Französisch-Reformierte Kirche - OOffffeennbbaacchh aamm MMaaiinn
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Die Französisch-Reformierte Kirche in Offenbach am Main Die Französisch-Reformierte Gemeinde Offenbach am Main ist eine evangelische Gemeinde. Mit den anderen evangelischen Gemeinden der Stadt Offenbach gehört sie zur Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Sie ist Mitglied im Reformierten Bund, in der Deutschen Hugenottengesellschaft und beim Hugenotten- und Waldenserpfad e. V., einem europäischen Kulturwanderweg. Im Unterschied zu anderen evangelischen Gemeinden besteht die Französisch-Reformierte Gemeinde nicht aus den evangelischen Christen eines abgegrenzten Wohnbezirks, ihre Glieder wohnen im Stadt- und Landkreis Offenbach und darüber hinaus im In- und Ausland. Für sie ist die Geschichte der Gemeinde und vor allem das reformierte Titelseite: Bekenntnis entscheidend. Dies allein rechtfertigt Die West-Fassade der Französisch- die Existenz der Französisch-Reformierten Ge- Reformierten Kirche Offenbach meinde und ihre Sonderstellung. (Foto Ripley Hess) Das Kirchensiegel gibt es zweimal, einmal für den/die Pfarrer/in, einmal für den/die Präses des Presbyteriums 2
Die Französisch-Reformierte Kirche in Offenbach am Main Wie die Hugenotten aus Frankreich flohen und nach Offenbach kamen In Frankreich hob am 18. Oktober 1685 der „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. das Edikt von Nantes auf. Dieses Toleranz-Edikt war nach Beendigung der Hugenottenkriege (1562- 1597) im Jahre 1598 von König Heinrich IV. erlassen worden. Er sicherte den evangelischen Christen in Frankreich das Recht auf volle Gewissensfreiheit und bürgerliche Gleichberechtigung zu. Aber nur dort durfte ein reformierter Gottesdienst gefeiert werden, wo dies schon 1597 geschehen war. Voller Spott nannte man die evangelischen Christen in Frankreich nach den schweizerischen Eidgenossen "Hugenotten" (Forschungsthese). Ihre Prägung stammt vom Genfer Reformator Johannes Calvin. Im Laufe der Zeit entwickelten sie sich zu einem Staat im Staate. Deshalb wurden ihre Rechte allmählich beschränkt. Seit 1661 herrschte Ludwig XIV. absolutistisch. Er wollte in seinem Land keine Untertanen mehr dulden, die nicht seinen römisch-katholischen Glauben teilten. Deshalb versuchte der König ab 1661, seine evangelischen Untertanen zwangsweise zu bekehren. Er quartierte z. B. Militär in ihre Häuser ein. 1685 verbot er mit der Aufhebung des Toleranz-Edikts von Nantes nicht nur den reformierten Glauben, er verbot auch die Flucht aus Frankreich "bei Strafe der Galeeren für die Männer und die Einziehung von Leib und Gut für die Frauen". Dennoch wagten weiterhin viele Tausende die Flucht um ihres Glaubens willen. Viele entkamen erst nach mehreren Versuchen. Im besten Fall wurden sie, mittellos und von unsäglichen Opfern gezeichnet, zunächst in der Schweiz aufgenommen. Von dort zogen viele, manche erst nach jahrelangem Aufenthalt, in aufnahmebereite deutschsprachige Staaten, bis in die ostpreußischen Gebiete und nach Russland. Offenbach am Main war damals ein Fischer- und Bauerndorf von etwa 500 Einwohnern. Wolfgang Ernst I., Graf von Ysenburg, Büdingen und Birstein, hatte nach dem lutherischen das reformierte Bekenntnis eingeführt („Zweite Reformation“). Mit seiner Unterstützung bildete sich bereits 1596 eine erste wallonisch-reformierte Flüchtlingsgemeinde. Sie bestand allerdings nur bis 1599 und ging dann in der kurz vorher gegründeten wallonischen Gemeinde in Hanau auf. Von 1609-1633 gab Graf Wolfgang Ernst I. den 1554/1555 in Frankfurt gegründeten Französisch- und Niederländisch- Reformierten Gemeinden das Recht, ihre Gottesdienste in Offenbach zu halten. Denn der streng lutherische Rat der Stadt Frankfurt verbot dies damals innerhalb der freien Reichsstadt. Wolfgang Ernsts Enkel Johann Philipp wurde 1685 Graf von Ysenburg-Büdingen. 3
Die Französisch-Reformierte Kirche in Offenbach am Main Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg, hatte bereits 1685 den Réfugiés (Geflüchteten) Asyl und Unterstützung zugesagt. Er wollte mit ihrer Hilfe sein Land wieder aufbauen, das durch den 30-jährigen Krieg ausgeblutet war. Graf Johann Philipp aber zögerte damit bis zum Jahr 1698, obwohl das benachbarte Frankfurt schon seit 1680 eine der wichtigsten Zwischenstationen für die fliehenden Hugenotten war. 1698 ordneten die Schweizer Kantone wegen der ungeheuren Kosten für die Versorgung der Réfugiés Ausweisungen an. Capitaine de Calmez, Abgesandter von einer Gruppe französischer Glaubensflüchtlinge, bat deshalb den Grafen um Aufnahme im günstig gelegenen Offenbach. Graf Johann Philipp erwies sich als außergewöhnlich großherzig. Er sicherte den fremden Glaubensgenossen nicht nur die erbetenen Privilegien und Hilfen zu. Viele deutsche Kleinstaaten versuchten mit Hilfe der fleißigen, handwerklich gut ausgebildeten Franzosen neue wirtschaftliche Zweige aufzubauen. Der Ysenburger Graf machte den Migranten keinerlei Auflagen, nicht einmal die, dass sie in der Lage sein mussten, für sich selbst zu sorgen. So umfasst die erste bekannte Gemeindeliste von 1699 bereits 46 Familiennamen. Gründung der Französisch-Reformierten Gemeinde Offenbach 1699 und ihre ersten Jahre Am 9. Juli 1699 leitete Pfarrer Isaak de Bermont den ersten Gottesdienst in Offenbach. Unmittelbar danach fand die Wahl des ersten Konsistoriums statt, der Presbyter (Kirchenälteste) und Diakone. Damit entsprach die Gründung der Gemeinde der aus der Heimat mitgebrachten Kirchenordnung „Discipline des Églises Réformées de France“ (1660). Aber bis zum Jahre 1703 war der Bestand der Gemeinde gefährdet. Ursachen dafür waren: 1. Graf Johann Philipp gründete schon am 24.7.1699 im benachbarten Dreieicher Forst eine zweite Kolonie für Ackerbau treibende reformierte Glaubensflüchtlinge. Dieser Kolonie (Neu-Isenburg) schlossen sich einige der zunächst nach Offenbach gezogenen Réfugiés an. 2. Der Offenbacher Gemeinde wurde die erhoffte Kollekte aus den niederländischen Generalstaaten verwehrt, so dass viele Familien weiter zogen, da sie trotz der örtlichen Hilfen kaum das Nötigste zum Leben hatten. Ab 1703 jedoch wirkte sich die weitsichtige Politik des toleranten Grafen sowohl auf den Fortbestand der Gemeinde aus, als auch auf die Entwicklung von Offenbach. 4
Die Französisch-Reformierte Kirche in Offenbach am Main Offenbachs Einwohnerzahl wuchs von 790 im Jahre 1700 über 1500 im Jahre 1718 auf 6000 im Jahre 1790 an. Im Gegensatz zur Reichsstadt Frankfurt, die vom Zunftwesen beherrscht war, gestattete Graf Johann Philipp in seinem Residenzstädtchen die Ansiedlung von Manufakturen und Fabriken. Von dieser Erlaubnis machte eine neue Gruppe von Hugenotten Gebrauch, die sich 1703 in Offenbach niederließ. Mit ihr wuchs die Zahl der Gemeindeglieder um mehr als das Doppelte und erhöhte sich wieder auf 30 Familien mit 128 Personen. Die Neuankömmlinge waren nun nicht mehr so mittellos, sie konnten selbst für ihren Unterhalt sorgen. Der Graf ließ ihnen Grundstücke an der Straße „großer Biergrund“ zuteilen. „Die Französisch-Reformierte Kirche 1854“ nach einer Zeichnung von Fritz Bamberger Nun folgten auch Hugenotten, die sich z.B. in Frankfurt schon eine neue Existenz aufgebaut hatten. Zwei weitere Gründe dafür: 1. 1704 sandten auf Fürsprache des Grafen von Ysenburg-Büdingen die niederländischen Ge- neralstaaten der Offenbacher Gemeinde einen Pfarrer, der von ihnen auch besoldet wurde. 2. 1705 erließ der Graf in 24 Artikeln erweiterte Rechte und Privilegien für die „Neugemeinde“. Mit der Aufhebung der ersten Privilegien von 1698 machte er deutlich, daß nur Kaufleute und Handwerker in Offenbach aufgenommen werden sollten. Graf Johann Philipp von Ysenburg-Büdingen. Er regierte von 1685-1718. 5
Die Französisch-Reformierte Kirche in Offenbach am Main Durch diese zweiten Privilegien erhielten die Réfugiés (Flüchtlinge) das Recht der freien Religionsausübung gemäß ihrer aus Frankreich mitgebrachten Kirchenordnung. Der Bau eines eigenen Gotteshauses und die Einrichtung einer eigenen Schule wurde ihnen zugesichert. Zu den Rechten und Vergünstigungen, die den Bestand der Gemeinde in Zukunft sichern sollten, gehörte u.a. die freie Wahl des Pfarrers, der Lehrer, des Vorsängers. Die neue Gemeinde wurde nicht der bestehenden Deutsch-Reformierten Gemeinde in Offenbach (Schlosskirche) eingegliedert, obwohl ganz Offenbach damals reformierten Bekenntnisses war. Sie wurde dem landesherrlichen Konsistorium unmittelbar unterstellt. Die der Französisch- Titelseite der „Rechte und Privilegien“ von 1705 Reformierten Gemeinde gewährten kirchli- (gedruckt im Jahre 1710). chen Privilegien gelten bis heute unver- ändert. Sie wurden bei politischen Veränder- ungen jeweils von den neu etablierten Behörden anerkannt, z.B. nach den napo- leonischen Kriegen durch das großherzoglich-hessische Oberkonsistorium in Darmstadt und zuletzt von der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, bei der auch die Ordnung der Gemeinde hinterlegt ist. Barocker Bogen über der Kirchentür (Tympanon) mit dem Doppelwappen des Gönners der Gemeinde, Graf Johann Philipp von Ysenburg-Büdingen. Foto: Ripley Hess 6
Die Französisch-Reformierte Kirche in Offenbach am Main Daten der Französisch-Reformierten Gemeinde Offenbach 1698 Graf Johann Philipp von Ysenburg-Büdingen übergibt an den Anführer der Glaubensflüchtlinge, Capitaine de Calmelz, die ersten Privilegien 1699 Gründung der Gemeinde. Bis 1718 durfte sie die gottesdienstlichen Räume der Deutsch-Reformierten Gemeinde mitbenutzen: Erst die Schloßkapelle, ab 1703 die neu erbaute [1943 zerstörte] Schloßkirche. 1705 Zweiter Erlass der "Rechte und Privilegien" für die "Neugemeinde". 1706 Bau des ersten Pfarrhauses. 1713 Graf Johann Philipp schenkt der Französisch-Reformierten Gemeinde das Grundstück für die eigene Kirche. Es lag damals am Stadtrand. 1717 Der Grundstein für die Kirche wird gelegt. Zur Finanzierung dienen ein großzügiger Zuschuss des Grafen, Spenden der reformierten Gemeinden in Frankfurt und Hanau und eine große Hypothek, die die Gemeinde auf das Pfarrhaus aufnimmt. 1718 Der erste Gottesdienst in der eigenen Kirche. Sie ist heute in ihrer schlichten typisch hugenottischen „Scheunenform“ die älteste Kirche im Stadtbereich von Offenbach. 1736 Witwe Pomarede stiftet der Gemeinde zwei silberne Kelche für das Heilige Abendmahl. 1740 ca. Fürst Wolfgang Ernst I. verhindert die Auflösung der Gemeinde, indem er weitere Übertritte in die Deutsch-Reformierte Gemeinde verbietet. 1750 Ein eigenes Schulhaus wird gebaut. Die ersten deutschen Familiennamen sind in den Registern zu finden. 1751 Die Kirche erhält eine kleine Hausorgel. Bis dahin hatte – wie in reformierten Gemeinden üblich – ein Vorsänger den Gemeindegesang geleitet. 1782 Durch das Romagnac’sche Testament erhält die Gemeinde das heutige Pfarrhaus - und verkauft das bisherige (letzteres im II. Weltkrieg zerstört). Die Bilder des Ehepaares Pfarrer Pierre und Marie Françoise Romagnac, geb. Barbe, hängen bis heute im Hause (siehe Seite 8). 1818 Fürst Carl von Hessen-Darmstadt hebt – bis auf die kirchlichen Vorrechte – die 1705 erlassenen „Rechte und Privilegien“ auf. 7
Die Französisch-Reformierte Kirche in Offenbach am Main Die barocken Bilder des Ehepaares Pfarrer Pierre Romagnac und Marie-Françoise Romagnac, geb. Barbe hängen im Gemeindesaal und erinnern an das Erbe. Foto: Ines Unger 1819-1825 Die Pfarrstelle ist vakant. Die Deutsch-Reformierte und die Lutherische Gemeinde Offenbachs setzen alle Hebel in Bewegung, um die Auflösung der Französisch-Reformierten Gemeinde zu erreichen. Die Französisch- Reformierte Gemeinde Frankfurt beschreitet den Rechtsweg, um an das Romagnac’sche Vermächtnis zu kommen. 1826 Erste Predigt in deutscher Sprache. 1836-1837 Erste Kirchenheizung in Hessen. 1838 Die Kirche erhält eine Walcker-Orgel mit 13 Registern (Grundbestand der heutigen Orgel). 1865 Die durch die gräfliche Behörde 1853 angeordnete Kirchenrenovierung muss wieder aufgeschoben werden. Denn für das zur Versteigerung freigegebene Pfarrhaus geht kein Mindestgebot ein, wie von der Behörde festgesetzt. 8
Die Französisch-Reformierte Kirche in Offenbach am Main Die Französisch-Reformierte Kirche zu Die neu gestaltete Fassade der Kirche nach Offenbach vor dem Umbau von 1874/75 ihrer Renovierung in den Jahren 1874/75. Foto: Gemeindearchiv Foto: Gemeindearchiv 1874-1875 Erste Renovierung der Kirche - sie erhält eine neobarocke Fassade. Der Fürstenstuhl wird entfernt. 1894 Die Kirche erhält bemalte, buntverglaste Fenster, Kassettendecke, Fries. 1899 200-jähriges Gemeindejubiläum. Festschrift: „Geschichte der französisch- reformierten Gemeinde zu Offenbach am Main“, von Adolf Lehn, damals französisch-reformierter Pfarrer und Offenbacher Dekan. 1903 Anstelle des Gemeindewappens wird über der Kanzel das Ölgemälde „Christus mit den Emmaus-Jüngern“ aufgehängt (bis 1947). 1905 Erweiterung der Orgel durch die Firma Walcker auf den heutigen Registerbestand. Die Disposition wurde allerdings bei späteren Renovierungen mehrfach geändert. 1906 Erste Abendmahlsfeier mit Einzelkelchen. 9
Die Französisch-Reformierte Kirche in Offenbach am Main 1913 Im Zuge der Renovierung erhält die Kirche elektrisches Licht und eine Gasheizung. Antependen (Altarbehänge) werden angeschafft und die Wände ausgemalt. 1919 Zum ersten Mal in Hessen: Durch Ergänzungswahl kommen zwei Frauen in den „Kirchenvorstand“ (Presbyterium). Das offizielle Kirchengesetz ergeht erst drei Monate später. 1920 Der erste Kindergottesdienst. Beginn mit vier Helferinnen und 50 Kindern. 1924 Die Gemeinde zählt fast 600 Glieder im Jahr des 225-jährigen Bestehens. 1932 Die hessische Kirchenleitung in Darmstadt stimmt der Neubesetzung der Pfarrstelle nur unter der Bedingung zu, dass ein Pfarrer gewählt wird, der der Gemeinde entsprechend ihrem Bekenntnisstand dient. 1934 Das die Gemeinde leitende Gremium wird wieder bewusst „Presbyterium“ genannt. 1943 Kirche und Pfarrhaus werden im Krieg am 20. Dezember stark beschädigt. 1946 Am 23. Juni wird das erste Presbyterium nach dem Krieg gewählt. Ab 6. Oktober ist im wiederhergerichteten damaligen Amtszimmer wieder regelmäßig Gottesdienst. 1947 Erste provisorische Renovierung der Kirche. Das Bild über der Kanzel (Christus in Emmaus) wird gegen ein Harmonium getauscht. 1949 Festgottesdienst zum 250-jährigen Gemeindebestehen. Die Gemeinde- versammlung wählt Presbyterium und Diakonie. 1953 Innen- und Außenrenovierung der Kirche. 1954 Die Orgel wird durch Firma Steinmeyer wieder instand gesetzt. Die Kosten werden durch einen stattlichen Betrag des französischen Hochkommissars, durch eine Beihilfe der Landeskirche und durch große Opfer der Gemeinde aufgebracht. 1970 Innenrenovierung der Kirche. Einbau einer Fußbodenheizung. Die Grablege von Pfarrehepaar David und Marie Jordan, geb. Vulson de la Colmbière vor der Kanzel bleiben erhalten. 1975 Außenrenovierung der Kirche und Renovierung des Pfarrhauses. Die Stadt Offenbach übernimmt einen wesentlichen Teil der Kosten. 10
Die Französisch-Reformierte Kirche in Offenbach am Main 1981 Ein verloren geglaubter Abendmahlskelch taucht in einem Auktionskatalog auf. (Einer der 1736 gestifteten Kelche war acht Jahre zuvor zur Reparatur in ein Geschäft gegeben worden, das dann Konkurs machte). 1982 Große Renovierung der Orgel durch die Firma Förster und Nicolaus (Lich/Hessen). 1983 Nach achtjähriger Pfarrvakanz wählte die Gemeindeversammlung den seitherigen Spezialvikar zum Inhaber der Pfarrstelle. Der Chor „Cantate Domino“ (Straßburg) singt in der Kirche französische Psalmen- Kompositionen. 1989 Die Vorarbeiten für den S-Bahn-Bau beginnen mit dem Abriss der an- grenzenden Gebäude zur Berliner Straße hin. Das Wappen der Gemeinde: Das Schiff der Jünger Jesu auf dem See Genezareth wird von Wellen und Sturm bedroht (nach Matthäus 8,25). Umschrift: „Domine serva nos perimus 1699“ – „Herr rette uns, wir gehen unter 1699“. (Siehe Siegel, Seite 2) Foto: Ripley Hess 11
Die Französisch-Reformierte Kirche in Offenbach am Main 1990 Der Schriftteppich mit der ersten Frage des Heidelberger Katechismus wird über der Kanzel angebracht. (Entwurf: Prof. Karlgeorg Hoefer, Ausführung: Ingeborg Richter). Erste Gemeindefreizeit. Krippenspiel mit sechs erwachsenen Darstellern. In der Tradition der Offenbach Schriftkunst seit Rudolf Koch und Karl Klingspor steht der Schrifteppich über der Kanzel, der den Heidelberger Katechismus von 1563 zitiert. Foto: Ripley Hess 12
Die Französisch-Reformierte Kirche in Offenbach am Main 1991 Das Parterre des Pfarr- und Gemeindehauses wird umgebaut, es entsteht eine eigene Gemeindeküche. 1992 In einem Partnerschafts-Gottesdienst mit der Koreanisch-Evangelischen Gemeinde Frankfurt werden zwei Kinder getauft. 1993 Um das Pfarr- und Gemeindehaus herum wird das „Stadtforum Büsingpalais“ gebaut. Am 20.12. beginnt die erste Aktion „Essen und Wärme für Bedürftige“ im Gemeindehaus. 1994 Der Gemeindepfarrer (mit der zweiten Hälfte seines Dienstauftrages) wird ab 1.8. zugleich für die Geistig-Behinderten-Seelsorge im damaligen evangelischen Dekanat Offenbach zuständig. Diese übergemeindliche Arbeit ist seitdem in der Gemeinde stark verankert. 1995 Nach langer Zeit wird wieder ein Gottesdienst in französischer Sprache gehalten. 1996 Nach Abschluss des S-Bahn-Baus und der Errichtung des „Stadtforums Büsingpalais“ werden die Schäden, die dadurch an der Kirche entstanden sind, durch eine Außen- und Innenrenovierung beseitigt. 1998 Die „Fraternité Huguenote“ wird von den Presbyterien der Reformierten Gemeinde Marsillargues (Frankreich), der Reformierten Waldenser- gemeinde Turin (Italien) und unserer Gemeinde unterzeichnet. 1999 300-jähriges Bestehen der Französisch-Reformierten Gemeinde Offenbach am Main. Der Deutsche Hugenottentag findet in der Französisch-Reformierten Gemeinde Offenbach statt. Offenbach vom Main her gesehen, in der Mitte das Isenburger Schloss, rechts ist die reformierte Schlosskirche zu sehen (heute steht nur noch die Turmruine). Matthäus Merian, Topographia Hassiœ, 1655 13
Die Französisch-Reformierte Kirche in Offenbach am Main Das Pfarr- und Gemeindehaus im Jahre 1899 (mit Blick in die zum Main hin verlaufende Herrnstraße) Foto: Gemeindearchiv 2009 Die Vakanzrenovierung der Pfarrdienstwohnung wird ausgeweitet zur Sicherung und denkmalgerechten Sanierung des gesamten Pfarr- und Gemeindehauses, für die kleine Gemeinde ein finanzieller Kraftakt. Bild: Das Pfarr- und Gemeindehaus, Herrnstaße. 66, heute.Foto: Ripley Hess 14
Die Französisch-Reformierte Kirche in Offenbach am Main 2013 Der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau eröffnet eine Impulspost-Aktion zum Thema Toleranz im Gemeindesaal und vor der Offenbacher Französisch-Reformierten Kirche. Der Reformierte Bund Deutschland begeht das 450. Jubiläum des Heidelberger Katechismus mit einem Festgottesdienst in der Französisch- Reformierten Kirche Offenbach. 2015 Die 0,5 Pfarrstelle für Geistig-Behinderten-Seelsorge im Dekanat Offenbach, seit einigen Jahren nicht mehr von der gleichen Pfarrperson versehen, die die halbe Pfarrstelle der Französisch-Reformierten Gemeinde innehat, wird ausgeweitet in eine Pfarrstelle Inklusion in der Propstei Rhein-Main. Die inklusiven Gottesdienste in einfacher Sprache für Menschen mit und ohne Behinderung werden weiterhin monatlich angeboten (außer in den Sommerferien) 2016 Die Walcker-Orgel von 1838 wird von der Firma Jehmlich (Dresden) unter der Obhut der Denkmalpflege renoviert, eng orientiert am romantischen Klang-Ideal. Die Gemeinde und viele Spender/innen bringen die Mittel auf. Bei der Wiedereinweihung spielt und singt ein Organist aus Paris Genfer Psalmen. 2017 Im Jahr des 500. Jubiläums der Reformation wurde der 300jährigen Grundsteinlegung der Kirche gedacht. Die 300jährige Eiche im Pfarrgarten wird von Bürgermeister Peter Schneider für die Stadt Offenbach unter Naturschutz gestellt. 2018 Die Gemeinde begeht das 300. Jubiläum des ersten Gottesdienstes in der 1717/1718 neuerrichteten Kirche und lädt den Präses der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau ein, ihr das Wort Gottes auszulegen. 15
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Die Französisch-Reformierte Kirche in Offenbach am Main Der Kircheninnenraum heute mit Blick auf Empore und zum Ausgang. Foto: Ralf Jehmlich Das Hugenottenkreuz Auf der Orgelempore: Der Spieltisch der Orgel ist nicht mehr der ursprüngliche von Walcker 1838, er wurde 1905 ersetzt. Er stammt vom Orgelbauer Steinmeyer. Hintergrund der Orgelprospekt. Foto: Robert Flaus Siehe Bild linke Seite 17
Die Französisch-Reformierte Kirche in Offenbach am Main Der Abendmahltisch mit der Bibel und die Kanzel Richtung Osten hin gesehen. Die Kirche ist geschmückt für einen Hochzeitsgottesdienst. 18
Die Französisch-Reformierte Kirche in Offenbach am Main Eine reformierte Gemeinde – damals und heute Die reformierte Kirche geht – wie die lutherische – auf die Reformation im 16. Jahr- hundert zurück. Darum: „Reformierte“, d.h. durch Gottes Wort „erneuerte“ Kirche. „Ecclesia reformata semper reformanda!“ Die reformierte Kirche ist immer wieder zu reformieren! Die Kirche Jesu Christi hat viele Reformatoren. Unter ihnen ragen zwei hervor: Huldrych Zwingli aus Zürich (1484-1531), schweizerischer und oberdeutscher Reformator, und Johannes Calvin aus der französischen Picardie (1509-1564), Reformator in Genf und Straßburg. Calvin prägte auch den Protestantismus in seiner Heimat Frankreich und weltweit. Wie Zwingli und Calvin bekennen wir mit allen evangelisch-reformierten Christen in der Welt: Gottes Wort ist allein Maßstab und Mitte des Gottesdienstes und allen gemeindlichen Lebens. Daher ist die Kirche nach dem „Bilderverbot“, dem zweiten der Zehn Gebote, sehr schlicht gehalten. Es verbietet den kultischen Gebrauch von Bildern im Gottesdienst. Eine Kirche ist nach reformiertem Verständnis Versammlungsraum der Gemeinde: Hier kommt sie zusammen zum Hören des Wortes Gottes, zum Lobpreis und Gebet und zur Feier von Taufe und Abendmahl. Im Blickpunkt des Raumes ist die Kanzel. Vor ihr steht in der Mitte der Abendmahlstisch, auf dem allein die Bibel, die Heilige Schrift liegt. So schlicht wie der Raum ist auch die Liturgie. Am Anfang des Gottesdienstes steht nach gut reformierter Art der Psalmengesang (Genfer Liedpsalter = Hugenottenpsalter). Mittelpunkt der Feier ist die Predigt des Wortes Gottes. Taufe und Abendmahl gelten als bestätigende Zeichen der zugesagten Gnade Gottes. Zu den charakteristischen Zeichen reformierten Bekenntnisses gehört es, dass Glaube, kirchliche Ordnung und persönliches Leben eine unlösliche Einheit bilden. Sie zielt auf alle Lebensbereiche: Jedes Gemeindeglied trägt in gleicher Weise Verantwortung für die Gemeinde und ist gerufen, die eigenen Gaben zum Segen aller einzubringen. Oberstes Organ unserer Gemeinde ist deshalb die Gemeindeversammlung. Nur sie kann die geltende Ordnung der Gemeinde verändern. In deren ersten Artikel heißt es: 1. Die Französisch-Reformierte Gemeinde zu Offenbach am Main ist gegründet auf die Heilige Schrift, Alten und Neuen Testaments und bekennt ihren Glauben, wie er von ihren Vätern in der „Confession de foi“ von 1559 in der Form von 1614 dargelegt ist. 19
Die Französisch-Reformierte Kirche in Offenbach am Main 2. Aufgrund ihrer überkommenen Rechte, wie sie der am 9. Juli 1699 konstituierten Gemeinde von dem Grafen Johann Philipp von Ysenburg und Büdingen in den Privilegien vom 18. Mai 1705 gewährt wurden, verwaltet die Französisch- Reformierte Gemeinde zu Offenbach ihre Angelegenheiten selbstständig entsprechend ihrer Ordnung nach den Grundsätzen der „Discipline des Églises réformées de France“ von 1660. 3. Als Lehrbuch gilt in der Gemeinde der Heidelberger Katechismus. Der Pfarrgarten am Pfarr- und Gemeindehaus wird von Mitgliedern der Diakonie und anderen Ehren- amtlichen gepflegt. Die 300jährige Eiche steht seit dem Erntedankfest im Jahr des 500. Reformations- jubiläums 2017 unter Naturschutz. Die Stieleiche wird von der Stadt Offenbach versorgt. Foto: Petra Kopp 20
Die Französisch-Reformierte Kirche in Offenbach am Main Artikel IX der Ordnung schreibt vor, dass die Gemeindeversammlung mindestens einmal jährlich zusammentritt, um den Bericht der beiden „Ämter“ entgegenzunehmen, die schriftgemäß in unserer Gemeinde bestehen: das Presbyterium und die Diakonie. Das Presbyterium hat die geistliche Leitung der Gemeinde und ist verantwortlich für die kirchliche Verwaltung. Es besteht aus dem von der Gemeindeversammlung gewählten Pfarrer (oder der Pfarrerin) und aus vier von ihr auf sechs Jahre gewählten Ältesten (Presbyterinnen und Presbyter). Neben dem Presbyterium steht die Diakonie, die ebenfalls aus vier Gemeindegliedern gebildet wird. Die Aufgabe der Diakoninnen und Diakone ist der Dienst an den Kranken, Armen und Alten der Gemeinde und die Mithilfe bei der Feier des Heiligen Abendmahls. Presbyterium und Diakonie bilden das Konsistorium, das alle wichtigen Angelegenheiten der Gemeinde berät. In Ehren ausgeschiedene frühere Älteste und Mitglieder der Diakonie bilden zusammen mit dem Konsistorium das „Große Konsistorium“. Dieses hat das Vorschlagsrecht bei der Pfarrwahl sowie bei der Wahl der Presbyter und vollzieht die Wahl der Diakonie. Zur Gemeinde kann gehören: 1. Wer in der Gemeinde getauft oder konfirmiert wird. 2. Wer durch seinen Willen und durch Aufnahmebeschluss des Presbyteriums in die Gemeinde eintritt. 3. Wer nach Offenbach am Main zieht und bisher Glied anderer reformierter Gemeinden war, erwirbt die Gemeindegliedschaft. In allen Fällen, auch bei Umzug, wird ein neues Bekenntnis zur Gemeinde nötig, in Form eines Antrags auf Umgemeindung von der Wohnortgemeinde zur Französisch-Reformierten Gemeinde Offenbach, einer Personalgemeinde innerhalb der EKHN und der Evangelischen Kirche in Deutschland. Im Windfang der Kirche hängt das Wappen der Gemeinde. Es stellt das mit den Wellen ringende Schiff der Jünger Jesu auf dem Galiläischen Meer dar und trägt die Umschrift „Domine serva nos perimus. 1699“, übersetzt: „Herr, hilf uns, wir gehen unter. 1699“ (Matthäus 8, 25 - Zürcher Bibel). Bei der Auswahl dieses Spruches haben die Väter und Mütter der Gemeinde ursprünglich wohl nur ihre leidvollen Erfahrungen als Geflüchtete und ihre Erkenntnis über den damaligen Zustand der Gemeinde zum Ausdruck bringen wollen. Sie waren aber darüber hinaus erstaunlich vorausschauend: Denn der Notschrei der Jünger in dem gefährdeten Schiff ist auch bis heute immer wieder der Hilferuf der Gemeinde, die in ihrer Bedrängnis die Hände zu ihrem Herrn aufhebt. Ihr Weg durch die Jahrhunderte ist gekennzeichnet durch ihre Angefochtenheit und durch die dauernde Gefahr, durch äußere Bedrängnis oder eigene Schuld zu Grunde zu gehen. Dass das bisher nicht geschehen ist, verdankt sie somit nicht ihrer eigenen Tüchtigkeit, sondern allein der freien Gnade ihres Herrn, der sie bis heute erhalten hat und, so er will, auch weiterhin erhalten kann. 21
Die Französisch-Reformierte Kirche in Offenbach am Main Glastür mit Hugenottenkreuz mit Blick ins Kircheninnere. Foto: Robert Flauaus 22
Die Französisch-Reformierte Kirche in Offenbach am Main Literaturhinweise: Geschichte der französisch-reformierten Gemeinde zu Offenbach am Main, Offenbach 1899 – Adolf Lehn Festschrift zur 225 Jahresfeier des Bestehens der französisch-reformierten Gemeinde, Offenbach a. M. 1924 – Adolf Lehn „Die Rechte und Privilegien der Französisch-Reformierten Gemeinde Offen- bach a.M.“. Offenbacher Geschichtsblätter Nr. 1, 1949 Festschrift zum 250-jährigen Kirchenbaujubiläum 1969 „Und alle kamen nach Offenbach“ , 1975 – Josef Wingenfeld Hugenottischer Almanach 1685-1985, Sickte 1985 Hugenotten, Profil ihres Glaubens, Basel 1984 – Robert P. Gagg Du deutsch?, München 1984 – Bernt Engelmann Weitere Literaturhinweise: Hier finde ich meine Zuflucht. Auf den Spuren der Hugenotten und Waldenser im südlichen Hessen, Bad Karlshafen 1999, Barbara Döhlemeyer Die Hugenotten. Geschichte, Glaube und Wirkung, Leipzig 2015 – Eberhard Gresch Worte des Glaubens. Wegweiser zu Räumen und Religionen in Offenbach am Main, Hrsg. Magistrat der Stadt Offenbach, o. J. Von der Wasserburg zum Citytower. Eine Zeitreise auf der Kulturroute durch Offenbachs Stadtkern, Offenbach 2008, Angelika Amborn-Morgenstern, Eleonore Blume Entdecke deine Stadt neu. Stadttouren durch Offenbach, Offenbach 2011. Hrsg. Hochschule für Gestaltung (HfG) Offenbach, Stiftungsprofessur Kreativität im öffentlichen Raum, Prof. Kai Vöckler Hugenotten. Französische Glaubensflüchtlinge in aller Welt, Bad Karlshafen 2014, Jochen Desel Gemeindebrief der Französisch-Reformierten Gemeinde Offenbach am Main 1699, regelmäßige Erscheinung mehrmals im Jahr, Offenbach seit 1979 ______________________________________________________________________ Herausgeber: Presbyterium der Französisch-Reformierten Gemeinde Offenbach am Main Erste Auflage, Oktober 1985 Zweite leicht veränderte Auflage, Mai 1999 Dritte erneuerte Auflage, Mai 2018 Layout: Petra Kopp und Felicitas Pipper (Gemeindebüro) Text: Presbyterin Dorothea Sanwald und Pfarrer Ludwig Schneider-Trotier 23
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