Bericht - Hamburgische Bürgerschaft
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BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10384 21. Wahlperiode 13.09.17 Bericht des Sportausschusses über die Selbstbefassung Schwerpunktsportart Rollstuhlbasketball Vorsitz: Marc Schemmel Schriftführung: Thomas Kreuzmann I. Vorbemerkung Die Selbstbefassung nach § 53 Absatz 2 der Geschäftsordnung der Hamburgischen Bürgerschaft (GO) hatte der Sportausschuss in seiner Sitzung am 11. Mai 2017 ein- stimmig beschlossen. Ebenso einstimmig hatte der Ausschuss in derselben Sitzung hierzu eine Anhörung von Auskunftspersonen gemäß § 58 Absatz 2 GO beschlossen. Sowohl die Anhörung als auch die abschließende Befassung fanden in der Sitzung des Sportausschusses am 15. Juni 2017 statt. Als Auskunftspersonen waren eingela- den: Rando Aust, Vorsitzender der Alexander Otto Sportstiftung, Anthony Kahlfeldt, Organisationsleiter der Rollstuhlbasketball-WM Hamburg 2018 sowie die Athletinnen Maya Lindholm und Anne Patzwald. II. Beratungsinhalt Anthony Kahlfeldt informierte den Ausschuss zu Beginn ausführlich über die Roll- stuhlbasketball-WM mithilfe der dem Protokoll des Sportausschusses (Ausschusspro- tokoll Nummer 21/19) als Anlage beigefügten Präsentation. Anthony Kahlfeldt hatte einer Veröffentlichung der Präsentation als Anlage zum Protokoll auf Nachfrage des Ausschussvorsitzenden ausdrücklich zugestimmt. Das Protokoll kann über die Inter- netadresse der Parlamentsdatenbank der Hamburgischen Bürgerschaft unter www.buergerschaft-hh.de/parldok aufgerufen oder in der Parlamentsdokumentation der Hamburgischen Bürgerschaft eingesehen werden. Die Veröffentlichung der Prä- sentation im Web erfolgte ohne die Fotos. Die SPD-Abgeordneten zeigten sich erfreut darüber, dass es mit dieser Anhörung geklappt habe und sich insbesondere die beiden Athletinnen unmittelbar vor der EM noch die Zeit genommen hätten, in den Ausschuss zu kommen. Dies vorausgeschickt fragten sie, wie das Thema Mobilität im Rahmen der Organisation der WM bewegt werde. Anthony Kahlfeldt führte aus, die Beförderung der Spielerinnen und Spieler sei ein ganz wesentliches Thema und diesbezüglich befinde sich das Organisationsteam im Austausch mit dem HVV, der entsprechend Niederflurbusse einsetzen werde, was bei Sportveranstaltungen bereits geübte Praxis sei. Selbstverständlich sei aber auch die Besucherlogistik ein herausragendes Thema. Besonders wichtig seien dabei die Anbindung der Zielstation im Inselpark und die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des dortigen Lifts. Sollte es dennoch ein technisches Versagen geben, stünden zur Sicherheit Helfer bereit. Darüber hinaus sei aber auch Kulanz seitens des HVV not- wendig, denn eigentlich dürften nur zwei und im Ausnahmefall drei Rollstuhlfahrer in
Drucksache 21/10384 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode herkömmlichen Bussen befördert werden. Angestrebt werde deshalb die Durchfüh- rung von Schulungen für die Fahrerinnen und Fahrer. Der FDP-Abgeordnete griff die Aussage auf, dass alle Spiele online gezeigt werden sollten und fragte, wie groß die Resonanz in der Vergangenheit gewesen sei, mit wel- chen Zuschauerzahlen 2018 gerechnet werde und ob es eher Chance oder eher Risi- ko sei, dass kurz vorher die Fußball-WM stattgefunden haben werde. Außerdem bat er, noch einmal näher zu erläutern, welche Hoffnungen mit der Bewerbung der WM im Manga-Stil und welche strategischen Gedanken damit verbunden gewesen seien. Anthony Kahlfeldt antwortete, er könne überhaupt nicht einschätzen, welche Auswir- kungen die zeitnah stattfindende Fußball-WM haben werde. Er hoffe natürlich, dass ein bisschen Spirit mit hinüberschwappe. Was die Online-Vermarktung beziehungs- weise das Broadcasting angehe, sei festzustellen, dass die Resonanz je nach Veran- staltung ganz unterschiedlich ausfalle. Bei einem Großevent wie beispielsweise den Paralympics sei ein großer Zuschauerzuspruch zu erleben, während es bei den Behindertensportveranstaltungen ein sehr durchwachsenes Interesse gebe. Die WM 2018 biete eine Riesenchance, eine große Wahrnehmung zu erzielen, denn der Inter- nationale Rollstuhlbasketballverband habe über 100 Mitgliedsnationen mit über 85.000 aktiven Spielern, die am Wettkampfbetrieb teilnähmen. Dies sei auch der Hin- tergrund für das Organisationsteam, die WM besonders zu promoten. Für die Manga- kampagne hätten sie sich entschieden, weil es ihrer Meinung nach damit möglich sei, viel mehr auf Aktualitäten eingehen zu können, die in der Stadt passierten. Es werde sich auch erhofft, mit den Zeichnungen viele Menschen direkt anzusprechen, zu bewegen und einzubinden. Außerdem seien mit Hiro, Jenny, Tom & Amber vier Per- sonen mit vier Behinderungen ausgesucht worden, die es im Rollstuhlsport tatsächlich gebe. Deutlich werde daran zudem, dass der Rollstuhlbasketball eine sehr inklusive Sportart sei, die es national auch Nichtbehinderten erlaube, am Wettkampfgeschehen teilzunehmen. International bedürfe es hingegen eines minimalen Handicaps. Die Abgeordnete der GRÜNEN erklärte, sie freue sich sehr auf die WM. Für sie sei Rollstuhlbasketball noch ein wenig Neuland, weshalb sie sehr gespannt und neugierig sei. Sie hoffe sehr inständig, dass nach der Fußball-WM in der Stadt keine Müdigkeit herrsche. Der Präsentation habe sie entnommen, dass im Rahmen des Konzeptes zur Rollstuhlbasketball-WM auch der Kontakt zur Stadtteilkultur vor Ort gesucht werde, was sie als besonders interessant empfinde. Sie bat um Erläuterung, welcher Gedan- ke dahinterstehe. Als sehr interessant und sehr gelungen habe sie die dargestellte Kooperation mit der Schule wahrgenommen. Sie fragte, wie dies in Anbetracht der bis kurz vor der WM andauernden Sommerferien funktioniere solle. Außerdem fragte sie, wie unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Handycaps die Mannschaftszu- sammensetzungen jeweils sein würden. Anthony Kahlfeldt schickte seinen Antworten voraus, dass die WM 2018 in Hamburg die größte Rollstuhlbasketball-WM aller Zeiten sein werde, was an der Zusammenle- gung von Männer- und Frauen-WM liege. Dies sei zwar nicht das erste Mal gesche- hen, bislang sei die Anzahl der Teams aber deutlich geringer gewesen. Im nächsten Jahr würden 16 Männerteams und 12 Frauenteams in Hamburg erwartet. Wie sich die Mannschaften personell zusammensetzten, könne er zu einem so frühen Zeitpunkt natürlich noch nicht sagen. Dies hänge davon ab, wie sich die Sportlerinnen und Sportler im nächsten Jahr entwickelten. Das Punktesystem, wonach sich Mannschaf- ten grundsätzlich zusammensetzten, könnten die Athletinnen erklären. Zur Frage nach der Einbindung der Stadtteilkultur erläuterte Anthony Kahlfeldt, dass im Organisationsteam von Anfang an gesagt worden sei, es reiche ihnen nicht aus, 96 Spiele auszurichten und Weltmeister zu ermitteln. Als Ziel sei vielmehr ausgegeben worden, eine emotionale Veranstaltung durchzuführen und die Menschen zu begeis- tern. Zu einer solchen gehöre selbstverständlich der Sport, darüber hinaus aber auch Kultur und ein entsprechendes Rahmenprogramm dazu. Konkret werde gerade daran gearbeitet, eine aus allen teilnehmenden Nationen zusammengesetzte inklusive Gruppe nach Hamburg zu holen, die dann eine Patenschaft für ein Stadtteilkulturzent- rum bekomme. Ein entsprechender Antrag sei noch in der Entstehung, aber die Idee sei sehr positiv aufgenommen worden. Außerdem habe das Organisationsteam mit den einzelnen Stadtteilkulturzentren Kontakt aufgenommen worden und diese gebe- 2
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10384 ten, ihre Ideen und Konzepte mit in die Weltmeisterschaft einzubringen und dazu bei- zutragen, dass die WM nicht nur im Inselpark stattfinde, sondern in der gesamten Stadt eine Wahrnehmung erfahre und Menschen erreiche, bei denen dieser Sport noch nicht so direkt präsent sei. Zur Kooperation mit den Schulen erläuterte Anthony Kahlfeldt, dass bereits im Vorwege viele Schulprojekte angeschoben würden. Es gebe schon jetzt in Hamburg und den angrenzenden Bundesländern einen festen Stamm an Lehrerinnen und Lehrern, zu denen es sehr enge Kontakte gebe. Die erst unmittel- bar vor der WM endenden Sommerferien dürften deshalb kein Problem darstellen. Der Eintritt für die Spiele sei im Übrigen mit Ausnahme der Abendspiele, für die die Karten zwischen 5 und 10 Euro kosten würden, frei. Der Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE fragte, wie viel die WM kosten werde, wie hoch die finanzielle Unterstützung jeweils durch den Senat und von Sponsoren sei und ob die Mittel auskömmlich seien; ihm schienen Organisation und Durchführung der Veranstaltung eine Riesenherausforderung zu sein. Außerdem wollte er wissen, ob für die 96 Teams ausreichend geeignete Trainingsstätten vorhanden seien. Zudem erkundigte er sich, ob sich die Eintrittspreise für die Eröffnung und das Finale eben- falls in dem genannten Rahmen bewegten. Anthony Kahlfeldt erwiderte, das Organisationsteam befinde sich in einem sehr guten Dialog mit den Schulen im direkten Umfeld. Im Übrigen würden nur vier Trainingshal- len benötigt, denn es handele sich nur um 28 Teams, die insgesamt 96 Spiele aus- richten würden. Zur Frage nach den Finanzen erklärte er, insgesamt würden Mittel in Höhe von circa 4,6 Millionen Euro benötigt, wovon 600.000 Euro noch eingeworben werden müssten, um alle Vorstellungen umsetzen zu können. Der Senat unterstütze die Veranstaltung mit 3 Millionen Euro. Es gebe keine andere Wahl als mit den kalku- lierten Mitteln auszukommen. Das Organisationsteam sei aber sehr darauf bedacht, dass die Finanzen stimmten und deshalb mache er sich keine Sorgen, dass die Ver- anstaltung defizitär enden könnte. Ganz sicher könne der Ausschuss davon ausge- hen, dass die Unterbringung der Mannschaften, die Durchführung der Spiele und der Aufbau der WM-Plaza finanziert seien. Zum Eintritt sei zu sagen, dass dieser bis 16.00 Uhr definitiv frei sei. Darüber hinaus würden sich die Preise eher Richtung 5 Euro als gen 10 Euro bewegen. Es sei nicht das Ziel, jemanden aus finanziellen Gründen auszuschließen, sondern vielmehr, Menschen in die Hallen zu bekommen, die „Bock auf die Veranstaltung hätten“, was nicht am Geldbeutel scheitern dürfe. Sie freuten sich deshalb sehr über die Unterstützung durch die Stadt. Die AfD-Abgeordneten fragten, warum bei der Präsentation der WM so ausgiebig mit Zeichnungen geworben werde und weniger mit Videos, bei denen die Action, die den Rollstuhlbasketball ausmache, herauskomme. Anthony Kahlfeldt erläuterte, die Mangazeichnungen würden noch teilanimiert werden, woraus dann auch Filme entstünden. Diese seien nur noch nicht fertig. Diese Videos würden eine Menge Dynamik enthalten, die die Menschen mitrissen. Spätestens im August 2017 dürften die ersten Filme präsent sein. Maya Lindholm erläuterte die Teilnahmebedingungen für die Spielerinnen und Spieler, wonach international auch Athletinnen und Athletinnen mit Minimalbehinderungen teilnahmeberechtigt seien. Es gebe ein Klassifizierungssystem vom höchsten Grad der Behinderung 1,0 bis zum niedrigsten 4,5, nach welchem die Spielerinnen und Spieler individuell eingestuft würden. Die auf dem Feld jeweils befindliche Mannschaft dürfe dann auf maximal 14 Punkte kommen, was bei der gesamten Kaderplanung berücksichtigt werden müsse. National dürften auch Nichtbehinderte an den Spielen teilnehmen und im Übrigen würden Männer und Frauen gemeinsam in einer Liga spie- len. Anne Patzwald schilderte anschließend ihren persönlichen Trainingsaufwand, den sie mit ihrem Sport habe. Sie selbst sei seit 2016 Profi und bei ihr drehe sich momentan alles um den Basketballsport. Obwohl sie gerne wollte, wäre die Ausübung eines Berufes nebenher nicht zu schaffen. Sie sei zudem jedes Wochenende mit ihrem Sport unterwegs. Besonders freue sie sich auf Heimspiele, bei denen es zusätzlich motivierend sei, wenn die gesamte Familie und der Freundeskreis zuschauten. Wenn dies schon bei ganz normalen Ligaspielen der Fall sei, könne man sich ausmalen, was erst bei einer WM los sein werde. Teilweise werde der Urlaub schon auf dieses 3
Drucksache 21/10384 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Ereignis ausgerichtet. Im Übrigen sei zu erwähnen, dass Hamburg die beste Halle für den Rollstuhlbasketball in Deutschland habe. Maya Lindholm unterstrich, dass die Hallen bei den Paralympics in Rio nach Senkung der Eintrittspreise gefüllt mit begeisterten Zuschauerinnen und Zuschauer gewesen seien und dies für die Spielerinnen und Spieler sehr schön gewesen sei. Ihr sei es sehr wichtig, möglichst viele Hamburgerinnen und Hamburger für diesen Sport zu erreichen, um Ihnen die Angst vor der Behinderung oder dem „anders sein“ zu neh- men. Die SPD-Abgeordneten fragten, wie die Sportförderung funktioniere, wenn sich eine Athletin oder ein Athlet entscheide, den Beruf hinter den Sport zurückzustellen. Außerdem baten sie, die Bedingungen der Trainingsstätten über die Inselsporthalle hinaus zu beschreiben, zu sagen, was sich die Athletinnen für die WM noch wünschen würden und zu erklären, welche Voraussetzungen eine Sporthalle ihren Bedürfnissen nach erfüllen müsse. Darüber hinaus baten die SPD-Abgeordneten mitzuteilen, was sich die Athletinnen konkret von dieser Heim-WM in Hamburg versprächen, was das Besondere daran sei, wie viele Zuschauer in die Inselparkarena passten und inwieweit sie noch Schwächen für den inklusiven Gedanken des Sporttreibens in Hamburg sähen. Anthony Kahlfeldt antwortete, die Edel-optics.de Arena – wie die Inselparkarena jetzt heiße – habe üblicherweise eine Kapazität von circa 3.500 Personen. Während der WM würden aber, weil viele Rollstuhlfahrer erwartet würden, andere Tribünen einge- baut, sodass sich die Kapazität in der Hauptarena auf etwa 2.000 bis 2.500 reduziere. Die temporäre Arena, die errichtet werde, werde auf etwa 300 bis 500 Personen aus- gerichtet sein. Anne Patzwald erklärte, die Tatsache, dass sie Profi geworden sei, habe nichts mit der Nationalmannschaft zu tun. Sie habe einen Profi-Vertrag beim Hamburger Sport- Verein e.V. für die BG Baskets Hamburg. Sie bekomme darüber hinaus eine Sporthil- fe, die sie ad hoc nicht genau beziffern könne. Untergebracht sei sie in der BG-Klinik, wo sie auch die Sporthalle und die Schwimmhalle nutzen könne. Zudem könne sie dort essen gehen. Maya Lindholm ging dann auf die Trainingshallen ein, für die die große Herausforde- rung die hinreichende Gestaltung der sanitären Anlagen sei. In der Inselparkarena sei die Ausstattung schon recht gut ausgebaut, für die anderen Hallen könne sie das nicht genau sagen, aber diesbezüglich gebe es in den Schulhallen generell noch Bedarf. Wichtig sei unter anderem beispielsweise, dass die Duschen mit Stühlen ausgestattet seien. Sie sei aber zuversichtlich, dass dies zur WM alles klappen werde. Von der Heim-WM verspreche sie sich eine Begeisterung der Menschen für den Sport über den Umweg dieses Events. Sie halte die Hamburger für ein sehr offenes Volk, wo dies gut funktionieren könne. Die Abgeordnete der GRÜNEN erwiderte, sie sei diesbezüglich ebenso zuversichtlich, obwohl es sie immer etwas betrübe, dass nicht der reine Sport zähle, sondern dieser immer mit irgendeinem Event verbunden werden müsse. Sie interessierte, ob die bei- den Athletinnen noch die Zeit hätten, im Rahmen der Kooperation selbst in die Schu- len zu gehen. Außerdem fragte sie, wie diese zum Rollstuhlbasketball gefunden hät- ten und wie sich ihr beruflicher Werdegang gestaltet habe und künftig gestalten wer- de. Maya Lindholm antwortete, sie sei Ergotherapeutin und arbeite halbtags in einem Reha-Zentrum, was sie gut mit ihrem Sport vereinbaren könne. Ihr täglicher Trai- ningsaufwand belaufe sich auf zwei bis drei Stunden. Zum Sport sei sie erst mit dem Eintreten ihrer Behinderung gekommen. Ihr gefalle der Rollstuhlbasketball im Übrigen besser als der Fußgängerbasketball, insbesondere wegen der stärkeren Dynamik. Außerdem könne er in jeder Halle betrieben werden, da sie dieselben Körbe nutzten wie die Nichtbehinderten. 4
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10384 Anne Patzwald erzählte, sie habe während der Vorbereitung für Rio ihre Ausbildung – ebenfalls zur Ergotherapeutin – abgeschlossen. Dies sei sehr anstrengend, aber machbar gewesen. Auch ihre Fehlzeiten hätten sich im Rahmen der Regularien bewegt, was ihr Ziel gewesen sei, denn sie habe keine Vorzüge genießen wollen. Das Schaffen von Inklusion in der Gesellschaft sei ihr auch ansonsten sehr wichtig, denn sie wolle sich nicht ständig erklären müssen, wenn sie etwas tue, was Nichtbehinderte auch täten. Vor ihrer Behinderung habe sie Judo, Klettern und Fußball betrieben. Anschließend schilderte sie, wie sie zum Rollstuhlbasketball gekommen sei und was ihr daran besonders gefalle. Die SPD-Abgeordneten fragten, was die Politik tun könne, das Leben von Inklusion voranzubringen. Maya Lindholm erwiderte, gelebt werde Inklusion beispielsweise, wenn die Fußgänger mit den Rollstuhlfahrern in einer Mannschaft spielten. In dem Augenblick seien alle gleich und es sei egal, ob jemand laufen könne oder nicht. Gut seien beispielsweise Schulprojekte, die Kinder möglichst früh dazu brächten, sich damit auseinanderzuset- zen und zu sehen, dass es nicht schlimm sei, in einem Rollstuhl zu sitzen, darin Bas- ketball zu spielen und Spaß zu haben. Dadurch könnten Barrieren im Kopf abgebaut werden, ebenso wie die Haltung, man müsse mit Menschen im Rollstuhl Mitleid haben. Hierfür könnte die Basketball-WM einen ganz großen Beitrag leisten. Anne Patzwald berichtete anschließend sehr anschaulich von ihren Erfahrungen mit Kindern, denen sie den Rollstuhlbasketball nahe gebracht habe. Die Kinder hätten es im Übrigen in erster Linie als cool empfunden, jemanden zu kennen, der in Rio gewe- sen sei und dort eine Medaille gewonnen habe. In welchem Sport und ob Olympics oder Paralympics sei ihnen völlig egal gewesen. Der FDP-Abgeordnete bat, die Trainingsvoraussetzungen in anderen Ländern zu beschreiben sowie darzustellen, was sich in den letzten Jahren in Deutschland struk- turell verändert oder verbessert habe. Maya Lindholm berichtete, sie sei schon oft in den USA oder Kanada gewesen und habe dort sehr gute Trainingsbedingungen vorgefunden. Die Länder seien in Bezug auf die Barrierefreiheit weiter entwickelt und die Hallen seien dort sehr groß, hätten mehrere Felder sowie viele Kabinen. Positiv seien auch die Niederlande hervorzuhe- ben, wo es bereits paralympische Trainingszentren gebe. Deutschland sei aber insge- samt auch recht gut aufgestellt. Eine Entwicklung habe es mit den Paralympischen Spielen von London und Rio vor allem bei der medialen Berichterstattung gegeben. Dies würde sie auch persönlich zu spüren bekommen. Für Hamburg könne sie fest- stellen, dass das Interesse steige und die Hallen von Saison zu Saison voller würden. Anne Patzwald ergänzte, die deutsche Rollstuhlbasketball-Liga werde immer noch als die stärkste der Welt gehandelt und es kämen sehr viele Spieler aus dem Ausland, um hier zu spielen. Für eine Schilderung der Entwicklung der letzten Jahre sei sie noch nicht lange genug dabei. Rando Aust zeigte sich sehr erfreut darüber, dass sich der Sportausschuss der Roll- stuhlbasketball-WM annehme. Es sei sehr wichtig, dieses Event in die Breite zu tra- gen und dafür bedürfe es vieler Multiplikatoren. Die Verantwortlichen bei der Alexan- der Otto Sportstiftung seien von Anfang an begeistert gewesen, weil der Behinderten- sport ein Schwerpunkt der Tätigkeiten der Sportstiftung sei. Unter anderem werde jedes Jahr der Werner-Otto-Preis vergeben, um auf ein Engagement aufmerksam zu machen, wofür es eigentlich keiner großen Anlässe bedürfe, sondern welches täglich gelebt, leider aber vielfach nicht gewürdigt werde. Die Rollstuhlbasketball-WM könne eine Riesenstrahlkraft entzünden und auf dieses kleine tägliche Engagement viel stär- ker aufmerksam machen. Das Projekt „Rollstuhlbasketball macht Schule“, welches im letzten Jahr mit dem Werner-Otto-Preis ausgezeichnet worden sei, sei ebenfalls ein Schritt in die richtige Richtung gewesen. Es sei wichtig, dass sich Fußgänger im Roll- stuhl ausprobieren könnten, um zu erleben, wie sich ein Rollstuhlfahrer fühle. Ebenso gehe es aber auch darum, Barrieren im Kopf zu beseitigen. Insbesondere bei Letzte- rem könne noch sehr viel mehr getan werden. Die Alexander Otto Sportstiftung fühle sich dem verpflichtet und versuche, dies intensiv auch über die Wirtschaft in die Breite der Gesellschaft zu tragen. 5
Drucksache 21/10384 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Rando Aust warb anschließend bei den Ausschussmitgliedern dafür, als Multiplikato- ren zu fungieren und die Thematik mit in ihre Kreise und Stadtteile zu nehmen und dort in die Breite zu tragen. Möglicherweise biete sich dazu auch die Durchführung von Veranstaltungen an. Er appellierte zudem an den Senat, dass jede Behörde ein Ziel definieren möge, welches sie jeweils im Rahmen der Rollstuhlbasketball-WM befördern und bis ins nächste Jahr kontinuierlich weiterverfolgen wolle. Das Organisa- tionsteam der Rollstuhlbasketball-WM sei sehr schlank aufgestellt und jede Hilfe wer- de gerne angenommen. Die SPD-Abgeordneten erwiderten, sie würden den Appell gerne aufnehmen. Die Eingeladenen des Ausschusses hätten mit ihrer fachlichen Kompetenz, aber auch mit ihren emotionalen und authentischen Erzählungen alle dazu beitragen, die Fraktionen für das Projekt Rollstuhlbasketball-WM zu begeistern. Dies vorausgeschickt fragten sie, inwieweit die in Hamburg ansässigen Vereine und Verbände eingebunden seien. Anthony Kahlfeldt antwortete, es hätten bereits zwei Termine mit dem Hamburger Sportbund und dem Behindertensportverband stattgefunden, um sehr frühzeitig eine Einbindung vorzunehmen. Bereits Anfang dieses Jahres seien Kontakte geknüpft worden, um ganz früh deutlich zu machen, was die Zielstellung sei und wie vorgegan- gen werden solle. Es finde ein regelmäßiger Austausch statt und das Organisations- team der WM könne sehr auf die Unterstützung durch den Hamburger Sportbund und darauf, dass dieser das Event in die Vereine hineintragen werde, vertrauen und sei für diese Hilfestellung sehr dankbar. Es sei Ziel, nachhaltig etwas für den Behinderten- sport zu entwickeln, damit es nicht bei einem Leuchtturm WM bleibe. Der Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE erklärte, in dem Bereich, in dem die WM stattfinden werde, lebten fast über 50 Prozent Menschen mit Migrationshintergrund. Da er selbst einen entsprechenden Hintergrund habe, sei er sehr viel in Migranten- communitys unterwegs und würde deshalb den Appell aufgreifen und als Multiplikator fungieren wollen. Er betonte, er sei kein Freund von Olympia, aber von inklusivem Sport, und deshalb begrüße er auch, dass die Rollstuhlbasketball-WM in Hamburg stattfinden werde. Er fragte dann, wie hoch die finanzielle Beteiligung der Alexander Otto Sportstiftung an der WM sei. Rando Aust antwortete, es handele sich um einen niedrigen sechsstelligen Betrag. Die CDU-Abgeordneten erinnerten an die Bewerbung um die Olympischen Spiele und führten an, dass diese einen Quantensprung für die Stadtentwicklung und die Sportin- frastruktur gebracht hätten, was ein Riesenvorteil für die gesamte Stadt gewesen wäre. Dies beleuchte aber eher nur die wirtschaftliche Seite von Olympia. Sie interes- sierte deshalb, wie die Athletinnen zu der geplanten Bewerbung und zur Tatsache, dass es dazu dann doch nicht gekommen sei, stünden. Maya Lindholm erwiderte, sie glaube, in der Stadt wäre es mit der Barrierefreiheit noch schneller vorangekommen, wenn Hamburg sich um die Olympischen Spiele beworben hätte. Anne Patzwald betonte, sie habe die Bewerbung um die Olympischen Spiele sehr befürwortet. Mit den Spielen hätten noch viel mehr Menschen erreicht werden können, um Barrieren – sowohl im Kopf als auch baulich – abzubauen. Die CDU-Abgeordneten bedankten sich bei Alexander Otto, der über Jahre hinweg dem Sport, nicht nur über seine Stiftung, sondern auch aus seinem persönlichen Ver- mögen als Sponsor gedient habe und die Sportstadt Hamburg damit weiter nach vor- ne gebracht und unterstützt habe. Darüber hinaus bedankten sie sich ausdrücklich bei den Athletinnen, die ihnen in zweifacher Hinsicht zu einer Bereicherung verholfen hätten. Zum einen sei dies begrifflich mit der selbstverständlichen Verwendung des Wortes „Fußgänger“ geschehen und zum anderen durch die Aussage, nicht der Roll- stuhl sei die Behinderung, sondern die Behinderung trete erst dann ein, wenn der Rollstuhl fehle. Der Vorsitzende bedankte sich im Namen des Ausschusses bei den anwesenden Anzuhörenden für ihr Erscheinen und ihre Auskunftsbereitschaft. Der Ausschuss kam dann nach einer kurzen Sitzungsunterbrechung zur Senatsbefra- gung. 6
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10384 Die Senatsvertreterinnen und Senatsvertreter hoben zunächst die Qualitäten des Organisationsleiters Anthony Kahlfeldt hervor. Die große Chance der WM werde sein, die Bedeutung des Sports noch einmal ein Stück weit höher zu bringen. In einer Zeit, in der häufig darüber diskutiert werde, ob sich Investitionen lohnten oder ein Arbeits- einsatz gerechtfertigt sei, gebe es mit der WM ein Beispiel, bei dem davon auszuge- hen sei, dass die Stadt durch den Sport weiterentwickelt werde. Die Stadt werde die Chance haben, über die WM in puncto Inklusion und Barrierefreiheit eine Menge zu lernen. Dies betreffe beispielsweise den HVV, der Sorge dafür tragen müsse, viele Rollstuhlfahrer zeitgleich befördern zu können. Das Projekt zeichne sich im Übrigen insbesondere durch eine unheimlich positive Grundstimmung aus. Die Abgeordnete der GRÜNEN fragte, ob sich die vollinklusive Bugenhagensporthalle für den Rollstuhlbasketball eigne. Die Senatsvertreterinnen und Senatsvertreter erwiderten, die Bugenhagenhalle sei für den Rollstuhlbasketball geeignet. Die Ausübung des Sports selbst sei im Übrigen auch in jeder anderen Halle möglich. Das Problem sei in erster Linie die barrierefreie Zugänglichkeit. Außerdem gebe es bezüglich der sanitären Einrichtungen besondere Herausforderungen. Die WM-Spiele würden ausschließlich in der Edel-optics.de Are- na ausgetragen, aber für das Training kämen alle Hallen infrage, die entsprechend hergerichtet seien. Der Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE wollte wissen, wie viele Hallen es in Ham- burg gebe, die bezogen auf den Rollstuhlbasketball barrierefrei seien und ob Hamburg dem in den letzten Jahren gestiegenen Bedarf gerecht werde. Die Senatsvertreterinnen und Senatsvertreter erwiderten, ihnen sei nicht bekannt, dass es bezüglich des Rollstuhlbasketballs besondere Engpässe gebe. Darüber hin- aus sei der Sport – die Sportlerinnen hätten es gesagt – in jeder Halle mit Körben möglich, denn der große Vorteil sei, dass die Rollstuhlbasketballer dieselben Basket- ballkörbe nutzten wie die Nichtbehinderten. III. Ausschussempfehlung Der Sportausschuss bittet die Bürgerschaft um Kenntnisnahme seiner Beratun- gen. Thomas Kr euz ma nn , Berichterstattung 7
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