzeit abgehalten wird, sondern zum                                 Projekt, das wir ins Leben riefen, um Mass-        Wenn es einen Menschen auf diesem Plane-
         gatorisch und wird grösstenteils von den Kin-      Beispiel über den Mittag.                                                  nahmen gegen die ständige Feindschaft der          ten gibt, der vollkommen frei von Problemen,
         dern selbständig geleitet und geführt.                Was mich persönlich jetzt zwar nicht son-                               Welschen und Deutschen in unserer Schule           Schwierigkeiten oder Hindernissen ist, was ich
                                                            derlich stört, jedoch bei meinen Mitschülern                               zu ergreifen, und das bereits viele Erfolge ver-   glaube mit an die 100% Wahrscheinlichkeit
         Warum findest du das Ideenbüro gut?                dazu geführt hat, dass sie nach und nach die                               zeichnet, wurden wir an eine Versammlung           abstreiten zu können – denn es ist allgemein
         Wenn ich jetzt beginnen würde, alles, was          Lust verloren.                                                             der Verantwortlichen für Bilingueismus in Biel     bekannt, dass es ohne Probleme auch keine
         mich am Ideenbüro fasziniert und was ich                                                                                      eingeladen, und als wir dann so vor diesen         Lösungen gibt –, dann wäre er der einzige.
         bewundere, aufzuschreiben, wäre selbst ein         Worauf bist du besonders stolz?                                            Erwachsenen sprachen, welche uns gespannt
         Papier vom Format A0 noch zu klein, um al-         Zum Beispiel auf unsere Kampagne zum                                       lauschten – ich sprach deutsch und mein            Angenommen, du müsstest etwas am
         les unterzubringen. Kurz gesagt, lernt man         Schutz der Natur, im Rahmen derer wir eine                                 Freund Gabriel französisch –, hatte ich das        Ideenbüro verändern. Was wäre es?
         im IB mit Sachen umzugehen, mit welchen            Karten-Zeichnen-Aktion organisiert, Unter-                                 Gefühl, etwas bewirken zu könne. Das war           Wie bei Frage 4 fällt mir nichts Richtiges ein,
         man, wie ich finde, im normalen Schulalltag        schriften gesammelt und diese dem Bundes-                                  ein wahnsinniges Gefühl!                           was es am Ideenbüro zu verbessern gäbe.           
FRAGT DOCH UNS! schulpraxis 3/ 17 - Bildung Bern
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                                              schulpraxis 3 / 17                                                                                  schulpraxis 3 / 17
                                                                                                                                                                  15

    Wenn ich je tz t beginnen würde,
                                                                                                                Wir Jungs wählten zuerst einen
alles, was mich am Ideenbüro fasziniert
und was ich be wundere, aufzus chreiben,                                                                          typischen Frauenberuf aus
  wäre s elbst ein Papier vom Format
             A0 noch zu klein.                                                                                  Jonas und Vivienne, Oberstufenschüler und Oberstufenschülerin
                                                                                                                   aus Aarwangen, haben beim Projekt Avanti mitgemacht.
                                                                                                                          Beide möchten die Erfahrung nicht missen.

               Doch wenn ich, wie Sie es in Ihrer Frage for-                                                                                                           damit sie mich kennenlernen konnten. Ich
                mulieren, keine andere Wahl hätte, als etwas                                                                                                            musste einiges mehrmals erklären. Auch mei-
                zu verändern, dann würde ich zusätzlich zu                                                                                                              nen Namen musste ich zwei-, dreimal sagen,
                den Ideenbüros in den Schulen auch noch                                                                                                                 bis sie ihn aussprechen konnten.
                mehr öffentliche IBs einrichten, genau wie
                Gabriel und ich das bereits, sozusagen als Pi-
                                                                                                                             Die Eltern der                             Worauf bist du stolz?
                oniere, in La Werkstadt in Biel gemacht haben.                                                          betreuten Person haben                          Am letzten Abend, an einer Geburtstagsfeier,
                So haben auch wirklich alle die Möglichkeit, Timo hat jeden Tag 1000 Ideen. Mindestens.
                Antworten auf ihre Probleme zu erhalten, und
                                                                                                                     mich gerühmt und mir gesagt,                       lernte ich auch die Familie einer Behinderten
                                                                                                                                                                        kennen. Das fand ich sehr cool. Die Eltern der
                ausserdem gibt es in der Öffentlichkeit viele                                                           dass ich es gut gemacht                         betreuten Person haben mich gerühmt und mir
                andere Problemgebiete, von welchen man in serdem wäre das Ausschliessen von Kindern
                den Schulen nie etwas hört.                     bei Themen, welche sie betreffen, sowieso ein
                                                                                                                                  habe.                                 gesagt, dass ich es gut gemacht habe.

                                                                wenig unfair, denn niemand kann genauer sa-                                                           Was hat dir besonders Eindruck
                Du könntest eine Schule beraten, als Ex- gen, was er braucht, als er persönlich. Was wir                                                              gemacht?
                perte, die das Ideenbüro auch umsetzen übrigens im Laufe unserer Arbeit auch schon                                                                    Die behinderten Kinder konnten sehr gut arbei-
                möchte. Wie würdest du beraten?                 oft entdecken konnten, zum Beispiel, als wir                                                          ten. Sie brauchten ein wenig Zeit, bis sie in der
                Eigentlich würde ich gar nicht allzu viel sa- auf Anfrage einer verzweifelten Lehrerin ei-                                                            Arbeit drin waren, aber dann klappte es super.
                gen, sondern, nachdem ich die Grundlagen ne Klassenberatung zum Thema stilleres und                    Wie funktioniert das Avanti-Projekt?           Wir gingen Äpfel auflesen und sortierten sie,
                der Beratung und die verschiedenen Formu- konzentrierteres Arbeiten durchführten, bei                  Jonas: Wir Jungs wählten einen typischen Frau- für Most. Sie machten es fast noch besser als
                lar-Konzepte erklärt hätte, den Kindern und der am Schluss auskam, dass wir einfach die                enberuf aus, schauten in der Region, was es so die Erwachsenen.
                ihren eigenen Ideen den Vortritt geben. So Schüler selbst fragen mussten, was sie dazu                 gibt, und fragten an. Dann gingen wir schnup-
                entstehen viel persönlichere IBs, und kein Ge- benötigten. Aber natürlich gibt es auch The-            pern.                                          Wem empfiehlst du das Projekt?
                fühl der Einschränkung entsteht. Übrigens ist men, bei denen es sogar besser ist, die Kinder                                                          Allen 7.-Klässlern. Es ist eine gute Sache. Man
                dies auch die Idee unseres neusten Projekts nicht miteinzubeziehen.                                    Welchen Beruf hast du ausgewählt?              sieht auch in andere Berufe hinein und nicht
                zur Herstellung von «Starter-Packs», welche                                                            Fachmann Betreuung für Behinderte.             nur in für Jungs typische wie Automech und so.
                man an interessierte Schulen schicken kann, Stell dir vor, du bist der König der Schu-
                welche dann selbst ein IB bei sich einrichten len und kannst alles tun, was du willst.                 Wie war diese Erfahrung?                         Wer könnte nicht davon profitieren?
                können. Das wäre sehr hilfreich bei unserem Wie würdest du die Schulen sofort ver-                     Recht cool. Man sah in den Beruf hinein.         Zu junge Leute oder diejenigen, die schon wis-
                Vorhaben, das Ideenbüro international zu ma- ändern?                                                   Es war nichts Alltägliches. Meine Betreuungs-    sen, in welche Richtung es geht. Es ist ein Ein-
                chen.                                           Ich würde danach streben, dass man in der              person war ein Mann. Ein cooler Typ.             stieg in die Berufswahl.
                                                                Schule viel mehr seine eigenen Ideen ausleben
                Sollte man die Kinder und Jugendlichen          darf, und selbständiges Arbeiten viel mehr             Hat dir etwas nicht gepasst?                  Angenommen, du bist König der Schule,
                mehr und öfter fragen, was sie eigent-          fördern.                                               Alles hat mir gefallen. Aber man brauchte sehrwas würdest du in Aarwangen verän-
                lich tun möchten?                                  Kurz gesagt, ich würde die Schule zum               viel Geduld.                                  dern?
                Auf jeden Fall. Wenn Kinder selbst entschei- Ideen-Bildungs-Lern-Büro umwandeln! ;) S                                                                Den Schwimmunterricht für die Oberstufe
                den können, was sie gerne tun möchten, sind                                                            Warum?                                        wieder einführen. Der Kanton wollte das Geld
                sie auch mit viel mehr Herzblut dabei, und aus-                   Interview Christiane Daepp           Ja, die Behinderten brauchten am Anfang Zeit, nicht mehr geben für die Stunde.                      
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                                                                                                            wöhnlichen Schule zu sein!
                                                                                                           L.E.B.E.N. ist ein ungewöhnliches Projektfach an der Ernst-Reuter-
                                                                                                        Gemeinschaftsschule in Karlsruhe. Paul kam im Oktober neu an die Ernst-
                                                                                                          Reuter-Schule und kann mit dem Fach L.E.B.E.N. gar nichts anfangen.
                                                                                                         So etwas gab es in seiner alten Schule nicht. Er hat beschlossen, mal ein
                                                                                                            paar Mitschülerinnen zu fragen, die besonders engagiert wirken.

   Vivienne, wo gingst du schnuppern?                  Warum?                                                                                                            Paul: Wie soll ich denn so einen Job finden?
    Vivienne: Ich ging als Milchtechnologin in die      Es braucht Respekt. Man kann ja nicht einfach                                                                     Hab ich noch nie gemacht sowas!
    Dorfchäsi.                                          hingehen und sagen: Ich komme jetzt arbeiten.                                                                     Michelle: Die Lehrer haben bestimmt noch
                                                                                                                 Da muss man                                              ein Meilensteineheft, in dem die einzelnen

                                                                                                             ja echt was machen
    Wie hat es dir gefallen?                       Wenn du Königin der Schulen wärst.                                                                                     Schritte zum V-Job erklärt werden. Wir hatten
    Gut. Es hat mir weitergeholfen. Milch braucht Was würdest du befehlen?                                                                                                dafür in Lernstufe 6 einen Workshop in Ko-
    man ja fast immer. Es ist jetzt aber nicht der Tests abschaffen! Ich mache mir immer mega
                                                                                                             und so viel selbst in                                        operation mit dem Jubez, einem Kultur- und

                                                                                                               die Hand nehmen.
    Beruf, den ich erlernen würde.                 Druck.                                                                                                                 Jugendzentrum in der Stadt, und eine sogar
                                                                                                                                                                          eine Lesepatenausbildung mit Frau Demendi
    Was hat dir besonders gut gefallen?                                   Interview Adrian Struchen
                                                                                                              Das ist ja richtig                                          aus dem Büro für Mitwirkung und Engagement

                                                                                                                 anstrengend.
    Joghurt verpacken. Aber ich war recht erstaunt,                                                                                                                       der Stadt.
    weil eigentlich alles mit Maschinen läuft.                                                                                                                            Leonie: Kannst ja auch mal die anderen Jungs
                                                        AVANTI                                                                                                            fragen, wo die sind. Jonas ist im Gnadenhof für
    Was hat dir weniger gepasst?                                                                                                                                          Tiere und Daniel im Seniorenheim. Vielleicht
    Am Freitagabend bei der Vorstellung unserer    Die Schulprojektwoche AVANTI ermöglicht                                                                                können die dir auch noch ein paar Tipps geben.
                                                   im Rahmen des Lehrplans 21 einen starken
    Projekte musste ich auf der Bühne stehen. Ich                                                                                                                         Paul: Habt ihr das Fach eigentlich auch schon
                                                   Einstieg in die Berufliche Orientierung. Fragen
    hätte es besser gefunden, wenn jemand ande-    der Laufbahn- und Lebensplanung werden                                                                                 in der 5. und 6. Klasse gehabt? Da muss man ja
    res auf die Bühne gestanden wäre. Aber Lara    mit Genderfragen verknüpft. Durch Kennen-                        Paul: Hey ihr, ich hab keinen Plan. Die Leh-          echt was machen und so viel selbst in die Hand
    und ich waren halt Moderatorinnen.             lernen geschlechtsuntypischer Berufsfelder                       rerin von L.E.B.E.N. hat mir gesagt, ich soll         nehmen. Das ist ja richtig anstrengend.
                                                   und Lebensentwürfe erweitern Jugendliche ih-                     mir einen ausserschulischen V-Job suchen. Ich         Michelle: Das ist ja gerade das Gute. Ich kann
    Worauf bist du stolz?                          ren Erfahrungshorizont und werden befähigt,                      dachte, ich soll hier lernen und nicht arbeiten.      selbst was tun und bewirken. In der 5. Klas-
                                                   einen reflektierten Berufsentscheid anzu-
    Dass ich Ihnen (dem Lehrer, Anm. der Red.) in                                                                   Ich kenn nur einen V-Mann aus Krimis. Was ist         se haben wir einen Talentemarkt gemacht, da
                                                   streben. AVANTI ist als fünftägiges Modul
    einer Führung durch die Chäsi zeigen konnte, konzipiert, das sich in gemeinsame wie auch                        denn ein V-Job und wie soll ich das machen?           konnten wir den anderen unsere Talente bei-
    was wir gemacht haben und wie das alles läuft. separate Module für SchülerInnen strukturiert.                   Leonie: Also ein V-Job ist ein Verantwor-             bringen!
                                                                                                                    tungsjob. Wir müssen uns eine Institution su-         Leonie: Am schönsten sind die Nimm2-Akti-
    Was war für dich besonders eindrück-                www.schulprojektavanti.ch                                   chen, in der wir uns engagieren können. Jeden         onen. Da hat mich doch mal Chiara so gelobt,
    lich?                                                                                                           Dienstag bekommen wir von der Schule dafür            weil ich ihr geholfen habe!
    Die Chäsi hat einen Laden. Dort geht alles                                                                      Zeit von 14.30 bis 16 Uhr. Das Ding ist aber, wir     Paul: Hmmm, Nimm2 ess ich auch gerne. Hat
    schnell. Das hätte ich nicht so erwartet.                                                                       bekommen kein Geld dafür, sondern machen              auch jeder 2 gekriegt?
                                                                                                                    es ehrenamtlich. Unser Ziel ist, die Einrichtung      Leonie: Eins darf man da immer behalten,
    Wenn du Projektexpertin wärst, was                                                                              zu entlasten, Frau Koch sagt immer, wir sol-          aber eins gibt man an jemanden ab, den man
    würdest du empfehlen?                                                                                           len die S(tellt euch vor), A(ktiv sein), H(ört zu),   loben will!
    Den Lehrern würde ich sagen, sie sollen für Fir-                                                                N(ehmt Geduld mit), E(rgänzt positiv), also die       Michelle: Und von unserem innerschulischen
    men schauen. Es gibt Familien, die keine Kon-                                                                   SAHNE auf dem Kuchen sein, ein Gewinn für             V-Job hast du noch gar nicht erzählt. Ich war
    takte haben. Und: Die Kinder sollen es ernst                                                                    die Institution. Jeder kann sich aussuchen, wo        nämlich Freudebereiter, und du?
    nehmen.                                                                                                         er hin will. Ich bin im Kindergarten bei uns um       Leonie: Ich war im Dekoteam für den Inpu-
                                                                                                                    die Ecke.                                             traum. Gern hätte ich bei den 5er-Paten noch      
FRAGT DOCH UNS! schulpraxis 3/ 17 - Bildung Bern
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                                     schulpraxis 3 / 17                                                                                                         schulpraxis 2 / 17

                                                                                                                                       Die Lerngruppe ist
                                                                                                                                    wie eine Schulhausfamilie
                                                                                                                     Zoé, Céline, Andrina, Alessio, Yves und Joël sind LerngruppenleiterInnen
                                                                                                                              an der Oberstufe Elsau-Schlatt. Sie sagen im Interview,
                                                                                                                               wie man in der Lerngruppe zusammen lernen kann.

                                                             Das Fach L.E.B.E.N. ist dafür da,
                                                             zu lernen, Verantwortung zu
                                                             übernehmen, und ausserdem
                                                             lernt man in diesem Fach ganz
                                                             praktische Dinge fürs Leben.
   mitgemacht. Die durften der Lerngruppe 5 die                                                                                                                                        einmal pro Woche in einer Pause eine Rückmel-
    Essensregeln zeigen und ihnen beim Logbuch                                                                                                                                          dung an die Lerngruppenleitung. Sie besuchen
    helfen. Schade, dass wir gerade nichts mehr                                                                                                                                         die Lerngruppen kurz und beobachten uns. En-
    von der Flüchtlingsschule gehört haben. Die                                                                                                                                         de Quartal erhält jede Gruppe vom Coach eine
    Spieleaktion war auch schön.                                                                                                                                                        Rückmeldung und wir erhalten Punkte für die
    Paul: Ihr habt ja echt schon viel gemacht.                                                                                                                                          Rangliste. Das Verhalten der Gruppe, ob man
    Dann werde ich mir mal einen V-Job suchen.                                                                                                                                          einander zuhört und einander respektiert, wird
    Vielleicht kann ich ja was mit Naturschutz ma-                                                                                                                                      bewertet. Alle Lerngruppen treffen sich einmal
    chen. Ich hab schon mal bei Dreck-Weg-Aktio-          Es geht um Wirksamkeit                                                                                                        pro Woche gleichzeitig während einer Lekti-
    nen mitgeholfen.                                                                                                                                                                    on. Jede Woche präsentiert ein Mitglied ein
    Michelle: Wenn du noch andere Ideen hast,             Mein Name ist Novalee und ich darf Gästen                                                                                     Highlight der vergangenen Woche. Die Gruppe
                                                          oft das neue Fach mit anderen Mitschülern
    für andere coole Sachen in der Schule, kannst                                                                                                                                       beurteilt dies mit einem Kriterienraster.
                                                          präsentieren. L.E.B.E.N. ist ein neues Fach
    du ja nächste Woche mal zum «Roten Salon»             an der Ernst-Reuter-Schule. Wir, die jetzi-
    kommen, da können sogar deine Eltern mit.             gen Schüler der Lerngruppe 7, sind die erste                                                                                  Was sind LerngruppenleiterInnen?
    Da treffen sich Lehrer, Eltern und Schüler und        Klasse, die Pioniere, sagt Herr König-Kurowski                                                                                Wir LerngruppenleiterInnen führen die Lern-
    überlegen sich Aktionen für die ERS. Daraus ist       immer, die das Fach L.E.B.E.N. kennengelernt                                                                                  gruppe und sind Ansprechpartner für die Mit-
    letztes Schuljahr die Ideenpoolparty entstan-         haben. Jetzt sind wir fast schon Profis. Das                                                                                  glieder der Lerngruppe. Diese wissen, dass sie
                                                          Fach L.E.B.E.N. findet einmal in der Woche
    den. Der megagrosse Talentemarkt, bei dem                                                                                                                                           auf uns zukommen können, wenn sie Fragen
                                                          statt. In der 5. und 6. Klasse hat man Verant-
    Schüler, Lehrer und Eltern Workshops für alle         wortungsjobs in der Schule. In der 7. Klasse                                                                                  haben.
    angeboten haben.                                      sieht es ein bisschen anders aus, denn man
    Paul: Danke, das reicht erst mal. Da bin ich          sucht sich ausserschulische Verantwortungs-                                                                                   Wie leitet ihr konkret?
    jetzt erst mal beschäftigt. Ich schein ja an einer    jobs. In einem Verantwortungsjob lernt man         Die Lerngruppen         Was ist eine Lerngruppe?                           Wir haben ein vorgegebenes Programm, das
    echt aussergewöhnlichen Schule zu sein! S             Verantwortung für sich und andere zu über-         kommen super            Ein Zusammentreffen von Schülerinnen und           von den Lehrpersonen zusammengestellt wird.
                                                          nehmen und spürt dabei, dass man schon
                                                                                                             miteinander aus.        Schülern aus verschiedenen Jahrgängen. Wir         Es hat immer etwas zu tun mit dem, was in
                                                          echt was bewirken kann. Leute, die neu an
               Leonie Spiess und Michelle Gruber          unsere Schule kommen, fragen oft, wofür ist        Was sie zusammen        können Lernmethoden austauschen, gegen-            der Schule läuft, zum Beispiel mit Berufswahl.
                                                          das Fach L.E.B.E.N. und was ist das Besonde-       erreichen, ist schon    seitig Tipps holen und geben. Wir machen           Einmal pro Quartal gibt es einen Wettbewerb.
                                                          re? Das Fach L.E.B.E.N. ist dafür da, zu lernen,   toll.                   Präsentationen, geben uns gegenseitig Rück-
                                                          Verantwortung zu übernehmen, und ausser-                                   meldungen, formulieren persönliche Ziele und       Wie werdet ihr geschult?
                                                          dem lernt man in diesem Fach ganz praktische                               Gruppenziele. In der Lerngruppe fühlen wir uns     Geschult wird vor allem, wie man die SMART-
                                                          Dinge fürs Leben. Ich finde, wir können stolz
                                                                                                                                     sehr wohl, sie ist ein wenig wie eine Schulhaus-   Ziele aufschreibt. Schulungen gibt es, wenn es
                                                          auf uns sein, was wir schon alles bewirkt ha-
                                                          ben. Auch bin ich dadurch viel selbstbewuss-                               familie.                                           nötig ist. Wenn den Lehrpersonen auffällt, dass
                                                          ter geworden. Das Besondere an diesem Fach                                                                                    die LerngruppenleiterInnen etwas verbessern
                                                          ist, dass es nicht um Noten geht, sondern                                  Wie funktioniert sie?                              können.
                                                          darum, was ich tun und bewirken kann.                                      Von jedem Jahrgang sitzen zwei Schülerinnen,
                                                          www.ers-karlsruhe.de                                                       also insgesamt sechs oder sieben, in der Grup- Was sind SMART-Ziele?
                                                                                                                                     pe. Jede Gruppe hat eine Leitung, meistens je- Jeder Buchstabe bedeutet etwas. Das S steht
                                                          Geschrieben von Novalee Fürst
                                                                                                                                     mand aus der 3. Sek. Die Lehrpersonen geben für spezifisch, M für messbar, A für anspruchs-          
FRAGT DOCH UNS! schulpraxis 3/ 17 - Bildung Bern
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                                     schulpraxis 3 / 17                                                                                         schulpraxis 3 / 17

                                                                                                             Wir haben die Pulte nicht so
                                                                                                             wie früher – das wäre blöd
                                                                                                              Die 1. bis 3. Klasse aus Schüpfen, mit Lehrerin Nina Luyten,
                                                                                                           besteht aus 19 Kindern. Sie arbeitet seit etwa einem Jahr mit dem
                                                                                                             Churermodell. Timo, Livio, Carmen, Ilse, Ben und Ron sagen,
                                                                                                                              wie sie den Unterricht erleben.

   voll, R für realistisch, T für terminiert. Wir set-   sehen, wenn es klappt. Es tut gut, Verantwor-
                                                                                                                   Wir können                                          Wie müssen wir uns die Lernumgebung
    zen SMART-Ziele über zwei Wochen und ver-             tung zu übernehmen. Die Gruppe gut zu leiten,                                                                vorstellen?
    suchen sie einzuhalten. Die Leiterin schreibt sie     ist Ehrensache und gibt ein Erfolgserlebnis.      selbst auswählen, mit                                      Eine Lernumgebung ist zu einem Thema meh-
    auf, für jeden Schüler eigene Ziele, aber auch                                                         wem wir arbeiten wollen.                                    rere Posten. Wir können selber auswählen, wel-
    ein Gruppenziel. Die Leitung kontrolliert, ob al-     Worauf seid ihr stolz?                            Ich finde das gut, weil,                                   chen Posten wir machen. Ich finde es gut, weil

                                                                                                            wenn einer nervt, muss
    le ihre Ziele nach SMART-Kriterien formulieren.       Von den LehrerInnen wird uns ein Vertrauen                                                                   wir selber auswählen.
    SMART zu formulieren, ist nicht ganz einfach.         gezeigt. Wenn etwas positiv herauskommt, ob-
    Man muss es immer erklären. Wenn ein Schüler          wohl am Anfang nicht alle motiviert waren, tut    man nicht mehr neben                                      Was ist eine Lernfamilie?
    sagt, er wolle Ende Woche im Franz-Test eine          das gut. Die positive Entwicklung der Schüler            dem sitzen.                                        In der Lernfamilie sind 3 bis 4 Kinder und ein bis
    6 schreiben, fragt die Leitung ihn, wie er das        macht stolz. Sie reden am Schluss mehr und                                                                  zwei 3.-Klässler, ein 1.-Klässler und ein bis zwei
    erreichen wolle. Dann diskutiert man.                 besser miteinander, sind am Ende stärker als                                                                2.-Klässler. Ich finde die Lernfamilien gut, weil
                                                          am Anfang. Wir kommen auch super mitein-                                                                    dann lernt man die Kinder besser kennen. Die
    Was findet noch statt?                                ander aus.                                                                                                  Lernfamilien haben alle einen Namen. Unsere
    Wettbewerbe. Wir können Punkte sammeln.                                                                                                                           heisst: Die 4 Pumas.
    Ziel jeder Gruppe ist es, möglichst viele Punkte      Wie werden GruppenleiterInnen                                                                                   Die Älteren schauen zu den Jüngeren, und
    zu sammeln. Zum Beispiel am Sporttag oder             ausgewählt?                                                                                                 wenn die 1.-Klässler mal nicht weiterkom-
    Osterlauf. Kürzlich mussten alle Gruppen ein          Die vorherigen LerngruppenleiterInnen wäh-                                                                  men, können sie die Älteren fragen. Ich finde
    Mandala machen aus Naturmaterialien. Oder             len aus. Man kann sich melden. Die 3.-Klässler            Was ist der Klassenrat?                           das sehr gut, weil wenn jemand nicht weiter-
    wir machten Videos zu gewissen Themen. Die            geben Empfehlungen ab. Wenn jemand nicht                  Wir haben an einer Wand drei Zettel. Der eine kommt, muss man nicht direkt zu Frau Luyten,
    Themen sind meistens so gewählt, dass die             einverstanden ist mit der Wahl, wird darüber              ist grün, der ist für «Das war super» und der sondern man kann die Kinder in seiner Lernfa-
    Gruppe zusammen etwas gestalten kann. Es              gesprochen. Manchmal gibt es eine Doppel-                 andere ist gelb, der ist für Ideen, Vorschläge, milie fragen.
    ist nicht unbedingt die schlauste Lerngruppe,         führung mit zwei LerngruppenleiterInnen. S                Wünsche, und der letzte ist rot, der ist für Pro-
    die am Schluss den Pokal gewinnt, eher die                                                                      bleme, Konflikte. Die drei Blätter nehmen wir in Was ist ein Lernpartner?
    cleverste. Wissen zählt ebenso wie Kreativität                                                                  den Klassenrat. Nachher besprechen wir alles. Wir können selbst auswählen, mit wem wir
    und Teamgeist.                                        Lerngruppe Elsau                                          Ich finde den Klassenrat gut, weil dann können arbeiten wollen. Ich finde das gut, weil wenn
                                                                                                                    wir die Probleme besprechen.                      einer nervt, muss man nicht mehr neben dem
    Was gefällt euch in der Lerngruppe?                   Während einer Wochenlektion arbeiten die                                                                    sitzen.
                                                          Schülerinnen und Schüler in kleinen, alters-
    Verschiedene Jahrgänge arbeiten zusammen.                                                                       Könnt ihr etwas zum Kreis sagen?                     Wir dürfen auch allein arbeiten.
                                                          durchmischten Gruppen selbständig zum The-
    Es ist cool, mit allen zu reden. Ohne Lerngrup-       ma Lernen. Sie werden von einer Lernenden                 Im Kreis sagt die Lehrerin, was wir machen,
    pe hätte man diesen Kontakt nicht. Die älteren        geleitet, diese wiederum von Lehrpersonen                 und erklärt uns die Posten. Wir machen auch Was gibt es zum Arbeitsplatz zu sagen?
    SchülerInnen können meistens besser helfen. Es        ausgebildet und gecoacht.                                 noch das Abschlussspiel. Das Abschlussspiel ist: Wenn wir hereinkommen, können wir uns ei-
    ist schön, zu sehen, wie die Lerngruppen sich            Die Lerngruppe soll gegenseitiges Vertrau-             Wir machen ein Spiel und irgendwann darf nen freien Platz aussuchen. Wir haben keine
    entwickeln und die SchülerInnen offener wer-          en aufbauen und die Gruppe stärken. Jedes                 man gehen. Sie erklärt uns auch noch Blitz festen Plätze mehr. Das finde ich auch gut. Wir
                                                          Gruppenmitglied übernimmt für sein eigenes
    den. Was man zusammen erreicht, ist schon                                                                       und die neuen Themen. Aber wenn es nur kurz haben die Pulte nicht so wie früher, das wäre
                                                          Lernen, aber auch für das Lernen der anderen
    toll. Es ist ein gutes Gefühl, als Gruppe ohne        Mitglieder Verantwortung.                                 geht, kann sie auch eingefroren sagen. Dann blöd.
    LehrerIn ein Projekt, das man selber ausge-           www.oberstufe.ch                                          müssen alle stehen bleiben, wie wir gerade sind.     Wenn man immer am gleichen Ort arbeiten
    dacht hat, zu realisieren, und es macht stolz, zu                                                               Das finde ich praktisch.                          muss, wird es mit der Zeit auch langweilig. Ich      
FRAGT DOCH UNS! schulpraxis 3/ 17 - Bildung Bern
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                                   schulpraxis 3 / 17                                                                                                     schulpraxis 3 / 17

                                                                                                                             Wir hatten nie Hunger
                                                                                                                              Das Projekt «Verantwortung» der 8. Klasse der
                                                                                                                           Volksschule Münsingen war für die SchülerInnen ein
                                                                                                                        voller Erfolg. Janik und Timon sagen im Interview, warum.

   finde nicht so gut, dass manchmal ein paar mit
    ihrem Pultnachbarn blödeln.

    Ihr habt auch noch Epochenunterricht.                      Ich finde nicht
    Was ist das?                                                 so gut, dass
    Eine Epoche ist immer 3 Wochen Math oder                    manchmal ein
    Deutsch.                                                   paar mit ihrem
                                                               Pultnachbarn
    Wie geht es euch in der Schule?
    Mir geht es gut, weil wir beim Üben viel be-
                                                                   blödeln.
    wegen dürfen. Zum Beispiel beim Blitz kön-
    nen wir spazieren, das heisst, wir spazieren im
    Schulhaus, ein Kind sagt Rechnungen und das
    andere sagt die Lösung.
       Es geht mir gut in der Schule, weil die Leh-
    rerin sehr nett ist und sie Spass versteht. Ich
    finde auch die Epochen sehr gut, weil dann
    kann man an etwas dranbleiben.

    Würdet ihr eure Schule weiter-

                                                                                                  Foto: Timon Sigrist
    empfehlen?
    Ich würde die freie Platzwahl empfehlen, weil       Das Churermodell
    wenn man im Math mit jemandem besser ar-
    beitet und im Deutsch mit jemandem, dann     Zimmer umstellen: Das Schulzimmer wird zur
                                                 Lernlandschaft. Der Kreis spielt eine zentrale
    kann man wechseln.
                                                 Rolle. Die SchülerInnen wählen den Arbeits-
       Ja. Ich würde meine Schule empfehlen, weilplatz selber. Der Raum wirkt als 3. Pädagoge.
    ich es gut finde, dass wir den Platz selbst wäh-
                                                 Inputs im Kreis: Jede Lektion wird mit einem                                                                                   Was war das Besondere an eurem
    len dürfen.                                  Input im Kreis eröffnet. Dieser dauert zwi-                                                                                    Projekt?
                                                 schen 12 und 15 Minuten. Arbeit mit Lern-                                                                                      Dass man selber planen musste und nicht alles
    Was würdet ihr verändern?                    aufgaben: Ein bis zwei Lernaufgaben schlies-                                                                                   vorgekaut wurde. Wir mussten Übernachtun-
                                                 sen direkt an den Input an; mindestens ein
    Ich bin zufrieden.                                                                                                                                                          gen planen, den ÖV, die Finanzen, die Zeit und
                                                 Lernangebot mit erweiterten Anforderungen,
       Ich würde verändern, dass wir 2 Lektionen möglicherweise ein Lernangebot, bei dem                                                                                        was wir alles machen wollten, zum Beispiel am
    Sport (am Stück) haben, dann können wir et- schwächere SchülerInnen das nötige Vorwis-                                                                                      Abend. Das Kochen auf Gas oder dem Feuer
    was länger turnen. S                         sen aktualisieren können. Freie Platzwahl: Die                                                                                 war speziell. Eine besondere Herausforderung
                                                 SchülerInnen wählen das Lernangebot, den                                                                                       war es auch, genügend Essen zu kaufen.
                          Interview Nina Luyten Arbeitsplatz und den/die Lernpartner. Ziel ist
                                                 es, ein gutes Setting zu finden, bei dem gut
                                                                                                                               Welches Projekt habt ihr gewählt?                Welche Vorteile hat das Projekt?
                                                 gelernt werden kann. Die Lehrperson beob-
                                                 achtet und unterstützt die SchülerInnen in                                    Wir fuhren mit dem Fahrrad von Münsingen         Wir durften selber bestimmen, was wir ma-
                                                 diesem Prozess und kann bewusst steuern                                       bis nach Grönbach, Sigriswil. Von dort wan-      chen wollten, die Route, das Programm. Auch
                                                 wenn nötig.                                                                   derten wir ins Justistal, übers Gemmenalphorn    die Gruppen durften wir frei zusammensetzen.
                                                                                                                               aufs Niederhorn und zurück nach Grönbach.        Wir durften kaufen, was wir gern essen. Auch
                                                        Mehr Informationen: www.churermodell.ch                                Schliesslich radelten wir mit den Velos wieder   das Fortbewegungsmittel konnten wir selber
                                                                                                                               nach Münsingen.                                                                                   
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                                         schulpraxis 3 / 17                                                                                          schulpraxis 3 / 17

                                                              men, die nicht ganz gesund sind, zum Beispiel     Ich wurde oft falsch verstanden
                                                              Asthma haben.
      Teilweise
waren die Rucksäcke                                         Was würdet ihr ändern?                                              M.S., 17, ist ein Schulabbrecher.
bis 18 Kilo schwer.                                         Wir möchten das Ganze einmal ohne Erwach-                     Im Interview sagt er, warum es so weit kam
   Fürs Wandern                                             sene machen. Mehr auf uns selber gestellt sein.
                                                            Bei der Planung wären sie noch dabei, aber            und welche Art von Schule diesen Abbruch verhindert hätte.
 ist das eher viel.                                         nachher nicht mehr.
                                                               Dann würden wir weniger Material mit-
                                                            schleppen. Teilweise waren die Rucksäcke bis
                                                            18 Kilo schwer. Fürs Wandern ist das eher viel.
                                                            Nur mit einem Zelt, nur mit drei Militärplachen
                                                            ginge es auch. Wir müssten dann kreativ über-
                                                            legen, was möglich ist. Die Lehrpersonen soll-
         bestimmen. Man könnte auch mit den Inline- ten sich zu Beginn durchsetzen, wenn sie sehen,
          Skates gehen.                                     dass das Projekt zu gross ist, man es nicht meis-                                                               gewehrt, wenn es für mich besonders schlimm

                                                                                                                     Kindern und
                                                            tern kann. Wir müssten auch eine Notlösung,                                                                     war. Ich bin auch oft zu spät zur Schule ge-
          Worauf seid ihr stolz?                            eine Notroute ausdenken, für den Fall, dass                                                                     kommen. Ich habe mich damals völlig in meine
          Wir haben das Ganze als Gruppe gemeistert, man irgendwo nicht durchfahren könnte.                     Jugendlichen sollte                                         Game-Welt zurückgezogen – das war das Ein-

                                                                                                                 es doch vor allem
          ohne Unfälle, höchstens mit kleineren Verlet-                                                                                                                     zige, das mir noch richtig Spass machte.
          zungen. Das ist schon toll. Und wir haben es Ihr könntet euch das Projekt ganz ohne
          geschafft, am Abend jeweils das Zelt aufzu- Erwachsene vorstellen?                                          wohl sein                                             Was haben Sie im Nachhinein für

                                                                                                                   in der Schule.
          stellen. Dass bei der Geldplanung alles geklappt Ja, wir würden zwar gemeinsam mit Erwachse-                                                                      Erklärungen für die schwierige
          hat und wir nicht total im Minus waren, ist nen planen, dann würden wir aber ausgesetzt.                                                                          Situation in der Schule?
          nicht selbstverständlich. Wir sind auch stolz da- Damit wir auch mal unter uns wären. Und nicht                                                                   Ich wurde oft falsch verstanden von den Mit-
          rauf, dass wir, wenn jemand eine Down-Phase jemanden dabei hätten, der mehr Erfahrung                                                                             schülerinnen und Mitschülern, aber auch von
          hatte, ihn wieder motivieren konnten. Und: Wir hat. Ein Handy müssten wir schon mitnehmen.                                                                        den Lehrpersonen. Ich war auch stark mit mir
          hatten nie Hunger.                                Und jemand müsste ein wenig Samariter sein,                                                                     beschäftigt und hab nicht gecheckt, wie wich-
                                                            etwas über Verletzungen wissen.                                                                                 tig die Schule für meine Zukunft eigentlich wä-
          Wem würdet ihr das Projekt                                                                                      Wie würden Sie ihre Schulerfahrungen              re …
          weiterempfehlen?                                  Was möchtet ihr sonst noch zum Projekt                        in wenigen Worten beschreiben?
          Sicher allen.                                     sagen?                                                        Durch die vielen Umzüge musste ich immer          Was war Ihr Anteil an den Schwierig-
                                                            Es war eine super Erfahrung, die wir nicht ver-               wieder in eine neue Klasse hineinkommen und       keiten, was der Anteil der Schule?
          Warum?                                            gessen werden. Zwar waren die drei Tage hart,                 hatte neben den neuen Mitschülerinnen und         Mein Fehler war, dass ich den Schwierigkeiten
          Man lernt, richtig und selbständig zu planen. aber meistens auch schön. Fehler, die man ge-                     Mitschülern auch immer wieder neue Lehrper-       ausgewichen bin. Da ich immer wieder eins
          Man übernimmt viel Verantwortung. Es ist für macht hat, wiederholt man nicht mehr. S                            sonen. Dies lief zu Beginn jeweils gut. Mit der   aufs Dach gekriegt habe, habe ich lieber nichts
          alle eine super Erfahrung. Wir mussten impro-                                                                   Zeit gab es aber überall ähnliche Probleme.       mehr gesagt oder bin ausgewichen – ich habe
          visieren und schafften es, auch mal drei Tage                          Interview Janick Klossner                   Ich habe mich mit den Mitschülerinnen und      mir auch keine Hilfe geholt …
          ohne Handy unterwegs zu sein und eben nie                                                                       Mitschülern zerstritten und hatte einige oder        Die Schule hat eigentlich nicht viel falsch
          die Mails zu checken. Man ist auf sich allein Projekt «Verantwortung»                                           sogar alle gegen mich. Wenn ich den Clown         gemacht – ich hatte einfach das Gefühl, dass
          gestellt.                                                                                                       gemacht habe oder mich wehrte, bekam ich          ich nichts richtig machen konnte oder gewis-
                                                            Die SchülerInnen der 8. Klasse der Volksschu-                 Probleme mit den Lehrpersonen. Diese haben        se Lehrpersonen mich aufgegeben hatten. Ich
                                                            le Münsingen planten ein herausforderndes
          Was bedeutet Verantwortung?                                                                                     mich bestraft, durch Nachsitzen oder Vor-die      war ein schlechter Schüler. Dann haben sie mir
                                                            Projekt selbständig. Folgende Rahmenbedin-
          Wir waren zu sechst unterwegs. Wenn ich mü- gungen galten: Die SchülerInnen mussten drei                        Tür-Schicken. Ich wusste mir nicht zu helfen      immer wieder gesagt «du musst lernen» – und
          de wurde, musste ich mich aufraffen, damit ich Tage unterwegs sein. Jede/r hatte maximal 30                     und habe beschlossen, es einfach sein zu las-     ich habe mir gedacht, ihr habt mir gar nichts
          nicht das ganze Team bremste. Jeder trug auch Franken zur Verfügung. Eine erwachsene Be-                        sen …                                             zu sagen.
          Verantwortung für die anderen irgendwie.          gleitperson – für den Notfall – war dabei, mit
                                                            Handy. Niemand durfte bei Bekannten essen                     Was meinen Sie mit «es einfach sein               Was hätte damals anders sein sollen,
                                                            oder übernachten. Alle SchülerInnen mussten
          Wem würdet ihr das Projekt nicht                                                                                lassen»?                                          damit es gut gelaufen wäre?
                                                            Tagebuch führen. Das Projekt wurde an einer
          empfehlen?                                        Vernissage vorgestellt.                                       Ich habe mich von den Mitschülerinnen und         Die Lehrpersonen hätten mir nicht immer gleich
          Leuten, die mit Verantwortung nicht klarkom-                                                                    Mitschülern zurückgezogen und mich nur noch       drohen sollen, wenn ich etwas falsch gemacht      
FRAGT DOCH UNS! schulpraxis 3/ 17 - Bildung Bern
18                                                                                                             19
                                   schulpraxis 3 / 17                                                                                             schulpraxis 3 / 17

                                                                                                                       Es ist toll,
                                                                                                              ein Unternehmen zu gründen
   habe. Wenn sie mich vor die Türe schickten,     Für mich gehört auch ein lockerer Einstieg zu          Johanna (23-jährig), ehemalige Teilnehmerin des Company Programme
    hat mich das beleidigt. Ich habe das Vertrauen  einer guten Schule. Nicht einfach von null auf           (YES Alumni), mit Bachelorabschluss in Publizistik und Kommunika-
    verloren, dass man mich wirklich an der Schule  hundert mit Arbeiten beginnen und dann im-
    wollte – auch wenn die Lehrpersonen das im-     mer stur nach Stundenplan arbeiten. Mir hat               tionswissenschaften an der Uni Zürich, kann YES allen empfehlen.
    mer wieder gesagt haben.                        beispielsweise gefehlt, dass wir uns zwischen-
                                                    durch kurz bewegen konnten.
    Aus Ihrer Erfahrung – welche Anliegen              Allgemein denke ich, dass es Kindern und
    haben Sie an die Schule, Lehrpersonen           Jugendlichen doch vor allem wohl sein sollte
    oder das Schulsystem im Allgemeinen?            in der Schule – ein Ort, wo man gerne
    Wichtig wäre guter, interessanter Unterricht – hingeht. S
    wenn es mich interessiert hat, konnte ich auch                                                                                                    Wenn ich mit 17 Jahren
    gut zuhören. Zum Beispiel der Geschichtslehrer,                     Interview Martin Grossen
                                                                                                                    besonders                   ein Jahr lang ein Unternehmen
    der konnte sehr spannend erzählen.
       Weiter ist mir Spass wichtig – Lehrpersonen                                                              stolz bin ich auf                   führe, lerne ich einiges
    sollten Humor verstehen, locker bleiben und
                                                                                                             das netzwerk, welches                        fürs Leben.
    auch über sich selber lachen können.
                                                                                                                ich mir aufbauen
    M.S. aus Thun                                       BVS Plus                                                     konnte.
    M. absolvierte die Schule (1. bis 8. Klasse, an     Die Berufsfachschulen mit Brückenangeboten
    verschiedenen staatlichen Schulen. Da er ein        bieten für Jugendliche das Programm «BVS                       Johanna, stell uns YES ganz kurz vor.             somit auch mit der Verantwortung dafür wirt-
    Schuljahr an einer privaten Schule wiederhol-       Plus» an – eine Werk-, Arbeits- und Lebens-
    te, hatte er mit Abschluss der 8. Klasse die                                                                       YES ist eine Non-Profit-Organisation, die Wirt-   schaften. Sie sind am Ende des Geschäftsjahrs
                                                        schule.
    neun obligatorischen Schuljahre vollendet.             Das Programm BVS Plus ist ein nieder-                       schaftsbildungsprogramme anbietet. Einerseits     dafür verantwortlich, dass die Partizipations-
    Nach einem gewalttätigen Vorfall wurde M.           schwelliges Angebot mit Fokus auf der Erar-                    im Corporate Volunteering, das heisst, ehren-     scheine zurückbezahlt werden können, im bes-
    wenige Wochen vor Schuljahresende der               beitung von Schlüsselkompetenzen, die für                      amtliche Personen aus der Wirtschaft gehen in     ten Fall natürlich mit einer Dividende. Genauso
    8. Klasse vom Unterricht ausgeschlossen und         den Einstieg in eine Berufslehre zentral sind.                 die Schulklassen und unterrichten. Dies kann      lässt sich der Realitätsbezug auch beim Corpo-
    an einen neuen Schulort versetzt. Dort sollte          Die Lernenden arbeiten zu 50% in der                        z.B. heissen, dass ein Volunteer mit den Sekun-   rate Volunteering verdeutlichen: Ein Volunteer
    er die 8. Klasse beenden und dann auch die 9.       Schule und organisieren sich mit Unterstüt-
    Klasse absolvieren. Am neuen Schulort konnte                                                                       darschülern Bewerbungsgespräche übt oder          aus der Wirtschaft übt mit dir das Bewerbungs-
                                                        zung für die anderen 50% Schnupper- und
    er sich in der kurzen Zeit nicht integrieren.       Arbeitseinsätze. Erlebnispädagogische Se-                      mit Primarschülern anschaut, woher das Geld       gespräch und korrigiert deine Bewerbung bzw.
    Somit war kein Wille mehr vorhanden, dort           quenzen sind ebenso Teil des Programms.                        kommt. Das bekannteste Programm von YES ist       gibt dir spezifische Tipps dazu. Weiter finde
    die 9. Klasse zu machen. Vielmehr wollte er            Das Angebot richtet sich vorwiegend an                      das Company Programme. In dessen Rahmen           ich es toll, dass YES einem europäischen und
    auf eigene Faust Lehrstellen suchen. Dies ent-      Jugendliche aus Real- und aus Kleinklassen,                    gründen SchülerInnen ein reales Unternehmen,      weltweiten Netzwerk angehört. Dies ermög-
    puppte sich als zu anspruchsvoll und M. trat        die aus Verhaltens- und/oder Leistungsgrün-                    das ein Jahr lang geführt wird und dessen Pro-    licht beispielsweise den Teilnehmenden vom
    in ein Motivationssemester (MOVE) ein. Dort         den und/oder sprachlichen Gründen erhebli-
    kam es nach sieben Monaten wegen diszip-                                                                           dukte vermarktet werden. Auch Messen wer-         Company Programme auch internationale Er-
                                                        che Probleme bei der beruflichen Integration
    linarischer Verstösse zum Ausschluss. Nach          haben und gegenüber Gleichaltrigen stark                       den besucht.                                      fahrungen (etwa an der Europäischen Handels-
    einem kurzen Praktikum in einem Altersheim          benachteiligt sind. Sie haben in der Regel das                                                                   messe im Frühling).
    startete M. im letzten August im BVS Plus           9. Schuljahr absolviert. Das Ziel besteht darin,               Was ist das Besondere der Organisation?
    in Spiez. Er absolvierte erfolgreich die ersten     dass die Jugendlichen nach diesem Jahr eine                    Ich finde es einfach super, wie realitätsnah      YES ist auch eine Lebensschule?
    Arbeits- und Schnuppereinsätze und konnte           berufliche Ausbildung mit Erfolg bestehen                      die Programme sind. Viele Bildungsprogram-        Wenn ich mit 17 Jahren ein Jahr lang ein Un-
    so positive Erfahrungen in der Berufswelt           und ihr Leben als Berufsleute später selbstän-
    sammeln.                                                                                                           me werden eher spielerisch umgesetzt, und         ternehmen führe, lerne ich einiges fürs Leben.
                                                        dig gestalten lernen.
       Aktuell kann und will er noch weitere                                                                           so fehlt oftmals der direkte Realitäts- und so-   Ich selbst habe mich in diesem Jahr weiterent-
    Berufserkundungen machen, bevor er damit                                                                           mit Anwendungsbezug. An diesem mangelt            wickelt. Konkret: Anfang des Schuljahres fiel es
    beginnt, sich auf offene Lehrstellen zu be-                                                                        es bei YES definitiv nicht. Dies kann natürlich   einem noch eher schwer, etwas zu präsentieren.
    werben.                                                                                                            einerseits beim Company Programme gezeigt         Ende Schuljahr stand unser Team da wie Profis
                                                                                                                       werden, wo die Schüler mit «echtem» Geld und      und wir präsentierten unser Unternehmen, als       
20                                                                                                   21
                                     schulpraxis 3 / 17                                                                                   schulpraxis 3 / 17

                                                                                                          Man muss sich nicht mit
                                                                                                             anderen messen
                                                                                                           In der Gesamtschule Schüpberg wird versuchsweise
                                                                                                              ohne Noten beurteilt. Nils, Quentin und Giulia
                                                                                                          erklären, dass sie ganz gut damit leben, und warum.

   wäre es selbstverständlich (ok, nach so vielen        oder Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden als       Giulia, bitte beschreib unsere Schule.              Klasse verglich jeweils, und dann hiess es, du
    Auftritten war es für uns auch selbstverständ-        Volunteers zur Verfügung stellen können.            Wir haben eine sehr schöne Schule. Ich mag lie-     warst schlechter als die anderen. Das motiviert
    lich :-) ). Weiter lernte ich viele Basics aus der                                                        ber kleine Schulhäuser als viele Leute. Da fühle    nicht, wenn man die Schlechteste ist.
    Arbeitswelt, die man in der Schule sonst eher   Wem würdest du sie nicht empfehlen?                       ich mich wohler. Wir machen draussen Sport,
    verpassen würde: Mails schreiben, Telefona-     Es gibt niemanden, dem ich das Programm                   das finde ich cool. Ich habe eine Kollegin, die     Was könnten wir verbessern?
    te, ja gar Verhandlungen führen etc. Zudem      nicht empfehlen könnte, sofern das Alter der              hat mehr Leute in ihrer Klasse als wir in unserer   Einmal pro Monat könnten wir in eine Turnhalle
    fordert das Programm viel Durchhaltevermö-      Teilnehmenden stimmt. Das Company Pro-                    ganzen Schule.                                      gehen. Ich vermisse manchmal die Ringe.
    gen und auch Verantwortung. Jedoch war es       gramme ist mit viel Aufwand verbunden –
    wichtig, diese Verantwortung auch tatsächlich   Aufwand, der sich definitiv ausbezahlt. Jedoch            Wie findest du die Beurteilung ohne             Nils, kannst du die Schule kurz
    zu erhalten, damit wir lernen konnten, damit    braucht es viel Motivation. Man muss stets                Noten?                                          vorstellen?
    umzugehen.                                      hinter seinem Unternehmen stehen und alle                 Ich finde es noch gut. Es ist weniger stressig. Wir haben Sport, aber keine Turnhalle. Wir
                                                    «Aufs» und « Abs» irgendwie meistern können.              Wir haben dafür viele Selbstbeurteilungen und sind immer draussen, haben ein megakleines
    Worauf bist du besonders stolz?                 Der Lerneffekt ist besonders bei denjenigen               Lerngespräche.                                  Schulhaus, aber einen recht grossen Pausen-
    Besonders stolz bin ich auf das Netzwerk, wel- sehr hoch, die dieses Durchhaltevermögen zu-                                                               platz. In unserer Schule haben eigentlich alle
    ches ich mir durch die Teilnahme, am Company vor nicht hatten. Ohne Motivation wird es aber               Was ist gut daran?                              Kinder Platz.
    Programme von YES, aufbauen konnte. Persön- schwierig, Freude am Programm zu haben.                       Man kann alles sagen, was einen stört, auch
    liche Kontakte zu Personen aus der Wirtschaft,                                                            wenn man vor etwas Angst hat.                   Was heisst das?
    aber auch zu Gleichaltrigen bzw. -gesinnten Wenn du etwas an der Organisation                                                                             Wir haben zum Beispiel ein Kind, das ein As-
    sind enorm wertvoll. Alleine dadurch schon, entwickeln könntest, was wäre es?                             Wie funktionieren die Selbst-                   perger-Syndrom hat. Wir versuchen halt, dass
    dass man erfahrene Personen um Rat fragen Grundsätzlich wäre es toll, wenn alle Schüle-                   beurteilungen?                                  es allen wohl ist und niemand zum Beispiel in
    kann oder einem vielleicht die Studienwahl rInnen die Chance hätten, ein Unternehmen zu                   Wir haben ein Blatt und beantworten Fragen. ein Behindertenheim gehen muss.
    einfacher fällt, wenn man mehr Leute kennt, gründen, und so bereits in der Schulzeit in die               Bei den Kleineren funktioniert es mit Bildern
    die an diversen Universitäten der Schweiz stu- Arbeitswelt eintauchen könnten. S                          und Smileys. Sie können eins ankreuzen.         Was bedeutet die notenfreie Schule?
    dieren. An der Universität war ich teils sehr                                                                                                             Wir haben Punkte statt Noten. Also auf dem
    erstaunt, wie beängstigend für viele Mitstu-                          Interview Noémie Sasse              Gibt es andere Vorteile?                        Blatt steht etwa 40 von 40 Punkten statt eine 6.
    denten das Präsentieren ist. Da hat man mit                                                               Wenn man früher das Zeugnis hatte und man
    etwas Übung schon einen ziemlichen Vorteil.                                                               sah, dass man schlechter war als im letzten, Gibt es andere Beurteilungsinstrumente?
    Zudem gehe ich unterdessen offen und selbst-                                                              machte man sich so richtige Vorwürfe.           Wir haben ein Anforderungsprofil, das ist mehr
    bewusst auf neue Personen zu und finde sehr Wirtschaft und Bildung vernetzt                                                                               bei den Grossen wichtig und später für die Leh-
    schnell Kontakte.                                                                                         Lernst du trotzdem noch genügend?               re. Es gibt das Lerngespräch. Dann haben wir
                                                    YES ist eine Non-Profit-Organisation, die                 Ja, für mich macht es keinen Unterschied, ob auch noch viele Selbstbeurteilungen. Und wir
                                                    Wirtschaftsbildungsprogramme anbietet. Das
    Wem kannst du eure Organisation                                                                           man Noten oder Punkte hat.                      haben das Portfolio, wo wir unsere Dokumente
                                                    bekannteste Programm von YES ist das Com-
    empfehlen?                                      pany Programme. In dessen Rahmen gründen                                                                  hineinlegen können.
    YES kann ich jedem empfehlen, der daran inte- SchülerInnen ein eigenes, reales Unterneh-                  Könntest du das anderen Schulen
    ressiert ist, wirtschaftliche Grundzüge bereits men, das ein Jahr lang geführt wird.                      empfehlen?                                      Was gefällt dir am Projekt?
    in der Schule zu lernen oder zu lehren. Dies www.young-enterprise.ch                                      Ganz klar meine frühere Schule. Dort war es Ich bin nun zwei Jahre am Schüpberg, kam
    können Schüler sein, Lehrpersonen, Schulen                                                                immer sehr stressig mit den Noten. Die ganze gerade ins Projekt rein. Vorher war ich an einer
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                                               schulpraxis 3 / 17                                                                                            schulpraxis 3 / 17

                                                                    Weniger Zeitdruck. Kein Kräftemessen mehr
                                                                    mit den Noten.                                    Ich habe mich wie stabilisiert,
        Die ganze Klasse                                            Quentin, was bedeutet die Noten-                  bin ausgeglichener geworden.
  verglich jeweils, und dann                                        freiheit?
hiess es, du warst schlechter                                       Wir haben keine Noten, aber trotzdem Lern-
als die anderen. Das motiviert                                      kontrollen. Es gibt Punkte. Wir kreuzen an,          Adel, Lara und Alisa besuchen die 9. Klasse des Oberstufen-
      nicht, wenn man die                                           was wir gut können. Wir haben ein Anforde-
       Schlechteste ist.                                                                                             zentrums Madretsch in Biel. Wieso sie gerne Fly-Jugendliche sind und
                                                                    rungsprofil, ein Portfolio. Wir können Sachen
                                                                    hineintun, die uns gefallen. Wir machen eine        wie sie von ihren Einsätzen profitieren, sagen sie im Interview.
                                                                    Selbstbeurteilung, nach Vorträgen oder Texten.
                                                                    Da sagen wir, was wir besser machen könnten
                                                                    oder was gut war. Das Lerngespräch haben wir
              Schule, an der wir immer Noten hatten. Ich           jede Woche einmal.
               finde es gut. Man kann sich nicht mit anderen
               messen, wenn man Selbstbeurteilung macht. Welches sind die Vorteile.
               Ich muss nicht fragen: Welche Note hast du? Gut ist, dass wir nicht nur auf Noten schau-
               Die Punkte sind nur für einen selber.          en, sondern darauf, wo wir stehen. Eine Note
                                                              heisst eigentlich immer mehr, als man denkt.
               Worauf bist du stolz?                          Eine Note ist überall ein wenig unterschied-
               Ich habe das Gefühl, ich habe Fortschritte im lich. Der Bericht ist etwas genauer. Es gibt von
               Lernen gemacht. Ich war nie schlecht, aber das jedem Fach einen Bericht. Man muss sich dar-
               Viertklasszeugnis war nicht so das beste. Das an gewöhnen. Wörter sagen besser, was man
               Fünftklasszeugnis war recht gut.               kann und was weniger.

               Wie sah es aus?                                      Könntest du die Idee weiterempfehlen?
               Es waren keine Noten drin, nur ein Bericht.          Ja, weil man mehr sieht, was man kann und
                                                                    was nicht.
               Wie war es für dich, den Bericht
               zu lesen?                                            Wo würde es allenfalls nicht
               Spannend, denn ich habe nicht gewusst, was           funktionieren?
               auf mich zukommt. Es war ein Text, der mich          Bei grossen Schulen wäre es schon schwieri-
               beschrieb.                                           ger, könnte aber funktionieren, wenn man sich                Ihr habt euch freiwillig als Fly-Jugendli-         Lara: Am Anfang war ich noch viel schüch-
                                                                    einsetzt. S                                                  che gemeldet – was war eure Aufgabe?               terner, gegen Schluss änderte sich dies, weil
               Wem würdest du die Idee empfehlen?                                     Interviews Philippe Villiger               Adel: Ich war in Battenberg, immer am Diens-       ich auch immer mehr wusste, was zu tun war.
               Ich kenne jemanden, die hat jede Woche einen                                                                      tag von 7 bis 10 Uhr, bei einem Flüchtling. Als    Auch die Kinder wussten zu Beginn noch we-
               Test und viele Noten. Denen würde ich das            Erweiterte notenfreie                                        ich begann, arbeitete er an 4.-Klass-Sachen, die   niger, was mit mir anfangen. Später fragten sie
               Projekt recht empfehlen. Sie hat ein ADHS. Es        Beurteilung an der Gesamtschule                              anderen waren in der 6. Klasse, und wir sollten    mehr nach.
               ist sehr schwierig für sie, sich zu organisieren.    Schüpberg                                                    nacharbeiten.                                      Adel: Der Junge und ich gingen immer in den
                                                                                                                                 Lara: Ich war jede Woche einmal in der Emp-        Gang und arbeiteten. Er machte manchmal
               Wem könntest du es nicht empfehlen?                  Im Rahmen der Unterrichtsentwicklung und                     fangsstruktur, wo die meisten Flüchtlinge oder     Seich, als er aber Vertrauen fasste, lief es besser.
                                                                    mit enorm heterogenen Bedingungen sucht
               Einem Streber, der jahrelang mit Noten unter-                                                                     Zugezogene sind, die noch nicht gut Deutsch        Er musste in den Hauptfächern nacharbeiten
                                                                    die Gesamtschule Schüpberg immer wieder
               wegs war und Wettbewerb liebt. Wenn ich ein          nach neuen, innovativen Lösungen, um den                     können. Gegen Schluss des Praktikums konnte        und das ging immer besser. Jetzt schaffte er
               Streber wäre, könnte ich mir das nicht so gut        SchülerInnen gerecht zu werden. Aus diesen                   ich mit der Gruppe einen Teil des Unterrichts      den Übertritt in die 7. Klasse.
               vorstellen. Ins Selbstbeurteilungszeug hineinzu-     Bemühungen ist das Projekt der erweiterten                   machen und ich war bei Ausflügen dabei.
               kommen wäre schwierig.                               notenfreien Beurteilung entstanden, das für                                                                     Konntet ihr den Einsatz selber wählen?
                                                                    die Schuljahre 2016/2017 und 2017/2018 als                   Alisa, du bist ganz neu?                           Lara: Ja. Ich war zuerst in einem Kindergarten,
                                                                    Schulversuch vom Erziehungsdirektor geneh-
               Was müssten wir ändern?                                                                                           Alisa: Ich werde heute meinen ersten Einsatz       das wäre auch cool gewesen. Da war ich aber
                                                                    migt wurde. Das Projekt wurde von Lehrer
               Dass es andere Schulen auch übernehmen. Es           Philippe Villiger im Rahmen der Masterausbil-                haben, an einer 2. Klasse.                         nicht lange, weil ich sonst im Math gefehlt
               ist ein gutes Projekt.                               dung erarbeitet und wird mit aktueller Litera-                                                                  hätte, wegen der langen Anreise. In der Emp-
                                                                    tur und von wissenschaftlichen Ergebnissen                   Adel und Lara, euer Einsatz ist bereits            fangsklasse war es dann super.
               Was würde es bringen?                                unterlegt.                                                   abgeschlossen, wie lief er ab?                     Adel: Ich wählte einen Einsatz an meiner alten         
24                                                                                                  25
                                              schulpraxis 3 / 17                                                                                  schulpraxis 3 / 17

                                                                   Grossmutter lebt. Seine ganze Familie ist noch     vielleicht, wie kann ich das sagen? Ich habe wenn ich einen Vorschlag machte, wurde er
                                                                   in der Heimat. Das ist sehr hart, denn es ist      mich wie stabilisiert, bin ausgeglichener ge- berücksichtigt und wir schauten einmal, ob er
                                                                   etwas Wichtiges, dass man bei seiner Familie       worden.                                            gut oder schlecht war, und meistens kam es
                                                                   sein kann. Manchmal war es sehr schwierig,                                                            gut heraus.
                                                                   wenn sie mir etwas anvertraut hatten, darauf       Hat sich deine Einstellung zur Schule
Den letzten Tag vergesse ich nie.                                  zu reagieren. Ich habe aber immer eine Lösung      wegen Fly verändert?                               Sollte man Jugendliche öfter fragen,
                                                                   gefunden.                                          Adel: Nein. Ich machte nie gross Seich.            was sie tun möchten?
     Ich glaube, drei Kinder
                                                                                                                      Lara: Bei mir änderte sich kaum etwas. Ausser, Adel: Ja, sie sind die neue Generation und man
kamen zu mir, sagten, sie werden
                                                                   Kannst du ein Beispiel nennen?                     wenn andere den Lehrern immer widerspre- muss wissen, was ihnen gefällt. Aus Dingen,
mich vermissen, umarmten mich                                      Manchmal ging es um die Flucht, wie sie es ver-    chen, denke ich manchmal, es würde ihnen die ihnen nicht gefallen, wird auch nichts wer-
   und dankten mir, dass ich                                       arbeiten können. Ich sagte, sie sollten sich ab-   guttun, mal ins Fly zu gehen und zu merken, den, denn sie machen nichts, was sie nicht
           bei ihnen war.                                          lenken, mit einem Hobby beispielsweise, denn       wie es ist, vorn zu stehen, wenn immer jemand wollen, oder dann machen sie es nicht gut.
                                                                   für mich ist Sport sehr wichtig.                   dreinspricht.                                      Lara: Wir haben auch andere Vorstellungen,
                                                                                                                                                                         kommen auf andere Gedanken oder haben
                                                              Alisa wird in eine Regelklasse gehen.                   Kannst du ein Beispiel eurer Arbeit nennen, auch in gewissen Bereichen mehr Ahnung.
             Schule, weil ich schauen wollte, wie sie sich Habt ihr Tipps für sie?                                   das dir besonders Eindruck gemacht hat?            Beispielsweise wenn jemand in meiner Familie
              entwickelt hatte. Es gab ein paar neue Schüler, Lara: Die Kinder haben mir Dinge anvertraut,            Adel: Der erste Tag war der schwierigste. Sich etwas am Handy oder Computer machen will,
              aber einige kannte ich noch und, wie üblich die sie sonst niemandem sagten, wahrschein-                 durchzusetzen, war nicht einfach. Der Junge kann ich meistens helfen. Wir kommen manch-
              in den Bieler Schule, gab es nach wie vor den lich weil sie jung sind und ich eben auch. Ich            wollte nur Seich machen. Er hat mir dann ver- mal auch auf Ideen, die Erwachsenen nicht in
              Kampf zwischen Deutsch- und Französisch- würde diese Dinge, ausser natürlich es ist etwas               traut, und ich habe ihn belohnt mit längeren den Sinn kommen, da wir manchmal auch sehr
              sprachigen.                                     ganz Schlimmes, als Geheimnis bewahren.                 Pausen oder einem Spiel, und dann hat er im- simpel denken.
                                                              Adel: Es geht um gegenseitiges Vertrauen und            mer gut gearbeitet.
              Warum findest du das Projekt gut?               man muss sich durchsetzen können.                       Lara: Die Klasse war extrem musikalisch und Alisa, dein erster Einsatz ist nun vorbei,
              Adel: Menschen zu helfen ist eigentlich im- Lara; Ja, man muss die Balance finden zwi-                  deshalb ging sie einmal an ein Konzert. Ich sass wie wars?
              mer gut. Ich wollte mich immer für Menschen schen lieb und streng. Wenn man zu lieb ist,                im Publikum, hörte zu und es war eindrücklich. Eine Kollegin von mir war bereits an dieser
              einsetzen und habe vor, das auch in Zukunft machen sie irgendetwas.                                     Sie waren ganz anders als in der Schule. Es war Klasse, die Kinder wussten dies und haben
              zu machen. Ich möchte eine Spendenaktion                                                                schön zu sehen, dass die Musik ihnen half. Die mich bereits mit einer Umarmung begrüsst,
              machen für arme Menschen oder Leute, die Was habt ihr besonders in Erinnerung?                          Musik gab ihnen ein Stück Freiheit, sie konnten die Verbindung war gleich da. Wir machten
              gerade im Krieg sind. Ich finde es unfair, dass Lara: Den letzten Tag vergesse ich nie. Ich             einen Moment nur an Schönes denken.                Aufgaben mit Nomen, ich half Bilder auszu-
              viele in Luxus leben und andere kein Dach über glaube, drei Kinder kamen zu mir, sagten, sie                                                               schneiden, putzen und Fragen beantworten.
              dem Kopf haben. Fly half mir, damit zu starten, werden mich vermissen, umarmten mich und                Wem empfiehlst du das Projekt Fly?                 Es ist so herzig! Mir gefällts wirklich, es ist
              und nun habe ich weitere Ideen.                 dankten mir, dass ich bei ihnen war. Gegen              Adel: Ich empfehle es allen, die anderen hel- eine super Abwechslung! S
              Lara: Es ist toll, jemanden zu begleiten, eine Ende Jahr kam auch jemand zu mir, der sagte,             fen möchten, erfahren wollen, wie man mit
              Beziehung aufzubauen und zu schauen, wie es dass es ihm viel besser geht, weil er nun Fuss-             Menschen arbeiten kann. Auch mit sehr unter-                         Interview Monika Mrazeck
              sich anfühlt im «Lehrerleben».                  ball spielen kann, das machte mich ein wenig            schiedlichen. Die, die einfach nicht in die Schule
                                                              stolz. Auch, dass sie mir so vertraut haben, dass       wollen und nichts mit anderen Menschen zu
              Wie ist das denn, so ein «Lehrerleben»?         ich ihnen etwas beibringen konnte. Als wir ei-          tun haben wollen, lassen es besser sein.
              Lara: In der Schule war es manchmal anstren- nen Mathtest übten, kapierte es jemand lange                                                                   Fly im Pädagogischen Dialog
              gend, es war wichtig, viel Geduld zu haben. Es nicht. Dann haben wir weiter geübt und die               Angenommen, du müsstest etwas am
              war sehr beeindruckend, wie offen die Flücht- Note fiel gut aus.                                        Projekt verändern. Was wäre es?              Das Sozialprojekt Fly hilft Jugendlichen ausser-
                                                                                                                                                                   halb ihrer Stammklasse Sozialkompetenzen zu
              lingskinder waren, sie erzählten mir auch sehr Adel: An meinem letzten Tag war es auch so,              Adel: Nach dem Fest gingen alle nach Hause
                                                                                                                                                                   üben. Es kann bei schwierigen Schulsituatio-
              Privates. Zum Glück musste ich nicht zu Hause dass alle zu mir kamen und sagten, dass sie               und alles war auf einen Schlag vorbei. Das war
                                                                                                                                                                   nen auch helfen, ein Timeout zu verhindern.
              korrigieren.                                    mich vermissen werden. Das war sehr schön!              schade.                                      Das Projekt ist letztes Jahr als Good Practice
                                                                                                                                                                   – Beispiel im Pädagogischen Dialog portraitiert
                                                                                                                      Lara: Wir erhielten noch ein Diplom, sonst war
              Hat euch das manchmal auch                           Inwiefern konntest du vom Projekt                                                               worden, mit besonderer Empfehlung von
                                                                                                                      nichts Spezielles, das ist schade. Wir können als
              zu schaffen gemacht?                                 profitieren?                                       Experten auch Neuen noch etwas weitergeben.  Erziehungsdirektor Bernhard Pulver. Der Kurz-
                                                                                                                                                                   film mit dem Titel «Zum Schluss noch dies:
              Adel: Der Junge vertraute mir und hat mir Din-       Adel: Ich habe mich nicht sehr verändert, aber
                                                                                                                                                                   Synergien zwischen Klassen nutzen!» ist
              ge erzählt, die ich niemandem weitererzählen         sehr viel Erfahrung sammeln können.                Denkst du, Erwachsene interessiert           mit vielen anderen Filmbeispielen unter
              durfte. Das war schön. Ich brauchte nie Hilfe        Lara: Ich habe ebenfalls viel erfahren und Ge-     deine Meinung?                               www.erz.be.ch/kurzfilme aufgeschaltet (zu-
              von aussen.                                          duld und Selbstvertrauen gelernt und geübt.        Adel: Vor dem Projekt nicht, aber nun den- unterst). Weitere Informationen zum Projekt:
              Lara: Bei mir hatte es ein sehr kleines Kind, das    Ich denke, ich bin selbstbewusster geworden.       ke ich schon, dass meine Meinung respektiert www.flymitrueckenwind.ch
              zuerst bei seiner Tante war und nun bei seiner       Adel: Selbstbewusst war ich schon immer, aber      wird. Sie haben uns manchmal zugehört, und
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