Militärische vs. zivile Führung: Überwindung unfruchtbarer Diskussion - ASMZ
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Forschung und Lehre Militärische vs. zivile Führung: Überwindung unfruchtbarer Diskussion Die Diskussion über Unterschiede zwischen militärischer und ziviler Führung ist alt. In diesem Artikel wird der Fokus auf situative Aspekte gelenkt und ein Führungskompetenzmodell vorgestellt, welches dazu geeignet ist, die Brücke zwischen zivilem und militärischem Führen im Sinne einer gemeinsamen Projektionsfläche zu schliessen. Simon C. Hardegger, Patrick Boss um «dazu gehörend» oder «jenem Kon- Das Zürcher zept entsprechend». Zentral ist immer das Führungskompetenzmodell – Eine versöhnliche Auflösung der Frage menschliche Verhalten in einem gegebe- eine gemeinsame Sprache nach Unterschieden und Gemeinsamkei- nen Kontext, das vorzugsweise nützlich ten von militärischer und ziviler Führung und hilfreich ist. Insofern kann man Füh- Da Führungstätigkeit komplex ist und ist bis heute ausgeblieben. Noch immer rungsverhalten auch als Sammlung von in einem systemischen Kontext stattfin- und immer wieder diskutieren verschiede- Kompetenzen betrachten, die insgesamt det, lässt sie sich nicht einfach mit ein ne Exponenten über den Wert einer mi- lernbar sind – und damit auch veränder- paar Schlagworten charakterisieren. Soll litärischen Führungsausbildung im Zivi- bar. Der Erfolg ergibt sich im Zusammen- Führungsverhalten differenziert und tref- len. Daraus lässt sich immerhin das Be- spiel von aktualisierter relevanter Kompe- fend beschrieben werden, ist deshalb ein dürfnis ableiten, dieser Frage weiterhin tenz in Bezug auf eine konkrete Heraus- umfassendes Kompetenzmodell hilfreich, nachzugehen. forderung mit spezifischen situativen Rah- welches die verschiedenen Führungstätig- Ein kurzer Rückblick: Im Zeitalter der menbedingungen. keiten in ihrer gesamten Bandbreite ab- Armee 61 standen primär hierarchische Wenn wir davon ausgehen, dass die An- bilden kann. Mit dem Zürcher Führungs- Vergleiche im Vordergrund, also etwa der- zahl menschlicher Verhaltensweisen bei kompetenzmodell (ZFKM) wurde ein jenige eines Kompaniekommandanten aller Komplexität vor dem Hintergrund Werkzeug entwickelt, welches umfassend mit einem Abteilungsleiter. Seit der Ar- einer pragmatischen Betrachtung endlich ist und gleichzeitig auf konkrete Kompe- mee 95 und XXI bzw. den in dieser Zeit ist, können die Unterschiede zwischen tenzen mit spezifischer Aussagekraft fo- stattfindenden gesellschaftlichen Verände- militärischer und ziviler Führung gar kussiert, fest in der Forschung verankert rungen geht es vor allem darum, die Wer- nicht kategorial sein. Es wird weiter an- ist und doch handhabbar der Praxis dient. te und Vorteile von militärischer Führung genommen, dass grosse Bereiche an Ver- In der Tabelle sind die 15 Kompetenzen für das Zivile hervorzuheben, mitunter haltensvariabilität aus den beiden Lebens- des Modells mit den entsprechenden De- gar mit einer gewissen Verzweiflungsrhe- welten stark überlappend und voreilig finitionen aufgeführt. torik. Auch zivile Bereiche, z.B. Hoch- vorgenommene typisierende Unterschie- Auf Grund der umfassenden Breite ist zuverlässigkeitsorganisationen, bedienen de in der Realität fliessend sind. Damit das ZFKM in der Lage, jede Qualität von sich dieser Argumentation und versuchen, wird die Kategorisierung zivil oder mili- Führungsverhalten oder -stil als spezifi- ihre Grundsätze dem zivilen Management tärisch arbiträr. sches Profil abzubilden, theoretisch denk- schmackhaft zu machen. Im Rahmen der Neben der rein hierarchischen Betrach- bar sind Millionen unterschiedlicher Pro- geführten Diskussion wurde erkannt, dass tung gilt es sowohl für den militärischen file. Entsprechend kann das ZFKM auch weder im Zivilen noch im Militärischen als auch den zivilen Bereich funktionale dazu dienen, sozusagen als Kommuni- eine einheitliche Auffassung oder ein ein- Aspekte und situative Gegebenheiten mit kationsplattform zwischen dem militä- faches griffiges Konzept von Führung exis- zu berücksichtigen. Für das Militär, dem rischen und dem zivilen Führungsstil zu tiert. Denn zu gross ist die Vielfalt an un- im gängigen Vorurteil Kasernenton-Füh- vermitteln, in dem beide vor dem Hinter- terschiedlichen Funktionen und Berei- rung attestiert wird, können das Aspek- grund eines gemeinsamen Modells dar- chen, was eine entsprechend differenzier- te wie Hauptquartier-Umgebung, Ausbil- gestellt und dadurch augenscheinlich ver- te Betrachtungsweise von Führung bzw. dungstätigkeit, Friedenseinsatz, Kampf- glichen werden können. Führungsverhalten erfordert. Der schlich- einsatz, strategische Armeesteuerung, Re- te Vergleich von militärischer mit ziviler krutenschule etc. sein. Massgebend für Erfolg Führung ist in diesem Sinn zu simpel und Für den zivilen Bereich, dem gemein- ist die Berücksichtigung nicht zielführend, Äpfel soll man schliess- hin Partizipation und Normalität (was situativer Faktoren lich nicht mit Birnen vergleichen. auch immer das heisst) zugeschrieben werden, sind im Kontext Führung auch Wie in den einleitenden Gedanken aus- Menschliches Verhalten an Aspekte wie 24-Stunden-Einsatzpla- geführt, ist es viel zu kurz gegriffen, einen als Währung nung, Sicherheit, Verkehr, Pünktlichkeit, globalen, kategorialen Vergleich zwischen Wirtschaftsdruck, Effizienz und Bran- militärischer und ziviler Führung vorzu- Uns als praxisorientierte Psychologen chenunterschiede und so weiter mitzu- nehmen. Nochmal: wir postulieren, dass geht es weniger um richtig oder falsch, denken. die konkrete Aufgabe und die spezifische Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2019 33
Forschung und Lehre Bereich Kompetenz Definition Situation bezüglich der Anforderungen Identifizierung mit den Zielen und Werten der Or- an eine Führungskraft deutlich grössere ganisation unter Einhaltung von Vorgaben und Unterschiede bewirken, als die beiden Regeln. Professionelles Verhalten im Hinblick auf Settings Militär vs. Zivil. Schauen wir uns • Loyalität Standards der eigenen Berufsgruppe und Wah- zur Illustration ein praktisches Beispiel an. rung der Vertraulichkeit im Umgang mit sensi- Dazu wählen wir die ZFKM-Kompetenz blen Informationen. Werte «Führung transaktional». Anderen Menschen mit Respekt und toleranter Die verschiedenen Ausprägungen die- • Zwischenmensch- Offenheit begegnen sowie im Umgang mit ihnen liche Offenheit ser Kompetenz folgen wie alle anderen Empathie und Interesse zeigen. Kompetenzen keiner linearen Skala von Im Hinblick auf die persönliche Entwicklung Neu- «gut» bis «schlecht», sondern sind nach • Lernbereitschaft gier und Offenheit besitzen, um Neues zu lernen und weiter zu kommen. der Logik von Wertequadraten ressour- cen- und entwicklungsorientiert aufge- Fähigkeit Probleme rechtzeitig zu erkennen und angemessen zu durchdringen, um machbare und baut. Dies macht den Einsatz des Mo- • Analysefähigkeit dells insbesondere für die Entwicklung zielführende Lösungsoptionen ableiten zu kön- nen. von Führungskräften attraktiv, ohne an Fähigkeit übergreifende Zusammenhänge und Klarheit einzubüssen. langfristige Trends zu erkennen, um darauf ba- Die Definitionen der jeweiligen Wer- Denken • Planungsfähigkeit sierend Herausforderungen für die Organisation tequadrate des Bereichs «Führung trans- zu identifizieren und geeignete Strategien abzu- aktional» sind in den Tabellen rechts auf- leiten. geführt. Anhand dieser Beispiele lässt Fähigkeit zur vorausschauenden Planung mit der sich somit gut nachvollziehbar aufzeigen, • Strategisches Ableitung von kohärenten Zielen und Umset- dass sich situative Aspekte stärker auf die Denken zungsschritten. Anforderungen an eine Führungskraft Fähigkeit und Wille durch Optimierung der Pro- auswirken als der Unterschied des Füh- • Unternehmerisches zesse, Steigerung der Qualität oder Senkung der rungssettings Militär vs. Zivil. Die Vari- Handeln Kosten, die finanzielle Situation und die Kunden- zufriedenheit positiv zu beeinflussen. anz entsteht in dieser Denkweise nicht auf Grund des Umfelds Militär oder Zi- Fähigkeit und Bereitschaft, auch wichtige und • Entscheidungs- schwierige Entscheidungen initiativ, aber umsich- vil, sondern auf Grund der Situation. Die freude tig sowie eigenständig und rechtzeitig zu fällen Herausforderung im Führungsverhalten und dafür die Verantwortung zu übernehmen. nimmt in dem Ausmass zu, in dem mehr Handeln Ausrichtung der Mittel und Prozesse auf die Zie- unterschiedliche Situation beherrscht wer- le mit einem Fokus auf das Einhalten von Stan- den müssen. • Zielfokussierung dards und Terminen sowie beharrliches Verfol- gen der Ziele auch bei widrigen Umständen. Weg von der Dichotomie hin zu Fähigkeit, trotz widrigen Umständen oder emoti- onaler Belastung eine positive Grundeinstellung einer situativen Betrachtung • Resilienz zu wahren und auch dann handlungsfähig zu Anhand der aufgeführten Beispiele bleiben, wenn neue Situationen mit erweiterten Anforderungen entstehen. machen wir beliebt, vom unfruchtbaren Vergleich zwischen militärischer und zi- Gestaltet die Atmosphäre angenehm, höflich und ermöglicht eine gelingende Interaktion, was die viler Führung abzusehen. Es gibt weder • Kommunikations- Fähigkeit zu einer klaren und verständlichen Aus- die zivile Führung noch die militärische fähigkeit drucksweise sowie zu einem glaubwürdigen und Führung, sondern primär Kontexte, Auf- souveränen Auftritt einschliesst. gaben und Situationen, in denen grund- Interagieren Weiss den Wert von Kooperation zu schätzen und legende Führungsinstrumente angewen- • Kooperations- fähigkeit engagiert sich aktiv für eine gemeinschaftliche det und situativ angepasstes Führungs- und konstruktive Zusammenarbeit. verhalten gezeigt wird – oder eben nicht. Fähigkeit, die eigenen Ziele auch bei Widerstän- Diese grundlegenden Führungsinstru- • Durchsetzungs- den situationsangemessen durch gezielte Hand- mente, wie Zieldefinition und Zielset- geschick lungs- und Verhaltensmassnahmen zu erreichen. zung, Mitarbeitergespräch, Feedbackge- Fähigkeit Personal- und Zeitressourcen aufgaben- spräch, etc. lassen sich in jedem Füh- bezogen und nachvollziehbar zu verteilen, ange- rungssetting schulen. Es ist von der Per- • Führung messen zu delegieren und die Leistungen im Hin- transaktional blick auf die Ziele zu evaluieren und daraus Kon- sönlichkeit, von bestimmten Leistungs- sequenzen zu ziehen. parametern und den persönlichen Inte- ressen abhängig, ob man sich grundsätz- Führen Fähigkeit die Mitarbeitenden durch inspirieren- de Visionen, Sinnvermittlung und kreativen Aus- lich als Führungsperson eignet und wenn tausch intrinsisch zu motivieren, die berufliche ja, in welchem Umfeld. Das bedeutet, dass • Führung transformational Entwicklung des einzelnen durch lernorientier- der Fokus auf situativ angepasstes Füh- tes Feedback, wertschätzende Würdigung der rungsverhalten zu richten ist. Der zivile Leistung zu fördern und erfolgreiche Teams zu Nutzen einer militärischen Führungsaus- bilden. bildung liegt bei dieser Betrachtungswei- 34 Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2019
Forschung und Lehre Führung transaktional se im erfolgreichen Transfer von erlernten Führungsstrategien und -techniken in ei- laissez-faire steuernd Gewährt viele Freiheiten; lässt die Mitar- Gibt klare Ziele und Leitplanken vor; plant ner angemessen adaptierten und nützli- beitenden sich selbst organisieren; greift und steuert den Einsatz von Ressourcen; chen Weise auf zivile Situationen. Dieser nicht in das Geschehen ein; kontrolliert delegiert Aufgabenpakete; belohnt gute Transfer kann in der Regel auch umge- nicht und gibt kein Feedback zu erbrach- Leistungen; zeigt konkrete Entwicklungs- kehrt funktionieren, wenn also Führungs- ten Leistungen. ziele auf. verhalten vom Zivilen in den Bereich Mi- delegierend einengend litär übertragen wird. Überträgt den Mitarbeitenden viel Verant- Gibt detailliert vor, wie die Arbeitsziele zu Das von uns entwickelte Führungs- wortung; delegiert Aufgaben; nimmt eine erreichen sind; führt straff und eng; gibt kompetenzmodell steht zur freien Verfü- Koordinationsfunktion ein; gibt Leistungs- nur dosiert Verantwortung ab; kontrolliert gung und kann beliebig verwendet wer- ziele vor und überprüft deren Erfüllung; die erbrachten Leistungen und mahnt bei gibt individuelles Feedback. Unzulänglichkeiten. den (www.zhaw.ch/iap/führungskompe- tenzmodell). Dort stellen wir auch wei- tere Unterlagen und Materialien für den Führung transaktional laissez faire delegierend steuernd einengend Praxis-Einsatz zur Verfügung. ■ Ausbildung Einsatz Major Vergleich der Anforderungen an einen Füsilier-Zugführer in seiner Tätigkeit als Ausbild- Simon Carl Hardegger ner in der Kaserne mit denjenigen im (Gefechts-)Einsatz. Zu erkennen ist im Kontext Mi- litär eine situativ bedingte Verschiebung des funktionalen Verhaltens von delegierend MSc UZH hin zu einengend. ZHAW IAP Institut für Angewandte Psychologie Führung transaktional laissez faire delegierend steuernd einengend 9100 Herisau Hauptmann Werbung Patrick Boss Produktion Prof. Dr. Vergleich zwischen einem Teamleiter in der Werbebranche und einem in der fliessband- ZHAW IAP Institut für gestützten Produktion. Hier lässt sich erkennen, dass die konkreten Aufgaben je nach Angewandte Psychologie Tätigkeitsbereich unterschiedliche funktionale Führungs-Verhaltens-Ideale bilden. 5223 Riniken 8 th C O N V O Y T O R E M E M B E R Militär -Oldtimer- Show Birmenstorf AG 9.–11. August 2019 w w w . c o n v o y t o r e m e m b e r. c h Attraktionen und Events • 600 Militäroldtimer, 100 Töffs, 50 Panzer aus 13 Nationen • Demo «Panzer einst und heute» mit Fachkommentar • Schweizer Armee heute mit allen aktuellen Panzern • Schweizer Luftwaffe: Patrouille Suisse, Fallschirm-Aufklärer • Sondershow des SMM Full-Reuenthal • Geländepiste für alle Teilnehmer und Passagierfahrten • Schweizer Armee zwischen 1930 und 1995 • 25 Reenactor-Gruppen mit militärhistorischen Szenen • Historische Formationen: Schweizer Kavallerie-Schwadron UNG 1972, BAT-Zug, Radfahrer-Kp SSTELL U ESA EER • Laserschiessen mit Centurion R H EE • Grosser Militaria- und Ersatzteilmarkt RO SSE ER ARM G Z WEI • Rekrutenspiel Aarau, Swiss Alphorns, Argovia Rebels • Höhepunkt: Fahrzeugparade 30 km durch das Fricktal MIT SCH DE R
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