Frédéric Vasseur: "Über die Grenzen der Vernunft hinausgehen"
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
SMM-EXKLUSIV-INTERVIEW // Frédéric Vasseur Frédéric Vasseur: «Über die Grenzen der Vernunft hinausgehen» In der Formel 1 werden technologische Limits nach oben verschoben. Im SMM-Exklusivinterview zeigen Frédéric Vasseur (Team Principal Alfa Romeo Racing ORLEN and CEO Sauber Motorsport AG), Ernst Keller (Produktionsleiter), Gary Hoffmann (Head of Composite Suspension & Bonding, alle Sauber Motor- sport AG) sowie Jochen Nutz (CEO des Sauber-Technologiepartners Walter Meier Fertigungslösungen AG) auf, was es heisst, über die Grenzen des Machbaren hinauszugehen. Unsere Redaktorin Marina Hofstetter arbeitete zuletzt 10 Jahre in der Satelliten-Herstellung und hatte damit einen perfekten Draht zu Frédéric Vasseur, der Sauber Motorsport in Hinwil mit seinen 500 Mitarbeitern leitet. Redaktorin: Marina Hofstetter SMM: Herr Vasseur, Sie haben einen Abschluss in gleiche Profil: Es sind Menschen, die lie- mehr als 500 Mitarbeitern vor Ort, die im Luftfahrttechnik. Welche Gemeinsamkeiten gibt es ben, was sie tun, sie begeistern sich für Bereich von Konstruktion, Design, Versuch zwischen der Luftfahrt und der Formel 1? Technik. Die Technik selbst ist sehr ähn- und Produktion agieren. Alles, bis auf Mo- Frédéric Vasseur: Mein Studium erstreck- lich: viel Aerodynamik, Mechanik, Leicht- tor und Getriebe, wird inhouse realisiert. te sich sowohl auf die Luftfahrt als auch bau sowie anspruchsvolle Antriebstechnik. So entwerfen, produzieren und montieren auf den Automobilsektor. Es gibt viele Ge- wir fast das gesamte Fahrzeug: von kleins- meinsamkeiten zwischen den beiden Be- Welche Bereiche werden bei der Sauber Motorsport ten Teilen bis hin zum Monocoque. reichen. Meine ehemaligen Studienkolle- AG hier in Hinwil abgedeckt? gen, ob sie nun in der Luftfahrt oder im F. Vasseur: Hier in Hinwil sind wir sehr Welches sind die grössten Herausforderungen in der Automobilbau arbeiten, haben alle das breit aufgestellt. Wir haben ein Team von Formel-1-Industrie? Bild: Thomas Entzeroth V. l. n. r.: Jochen Nutz (CEO des Sauber-Ferti- gungspartners Walter Meier Fertigungslösungen AG), Ernst Keller (Produktionsleiter), Frédéric Vasseur (Team Principal Alfa Romeo Racing ORLEN and CEO Sauber Motorsport AG) und MSM-Redaktorin und Dipl.-Physikerin Marina Hofstetter.
Frédéric Vasseur // SMM-EXKLUSIV-INTERVIEW >> Ich denke, Hybrid- Antriebe sind die Zukunft der Strassenfahrzeuge für die nächsten Jahrzehnte. Inso- fern sehe ich die Zukunft des Verbrennungsmotors durch- aus positiv.
SMM-EXKLUSIV-INTERVIEW // Frédéric Vasseur >> Bei uns in der Produktion ist es manchmal stressiger als auf der Rennpiste. Aber das dürfen Sie nicht unseren Rennfahrern sagen.
Frédéric Vasseur // SMM-EXKLUSIV-INTERVIEW entsprechende Leistung bei möglichst ho- hem Wirkungsgrad zu erzielen. Mit den heute möglichen hohen Turbodrücken, können wir die Zylinder erheblich besser füllen, als das früher der Fall war. Durch die kompakte Bauweise und die hohe Leis- tungsdichte ergeben sich erheblich bes- sere Wirkungsgrade. Wie läuft das bei einem Rennen? G. Hoffmann: Wir müssen energietech- nisch mit dem Brennstoff – trotz Höchst- leistung – sparsam umgehen. Deshalb wird ein möglichst grosser Teil der Brems- energie zum Laden eines Zwischenspei- Bild: Thomas Entzeroth chers genutzt. Diese elektrische Energie steht dann wiederum für den Elektroan- trieb zur Verfügung. Das Energiemanage- ment ist komplex und bei jedem Rennen müssen wir neu abwägen, wie wir das energetische Gesamtkonzept auslegen. Im Hintergrund eine Nakamura Tome, ein Drehfräszentrum für die Just-in-time-Produktion. Wenn wir beispielsweise in Monaco fahren, wissen wir aus der Erfahrung, dass es re- lativ viele Crashs gibt, mit viel Safety-Car- Sequenzen. Dann tanken wir beispielswei- rungen an den Fahrer extrem vielschichtig, tengründen, aber auch aus Gründen der se nur 90 Liter, um Gewicht zu sparen. Das er musste darüber hinaus alles im Kopf Schnelligkeit. Da wir uns ständig in einem sind Erfahrungswerte über die Jahre, die haben. Mit der Telemetrie-Datenaufzeich- Entwicklungskampf befinden, müssen wir wir nutzen, um am Optimum zu fahren. nung sind die Teams heute in der Lage, versuchen, die Zeitspanne zwischen der alles live in den Boxen zu bündeln und bei Idee und ihrer Umsetzung so weit wie Welche Bedeutung haben Motor, Fahrer, Chassis und Bedarf dem Fahrer mitzuteilen, so dass möglich zu verkürzen. Elektronik in der Formel 1? Hat sich dieses Verhältnis der Fahrer eine Last weniger hat und sich in den letzten 30 Jahren verändert? auf das Fahren konzentrieren kann. Design, Produktion und Tests werden alle intern F. Vasseur: Die Leistung hängt von der durchgeführt. Ist dies auch eine Möglichkeit, sich vor Kombination dieser vier Säulen ab. Es ist Für die Aerodynamik-Tests haben Sie einen der mo- den Augen Ihrer Konkurrenten zu schützen? ein Ganzes, und wir können sie nicht von- dernsten Windkanäle Europas. Welche Rolle spielt F. Vasseur: Wir ziehen vor, so viel wie mög- einander trennen, um sie miteinander zu die Aerodynamik in der Formel 1? lich intern zu tun. Wir arbeiten zudem mit vergleichen oder sie nach ihrer Wichtigkeit F. Vasseur: Die Aerodynamik ist das Un- wenigen externen Partnern zusammen, zu ordnen. Einfach gesagt: Man kann nicht terscheidungsmerkmal Nummer eins in die natürlich Geheimhaltungsverträge mit gewinnen, wenn eine dieser Säulen nicht Bezug auf die Leistung eines Autos, hier uns haben. Es gibt darunter auch Unter- funktioniert. Aber es gibt Unterschiede können wir dank des Windkanals unsere nehmen, die mit mehreren Formel-1- zwischen der Formel 1 von heute und frü- Stärken ausspielen. Einen leistungsfähi- Teams zusammenarbeiten, aber dafür her. Der Hauptunterschied ist sicherlich gen Windkanal vor Ort zu haben, bringt sind sie sehr gut strukturiert. der enorme Bedeutungszuwachs der einen enormen Zeitgewinn. Wir entwerfen, Aerodynamik vor etwa 25 Jahren. Vor etwa produzieren und testen – alles inhouse. Um auf die Produktion zurückzukommen, Herr Nutz, 30 Jahren trat die Elektronik in den Vor- Das ist ein Riesenvorteil. Wir versuchen, welche Herausforderungen stellen sich Walter Meier dergrund. Früher waren die Herausforde- so autonom wie möglich zu sein, aus Kos- in der Zusammenarbeit mit Sauber? >> Das Wichtigste ist querdenken, man darf nicht mit Scheuklappen durch die Welt gehen.
SMM-EXKLUSIV-INTERVIEW // Frédéric Vasseur der Fall. Aber auch die Schweizer Ferti- gungsunternehmen haben sich schnell >> 20 Jahre bei Sauber an vorderster Front wiedergefunden. In entsprechen, was den sehr kurzer Zeit wurden sie durch den internationalen Wettbewerb gezwungen, Lebenszyklus und die fehlerfrei auf höchstem Level zu arbeiten. Progression betrifft, Für uns ist es von Vorteil, das, was wir mit Sauber gelernt haben, auch für andere 200 Jahren in anderen Industriezweige nutzen zu können. Industriesektoren. > Walter Meier kennt unsere Prozesse, unsere Besonderheiten und unsere dringenden Bedürfnisse, die zuweilen über die Grenzen der Vernunft hinausgehen.
Frédéric Vasseur // SMM-EXKLUSIV-INTERVIEW >> Durch die kompakte Bauweise und die hohe Leistungsdichte ergeben sich erheblich bessere Wirkungsgrade.
Sie können auch lesen