Frauen. Karriere? Gestaltung! - Lernen für das Unternehmen der Zukunft - Wissenschaft
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Frauen. Karriere? Gestaltung! Lernen für das Unternehmen der Zukunft Wissenschaft Ergebnisse aus fünf Jahren Forschung Praxis Good Practices aus modernen Unternehmen Netzwerk Standpunkte und Erfahrungen
Abschlusskonferenz des BMBF-Projekts "Frauen in Karriere" 11. Oktober 2013, Literaturhaus München Informationen zum Projekt, zu Förderern und Partnern Nach fünf Jahren ist das Projekt „Frauen in Karriere – Chancen und Risiken für Frauen in modernen Unter- nehmen“ am 30.11.2013 zu Ende gegangen. Gemeinsam mit einem bundesweit beispielgebenden Netzwerk renommierter Unternehmen und Verbände und gefördert vom Bundesministerium für Bildung und For- schung sowie der Europäischen Union haben WissenschaftlerInnen des Instituts für Sozialwissenschaftli- che Forschung in München und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg erforscht, wie die Karrieremechanismen in deutschen Unternehmen funktionieren und welche Stellschrauben bewegt wer- den müssen, um hierzulande Frauenkarrieren nicht nur anzustoßen, sondern auch nachhaltig zu gestalten. Beteiligte Unternehmen und Verbände: Bosch Engineering GmbH, Deutsche Postbank AG, Deutsche Te- lekom AG, Robert Bosch GmbH Entwicklungszentrum Abstatt, SAP AG, Siemens AG, Taunus Sparkasse, Volkswagen Financial Services AG, Bitkom e.V., Industriegewerkschaft Metall, Vereinte Dienstleistungsge- werkschaft. Weitere Informationen: www.Frauen-in-Karriere.de Das Verbundvorhaben „Frauen in Karriere“ wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Themenschwerpunkt „Frauen an die Spitze“ im Rahmen des Förderbereichs „Strategien zur Durchsetzung von Chancengleichheit für Frauen in Bildung und Forschung" geför- dert und vom Europäischen Sozialfonds der Europäischen Union kofinanziert. Förderkennzeichen: 01FP0826 / 01FP0827 2
Vorwort/Editorial Nach fünf Jahren Forschungsarbeit ist das Projekt Wir sind überzeugt, dass die Chancen für Frauenkarrie- „Frauen in Karriere – Chancen und Risiken für Frauen ren selten so gut waren wie jetzt, und freuen uns, dass in modernen Unternehmen“ abgeschlossen. Doch die der Transfer unserer wissenschaftlichen Ergebnisse in die Frage, ob und wie eine breite Mehrheit von Frauen in Praxis erste Erfolge zeigt. Unser Dank gilt an dieser Stel- Deutschland künftig Karriere machen wird, bleibt hoch- le dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, aktuell. Gemeinsam mit einem bundesweit beispielgeben- ohne dessen finanzielle und ideelle Unterstützung das Pro- den Netzwerk renommierter Unternehmen und Verbän- jekt „Frauen in Karriere“ nicht zustande gekommen wäre. de ist es uns gelungen, die Karrieremechanismen in der Für ihr Engagement danken wir vor allem Frau Ministe- deutschen Wirtschaft zu analysieren und die Stellschrau- rialrätin Christina Hadulla-Kuhlmann vom BMBF. Ent- ben zu identifizieren, die bewegt werden müssen, um scheidend für den Erfolg des Projekts war nicht zuletzt hierzulande Frauenkarrieren anzustoßen und nachhaltig die vertrauensvolle und konstruktive inhaltliche Zusam- zu verankern. menarbeit mit den Unternehmen und Verbänden unse- res Partnernetzwerkes. Stellvertretend für viele, die uns Die Projektergebnisse sind in dem Buch „Karrierechan- unterstützt haben, sagen wir Dank an Juanita Jordan von cen von Frauen erfolgreich gestalten. Analysen, Strate- der Bosch Engineering GmbH, Dorothee Heine-Williams gien und Good Practices aus modernen Unternehmen“ von der Deutschen Bank AG, Uta Wieck von der Deut- veröffentlicht und im Rahmen zahlreicher hochkarätig schen Postbank AG, Sabine Klenz und Mechthilde Maier besetzter Veranstaltungen ebenso kritisch wie konstruk- von der Deutschen Telekom AG, Margret Klein-Magar, tiv diskutiert worden. Seit dem Projektstart im Dezember Christiane Kuntz-Mayr und Dr. Natalie Lotzmann von 2008 hat die Debatte um das Thema „Frauenkarriere“ der SAP AG, Dr. Natascha Eckert von der Siemens AG, deutlich an Fahrt aufgenommen. Die Unternehmen ha- Brigitte Cichy und Yvonne Velten von der Taunus Spar- ben in der Zwischenzeit viel in Gang gebracht und unsere kasse, Wolfgang Fueter und Christiane Hesse von der Forschungsarbeit ist über die Fachwelt hinaus auf große Volkswagen Financial Services AG, Christiane Benner Resonanz gestoßen – eine gute Basis, um das Thema auch von der IG Metall, Ursula Leuschner von der Deutschen in Zukunft voranzubringen. Telekom AG und von ver.di. Es ist für uns Bestätigung und Ermutigung zugleich, dass diese Kooperation nun im Die vorliegende Broschüre will zeigen, welche vielfälti- Rahmen des beantragten Folgeprojekts „Frauen in Kar- gen Impulse vom Projekt „Frauen in Karriere“ ausge- riere – Fokus Forschung & Entwicklung. Zukunftsorien- gangen sind, und der interessierten Öffentlichkeit die tierte Gestaltung von Frauenkarrieren in IT und Ingeni- gewonnenen Erkenntnisse aus verschiedenen Perspek- eurwesen“ fortgesetzt werden soll. tiven zugänglich machen. Sie gibt Einblick in die Analy- sen, Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen Andreas Boes, Anja Bultemeier, Kira Marrs, aus wissenschaftlicher Sicht und in die Erfahrungen und Rainer Trinczek Weiterentwicklungen auf Seiten der Unternehmen. Sie spiegelt zudem die Positionen renommierter Expertinnen und Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft zum The- ma Frauenkarriere wider. 3
5 Grußwort Bundesministerium für Bildung und Forschung 6 10 26 Zentrale Forschungsergebnisse des Berichte aus den Unternehmen: Standpunkte und Erfahrungen – Projekts: Unternehmen im Um- Welche Erfolge können berichtet Sind die Weichen richtig gestellt? bruch. Neue Karrrierespielregeln werden? Marion Schick, Deutsche Telekom AG bergen Chancen und Risiken für Familienfreundlichkeit Christiane Hesse, VWFS AG Frauen Deutsche Telekom AG Christiane Benner, IG Metall Andreas Boes, ISF München Changeprojekt Anja Bultemeier, FAU Erlangen-Nürnberg Oliver Klink, Taunus Sparkasse Deutsche Postbank AG Juanita Jordan, Bosch Engineering GmbH Integrierte Frauenförderung 8 SAP AG Teilzeit und Flexzeit Kira Marrs, ISF München Anka Wittenberg, SAP AG Robert Bosch GmbH Abstatt Jörg Staff, Fiducia IT AG Jetzt ist die Wirtschaft am Zuge. Anja Bultemeier und Andreas Boes Wettstreit um die besten Talente Christina Hadulla-Kuhlmann, BMBF im Gespräch Bosch Engineering GmbH Rainer Trinczek, FAU Erlangen-Nürnberg Netzwerken Andrei Frömmer, Deutsche Postbank AG Siemens Corporate Technology Dorothee Heine-Williams, Deutsche Bank Frauenförderung Top-down Barbara Fischer, Siemens Corporate Technology Volkswagen Financial Services AG Eine Stelle, zwei Köpfe Taunus Sparkasse 29 Bilanz und Ausblick 30 Das Buch zum Projekt 31 Das Partnernetzwerk 4
Grußwort aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung An der erfolgreichen Gestaltung Institutionen. In Wirtschaft wie Wis- lungen die vorliegende Broschüre do- von Frauenkarrieren liegt dem senschaft geht es darum, Männern kumentiert. Das BMBF bedankt sich Bundesministerium für Bildung und Frauen ihre individuelle Biogra- bei allen, die dieses Vorhaben vor- und Forschung sehr viel. Chancen- fie zu ermöglichen, ein Ziel, das der- angetrieben und erfolgreich zum Ab- gerechtigkeit ist eine Frage der zeit durch die Diskussionen um den schluss gebracht haben. Besonderer Gleichheit, aber auch der wissen- demografischen Wandel Rückenwind Dank gilt PD Dr. Andreas Boes, Prof. schaftlichen Exzellenz und des wirt- bekommt. Dr. Rainer Trinczek, Anja Bultemeier schaftlichen Erfolgs. Zur Erreichung und dem WissenschaftlerInnenteam dieses Zieles müssen sich nicht die Mit Blick auf die steigenden Anteile vom Institut für Sozialwissenschaft- Frauen ändern, sondern die Organi- von Frauen in den MINT-Fächern ist liche Forschung in München und sationen. es Aufgabe der Organisationen, Ver- der Friedrich-Alexander-Universität änderungen für einen Wandel der Ar- Erlangen-Nürnberg ebenso wie den Ziel muss es sein, die Marke von min- beitskulturen zu forcieren. Ein wichti- Unternehmen und Gewerkschaften, destens 30 Prozent Frauen in Füh- ger Baustein dafür sind Maßnahmen die engagiert und konstruktiv hier- rungspositionen zu erreichen. Diese zur Vereinbarkeit von Familie und an mitgearbeitet haben. Sie alle ha- ist nach wissenschaftlichen Erkennt- Beruf. Die Maßnahmen zur Erhöhung ben nicht nur ein Forschungsprojekt nissen notwendig, um einen Kultur- von Chancengerechtigkeit dürfen je- verwirklicht, sondern ein echtes Ent- wandel in der Wirtschaft zu erreichen. doch nicht darauf reduziert werden, wicklungsprojekt. Seine Impulse sind Immer mehr Mädchen machen Abitur denn Handlungsbedarf gibt es auch in wertvoll für den politischen Diskurs. und schließen das Studium besser ab Bezug auf die Förderung kinderloser als ihre Kommilitonen. Nur 20 Pro- Frauen. Die Umsetzung der Verein- zent aber erreichen eine Professur, barkeit von Familie und Beruf allein noch weniger Führungspositionen in löst das Problem nicht. Viele Vorge- Forschungseinrichtungen. In den Vor- setzte haben im Hinblick auf die be- ständen der DAX-Unternehmen sind ruflichen Entwicklungschancen von nur noch Spurenelemente von ihnen Frauen eine „Schere im Kopf“. Der zu finden. Bewusstseins- und Kulturwandel in den Organisationen ist eine elemen- Unternehmen und Forschungs- tare Voraussetzung für die Verbesse- einrichtungen aber können nicht rung der Frauenanteile. auf gut ausgebildete Frauen und deren Arbeit verzichten. Themen Wie der Wandel gestaltet und nach- wie Gender, Diversity, Work-Life- haltig verankert werden kann, zeigt Balance und Generationengerechtig- vorbildlich das Projekt „Frauen in keit gehören deswegen mittlerweile Karriere. Chancen und Risiken für zum Kerngeschäft der Personal- Frauen in modernen Unternehmen“, politik in vielen Unternehmen und dessen Erkenntnisse und Empfeh- 5
Wissenschaft Unternehmen im Umbruch Neue Karrierespielregeln bergen Chancen und Risiken für Frauen Andreas Boes, ISF München, Anja Bultemeier, FAU Erlangen-Nürnberg Die deutsche Arbeitswelt ist deut- spruch. Das Besondere am Unter- Und nicht zuletzt verlangt Karrie- lich femininer geworden. Dennoch nehmen 2.n ist die Organisation re heute die volle Verfügbarkeit der hat die Wirtschaft hierzulande die nach dem Prinzip des systemisch Beschäftigten. Wende zu mehr Geschlechterge- integrierten Unternehmens. Das rechtigkeit noch nicht vollzogen. bedeutet, statt des Nebeneinan- Diese neuen Mechanismen führen Die Weichen für die erfolgreiche ders funktionaler Bereiche hängt nicht automatisch zu mehr Chan- Gestaltung von Frauenkarrieren im neuen Unternehmen alles mit cengerechtigkeit. Dass Frauen Kar- müsste sie nach Überzeugung von allem zusammen – Interdependenz riere wollen, steht für die beiden Anja Bultemeier und Andreas Boes und Komplexität nehmen folglich WissenschaftlerInnen jedoch au- aber jetzt stellen. Ein entscheiden- enorm zu. In diesen Umbruchpro- ßer Frage. Frauen sind nach ihrer der Hebel sind hierbei die Karriere- zess der Unternehmen ist ein grund- Analyse genauso hoch motiviert, mechanismen. legender Wandel von Arbeit und leistungsbereit und ehrgeizig wie Führung eingebettet. Dies hat Aus- Männer und suchen wie ihre männ- Die beiden Forschenden bauen die wirkungen auf den Karrieremecha- lichen Kollegen nach eigenen Auf- empirische Analyse der Ist-Situation nismus. Denn Karrieremuster und gabenbereichen, neuen Herausfor- auf ihrer Idee vom „historischen Entscheidungswege ändern sich im derungen und Möglichkeiten zur Möglichkeitsraum“ auf – einem Zuge des Umbruchs genauso wie Weiterentwicklung. Der entschei- Zeitfenster, das für eine begrenz- der Karrieretypus und die Karriere- dende Unterschied zeigt sich erst te Phase offen steht und die Chan- integration. dann, wenn der Wille in die Tat ce bietet, Karrierewege von Frau- umgesetzt werden soll. en nachhaltig zu gestalten. Dass So wird die klassische Kaminkarrie- die Förderung von Frauenkarri- re zum Auslaufmodell und macht Denn die Umsetzung ihrer Karriere- eren mittlerweile vom Randthe- Platz für die Rotationskarriere. Zu- bestrebungen in die Praxis gestal- ma zum strategischen Ziel avan- dem ändern sich die Entscheidungs- tet sich für Frauen weitaus kom- ciert ist, hängt an verschiedenen modalitäten. Die Auswahl der Karri- plizierter und komplexer als für Faktoren, die diesen Möglichkeits- erekandidatInnen bleibt nicht mehr Männer. So verlangt die neue Form raum bestimmen. Spätestens seit den persönlichen Vorlieben einzel- der Rotationskarriere hohe örtli- die Deutsche Telekom AG sich 2010 ner Führungskräfte überlassen, son- che Mobilität. Auch die neuen Aus- als erstes DAX-Unternehmen auf dern erfolgt kollektiv, transparent wahlverfahren bergen Fallen, weil eine Frauenquote verpflichtet hat, und nach klar definierten Kriterien. die über die Auswahl entscheiden- stehen die Unternehmen im Fo- Galt früher das Prinzip der Seniori- den Personen sich nach wie vor am kus der öffentlichen Erwartungen. tät, müssen KarrierekandidatInnen Typus des durchsetzungsfähigen Gleichzeitig durchlaufen sie auf dem heute verschiedene Bewährungs- Leaders orientieren, Männer noch Weg zum „Unternehmen 2.n“ einen proben durchlaufen, offensiv Stel- immer vorwiegend Männer aus- grundlegenden Strukturwandel, an lung beziehen, machtvoll agieren wählen und damit die festgelegten den sie das Thema Geschlechter- und sich öffentlich positionieren. Standards nicht konsequent ein- gerechtigkeit anknüpfen könnten. gehalten werden. Den neuen Kar- rieretypus, der die Kompetenz zur Bultemeier und Boes beurteilen die öffentlichen Positionierung zen- Ausgangslage insgesamt als gut, se- tral setzt, erleben viele Frauen als hen aber dennoch „keinen Anlass zu zu aggressiv und inszeniert. übertriebenem Optimismus“. Ein Blick auf die Merkmale des neuen Das entscheidende Hindernis liegt Unternehmenstypus und die Kon- nach Überzeugung von Bultemeier sequenzen, die sich daraus ergeben, und Boes in der stetigen Zunahme erklärt diesen scheinbaren Wider- der Verfügbarkeitserwartungen. Sie 6
sehen die „doppelte Vergesellschaf- tung“ von Frauen in Berufs- und Sorgearbeit ebenso als „Karrierefil- ter“ wie die Konstruktion der Kar- rierewelt als Männerwelt. Beide erweisen sich nicht nur als Hemm- schuh für Frauen, die aufsteigen wollen, sondern auch für diejeni- gen, die diesen Weg bereits einge- schlagen haben und nach einer Fa- PD Dr. Andreas Boes Anja Bultemeier milienphase fortsetzen wollen. ist Vorstand des Instituts für Sozialwissen- ist Mitarbeiterin im Projekt „Frauen in Karrie- schaftliche Forschung und Privatdozent an re“ am Lehrstuhl für Soziologie I der Fried- Vor diesem Hintergrund plädie- der Technischen Universität Darmstadt. Der rich-Alexander-Universität Erlangen-Nürn- Fokus seines wissenschaftlichen Schaffens berg. Hier befasst sie sich vorwiegend mit ren die Politologin und der So- liegt auf dem Thema „Zukunft der Arbeit“. der Frage der Entwicklung von Karriere in ziologe dafür, die neuen Karriere- modernen Unternehmen. mechanismen bewusst als Schlüs- sel zur Gestaltung von Frauen- karrieren zu nutzen. Ziel muss es nach ihrer Überzeugung einer- seits sein, die mit dem Umbruch verbundenen Chancen für karrie- rewillige Frauen zu erhöhen und die Risiken zu minimieren, an- dererseits nicht beim Thema Ge- schlechtergerechtigkeit stehen zu bleiben, sondern ein modernes Ar- beitsumfeld zu schaffen, das allen Beschäftigten zu Gute kommt. ZUR DATENBASIS Die Analyse stützt sich auf empirische Erhebungen in Unternehmen der Elektroindustrie, der ITK-Industrie und der Bankenwirtschaft mit mehr als 500 Beschäftigten. In drei Untersuchungswellen zwischen April 2009 und Juni 2013 wurden 23 Fallstudien erhoben mit 325 ExpertInnengesprächen und Tiefeninterviews von je einer Länge zwischen 90 und 120 Minuten. In den ersten beiden Wellen ging es um die objektiven Karrierestrukturen und deren Veränderung, in der dritten um die subjektive Sicht, also um indivi- duelle Karrierestrategien. Einbezogen waren Tarifbeschäftigte sowie unte- re, mittlere und obere Führungskräfte und TopmanagerInnen. 7
Wissenschaft Jetzt ist die Wirtschaft am Zuge Anja Bultemeier und Andreas Boes im Gespräch Frau Bultemeier, Herr Boes, die müssen „Frauenkarriere“ zu ihrem setzung von Karrierepositionen, die Bedingungen für Frauenkarrie- eigenen Thema machen. Dann ganz nach einheitlichen Kriterien und auf ren sind besser geworden, trotz- wichtig: Karrieremanagement ist der Basis kollektiver Entscheidun- dem kommen zu viele Frauen heute nicht nur Sache der Perso- gen besetzt werden, und wir brau- nicht zum Zuge. Was tun? nalabteilungen oder einzelner Füh- chen Führungskräfte mit Blick für rungskräfte. Es muss sich in einem die Vielfalt ihrer Mitarbeiterinnen Bultemeier: Es ist richtig: Es hat in den Unternehmen einen radikalen Umbruch gegeben, der durchaus die Kraft entfaltet hat, die Karriereme- chanismen radikal zu ändern. Aber offenbar nicht genug Kraft, um auch Geschlechterungerechtigkeiten zu beseitigen. Wenn wir das ändern wollen, müssen wir nicht nur ver- stehen, wie Frauen Karriere ma- chen, sondern auch dafür sorgen, dass die neuen Mechanismen gen- dersensibel angewandt werden und ihre Umsetzung überprüft wird. Boes: Es gibt ja leider immer noch die Tendenz, Frauen selbst dafür ver- antwortlich zu machen, dass sie ihre Ziele nicht erreichen. Aber wir müs- sen nicht die Frauen ändern, sondern die Unternehmen müssen ihre Struk- kollektiven Lernprozess ändern. und Mitarbeiter. Dann gilt es, die turen ändern. Dies funktioniert nur Alle Stakeholder, die sich engagie- Rahmenbedingungen so zu moder- über konkrete, ganzheitlich und nach- ren, von der Geschäftsführung bis nisieren, dass nicht nur Frauen mit haltig angelegte Maßnahmen, die an zur Frauenbeauftragten, sollten sich Familie, sondern auch Teilzeitbe- den Umbruch, in dem die deutsche in einem Kraftzentrum vernetzen, schäftigte und Menschen, die älter Wirtschaft sich befindet, andocken. von dort aus die Strategien in ope- als 40 sind, Karriere machen kön- Denn ein solcher Umbruch an sich rative Maßnahmen umsetzen und nen. Und die Unternehmen müs- ist ja noch keine Modernisierung. Er im Unternehmen verankern. Wir sen ihre Verfügbarkeitserwartun- will gestaltet werden. nennen das ein „Referenzmodell gen zurückschrauben. der Veränderung“. Welche Strategie empfehlen Sie Welche dieser Stellschrauben ist den Unternehmen? Und an welchen Stellen setzt nach Ihrer Meinung die wichtigste? dieses Modell operativ an? Boes: Wenn sie die historische Bultemeier: Das Thema Verfügbar- Chance, die sie im Moment haben, Bultemeier: Wir sehen Handlungs- keitserwartungen. nutzen wollen, reichen ein paar be- bedarf vor allem in zwei Bereichen. triebliche Betreuungsplätze mehr Einmal bei den Auswahlverfahren, Wie definieren Sie Verfügbarkeit? oder Workshops zu „Gender Aware- und dies schon zu einem frühen ness“ nicht aus. An erster Stelle Zeitpunkt. Wir brauchen bereichs- Boes: Wir setzen sie nicht mit Leis- sind die Chefetagen gefragt. Sie übergreifende Talentpools zur Be- tung gleich. Und es geht hier um 8
weit mehr als um Präsenzkultur. geworden, dass Führungsaufgaben Wie sieht nach fünf Jahren Projekt- Wir definieren Verfügbarkeit na- teilbar sind oder auch in flexiblen arbeit Ihre Bilanz aus? türlich auch zeitlich und örtlich, Arbeitszeitmodellen erfolgreich be- aber vor allem motivational. Be- wältigt werden können. Einige Mo- Boes: Es ist vieles in Bewegung ge- schäftigte haben zunehmend das delle sind in der Erprobung. Hier raten und zwar in einer Intensität, Gefühl, sie müssten innerlich dazu bewegt sich etwas. die wir nie erwartet hätten. Aber im Moment haben wir den Eindruck, dass nach den vielen, kleinen Akti- onen der letzten Jahre die Vorstän- de den Elan verlieren. Diese ersten Etappenziele reichen aber nicht aus. Die Unternehmen sind jetzt an dem Punkt angekommen, an dem sie Rückschläge verkraften und trotz- dem weiter machen müssen. Wagen Sie eine Prognose? Bultemeier: Wo die Reise am Ende hingeht, können wir nicht prognos- tizieren. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder die Unternehmen bewei- sen langen Atem und treiben nach- haltige Veränderungen voran oder sie vergeben die Gestaltungschan- cen, die sie im Moment haben. Die bereit sein, jederzeit für ihre Kar- Viele Unternehmen subsumieren Frage, ob Geschlechtergerechtigkeit riere und ihre Funktion zur Ver- mittlerweile Gender unter dem Utopie bleibt oder zur Normalität fügung zu stehen. So wird Karrie- übergeordneten Ziel Diversität. wird, können wir Wissenschaftler- re ausschließlich und grenzt alles Fürchten Sie, dass die Frauen in Innen nicht beantworten. Jetzt ist andere – Familie, Hobbys, Freund- all der Vielfalt wieder untergehen? die Wirtschaft am Zug. schaften, eben das Privatleben – aus. Das ist das Hauptproblem. Bultemeier: Sie werden nicht un- Die Fragen stellte Dr. Jutta Witte tergehen, wenn die Unternehmen Welche Instrumente könnten dies begreifen, dass die nachhaltige Ge- ändern? staltung von Frauenkarrieren, für die wir plädieren, den Weg ebnet Bultemeier: Neue Arbeitszeitmo- für eine grundlegende Moderni- delle sind ein zielführender Weg. sierung der Unternehmenskultur. Teilzeit, Jobsharing oder wie auch All das, was wir jetzt diskutieren – immer motivierte Laufbahnunter- die Vereinbarkeit von Familie und brechungen dürfen nicht ins be- Beruf, Work Life Balance, Viel- rufliche Nirwana führen. Einigen falt und eine lebensphasensensib- Unternehmen, die wir im Rahmen le Personalpolitik – sind längst kei- unseres Forschungsprojekts ana- ne reinen Frauenthemen mehr. Sie lysiert haben, ist mittlerweile klar betreffen alle Beschäftigten. 9
Praxis Familienfreundlichkeit Die Pflöcke für eine neue Unternehmenskultur sind eingeschlagen Mechthilde Maier, Deutsche Telekom AG al nicht verzichten kann und will.“ Familienfreundlichkeit – nicht nur Eine Frauenquote von 30 Prozent als gesellschaftliche Verpflichtung, bis 2015 hatte sich die Telekom 2010 sondern auch als „Enabler“ für die als erstes DAX-30-Unternehmen auf Frauenquote, eine wettbewerbsfä- die Fahne geschrieben. Das ehrgeizi- hige Belegschaft und die Attrakti- ge Ziel bezog sich nicht nur auf das vität als Arbeitgeber. Diesbezügli- mittlere und obere Management, che Programme zielen vor allem auf sondern auch auf den Aufsichtsrat, flexible Lösungen ab, sei es bei der die Führungskräftepools und die Gestaltung der immer mobiler wer- Mechthilde Maier, ehemalige Projektleiterin Nachwuchsrekrutierung. denden Arbeitswelt, im Bereich Ge- „Fair Share“ im Bereich Group Performance Development, Deutsche Telekom AG sundheitsmanagement oder bei den Bereits 2012 zeitigte die Einführung familienunterstützenden Angeboten der Quote Erfolge: Seit 2010 war der wie dem Familienfonds, dem Eltern- konzernweite Frauenanteil von 19 auf 24 Prozent, in den nationalen Aufsichtsgremien von 17,7 auf 24,8 »Eine lebenssituative Personalpoli- Frauenförderung ist nach Überzeu- Prozent und in den internationalen tik ist der Kittpunkt, wenn wir Talente gung von Mechthilde Maier Teil von von 7,4 auf 25,5 Prozent gestiegen. nicht nur gewinnen, sondern über ihre Diversity und kann nur im Zusam- Zum Business Leader Team, dem verschiedenen biografischen Statio- menspiel der Geschlechter gelingen. direkt dem Vorstand nachgeord- nen hinweg auch halten wollen.« Die 2010 eingeführte Quote sieht sie neten Top-Management, gehörten als Mittel zum Zweck, um einen tief- nun unter 60 Mitgliedern neun statt greifenden Kulturwandel im Unter- zwei Frauen. Kind-Büro oder dem Eltern- und Se- nehmen zu vollziehen. Dabei setzt niorInnenservice und nicht zuletzt die Personalexpertin auf Transpa- Im Rahmen des Projekts „Fair Share“ bei den Arbeitsbedingungen. haben vor allem zwei Maßnahmen diese Entwicklung vorangebracht. „Wir wollten die immer noch vor- »Wir haben die Quote nicht ausgeru- Erstens eine transparente Personal- herrschende Präsenzkultur durch- fen, weil wir Frauen so gerne haben, entwicklung, von der Festlegung der brechen“, sagt Maier. Flexible Ar- sondern weil wir dahinter einen sehr Besetzungsrichtlinien über die Aus- beitszeiten, Sabbaticals, die gezielte harten Business Case sehen für ein Un- schreibungen und Auswahlprozesse Unterstützung bei der Rückkehr in ternehmen, das in die Zukunft geht bis hin zur individuellen Förderung den Beruf oder Qualifizierungsan- und auf das weibliche Potenzial nicht von Talenten. Zweitens personal- gebote während der Elternzeit sind verzichten kann und will.« politische Instrumente wie flexible Instrumente, um dieses Ziel zu er- Arbeitszeitmodelle, individuelle El- reichen. Policies, die vor allem die ternzeitoptionen, Rückkehroptionen Führungskräfte in ihrer Vorbildrolle renz, Kommunikation, eine syste- nach Auszeit oder Familiendienste. zeigen, wie zum Beispiel der ange- matische Kontrolle des Erreichten „Eine lebenssituative Personalpolitik messene Einsatz mobiler Arbeits- und individuelle Talentförderung. ist der Kittpunkt, wenn wir Talente mittel, die Kontaktpflege während nicht nur gewinnen, sondern über der Elternzeit und Teilzeit in Füh- „Wir haben die Quote nicht ausgeru- ihre verschiedenen biografischen rung, geben hierfür die Rückende- fen, weil wir Frauen so gerne haben, Stationen hinweg auch halten wol- ckung. Führungskräfte sollen eine sondern weil wir dahinter einen sehr len“, betont die Personalexpertin. flexible Arbeitskultur vorleben, in- harten Business Case sehen für ein dem sie selbst Teilzeitmodelle nut- Unternehmen, das in die Zukunft Dreh- und Angelpunkt der Perso- zen und die Beschäftigten hierbei geht und auf das weibliche Potenzi- nalpolitik ist für Maier das Thema unterstützen. „Auch Führung ist 10
Deutsche Telekom AG teilbar. Wenn man international reich im Einsatz. Dennoch brauche agiert, lernt man dies sehr schnell.“ der Umstrukturierungsprozess noch viel Zeit: „Die schnellen Erfolge ha- Zudem will die Telekom Frauen im ben wir hinter uns. Jetzt beginnt die Unternehmen sichtbarer machen: Kärrnerarbeit.“ „Das ist eine der größten Heraus- forderungen“, glaubt Maier. So ist es unter anderem verpflichtend, auf den so genannten Long- und Shortlists zur Besetzung von Füh- rungsposten mindestens 30 Pro- zent Frauen zu nominieren sowie interne und externe Talentpools für Frauen aufzubauen. Vor allem über ihr Engagement in Netzwer- ken haben Telekom-Frauen nach Maiers Beobachtung ihre Präsenz deutlich erhöht. Rund 1000 sind es mittlerweile, die in bundesweit MEILENSTEINE rund 20 Netzwerken kooperieren. • 2010: Öffentliche Selbstverpflichtung des Konzerns auf eine Frau- Mittlerweile gelten die Zielwerte enquote von 30 Prozent im oberen und mittleren Management für die Quotierung in allen ope- bis Ende 2015, Start des Projekts Fair Share rativen Segmenten und Ländern, • 2011: Work-Life-Maßnahmen wie Ausbau der betrieblichen Kin- sie wird systematisch kontrolliert derbetreuung, Flexibilisierung von Arbeitszeit und -ort sowie die und es gibt Schulungen und Zerti- Selbstverpflichtung des oberen Managements hierzu; individuel- fikate für die Rekrutierung und das le Rückkehroption nach Elternzeit und Auszeit Management von Talenten sowie verpflichtende Gender Collabora- • Individualisierte Personalentwicklung, Aufbau von Talentpools tion Trainings für Führungskräfte. für Frauen intern und extern Insgesamt, so Maiers Bilanz, seien • 2012: Kulturarbeit: Wertschätzung des Unterschieds. Verpflichten- die Pflöcke für die Verwirklichung de Gender Collaboration Trainings für das obere Management; einer neuen, diversitätsbezogenen Sensibilisierung im Umgang mit Unterschieden zur Vermeidung Unternehmenskultur eingeschla- von Missinterpretationen gen und viele Instrumente erfolg- 11
Praxis Changeprojekt Förderung von Frauenkarrieren auf gutem Weg Andrei Frömmer, Vera Strack, Deutsche Postbank AG chendeckend sicherzustellen. „Wir von Auswahl- und Besetzungspro- müssen vor allem klar machen, dass zessen sowie die Schaffung von Gen- die Förderung von Frauenkarrieren der Awareness eine große Rolle. Im kein Luxus-Thema ist, sondern in- Segment Frauen verpflichtete sich der tegraler Bestandteil unserer Perso- Vorstand darauf, den Frauenanteil nalagenda und wirtschaftlich ver- nünftig.“ »Wir wollen die Strukturen nachhal- Das Thema sei zwar auch wegen des tig ändern. Denn Frauenförderung öffentlichen Drucks, aber vor allem ist kein reines HR-Projekt, sondern Andrei Frömmer, Abteilungsleiter Talent & Development, Deutsche Postbank AG aus einer internen Einsicht auf die braucht die Mitwirkung aller Unter- Personalagenda gekommen. Die För- nehmensbereiche.« derung von talentierten weiblichen Beschäftigten ist kostengünstiger als die Rekrutierung männlicher Füh- im Top- und mittleren Management rungskräfte am Markt. Denn trotz sowie in den Aufsichtsratsgremien Beim Thema Gender Diversity se- eines konzernweiten Frauenanteils bis 2018 auf 25 Prozent zu erhöhen. hen Andrei Frömmer und Vera von ca. 60 Prozent waren im Jahr Strack die Weichen in ihrem Un- 2011 bei der Deutschen Postbank AG Zudem hat der Vorstand das Pro- ternehmen richtig gestellt. Vor al- nur 15 Prozent Frauen in Führungs- jektteam beauftragt, Maßnahmen lem die frühzeitige Einbindung des positionen tätig, wobei in der Teil- für eine nachhaltige genderorien- Top-Managements, von Multiplika- nahme an Entwicklungsmaßnahmen tierte Personalauswahl und Nach- torInnen aus allen Ressorts, der am sowie in der Performance-Bewertung folgeregelung, zur Analyse von Po- keine Unterschiede nach Geschlecht tenzialen und zur Verbesserung der zu verzeichnen waren. Allerdings allgemeinen Rahmenbedingungen »Wir müssen vor allem klar machen, wurden weniger als 15 Prozent der zu implementieren. dass die Förderung von Frauenkarrie- vakanten Führungspositionen weib- ren kein Luxus-Thema ist, sondern lich besetzt und anteilseignerseitig Umgesetzt wurden diese Vorha- integraler Bestandteil unserer Perso- waren in den Aufsichtsratsgremi- ben im Zuge des Projekts „Gender nalagenda und wirtschaftlich ver- en der Tochtergesellschaften keine Diversity Management“. Strategi- nünftig.« Frauen vertreten. scher Grundgedanke war, das The- ma „Frauen und Karriere“ mit den „Uns war klar, dass es sich hierbei dazugehörigen Zielen, Strategien Auswahl- und Besetzungsprozess um ein klassisches Change-Projekt und Maßnahmen nicht direkt in beteiligten Schnittstellen sowie des handelt, welches auch eine Anpas- die Linie zu bringen. Stattdessen Sozialpartners haben sich nach ih- sung der Unternehmenskultur er- wurde das Thema in Form eines rer Überzeugung ausgezahlt. forderlich macht“, berichtet Strack. Projekts mit einem durch Vorstän- Mit der Frage, wie das große Poten- de besetzten Lenkungskreis sowie „Alle Beteiligten müssen an einen zial an sehr gut qualifizierten Frauen einem konzernweiten erweiterten Tisch und sich auf Benchmarks ver- für Managementfunktionen nutzbar Projektkreis ganzheitlich im Un- ständigen“, betont Frömmer. Ent- gemacht werden kann, gehen auch ternehmen verankert. „Wir wollten scheidend für den Erfolg weitrei- weitere Themen der Personalstrate- nicht in Aktionismus verfallen, son- chender Umstrukturierungen ist es gie einher. Hierbei spielen Themen dern die Strukturen nachhaltig än- nach seiner Erfahrung, die Kommu- wie eine nachhaltige Nachwuchs- dern. Daher haben wir seit Projekt- nikation zentral zu steuern und die sicherung, die Flexibilisierung von beginn gezeigt, dass dies kein reines Akzeptanz der MitarbeiterInnen flä- Arbeitsbedingungen, die Anpassung HR-Projekt ist, und haben verschie- 12
Deutsche Postbank AG denste Unternehmensbereiche an tenden Bereich bis 2013 nur um zwei diesem Thema mitwirken lassen“, auf 17 Prozent. Bei Neubesetzungen betont die Leiterin Gender Diver- verdoppelte er sich allerdings bin- sity. Dazu war ein enger Austausch nen zwei Jahren. Und in den anteils- mit den Stakeholdern sowie unter- eignerseitigen Aufsichtsratsämtern nehmensinternen und -externen der Deutschen Postbank-Töchter Schnittstellen erforderlich. Nach ei- ner umfassenden Ist-Analyse sowie Vera Strack, der Einführung verschiedener Maß- Leiterin Employer nahmen in den Handlungsfeldern Branding und Potenzialidentifikation, Förderung Gender Diversity, weiblicher Talente und Anpassung Deutsche Postbank AG der Rahmenbedingungen evaluiert das Team nun den Erfolg dieser Maßnahmen und berichtet regel- mäßig an den Vorstand in Form eines Gender Reports. sind Frauen nun statt zu null zu 21 Ein Blick in den Bereich Poten- Prozent vertreten. Zahlreiche Maß- zialanalyse zeigt, wie die geziel- nahmen wurden zudem im Rah- te Frauenförderung bei der Deut- men des audits „berufundfamilie“ schen Postbank AG funktioniert. durchgeführt, weitere sind in Pla- Jedes Ressort muss unter den für nung. Seit Sommer 2013 sind Be- eine Führungslaufbahn in Frage rufsausbildung, MitarbeiterInnen- kommenden Beschäftigten mindes- und Führungskräfteentwicklung in tens 50 Prozent Frauen benennen. der Abteilung Talent & Develop- 2012 wurden 28 MitarbeiterIn- ment zusammengefasst. „Wir sind nen als KandidatInnen für Füh- auf dem richtigen Weg“, sind Strack rungsaufgaben identifiziert, ihre und Frömmer überzeugt. Potenziale analysiert und Entwick- lungsgespräche geführt. Im dritten MEILENSTEINE Quartal 2013 starteten dann die Entwicklungsmaßnahmen „on the job“ und ein Talent-Management- • 2010/2011: Freiwillige Übernahme der DAX-30-Selbstverpflich- tung zur Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen, Programm. Unter den angehenden Start des Projekts „Gender Diversity Management“ LeistungsträgerInnen sind nach Frömmers Angaben rund 60 Pro- • Vorstandsbeschluss: 30 Prozent Frauenanteil in Führungspositio- zent weiblich. „Ein solches Verfah- nen sowie in Aufsichtsratsgremien bis 2018 ren schafft breite Akzeptanz, ohne • 2012: Ausbau von Maßnahmen zur Förderung weiblicher Füh- den Verdacht zu erwecken, man rungskräfte und Talente sowie zur verbesserten Vereinbarkeit von benachteilige die Männer.“ Beruf und Privatleben Die Erfolge der unterschiedlichen • 2013: Verfahren zur Identifikation und Förderung von Potenzial- Maßnahmen sind nach seinen Wor- trägerInnen sowie Überführung des Projekts in eine Linienfunkti- ten schon jetzt deutlich sichtbar. on in der Abteilung Talent & Development Zwar stieg der Frauenanteil im lei- 13
Praxis Integrierte Frauenförderung Gender als Teil von Diversität und Inklusion Praxis Stefanie Nennstiel, SAP AG onen weltweit bis Ende 2017 auf 25 lichen Diversitäts- und Inklusions- Prozent zu erhöhen. Erreicht wer- strategie. den soll es operativ unter anderem über ein standardisiertes Karriere- „Für mich hängen zum Beispiel flexi- management sowie ein gendersensi- ble Arbeitszeitmodelle und der Frau- bles und im Personalberichtswesen enanteil in Führungspositionen eng verankertes Reporting-System. Seit zusammen.“ Ein weiterer erfolgver- 2012 wird der aktuelle Frauenan- sprechender Ansatz ist für Nennstiel teil im integrierten Geschäftsbericht die Neudefinition von Führung: „Das ausgewiesen. Auf kultureller Ebene Thema muss breiter gedacht werden Stefanie Nennstiel, Expertin für Diversity and Inclusion, SAP AG sorgen globale Gender Awareness als bislang. Auch die Leitung eines Trainings erfolgreich dafür, dass das globalen Projektteams im Rahmen Bewusstsein und die Akzeptanz für einer Fachkarriere kann eine Füh- die positive, innovative und kreati- ve Zusammenarbeit von Frauen und Männern stärker werden. »Das Thema Führung muss breiter Das Thema Gender kann nach Über- gedacht werden als bislang. Auch die zeugung von Stefanie Nennstiel Darüber hinaus gibt es frauenspezi- Leitung eines globalen Projektteams nicht isoliert stehen, sondern muss fische Workshops. Diese Workshops im Rahmen einer Fachkarriere kann Bestandteil einer übergreifenden sollen Frauen ermutigen, ihr Poten- eine Führungsaufgabe sein.« und für alle Unternehmensberei- zial besser einzubringen, sichtbarer che verbindlichen Diversitäts- und zu werden und ihre Karriere aktiv Inklusionsstrategie sein. Entschei- zu gestalten. Das Thema Gender rungsaufgabe sein.“ Der Ausbau dend für die Förderung weiblicher habe bei SAP weiterhin eine hohe solcher neuer Karriereformen sei Talente sei, dass Frauen ihre Kar- Priorität, betont Nennstiel. Vor al- möglicherweise zielführender als riere selbst in die Hand nehmen lem mit Blick auf die Situation in das Verharren bei der Diskussion und Männer sie dabei als Sponso- Deutschland sieht die Expertin noch um die Verwirklichung von Teilzeit- ren unterstützen. großen Steigerungsbedarf. Nach modellen in Führungspositionen. ihren Angaben liegt der weltweite „Ein sequenzieller Ansatz bringt uns Frauenanteil an der Gesamtbeleg- Eine eindeutige und somit klare nicht weiter“, ist Nennstiel überzeugt. schaft bei 30 Prozent. In Manage- Diversitäts- und Inklusionsstra- „Wenn wir es aber schaffen, eine Kul- mentpositionen ist er weltweit von tegie ist zwischenzeitlich Teil der tur in einem Unternehmen zu veran- 18,7 Prozent im Jahr 2011 bis Ende Unternehmens-DNA. Dabei fließen kern, die Vielfalt als Vorteil ansieht, 2013 auf 19,8 Prozent gestiegen. die Ideen der lokalen und globalen werden wir es auch schaffen, mehr Frauen in Führungspositionen zu pro- „Hierzulande herrscht offenbar im- moten.“ Über viele Jahre vom Busi- mer noch eine falsche Mentalität ness Women Network engagiert vor- zum Thema Frauen in Führungs- angetrieben, wird das Thema „Gender“ positionen. Frauen werden nach bei der SAP AG im Rahmen der 2011 wie vor nicht in Führungspositio- beschlossenen People & Organizati- nen gesehen“, glaubt die Expertin. onal Strategy nunmehr strategisch, Zielführend für eine nachhaltige operativ und kulturell umgesetzt. Änderung der Unternehmenskultur sei es deswegen, die Maßnahmen Erklärtes Ziel des Vorstands ist es, zur Frauenförderung einzubetten Frauennetzwerke in die Diversitäts- den Frauenanteil in Führungspositi- in die Instrumente einer ganzheit- und Inklusionsstrategie mit ein. Des 14
SAP AG SAP AG Weiteren werden innerhalb eines schreibung: „Es geht voran“, sagt Vorstandsbereichs Ziele definiert, Nennstiel. „Aber wir müssen auf- die zu einem gewissen Zeitpunkt passen, dass wir gemessen an der Geschwindigkeit der Anfangsjah- re jetzt nicht an Tempo verlieren.“ »Frauen müssen an ihrem ›Brand‹ ar- beiten. Wenn Sie Ihren Vorstand im Aufzug treffen, müssen Sie ihm in 90 Sekunden sagen können: Wer bin ich, was mache ich und was trage ich zum Unternehmenserfolg bei?« umgesetzt sein müssen. Dabei ist wichtig zu beachten, dass die Form der Umsetzung zu den einzelnen Unternehmensbereichen passt. „Es macht keinen Sinn, Programme nach dem Gießkannenprinzip über die gesamte SAP zu verteilen“, ist die Expertin überzeugt. Seit 2011 ist ein umfassendes Gen- der Reporting System inklusive KPIs bei der SAP implementiert. „Ohne sich auf Zahlen zu verstän- digen und sie zu veröffentlichen“, sagt Nennstiel, „kommen wir nicht weiter.“ Die SAP-Expertin plädiert zudem dafür, dass Frauen „an ih- rem eigenen ‚Brand’ arbeiten“, sich selbst überlegen, welche Stärken sie haben und wie sie sie verkaufen. „Wenn Sie Ihren Vorstand im Auf- zug treffen, müssen Sie ihm in 90 MEILENSTEINE Sekunden sagen können: Wer bin ich, was mache ich und was trage • 2006: Etablierung des Global Diversity Office, Gründung des glo- ich zum Unternehmenserfolg bei?“ balen und lokalen Business Women Chapter • 2011: People Strategy als eines von vier Unternehmenszielen, SAP arbeitet weiter an neuen Kon- Vorstandsziel im Bereich Gender: Erhöhung des Frauenanteils auf zepten und Ideen. So werden un- 25 Prozent bis 2017, Board Area Diversity Executive Sponsors bil- ter anderem neue Arbeitsmodelle, den das Kraftzentrum, Einführung des Gender Reporting System die sich am Lebenszyklus der Be- schäftigten orientieren, entwickelt • 2012: Klare Diversity & Inclusion Policy im Unternehmen verankert und das Unternehmen arbeitet an • 2013: Diversity & Inclusion Office berichtet direkt an den Vorstand einer genderneutralen Stellenaus- 15
Praxis Teilzeit und Flexzeit Neue Arbeitszeitgestaltung überzeugt Führungskräfte Elly Siegert, Carolin Weinert-Grunewald, Robert Bosch GmbH Abstatt Praxis mensinitiative „Charta der Vielfalt“ nehmensbereichen beteiligen, davon unterzeichnet haben. 74 Prozent Männer und 26 Prozent Frauen. Die Teilnehmerinnen und Unter dem Motto „Vielfalt ist unser Teilnehmer kamen aus insgesamt elf Vorteil“ startete das Unternehmen, Ländern, der Großteil aus Deutsch- Elly Siegert, Personal- in dem mehr als 300.000 Menschen land, aber auch Staaten wie die USA, leiterin, Robert Bosch aus vier Generationen in rund 150 GmbH Abstatt Ländern arbeiten, eine mehrstufige Kampagne. Diese Kampagne sen- »Beide Modelle, Teilzeit und Flexzeit, sibilisierte zunächst Führungskräf- haben sich in der Praxis gleich gut be- te und Belegschaft für das Thema währt. Wir können in der Belegschaft „Diversity“, brachte es dann mit- nun auf positive Vorbilder aus der tels verschiedener Angebote in die Führungsebene verweisen.« Nach Einschätzung von Elly Siegert praktische Arbeit ein und kommu- und Carolin Weinert-Grunewald nizierte es schließlich nach außen. sind bei der Robert Bosch GmbH Zum Auftakt lag der Schwerpunkt China oder Indien waren vertreten. die Rahmenbedingungen für die auf den Themen „Gender“ und „Ar- 84 Prozent von ihnen wählten das Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitskultur“. Modell Flexzeit, die übrigen 16 Pro- geschaffen. Jetzt gehe es darum, die zent gingen in Teilzeit. entsprechenden Maßnahmen um- Die Vereinbarkeit von Berufs- und zusetzen und zu etablieren. Nach- Privatleben spiele hier eine entschei- „Die Rückmeldungen waren äußerst haltige Strategien und ein Menta- dende Rolle, erklärt Weinert-Grune- positiv. Beide Modelle haben sich litätswandel im Unternehmen sind wald. Ein wichtiger Baustein ist in in der Praxis gleich gut bewährt“, für sie die Voraussetzungen für den diesem Zusammenhang das Projekt berichtet Weinert-Grunewald – und Erfolg. „MORE“. Es steht für „Mindset of dies, obwohl vor allem die Mitarbei- Organisation and Executives“ und ter und Mitarbeiterinnen angesichts verfolgt zwei Ideen. Erstens: Prä- der reduzierten Anwesenheitszeiten »Nachhaltige Frauenförderung heißt senz ist nicht alles und auch Füh- ihrer Führungskräfte dem Ganzen für uns, dass wir Frauen wegen ihres rungsaufgaben können in flexiblen zunächst skeptisch gegenüberge- Potenzials fördern und nicht, weil Arbeitszeitmodellen oder in Teilzeit standen hatten. „Aber mittlerweile wir eine bestimmte Quote erfüllen erfolgreich bewältigt werden. Zwei- können wir in der Belegschaft beim müssen.« tens: Führungskräfte können mit Thema Teilzeit auf positive Vorbil- gutem Beispiel vorangehen und da- der aus der Führungsebene ver- durch die Akzeptanz der Beschäftig- weisen.“ „Nachhaltige Frauenförderung heißt ten für neue Arbeitsmodelle stärken. für uns, dass wir Frauen wegen ih- 80 Prozent der Teilnehmenden sind res Potenzials fördern und nicht, Ursprünglich sollten bei Projektstart auch nach Projektende bei ihrem weil wir eine bestimmte Quote er- nur 125 Führungskräfte für das Pro- Teilzeit- oder Flexzeitmodell geblie- füllen müssen“, betont Siegert. Bei jekt gewonnen werden und für 125 ben. MORE habe sich vom Projekt Bosch ist das Thema „Gender“ eine Tage in echte Teilzeit oder „Flexzeit“, zum Instrument entwickelt. „Wir von vier Dimensionen einer welt- eine Kombination von Präsenzzei- wissen jetzt, dass es funktioniert“, weiten Diversity-Strategie. „Vielfalt ten mit festen Home-Office-Tagen, betont Siegert. Mittlerweile ist das hat bei uns eine lange Tradition“, gehen. Das Interesse war sehr groß: Projekt in die zweite Runde gegan- betont die Personalexpertin. So war Mehr als 350 Personen bewarben gen. Weltweit können die Geschäfts- Bosch eines der ersten Unterneh- sich und schließlich konnten sich bereiche es für ein weiteres Jahr in men, welche die deutsche Unterneh- 158 Führungskräfte aus allen Unter- Eigenregie fortsetzen und weiter 16
Robert Bosch GmbH Abstatt Robert Bosch GmbH ausgestalten. Das Angebot stand Wege. Sie empfehlen allerdings, zunächst 500 Führungskräften of- „den Fuß jetzt nicht vom Gaspedal fen. 648 Führungskräfte, knapp 300 zu nehmen“, wohl wissend, dass in davon in Deutschland, beteiligen einem Traditionsunternehmen wie sich derzeit. Bosch ein „Mindset Change“ auch Zeit braucht. Carolin Weinert-Grunewald, HR-Business- Partnerin, Robert Bosch GmbH Abstatt Auch der Geschäftsbereich Chas- sis Systems Control führte 2013 MORE weltweit ein. Dabei stellte sich heraus, dass in einigen Län- dern, zum Beispiel in Brasilien, fle- xible Arbeitszeitmodelle bereits in Betriebsvereinbarungen verankert sind, während in anderen Ländern Führungskräfte auf einer informel- len Basis flexibel tätig sind. Grund- sätzlich hat sich gezeigt, dass bereits viele Führungskräfte und Projektlei- tungen nach Bedarf flexibel arbeiten. Die erfolgreiche Umsetzung des Themas „Führung in Teilzeit“ gehör- te zu den Gründen, warum die Ro- MEILENSTEINE bert Bosch GmbH im Rahmen des BMBF-Wettbewerbs „Erfolgsfaktor Familie“ die Auszeichnung „Fami- • 2011: Projektstart MORE anlässlich des 125. Firmenjubiläums nach dem Motto „125 Jahre, 125 Tage, 125 Führungskräfte“ lienfreundlichstes Unternehmen 2012“ erhielt. Mittlerweile ist dies • 2012: Auszeichnung der Bosch-Gruppe für ihre vorbildliche Un- in acht Leitlinien für eine flexible terstützung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf als „familien- und familienbewusste Arbeitskultur freundlichstes Unternehmen“ im Rahmen des Wettbewerbs „Er- eingeflossen, auf die das Unterneh- folgsfaktor Familie“ men sich Ende 2012 verständigt hat. • 2013: Diversity-Week unter dem Motto „Vielfalt ist unser Vorteil“ Der Kulturwandel ist für die beiden an mehr als 40 Standorten in Deutschland und der Schweiz Personalexpertinnen also auf gutem 17
Praxis Wettstreit um die besten Talente Eine moderne Arbeitskultur ist der Schlüssel Katrin Mack, Bosch Engineering GmbH 42 Nationen vertreten, die Beschäf- nen Erfahrungen mit der Arbeit in tigten sind im Schnitt 36 Jahre alt. gemischten Teams sammeln. Zu Rund 85 Prozent der Belegschaft den Angeboten gehörten unter an- sind männlich, rund 90 Prozent In- derem das Filmprojekt „Diversity genieure. In der unteren Manage- Cam“ oder das „Gender-Duell“, bei mentebene sind Frauen zu acht Pro- dem eine reine Frauengruppe und zent und in der oberen nur noch zu eine reine Männergruppe die glei- drei Prozent vertreten. In den tech- che Aufgabe lösten und ihren An- nischen Bereichen sind rund neun satz danach zur Diskussion stellten. Prozent weiblich. In den Förder- Im zweiten Schritt fanden unter- Katrin Mack, Personalreferentin, Bosch Engi- neering GmbH kreisen für die MitarbeiterInnen schiedliche Workshops zum The- mit Führungspotenzial, die auch ma „Vielfalt als Potenzialprinzip“ die betriebswirtschaftlichen Berei- oder „Frauen sind anders – Män- che umfassen, ist der Frauenanteil ner auch“ statt. Hier erhielten Füh- von acht Prozent im Jahr 2010 auf rungskräfte Fachwissen über die 12,8 Prozent im Jahr 2013 gestiegen. Vorteile gemischter Teams und die Nach Einschätzung von Katrin Mack unterschiedlichen Verhaltenswei- hat Bosch Engineering schon viele Einen wichtigen Impuls für eine sen von Frauen und Männern. Im kleine erfolgreiche Schritte auf dem stärkere Förderung von Führungs- dritten Schritt gab es gezielte Bera- Weg zum frauenfördernden Unter- kandidatinnen gab die Teilnahme tungs- und Entwicklungsangebote nehmen geschafft, aber noch einen am Forschungsprojekt „Frauen in für Frauen, zum Beispiel in Form weiten Weg vor sich. Unerlässlich Karriere“. Nach Identifizierung der einer Karrierewerkstatt. sind für sie das Commitment der zentralen Handlungsfelder – Füh- Geschäftsführung, Zielwerte, die rungskräfte- und MitarbeiterInnen- Parallel liefen seit Projektbeginn die Ernsthaftigkeit des Themas sig- entwicklung, Akquisition von Mit- im Unternehmen Mentoring-Pro- nalisieren, und die Sensibilisierung arbeiterinnen und Vereinbarkeit der Führungskräfte für genderspe- von Familie und Beruf – entwi- zifisches Verhalten. ckelte Bosch Engineering ein Drei- »Die Mentoring-Programme für Frau- Stufen-Modell. Das Thema Gender en waren eine der besten Maßnah- Die Bosch Engineering GmbH ist ein Diversity sollte zunächst auf emoti- men, die wir machen konnten. Sie vergleichsweise junges und vor al- onaler Ebene erlebbar gemacht wer- kosten nicht viel und bringen umso lem prosperierendes Unternehmen, den und dann erst auf die fachliche mehr Erfolg.« das bislang seine wirtschaftlichen Ebene gehoben werden. Erfolge auch ohne eine dezidier- te Förderung von Karrierekandi- Im ersten Schritt konnten Beschäf- gramme für Frauen. „Das war eine datinnen erreicht hat: „Es ist uns tigte und Führungskräfte ihre eige- der besten Maßnahmen, die wir ziemlich schwer gefallen, in einem machen konnten. Sie kostet nicht so erfolgreichen Umfeld überhaupt viel und bringt umso mehr Erfolg“, ein Problembewusstsein zu schaf- sagt Mack. Mittlerweile sei ein gu- fen“, berichtet die Personalexpertin. tes Netzwerk entstanden und das Interesse der Vorgesetzten, sich als „Wir sind jung, dynamisch und in- Mentor oder Mentorin zu engagie- ternational aufgestellt, wir sind aber ren, sei gestiegen. auch sehr männlich und sehr tech- nisch“, beschreibt Mack die Situa- Um Frauen im Unternehmen zu hal- tion. So sind am Standort Abstatt ten und ihre Potenziale voll nutzen 18
Bosch Engineering GmbH zu können, erwies sich auch der Aus- de Verfügbarkeitserwartungen und bau der Kinderbetreuung als ein eine mangelnde Kultur des „Füh- Schlüsselfaktor. Aus diesem Grund rens in Teilzeit“. baute die Robert Bosch GmbH ge- meinsam mit der Bosch Enginee- Künftig sieht Mack insbesondere ring GmbH die Abstätter Kinder- Aktivitäten zur Modernisierung der tagesstätte aus: Hier können nun Arbeitskultur als Schlüssel für das 80 MitarbeiterInnenkinder bis drei Thema Gender Diversity. „Wenn Jahre betreut werden. wir es schaffen, von der Präsenzkul- tur wegzukommen, sind wir nicht Das bei Bosch Engineering wie auch nur ein attraktiver Arbeitgeber für beim Mutterkonzern Robert Bosch kommende Generationen und somit GmbH etablierte formalisierte Karrie- für den Wettbewerb um die besten resystem mit seinen standardisierten Talente gerüstet“, ist die Expertin Potenzialanalysen und Verfahren zur sicher, „dann sind wir auch beim Stellenbesetzung erweist sich nach Frauenthema einen großen Schritt weitergekommen.“ »Wenn wir es schaffen, von der Prä- senzkultur wegzukommen, sind wir ein attraktiver Arbeitgeber, für den Wett- bewerb um die besten Talente gerüs- tet und auch beim Frauenthema einen großen Schritt weitergekommen.« Macks Beobachtung bei der Umset- zung von Kriterien, die sowohl Vielfalt fördern als auch das Thema Gender voranbringen, als hilfreich. Ziel muss es nach Ansicht der Expertin sein, den Führungskräftetypus grundsätzlich stärker zu diversifizieren. Den letzten Anstoß, der Förderung von Frauenkarrieren mit konkreten, MEILENSTEINE bonusrelevanten Zielvorgaben des Vorstands für die oberste Manage- • 2009: Einführung Mentoring-Programm mentebene mehr Gewicht zu ver- • 2010: Entwicklung eines Drei-Stufen-Modells leihen, gab die abschließende wis- senschaftliche Analyse im Rahmen • 2011: Einführung Karrierewerkstätten für Frauen, Ausbau der Kita-Plätze des Projektes „Frauen in Karriere“. Sie verdeutlichte unter anderem die • 2012: Präsentation von Abteilungsrankings auf Managementebene spezifischen Karrieremechanismen bei Bosch Engineering und arbeitete • 2013: Abschlusspräsentation „Frauen in Karriere“, Einführung von Zielwerten zwei Knackpunkte heraus: steigen- 19
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