FUNKEN FLÜGE - KINDER INSPIRIEREN - TUKI BÜHNE | EIN KONZEPT FÜR DAS KINDERTHEATER - TUKI BERLIN

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FUNKEN FLÜGE - KINDER INSPIRIEREN - TUKI BÜHNE | EIN KONZEPT FÜR DAS KINDERTHEATER - TUKI BERLIN
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   FUNKEN FLÜGE
  TUKI Bühne | Ein Konzept für das Kindertheater
Aus Theater MIT Kindern entsteht Theater FÜR Kinder

                                                      1
FUNKEN FLÜGE - KINDER INSPIRIEREN - TUKI BÜHNE | EIN KONZEPT FÜR DAS KINDERTHEATER - TUKI BERLIN
FUNKEN FLÜGE - KINDER INSPIRIEREN - TUKI BÜHNE | EIN KONZEPT FÜR DAS KINDERTHEATER - TUKI BERLIN
TUKI Bühne

             Funken flüge
  TUKI Bühne | Ein Konzept für das Kindertheater
Aus Theater MIT Kindern entsteht Theater FÜR Kinder
FUNKEN FLÜGE - KINDER INSPIRIEREN - TUKI BÜHNE | EIN KONZEPT FÜR DAS KINDERTHEATER - TUKI BERLIN
Foto: Jara Lopez Ballonga
FUNKEN FLÜGE - KINDER INSPIRIEREN - TUKI BÜHNE | EIN KONZEPT FÜR DAS KINDERTHEATER - TUKI BERLIN
inhaltsverzeichnis

 7   Was ist TUKI Bühne?
		   Ein Konzept für das Kindertheater | Renate Breitig

 9   TUKI Bühne im TUKIversum

11   Ein Funke springt über
		   TUKI Bühne schafft den Transfer vom Theater
		   MIT Kindern zum Theater FÜR Kinder | Renate Breitig

14 Fotos vom Transfer
		Von der Kita…auf die Bühne

17 Drei Funkenflüge
		Aus ästhetischer Forschung mit Kindern
		   entsteht professionelles Kindertheater | Verena Lobert

20		SCHAUBUDE BERLIN
		   Einblicke in den Produktionsprozess

24   GRIPS Theater
		   Einblicke in den Produktionsprozess

28   DEUTSCHE OPER BERLIN
		   Einblicke in den Produktionsprozess

33   Ein Plädoyer für TUKI Bühne
		   Neue Produktionsprinzipien für das Kindertheater | Verena Lobert

34   IMPRESSUM
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    Foto: Fanziska Burnay

                            Foto: Franziska Hauser

    Foto: Susann Tamoszus                            Foto: Aline Reinsbach   Foto: Stephan Bögel
FUNKEN FLÜGE - KINDER INSPIRIEREN - TUKI BÜHNE | EIN KONZEPT FÜR DAS KINDERTHEATER - TUKI BERLIN
TUKI Bühne macht es möglich, aus einer
                                                    langfristigen theaterpädagogischen Arbeit
                                                    mit Kindern professionelle Produktionen
                                                    zu kreieren.

                               Was ist TUKI Bühne?
                         Ein Konzept für das Kindertheater

                                                    Beide Seiten gehen miteinander
Am Anfang steht die Arbeit
                                                    in Resonanz
mit den Kindern

Die innovativen Impulse kommen nicht immer          Neu an dem Format TUKI Bühne ist, dass die Ar-
aus der großen Bühnenwelt – manchmal sind           beit mit den Kindern und die Arbeit an der Produk-
es auch die versteckten Orte und die kleinen        tion eng miteinander verknüpft sind, sodass sich
Menschen, die neue Akzente setzen! Es lohnt         im Transfer beide Seiten gegenseitig anregen.
sich, das Vergrößerungsglas auf die Kinder zu       Ein Erfolgsgeheimnis ist dabei der enge, per-
richten, die uns im Theaterspiel überzeugend        sönliche Kontakt zwischen den Kindern und den
und unverstellt Einblick in ihre Welt bieten. Bei   Künstler*innen. Die TUKI Kinder begleiten spora-
TUKI Bühne dreht sich die gängige Theater-Praxis    disch die Proben und geben ihre Rückmeldungen.
um: Nicht die Ideen eines Regieteams bilden         Oberstes Prinzip ist es, dass die theaterpädagogi-
den Ausgangspunkt einer Inszenierung, sondern       sche und regieführende Arbeit zusammen gedacht
am Anfang einer Stückentwicklung stehen die         ist und die Resonanz zwischen den Kindern und
ergebnis- und themenoffenen Begegnungen mit         dem Künstlerteam zum Schwingen gebracht wird.
den Allerjüngsten. Die Künstler*innen treffen
mindestens 6 Monate lang einmal wöchentlich mit
den ca. 15 Kita-Kindern zusammen, spüren den        TUKI Bühne setzt neue Zeichen
kindlichen Fragen nach und suchen gemeinsam         für das Kindertheater
nach theatralen Ausdrucksformen.

Die Theater nehmen die Impulse
                                                    Z  usammengefasst: Kinder inspirieren, Theater-
                                                       schaffende greifen auf und entwickeln ein The-
                                                    aterstück, das viele Kinder erreicht und mit dem
der Kinder auf                                      ein neues Format des Kindertheaters geschaffen
                                                    wird. Der Transfer stellt eine Synergie her, die ei-
Während der intensiven Theaterreisen in den         nen Mehrwert in die Berliner Kindertheaterland-
Kitas wächst die Ideensammlung stets wei-           schaft trägt. Zukünftig sollen möglichst viele TUKI
ter an, sodass am Ende den Produktionsteams         Bühne Produktionen entstehen!
reichlich Material zur Verfügung steht. Nun
gilt es, dies zu sichten, Themen zu kondensie-      In der Broschüre sind an vielen Stellen Leitsätze
ren und eine eigene ästhetische Form zu finden.     eingestreut; sie stellen die Kerngedanken von TUKI
Die Herausforderung der Theaterschaffenden liegt    Bühne heraus und werfen vielfältige Schlaglichter
darin zu klären, wie die kindlichen Perspektiven    auf das neue Konzept.
und theatralen Versuchsabläufe übernommen und
in ein neues künstlerisches Bühnensetting mit ei-   Renate Breitig,
ner eigenen Aussagekraft übertragen werden.         Gründerin und Leiterin von TUKI Bühne

                                                                                                           7
FUNKEN FLÜGE - KINDER INSPIRIEREN - TUKI BÜHNE | EIN KONZEPT FÜR DAS KINDERTHEATER - TUKI BERLIN
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Foto: Stephan Bögel
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Das Format TUKI Bühne im TUKIversum

                      Das Partnerschafts-Programm TUKI Theater und Kita
                      verbindet langfristig Berliner Theater und Kindertagesstätten und hat es sich
                      zur Aufgabe gemacht, die frühkindliche kulturelle Bildung in Berlin nachhaltig
                      zu stärken. In intensiven Kooperationen zwischen je einem Theater und einer
                      Kita werden die Kinder an Performance- und Theaterkunst herangeführt,
                      lernen die Bühnenwelt kennen und erkunden und präsentieren mit theatralen
                      Mitteln ihre Themen und Fragen.

TUKI ForscherTheater                                                                           TUKI Tandem
verbindet den Wissensdurst                                                                     bewegt sich in seinen
der Kinder mit ästhetischen                                                                    dreijährigen Kooperationen
Erfahrungen. In theatralen                                                                     zwischen Theater-Sehen
Forschungsreisen gehen die                                  oder                               und Theater-Machen und
Kinder fiktiven und realen                                                                     führt die Kinder mit eigenen
Phänomenen nach und                                                                            szenischen Darstellungen
erweitern in Exkursionen                                                                       in die Theaterkunst ein.
und mit Expert*innen ihr                                                                       Besonderes Kennzeichen sind
Erfahrungsspektrum. In                                                                         regelmäßige Begegnungen
kreativen Laboren entwickeln                                                                   zwischen Kindern und
sie eigene Fragestellungen                                                                     Theaterschaffenden
und Suchbewegungen, die in                                                                     sowie ein umfangreiches
interaktiven Performances                                                                      Qualifizierungsprogramm, um
vor und mit Publikum ihren                                                                     den Theaterschwerpunkt in
Abschluss finden.                                                                              den Kitas zu verankern.

                                     TUKI Bühne
                                     gestaltet aus den vielfältigen Erfahrungen und
                                     Sichtweisen der Kinder, die im Kontext von TUKI
                                     ForscherTheater und TUKI Tandem entstehen,
                                     professionelle Bühnenstücke mit Berliner
                                     Kindertheatern.
                                     Die Verknüpfung zwischen der theaterpädagogischen
                                     und regieführenden Arbeit ist die Grundlage des
                                     Transfers von der Kita auf die Bühne.

                                     Näheres siehe www.tuki-berlin.de

                                                                                                                              9
FUNKEN FLÜGE - KINDER INSPIRIEREN - TUKI BÜHNE | EIN KONZEPT FÜR DAS KINDERTHEATER - TUKI BERLIN
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Foto: Aline Reinsbach
TUKI Bühne sammelt die
Fragen und Wünsche der
Kinder für ihr Theater ein.

                                           Ein Funke springt über
                                  TUKI Bühne schafft den Transfer
                           vom Theater MIT Kindern zum Theater FÜR Kinder
                                                          Renate Breitig

             Wie der Theaterzauber der Kinder die                  Kann es gelingen, die kindlichen Sichtweisen, die
             professionellen Bühnen erreicht                       vielen performativen Versuchsanordnungen, aber
                                                                   auch die unvorhersehbaren und unwägbaren Rei-

             W     enn die TUKI Akteure sich mit Kita-Kindern
                   auf eine theatrale Reise begeben und sie in-
             tensiv über lange Monate begleiten, um ihre Fra-
                                                                   sestationen weiterzutragen? Aus diesen Fragestel-
                                                                   lungen ist die neue Konzeption des Pilotprojekts
                                                                   TUKI Bühne geboren: Die mit den Kita-Kindern
             gen und Anliegen künstlerisch umzusetzen, dann        erprobten künst-
             gilt als oberstes Postulat: Die Kinder stehen im      lerischen Explo-
                                                                                          TUKI Bühne hat das Ziel, die
             Mittelpunkt! Dazu gehört auch, dass Kinder ihren      rationen bilden
                                                                                          Anliegen und Haltungen der
             geschützten Rahmen haben, dass sie nicht auf den      die     Grundlage
                                                                                          Kinder im zeitgenössischen
             großen, oft entfernt gelegenen Bühnen ihrer Part-     für die professio-
             nertheater auftreten, nicht durch die Stadt touren,   nellen Produkti-
                                                                                          Kindertheater sichtbar zu
             sondern meist nur einmal in ihrer eigenen Kita vor    onen. In Proto-
                                                                                          machen.
             Eltern, Geschwistern und Gleichaltrigen ihre Er-      kollen, Skizzen,
             gebnisse präsentieren. Immer wieder erreicht uns      Dokumentationen und Fotosequenzen ist reichlich
             die Rückmeldung, was für ein Schatz dieses Erleb-     Material zusammengekommen: Die Perspektive
             nis für alle jene ist, die daran teilhaben können.    der Kinder, die Lebendigkeit ihres Spielansatzes,
             Und dann? Wie kann die bunte Ideenwelt der            die Unmittelbarkeit ihrer Gesten und Sprache, das
             TUKI-Kinder erhalten bleiben und für Kinder in        Ungewöhnliche ihrer Themenstellungen bleiben
             ganz Berlin zu einem Theatererlebnis werden?          erhalten, verdichten sich in einem Bühnenwerk
             Dieser Gedanke hat uns immer wieder beschäf-          und erreichen somit Kinder im ganzen Berliner
             tigt und schließlich zur Gründung von TUKI Bühne      Raum - als mobile Produktion oder als Theater-
             geführt: Die Theatermacher*innen dokumentieren        stück im eigenen Haus.
             die künstlerischen Prozesse mit den Kindern und
             entwickeln aus dem Material professionelle Büh-
             nenstücke für ein ganz junges Publikum.

                                                                   TUKI Bühne geht von dem Forschenden
                                                                   Theater sowie dem Darstellenden Spiel
                                                                   mit Kindern aus
             Kita-Theatergruppen geben ihre Ideen an
             viele Berliner Kinder weiter
                                                                   T   UKI Bühne baut auf den folgenden beiden For-
                                                                       maten innerhalb des TUKI Programms auf: In

             W    ie können die vielen intensiven künstleri-
                  schen Welterkundungen auf den theatralen
             Wegstrecken eingefangen werden? Wo bleiben all
                                                                   TUKI Tandem arbeiten je eine Kita und ein Thea-
                                                                   ter drei Jahre lang zusammen. Dabei bestimmen
                                                                   die ästhetische Handschrift eines Theaters und die
             die Quergedanken und Fantasiebilder der Kinder?       gemeinsam gefundenen Themen die Theaterarbeit

                                                                                                                        11
TUKI Bühne schafft die Synergie
     zwischen der theaterpädagogischen
     Arbeit in der Kita und dem
     professionellen Kindertheater.

     mit den Jüngsten. Ausgangspunkt können Kinder-        und in ein neues künstlerisches Bühnenset-
     bücher, aktuelle Anliegen der Kitas oder Anregun-     ting mit einer eigenen Aussagekraft übertra-
     gen aus Kindertheater-Inszenierungen sein, aus        gen? Dies ist die Herausforderung, der sich
     denen sich neue Theaterideen bis hin zu den Ab-       die TUKI Bühne Produktionen erfolgreich
     schlussaufführungen herausbilden.                     stellen.
     Das zweite Format heißt TUKI ForscherTheater,
                                                           Verena Lobert geht diesen Fragen
     das als Ziel ästhetische Forschungsreisen mit Kita-   nach und hat die Arbeit in den Kitas
     Kindern hat. Die theaterpädagogische Reiseleitung     und während der Probenprozesse
                                                           begleitet. Siehe Seiten 17 bis 19.
     greift die Themen der Kinder auf und bringt in
     Explorationsspielen, Materialerkundungen und Ex-

                                                                                                                                           Foto: Fanny Frohnmeyer
     kursionen verschiedene Wissensfelder zusammen,
     welche die Erfahrungswelt der Kinder kognitiv und
     fiktional durchdringen. Das Ende jeder theatralen
     Forschungsreise markiert eine performativ-inter-
     aktive Präsentation.                                  Drei unterschiedliche
     Beide Formate eignen sich als Inspirationsquelle      Produktionsteams erproben die
     für TUKI Bühne. Gleichwohl standen in der Pilot-      Pilotphase
     phase drei Kitas im Mittelpunkt, die sich auf die
     sog. theatralen Forschungsreisen begeben hatten.
                                                           D   ie Vielfalt der Berliner Kindertheaterlandschaft
                                                               zeigt sich exemplarisch an den drei beteiligten
                                                           Häusern: Das GRIPS Theater fordert mit seinem
                                                           emanzipatorischen Theateransatz die Kinder zu ei-
                                                           genem Handeln auf. Die SCHAUBUDE BERLIN als
                                                           Figuren- und Objekttheater spricht ihr Publikum
     Regie und Theaterpädagogik

                                                                                                                     Foto: Stephan Bögel
                                                           über eine fantasievolle, bildhafte Zeichengebung
     liegen in einer Hand                                  an. Die Deutsche Oper Berlin erreicht ihre junge
                                                           Zuschauergruppe über Klang und Musik. So lässt

     D   as Geheimnis von TUKI Bühne liegt darin, dass
         die theaterpädagogische und künstlerische
     Handschrift zu einem gemeinsamen Prozess zu-
                                                           sich in der Pilotphase das neue Format in unter-
                                                           schiedlichen Theaterkonzeptionen erproben. Allen
                                                           drei Häusern ist
     sammenfließen. Das Künstlerteam verbringt zu-         gemeinsam, dass            TUKI Bühne eröffnet den
     nächst eine lange Zeit mit einer festen Kitagrup-     sie in ihrer Arbeit        Kindern neue Wege der
     pe, spürt den Themen und Ideen der Kinder nach,       nah am Publikum            Partizipation an der
     experimentiert an ihren Fragestellungen entlang,      bleiben. Bei TUKI
                                                                                      professionellen Theaterwelt.
     unternimmt mit ihnen Exkursionen, lädt Experten       Bühne liegt hierin
     ein und lässt sich von den Kindern inspirieren. In    ein ganz besonde-
     einem nächsten Schritt nutzt es den mit den Kin-      res Augenmerk: Die Kita-Kinder, deren Ideen auf
     dern gesammelten Ideen-Pool als Folie für den         die Bühne gebracht werden, sind auch als beraten-
     Transfer in die professionelle Stückentwicklung.      de „Experten“ am Entstehungsprozess beteiligt,
     Welche philosophischen, materiellen, ästheti-         sodass die Perspektive der Kinder nicht verloren
     schen, wissenschaftlichen, sozialen u.a. Impulse      geht.
     können die Theaterregisseure bzw. Theaterkollek-
                                                           Wie drei Produktionsteams diese Arbeitsweise erleben
     tive für ihre Produktionen aus den Prozessen und      und welche besonderen Herausforderungen sich
     Ergebnissen der Kita-Theatergemeinschaften nut-       stellen, ist auf den Seiten 20 bis 31 nachzulesen.
     zen und in eigene Zeichensysteme übertragen? Wie
     werden die kindlichen Perspektiven übernommen

12
Mit TUKI Bühne entsteht
     ein neuer Ansatz für das
     Kindertheater

     A    us dem Theater mit den Klei-
          nen entsteht ein neues Thea-
      ter für die Kleinen. Durch die Per-
      sonalunion eines künstlerischen
       und theaterpädagogischen Teams
       sind Thema, künstlerische Mittel
     und bildhafte Assoziationen aus
 einem Guss. Das Zusammenwirken bei-
der Seiten setzt neue positive Kräfte frei:
Die Arbeitsabläufe in der Kita und in den
                                              Foto: Susann Tamoszus

Proberäumen sind eng miteinander ver-
knüpft , so dass der Austausch zu einem
immanenten Teil des Konzeptes wird.
Der Funke springt über!

                                                                      13
FOTOs VOM TRANSFER:
     VON DER KITA....AUF DIE BÜHNE

                                                                                                                 Foto: Jara Lopez Ballonga
                                                     Foto: Susann Tamoszus

     Schaubude Berlin Die Körper sind fast vollständig in Papier verhüllt: Es entstehen fremdartige Kreaturen.

14
Foto: Deike Altmann

                                                                                                              Foto: Nora Hoch
                             Grips Theater Aus Verkleidung wird Verwandlung: Neue Wesen präsentieren sich.

                                                                                                               Foto: Stephan Bögel
Foto: Julia Bihl

                   Deutsche Oper Den Alltagsgeräuschen zu lauschen eröffnet Klangwelten für neue Narrative.

                                                                                                              15
16
     Foto: Stephan Bögel   Foto: Susann Tamoszus   Foto: Friederike Dunger
Drei Funkenflüge
                         Aus ästhetischer Forschung mit Kindern
                         entsteht professionelles Kindertheater
                                                 Verena Lobert

     T   UKI Bühne schließt da an, wo eine TUKI For-
         scherTheater-Reise zu Ende geht oder wird
     zeitlich parallel aus ihr entwickelt. So werden
                                                         Zugriffe der Produktionsteams auf die
                                                         Materialsammlungen

     Kindertheatermacher*innen herausgefordert, aus      * 1. GRIPS Theater: Kleidung
     den Frage-Kaskaden, Material-Erprobungen und        explorieren, Verwandlungen testen
     explorativen Settings professionelle Theater-
     produktionen für Kinder zu erarbeiten. Aus Per-
     spektive der künstlerischen Teams ist die Kita-
     Forschung als künstlerisch-soziales Labor zu
                                                         D  ie Produktion „Verwandelt“ setzt die Grund-
                                                            fragen aus der Arbeit mit den Kindern zentral:
                                                         „Wie funktioniert verwandeln? Bin ich bereits ver-
     verstehen, in dem Teile des Produktionsteams        wandelt, wenn ich verkleidet bin?“, und bildet dar-
     intensive Arbeitserfahrungen mit der Zielgrup-      aus die These: Alles verwandelt sich ständig.
     pe ihrer Stückentwicklungen sammeln können.
     Jede Forschungsreise generiert eine spezifische     In der Forschungsreise wurde mit Varianten von
     Sammlung, die sich inhaltlich aus den Fragen        Rollen- und Verkleidungsspielen experimentiert,
     einer Kindergruppe speist. Der formal-ästheti-      die in einem Besuch in der Theatermaske mün-
     sche Ansatz dieser Explorationen ist bereits ein    deten. Auch die Tier-Verwandlungswünsche der
     Begegnungsprodukt aus Kinder-Interesse und          Kinder wurden in performativen Spielsettings mit
     den Strategien und Materialien, die die leitenden   Textilien erprobt und vertieften das Interesse der
     Künstler*innen in den Prozess eingebracht haben.    Kinder an den Transformations- und Mimikry-
                                                         Fähigkeiten von Tieren, die sie schließlich zu einer
     In welchen Weisen der Transfer aus der Forscher-    Exkursion ins Naturkundemuseum führten.
     Theater-Sammlung in die Stückentwicklung gelin-     Die Produktion erschafft daraus einen partizipa-
     gen kann, untersuche ich anhand der drei exem-      tiven Möglichkeits-Raum für Verwandlungen, in
     plarischen Produktionen. Welche Fragestellungen     dem spielerische Identitäts-Aneignungen auf Pro-
     und Motive können in den Stückentwicklungen         be stattfinden. Dabei wird die Frage „In was könn-
     weiterverfolgt und welche szenischen Strategien     te mich DAS alles verwandeln?“ zum Motor der
     aus den Kita-Testsettings abgeleitet werden?        szenischen Forschung mit und an dem Material
                                                         Kleidung. In ihrem Spiel des Entdeckens, Anpro-
                                                         bierens, Verwerfens und Neuauffindens von Klei-
                                                         dungsstücken, verdichten die Performerinnen die
                                                         Handlungsweisen, die auch die explorativen Spiele
                                                         der Kinder bestimmten. Der Gestus des gemein-
                                                         samen Forschens aus der Kita-Reise findet in der
TUKI Bühne experimentiert mit den                        Inszenierung als aktivierendes dramaturgisches
theatralen Versuchsanordnungen der                       Stufenmodell seinen Übertrag: 1. Zuschauen beim
Kinder und verdichtet sie zu einem                       Auffinden der Kleidungsstücke: Die Performerin-
Bühnen-Setting.                                          nen schreiben verschiedenen Kleidungsstücken
                                                         Eigenschaften zu (stark, laut, schillernd, luftig),

                                                                                                                17
TUKI Bühne fängt die Perspektiven
     der kindlichen Lebenswelt ein und
     macht sie für das Theater fruchtbar.

     die sie sich anhalten und anschließend wie Kraft-

                                                                                                                 Foto: Jara Lopez Ballonga
     tiere um sich herum anordnen. 2. Der im Anpro-
     bieren entstehende Deutungsraum wird als ver-
     bale Mitspielmöglichkeit an das Kinderpublikum
     freigegeben. In deren Assoziationen entsteht ein
     Echo auf die Protagonisten aus dem Tierreich, die
     auch schon die TUKI-Kinder begeistert hatten. 3.
     Die Performerinnen zeigen, wie Alltagsgegenstän-      ihre Wandlungsfähigkeit in diverse Tierkörper und
     de zu Superkräften in einer Roboter-Verwandlung       Masken getestet. Muster von Ähnlichkeit in Mikro-
     werden können und fordern einzelne Kinder auf, für    Makro-Relationen, wie die verwandten Strukturen
     eine weitere Verwandlung die Auswahl an Textilien     von Seifenblasen und Insektenaugen spielen eben-
     und Objekten selbst zu treffen. 4. Die finale Stufe   falls eine Rolle. Getragen wird die atmosphärische
     dieser aktivierenden Forschungs-Dramaturgie ist       Testreihe von zwei Maschinen: dem live gespiel-
     erreicht, wenn der Bühnen-Spielraum samt aller        ten, selbstgebauten Saiteninstrument und dem
     Kleidungsstücke für die Verwandlungstests des         Technikpult als Teil der Bühne. Von dort wird das
     Kinder-Publikums geöffnet wird.                       wiederkehrende Audio-Sample von zerbersten-
                                                           dem Porzellan eingespielt, es stammt aus einem
                                                           Zerstörungs-Versuch der TUKI-Forschungsreise.
                                                           Die Kinder hatten in dieser Arbeitsphase bereits
                                                           die Fähigkeiten verschiedener Materialien unter-
                                                           sucht: Eine Glasscheibe, die durch das Gewicht der
     * 2. Schaubude:                                       Kinder Sprungmuster bekam, wurde zur Vorlage
     Materialien als Protagonisten in                      und die abgepauste Struktur mit der von Libellen-
     verzaubernden Testreihen                              flügeln verglichen. Transparentpapier wurde auf
                                                           seine Geräuschpotenziale getestet und die indivi-

     In der Produktion »¡ ver-rückt ! Versuche zu
      Chaos, Fliegen und Maschinen« dient der Topos
     „Chaos“ als Programm einer potenziell unendli-
                                                           duellen Handlungen der Kinder, die verschiedene
                                                           Sounds erzeugten, wurden als Partitur aufgezeich-
                                                           net und in eine Papier-Collage übersetzt.
     chen Zahl von Versuchsaufbauten, um die Wahr-         Die Inszenierung vertieft diese Arbeitsweise, die
     nehmung des Kinderpublikums mit der Insekten-         bereits in der Kita als modulare Abfolge künstleri-
     welt und den Maschinen zu verknüpfen. Die beiden      scher Forschungsmethoden entwickelt wurde:
     Performer*innen - die ihre Sound-Experimente,         1. Ein Versuchsaufbau mit ausgesuchtem Material
     Zeichnungen und Objektbaukünste auch in die           als Ausgangspunkt, 2. Das spielerische Weitertrei-
     Forschungsreise einbrachten – testen Anverwand-       ben und Verknüpfen der gefundenen Phänomene
     lungs-Möglichkeiten des eigenen Körpers mittels       und Effekte, 3. Die Bearbeitung der Zwischenpro-
     Aktionen und projizierter Zeichnungen. Die Test-      dukte in einem neuen Medium - z.B. erst Sound,
     reihe startet mit einem Versuch zu fliegen: Die       dann Bild oder erst Objekt dann Schattenspiel.
     Performerin schält sich, vom Klettergeschirr ge-      4. Das assoziative Suchen nach Bedeutungsmus-
     tragen, langsam aus einem hängenden Kokon. Ihr        tern und Ähnlichkeiten stellt die Verbindung zu
     Kollege erweitert ihren fliegenden Schatten in der    weiterem Material her.
     Overhead-Projektion um sechs Beine und ein paar
     Flügel. Große Bögen aus Form-Pappe werden auf

18
TUKI Bühne beteiligt
                                                                           Kinder als Expert*innen
                                                                           an der Stückentwicklung
                                                                           professionellen Kinder-
                                                                           theaters.

* 3. Deutsche Oper:                                   sich, nach Improvisationen zu Verbalnotationen
Hörenlernen zwischen Alltags-                         und Geräuschaufträgen mit vielfältigen Alltagsge-
geräuschen und Loopstation                            genständen, zum Zeitpunkt dieses Textes in der
                                                      Verdichtungsphase. Eine wichtige Frage lautet:

F   ür die Produktion „Expedition TIRILI“ kommen
    zwei Performerinnen mit Mikrophon, Verstär-
ker und Loop-Station in die Kita, um mit den Kin-
                                                      Werden sich die Performerinnen in zwitschernde
                                                      Vögel verwandeln oder breitet sich am Ende ein
                                                      Klang-Gewitter in den Kitaräumen aus?
dern Geräusche einzufangen und die Klangpoten-
tiale von Alltagsgegenständen zu erkunden.
„Können uns die Vögel eigentlich verstehen?“
fragt ein Mädchen und gibt den Impuls die Klang-      So verschieden die drei künstlerischen For-
forschung in der Kita für Übersetzungs- und Imi-      mensprachen sind, die in den Kitas die Theater-
tationsvorgänge zwischen Tiergesang und Men-          Reisen anfachen, so ähnlich ist der Impuls aller
schensprache zu öffnen. Diese Forschungsreise         Stückentwicklungen, die mit den Kindern begon-
sensibilisiert die Kinder für die unterschiedlichen   nene Forschung im kleineren Theaterteam weiter
Laut-Qualitäten. Mitgebrachte Audioprotokolle von     zu treiben und zu vertiefen. Das Verbindende der
Treppenhausgepolter, Vogelgezwitscher und Zäh-        unterschiedlichen TUKI Bühne Produktionen sind
neputzen fordern die Kinder auf, genau hinzuhören     die synästhetischen Erlebnisformen sowie das
und assoziativ auf alltägliche Geräuschsituationen    gemeinsame Anliegen, die Aufführungen für die
zu reagieren. Ihre Antwort-Sammlung - Knacken         Teilhabe des Kinderpublikums zu öffnen.
von Zwieback, Malbewegungen auf Papier, Perlen
im Joghurtbecher - wird an das Opern-
Probenteam geschickt. Durch die zeit-
liche Parallelität von Forschungsreise
und Stückentwicklung entsteht eine
direkte Korrespondenz mit wechsel-
seitigen Impulsen aus akustischen und
haptischen Botschaften. Beide Prozesse
basieren auf der gleichen Suchbewe-
gung: Die Muster und Funktionsweisen
der Welt der Geräusche zu begreifen
und sie hör- und sichtbar zu machen.
Die Fragen für die ersten Experimente
mit der Loop-Station auf den Bühnen-
proben lauten: „Wo fängt Klang an Spra-
che zu überrumpeln? Wie hört sich die
Stille nach dem Soundgewitter an?“ Ein
Werk des Klangkünstlers Alvin Lucier
dient als Vorlage, um Sprache durch Ko-
pievorgänge bis zur Unkenntlichkeit zu
                                                                                                          Foto: Renate Breitig

überlagern und in Klang zu verwandeln.
Die TUKI Bühne-Produktion befindet

                                                                                                          19
schaubude berlin

„Die ästhetische Forschung mit
Kindern ist eine spannende Form der
Materialgenerierung, die dem Theater
für Kinder neue Welten öffnet und die
Perspektive der jungen Zuschauer*innen
frühzeitig in den künstlerischen Prozess
einbindet. TUKI Bühne forciert diesen
intensiven Dialog und öffnet damit
wichtige Perspektiven in der Produktion
frühkindlichen Theaters.“
                                           Foto: Jara Lopez Ballonga

Tim Sandweg, Künstlerische Leitung
20
SCHAUBUDE BERLIN
¡ ver-rückt !
Versuche zu Chaos, Fliegen und Maschinen
Ein Objekt- und Materialtheater für Kinder ab 5 Jahren

    Ich träume von dieser Maschine, die besteht aus               Performance, Musik: Alpha Angelina Kartsaki
    drei Teilen: einer Badewanne, einer Lupe und ei-              Performance, Figurenbau: Gonzalo Barahona
    nem Frosch. Was aber haben eine zerbrochene                   Regie: Franziska Burnay Pereira
    Glasscheibe, eine Libelle und Seifenschaum mitei-             Dramaturgie, Bühne: Susann Tamoszus
    nander zu tun? Gibt es einen Bauplan für Insekten?            Kostüm, Bühne: Michaela Muchina
    Und sind Insekten auch Maschinen? In Versuchsan-              Lichtdesign: David Scholz
    ordnungen wird der Zufall organisiert, verwandeln             Film- und Fotodokumentation: Jara Lopez Ballonga
    sich die Dinge, summt, klirrt, knackt die Bühne und
    wird zu einem ver-rückten Ort.

                                                   Material-Versuche
    In verschiedenen Versuchsanordnun-       waren Fragen der Kinder: „Aus wie        In der Inszenierung stellen wir die
    gen haben wir mit sehr unterschied-      vielen Teilen besteht eigentlich eine    heterogenen Materialien sowie die
    lichen Gegenständen und Materialien      Fliege? Sind Fliegen kleine Maschi-      imaginierten und tatsächlichen
    gearbeitet. So haben wir und die Kin-    nen? Klingt Kaputtmachen chaotisch       Lebewesen gleichberechtigt zwi-
    der Papier, Karton, Kleister, Spiegel-   oder auch ein bisschen schön?“           schen Bühne und Publikumsraum.
    folie, Elektroschrott-Teile, Porzellan                                            Die Performer*innen bestimmen
    und Glas auf ihr chaotisches Potenzial   Die Perspektive der Kinder, ihre         gleich zu Beginn das Bühnenspiel
    und ihre abstrakten Eigenschaften        Themen während des theatralen            als Versuch und behaupten nicht
    hin überprüft. Wir wollten neue          Forschens waren im Produktionspro-       Forscher*innen zu sein. Das genutzte
    Bezüge zu den genannten Dingen in        zess immer präsent. Auch wenn sich       Material - wie auch die Textilfolie - ist
    möglichst ungewöhnlichen Kontexten       in manchen Momenten das jeweilige        selbst Gegenstand der abgebildeten
    herstellen. Um das zu erreichen, ha-     Material scheinbar erschöpft hatte,      Versuche. Je nachdem, wie es von
    ben wir das bereitgestellte Material     stellten die Kinder neue Behauptun-      den Performer*innen gestaltet wird,
    zerlegt, montiert, zerrissen, neu        gen auf, aus denen sich neue Frage-      generiert es in der Wahrnehmung
    zusammengeklebt, verbrannt und mit       gestellungenfür die nächste For-         der jungen Zuschauer*innen immer
    den Überresten experimentiert und        schungseinheit herausbildeten. Die       neue Bedeutungen. Diese Verwand-
    sie zerschmettert. Eigene Kaputt-        Herausforderung bestand darin, auf       lungsmomente in der Inszenierung
    Sounds haben wir komponiert sowie        den Thesen der Kinder neue künst-        begreifen wir als Material-Versuche,
    Materialrisse und Strukturen einer       lerische Versuchsanordnungen auf-        weil die Kommentarebene im
    zerstörten Glasscheibe oder eines        zubauen. Der Titel der Inszenierung      Moment der Aufführung das ei-
    geknüllten Papiers untersucht.           „¡ ver-rückt !“ verweist auf die Bühne   gentliche Versuchsfeld darstellt.
    Diese Versuche haben wir für die         als einen Ort, der mehrere Räume,
    Kinder mit den übergeordneten            Welten und Perspektiven zusammen-
    Begriffen „Chaos, Fliegen und Ma-        führt und die bestehenden Ordnungen      Franziska Burnay Pereira
    schinen“ versehen. Vorausgegangen        der Orte umkehrt und neu befragt.        und Susann Tamoszus

                                                                                                                                  21
Foto: Franziska Burnay
                              Spotlights
                              Schaubude
                   Einblicke und Zitate,
            zusammengetragen aus Interviews,
              Protokollen und Beobachtungen

                                 Die besondere Arbeitsweise
                                 Durch den Materialtheater-Schwerpunkt,
                                 das Erzählen mit den Dingen, kommen die
                                 thematischen Impulse von den Kindern,
                                 während das künstlerische Team danach
                                 sucht, mit welchem Material was erzählt
                                 werden kann. Die Kinder interessiert nicht
                                 unbedingt das Transparent-Papier an sich,
                                 sondern sie haben beispielsweise Lust auf
                                 Zerstörung und das Team übersetzt ihre
                                 Themen in eine materielle und fassbare
                                 Art und Weise. In der Inszenierung wird
                                 die kreative Auseinandersetzung mit
                                 unterschiedlichen Materialien, die das
                                 Team während der Forschungsreisen bei
                                 den Kindern beobachten konnte, über ein
                                 Spielmaterial erzählt und abgebildet.

                                                                                          Die performative Rolle
                                                                                          des Forschens
                                                                                          Die Kinder haben auf der Forschungs-
                                                                                          reise mit uns ja nicht gespielt, „Wir
                                                                                          sind Forscher“, sondern sie waren es
                                                                                          tatsächlich. Es war eine performative
                                                                                          Rolle, der man sich im Tun angenähert
                                                                                          hat. Das soll in der Produktion bei-
                                                                                          behalten werden. Es soll nicht etwas
                                           Die Experimente der Kinder                     behauptet werden, sondern wir setzen
                                           als Start-Motoren                              uns tatsächlich mit etwas auseinander,
                                                                                          zeigen es auf der Bühne.
                                           Es sind zuerst diese bewussten Dinge, mit
                                           denen wir umgegangen sind, aber dann
                                           kommt das Unbewusste hinzu: Sobald wir
                                           zu dem Material greifen, das wir schon mit
                                           den Kindern benutzt haben, kommen innere
                                           Bilder von Dingen zum Vorschein, die wir mit
                                           den Kindern gemacht haben und die in die
                                           Arbeit einfließen. Der Soundmix von dem mit
                                           den Kindern zerstörten Geschirr bestärkt
                                           uns darin, dass selbst erzeugte Klänge nicht
                                           fehlen dürfen. So findet auch das selbst
     Foto: Franziska Burnay

                                           gebaute Saiteninstrument seinen zentralen
                                           Platz in unserer Produktion.

22
Foto: Jara Lopez Ballonga
                                                                                 Wie Muster entstehen
                                                                                 Es ist ein großes Bedürfnis, mit den
                                                                                 Ideen der Kinder weiter zu arbeiten.
                                                                                 Zum Beispiel haben die Kinder Glas
                                                                                 kaputt gemacht; die zersplitter-
                                                                                 ten Muster haben wir genutzt, um
                                                                                 Insektenflügel zu zeichnen. Auch
                                                                                 die scheinbar zufällig entstandenen
                                                                                 Seifenblasen - das wirkt zunächst wie
                                                         Foto: Susann Tamoszus

                                                                                 Blödsinn - führen zum sog. Voronoi-
                                                                                 Muster. Diese Experimente verdanken
                                                                                 wir der Arbeit mit den Kindern.

                                          Wie Sounds
                                          entstehen
Experimente weiterentwickeln              Als die Kinder Porzellan
                                          kaputt gemacht haben,
Die Kinder haben aus Elektroschrott-
                                          sind Sounds entstan-
teilen und Insektenflügeln aus PLA-
                                          den. Diese „kaputt-
Filament hybride Insektenwesen
                                          Sounds“ werden als
gebaut und mit Schattenprojektionen
                                          einzelne Einspieler
experimentiert. Diesen Forschungsmo-
                                          und als Bausteine
ment mit den Kindern entwickeln die
                                          einer Komposition
Performer*innen auf der Bühne weiter
und versuchen zu einem Teil des ge-       in der Inszenie-
zeichneten Insekts zu werden, indem sie   rung benutzt.
                                                                                                                Foto: Franziska Burnay

sich in die Projektion positionieren.

                                                                                                                                                  23
GRIPS Theater

"Kinder dieser Altersgruppe im Vorfeld einer Produktion
so intensiv erleben und von ihnen lernen zu können, ist das
schönste Geschenk von TUKI Bühne. Aus den Erfahrungen
der Kinder haben wir das Stück "Verwandelt!" entwickelt –
das ist unser Geschenk an die Kinder!“

Philipp Harpain,
Theaterleiter GRIPS Theater

                                                              Foto: Nora Hoch

24
Verwandelt!
Ensembleproduktion für Menschen ab 3 Jahren

    Im Theater lieben wir die Lust an der Verwandlung.         Mit forschendem Gestus erkunden wir die Grenze
    Aber was passiert eigentlich genau, wenn wir uns           von Verkleiden zu Verwandeln, und befragen mit all-
    verwandeln? Überall auf der Welt sind wir von Ver-         täglichen Materialien wie Stoffen ganz verschiedene
    wandlungen umgeben. Pflanzen, Menschen und                 Facetten des Verwandelns. Die mobile Produktion
    Tiere verwandeln sich ebenso wie Städte, Flüsse            findet in Kitas überall in Berlin statt, und wagt sich
    und Berge. Manche Verwandlungen geschehen von              dabei in eine sinnlich-interaktive Theaterform, um
    selbst, ob wir wollen oder nicht. Andere Verände-          die jungen Zuschauer-Akteur*innen einzubinden.
    rungen machen wir selbst. Im Spiel oder im The-
    ater schlüpfen wir in Rollen und entscheiden uns           Regie: Katja Fillmann
    mit Kostümen aktiv für die Wandlung. Und immer             Bühne und Kostüme: Maria Wolgast
    wieder verändern wir im Spiel die Dinge in Form            Dramaturgie und Theaterpädagogik: Nora Hoch
    und Funktion.                                              Mit: Friederike Dunger und Lisa Vera Schwabe

                                                  Verwandlungen
   Im Spiel sind wir plötzlich Wesen       für die TUKI Bühne Produktion, das    logische war, ist der Grundgestus
   mit Federn und spüren die Luft          durch die Assoziationen und Ver-      auf der Bühne ein beständiges
   unter unseren Flügeln. Wir wissen,      suchsanordnungen unseres Teams        Testen, Tasten und Erkunden von
   dass Menschen zu schwer sind zum        nach und nach erweitert wurde.        Verwandlungsmöglichkeiten.
   Fliegen, dennoch gelingt es uns im      Materialien - wie das große Tuch,
   Theater manchmal abzuheben.             welches für die Forscher-Kinder       Eine zentrale Frage war immer wie-
                                           so wichtig gewesen war - wurden       der, was ein interaktives Format im
   „Verwandelt“ lautet der Titel der       in den Proben auch von den Per-       Rahmen einer mobilen Produktion,
   Performance und kann auch als           formerinnen überprüft und weiter-     mit dem Grundgedanken eines
   Überschrift für den Forschungsansatz    bearbeitet. Dem Forschen mit den      Forschenden Theaters für die
   unserer Proben verstanden werden,       Kindern folgte das eigene Forschen.   Allerjüngsten bedeuten kann. Wir
   unter dem wir die verschiedenen                                               stellten fest, dass die letzte Phase
   Facetten dieses Themas untersucht       Die Arbeit mit den Kindern begann     der Aufführung, in der die Kinder die
   und für die wir ästhetische Überset-    mit dem Hinweis der Erzieher*innen,   Bühne selbst kapern, mehr Raum
   zungen gefunden haben. Wir haben        dass in dieser Gruppe viele Kinder    einnahm als gedacht und erwartet.
   uns gefragt, wo die Grenzen von         gern im Rollenspielraum wären,        Der zunächst meist scheue Einstieg
   Verwandlungen liegen, wodurch und       um sich zu verkleiden. In der TUKI    der Kinder in das eigene Spiel auf
   wie Verwandlungen geschehen. Geht       Forschungsreise badeten wir zusam-    der Bühne ging über in ein schein-
   das Verkleiden dem Verwandeln im        men mit 16 Kindern in einer breiten   bar wildes spielendes Chaos und
   Theater voran? Was geschieht, wenn      Auswahl von Kleidung, aus der         mündete oft in vertieftem Spiel von
   wir uns eine neue Haut überziehen?      irgendwann eine Gruppe Kla-Motten-    Verwandlungsfiguren. Dabei ließ
   Warum wollen wir uns eigentlich         Motten entstieg. Diese Erfindung      sich beobachten, dass viele Im-
   verändern und verwandeln?               der Kinder führte uns tiefer in       pulse der Performerinnen von den
                                           das Thema der Verwandlungen.          Kindern wieder aufgegriffen, erprobt
   Durch die lange praktische Arbeit mit                                         und weiterentwickelt wurden.
   den TUKI-Kindern bildeten Ideen und     Während die Forscherrolle in der
   Fragen der Kinder das Fundament         Arbeit mit den Kindern eine dia-      Nora Hoch und Katja Fillmann

                                                                                                                         25
Spotlights
         grips theater
            Einblicke und Zitate,
     zusammengetragen aus Interviews,
       Protokollen und Beobachtungen

                    Das Tuch
                    Das große Schwungtuch hat bei jedem Kita-
                    Besuch eine Sogwirkung auf die Kinder. Wenn
                    sie darunter krabbeln, werden sie zu ver-
                    schiedenen Tieren. Zurückhaltenden Kindern
                    bietet es einen versteckten Raum zum Ver-
                    wandeln. In der Inszenierung taucht das Tuch
                    als elastische silbriggraue Stoffbahn wieder
                    auf: als Wasserfall, Körper-Skulptur-Kostüm,
                    Markierung einer Insel und schließlich als
                    Dach eines Zuges, in dem alle Kinder am
                    Ende der Inszenierung Platz finden und aus
                    ihrem Verkleidungs- und Verwandlungsspiel
                    zurück in die Wirklichkeit geholt werden.

     Bist Du schon
     verwandelt?
     Wenn das Gesicht einer
     verkleideten Person nicht
     mehr zu erkennen ist, hat sie
     sich verwandelt. Das war die
     eindrückliche Reflexion der
     Kinder anhand ihrer Vor-
     her-Nachher-Fotos aus den
     Verkleidungsspielen der
     TUKI-Reise. In der Auffüh-
     rung lässt sich das an der
     Reaktion des Kinderpubli-
     kums nachvollziehen: Der
     Verwandlungsvorgang
     wird in dem Moment ein-
     stimmig angenommen,
     in dem das Gesicht der
     Performerin unter der
     Hose verschwindet.
                                             Foto: Deike Altmann

26
Wenn ich Chamäleon sage...
                                                                                                                  Das Aussprechen von Tiernamen funktioniert
                                                                                                                  wie ein Zauberspruch zur Verwandlung: Sagt
                                                                                                                  jemand Frosch, gehen die Kinder sofort in
                                                                                                                  eine körperliche Nachahmung. Diesen Spie-
                                                                                                                  limpuls nimmt das Produktionsteam auf und
                                                                                                                  verfolgt die Spur der Fähigkeiten weiter, wel-
                                                                                                                  che die Tiere den Menschen voraushaben, wie
                                                                                                                  Fliegen-können oder Unter-Wasser-leben.
                                                                                                                                  Grüne Tüllröcke verwandeln
                                                                                                                                    die Performerinnen in See-
                                                                                                                                    Anemonen, Meerjungfrauen
                                                                                                                                    oder einen Vogel.

                                                                                         Foto: Fanny Frohnmeyer
      Foto: Franziska Hauser

                                                                   Foto: Deike Altmann

„Ihr da, wir hier“
Der Kita-Raum ist von Beginn an
verwandelt. Die mobile Produktion
definiert darin ihre eigene Spiel-
fläche und auch das Außerhalb,
den Zuschauerbereich. Während
des Einlasses legt eine Performe-
rin runde Teppichstücke aus, auf
denen sie Schritt für Schritt durch
den Raum schreitet und die Kin-
der an die Punkte führt, an denen
sie sich niederlassen können. Die                       Fragen zur Entwicklung
runden Plätze bieten auch eine                          der Interaktion
Rückzugsmöglichkeit für die Kin-                        Gibt es eine Frage, die die Perfor-
der, die sie erst verlassen, wenn                       merinnen trägt? Oder wird die Frage
sie am Ende auf die Spielfläche                         dem Publikum gestellt? Wie und
zum Verkleidungsspiel aufgefor-                         wann wird das Set für Kinderpubli-
dert werden.                                            kum geöffnet? Welche Erkundungen
                                                        sollen sie darin machen können?
                                                        Erkunden erst die Spielerinnen und
                                                        laden danach ein? Kommen sie
                               Foto: Fanny Frohnmeyer

                                                        vom konkreten Tun ins Fragen und
                                                        eröffnen dann Spielmöglichkeiten?
                                                        Wie offen oder wie geführt soll es
                                                        werden? Wie linear ist der Gedanke,
                                                        der in einer Frage steckt?

                                                                                                                                                                   27
DEUTSCHE OPER
„Mobiles Musiktheater für Kitas nimmt in
unserem Spielplan für Kinder eine ganz
zentrale Rolle ein – schon seit mehreren
Spielzeiten. In der Neuproduktion mit
TUKI Bühne fordern wir uns neu heraus,
indem wir die Kinder zum Mit-Forschen
und -Entwickeln einladen. Ich freue mich
auf immer neue Expeditionen in spannende
neue Klangwelten mit unserem jüngsten
Publikum!“

Dietmar Schwarz,
Intendant der Deutschen Oper Berlin

                                           Foto: Stephan Bögel

28
Expedition TIRILI
Ein Musiktheater für Kinder von 3 bis 5 Jahren

    Kinder sind geborene Forscher*innen. Zwei                      Inszenierung: Franziska Seeberg
    Musiker*innen besuchen sie mit ihrer Ausrüstung                Musikalische Beratung und Probenleitung:
    in der Kita und gehen mit ihnen auf musiktheatrale             Thomas Prestin
    Forschungsreise. Gemeinsam fragen sie sich: Wie                Bühne, Kostüme: Janina Janke
    entstehen Töne? Woraus besteht Musik? Wer oder                 Mitarbeit Stückentwicklung: Julia Bihl
    was ist dieses geheimnisvolle TIRILI?                          Dramaturgie: Lars Gebhardt
                                                                   Performerin / Sängerin: Pauline Jacob
                                                                   Performerin / Musikerin: Cathrin Romeis

                                             Ein Forschungs-Zwischen-Stand
    Dass sich Forschungsreise und              Einen haptischen Austausch zwischen     (Mikrofone, Loopmaschine,
    Probenzeitraum überlappen,                 Kita und Produktionsteam gibt es        Effektgeräte etc.) im Gegenteil
    nutzen wir für einen sehr direkten         durch ein „Post“-System: In einer       zu einer Versinnlichung führt.
    Transfer der Prozesse des künst-           Kiste schicken sich Kita-Kinder und     So kann sich eine größtmögli-
    lerischen Forschens mit Kindern            Performerinnen Briefe, Bildnotatio-     che Fokussierung herstellen.
    und der Entwicklung einer mobilen          nen, aufgenommene Geräusche und
    Kindermusiktheaterproduktion.              Gegenstände und beeinflussen so ge-     Julia Bihl, die in einer vorherigen
                                               genseitig ihre Forschungsarbeit. Auch   Forschungsreise eine wertvolle
    Bei unserer Forschungsreise mit der        ein Besuch in der Oper und das Aufei-   Expertise entwickelt hat, tritt punk-
    Kita steht zunächst die Schärfung der      nandertreffen von erwachsenen und       tuell beratend zu den Proben hinzu.
    auditiven Wahrnehmung der Kinder           kindlichen Forscher*innen hat Spu-      Franziska Seeberg dagegen kann im
    und uns forschenden Künstler*innen         ren auf beiden Seiten hinterlassen.     Kita-Prozess hin und wieder einen
    im Fokus: Das Hin-Hören als aktiven                                                distanzierteren Blickwinkel einneh-
    Vorgang zu begreifen, nach Alltags-        Parallel zur Forschungsreise probt      men und ihre Beobachtungen in die
    klängen zu suchen und neu zu               Franziska Seeberg mit den bei-          Probenarbeit einfließen lassen.
    deuten sowie Klänge zu notieren.           den Performerinnen und wendet
    In Versuchsanordnungen loten wir           grundsätzlich die gleichen Prinzipien   So transformieren sich Forschungs-
    die Möglichkeiten „aktiven Hörens“         an: In einem klaren Setting – zwei      vorgänge in der Kita zur forschenden
    aus. Dabei werden die Kinder zu            Performerinnen erkunden mit Hilfe       Probenarbeit im Theater, die dann
    Klangsammler*innen und Musizie-            elektronischer Mittel Klänge im         wiederum durch Aufführungen
    renden – und im Forschungsprozess          Raum – wiederholt sie ähnliche          in der Kita an ihren „Ursprungs-
    wird die voranschreitende Sensi-           Versuchsanordnungen wie zuvor mit       ort“ zurückgeführt werden.
    bilisierung zunehmend sicht- und           den Kindern. Dabei können diese de-
    hörbar. Natürlich gibt es auch Experi-     taillierter ausgeschöpft und vertieft
    mente, die als missglückt erscheinen,      werden. Schon in der Frühphase wird
    uns dann wiederum helfen, Fehler bei       dabei klar, dass die zunächst distan-   Franziska Seeberg,
    der Bühnenproduktion zu vermeiden.         zierend wirkende technische Ebene       Julia Bihl, Lars Gebhardt

                                                                                                                               29
Spotlights
      deutsche oper
            Einblicke und Zitate,
     zusammengetragen aus Interviews,
       Protokollen und Beobachtungen

          Postverkehr zwischen
          Forscherkindern und Performerinnen
          Weil die Forschungsreise und Stückentwick-

                                                                                  Foto: Silke Bauer
          lung parallel laufen, denkt sich das Team
          eine Postbox aus, mit der sich die forschen-
          den Prozesse miteinander verschränken -
          Briefe, Fragen, erste Forschungsergebnisse,
          Material und Einladungen gehen hin und her:
          Eine Geräuschliste, Luftballons, eine Gieß-
          kanne, Notationsgemälde, Papierrollen - all
          das und anderes mehr landet in der Postkis-
          te, die zwischen Kita und Bühnenproduktion
          hin und her geschickt wird. So werden die
          Performerinnen schon früh im Prozess für
          die Kinder zu vertrauten Personen, mit denen
          sie auch in der Kita erste Geräuschexperi-
          mente erproben. Zudem kommen die jungen
          Forschenden auch zu Besuch in die Oper und
          es erschließt sich so die Verbindung beider
          Vorgänge.

                                  Mit Alltagsgegenständen agieren
                                  Bei der Auswahl des Materials, das die Oper
                                  den Kindern in die Postbox gesteckt hat,
                                  handelt es sich vorwiegend um vertraute Ge-
                                  genstände aus dem Leben der Kinder, die sie
                                  in neuer Funktion erleben können. Im Fokus
                                  steht die auditive Wahrnehmung, das gezielte
                                  Hinhören. Spannend ist, welche ungewöhn-
                                  lichen Klänge, Rhythmen und Geräusche
                                     mit bekanntem Material erzeugt werden
                                          können. Diese hinter einem Vorhang
                                             raten zu können, macht den Klei-
                                               nen nicht nur Freude, sondern
                                               schärft auch die akustisch-bild-
                                                           hafte Vorstellungs-
                                                                kraft zwischen
                                                                   Gegenstand
                                                                    und Laut.
                                                    Foto: Renate Breitig

30
Foto: Paula Winkler
                              Aus Geräuschen werden Geschichten
                              Schnell haben die Kinder auch Spaß daran,
                              die Geräusche, die sie hören, zu erraten. Der
                              Vorgang, erst einmal zu hören, die eigenen
                              Sinneseindrücke zu befragen und darauf das
                              Gehörte richtig einzuordnen, scheint ihnen als
                              Spiel besonders gut zu gefallen. Der nächste
                              Schritt ist die Gestaltung akustischer Vorgän-
                              ge: Wie können Rascheln, Trampeln, Klopfen,
                              Reiben, Kratzen, Streichen und vieles andere
                              narrative Potentiale hervorbringen? Mit einer
                              Tüte kann man z.B. das Laufen im Schnee
                              oder das Knistern von Feuer simulieren… In
                              den Proben gehen die Performerinnen den
                              umgekehrten Weg: Wie können verbal for-
                              mulierte Stimmungen oder Wetterzustände
                              akustisch umgesetzt werden?

                                                                           Der Hörtrichter
                                                                           Die Künstlerinnen basteln mit den Kindern kleine
                                                                           Hörtrichter aus Papier, um dem ungreifbaren Vor-
                                                                           gang des Hörens mehr Form zu geben. Die Kinder
                                                                           bekommen den Auftrag, die Geräusche auf der Stra-
                                                                           ße zu „erlauschen“. Eine Erwachsene protokolliert
                                                                           die gesammelten Eindrücke der Kinder. Es entsteht
                                                                           eine lange Liste aus Autohupen, Vogelgezwitscher,
                                                                           Gerassel, Blätterrascheln, Kinderschreien, Flug-
                                                                           zeugen, Wirbelstürmen und vielem mehr. Durch die
                                                                           Handhabung der Hörtrichter wird der Vorgang des
                                                                           Hörens nachvollziehbar, sozusagen haptischer.
                                                                           Die Ohren bekommen eine Richtung.
                                                                                                             Foto: Julia Bihl
           Foto: Julia Bihl

Komposition: Notation
und Loop-Station
Das Prinzip der Korrespondenz dient
dazu, sich gegenseitig anzustecken, mit-
einander in einen gemeinsamen Prozess
zu gehen. So agieren auch die Kinder
als Komponist*innen, geben den Perfor-
merinnen Anweisungen und gestalten
erstmals Rhythmus, Wiederholungen
und unterschiedliche Lautqualitäten,
für die sie zuvor Notationsprinzipien
erfunden haben. Faszinierend für die
Kinder ist, wie dann mit Mikros und einer
Loop-Station neue Klangkompositionen
                                                                                                                                31
entstehen.
32
Foto: Maria Wolgast
TUKI Bühne geht den Themen
                                                                     und Interessen der Kinder nach
                                                                     und verdichtet diese für das
                                                                     professionelle Kindertheater.

                        Ein Plädoyer für TUKI Bühne
              Neue Produktionsprinzipien für das Kindertheater
                                             Verena Lobert

W     as entsteht, wenn Künstler*innen in die Kita
      gehen und aus den Impulsen ein Stück für
das jüngste Publikum erarbeiten?
                                                      Partizipation und Anerkennung für die
                                                      Allerkleinsten

* Mut zur Komplexität von
Ästhetik und Inhalt
                                                      M     it dem TUKI-Bühne-Programm wird die Par-
                                                            tizipation der Jüngsten an der Kunst- und
                                                      Theaterwelt auf eine neue Ebene gehoben. Eine
Die Performance der Schaubude zeigt, dass im Kin-     Gruppe von Kindern nimmt als Impulsgebende und
dertheater weder die Vielheit der Theaterformen       Testpublikum an einem künstlerischen Prozess
noch die Komplexität der Themen reduziert werden      teil. Während die Künstler*innen von den Ideen
müssen. Stattdessen setzt die Produktion ihr Ver-     und aus den Reaktionen ihrer Kinder-Verbündeten
trauen auf die Assoziations-Kraft ihrer Materialien   lernen, bekommen die Kinder Zutritt zu einer Welt,
und auf die Offenheit der Wahrnehmung dieser Al-      in der ihre Denkansätze und Handlungsweisen als
tersgruppe.                                           wertvolle Ressource für die künstlerische Arbeit
                                                      zurückgespiegelt werden. Als Teil des erweiterten
*   Erprobte partizipative Dramaturgie                Produktionsteams genießen sie bei der Premiere
In der GRIPS Theater Produktion gelingt eine stu-     ihre Anerkennung und lernen den professionellen
fenweise Verschiebung zwischen Darstellung und        Theaterrahmen kennen.
Mitspielen, in der die Performerinnen die Beteili-
gungs-Modi ihrer jungen Zuschauerschaft elegant
zu lenken wissen. Ermöglicht wird diese Form
durch die Mitarbeit der Kinder während der Stück-
entwicklung.
                                                                                                  Foto: Susann Tamoszus

*   Vertrautes neu wahrnehmen
Die Performerinnen der Deutschen Oper kommen
mit ihrem akustischen Instrumentarium in die Kita,
um die wohlbekannten Räume der Kinder klanglich
abzutasten. Die Fokussierung auf den Gehörsinn
schafft mit Alltagsgegenständen und einer Loop-       TUKI Bühne stellt den Produktionsprozess von
Station für alle Ohren eine neue Welt am vertrauten   Kindertheater als eine koproduzierende Gemein-
Ort.                                                  schaft zwischen Kita-Kindern und Künstler*innen
                                                      auf. Das bereichert die Formen- und Themenviel-
                                                      falt des Kindertheaters und stellt zugleich ein vi-
                                                      sionäres Modell vor, wie die Verknüpfung von äs-
                                                      thetischer Forschung in der Kita mit dem Theater
                                                      als Kunst- und Verhandlungsraum, der generati-
                                                      onsübergreifend gestaltet wird, glücken kann.

                                                                                                                          33
Impressum

     „Funken- Flüge“, Berlin 2020
     TUKI Bühne – ein Format im Programm TUKI – Theater & Kita

     TUKI im Podewil
     Klosterstraße 68
     10179 Berlin
     Telefon: 030.247 497 38
     www.tuki-berlin.de

     TUKI Bühne
     Gesamtleitung: Renate Breitig
     Produktionsleitung: Fanny Frohnmeyer
     Wissenschaftliche Begleitung: Verena Lobert

     TUKI Bühne Produktionen:
     GRIPS Theater: „Verwandelt!“
     Produktionsteam: Katja Fillmann, Friederike Dunger, Lisa Vera Schwabe,
     Nora Hoch, Maria Wolgast, Erik Veenstra

     SCHAUBUDE BERLIN : „¡ ver-rückt !“
     Produktionsteam: Franziska Burnay Pereira, Susann Tamoszus, Alpha
     Angelina Kartsaki, Gonzalo Barahona, Michaela Muchina, David Scholz

     DEUTSCHE OPER BERLIN: „Expedition TIRILI“
     Produktionsteam: Franziska Seeberg, Cathrin Romeis, Pauline Jacob,
     Thomas Prestin, Janina Janke, Lars Gebhardt, Kristina Stang, Julia Bihl

     Beteiligte Kitas:
     PFH-Kita Kastanienallee
     Leitung: Christine Paschke

     PFH-Kita Barbarossastraße
     Leitung: Simone Paganini

     Kindergarten Pfiffikus
     Leitung: Helga Malz

     Ein besonderer Dank geht an die beteiligten Teams der Theater und Kitas für
     ihr Engagement zur Realisierung des neuen Formats TUKI Bühne.

     Die Robert Bosch Stiftung GmbH
     finanzierte die konzeptionelle und wissenschaftliche Arbeit sowie die Pub-
     likation. Außerdem ermöglichte sie die Produktion der SCHAUBUDE Berlin
     und unterstützte die Produktion der Deutschen Oper Berlin.

     Die Heinz und Heide Dürr Stiftung sowie die Stiftung Berliner Sparkasse
     übernahmen die Kosten der GRIPS Theater Produktion.

     Der Projektfonds Kulturelle Bildung
     finanzierte die künstlerisch-pädagogische Arbeit in den Kitas.

     TUKI Bühne
     ist ein Projekt der JugendKulturService gGmbH.

     Herausgeber: TUKI - Theater & Kita, Renate Breitig V.i.S.d.P.
     Redaktion: Renate Breitig und Fanny Frohnmeyer
     Redaktionelle Mitarbeit: Verena Lobert
     Grafische Gestaltung: Viola Thiele

     © TUKI Bühne Berlin, 2020

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Das TUKIversum:

TUKI Tandem initiiert und begleitet dreijährige
Partnerschaften zwischen Kitas und Theatern.
Im Wechsel von Theater-Sehen und Theater-Ma-
chen möchte TUKI die Theaterkunst als Schwer-
punkt in den Kitas verankern und den Theatern
Impulse geben in der künstlerischen Arbeit für
ein ganz junges Publikum.

TUKI ForscherTheater verbindet als experimen-
telles und exploratives Theaterformat den Wis-
sensdurst der Kinder mit ästhetischen Erfahrun-
gen. Ausgehend von den Wünschen der Kinder
werden fiktive und reale Phänomene untersucht
und künstlerisch erforscht.

TUKI Bühne schafft den Transfer vom Theater
mit den Kindern zum Theater für die Kinder. Die
Theatermacher*innen spüren in den Kitas die
Ideen-Welt der Kinder auf und entwickeln aus
gemeinsamen künstlerischen Prozessen profes-
sionelle Bühnenstücke.

TUKI im Kiez organisiert Theateraufführungen
für die Allerjüngsten in Bezirken, in denen Kin-
der sonst kaum die Möglichkeit haben, die Büh-
nenkunst kennen zu lernen. In Kooperation mit
soziokulturellen Einrichtungen entstehen neue
Orte für Kindertheater in ganz Berlin.
                                                   35
TUKI Bühne schafft den Transfer vom Theater
           MIT Kindern zum Theater FÜR Kinder:
           Die spielerischen Erforschungen und
     performativen Versuchsanordnungen in den Kitas
         bilden das Material für das professionelle
                       Kindertheater.
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