From Small to World Largest-Klärschlammverbrennungsanlagen auf der Insel Rügen und in Hong Kong
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Klärschlammverbrennungsanlagen auf der Insel Rügen und in Hong Kong From Small to World Largest – Klärschlammverbrennungsanlagen auf der Insel Rügen und in Hong Kong – Jörn Franck 1. Die thermische Klärschlammbehandlungsanlage auf Rügen................722 2. Die thermische Klärschlammbehandlungsanlage in Hong Kong.........725 3. Fazit................................................................................................................730 4. Literatur.........................................................................................................731 Klärschlamm aus der kommunalen Abwasserbehandlung wird und wurde entweder als Düngermaterial direkt auf die Felder verbracht, wie dieses u.a. in Deutschland in den letzten Dekaden erfolgte, oder aus Mangel an Agrarflächen auf Deponien abgelagert, wie dieses seit vielen Jahren in Hong Kong der Fall war. Bedingt durch veränderte Rahmenbedingungen entstand sowohl in Deutschland wie auch in Hong Kong die Notwendigkeit, neue Wege der Klärschlammentsorgung zu entwickeln. In Deutschland veränderten sich die Rahmenbedingung 2013 durch den politischen Willen hin zu mehr Ressourcenschutz, welches im Koalitionsvertrag Deutschlands Zukunft gestalten zwischen der CDU/CSU und der SPD für die 18. Legislaturperiode festgeschrieben wurde. Hier hieß es die Klärschlammausbringung zu Düngezwecken zu beenden und Phosphor und andere Nährstoffe zurück zu gewinnen [5]. Diese Bemühun- gen zum Ausstieg aus der landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung fokussierten sich also im Wesentlichen auf die Recyclingbemühungen um das Element Phosphor. Die Umsetzung ist nun durch die neue Klärschlammverordnung (AbfKlärV) auf den Weg gebracht, denn sie ist seit dem 3. Oktober 2017 in Kraft. Abhängig von der Grö- ße/Leistungsfähigkeit einer Kläranlage gelten dabei Übergangsfristen von 12 bzw. 15 Jahren für die Abkehr vom direkten landwirtschaftlichen Einsatz des Klärschlamms. Anders in Hong Kong, wo nicht Ressourcenschutz das dominierende Thema war, son- dern eine akute fortschreitende Verknappung von Deponieraum für die Ablagerung von Klärschlamm. Den Umgang und Lösungsansatz als Reaktion auf die sich ändernden Rahmenbedin- gungen zeigen die nachfolgenden beiden Beispiele einer der kleinsten thermischen Behandlungsanlagen für Klärschlamm in Bergen auf der Ostsee-Insel Rügen sowie Klärschlammbehandlung der derzeit welt-größten Anlage in Hong Kong. Beide Anlagen verbindet, mit modernster Technologie das Ziel einer nachhaltigen und sicheren Senke für die im Klärschlamm vorhandenen Schadstoffe wie z.B. Schwermetalle, 719
Jörn Franck persistente organische Verbindungen, resistente Keime, kleinste Plastikbestandteile (Mikroplastik) oder Reste von Medikamenten zu bieten, damit diese nicht in die Umwelt gelangen. Die Anlage in Hong Kong zeigt darüber hinaus, wie moderne Architektur die öffentli- che und gesellschaftliche Akzeptanz fördern kann, denn sie ist nicht nur ein Hingucker sondern der Besuch der Anlage stellt ein echtes Erlebnis dar. Die Dr. Born – Dr. Ermel GmbH war als Generalplaner für die Anlage auf Rügen tätig und als Bauherrenvertreter seitens des Umweltministeriums in Hong Kong mit der Begleitung der Verfahrens- und Prozesstechnik beauftragt. Ausgangslage auf der Insel Rügen Als Zusammenschluss der Städte und Gemeinden der Ostsee-Inseln Rügen, Hid- densee und Ummanz ist der Zweckverband Wasser und Abwasser Rügen (ZWAR) für die Wasserversorgung sowie die Abwasserentsorgung verantwortlich. Dabei stellt er jährlich etwa fünf Millionen Kubikmeter Frischwasser bereit und übernimmt eine in etwa ebenso große Menge an Abwasser über ein 1.200 km langes Kanalnetz mit über 1.000 Pumpwerken aus insgesamt 38 Kläranlagen wie in folgendem Bild dargestellt. Bild 1: Abwasserbehandlungsanlagen der Inselgruppe Rügen, Hidden- see und Ummanz Quelle: Franck, J.; Rödiger, A.: Erste Erfahrungen vom Bau und Betrieb der Klärschlammbehandlungsanlage Rügen. DWA Landesverbandstagung Nord, Peine, 2017 Lange vor dem Inkrafttreten der AbfKlärV hat sich der ZWAR intensiv mit einer Neuausrichtung seiner Klärschlammentsorgung auseinander gesetzt. Ausgangslage für ein neues Klärschlammkonzept war die seinerzeitige Entsorgung durch Co-Vergärung des Klärschlamms in einer Biogasanlage mit anschließender Ausbringung der Gär- Klärschlammbehandlung reste in der Landwirtschaft. Rechengut sowie das auf der touristisch geprägten Insel anfallende Strandgut, mussten ebenfalls extern entsorgt werden. Das eine gelangte in eine Mitverbrennung und letzteres in eine Kompostierung. Dieses Konzept bedingte 720
Klärschlammverbrennungsanlagen auf der Insel Rügen und in Hong Kong entsprechend hohe Entsorgungs- und Transportkosten, da die Entsorgungsanlagen nicht auf der Insel Rügen waren. Hinzu kam die Befürchtung langfristig nicht abseh- barer Preissteigerungen. 2001 wurde die Neuausrichtung der Klärschlammentsorgung in einer Studie zunächst für die Insel Rügen gemeinsam mit Vorpommern, aber ebenso ausschließlich für die Insel Rügen betrachtet. 2006 zeichnete sich eine Insellösung ab, die Schlämme der etwa 38 Insel-Kläranlagen an die Zentralkläranlage Bergen zu liefern und diese dort zusammen mit den eigenen Schlämmen effizient und nachhaltig zu behandeln. Die Ziele, die der ZWAR mit dem Projekt verfolgte waren • eine zukunftsorientierte Anlagenkonzeption, welche nachhaltig ist und langfristige Entsorgungssicherheit bietet, • eine effektive Nutzung des Energieinhaltes der Klärschlämme, • die Option für eine Verwertung der in den Schlämmen enthaltenen Wertstoffe, • eine effektive Ausschleusung von Schadstoffen aus der Umwelt Ausgangslage in Hong Kong Anders als in Deutschland war der Anlass für eine Neuausrichtung der Klärschlamm- entsorgung in Hong Kong die sich immer weiter verringernden Deponiekapazitäten, verbunden mit einer Neuausrichtung der Behandlungsstrategie der Abwasserbehand- lungsanlagen für die etwa acht Millionen Einwohnermetropole. Insgesamt elf Kläran- lagen, die mit unterschiedlichem Stand der Abwasseraufbereitung ausgerüstet waren, galt es Zug um Zug zu modernisieren und damit auch die Klärschlammentsorgung neu auszurichten, um die Qualität der Gewässer um und in der Stadt Hong Kong langfristig und nachhaltig zu verbessern. Denn bis dato wurden alle entwässerten Klärschlämme, die durch Kläranlagen in Hongkong entstehen, auf den drei vorhandenen Abfallde- ponien (WENT, NENT und SENT) entsorgt, was allerdings sowohl aus ökologischer wie auch aus technischer Sicht langfristig nicht als nachhaltig angesehen wurde. Für Hongkong war es daher unerlässlich, geeignete Behandlungs- und Entsorgungsstra- tegien zu entwickeln, um die täglich erzeugte Menge an Klärschlamm zu bewältigen. Die geplante fortschreitende Erweiterung des Harbour Area Treatment Scheme (HATS) zur Verbesserung der Wasserqualität im Hafenbereich in Verbindung mit der Erwei- terung und Modernisierung anderer bestehender regionaler Kläranlagen (u.a. Pillar Point STW und San Wai STW) ließ die Menge des zu entsorgenden Klärschlamms von anfänglich etwa 800 t/d auf bis zu 1.500 t/d ansteigen und prognostizierte darüber hinaus eine Menge von 2.000 t/d bis zum Jahr 2020. Angesichts der zu erwarteten erheblichen Zunahme der Klärschlammmenge wurde die Errichtung einer speziellen Schlammbehandlungsanlagen (Sludge Treatment Facility – STF) in Tsang Tsui nahe Tuen Mun vorangetrieben. Der Standort der STF wurde dabei wegen seiner Abgelegenheit und seiner Kompatibilität mit bestehenden Klärschlammbehandlung und geplanten abfallwirtschaftlichen Entwicklungen in der Region ausgewählt, da er unmittelbar neben einer der großen Abfalldeponien (WENT) liegt und somit über eine sehr gut logistische Anbindung für die Annahme von Klärschlamm verfügt. 721
Jörn Franck Shek Wu Hui Yuen Long Tai Po STF San Wai Shatin Sham Tseng Sai Kung Pillar Point Bild 2: Stonecutters Island Kommunale Abwasserbehand- Siu Ho Wan lungsanlagen in Hong Kong Quelle: Environmental Protection Stanley Department: Need for Sludge Treatment Facility. EPD, Hong Kong, 2015 1. Die thermische Klärschlammbehandlungsanlage auf Rügen Bei der Klärschlammbehandlungsanlage des ZWAR handelt es sich um ein kombiniertes zentrales Schlammbehandlungsverfahren bestehend aus den Komponenten • Schlammfaulung mit Gasspeicher, • Schlammentwässerung und Trocknung, • Thermische Schlammbehandlung in einem Wirbelschichtofen mit anschließender quasitrockener Abgasreinigung. Die Anlage, die auf der Zentralkläranlage Bergen steht, ist eine der kleinsten Anlagen Deutschlands mit einer Kapazität von etwa 2.000 t TR/a, die für den Klärwerksstandort energetisch optimiert wurde und im engen Zusammenspiel mit einer vorgeschalteten Schlammfaulung arbeitet. Tabelle 1 zeigt die wesentlichen technischen Daten der Klärschlammbehandlungsanlage. Neben der Annahme von externem entwässertem Klärschlamm aus den Kläranlagen der Insel übernimmt die Anlage auch den Rohschlamm aus dem Zentralklärwerk in Bergen in die Faulung. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der Annahme von externen Co-Substraten, wie diese z.B. bei der Verarbeitung von Lebensmitteln auf Rügen anfallen. Das im Faulreaktor gewonnene Gas wird in einem Gasspeicher gelagert und gelangt über eine Gasregelstrecke zum BHKW zur Strom- und Wärmeerzeugung. Die bei der Verbrennung entstehende thermische Energie wird bevorzugt zur Schlammtrocknung eingesetzt. Mit der Wärme aus dem BHKW und der Verbrennung wird der Bedarf Klärschlammbehandlung des Zentralklärwerkes abgedeckt. Der aus dem Reaktor abgezogene Schlamm wird entwässert und anschließend an den Trockner übergeben. Bild 3 zeigt das Konzept der Faulungsanlage. 722
Klärschlammverbrennungsanlagen auf der Insel Rügen und in Hong Kong Parameter Einheit Wert Faulung Durchsatzleistung m3/d 120 Gasmenge m3/h 110 Energieerzeugung (BHKW elektrisch) kWel. 330 Energieerzeugung (BHKW thermisch) kWth. 360 Verbrennung Brennstoffmenge Tabelle 1: tTS/a 2.000 (Klärschlamm, Rechengut, Strandgut) Durchsatzleistung Ofen kgTS/h 180 bis 270 Anlageneckdaten Klärschlamm- TR-Gehalt, Mischung Ofeneintritt % etwa 55 behandlungsanlage Rügen Feuerungswärmeleistung MWth 0,900 Quelle: Franck, J.; Rödiger, A.: Erste Luftvorwärmung °C 245 Erfahrungen vom Bau und Betrieb der Verbrennungsasche (P-Recycling) t/a etwa 780 Klärschlammbehandlungsanlage Rügen. DWA Landesverbandstagung Nord, Rückstandsmenge (Deponie) t/a etwa 320 Peine, 2017 Gasspeicher Notfackel Faulreaktor Co-Substrat Wärme Strom Dick- Gasspeicher 1.500 m3 Schlamm BHKW Schlamm zur Eindicker Trocknung Roh- Schlamm- Schlamm entwässerung Faulturm 3.000 m3 Entwässerung Schlammeindickung Zentrat Bild 3: Anlagenkonzept Faulung Klärschlammbehandlungsanlage Rügen Quelle: Franck, J.; Rödiger, A.: Erste Erfahrungen vom Bau und Betrieb der Klärschlammbehandlungsanlage Rügen. DWA Landesverbandstagung Nord, Peine, 2017 Für die Monoverbrennungsanlage wird der entwässerte Schlamm nach einer Faulung entnommen und an einen Trockner übergeben. Die Bevorratung des (Roh-) Schlamms findet in den vorgeschalteten Behältern auf dem Klärwerk statt. Ein Bevorratungs- bunker oder die Annahme von getrocknetem Klärschlamm ist aus Kostengründen in der Klärschlammverbrennung nicht vorgesehen. Um den Schlamm sicher auto- therm, also ohne Zusatzbrennstoff, zu verbrennen, ist im Falle einer derart kleinen Klärschlammbehandlung Anlage die Trocknung auf einen TR-Gehalt von bis zu 55 Prozent am Eingang zum Verbrennungsofen empfehlenswert. Die Trocknungsanlage ist als mehrstufiger Schne- ckentrockner ausgeführt. Als Besonderheit ist zu erwähnen, dass die zur Trocknung 723
Jörn Franck benötigte Wärmeenergie von einem Thermalölkessel bereitgestellt wird. Der bei der Trocknung anfallende Abdampf (Brüden) wird kondensiert und die anfallende Wärme für Heizzwecke im Klärwerk eingesetzt. Das Kondensat wird nach Aufbereitung dem Klärwerk im Zulauf zugeführt. Dabei sind die Zusatzbelastungen und die Kapazität der Kläranlage aufeinander abgestimmt, um die Funktionsfähigkeit der Kläranlage nicht zu beeinträchtigen. Der Verbrennungsofen ist zweistufig mit Primärluft und Sekundärluft für ein gutes Teillastverhalten ausgeführt und um Abgasverluste und Schadgasemissionen zu minimieren. Um die relativ geringe Feuerungsleistung bei einer kleinen Anlage von etwa 1 MW energetisch zu nutzen, kommt ein Zwangsdurchlauf-Thermalöl-Kessel zum Einsatz, der bei einem Druck von maximal 10 bar und einer Betriebstemperatur von etwa 300 °C arbeitet. Durch den Einsatz einer Abgasrezirkulation sowie einer Luftvorwärmung auf 245 °C können Feuerung und Kessel sicher in einem Lastbereich von 60 bis 110 Prozent betrieben werden, ohne dass die Thermalölparameter variieren. Die relativ geringe Menge an Abgasvolumen von nur etwa 1.700 Nm³/h aus der Ver- brennung wird mit einem Elektrofilter von Flugstaub gereinigt. Anschließend wird mit einem Quasitrocken-Verfahren der Gehalt an organischen Schadstoffen sicher auf die Grenzwerte der 17. BImSchV reduziert. Dabei kommen Absorbentien auf Kalkbasis zum Einsatz, die zur Abscheidung von Schwermetallen mit einem geringen Anteil von Aktivkohle dotiert sind. Die mit Schadstoffen beladenen Reststoffe aus der Abgasreinigung werden in einem separaten Silo erfasst und entsprechend ihrer Schadstoffgehalte entsorgt. Trockner Gewebefilter Ofen E-Filter Kessel Klärschlammbehandlung Bild 4: Anlagenkonzept Verbrennung Klärschlammbehandlungsanlage Rügen Quelle: Franck, J.; Rödiger, A.: Erste Erfahrungen vom Bau und Betrieb der Klärschlammbehandlungsanlage Rügen. DWA Landesverbandstagung Nord, Peine, 2017 724
Klärschlammverbrennungsanlagen auf der Insel Rügen und in Hong Kong Flugstaub und Asche aus der Feuerung werden separat in einem Silo erfasst und stehen mit ihrem erhöhten Phosphorgehalt für ein späteres Recycling zur Verfügung. Da die Aufbereitungstechnologie derzeit noch nicht großtechnisch zur Verfügung steht, wird die Asche zunächst in einer Inertstoffdeponie zwischengelagert. Im April 2015 erfolgte nach Planungsvorlauf die Freimachung des Baufeldes, so dass im November 2015 der Grundstein für die Anlage gelegt werden konnte. Nach etwa eineinhalb Jahren, im Februar 2017, war die Faulung soweit fertig gestellt, dass diese den Betrieb aufnehmen konnte. Im April war die Gasproduktionsrate aus der Fau- lung ausreichend hoch, so dass der Gasspeicher nebst Gasregelstrecke und BHKW in Betrieb genommen werden konnte. Im Juli 2017 erfolgte die Inbetriebnahme der thermischen Klärschlammbehandlung. Nach der kalten Inbetriebnahme folgten das Trockenheizen der Ausmauerung sowie das Auskochen des Thermoölkessels, bevor der Wirbelschichtofen erstmals im Gasbetrieb in Betrieb genommen wurde. Nach der Inbetriebnahme der Klärschlammaufbereitung (Zentrifuge, Trockner und Förderung) wurde Ende August der erste Klärschlamm in die Wirbelschichtfeuerung aufgeben. Optimierungs- und Einstellarbeiten schlossen sich an, bevor die Anlage zum Jahresende ihre volle thermische Durchsatzleistung erreichte. 2. Die thermische Klärschlammbehandlungsanlage in Hong Kong Die Entwicklung der STF-Anlage in Hong Kong hatte ebenso eine lange Vorlaufzeit. So wurde eine erste Machbarkeitsstudie im Jahr 2008 erstellt, in der als Schlammbehand- lungsstrategie der Bau einer Verbrennungsanlage empfohlen wurde. 2009 wurde eine Umweltverträglichkeitsprüfung für die Anlage als Bestandteil des Genehmigungsver- fahrens erstellt und im Juni 2009 genehmigte der Finanzausschuss des Stadtparlamentes die Modernisierung sowohl der Abwasserbehandlungsanlagen in Hong Kong wie auch die Planung und den Bau der STF-Anlage. Die Anlage wurde funktional geplant und anschließend komplett nach dem design- build-operate (DBO) Konzept ausgeschrieben. Auftraggeber war dabei das Environ- mental Protection Department Hong Kong (EPD). Die Bewerber/Bieter mussten neben einem detaillierten technischen Anlagenkonzept auch die Betriebsführung für einen Zeitraum von 15 Jahren anbieten. Den Zuschlag erhielt Veolia Water (VW) zusammen mit Veolia Environmental Services (VES), die wiederum den Auftrag zum Bau der Anlage an ein Konsortium bestehend aus Veolia Water, Leighton und John Holland als Generalunternehmer (EPC Contractor) erteilte. Das architektonisch aufwendige aber sehr ansprechende Konzept hatte seinerzeit das Büro Vasconi erstellt. Mit der Errichtung der Anlage wurde Ende 2010 begonnen und das Grand Opening erfolgte Anfang 2015. Die STF-Anlage befindet sich direkt an der Küste etwa 45 km vom Stadtzentrum Hong Kong entfernt in unmittelbarer Nähe der WENT-Deponie auf einer alten Flugasche- Lagune, die von den nahe gelegenen Kohlekraftwerken Castle Peak und Black Point Klärschlammbehandlung gefüllt wurde, wie Bild 5 zeigt. Der abgelegene Standort der STF-Anlage erfordert, dass der Schlamm mit Lastwagen und/oder über die nahegelegenen Anlegestellen der Deponie WENT per See-Container angeliefert wird. 725
Jörn Franck Schlammverbrennungsanlage Schiffsanleger WENT Deponie Black Point Kohle Kraftwerk Hong Kong City Bild 5: Lage der Klärschlammbehandlungsanlage Hong Kong Das Hauptmerkmal der STF-Anlage ist eine wellenförmige Architektur des Gebäudes, welches in der Mitte zu einem Turm kumuliert. In den beiden symmetrisch um den Turm angeordneten Prozessgebäuden befinden sich jeweils neben einem Schlamm- bunker zwei separate Verbrennungslinien. Der zentrale Turm, der zum einen als Verwaltungsgebäude dient, beinhaltet auch die vier Schornsteine zur Abführung der Abgase. Neben dem etwa 350 m langen Anlagengebäude befinden sich zwei separate Gebäude für Dampfturbinen, zwei Luftkondensatoren in Freiaufstellung sowie ein Wasseraufbereitungsgebäude für die Trinkwassergewinnung und Abwasserbehandlung und eine Instandhaltungswerkstatt. Klärschlammbehandlung Bild 6: Ansicht der Sludge Treatment Facility von der Seeseite mit EEC im Vordergrund Quelle: Jacobs: Waste to Energy Solution – The Sludge Treatment Facility in Tuen Mun, Hong Kong. World Engineers Summit, 2017 726
Klärschlammverbrennungsanlagen auf der Insel Rügen und in Hong Kong Die Anlage ist für die Behandlung von insgesamt bis zu 2.000 t/d entwässerten Klär- schlamm bei einem Trockensubstanzgehalt von etwa 30 Prozent ausgelegt, was eine Jahresleistung von etwa 240.000 t TR entspricht. Die vier Verbrennungslinien haben jeweils eine Durchsatzleistung von bis zu 22,9 t/h entwässerten Klärschlammschlamm (entsprechend 6,88 t TR/h). Aufgrund der Brennstoffvielfalt wurde die Wirbel- schichtverbrennungstechnologie ausgewählt, die allerdings aufgrund des recht hohen Entwässerungsgrades von >30 Prozent ohne eine vorgeschaltete Schlammtrocknung auskommt. Die der Verbrennung nachgeschalteten Kesselanlagen erzeugen jeweils 31,5 t/h Dampf bei 43 bar und 380 °C, der zwei Dampfturbinen mit jeweils etwa 12 MW nomineller Leistung zur Stromerzeugung antreibt. Somit wird neben der Stromeigenver- sorgung der kompletten STF-Anlage auch ein Stromexport von bis zu 2 MW möglich. Die Abgasreinigung basiert auf einem trockenen Verfahren mit Natriumbicarbonat. Nach einer Staubvorabscheidung durch einen Multizyklon gelangen die Abgase in eine Reaktionsstrecke in der Natriumbicarbonat mit etwa 5 bis 10 Prozent Aktivkohle ver- mischt eingedüst wird. Im anschließenden Gewebefilter werden hierdurch Schadstoffe sowie Feststoffe final abgeschieden, bevor das Abgas nach Emissionsmessung durch die Kaminanlage am Dach des Verwaltungsgebäudes entlassen wird. Der damit erziel- te Emissionsstandard der Anlage ist mit den strengen europäischen Anforderungen vergleichbar. Prozessrückstände wie Asche aus dem Verbrennungsprozess oder Reak- tionsprodukte aus der Abgasreinigung werden auf bestehenden Deponien abgelagert. Das gesamte Wasser, das zum Betrieb der Anlage benötigt wird, wird aus Meerwasser über eine Wasseraufbereitungsanlage erzeugt. Alle in der Anlage anfallenden Ab- wässer werden innerhalb der Anlagen nachbehandelt und genutzt. Nur Sole aus dem Entsalzungsprozess darf ins Meer zurückgeführt werden. Bild 7 zeigt das vereinfachte Flussdiagramm der Anlage mit ihren Hauptkomponenten und Funktionen. Die Verbrennung von Abfall hat in Hong Kong Mitte der neunziger Jahre ein nicht sehr rühmliches Ende gefunden, als die bestehenden Abfallverbrennungsanlagen aufgrund sehr schlechter Abgaswerte praktisch über Nacht geschlossen werden mussten. Als Kon- sequenz blieb nur die Deponierung der Siedlungsabfälle, derzeit etwa 16.000 t/d. Noch immer sind Abfallverbrennungsanlagen in der Bevölkerung von Hong Kong sehr stark umstritten, weshalb für die Schlammverbrennungsanlage mit erheblichem Aufwand um öffentliche Akzeptanz gerungen wird. Aus diesem Grunde war das Anlagenkonzept von vornherein darauf ausgelegt, die Öffentlichkeit an und in die Anlage zu führen. Per Internetplattform können sich interessierte Besucher bei der Anlage, die nun- mehr T-Park heißt anmelden. Ein kostenloser Bustransport bringt die Besucher zur Anlage in ein aufwendig gestaltetes Umweltbildungszentrum. Hier befindet sich eine Ausstellungshalle, in der die Themen Wasser/Abwasser sowie Schlammbehandlung anschaulich vermittelt werden. Ein Auditorium für bis zu 100 Besucher ermöglicht Klärschlammbehandlung Vorträge für große Gruppen und über eine klimatisierte Galerie gelangt der Besucher in bzw. durch die Anlage und kann diese erkunden. 727
Klärschlammbehandlung Entspanner 2 728 Wasser Umleitstation Dampf- SNCR Ent- Anlage B turbine System spanner 1 Kondensat Wasser HD-Verteiler Jörn Franck Ammoniak Abwasser MD-Dampf Kesseltrommel Anlage B Sand Kalk Kondensat MD-Verteiler Luft- Primärluftgebläse Rücklauf Gebäude konden- SH1 Gebäude sator PAH Umgebungsluft Vorlauf Gebäude Wärme- Sekundärluftgebläse tauscher Kondensat SH2 SAH Umgebungsluft Tank VE- Leck- Ejek- Wasser dampf toren Wasser Eco Rezi-Gas Nachbrenn- Abgasrezirkulations- Heizöl Eco Zusatzbrenner kammer gebläse Speisewasser- Kondensat Brennkammer Eco tank Pumpe Speisewasser- Wirbelschicht pumpe Absorptions- MD-Dampf Kondensat reaktor Vibrations- rinne Gekühlte Umgebungsluft Schnecke A-Koks Natrium- Abgasauf- Separator Bicarbonat Gewebefilter Bypass heizung Asche Gewebefilter Bettasche- Sepa- abzug rator Saugzug Kamin Multizyklon Luftzufuhr Rezi- Gebläse Kalk Förder- Aschetransport Reststoff- Primär- schnecken silo Asche und schlamm- Misch- Reststofftransport bunker schnecke Asche Silo Anfeuchtschnecke Anfeuchtschnecke HP Pumpe Schlammaufgabetrichter Polymer Lager Bild 7: Vereinfachtes Verfahrensfließbild einer Verfahrenslinie der Sludge Treatment Facility Hong Kong Quelle: EPD - Veolia: Sludge Treatment Facilities. EPD, Hong Kong, 2015
Klärschlammverbrennungsanlagen auf der Insel Rügen und in Hong Kong Ausstellungsforum Besucher Galerie Aussichtsdeck Auditorium Bild 8: Innenansicht des Umweltzentrums für Besucher Quelle: EPD – Veolia: Sludge Treatment Facilities. EPD, Hong Kong, 2015 Ein im Erdgeschoss befindlicher Spa lädt zum Verweilen in warmen Schwimmbecken ein und eine Cafeteria mit einer Panoramaplattform bietet einen Ausblick in die Um- gebung. Seit Eröffnung für die Öffentlichkeit im Jahre 2016 haben mehr als 90.000 Besucher bereits die Schlammverbrennungsanlage besucht. Spa Pools Cafeteria Außenanlagen mit Garten Klärschlammbehandlung Bild 9: Spa und Außenanlagen des Umweltzentrums für Besucher Quelle: EPD – Veolia: Sludge Treatment Facilities. EPD, Hong Kong, 2015 729
Jörn Franck 3. Fazit Die umweltschonende Entsorgung von Klärschlamm aus der kommunalen Abwas- serbehandlung gehört zu den Herausforderungen aller heutigen Gesellschaften. Die Wege die dazu beschritten werden basieren oftmals auf sehr unterschiedlichen Rah- menbedingungen. Mit der neuen Klärschlammverordnung sind die Weichen für einen Ausstieg aus der stofflichen Verwertung in der Landwirtschaft in Deutschland gestellt. Dabei steht das Thema Ressourcenschutz und hier das Zurückgewinnen des lebensnotwendigen Phosphors im Mittelpunkt der Bemühungen. Vor dem Hintergrund derzeit nicht aus- reichender thermischer Behandlungskapazitäten wird ein Ausbau in den kommenden Jahren in Deutschland erwartet. Technologisch ist Europa bei der thermischen Klärschlammbehandlung sicherlich gut aufgestellt und weit entwickelt, wie dieses derzeit auch in dem neuen BREF Dokument dokumentiert wird. Dieses technische Know-how ist nicht zuletzt auch ein Exportartikel, der in anderen Ländern großes Interesse findet. Einer ganz anderen Herausforderung war und ist die Metropole Hong Kong bei der Klärschlammentsorgung ausgesetzt, denn der Klärschlamm wurde bislang ausschließ- lich deponiert. Gezwungen durch immer knapper werdenden Deponieraum sowie steigende Mengen an Klärschlamm wurde eine Technik gesucht, die sowohl den steigenden Umweltansprüchen Hong Kongs entspricht und zugleich die sehr großen Mengen sicher entsorgen kann. Das Recycling von Inhaltsstoffen steht hier zwar noch nicht im Vordergrund, die Voraussetzungen sind aber durch die Wahl des thermischen Verfahrens, der Verbrennung, bereits geschaffen. Dass eine derartige Anlagentechnologie auch sehr gefällig aussehen kann um das Inte- resse der Öffentlichkeit zu fördern, zeigt die Anlage in Hong Kong sehr eindrucksvoll. Hier ringt man primär um öffentliche Akzeptanz für derartige Anlagen und Techno- logien und unternimmt enorme Anstrengungen. Dieser Aspekt ist in Deutschland leider etwas aus dem Blick geraten wie es scheint, wenngleich auch heute noch Skepsis in der Bevölkerung in den Genehmigungsver- fahren zu spüren ist. Deutsche Anlagen erscheinen oft im schlichten Industriebau, begründet damit, den Gebührenzahler nicht unnötig zu belasten. Aber ist nicht auch eine gefällige und schöne Architektur von großer Wichtigkeit für das Wohlbefinden? In diesem Punkt kann Deutschland wiederum von anderen Ländern, wie zum Bei- spiel Hong Kong, lernen. Seien wir offen für das Schöne und zeigen wir stolz, wie gut Technik sein kann. Klärschlammbehandlung 730
Klärschlammverbrennungsanlagen auf der Insel Rügen und in Hong Kong 4. Literatur [1] Environmental Protection Department: Need for Sludge Treatment Facility. EPD, Hong Kong, 2015 [2] EPD – Veolia: Sludge Treatment Facilities. EPD, Hong Kong, 2015 [3] Franck, J.; Rödiger, A.: Erste Erfahrungen vom Bau und Betrieb der Klärschlammbehandlungs- anlage Rügen. DWA Landesverbandstagung Nord, Peine, 2017 [4] Jacobs: Waste to Energy Solution – The Sludge Treatment Facility in Tuen Mun, Hong Kong. World Engineers Summit, 2017 [5] Koalitionsvertrag zwischen der CDU, CSU und der SPD für die 18. Legislaturperiode, 2013 Klärschlammbehandlung 731
Emissions-related Energy Indicators for flue gas treatment systems in waste incineration NH4OH Kessel Wäscher (SNCR) Emissions-related energy indicators H2O Dagavo SPT Gewebefilter H 2O Rudi Karpf Saugzug Ca(OH)2 + HOK Emissions-related Rezirkulat Reststoff H2O energy indicators H 2O Abwasser Kalkmilch NaOH for flue gas treatment systems NH3 in waste incineration NH4OH Kondensator Strippe Dampf Abwasser Autor: Rudi Karpf Erscheinungsjahr: 2014 Hardcover: 314 Seiten mit zahlreichen Abbildungen ISBN: 978-3-944310-14-5 Preis: 30,00 EUR The aim of this study is to demonstrate such discrepancies or dependencies between attainable emission reductions and the emissions-generating energy input necessarily incurred by flue gas treatment technologies in attaining those reductions. The study initially focuses on current investigations and assessments related to this issue, as well as on the legal emission requirements. Due to the wide range of components involved in flue gas treatment systems and their consequent numerous combination possibilities, six different system Variants are presented and compared. It is notable in the context of the present study that both single and two-stage or multi-stage systems are considered in the set of Variants, which differ not only in their structure and additive use but also in their separation capacity. These six basic Variants reflect the systems frequently employed in practice and represent non-congruent procedural steps with their respective target emission levels. Based on the fact that each of these Variants is already in operation in thermal waste incineration plants, the assessment draws on many years of existing operative experience. The individual energy demands for the Variants described are determined on the basis of mass, material and energy balances. Evaluation criteria for energy demand at the different emission reduction ratios are educed from the formulation of emissions-related energy indicators. This establishes a set of tools with which to assess emissions-generating energy demand in the context of emission reduction ratios. Bestellen Sie direkt beim TK Verlag oder unter www. .de TK Verlag GmbH Dorfstraße5151 Dorfstraße D-16816Nietwerder-Neuruppin D-16816 Nietwerder-Neuruppin Tel. +49.3391-45.45-0 Phone: +49.3391-45.45-0• Fax +49.3391-45.45-10 • Fax +49.3391-45.45-10 E-Mail:tkverlag@vivis.de E-Mail: tkverlag@vivis.de
Vorwort Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar Stephanie Thiel, Elisabeth Thomé-Kozmiensky, Peter Quicker, Alexander Gosten (Hrsg.): Energie aus Abfall, Band 15 ISBN 978-3-944310-39-8 Thomé-Kozmiensky Verlag GmbH Copyright: Elisabeth Thomé-Kozmiensky, M.Sc., Dr.-Ing. Stephanie Thiel Alle Rechte vorbehalten Verlag: Thomé-Kozmiensky Verlag GmbH • Neuruppin 2018 Redaktion und Lektorat: Dr.-Ing. Stephanie Thiel, Elisabeth Thomé-Kozmiensky, M.Sc., Dr.-Ing. Olaf Holm Erfassung und Layout: Ginette Teske, Sandra Peters, Janin Burbott-Seidel, Claudia Naumann-Deppe, Cordula Müller, Anne Kuhlo, Gabi Spiegel Druck: Universal Medien GmbH, München Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funk- sendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien, z.B. DIN, VDI, VDE, VGB Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung hinzuzuziehen. 4
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